Bundesgerichtshof Urteil, 07. Nov. 2018 - 2 StR 361/18

bei uns veröffentlicht am07.11.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 361/18
vom
7. November 2018
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung
ECLI:DE:BGH:2018:071118U2STR361.18.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. November 2018, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Schäfer als Vorsitzender, der Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Eschelbach, die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Bartel, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Grube, Schmidt, Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt als Verteidiger, Amtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 26. Februar 2018, soweit es den Angeklagten M. betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


I.

1
Das Landgericht hat den Mitangeklagten D. wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung unter Einbeziehung mehrerer Strafen aus einer Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Es hat den Angeklagten M. und den Mitangeklagten B. , denen mit der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage zur Last gelegt worden war, durch dieselbe Handlung gemeinschaftlich mit D. und dem gesondert verfolgten R. eine besonders schwere räuberische Erpressung und gefährliche Körperverletzung zum Nachteil des Geschädigten Mü. begangen zu haben, freigesprochen. Mit ihrer auf die Rüge der Verlet- zung materiellen Rechts gestützten Revision, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, wendet sich die Staatsanwaltschaft alleine gegen den Freispruch des Angeklagten M. . Das Rechtsmittel hat Erfolg.
2
1. Die Strafkammer hat folgende Feststellungen getroffen:
3
Am 28. Juni 2017 begaben sich D. , der Angeklagte M. (im Folgenden als Angeklagter bezeichnet), B. sowie R. mit dem PKW des Angeklagten zur Schrebergartenparzelle des Zeugen S. . Während B. und R. am Zugang zur Gartenparzelle warteten, gingen D. und der Angeklagte zur Eingangstür der Gartenlaube. D. öffnete die Tür und war überrascht, den Nebenkläger zu sehen. Er fasste in diesem Moment den Entschluss , den Nebenkläger zur Rechenschaft zu ziehen, weil dieser, wie er zuvor vom Angeklagten erfahren hatte, angeblich erzählt hatte, seine vormalige Freundin, eine Cousine des D. , durch Verabreichung von Drogen sexuell gefügig gemacht zu haben.
4
D. forderte den Nebenkläger auf, mit ihm nach draußen zu gehen. Vor der Gartenlaube versetzte er dem Nebenkläger unvermittelt einen heftigen Kopfstoß gegen dessen Gesicht, wodurch dieser einen Trümmerbruch des Nasenbeins erlitt und stark zu bluten begann. D. warf dem Nebenkläger vor, seine Familie beleidigt zu haben, was dieser jedoch abstritt. Daraufhin versetzte D. dem Nebenkläger erneut einen Kopfstoß gegen dessen Gesicht und wies ihn darauf hin, dass er diese Information von dem Angeklagten erhalten habe, der für ihn so etwas wie ein Bruder sei. Spätestens jetzt zog D. über seine linke Hand einen mit Sand gefüllten Handschuh, während er mit der rechten Hand eine Eisenstange, die er bereits auf dem Weg zur Gartenlaube aufgehoben hatte, drohend gegen den Nebenkläger erhob, um seiner fortan mehrfach in vehementem Tonfall an den Geschädigten gerichteten Forderung „du musst dafür bezahlen!“ Nachdruck zu verleihen. Der Angeklagte hielt sich während dieser Auseinandersetzung vor der Gartenlaube fortwährend in unmittelbarer Nähe zum Tatgeschehen auf.
5
Zwischenzeitlich lenkte D. den Blick des Nebenklägers auf R. und drohte damit, dass er von diesem „abgeknallt“ werde, wenn er versuche „abzuhauen“. Der Nebenkläger nahm die Drohung ernst und war stark ver- ängstigt. D. warf die Eisenstange Weg, da er beabsichtigte, sich mit dem Nebenkläger und dem Angeklagten in das Innere der Laube zu begeben. Er zog den Sandhandschuh aus und steckte ihn in seine Gesäßtasche. Im Laufe des Geschehens zog D. sein Jeanshemd aus, das er, ebenso wie sein Mobiltelefon, dem Angeklagten aushändigte. Er forderte diesen auf, das nachfolgende Geschehen mit dem Mobiltelefon zu filmen. Die Strafkammer hat keine Feststellung zu treffen vermocht, ob tatsächlich eine Aufzeichnung des Geschehens erfolgte. Jedoch hielt der Angeklagte das Mobiltelefon in einer Weise, als würde er filmen. Das Jeanshemd des D. wickelte er um seine Hand.
6
Sodann begaben sich D. , der Angeklagte und der Nebenkläger in das Innere der Gartenlaube. Dort wiederholte D. fortlaufend gegenüber dem Nebenkläger, dieser müsse für sein Verhalten bezahlen. Er schlug dem Nebenkläger mit der flachen Hand auf dessen linke Gesichtshälfte. Der Nebenkläger bot D. verschiedene von ihm mitgeführte Wertgegenstände an, die D. zurückwies und forderte, der Nebenkläger müsse „richtig“ bezahlen.
7
Anschließend verließen D. und der Nebenkläger die Laube. Sie begaben sich in den Gartenbereich, wo die Aufmerksamkeit D. s auf die Goldkette des Nebenklägers fiel. Unter Ausnutzung der zuvor geschaffenen und weiterhin bestehenden Bedrohungslage machte er deutlich, dass er diese Kette haben wolle, woraufhin der Geschädigte die Kette auszog und D. überreichte , die dieser ohne Zögern annahm. Abschließend gaben sich D. und der Nebenkläger die Hand.
8
D. hielt die Goldkette in der Hand und teilte dem Angeklagten, der im Inneren der Laube verblieben war, mit, dass man jetzt „abhauen“ könne. Daraufhin verließen D. , der Angeklagte und B. gemeinsam mit R. fluchtartig die Gartenparzelle. Sie stiegen in das Fahrzeug des Angeklagten und fuhren mit durchdrehenden Reifen davon, wobei einer der Männer in Siegerpose seinen Arm aus dem geöffneten Autofenster streckte. Die erbeutete Goldkette wollte D. für sich behalten und veräußern und dadurch seinem Vermögen ein Vorteil zufügen.
9
2. Die Strafkammer hat den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen , weil sie weder „in objektiver noch in subjektiver Hinsicht“ eine Täterschaft gemäß § 25 Abs. 1 1. Alternative oder Abs. 2 StGB oder ein Hilfeleisten gemäß § 27 Abs. 1 StGB festzustellen vermocht hat. Ein objektiver Tatbeitrag sei nicht feststellbar, da der Angeklagte, wie die Zeugen S. und H. bekundet hätten, während des Tatgeschehens in der Gartenlaube nur daneben gestanden und sich bei diesen im Laufe des Tatgeschehens unzählige Male entschuldigt habe. Es fehle auch an den subjektiven Voraussetzungen für eine Mittäterschaft oder Beihilfe, da zugunsten des Angeklagten, entsprechend seiner Einlassung, davon auszugehen sei, dass er von den Geschehnissen gänzlich überrascht worden sei, insbesondere nicht damit rechnete, dass es zu Straftaten durch D. kommen werde.

II.

10
Die Revision der Staatsanwaltschaft führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit es den Angeklagten betrifft.
11
1. Der Freispruch des Angeklagten kann bereits deshalb keinen Bestand haben, weil die Strafkammer gegen ihre Kognitionspflicht, mithin die Pflicht, den Unrechtsgehalt der angeklagten Tat voll auszuschöpfen, verstoßen hat. Dies ist ein auf die Sachrüge hin zu beachtender Rechtsfehler (vgl. BGH, Urteil vom 24. Oktober 2013 – 3 StR 258/13, NStZ-RR 2014, 57).
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a) Gegenstand der Urteilsfindung ist nach § 264 Abs. 1 StPO die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung darstellt. Der Tatrichter ist verpflichtet, diesen Vorgang unter allen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten aufzuklären und abzuurteilen, ohne an die der Anklage oder dem Eröffnungsbeschluss zugrunde gelegte rechtliche Bewertung gebunden zu sein (vgl. BGH, Urteil vom 27. April 2017 – 4 StR 592/16, juris Rn. 6; Urteil vom 26. Januar 2017 – 3 StR 482/16, juris Rn. 10, jeweils mwN).
13
b) Dieser Verpflichtung ist die Strafkammer nicht in vollem Umfang nachgekommen , weil sie die Tat, obwohl sich dies nach den Feststellungen aufgedrängte , nicht unter dem Gesichtspunkt einer psychischen Beihilfe des Angeklagten zugunsten des D. in den Blick genommen und beurteilt hat.
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aa) Wegen Beihilfe wird gemäß § 27 Abs. 1 StGB bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe leistet. Diese Hilfeleistung muss sich auf die Begehung der Haupttat zwar nicht kausal auswirken; erforderlich ist aber, dass sie die Haupttat zwischen Versuchsbeginn und Beendigung in irgendeiner Weise erleichtert oder fördert (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 17. Mai 2018 – 1 StR 108/18, juris Rn. 7 mwN, BeckRS 2018, 16894). Zwar reicht die bloße Anwesenheit am Tatort in Kenntnis einer Straftat selbst bei deren Billigung nicht aus, die Annahme einer Beihilfe zu begründen (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Februar 2016 – 1 StR 344/15, NStZ-RR 2016, 136, 137; Urteil vom 24. Oktober 2001 – 3 StR 237/01, NStZ 2002, 139 mwN). Eine psychische Beihilfe kann jedoch auch in der Billigung der Tat bestehen, wenn sie gegenüber dem Täter zum Ausdruck gebracht wird, dieser dadurch in seinem Tatentschluss bestärkt wird und der Gehilfe sich dessen bewusst ist (BGH, Beschluss vom 4. Februar 2016 – 1 StR 344/15, aaO; Senat, Beschluss vom 17. März 1995 – 2 StR 84/95, BGHR, StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 14). Dabei setzt die Beihilfe durch positives Tun einen durch eine bestimmte Handlung erbrachten Tatbeitrag des Gehilfen voraus (Senat, Beschluss vom 22. Dezember 2015 – 2 StR 419/15, BGHR, StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 34 mwN). Auch ein bloßes „Dabeisein“ kann die Tatbegehung im Sinne aktiven Tuns fördern oder erleichtern, wenn der Täter dadurch in seinem Tatentschluss bestärkt und ihm ein erhöhtes Gefühl der Sicherheit gegeben wird (BGH, Beschluss vom 17. Mai 2018 – 1 StR 108/18, aaO; Senat, Beschluss vom 15. Dezember 2011 – 2 StR 505/11, juris Rn. 5; Senat, Beschluss vom 24. März 1993 – 2 StR 99/93, NStZ 1993, 385; BGH, Urteil vom 9. Mai 1990 – 3 StR 112/90, BGHR, StGB § 27 Abs. 1 Unterlassen 3). Zum Beleg einer solchen psychischen Beihilfe bedarf es jedoch stets genauer Feststellungen , insbesondere zur objektiv fördernden Funktion der Handlung sowie zu der entsprechenden Willensrichtung des Gehilfen (BGH, Beschluss vom 17. Mai 2018 – 1 StR 108/18, aaO; Beschluss vom 24. März 2014 – 5 StR 2/14, NStZ 2014, 351, 352; Beschluss vom 25. Oktober 2011 – 3 StR 206/11, NStZ 2012, 316 f.).
15
bb) Hieran gemessen hätte die Strafkammer eine hier nahe liegende psychische Beihilfe des Angeklagten in den Blick nehmen müssen. Die Feststellungen bieten hierfür mehrere Anhaltspunkte:
16
Danach begaben sich der Angeklagte, D. , B. und R. gemeinsam mit dessen Fahrzeug zum Tatort. Der Angeklagte befand sich während des Tatgeschehens vor wie anschließend im Inneren der Gartenlaube in unmittelbarer Nähe zu D. . Er hatte nicht nur den mehrfachen körperlichen Übergriff vor der Gartenlaube, die Drohung D. s mit der Eisenstange beziehungsweise mit dem Eingreifen von R. , D. s Bewaffnung mit dem mit Sand gefüllten Handschuh unmittelbar miterlebt, sondern auch die wiederkehrende Forderung des D. , der Nebenkläger müsse „dafür bezahlen“, zur Kenntnis genommen. Dabei hatte er auch die Äußerung des D. s gehört, dass er, der Angeklagte, für D. so etwas wie ein Bruder sei und dass der Grund des Angriffs sowie der Forderung zu zahlen für D. darin bestand, dass dieser von ihm, dem Angeklagten, erfahren hatte, dass der Geschädigte die Cousine des D. mittels Drogen sexuell gefügig gemacht habe. Für diese Beleidigung der Familie des D. sollte der Geschädigte bezahlen.
17
In dieser Situation nahm der Angeklagte auf die Aufforderung desD. dessen Mobiltelefon sowie dessen Jeanshemd an sich und gab mit dem Mobiltelefon , der Vorgabe D. s folgend, zumindest vor, das Geschehen zu filmen. Zudem wickelte er sich das Jeanshemd des D. um seine Hand. Durch diese aktiven Handlungen, eingebettet in das Gesamtgeschehen, waren hinreichende Umstände ersichtlich, die der Strafkammer Anlass boten zu erörtern, ob diese die Tatbegehung des D. zumindest psychisch förderten und sich der Angeklagte dieser fördernden Wirkung bewusst war. Denn spätestens mit der Übernahme der Gegenstände und dem nach Außen erscheinenden Filmen war der Angeklagte aus der Rolle eines bloß passiven Beobachters herausgetreten und hatte sich mit D. – nach außen erkennbar – solidarisiert.
18
2. Darüber hinaus hält die Beweiswürdigung der Strafkammer rechtlicher Prüfung nicht stand.
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a) Spricht der Tatrichter den Angeklagten frei, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Seiner Beurteilung unterliegt nur, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlichrechtlicher Hinsicht etwa der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Rechtsfehlerhaft ist es auch, wenn sich das Tatgericht bei seiner Beweiswürdigung darauf beschränkt, die einzelnen Belastungsindizien gesondert zu erörtern und auf ihren jeweiligen Beweiswert zu prüfen, ohne eine Gesamtabwägung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände vorzunehmen. Der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt ferner, ob überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 11. Oktober 2016 – 5 StR181/16, NStZ 2017, 600, 601; vom 7. November 2012 – 5 StR 322/12, juris Rn. 10 und vom 27. April 2010 – 1 StR 454/09, NStZ 2011, 108, 109). Die Anforderungen an eine umfassende Würdigung der festgestellten Tatsachen sind bei einem Freispruch nicht geringer als im Fall der Verurteilung (vgl. Senat, Urteil vom 21. Februar 2018 – 2 StR 431/17, NStZ-RR 2018, 151, 152; BGH, Urteil vom 17. März 2009 – 1 StR 479/08, NStZ 2009, 512, 513).
20
b) Gemessen daran unterliegt die Beweiswürdigung durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
21
aa) Die von der Strafkammer vorgenommene Beweiswürdigung ist in mehrfacher Hinsicht lückenhaft. Sie hat bei ihrer Entscheidung wesentliche Gesichtspunkte außer Acht gelassen, obwohl diese geeignet waren, das Beweisergebnis zu beeinflussen.
22
Die Strafkammer hat die Aussage des Zeugen Br. , der Angeklagte habe auf der Fahrt zur Justizvollzugsangstalt gesagt, dass es sich um eine „Bestrafungsaktion“ aufgrund einer „Familiensache“ gehandelt habe, mit der D. von einem Familienmitglied beauftragt worden sei, unzureichend gewürdigt. Die Bekundung des Zeugen könnte nicht nur der weiteren Einlassung des Angeklagten, er habe während des Tatgeschehens perplex daneben gestanden und nicht gewusst, was vor sich gehe, entgegen stehen, sondern auch den Schluss zulassen, der Angeklagte habe bereits vor der Ankunft an der Gartenlaube seine Unterstützung gegenüber D. zugesagt.
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Die Annahme der Strafkammer, allein die bestreitende Einlassung des Angeklagten, diese Äußerung gegenüber dem Zeugen getätigt zu haben, hindere die Feststellung dieses Beweisanzeichens, genügt den dargelegten Maßstäben nicht. Die Urteilsgründe lassen vielmehr besorgen, dass die Strafkammer nicht in den Blick genommen hat, dass D. seine Zahlungsforderung gegenüber dem Nebenkläger damit rechtfertigte, dass dieser seine Cousine durch Verabreichung von Drogen sexuell gefügig gemacht habe. Diese Feststellung ist geeignet, die Darstellung des Zeugen Br. zu stützen, da sie sich nahtlos mit der Angabe, es habe sich um eine „Familiensache“ gehandelt, ergänzt. Auch der Umstand, dass D. den Angeklagten aufforderte, das weitere Geschehen vor der Laube zu filmen, könnte ein Indiz für einen Bestrafungsauftrag durch Familienmitglieder sein. In diesem Zusammenhang hätte die Strafkammer auch die Glaubwürdigkeit des Zeugen Br. , in dessen Person die Urteilsgründe kein Falschbelastungsmotiv aufzeigen, und den Umstand erörtern müssen, dass es sich bei der bestreitenden Einlassung des Angeklagten um eine Schutzbehauptung handeln könnte.
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bb) Die Beweiswürdigung der Strafkammer erweist sich zudem als widersprüchlich. Die Wertung der Strafkammer, es sei zu Gunsten des Angeklagten davon auszugehen, dass dieser von den Geschehnissen gänzlich überrascht worden sei und insbesondere nicht damit gerechnet habe, dass es zu Straftaten durch D. kommen werde, ist mit den weiteren Urteilsfeststellungen nicht vereinbar. Wieso die „Überraschung“ des Angeklagten sich über das gesamte mehraktige Geschehen vor der Gartenlaube erstreckte und während des weiteren Tatgeschehens in der Gartenlaube angedauert haben soll, erschließt sich anhand der Urteilsgründe nicht. Da der Angeklagte sowohl während des ersten Geschehens vor der Laube wie auch in der Laube unmittelbar zugegen war, bleibt offen, wieso er nach dem ersten körperlichen Übergriff, dem Hinweis auf den Grund des Übergriffs und der Zahlungsaufforderung weiterhin davon ausgehen konnte, D. werde die begonnen Straftaten nicht fortsetzen beziehungsweise keine weiteren begehen.
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cc) Das Urteil lässt schließlich auch nicht erkennen, dass die Strafkammer alle Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt hat. Eine Gesamtschau setzt voraus, dass sämtliche vorhandene Beweisanzeichen erkennbar zueinander in Beziehung gesetzt und gegeneinander abgewogen werden. Eine diesen Anforderungen genügende Darstellung weist das Urteil nicht auf. Dies lässt besorgen, dass die Strafkammer den Blick dafür verloren hat, dass Indizien, auch wenn sie einzeln und für sich betrachtet nicht zum Nachweis der Täterschaft ausreichen, doch in ihrer Gesamtheit die entsprechende Überzeugung vermitteln können (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 11. Oktober 2016 – 5 StR 181/16, NStZ 2017, 600, 601 mwN).
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In dieser Gesamtschau hätte das Landgericht neben der oben beschriebenen aktiven Beteiligung des Angeklagten berücksichtigen müssen, dass sich B. und R. nach der Darstellung des D. , was der Angeklagte wiederum während des erstmaligen Geschehens vor der Laube wahrgenommen hatte, am Gartenausgang positioniert hatten, um den Geschädigten an einer Flucht zu hindern. Zudem wäre auch das weitere Tatbild beim Verlassen der Gartenparzelle zu bewerten gewesen. Insofern könnte der Hinweis des D. , man könne jetzt „abhauen“, die Abfahrt im Fahrzeug des Angeklagten mit durchdrehenden Reifen und die Siegerpose eines der Männer ebenfalls ein Indiz für eine gemeinsame Tatplanung oder eine gewollte Unterstützung des D. sein. Diesen möglicherweise belastenden Indizien wären die aus Sicht der Strafkammer entlastenden Beweisanzeichen – der Angeklagte stand in der Gartenlaube nur daneben und entschuldigte sich unzählige Male gegenüber den Zeugen S. und H. – gegenüber zu stellen gewesen.
27
3. Auf diesen Rechtsfehlern beruht das Urteil. Es ist nicht auszuschließen , dass die Strafkammer ohne diese zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Die Sache bedarf daher, soweit sie den Angeklagten betrifft, neuer Verhandlung und Entscheidung.
Schäfer Eschelbach Bartel Grube Schmidt

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Strafgesetzbuch - StGB | § 27 Beihilfe


(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat. (2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu milde

Strafprozeßordnung - StPO | § 264 Gegenstand des Urteils


(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt. (2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde l

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(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

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IM NAMEN DES VOLKES
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wegen versuchten Mordes u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 24. Oktober
2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Hubert,
Dr. Schäfer,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil der auswärtigen großen Strafkammer des Landgerichts Kleve in Moers vom 27. März 2013 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte im Tatkomplex II. 1 freigesprochen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten von den Vorwürfen des versuchten Mordes in Tateinheit mit versuchter besonders schwerer Brandstiftung sowie der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Waffengesetz freigesprochen. Mit ihrer - nachträglich auf den Freispruch vom Vorwurf des versuchten Mordes in Tateinheit mit versuchter besonders schwerer Brandstiftung beschränkten - Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
2
Nach den Feststellungen des Landgerichts warf der Angeklagte am 3. August 2012 gegen 0.50 Uhr eine mit einem Brandbeschleuniger gefüllte und einer Zündvorrichtung versehene Bierflasche (Molotow-Cocktail) in Richtung des geöffneten Fensters zum Zimmer der T. . Dabei nahm der Angeklagte, der zutreffend davon ausging, dass die Zeugin schlafend in ihrem Zimmer lag, deren möglichen Tod ebenso in Kauf wie einen durch die beabsichtigte Explosion verursachten Wohnungsbrand, der weitere Personen gefährden könnte. Der Brandsatz verfehlte allerdings sein Ziel, so dass die Flasche an der an das Fenster angrenzenden Hauswand abprallte und zunächst auf das Fensterbrett und dann auf den Erdboden fiel, wo sie zerbarst, ohne dass eine Detonation ausgelöst wurde. Einen von vornherein für den Fall des Fehlgehens des ersten Wurfes mitgeführten zweiten Brandsatz brachte der Angeklagte nicht mehr zum Einsatz. Vielmehr verließ er den Tatort. Die Strafkammer hat das Verhalten des Angeklagten als versuchten Mord in Tateinheit mit versuchter besonders schwerer Brandstiftung gewertet. Von dem unbeendeten Versuch sei der Angeklagte jedoch strafbefreiend zurückgetreten, weshalb er freizusprechen sei.
3
Das Urteil hat keinen Bestand, weil die Strafkammer den festgestellten Sachverhalt nicht unter allen rechtlichen Gesichtspunkten geprüft und damit gegen die ihr obliegende allseitige Kognitionspflicht (§ 264 StPO) verstoßen hat. Dies stellt einen sachlich-rechtlichen Mangel dar (vgl. KK/Kuckein, 7. Aufl., § 264 Rn. 25 mwN).
4
Die umfassende gerichtliche Kognitionspflicht gebietet, dass der - durch die zugelassene Anklage abgegrenzte - Prozessstoff durch vollständige Aburteilung des einheitlichen Lebensvorgangs erschöpft wird (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 29. Oktober 2009 - 4 StR 239/09, NStZ 2010, 222, 223 mwN).
Der Unrechtsgehalt der Tat muss ohne Rücksicht auf die dem Eröffnungsbeschluss zugrunde gelegte Bewertung ausgeschöpft werden, soweit keine rechtlichen Gründe entgegenstehen (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 264 Rn. 10; KK/Kuckein, aaO Rn. 10).
5
Dies hat das Landgericht unterlassen. Nach den Urteilsfeststellungen hatte sich der Angeklagte mit zwei selbstgebauten "Molotow-Cocktails" zu dem von der Zeugin T. bewohnten Haus begeben. Die Strafkammer hätte deshalb prüfen und entscheiden müssen, ob er damit den Straftatbestand des § 52 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 3 und Anlage 2 Abschnitt 1 1.3.4. WaffG (vgl. Steindorf/Heinrich/Papsthart-Heinrich, Waffenrecht, 9. Aufl., § 52 WaffG Rn. 3 f.) erfüllt hat. Dass diese Strafvorschrift in der - unverändert zugelassenen - Anklage nicht aufgeführt war, änderte an der Kognitionspflicht des Landgerichts nichts (§ 264 Abs. 2 StPO).
6
Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
7
Der neue Tatrichter wird den festzustellenden Sachverhalt wiederum unter allen rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen haben.
Becker Pfister Hubert Schäfer Spaniol

(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.

(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht gebunden.

6
a) Gegenstand der Urteilsfindung ist nach § 264 Abs. 1 StPO die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung darstellt. Dabei handelt es sich um den geschichtlichen Vorgang, auf den die Anklage und der Eröffnungsbeschluss hinweisen und innerhalb dessen der Angeklagte einen Straftatbestand verwirklicht haben soll. Der Tatrichter ist verpflichtet , diesen Vorgang unter allen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten zu untersuchen und ohne Bindung an die der Anklage und die dem Eröffnungsbeschluss zugrunde gelegte rechtliche Bewertung (§ 264 Abs. 2 StPO) abzuurteilen, sofern dem keine rechtlichen Hindernisse entgegenstehen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 8. November 2016 – 1 StR 492/15, insoweit nicht abgedruckt in NStZ-RR 2017, 45; Beschluss vom 15. Mai 1963 – 2 ARs 66/63, BGHSt 18, 381, 385 f. mwN).
10
Die umfassende Kognitionspflicht des Tatgerichts gebietet es, die Anklage , wie sie im Eröffnungsbeschluss zugelassen ist, zu erschöpfen, also die den Untersuchungsgegenstand bildende angeklagte Tat restlos nach allen tatsächlichen (§ 244 Abs. 2 StPO) und denkbaren rechtlichen (§ 265 StPO) Gesichtspunkten aufzuklären und abzuurteilen, ohne Rücksicht auf die der Anklage und dem Eröffnungsbeschluss zugrunde gelegte rechtliche Bewertung (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 8. November 2016 - 1 StR 492/15, juris Rn. 53; Beschluss vom 24. September 2009 - 3 StR 280/09, StV 2010, 131, 132; LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 264 Rn. 37 mwN).

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

7
Wegen Beihilfe wird gemäß § 27 Abs. 1 StGB bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe leistet. Diese Hilfeleistung muss sich auf die Begehung der Haupttat zwar nicht kausal auswirken; erforderlich ist aber, dass sie die Haupttat zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen Versuchsbeginn und Beendigung in irgendeiner Weise erleichtert oder fördert (st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom 9. Juli 2015 – 2 StR 58/15, NStZ-RR 2015, 343, 344 und vom 4. Februar 2016 – 1 StR 344/15, NStZ-RR 2016, 136, 137; Urteil vom 16. Januar 2008 – 2 StR 535/07, NStZ 2008, 284 mwN). Die bloße Kenntnis von der Begehung der Tat und deren Billigung ohne einen die Tat objektiv fördernden Beitrag reicht allerdings nicht aus, um die Annahme von Beihilfe zu begründen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann zwar schon ein bloßes „Dabeisein“ die Tatbegehung im Sinne aktiven Tuns fördern oder erleichtern (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2011 – 2 StR 505/11, StV 2012, 287; Urteil vom 10. Februar 1982 – 3 StR 398/81, StV 1982, 517, 518). In derartigen Fällen bedarf es aber sorgfältiger und genauer Feststellungen darüber, dass und wodurch die Tatbegehung in ihrer konkreten Gestaltung objektiv gefördert oder erleichtert wurde, und dass der Gehilfe sich dessen bewusst war (BGH, Beschlüsse vom 13. Januar 1993 – 3 StR 516/92, NStZ 1993, 233 und vom 24. März 1993 – 2 StR 99/93, NStZ 1993, 385).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 344/15
vom
4. Februar 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:040216B1STR344.15.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. Februar 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 8. Oktober 2014
a) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in acht tateinheitlichen Fällen und in Tateinheit mit Beteiligung an einer Schlägerei schuldig ist, sowie
b) im Strafausspruch aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in acht tateinheitlichen Fällen zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Die weiteren Mitangeklagten hat es jeweils wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in acht tateinheitlichen Fällen und in Tateinheit mit Beteiligung an einer Schlägerei zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt.
2
Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.

3
Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte Mitglied der Gruppierung „Red Legion“, die am Tatabend aus mindestens 26 Personen bestand. Diese der „Red Legion“ zugehörigen Personen hattenelf Angehörige der gegnerischen Gruppierung „Black Jackets“ aus einer Bar gelockt und umstellt , um sie ohne Vorwarnung in Überzahl plötzlich und brutal anzugreifen und erheblich zu verletzen. Nachdem der neben dem Angeklagten stehende A. den Anführer der gegnerischen Gruppierung mit dem Messer angegriffen und ihm zwei Stiche in den Bauch versetzt hatte, begann „explosionsartig“ der Angriff. Der Angeklagte, der den Einsatz des Messers gesehen hatte, blieb bis zum Ende des Kampfgeschehens bei den Angreifern. Konkrete Angriffshandlungen des Angeklagten konnten nicht festgestellt werden. Der Angeklagte erlitt jedoch im Zuge seiner Verwicklung in Kampfhandlungen selbst eine Stichverletzung.
4
Ein weitergehender Tatplan der Angreifer, der das Mitführen von Waffen oder gefährlichen Werkzeugen umfasste und sich darauf erstreckte, mit diesen die Gegner lebensgefährlich zu verletzen oder zu töten, konnte nicht festgestellt werden. Jedem Angreifer war aber bewusst, dass es bei den Angegriffenen auch zu tödlichen Verletzungen kommen könnte.
5
Tatsächlich wurde im Rahmen des Kampfgeschehens ein Mitglied der „Black Jackets“ durch Stiche mit einem Messer getötet. Wer das Messer auf diese Weise eingesetzt hatte, der genaue Zeitpunkt im Kampfgeschehen, die zeitliche Abfolge und die sonstigen Umstände der Messerstiche konnten nicht aufgeklärt werden. Ebenso wenig konnte festgestellt werden, ob der Angreifer, der die tödlichen Messerstiche gesetzt hatte, zuvor den Messerangriff des Angeklagten beobachtet hatte.
6
Die Strafkammer hat in der rechtlichen Würdigung ausgeführt, der Angeklagte müsse sich die tödlichen Messerstiche als Mittäter zurechnen lassen. Er sei bei dem Aufspüren der „Black Jackets“ und deren Herausholen aus der Bar an vorderster Stelle und Sprecher gewesen und habe den Handlungsablauf federführend gestaltet. Er habe ein erhebliches Interesse an der Konfrontation gehabt. Ihm sei bewusst gewesen, dass A. das Messer im Laufe der Auseinandersetzung möglicherweise erneut in lebensgefährlicher Weise einsetzen würde und dass auch weitere Tatgenossen bewaffnet sein oder ansonsten von tödlicher Gewalt Gebrauch machen könnten. Trotz dieser Erkenntnis habe er bewusst und willentlich an den weiteren Kampfhandlungen teilgenommen, hierdurch mögliche tödliche Folgen auf Seiten des Gegners billigend in Kauf genommen und dies durch seine Mitwirkung auch unterstützt.

II.

7
Der zu der rechtsfehlerfreien Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung in acht tateinheitlichen Fällen tateinheitlich hinzutretende Schuldspruch wegen Mordes hat keinen Bestand.
8
1. Die tödlichen Stiche können dem Angeklagten auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen nicht als Mittäter nach § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden.
9
Bei Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jede sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, ist Mittäter, wer seinen eigenen Tatbeitrag so in die Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Stets muss sich diese Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich Beteiligenden als Teil der Tätigkeit aller darstellen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 29. September 2015 – 3 StR 336/15, NStZ-RR 2016, 6 f. und vom 2. Juli 2008 – 1 StR 174/08, NStZ 2009, 25, 26; Urteil vom 17. Oktober 2002 - 3 StR 153/02, NStZ 2003, 253, 254). Voraussetzung für die Zurechnung späteren fremden Handelns als eigenes mittäterschaftliches Tun ist ein zumindest konkludentes Einvernehmen der Mittäter.
10
An dieser Zurechnungsgrundlage fehlt es. Die Tathandlung des Angeklagten wurde nach den Feststellungen nicht von einem gemeinsamen Tatplan hinsichtlich des Mitführens von Waffen und der Tötung eines Gegners getragen. Sie ist auch nicht Teil einer späteren konkludenten Erweiterung des Tatplans durch bewusstes und gewolltes Zusammenwirken des Angeklagten mit dem für die tödlichen Stiche verantwortlichen Angreifer.
11
Der vor Beginn des Kampfgeschehens gefasste gemeinsame Tatplan sah keine Bewaffnung und keine Tötung der Gegner vor. Für den Angeklagten, der den Einsatz des Messers durch A. beobachtet, ist dessen Handeln ein Exzess. Feststellungen über eine Erweiterung des Tatplans unter Einbindung des die tödlichen Stiche setzenden Angreifers sind nicht getroffen worden. Eine mögliche einseitige Zustimmung des Angeklagten zur todbringenden Verwendung mitgeführter Messer durch andere Angreifer würde ohnehin nicht genügen. Ein zumindest konkludentes wechselseitiges Einvernehmen hätte zunächst vorausgesetzt, dass der die Tat unmittelbar Ausführende die das Kampfgeschehen eröffnende Messerattacke und eine hierauf bezogene Billigung durch den Angeklagten überhaupt wahrgenommen hat. Dies alles ist nicht festgestellt. Damit entbehrt der Schluss des Landgerichts, auch der tödliche Messerstich sei aufgrund einer konkludenten Erweiterung des ursprünglichen Tatplans dem Angeklagten zuzurechnen, einer tragfähigen Grundlage.
12
2. Eine Verurteilung wegen Beihilfe scheidet nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ebenfalls aus.
13
Als Gehilfe wird gemäß § 27 Abs. 1 StGB bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe leistet. Diese Hilfeleistung muss sich auf die Begehung der Haupttat zwar nicht kausal auswirken; erforderlich ist aber, dass sie die Haupttat zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen Versuchsbeginn und Beendigung in irgendeiner Weise erleichtert oder fördert (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 9. Juli 2015 – 2 StR 58/15, NStZRR 2015, 343, 344; Urteil vom 16. Januar 2008 – 2 StR 535/07, NStZ 2008, 284 mwN). Dies belegen die Feststellungen nicht.
14
Auch eine psychische Beihilfe scheidet aus. Die bloße Anwesenheit am Tatort in Kenntnis einer Straftat reicht selbst bei deren Billigung dazu nicht aus (vgl. dazu BGH, Urteil vom 24. Oktober 2001 – 3 StR 237/01, NStZ 2002, 139, 140 mwN). Die Hilfeleistung im Sinne des § 27 Abs. 1 StGB kann zwar auch in der Billigung der Tat bestehen, wenn sie gegenüber dem Täter zum Ausdruck gebracht und dieser dadurch in seinem Tatentschluss bestärkt wird und der Gehilfe sich dessen bewusst ist. Das hätte vorausgesetzt, dass der die Tat unmittelbar Ausführende den Angeklagten und dessen Billigung eines Tötungsdelikts wahrgenommen hat und dadurch in seinem Tatentschluss bestärkt oder ihm zumindest ein erhöhtes Sicherheitsgefühl vermittelt wurde. Beides ist indes nicht festgestellt. Nach der umfassenden und besonders sorgfältigen Beweiswürdigung ist auszuschließen, dass das Landgericht noch weitere Feststellungen treffen könnte.
15
3. Der Angeklagte war nach der rechtsfehlerfreien Wertung der Strafkammer Mittäter der begangenen gefährlichen Körperverletzung in acht tateinheitlichen Fällen.
16
Die rechtsfehlerfreien Feststellungen tragen auch einen Schuldspruch wegen Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB), der nach dem Wegfall der Verurteilung wegen Mordes nicht mehr zurücktritt.
17
Die tödlichen Messerstiche wurden durch die vorsätzlich begangene, gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung verursacht. Nach den Feststellungen erfolgten sie im Rahmen des Kampfgeschehens, das durch einen plötzlichen Angriff der äußerst aggressiv gestimmten und sich in Überzahl befindenden Angreifer eröffnet worden war, nachdem sie ihre Gegner umzingelt hatten. Darin war die spezifische Gefahr einer Eskalation mit tödlichem Ausgang angelegt. Der hinsichtlich der qualifizierenden Tatfolge erforderlichen Vorhersehbarkeit steht dabei nicht entgegen, dass der Angeklagte vor dem Beginn des Kampfgeschehens nichts von dem Mitführen eines Messers gewusst hatte. Denn es reicht für die Erfüllung der subjektiven Fahrlässigkeitskomponente aus, wenn der Täter die Möglichkeit des Todeserfolgs im Ergebnis hätte voraussehen können. Einer Voraussehbarkeit aller Einzelheiten des zum Tode führenden Geschehensablaufs bedarf es nicht (BGH, Urteil vom 10. Juni 2009 – 2 StR 103/09, NStZ-RR 2009, 309, 310).
18
Der Angeklagte hat sich darüber hinaus auch wegen Beteiligung an einer Schlägerei (§ 231 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht.
19
4. Der Senat konnte den Schuldspruch entsprechend ändern (§ 354 Abs. 1 StPO). § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht erfolgreicher als geschehen hätte verteidigen können. Die Schuldspruchänderung führt zur Aufhebung des Strafausspruchs. Raum Radtke Mosbacher Fischer Bär

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 419/15
vom
22. Dezember 2015
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge
ECLI:DE:BGH:2015:221215B2STR419.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts , zu Ziffer 2. auf dessen Antrag, und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 22. Dezember 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten V. wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 18. Februar 2015 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit es ihn betrifft. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die Revision der Angeklagten K. gegen das vorgenannte Urteil wird verworfen. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagte K. wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten bei Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Den Angeklagten V. hat es wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt und eine Anrechnungsentscheidung getroffen. Hiergegen richten sich die auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten. Das Rechtsmittel des Angeklagten V. ist begründet. Die Revision der Angeklagten K. bleibt ohne Erfolg.

I.


2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts zu Fall II.2. der Urteilsgründe mietete der Angeklagte V. eine von zwei Hallen, die zum Anwesen des gesondert verfolgten J. K. gehörten, dem Vater der Angeklagten K. . Den abgegrenzten vorderen Bereich dieser Halle nutzte er dazu, um Motorräder unterzustellen oder Fahrzeuge zu reparieren.
3
Im Frühsommer 2013 entschlossen sich unbekannt gebliebene Personen , im hinteren Bereich der Hallen eine Cannabisplantage zu betreiben. Dazu wurden diese ausgebaut. Es wurden Holzverschläge und ein mit Teichfolie verhängter Mauerdurchbruch angebracht. Von dort konnte man in separate Räume gelangen, in denen Cannabispflanzen gezüchtet wurden. Die Angeklagte K. führte dort Pflegearbeiten durch. Der Angeklagte V. war an dem Anbau von Cannabis in den rückwärtigen Teilen der Hallen nicht beteiligt, er ahnte jedoch etwas davon.
4
Mit der Angeklagten K. vereinbarte der Angeklagte V. , dass sie ihre Pferde für insgesamt 6000 Euro, die in monatlichen Raten von 500 Euro zu zahlen waren, für einige Zeit in ihm gehörenden Stallungen unterstellen könne. Als er bei einem Gespräch mit der Angeklagten K. , das in einem Büroraum in der nicht von ihm gemieteten Halle stattfand, Ausrüstungsgegenstände zum Betrieb der Cannabisplantage entdeckte, erklärte sie, dass er sich sei- nen Teil denken möge. Die Angeklagte K. wollte den Angeklagten jedoch davon abhalten, die Plantage zu verraten. Deshalb kündigte sie ihm an, dass als Entgelt für das Unterstellen der Pferde nunmehr 1500 Euro monatlich gezahlt würden, bis der vereinbarte Gesamtbetrag von 6000 Euro erreicht sei. Jedenfalls in den Monaten Januar bis März 2014 leistete die Angeklagte K. entsprechende Ratenzahlungen, „wofür der Angeklagte V. ihrbzw. den die Plantage betreibenden Personen willentlich und wissentlich die Sicherheit vermittelte, ihre Tätigkeit auf der Plantage ungehindert fortführen zu können, was sie – bis zur Entdeckung durch die Polizeikräfte – auch taten.“
5
2. Zur Beweiswürdigung hinsichtlich der Handlungen des Angeklagten V. hat das Landgericht ausgeführt, er habe „sich geständig im Sinne der getroffenen Feststellungen eingelassen.“ An der Glaubhaftigkeit seiner Anga- ben bestünden keine Bedenken.
6
3. Das Landgericht hat im Rahmen seiner rechtlichen Würdigung ausgeführt , der Angeklagte V. habe durch Annahme der erhöhten Zahlungsraten zum Ausdruck gebracht, den Betrieb der Plantage nicht stören zu wollen. Darin liege psychische Beihilfe.

II.


7
Die Revision der Angeklagten K. ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Das Urteil begegnet hingegen, soweit es im Fall II.2. den Angeklagten V. betrifft, durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
8
1. Die Feststellungen zur Bedeutung der Annahme erhöhter Monatsraten für die Stallmiete durch den Angeklagten V. für die Begehung der Haupttat durch unbekannte Täter oder für die Beihilfe der Angeklagten K. sind nicht tragfähig begründet worden.
9
Den Urteilsgründen ist nicht zu entnehmen, worauf das Landgericht seine Überzeugung gestützt hat, der Angeklagte V. habe der Angeklagten K. „bzw.“ den die Plantage betreibenden Haupttätern vorsätzlich die Sicherheit vermittelt, ihre Tätigkeit ungehindert fortführen zu können. Dem nicht näher erläuterten Geständnis des Angeklagten V. konnte eine solche Feststellung nicht ohne weiteres entnommen werden. Zu einer für das Revisionsgericht nachvollziehbaren Begründung des Urteils hätte es zumindest der Erläuterung dieser geständigen Einlassung bedurft. Auch wäre es im Hinblick auf die Tatsachenfeststellung einer subjektiven Wirkung des Verhaltens des Angeklagten auf andere erforderlich gewesen, die Richtigkeit einer diesbezüglichen Sachaussage des Angeklagten V. gegebenenfalls zu überprüfen (vgl. zur Notwendigkeit der Geständnisüberprüfung allgemein Senat, Beschluss vom 24. September 2013 - 2 StR 267/13, BGHSt 59, 21, 27 f.; Beschluss vom 5. November 2013 - 2 StR 265/13, BGHR StPO § 261 Geständnis 2). Die bloße Behauptung, es bestünden keine Zweifel an der Glaubhaftigkeit des Geständnisses des Angeklagten V. , vermag diese Prüfung nicht zu ersetzen.
10
2. Die rechtliche Würdigung der Handlung des Angeklagten V. als Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge durch aktives Tun ist ebenfalls zu beanstanden.
11
a) Zwar ist auch eine „Beihilfe zur Beihilfe“ rechtlich möglich (vgl. BGH, Urteil vom 8. März 2001 - 4 StR 453/00, NJW 2001, 2409, 2410; NK/Schild, StGB, 4. Aufl., § 27 Rn. 8). Jedoch setzt Beihilfe durch positives Tun einen durch eine bestimmte Handlung erbrachten Tatbeitrag des Gehilfen voraus (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Mai 1982 - 2 StR 201/82, StV 1982, 516; Beschluss vom 17. März 1995 - 2 StR 84/95, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 14; Beschluss vom 17. November 2009 - 3 StR 455/09, NStZ 2010, 224 f.). Dies gilt in den besonders problematischen Fällen (vgl. Fischer, StGB, 63. Aufl., § 27 Rn. 12 mwN) der bloßen Vermittlung eines „Gefühls der Sicherheit“ erst recht. Allein das Wissen um die Begehung der Haupttat genügt den Anforderungen an eine Beihilfe durch aktives Tun daher nicht. Auch Handlungen, die erkennbar nicht erforderlich oder nutzlos für das Gelingen der Tat sind, reichen nicht aus, um daraus eine Beihilfe zu entnehmen (vgl. Heine/Weißer in Schönke/ Schröder, StGB, 29. Aufl., § 27 Rn. 15; SSW/Murmann, StGB, 2. Aufl., § 27 Rn. 5).
12
b) Nach diesem Maßstab ist den Feststellungen des Landgerichts keine aktive Beihilfehandlung des Angeklagten zu entnehmen.
13
Soweit der Angeklagte die ohnehin vertraglich geschuldete Stallmiete angenommen hat, die ihm lediglich durch erhöhte Raten bei gleichbleibender Gesamtsumme rascher gezahlt wurde, war dies für das Gelingen der Haupttat ohne erkennbare Bedeutung.
14
Der konkludente Erklärungswert der Äußerungen beim Gespräch des Angeklagten V. mit der Angeklagten K. ging nicht darüber hinaus, dass der Angeklagte V. die Begehung der Haupttat zur Kenntnis genommen hat und nicht dagegen einschreiten wollte. Die Wirkung dieses Geschehens bestand auch nach Ansicht des Landgerichts vor allem im Unterlassen einer Strafanzeige durch den Angeklagten V. . Ist der Schwerpunkt seines Verhaltens aber in einem Unterlassen zu sehen, das mangels Garantenstellung im Sinne von § 13 Abs. 1 StGB nicht strafbar ist, so darf dieses Ergebnis nicht dadurch umgangen werden, dass das Verhalten in eine nicht näher konkretisierbare und feststellbare psychische Beihilfe durch aktives Tun umgedeutet wird.
15
3. Der Senat kann nicht durch Freisprechung des Angeklagten V. selbst in der Sache entscheiden, weil ein neues Tatgericht möglicherweise durch ergänzende Feststellungen unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt zu einer Verurteilung gelangen kann. Dies könnte etwa wegen vollendeter oder versuchter Geldwäsche (§§ 261 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3, 22 StGB) geschehen, die bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen auch bei fehlendem Nachweis einer Vortatbeteiligung des Angeklagten V. (§ 261 Abs. 9 Satz 2 StGB) als Auffangtatbestand in Frage kommt (vgl. Senat, Beschluss vom 11. März 2015 - 2 StR 495/12 unter B.II.3.a.bb).
Fischer Appl Eschelbach
Ott Zeng

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

7
Wegen Beihilfe wird gemäß § 27 Abs. 1 StGB bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe leistet. Diese Hilfeleistung muss sich auf die Begehung der Haupttat zwar nicht kausal auswirken; erforderlich ist aber, dass sie die Haupttat zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen Versuchsbeginn und Beendigung in irgendeiner Weise erleichtert oder fördert (st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom 9. Juli 2015 – 2 StR 58/15, NStZ-RR 2015, 343, 344 und vom 4. Februar 2016 – 1 StR 344/15, NStZ-RR 2016, 136, 137; Urteil vom 16. Januar 2008 – 2 StR 535/07, NStZ 2008, 284 mwN). Die bloße Kenntnis von der Begehung der Tat und deren Billigung ohne einen die Tat objektiv fördernden Beitrag reicht allerdings nicht aus, um die Annahme von Beihilfe zu begründen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann zwar schon ein bloßes „Dabeisein“ die Tatbegehung im Sinne aktiven Tuns fördern oder erleichtern (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2011 – 2 StR 505/11, StV 2012, 287; Urteil vom 10. Februar 1982 – 3 StR 398/81, StV 1982, 517, 518). In derartigen Fällen bedarf es aber sorgfältiger und genauer Feststellungen darüber, dass und wodurch die Tatbegehung in ihrer konkreten Gestaltung objektiv gefördert oder erleichtert wurde, und dass der Gehilfe sich dessen bewusst war (BGH, Beschlüsse vom 13. Januar 1993 – 3 StR 516/92, NStZ 1993, 233 und vom 24. März 1993 – 2 StR 99/93, NStZ 1993, 385).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR2/14
vom
24. März 2014
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
6.
wegen schwerer Körperverletzung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. März 2014 beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten U. , F. und M. wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 19. April 2013, soweit es sie betrifft, gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Auf die Revision des Angeklagten Mo. wird
a) das genannte Urteil gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung, gefährlicher Körperverletzung sowie Beteiligung an einer Schlägerei verurteilt ist, sowie im Strafausspruch,
b) das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO auf Kosten der Staatskasse eingestellt, soweit der Angeklagte wegen Diebstahls oder Hehlerei verurteilt ist.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel der Angeklagten U. , F. , M. und Mo. , an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
4. Die weitergehende Revision des Angeklagten Mo. und die Revisionen der Angeklagten T. und A. werden gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
5. Auf die sofortigen Beschwerden der Angeklagten T. und A. werden die sie betreffenden Kostenentscheidungen des genannten Urteils aufgehoben. Es wird davon abgesehen , ihnen Kosten und gerichtliche Auslagen in beiden Rechtszügen aufzuerlegen. Sie haben jedoch insoweit die dem Nebenkläger S. entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen, der Angeklagte A. außerdem die dem Nebenkläger Ta. entstandenen notwendigen Auslagen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten U. wegen Beihilfe zur schweren Körperverletzung in Tateinheit mit Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung und Beihilfe zur Beteiligung an einer Schlägerei zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt. Die Angeklagten F. , M. undT. hat es wegen schwerer Körperverletzung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Beteiligung an einer Schlägerei verurteilt. Gegen F. hat das Landgericht unter Einbeziehung einer früheren Verurteilung eine Jugendstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verhängt; gegen M. hat es auf eine Jugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, gegen T. auf eine solche von einem Jahr und vier Monaten erkannt und deren Vollstreckung jeweils zur Bewährung ausgesetzt. Den Angeklagten A. hat die Jugendkammer wegen schwerer Körperverletzung in Tateinheit mit gefährlicher Körperver- letzung und Beteiligung an einer Schlägerei sowie wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen und Fahrens ohne Fahrerlaubnis in drei Fällen zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung sie ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt hat. Den Angeklagten Mo. hat das Landgericht wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung, gefährlicher Körperverletzung und Beteiligung an einer Schlägerei, wegen Körperverletzung sowie wegen Diebstahls oder Hehlerei zu einer Jugendstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt.
2
Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision des Angeklagten U. hat mit der Sachrüge Erfolg. Die Revisionen der Angeklagten F. und M. führen entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts aufgrund zweier Verfahrensrügen zum Erfolg. Die Revision des Angeklagten Mo. erzielt in Übereinstimmung mit dem Antrag des Generalbundesanwalts mit den gleichen Verfahrensrügen den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Sie führt darüber hinaus zu einer Teileinstellung nach § 154 Abs. 2 StPO und ist im Übrigen, ebenso wie die Revisionen der Angeklagten T. und A. , unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
3
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts begaben sich die Angeklagten am 21. Februar 2011 zur Wohnung des Nebenklägers S. . F. , M. , T. , A. und Mo. wollten den Nebenkläger vor seinem Wohnhaus abpassen und angreifen. Hintergrund war ein Streit zwischen dem Nebenkläger und dem Angeklagten Mo. um einen Hundewelpen. U. begleitete die übrigen Angeklagten, „um aufzupassen, dass nichts Schlimmeres passiert“ (UA S. 32). Als der Nebenkläger eintraf, bildetenF. , M. und A. eine halbkreisförmige Reihe hinter dem Angeklagten Mo. , der sich mit einem sichtbar in der Hand gehaltenen Messer dem Nebenkläger zu- wandte. „Etwas abseits, in ca. zwei Schritten Entfernung, erkennbar getrennt von dieser Personengruppe“ (UA S. 33), stand der Angeklagte U. , der in die sich dann entwickelnde Auseinandersetzung nicht eingriff. Einer der Angeklagten , nämlich entweder F. , M. , T. oder A. , versetzte sodann dem Nebenkläger einen Schlag in das Gesicht. Anschließend schlugen und traten die Angeklagten – mit Ausnahme des Angeklagten U. – gemeinsam auf den Nebenkläger ein, wobei Mo. diesem im Verlauf der Auseinandersetzung zwei Messerstiche zufügte, durch die der Nebenkläger einen Durchstich des linken Oberarms – mit der Folge einer dauerhaften Gebrauchsunfähigkeit der linken Hand – und einen Einstich in den Rücken mit einer Durchtrennung der fünften Rippe, Verletzung der Lunge und Ausbildung einer Spannungsluft- und Blutluftbrust erlitt.
4
2. Zur Revision des Angeklagte U. :
5
a) Zu Recht beanstandet der Beschwerdeführer, dass er entgegen § 265 StPO nicht auf die Möglichkeit einer Verurteilung wegen Beihilfe an Stelle der angeklagten Mittäterschaft hingewiesen wurde. Der Senat muss nicht entscheiden , ob das Urteil auf diesem Verstoß beruht, denn die Revision führt mit der Sachrüge zur umfassenden Aufhebung des Urteils.
6
b) Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte U. habe sich der Beihilfe zu der von den übrigen Angeklagten begangenen schweren Körperverletzung in Tateinheit mit Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung und zur Beteiligung an einer Schlägerei schuldig gemacht, wird von den Feststellungen nicht getragen.
7
Das Landgericht hat eine strafbare Hilfeleistung des Angeklagten U. darin erblickt, dass er die übrigen Angeklagten durch seine Anwesenheit am Tatort in ihrem Tatentschluss bestärkt habe. Auch die Beihilfe in Form psychischer Unterstützung setzt indessen voraus, dass die Tatbegehung objektiv gefördert oder erleichtert wurde und dass dies dem Gehilfen bewusst war (BGH, Beschluss vom 30. April 2013 – 3 StR 85/13, NStZ-RR 2013, 249; Beschluss vom 17. März 1995 – 2 StR 84/95, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 14). Zum Beleg einer solchen sogenannten psychischen Beihilfe bedarf es genauer Feststellungen, insbesondere zur objektiv fördernden Funktion der Handlung sowie zu der entsprechenden Willensrichtung des Gehilfen (BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2011 – 3 StR 206/11, NStZ 2012, 316).
8
Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Zwar kann eine Förderung der Haupttat unter Umständen auch darin gesehen wer- den, dass der Hilfeleistende seine Anwesenheit am Tatort „einbringt“, um den Haupttäter in seinem Tatentschluss zu bestärken und ihm das Gefühl erhöhter Sicherheit zu geben (BGH, Beschluss vom 17. März 1995 – 2 StR 84/95, aaO). Die für eine solche Annahme erforderlichen Feststellungen lässt das Urteil jedoch vermissen. Ohne nähere Feststellungen zu zwischen U. und den übrigen Angeklagten getroffenen Absprachen ist schon nicht ersichtlich, inwiefern der Angeklagte U. die fünf übrigen, gegen ein nach ihrer Vorstellung auf sich allein gestelltes Opfer vorgehenden Angeklagten durch seine passive Anwesenheit – noch dazu in einigen Schritten Entfernung, von allen übrigen Akteuren erkennbar getrennt – in ihrem Tatentschluss bestärkt und ihnen ein Gefühl erhöhter Sicherheit gegeben haben soll. Gegen eine entsprechende Willensrichtung des Angeklagten U. spricht zudem entscheidend, dass dieser nach den ausdrücklichen Feststellungen des Landgerichts mitgekommen ist, um „aufzupassen, dass nichts Schlimmeres passiert“ (UA S. 32, 128). Nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe kann dies nur so verstanden werden, dass er verhindern wollte, dass die übrigen Angeklagten bei ihrem Übergriff zu weit gingen. Einen Hinweis darauf, dass er zum Schutz der Angeklagten mitgegangen wäre, enthalten die Urteilsfeststellungen hingegen nicht. Auch bleibt offen, ob die übrigen Angeklagten sein Verhalten in dem zuletzt genannten Sinne gedeutet haben. Allein in dem Umstand, dass der Angeklagte U. dem Tun der anderen nicht entgegengetreten ist, kann kein die Tat fördernder Beitrag gesehen werden.
9
3. Zu den Revisionen der Angeklagten F. , M. und Mo. :
10
a) Die Angeklagten F. , M. und Mo. machen hinsichtlich des Vorfalls zum Nachteil des Nebenklägers S. vom 21. Februar 2011 in gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO zulässiger Weise und zu Recht geltend, das Landgericht habe durch die Zurückweisung des auf die Vernehmung des Zeugen D. gerichteten Beweisantrags gegen § 245 Abs. 2 StPO und durch die Zurückweisung des auf die Vernehmung des Zeugen St. gerichteten Beweisantrags gegen § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO verstoßen.
11
aa) Beweisantrag D.
12
(1) Folgendes Verfahrensgeschehen liegt zugrunde:
13
Die Verteidigerin des Angeklagten M. stellte einen Beweisantrag auf Vernehmung des Zeugen D. zum Beweis der Tatsache, dass das Einsatzfahrzeug , in dem sich der als Zeuge vernommene Polizeibeamte E. befand , mit dem Heck in Richtung Innenhof einer Toreinfahrt stand. Hierdurch sollte sich letztlich erweisen, dass die Aussage E. s, der angegeben hatte, den Beginn der auf der Straße stattfindenden Auseinandersetzung durch die Heckscheibe des Fahrzeugs beobachtet zu haben, nicht der Wahrheit entsprechen konnte. Die Verteidiger der Angeklagten F. und Mo. schlossen sich dem Antrag an. Diesen Beweisantrag wies das Landgericht wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit gemäß § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO zurück. Daraufhin ließ die Verteidigerin des Angeklagten Mo. dem Zeugen D. durch den Gerichtsvollzieher eine Ladung zum folgenden Hauptverhandlungstermin zustellen. In der Ladung formulierte sie unter anderem: „... in der Strafsache ... lade ich Sie hiermit in meiner Eigenschaft als Verteidigerin des Herrn M. als Zeugen ...“. Als Vorschuss für etwaige Entschädigungsansprüche des Zeu- gen hinterlegte die Verteidigerin 100 € bei der zuständigen Stelle. Aufgrund der Ladung erschien der Zeuge D. zum Hauptverhandlungstermin am 21. März 2013. Die Verteidigerin des Angeklagten M. stellte daraufhin erneut den Beweisantrag auf Vernehmung des Zeugen D. . Die Verteidiger der Angeklagten F. und Mo. schlossen sich an. Diesen Antrag wies die Jugendkammer mit Beschluss vom 21. März 2013 unter Bezugnahme auf den Beschluss vom 14. März 2013 wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit zurück und führte aus, der Antrag sei „mangels ordnungsgemäßer Ladung durch den Angeklagten M. “ als Beweisantrag gemäß § 244 Abs. 3 StPO zu bescheiden. Der Zeuge D. wurde weder an diesem Verhandlungstag noch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung vernommen.
14
(2) Mit dieser Begründung durfte das Landgericht den Beweisantrag nicht zurückweisen. Bei dem Zeugen D. handelte es sich um einen vom Angeklagten vorgeladenen und erschienenen Zeugen im Sinne des § 245 Abs. 2 StPO. Dabei kommt es nicht darauf an, ob § 245 Abs. 2 StPO außer auf die dort genannten Fälle der Ladung durch den Angeklagten oder die Staatsanwaltschaft über den Wortlaut hinaus auch auf Ladungen sämtlicher anderer antragsberechtigter Verfahrensbeteiligter, wie etwa auch des Nebenklägers, Anwendung findet. Unabhängig davon folgt nämlich das Recht des Verteidigers zur Vorladung von Zeugen mit den sich daraus ergebenden Wirkungen des § 245 Abs. 2 StPO aus seiner grundsätzlich bestehenden Befugnis, die dem Angeklagten zustehenden prozessualen Rechte in seiner Eigenschaft als dessen Beistand aus eigenem Recht und in eigenem Namen wahrzunehmen (vgl. etwa Fischer in KK-StPO, 7. Aufl., Einleitung Rn. 244). Das Ladungsrecht gemäß § 220 Abs. 1 StPO, an das § 245 Abs. 2 StPO anknüpft, dient unmittelbar der Vorbereitung der Verteidigung des Angeklagten und zählt daher – anders als etwa der Verzicht auf die Ladungsfrist gemäß § 217 Abs. 3 StPO oder der Antrag auf Entbindung von der Pflicht zum Erscheinen gemäß § 233 Abs. 1 StPO – nicht zu denjenigen Befugnissen des Angeklagten, die der Verteidiger nur kraft besonderer Vertretungsvollmacht für ihn ausüben kann.
15
Der Beweisantrag hätte mithin nur aus einem der in § 245 Abs. 2 Satz 3 StPO bezeichneten Gründe zurückgewiesen werden dürfen. Die Ablehnung wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit, wie sie das Landgericht in dem in Bezug genommenen Beschluss vom 14. März 2013 vorgenommen hat, genügt diesen Anforderungen nicht. Mit Recht ist das Landgericht in diesem Beschluss selbst nicht vom Fehlen eines Zusammenhangs zwischen der Beweistatsache und dem Gegenstand der Urteilsfindung ausgegangen. Vielmehr hat es darauf abgehoben, die Beweistatsache lasse keine zwingenden, sondern nur mögliche Schlüsse zu, die das Gericht nicht ziehen wolle. Dies stellt indessen keinen zulässigen Ablehnungsgrund gemäß § 245 Abs. 2 StPO dar.
16
Auf dem Verfahrensfehler beruht die Verurteilung der Angeklagten F. , M. und Mo. wegen des Vorfalls vom 21. Februar 2011. Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass das Landgericht aufgrund der Vernehmung des Zeugen D. die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen E. , auf die es seine Überzeugung vom für die rechtliche Bewertung bedeutsamen Beginn der Auseinandersetzung unter anderem gestützt hat, anders bewertet und damit zu einem anderen Beweisergebnis gelangt wäre.
17
bb) Beweisantrag St.
18
(1) Folgendes liegt zugrunde:
19
Am 22. Februar 2013 stellte die Verteidigerin des AngeklagtenM. einen Beweisantrag auf Vernehmung des Polizeibeamten St. als Zeugen, dem sich unter anderem die Verteidiger der Angeklagten F. und Mo. anschlossen. In dem Beweisantrag hieß es unter anderem:
20
„Der Beamte wird die folgenden Tatsachen bekunden: Im Rahmen des Polizeieinsatzes J. straße am Spätnachmittag des 21. Februar 2011 konnte ich beobachten, wie ein mit einer roten Hose bekleideter Mann auf eine Personengruppe zulief und eine andere Person aus dieser Gruppe in das Gesicht schlug. Daraufhin entwickelte sich eine körperliche Auseinandersetzung zwischen dem Mann mit roter Hose und mehreren anderen Personen. Die Auseinandersetzung wurde durch den Schlag, den der Mann in der roten Hose der anderen Person versetzte, ausgelöst.“
21
Diesen Beweisantrag wies das Landgericht mit Beschluss vom 28. Februar 2013 zurück. Zur Begründung führte es aus, bei dem Antrag handele es sich nicht um einen Beweisantrag im formellen Sinn, weil es an der notwendigen Konnexität zwischen Beweismittel und Beweisbehauptung fehle. Es sei „unter Berücksichtigung des bisherigen Ergebnisses der Beweisaufnah- me nicht ersichtlich, weshalb der Zeuge St. die unter Beweis gestellten Beobachtungen vom Tatgeschehen gemacht haben können soll.“ Dafür, dass der Zeuge sich bereits zum Zeitpunkt der Auseinandersetzung derart in Tatortnähe befunden haben könnte, dass er die unter Beweis gestellten Beobachtungen hätte machen können, fehle es an jeglichen tatsächlichen Anhaltspunkten. Zudem werde in dem Antrag keine Beweistatsache vorgetragen, sondern lediglich ein Beweisziel. Eine Wahrnehmung, die der Zeuge St. gemacht haben soll, werde in dem Antrag nicht mitgeteilt. Anlass, dem Antrag gemäß § 244 Abs. 2 StPO im Rahmen der Aufklärungspflicht nachzugehen, bestehe nicht.
22
Dementsprechend wurde der Zeuge St. nicht vernommen.
23
(2) Zu Unrecht hat das Landgericht dem Antrag auf Vernehmung des Zeugen St. die Qualität eines Beweisantrages im Sinne des § 244 Abs. 3 und 6 StPO abgesprochen.
24
(aa) Der Antrag enthält nach der rechtlich gebotenen, am Gesamtzusammenhang orientierten Auslegung eine hinreichend bestimmte Beweistatsache. Bewiesen werden sollte, dass – wie der benannte Zeuge beobachtet habe – die verfahrensgegenständliche Auseinandersetzung damit begann, dass ein mit einer roten Hose bekleideter Mann auf eine Personengruppe zulief und dann einer anderen Person aus dieser Gruppe in das Gesicht schlug. Hierbei handelte es sich nicht lediglich um das Beweisziel, sondern um eine konkrete Tatsache, aus der sodann – wie in der Antragsbegründung näher dargelegt – gegebenenfalls Schlussfolgerungen zu Gunsten der Angeklagten hätten gezogen werden können.
25
(bb) Dem Antrag mangelt es auch nicht an der erforderlichen Konnexität zwischen Beweisbehauptung und Beweismittel. Zwar kann einem Antrag auf Beweiserhebung die Eigenschaft eines formellen Beweisantrags im Sinne des § 244 Abs. 3 StPO fehlen, wenn die Wahrnehmungssituation eines benannten Zeugen nicht konkret genug bezeichnet wird. Hierzu kann es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – je nach der bei Antragstellung vorgefundenen Beweislage – geboten sein, das die Wahrnehmungssituation betreffende bisherige Beweisergebnis in die Antragstellung einzubeziehen (BGH, Urteil vom 10. Juni 2008 – 5 StR 38/08, BGHSt 52, 284). Erforderlich, aber auch ausreichend ist die Darlegung der Umstände, aus denen sich ergibt, warum es dem Zeugen möglich sein kann, die Beweistatsache zu bekunden (BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2010 – 1 StR 275/10, NJW 2011, 1299, 1300).
26
Auch unter Beachtung dieser Grundsätze ist jedoch die Wahrnehmungssituation des Zeugen St. in dem hier in Rede stehenden Beweisantrag hinreichend konkret beschrieben. Aus der Antragsbegründung geht eindeutig die Aussage hervor, dass der Zeuge St. die Wahrnehmung habe machen können, weil er in seiner Eigenschaft als Leiter einer Einheit von Zivilfahndern am Tatort gewesen sei. Der in der Antragsbegründung dargelegte Schluss, dass der Zeuge, der später in die Auseinandersetzung eingriff, schon deren Beginn beobachtet haben kann, ist nachvollziehbar und plausibel. Es ist nicht ersichtlich, dass das bisherige Beweisergebnis einer solchen Annahme in einer Weise entgegengestanden haben könnte, die eine nähere Auseinandersetzung mit den Wahrnehmungsmöglichkeiten des Zeugen zu Beginn der Auseinandersetzung erforderlich gemacht hätte. Auch aus den in der Begründung des Zurückweisungsbeschlusses erwähnten Aussagen der bis dahin vernommenen Polizeibeamten, die nicht berichtet hatten, St. während der Auseinandersetzung in Tatortnähe gesehen zu haben, geht nicht hervor, dass danach eine Anwesenheit des Zeugen St. in Sichtweite des Tatgeschehens auszuschließen oder nur von vornherein als unrealistisch einzustufen wäre. Der vorliegende Fall unterscheidet sich danach wesentlich von demjenigen, der dem Senatsurteil vom 10. Juni 2008 zugrunde lag. Anders als dort ging es in dem hier in Frage stehenden Beweisantrag um die Vernehmung eines – dem Antrag zufolge – unmittelbaren Tatzeugen, der – wie sich auch aus der Begründung des Zurückweisungsbeschlusses ergibt – im zeitlichen Zusammenhang mit dem Tatgeschehen am Tatort war und dessen Wahrnehmungsmöglichkeit – soweit ersichtlich – von keinem bisher vernommenen Zeugen ausgeschlossen worden war. Vor dem Hintergrund des Beweisergebnisses zum Zeitpunkt der Antragstellung waren somit die Umstände, aus denen sich die Wahrnehmungsmöglichkeit des Zeugen St. ergeben konnte, in der Antragsbegründung ausreichend dargelegt.
27
Auf der danach rechtsfehlerhaften Zurückweisung des Antrags gemäß § 244 Abs. 2 StPO beruht das Urteil, soweit es die Beteiligung der Angeklagten F. , M. und Mo. an dem Vorfall vom 21. Februar 2011 betrifft. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht im Falle der Vernehmung des Zeugen St. zu dem beantragten Beweisthema den Angaben des Zeugen S. zum Beginn der Auseinandersetzung nicht gefolgt wäre und deshalb insgesamt abweichende Feststellungen getroffen hätte.
28
b) Aufgrund beider Verfahrensrügen unterliegt das Urteil damit, soweit es die Angeklagten F. und M. betrifft, insgesamt der Aufhebung. Hinsichtlich des Angeklagten Mo. gilt dies lediglich für den Vorfall vom 21. Februar 2011. Bezüglich der Verurteilung aufgrund einer Wahlfeststellung (Diebstahl oder Hehlerei) hat der Senat das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt. Hinsichtlich der Verurtei- lung des Angeklagten Mo. wegen Körperverletzung hat die sachlichrechtliche Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
29
c) Das neue Tatgericht wird die Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 10. Januar 2014 zur unzureichenden Prüfung eines Rücktritts des Angeklagten Mo. vom Versuch des Totschlags, denen der Senat folgt, zu beachten haben.
30
4. Die Revisionen der Angeklagten T. und A. sind unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Allerdings haben ihre Kostenbeschwerden aus Gründen der Billigkeit Erfolg (§ 74 JGG).
Basdorf Dölp König
Berger Bellay

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 206/11
vom
25. Oktober 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
25. Oktober 2011 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 31. Januar 2011, soweit es ihn betrifft, aufgehoben
a) mit den zugehörigen Feststellungen in den Fällen II. 1. c) Fall 30 (Fallakte 85) und II. 1. c) Fall 32 (Fallakte 87) der Urteilsgründe ;
b) im Ausspruch über die jeweilige Einzelstrafe in den Fällen II. 1. c) Fall 2 (Fallakte 6), II. 1. c) Fall 29 (Fallakte 84) und II. 1. c) Fall 34 (Fallakte 94 bzw. 95) der Urteilsgründe sowie über die Gesamtstrafe; jedoch bleiben die jeweils zugehörigen Feststellungen aufrecht erhalten. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in zwei Fällen und Beihilfe zur Untreue in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt sowie bestimmt, dass von dieser acht Monate wegen "überlanger Verfahrensdauer" als vollstreckt gelten. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Schuldspruch wegen Beihilfe zur Untreue in den Fällen II. 1. c) Fall 30 (Fallakte 85) und II. 1. c) Fall 32 (Fallakte 87) der Urteilsgründe hält sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Feststellungen belegen in diesen Fällen kein Hilfeleisten des Angeklagten im Sinne des § 27 Abs. 1 StGB zu den von dem Mitangeklagten N. begangenen Haupttaten.
3
Nach ständiger Rechtsprechung ist als Hilfeleistung im Sinne des § 27 Abs. 1 StGB grundsätzlich jede Handlung anzusehen, welche die Herbeiführung des Taterfolges durch den Haupttäter objektiv fördert oder erleichtert; dass sie für den Eintritt des Erfolges in seinem konkreten Gepräge in irgendeiner Weise kausal wird, ist nicht erforderlich (BGH, Urteil vom 16. November2006 - 3 StR 139/06, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 27). Eine solche Unterstützung kann auch in der Form der psychischen Beihilfe geleistet werden. Voraussetzung ist dann allerdings ein konkreter Tatbeitrag des Gehilfen, durch den der Haupttäter in seinem Tatentschluss bestärkt wird. Die Annahme allein psychischer Beihilfe bedarf genauer Feststellungen, insbesondere zur objektiv fördernden Funktion sowie zur entsprechenden Willensrichtung des Gehilfen sowie gegebenenfalls zu einer konkludenten Verständigung zwischen Haupttä- ter und diesem. Zudem ist eine Beihilfe nach Beendigung der Haupttat ausgeschlossen ; möglich sind dann allenfalls Anschlussdelikte nach den §§ 257 ff. StGB (vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl., § 27 Rn. 6, 10 jeweils mwN). Gemessen hieran tragen die Urteilsgründe die Annahme einer Beihilfe nicht.
4
a) Im Fall II. 1. c) Fall 30 (Fallakte 85) der Urteilsgründe war die ursprüngliche Haupttat im Jahr 2004 vollendet und beendet; denn mit der Auszahlung bzw. Überweisung des Darlehensbetrages auf das Konto des als Darlehensnehmer vorgeschobenen B. sowie an den Notar H. war bei der geschädigten D. Bank ein endgültiger Vermögensverlust eingetreten. Der Angeklagte erstellte erst nach diesem Zeitpunkt eine unrichtige Verdienstbescheinigung für B. . Die Handlung des Angeklagten könnte sich deshalb allenfalls fördernd im Sinne einer Beihilfe auf die Erhöhung des Darle- hensbetrages von 200.000 € auf 215.000 € Mitte des Jahres 2005 ausgewirkt haben; Näheres zu dieser möglichen Haupttat sowie dem Einfluss der unzutreffenden Verdienstbescheinigung hierauf lässt sich den Feststellungen jedoch nicht entnehmen.
5
b) Soweit die Strafkammer in beiden genannten Fällen im Übrigen darauf abstellt, der Angeklagte habe den Haupttäter N. psychisch unterstützt, belegen die Feststellungen ein tatbestandsmäßiges Hilfeleisten gemäß § 27 Abs. 1 StGB ebenfalls nicht. Danach handelte der Haupttäter N. bei der Beschaffung der Kredite, die letztlich der A. GmbH zukommen sollten, "in Absprache" mit dem Angeklagten sowie dem Mitangeklagten Ha. . Der Inhalt dieser "Absprache" bleibt allerdings im Dunkeln. Die Feststellungen lassen deshalb - entgegen der von der Strafkammer im Rahmen der rechtlichen Würdigung vorgenommenen Wertung - nicht erkennen, auf welche konkrete Weise gerade der Angeklagte den Tatentschluss des N. bestärkte, den Finanzbe- darf der A. GmbH auf unlautere Weise zu decken. Allein die Einbindung des Angeklagten in das von N. errichtete Firmengeflecht reicht hierfür nicht aus.
6
2. In den Fällen II. 1. c) Fall 2 (Fallakte 6), II. 1. c) Fall 29 (Fallakte 84) und II. 1. c) Fall 34 (Fallakte 94 bzw. 95) der Urteilsgründe, in denen das Landgericht den Angeklagten ebenfalls wegen Beihilfe zur Untreue verurteilt hat, begegnet der Strafausspruch durchgreifenden materiellrechtlichen Bedenken. In diesen Fällen ist die Strafkammer - rechtsfehlerfrei - jeweils von einem besonders schweren Fall nach § 266 Abs. 2, § 263 Abs. 3 StGB ausgegangen. Sie hat den sich hieraus ergebenden Strafrahmen sodann gemäß § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemildert. Jedoch hat sie rechtsfehlerhaft eine weitere Strafrahmenverschiebung nach § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB nicht in Betracht gezogen.
7
a) Die Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB ist ein strafbarkeitsbegründendes besonderes persönliches Merkmal nach § 28 Abs. 1 StGB. Bei einem Gehilfen, der - wie der Angeklagte - im Zeitpunkt der Unterstützungshandlung nicht selbst in einem Treueverhältnis zu der Geschädigten steht, ist eine Strafmilderung nach § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB neben der Milderung nach § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB zu erörtern, es sei denn, das Tatgericht hätte allein wegen des Fehlens des Treueverhältnisses Beihilfe statt Täterschaft angenommen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 22. April 1988 - 2 StR 111/88, BGHR StGB § 28 Abs. 1 Merkmal 2; Beschluss vom 1. März 2005 - 2 StR 507/04, NStZ-RR 2006, 109; Beschluss vom 26. November 2008 - 5 StR 440/08, NStZ-RR 2009, 102).
8
b) Den Urteilsgründen ist nicht zu entnehmen, ob das Landgericht den Tatbeitrag des Angeklagten an sich nur als den eines Gehilfen gewertet oder ob es den Angeklagten nur deshalb als Gehilfen angesehen hat, weil er nicht in einem Treueverhältnis zu der Geschädigten stand. § 28 Abs. 1 StGB findet in den Entscheidungsgründen keine Erwähnung.
9
c) Der Senat kann nicht ausschließen, dass die in den genannten Fällen verhängten Einzelstrafen auf dem aufgezeigten Rechtsfehler beruhen. Er hält eine Entscheidung nach § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO nicht für angezeigt. Aufgrund der teilweisen Aufhebung des Schuldspruchs sowie der Einzelstrafen hat auch die Gesamtstrafe keinen Bestand. Die Strafzumessungstatsachen, die das Landgericht festgestellt hat, werden allerdings von den dargelegten Rechtsfehlern nicht berührt; sie können deshalb bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen, die den bisherigen nicht widersprechen, sind zulässig.
10
3. Die Kompensationsentscheidung wird von der Teilaufhebung des Urteils nicht erfasst (BGH, Urteil vom 27. August 2009 - 3 StR 250/09, BGHSt 54, 135). Der Angeklagte ist durch die rechtsfehlerhaft überhöhte Entschädigung - acht Monate Freiheitsstrafe bei einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung von zwei Jahren und drei Monaten - nicht beschwert. Mit Blick auf die Ausführungen der Revision und des Generalbundesanwalts weist der Senat ergänzend darauf hin, dass die Höhe der im Falle einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung zu gewährenden Entschädigung sich nicht nach der Höhe der Strafe richtet, auf die das Tatgericht erkannt hat. Die im Wege des sog. Vollstreckungsmodells vorzunehmende Kompensation koppelt den Ausgleich für das erlittene Verfahrensunrecht vielmehr von vornherein von Fragen des Tatunrechts , der Schuld und der Strafhöhe ab. Der Ausgleich für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung stellt eine rein am Entschädigungsgedanken orientierte eigene Rechtsfolge neben der Strafzumessung dar. Das Gewicht der Tat und das Maß der Schuld spielen weder für die Frage, ob das Verfahren rechtsstaatswidrig verzögert worden ist, noch für Art und Umfang der zu gewährenden Kompensation eine Rolle (vgl. schon BGH, Beschluss vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 138; s. auch BGH, Urteil vom 27. August 2009 - 3 StR 250/09, aaO, 138).
Becker von Lienen Hubert
Schäfer Menges
10
a) Allerdings hat es das Revisionsgericht grundsätzlich hinzunehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an dessen Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht etwa der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Rechtsfehlerhaft ist es auch, wenn sich das Tatgericht bei seiner Beweiswürdigung darauf beschränkt, die einzelnen Belastungsindizien gesondert zu erörtern und auf ihren jeweiligen Beweiswert zu prüfen, ohne eine Gesamtabwägung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände vorzunehmen. Der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt ferner, ob überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 27. April 2010 – 1 StR 454/09, NStZ 2011, 108, 109, vom 1. Februar 2011 – 1 StR 408/10 Rn. 15 und vom 7. Juni 2011 – 5 StR 26/11 Rn. 9).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 454/09
vom
27. April 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. April
2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Hebenstreit,
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
Richterin am Landgericht
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts München I vom 6. April 2009 aufgehoben, soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in acht Fällen mit einem Verkürzungsumfang von insgesamt mehr als 180.000 Euro zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Im Übrigen hat es ihn freigesprochen. Gegen diesen Teilfreispruch wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2
In der Anklageschrift vom 22. Dezember 2008 wird dem Angeklagten zur Last gelegt, in 29 Fällen Umsatzsteuer und in 34 Fällen Lohnsteuer hinterzogen zu haben sowie in 35 Fällen im Sinne von § 266a StGB Arbeitsentgelt vorenthalten zu haben.
3
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, vom Jahr 2000 bis zum dritten Quartal des Jahres 2005 als Geschäftsführer der F. GmbH (im Folgenden: F. GmbH) fortlaufend Arbeitnehmer beschäftigt zu haben , die entweder überhaupt nicht zur Sozialversicherung gemeldet worden seien oder für die er den zuständigen Einzugsstellen niedrigere als tatsächlich gezahlte Löhne gemeldet habe. Die insoweit nicht gemeldeten Lohnaufwendungen habe er auch in den Lohnsteueranmeldungen der Gesellschaft nicht angegeben.
4
Um zu verschleiern, dass die von der F. GmbH gezahlten Löhne „schwarz“ ausgezahlt worden seien, habe der Angeklagte veranlasst, dass Scheinrechnungen (Abdeckrechnungen) der Firmen „D. “, „K. -Bau“, „I. GmbH“ sowie der Firma „G. “ in die Buchhaltung der F. GmbH aufgenommen worden seien. Die in den Rechnungen enthaltenen Umsatzsteuern habe der Angeklagte zu Unrecht in die Umsatzsteuervoranmeldungen der GmbH aufgenommen.
5
Schließlich habe der Angeklagte von der F. GmbH an die Kl. GmbH sowie die Firma E. erbrachte Umsätze nicht gegenüber den Finanzbehörden angemeldet und dadurch Umsatzsteuern hinterzogen.
6
Insgesamt habe der Angeklagte hierdurch mehr als 316.000 Euro an Umsatzsteuern und 327.000 Euro an Lohnsteuern verkürzt sowie Beitragsanteile zur Sozialversicherung von mehr als 304.000 Euro nicht an die Einzugsstellen abgeführt.

II.

7
1. Das Landgericht hat den Angeklagten aufgrund seines Geständnisses wegen Steuerhinterziehung in acht Fällen mit einer Gesamtverkürzungssumme von 180.000 Euro an Umsatzsteuern verurteilt. Die Verurteilung bezieht sich auf die Voranmeldungszeiträume November und Dezember 2003 und April bis Juli 2004 sowie auf das II. und III. Quartal 2005. Das Landgericht hat insoweit festgestellt , dass der Angeklagte in diesen Zeiträumen Ausgangsumsätze an die Kl. GmbH im Umfang von insgesamt mehr als 103.000 Euro und an die Firma E. in der Höhe von mehr als 1,2 Mio. Euro nicht in die für die F. GmbH beim Finanzamt einzureichenden Umsatzsteuervoranmeldungen aufgenommen hatte.
8
2. Hinsichtlich der Voranmeldungszeiträume August bis Dezember 2004 und I. Quartal 2005 hat das Landgericht das Verfahren auf Antrag der Staatsanwaltschaft gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt. Im Übrigen hat das Landgericht den Angeklagten freigesprochen.
9
3. Bezüglich des Teilfreispruchs hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:
10
Der Angeklagte ist seit der Gründung der F. GmbH im Jahr 2000 einziger Gesellschafter und eingetragener Geschäftsführer dieser Gesellschaft. Die F. GmbH wurde in den Jahren 2000 bis 2005 im Bereich Trockenbau tätig und erbrachte hierbei im Wesentlichen Trockenbau- und Verputzarbeiten. Dabei setzte die Gesellschaft sowohl eigene Arbeitnehmer als auch Subunternehmer ein. Dass der Angeklagte hierbei zu Unrecht Vorsteuern aus Scheinrechnungen der Firmen „D. “, „K. -Bau“, I. GmbH“ sowie der Firma „G. “ geltend gemacht habe, konnte das Landgericht „nicht mit einer zur Verurteilung ausreichenden Sicherheit“ feststellen. Dasselbe gilt für den Vorwurf, der Angeklagte habe die in den Rechnungen ausgewiesenen Beträge als „Schwarzlöhne“ an Arbeitnehmer der F. GmbH ausbezahlt. Vielmehr hat das Landgericht ausdrücklich festgestellt, dass die genannten Firmen nicht ausschließbar als Subunternehmer der F. GmbH tätig gewesen und die Rechnungsbeträge an diese Firmen auch ausbezahlt worden sind.
11
Das Landgericht hat den Angeklagten insoweit aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Es ist der Ansicht, dass dem Angeklagten - abgesehen von der Umsatzsteuerhinterziehung hinsichtlich der nicht angemeldeten Ausgangsumsätze - die ihm vorgeworfenen Taten nicht mit der für eine Verurteilung ausreichenden Sicherheit nachgewiesen werden konnten.

III.

12
Die Staatsanwaltschaft hat die Revision wirksam auf den Teilfreispruch beschränkt. Damit sind auch die Strafaussprüche hinsichtlich der Verurteilung wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer in den Voranmeldungszeiträumen November und Dezember 2003 sowie April bis Juli 2004 und das II. und III. Quartal 2005 vom Revisionsangriff ausgenommen. Denn die Hinterziehung von Umsatzsteuer durch Nichtanmeldung von Ausgangsumsätzen einerseits und durch unberechtigte Geltendmachung von Vorsteuern andererseits stellt für jeden Voranmeldungszeitraum eine einheitliche Tat der Steuerhinterziehung im materiell -rechtlichen Sinn dar. Maßgeblich für den materiell-rechtlichen Tatbegriff sind die steuerlichen Erklärungspflichten (vgl. zur Hinterziehung von Einkommensteuer BGH wistra 2009, 465). Die Abgabe jeder einzelnen unrichtigen Steuererklärung ist deshalb grundsätzlich als einheitliche, selbständige Tat im Sinne des § 53 StGB zu werten; bei Steuerhinterziehung durch Unterlassen ist ebenfalls im Hinblick auf jede Steuerart, jeden Besteuerungszeitraum und jeden Steuerpflichtigen von einer selbständigen Tat auszugehen (vgl. BGH wistra 2005, 30 und wistra 2008, 266; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht 7. Aufl. § 370 AO Rdn. 305).
13
Die Strafaussprüche werden hier auch nicht etwa deswegen vom Revisionsangriff umfasst, weil die von der Staatsanwaltschaft gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts vorgebrachten Einwände die von der Verurteilung erfassten Voranmeldungszeiträume ebenfalls betreffen. Denn der Wortlaut der Beschränkung der Revision auf den „Teilfreispruch“ ist eindeutig; zudem können die vom Teilfreispruch erfassten Tatvorwürfe losgelöst von den vom Schuldspruch umfassten Taten beurteilt werden.
14
Auch bei einer Tatserie von Steuerhinterziehungen bleiben die Einzeltaten rechtlich und tatsächlich selbständig und sind einer isolierten Bewertung zugänglich. Ist dies aber der Fall, gebietet die den Rechtsmittelberechtigten eingeräumte Gestaltungsmacht über den Verfahrensgegenstand, den in den Rechtsmittelerklärungen zum Ausdruck kommenden Gestaltungswillen im Rahmen des rechtlich Möglichen zu respektieren. Das Revisionsgericht kann und darf diejenigen Entscheidungsteile nicht nachprüfen, deren Nachprüfung von keiner Seite begehrt wird, wenn und soweit der angegriffene Entscheidungsteil trennbar ist, also losgelöst vom übrigen Urteilsinhalt geprüft und beurteilt werden kann (st. Rspr.; vgl. BGHSt 29, 359, 364). So verhält es sich auch hier.
15
Hätte die Staatsanwaltschaft neben den Teilfreisprüchen auch - soweit der Angeklagte verurteilt worden ist - die Strafaussprüche angreifen wollen, um im Hinblick auf ungerechtfertigte Vorsteueranmeldungen und damit einen größeren Schuldumfang höhere Einzelstrafen erreichen zu können (vgl. dazu BGHR StPO § 344 Abs. 1 Beschränkung 17), hätte sie dies bei der Revisionsbeschränkung klar zum Ausdruck bringen müssen.

IV.

16
Der Teilfreispruch hat keinen Bestand; er leidet an durchgreifenden Rechtsfehlern.
17
Es kann dahinstehen, ob - was nahe liegt - das Urteil bereits den formellen Anforderungen, die an eine Freispruchsbegründung zu stellen sind (vgl. dazu BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 5, 10) nicht genügt. Jedenfalls hält die Beweiswürdigung rechtlicher Überprüfung nicht stand.
18
1. Allerdings muss es das Revisionsgericht grundsätzlich hinnehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. nur BGH wistra 2008, 22, 24; 2007, 18, 19; jew. m.w.N.). Rechtsfehlerhaft ist es auch, wenn sich das Tatgericht bei seiner Beweiswürdigung darauf beschränkt, die einzelnen Belastungsindizien gesondert zu erörtern und auf ihren jeweiligen Beweiswert zu prüfen, ohne eine Gesamtabwägung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände vorzunehmen (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung , unzureichende 1; BGH NStZ 1983, 133; jew. m.w.N.). Der revisionsge- richtlichen Überprüfung unterliegt auch, ob überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind (st. Rspr.; BGH NStZ-RR 2005, 147; NStZ 2004, 35, 36; wistra 1999, 338, 339; jew. m.w.N.).
19
2. Gemessen an diesen Maßstäben kann die Beweiswürdigung keinen Bestand haben.
20
a) In der Beweiswürdigung muss sich das Tatgericht mit allen festgestellten Indizien auseinandersetzen, die geeignet sind, das Beweisergebnis zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen. Dabei muss sich aus den Urteilsgründen selbst ergeben, dass es die Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung einbezogen hat. Denn die Indizien können in ihrer Gesamtheit dem Gericht die entsprechende Überzeugung vermitteln, auch wenn eine Mehrzahl von Beweisanzeichen jeweils für sich allein nicht zum Nachweis der Täterschaft des Angeklagten ausreicht (BGH NStZ-RR 2003, 369 f. m.w.N.).
21
Hier hat sich das Landgericht mit den einzelnen den Angeklagten belastenden Indizien lediglich isoliert auseinandergesetzt und dabei jeweils die Wertung getroffen, dass hiermit der Beweis für einen den Angeklagten belastenden Geschehensablauf nicht zu führen sei. Diese Vorgehensweise lässt besorgen, dass das Landgericht den Zweifelsgrundsatz rechtsfehlerhaft schon auf einzelne Indiztatsachen angewandt und so den Blick dafür verloren hat, dass auch Indizien, die einzeln nebeneinander stehen, aber jeweils für sich einen Hinweis auf die Täterschaft des Angeklagten enthalten, in ihrer Gesamtheit die Überzeugung des Tatrichters von dessen Schuld begründen können (vgl. BGH NStZ-RR 2000, 45; BGH, Beschl. vom 16. Dezember 2009 - 1 StR 491/09).
22
b) Die Beweiswürdigung ist auch deswegen durchgreifend rechtsfehlerhaft , weil das Landgericht mehrere dem Angeklagten günstige Umstände als „nicht ausschließbar“ unterstellt hat, obwohl hierfür keine tatsächlichen Anhaltspunkte gegeben waren. Zudem hat es auch Einlassungen des Angeklagten als „nicht zu widerlegen“ angesehen, für deren Richtigkeit keine Anhaltspunkte ersichtlich waren.
23
So hielt das Landgericht etwa für nicht ausschließbar, dass die Arbeiter der verschiedenen Gewerke jeweils nacheinander auf der Baustelle ihre Tätigkeiten verrichteten und sich daher auch nicht kannten (UA S. 36). Zudem hielt es für nicht ausgeschlossen, dass eine Person namens „Ka. oder auch ein anderer“ die Firma Kö. ohne das Wissen der Inhaberin dieser Firma für eigene Zwecke benutzt habe (UA S. 37). Auch sonst könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Namen der als „Scheinfirmen“ bezeichneten Firmen von Nichtberechtigten für eigene Zwecke verwendet worden seien (UA S. 39). Der „Nachweis von Scheinrechnungen“ lasse sich auch nicht dadurch führen, dass auf dem Computer des Angeklagten Blankorechnungsformulare der Firma Kö. gefunden worden sind. Vielmehr sei die Einlassung des Angeklagten „nicht zu widerlegen“, er habe „aus Gefälligkeit“ Rechnungen für andere Firmen ausgedruckt (UA S. 27, 37). Ebenso sei dem Angeklagten „nicht zu widerlegen“, dass Mängelrügen bereits vor der Rechnungsstellung mit den Subunternehmern besprochen worden seien, so dass „ein Nachweis“ von Scheinrechnungen aufgrund unterlassener Korrekturen in diesen Rechnungen nicht zu führen sei (UA S. 38). Die Vermutung, die von der Staatsanwaltschaft als Scheinfirmen angesehenen Firmen hätten mit den bei den Sozialbehörden gemeldeten Arbeitnehmern die in der Buchhaltung der F. GmbH erfassten Umsätze nicht erwirtschaften können, könne „schon deshalb nicht bewiesen“ werden, weil „nicht ausgeschlossen“ sei, dass diese Firmen ihrerseits Subunternehmer oder Arbeitnehmer beschäftigten, die nicht bei den Sozialbehörden angemeldet ge- wesen seien (UA S. 38). Auch wenn sich bei Zugrundelegung tatsächlicher Fremdleistungen der Firmen Kö. und K. -Bau ein kalkulatorischer Verlust ergebe, sei dies „zum Nachweis“ der dem Angeklagten angelasteten Vorwürfe nicht geeignet; denn „unwiderlegt“ habe der Angeklagte sich eingelassen, es würden regelmäßig beim Arbeitsamt überhöhte Auftragssummen genannt, um ausländische Arbeitnehmer nicht nur bei den vom Arbeitsamt genehmigten, sondern auch an anderen Baustellen einsetzen zu können (UA S. 38).
24
Diese Ausführungen lassen besorgen, das Landgericht habe nicht beachtet , dass es weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten ist, zugunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte erbracht sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH NStZRR 2003, 371; BGH, Urt. vom 21. Juni 2007 - 5 StR 532/06). Jedenfalls stellt es einen Rechtsfehler dar, wenn eine nach den Feststellungen nicht nahe liegende Schlussfolgerung gezogen wurde, ohne dass konkrete Gründe angeführt sind, die dieses Ergebnis stützen können (BGH, Urt. vom 16. Dezember 2009 - 1 StR 491/09). So verhält es sich hier. Insbesondere für die fernliegende Annahme des Landgerichts, alle vier verfahrensgegenständlichen vom Angeklagten als Subunternehmer bezeichneten Firmen könnten von Nichtberechtigten für eigene Zwecke verwendet worden seien (UA S. 39), sind vom Landgericht keine tatsächlichen Anhaltspunkte dargelegt worden.
25
c) Unter diesen Umständen ist auch die sehr knapp gehaltene Gesamtwürdigung der festgestellten Umstände (UA S. 39) rechtsfehlerhaft.
26
Allein daraus, dass ein bestimmtes Ergebnis nicht fern oder sogar nahe liegt, folgt zwar nicht, dass das Tatgericht im Einzelfall nicht auch rechtsfehlerfrei zu einem anderen Ergebnis kommen kann. Verwirft es jedoch die nahe liegenden Deutungsmöglichkeiten und führt zur Begründung seiner Zweifel an der Täterschaft eines Angeklagten nur Schlussfolgerungen an, für die es nach der Beweisaufnahme keine tatsächlichen Anhaltspunkte gibt, oder die als eher fern liegend zu betrachten sind, so muss in der Gesamtwürdigung erkennbar werden , dass sich das Tatgericht dieser besonderen Konstellation bewusst ist. Andernfalls besteht nämlich die Besorgnis, dass das Tatgericht überspannte Anforderungen an seine Überzeugungsbildung gestellt hat (vgl. BGH NStZ-RR 2009, 248 f.). So verhält es sich hier. Die Sache bedarf daher neuer tatgerichtlicher Prüfung und Entscheidung, soweit das Landgericht den Angeklagten freigesprochen hat. Nack Wahl Hebenstreit Graf Jäger

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 431/17
vom
21. Februar 2018
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:210218U2STR431.17.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. Februar 2018, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Schäfer,
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Eschelbach, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Bartel, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Grube, Schmidt,
Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin als Verteidigerin,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Fulda vom 30. Mai 2017 im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben; die zugehörigen Feststellungen bleiben bestehen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehenden Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft werden verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, sowie wegen des sexuellen Missbrauchs von Kindern in sieben Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Im Übrigen hat es den Angeklagten freigesprochen.
2
Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft wendet sich zunächst gegen den Teilfreispruch, wobei die Staatsanwaltschaft den Freispruch im Fall 2 der Anklage (Tatvorwurf zum Nachteil der Zeugin T. ) von ihrem Rechtsmittelangriff ausgenommen hat. Zudem richtet sich ihr Rechtsmittel gegen den Gesamtstrafenausspruch. Die sich mit der Sachrüge gegen die Verurteilung richtende Revision des Angeklagten wie auch das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft führen zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs. Im Übrigen bleiben beide Rechtsmittel ohne Erfolg.

I.

3
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
Der Angeklagte ist der leibliche Großvater mütterlicherseits der am 29. November 1989 geborenen R. , der am 31. März 1989 geborenen T. und der am 13. April 1997 geborenen H. .
5
1. Zwischen August 1996 und April 2000 nahmen R. und T. ein Bad im großelterlichen Haus. Als sie die Badewanne verlassen hatten und sich abtrockneten, betrat der Angeklagte das Badezimmer. Er forderte die Zeugin R. auf, sich auf den geschlossenen Toilettendeckel zu setzen. Dort betastete er das Mädchen für kurze Zeit im Vaginal - und Analbereich, ohne hierbei in die Zeugin einzudringen. T. war während des Vorfalls ebenfalls im Badezimmer. Einen Übergriff des Angeklagten zu deren Nachteil hat die Strafkammer nicht festzustellen vermocht und ihn insoweit freigesprochen.
6
2. In der Küche des großelterlichen Wohnhauses kam es zwischen 1996 und Mai 2000 mindestens zu drei sexuellen Übergriffen auf R. . Dabei zog der Angeklagte die Zeugin zu sich. Er setzte sie auf seinen Schoß, um sexuelle Handlungen an ihr vorzunehmen oder an sich vornehmen zu lassen. Dabei hat die Strafkammer folgende drei Taten festgestellt:
7
Der Anklagte griff der Zeugin unter der Kleidung an den Schambereich. Er streichelte sie mit den Fingern an der Vaginalöffnung ohne dabei in die Zeugin einzudringen. Sodann öffnete er Knopf und Reißverschluss seiner Hose und forderte die Zeugin sinngemäß auf, an seinem Glied zu reiben. Die Zeugin kam der Aufforderung nach und manipulierte am erigierten Glied des Angeklagten. Zu einem Samenerguss kam es nicht.
8
In einem anderen Fall griff der Angeklagte der Zeugin in die Hose und Unterhose und streichelte die Zeugin ohne Einzudringen mit den Fingern an der Scheidenöffnung. Nach einigen Minuten ließ er von der Zeugin ab.
9
In einem weiteren Fall öffnete der Angeklagte Knopf und Reißverschluss seiner Hose und forderte die Zeugin sinngemäß auf, an seinem Glied zu reiben. Diese kam der Aufforderung nach und manipulierte zunächst auf der Unterhose und dann in der Unterhose das erigierte Glied des Angeklagten. Zu einem Samenerguss kam es nicht. Nach einigen Minuten ließ der Angeklagte von der Zeugin ab.
10
Die Taten fanden ein Ende, nachdem die Zeugin R. im Sexualkundeunterricht aufgeklärt worden war. Hiernach setzte sie sich gegen die Handlungen des Angeklagten zur Wehr.
11
Das Landgericht hat den den Tatvorwurf bestreitenden Angeklagten aufgrund der Angaben der Zeugin R. als überführt angesehen. Es hat ihn von weiteren 86 angeklagten Missbrauchsfällen zum Nachteil dieser Zeugin freigesprochen, da insoweit eine Eingrenzung bzw. Konkretisierung weiterer Übergriffe anhand individueller Umstände wie einem abweichenden Tatort, abweichenden Tatmodalitäten oder sonstigen konkreten individuellen Bezugsmerkmalen nicht möglich gewesen sei. Die Strafkammer hat sich auch außerstande gesehen, anhand objektiv nachvollziehbarer Kriterien eine Frequenz der Übergriffe festzustellen, um Gewissheit für eine weitergehende Mindestzahl von Übergriffen zu gewinnen.
12
3. Hinsichtlich der Taten zum Nachteil der H. hat das Landgericht festgestellt, dass die Zeugin seit ihrer Einschulung im Jahr 2003 bereits vor der Schule von dem Angeklagten und seiner Ehefrau betreut wurde. Dabei kam es vor, dass sich H. zu dem mit Unterhose und Unterhemd bekleideten Angeklagten unter dessen Bettdecke legte. In dieser Situation kam es zwischen August 2003 und August 2006 zu folgenden Vorfällen:
13
Nachdem der Angeklagte H. zunächst den Rücken, dann ihren Bauch gestreichelt hatte, zog er die von ihr getragene Unterbekleidung ein Stück nach unten. Er streichelte sie im Intimbereich und drang schließlich mit dem Finger in die Scheide der Zeugin ein, wobei er diesen hin und her bewegte. Während des Geschehens forderte er die Zeugin auf, mit ihrer Hand an sei- nen Penis „herumzuspielen“. Hierzu führte er die Hand des Kindes an sein nacktes erigiertes Glied und demonstrierte hierbei reibende Bewegungen. Die Zeugin leistete der Anweisung Folge und manipulierte am Glied des Angeklagten. Das sich über mehrere Minuten erstreckende Geschehen endete, als die Großmutter nach H. rief.
14
Zudem ereignete sich ein im Wesentlichen inhaltsgleicher Übergriff, wobei es in diesem Fall ausschließlich zu einer Manipulation samt mehrfachen Eindringens mit dem Finger durch den Angeklagten kam, während H. nicht an seinem Glied manipulieren sollte bzw. musste.
15
Überdies kam es zu einem im Wesentlichen identischen Vorfall, wobei der Angeklagte jedoch nicht mit dem Finger in die Vagina der Zeugin eindrang, sondern diese lediglich streichelte.
16
Darüber hinaus zog der Angeklagte in einem weiteren Fall in der eingangs beschriebenen Situation die von der Zeugin getragene Unterbekleidung nach unten und streichelte die Zeugin sodann ohne Einzudringen mit dem Finger an der Vagina.
17
Schließlich kam es zu einem mit dem vorstehenden Vorfall identischen Geschehen, wobei der Angeklagte die Geschädigte im Rahmen dieses Vorfalls zusätzlich dazu aufforderte, an seinem Glied zu manipulieren. Hierzu führte er die Hand der Zeugin an sein Glied. Er unterwies sie unter Führen der Hand, welche Bewegungen sie ausführen solle. Die Zeugin leistete dem Folge, bis es beim Angeklagten zu einem Samenerguss kam.
18
Das Landgericht hat den den Tatvorwurf bestreitenden Angeklagten aufgrund der Angaben der Zeugin H. verurteilt. Soweit dem Angeklagten darüber hinaus mit der Anklageschrift vom 19. Juli 2016 vorgeworfen worden war, die Zeugin H. in seinem Bett und weiteren 17 Fällen missbraucht zu haben, hat es den Angeklagten freigesprochen. Auch insoweit ist die Strafkammer , wie bei der Zeugin R. davon ausgegangen, dass sich mehr als die konkret festgestellten Übergriffe zu Lasten der Zeugin ereigneten. Allerdings hat sich das Landgericht auch hier zu einer Eingrenzung bzw. Konkretisierung weiterer Übergriffe außer Stande gesehen.
19
Das Landgericht hat den Angeklagten ferner von dem weitergehenden Vorwurf freigesprochen, die Zeugin H. in mindestens zehn Fällen im Zeitraum zwischen August 2003 und August 2006 nachmittags in der Küche oder im Wohnzimmer missbraucht zu haben. Die Strafkammer hat insoweit nicht auszuschließen vermocht, dass es aufgrund des Kontakts zwischen der Zeugin H. und der Zeugin R. nach deren jeweils erster polizeilichen Vernehmung zu einer Vermengung der Erinnerungen der Zeugin H. mitden Schilderungen der Zeugin R. gekommen sei.
II. Revision des Angeklagten
20
Die auf die Sachrüge vorzunehmende umfassende materiellrechtliche Überprüfung des angefochtenen Urteils führt zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs ; im Übrigen erweist sich das Rechtsmittel aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 9. November 2017 als unbegründet.
21
1. Die Bemessung der Gesamtstrafe ist gemäß § 54 Abs. 1 Satz 2 StGB im Wege einer Gesamtschau des Unrechtsgehalts und des Schuldumfangs durch einen eigenständigen Zumessungsakt vorzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268, 269 f.; Beschluss vom 17. Dezember 2013 – 4 StR 261/13, juris Rn. 3). Dabei sind vor allem das Verhältnis der einzelnen Taten zueinander, ihre größere oder geringere Selbständigkeit , die Häufigkeit der Begehung, die Gleichheit oder Verschiedenheit der verletzten Rechtsgüter und die Begehungsweise sowie das Gesamtgewicht des abzuurteilenden Sachverhalts zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 30. November 1971 – 1 StR 485/71, aaO).
22
Das Revisionsgericht darf nur bei Rechtsfehlern in diesen Strafzumessungsakt eingreifen. Diese können insbesondere dann vorliegen, wenn die Gesamtstrafe sich nicht innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens bewegt, die gebotene Begründung für die Gesamtstrafe fehlt, oder wenn die Besorgnis besteht , der Tatrichter habe sich von der Summe der Einzelstrafen leiten lassen (BGH, Beschluss vom 10. November 2016 – 1 StR 417/16, juris).
23
2. Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht. Die Strafkammer hat zwar die gegen den Angeklagten verhängten Einzelstrafen hinreichend begründet, jedoch ihre Überlegungen zur Gesamtstrafe nicht dargestellt. Mangels jeglicher Ausführungen zur Begründung des Gesamtstrafenausspruchs ist nicht nachvollziehbar, welche für sowie gegen den Angeklagten sprechenden Kriterien für die Strafkammer bei der Bestimmung des Gesamtstrafenausspruchs leitend gewesen sind. Insofern bleibt offen, wie sie die insgesamt neun Einzelstrafen mit einer Einsatzstrafe von einem Jahr und sechs Monaten und einer Summe der Einzelstrafen von sechs Jahren und vier Monaten auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten zusammengeführt hat. Dem Senat ist daher eine Überprüfung verwehrt.
24
3. Die zugehörigen Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können daher aufrechterhalten bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).
III. Revision der Staatsanwaltschaft
25
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist rechtswirksam innerhalb des Rechtsfolgenausspruchs auf die aus Sicht der Staatsanwaltschaft als zu gering empfundene Gesamtfreiheitsstrafe sowie auf die Teilfreisprüche hinsichtlich der angeklagten Taten zum Nachteil der Zeuginnen R. und H. beschränkt.
26
Widersprechen sich Revisionsantrag und Inhalt der Revisionsbegründung , ist unter Berücksichtigung von Nr. 156 Abs. 2 RiStBV das Angriffsziel durch Auslegung zu ermitteln (st. Rspr.; vgl. Urteil vom 20. September 2017 – 1 StR 112/17, juris Rn. 11; Senat, Urteil vom 11. Juni 2014 – 2 StR 90/14, NStZ-RR 2014, 285; Urteil vom 26. April 2017 – 2 StR 47/17, NStZ-RR 2017, 201; BGH, Urteil vom 22. Februar 2017 – 5 StR 545/16, juris Rn. 10, jew. mwN). Dies führt zu der genannten Beschränkung. Ungeachtet der in der Revisionsbegründung enthaltenen Formulierung, die Revision sei, „soweit der An- geklagte verurteilt wurde, auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt“, liegt kein umfassender Angriff gegen den Rechtsfolgenausspruch vor. Denn die Begründung des Rechtsmittels enthält keine Anhaltspunkte dafür, dass die Staatsanwaltschaft auch die Festsetzung der Einzelstrafen anfechten wollte. Sie wendet sich in der Sache vielmehr ausschließlich gegen die aus ihrer Ansicht zu gering bemessene Gesamtfreiheitsstrafe.
27
2. Die unterbliebene Begründung der Gesamtstrafe führt aus den bei der Revision des Angeklagten dargestellten Erwägungen auch auf die Revision der Staatsanwaltschaft zu Ungunsten des Angeklagten zu deren Aufhebung.
28
3. Soweit die Kammer den Angeklagten wegen des Vorwurfs weiterer Taten zum Nachteil der Zeuginnen R. und H. freigesprochen hat, ist das Rechtsmittel unbegründet.
29
a) Die Urteilsgründe genügen den formellen Anforderungen an einen Teilfreispruch (§ 267 Abs. 5 Satz 1 StPO).
30
aa) Wird der Angeklagte aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, so müssen nach Mitteilung des Anklagevorwurfs im Urteil zunächst diejenigen Tatsachen dargestellt werden, die das Tatgericht für erwiesen erachtet. Erst auf dieser Grundlage ist in der Beweiswürdigung darzulegen, aus welchen Gründen die zur Verurteilung notwendigen Feststellungen nicht getroffen werden konnten (BGH, Urteil vom 8. Mai 2014 – 1 StR 722/13, NStZ-RR 2014, 220 (Ls.); Urteil vom 21. Oktober 2003 – 1 StR 544/02, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 13, jew. mwN). Hierdurch wird das Revisionsgericht in die Lage versetzt, nachprüfen zu können, ob der Freispruch auf rechtlich bedenkenfreien Erwägungen beruht (BGH, Urteil vom 8. Mai 2014 – 1 StR 722/13, aaO; Urteil vom 5. Februar 2013 – 1 StR 405/12, NJW 2013, 1106, jew. mwN).
31
bb) Diesen Anforderungen wird das Urteil gerecht. Die Strafkammer hat zunächst die Feststellungen geschlossen dargestellt, die sie für erwiesen gehalten hat (UA S. 5-12). Sie hat sodann über 40 Seiten eine umfangreiche Beweiswürdigung vorgenommen. Dabei hat sie im Rahmen der Beweiswürdigung zum jeweiligen Aussageinhalt im Ermittlungsverfahren, zu Entstehung und Konstanz der Aussagen, zu möglichen Falschbelastungsmotiven und zu der Aussage in der Hauptverhandlung der beiden Geschädigten umfassende Ausführungen gemacht. Sie hat sich auch mit den unterschiedlichen Tatörtlichkeiten auseinandergesetzt. Diese sowie die weitergehenden Ausführungen im Rahmen der Teilfreisprüche versetzen das Revisionsgericht hinreichend in die Lage , nachprüfen zu können, ob die Teilfreisprüche auf rechtsfehlerfreien Erwägungen beruhen. Vor diesem Hintergrund ist eine Wiederholung der Ausführungen , die nicht zur Überzeugungsbildung des Landgerichts ausgereicht haben, nicht erforderlich gewesen.
32
b) Das Urteil genügt auch den inhaltlichen Anforderungen an einen Freispruch bei Sexualdelikten.
33
aa) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Spricht das Gericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an dessen Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist das vom Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Dem Tatrichter obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 6. September 2016 – 1 StR 104/15, juris Rn. 33, Urteil vom 12. Februar 2015 – 4 StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148 mwN). Dabei hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2015 – 5 StR 521/14, NStZ-RR 2015, 178, 179). Die revisionsgerichtliche Prüfung erstreckt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, oder gegen Denkgesetze oder Erfahrungsgesetze verstößt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 2016 – 1 StR 94/16 mwN). Der Tatrichter ist gehalten, sich mit den von ihm festgestellten Tatsachen unter allen für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkten auseinander zu setzen, wenn sie geeignet sind, das Beweisergebnis zu beeinflussen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – 4 StR 420/14, aaO). Die Anforderungen an eine umfassende Würdigung der festgestellten Tatsachen sind bei einem Freispruch nicht geringer als im Fall der Verurteilung (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 2009 – 1 StR 479/08, NStZ 2009, 512,

513).

34
Der Tatrichter darf zudem keine überspannten Anforderungen an die für eine Verurteilung erforderliche Gewissheit stellen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 26. Juli 2016 – 1 StR 607/15, juris Rn. 12). Im Hinblick auf die Probleme der Stofffülle und der Beweisschwierigkeiten bei vielen sexuellen Übergriffen auf ein allein als Beweismittel zur Verfügung stehendes Kind dürfen an die Indi- vidualisierbarkeit der einzelnen Taten im Urteil keine übersteigerten Anforderungen gestellt werden (BGH, Beschluss vom 25. März 2010 – 5 StR 83/10, juris Rn. 8; Beschluss vom 10. Mai 1994 – 5 StR 239/94, NStZ 1994, 502). Der Tatrichter muss sich aber, möglichst unter Konkretisierung der einzelnen Handlungsabläufe (BGH, Beschluss vom 25. März 2010 – 5 StR 83/10, aaO; Beschluss vom 20. Juni 2001 – 3 StR 166/01, StV 2002, 523; Beschluss vom 24. August 1994 – 1 StR 432/94, NStZ 1995, 78), wie bei jeder anderen Verurteilung auch die Überzeugung verschaffen, dass es im gewissen Zeitraum zu einer bestimmten Mindestanzahl von Straftaten gekommen ist (BGH, Beschluss vom 27. März 1996 – 3 StR 518/95, BGHSt 42, 107, 110). Dabei muss das Tatgericht darlegen, aus welchen Gründen es die Überzeugung gerade von dieser Mindestzahl von Straftaten gewonnen hat (BGH, Beschluss vom 5. März 2008 – 5 StR 611/07, BGHSt 42, 107,109; Beschluss vom 25. März 2010 – 5 StR 83/10, aaO). Ist eine Individualisierung einzelner Taten mangels Besonderheiten im Tatbild oder der Tatumstände nicht möglich, sind zumindest die Anknüpfungspunkte zu bezeichnen, anhand derer der Tatrichter den Tatzeitraum eingrenzt und auf die sich seine Überzeugung von der Mindestzahl und der Begehungsweise der Mißbrauchstaten des Angeklagten in diesem Zeitraum gründet (BGH, Beschluss vom 20. Juni 2001 – 3 StR 166/01, aaO; Beschluss vom 12. November 1997 – 3 StR 559/97, NStZ 1998, 208).
35
bb) Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil gerecht. Es ist insbesondere nicht zu erkennen, dass das Landgericht einen überzogenen Maßstab an die Überzeugungsbildung angelegt hat.
36
(1) Entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht aufgrund der Schilderung der Zeugin R. einerseits davon ausgegangen ist, dass es zu mehr als den vier konkret festgestellten Übergriffen zu Lasten der Zeugin gekommen ist, es sich andererseits aber außerstande gesehen hat, eine höhere Mindestanzahl von Missbrauchsfällen auf der Basis der schwankenden und nicht objektivierbaren Angaben der Zeugin zur Tathäufigkeit festzustellen. Die Strafkammer hat dies damit begründet, dass die Zeugin im Rahmen der ersten polizeilichen Ver- nehmung nur davon gesprochen habe, dass die Übergriffe „öfters“ vorgekom- men seien. Im Rahmen einer weiteren Vernehmung habe sie von mindestens drei Übergriffen im Monat gesprochen und schließlich in der Hauptverhandlung ausgeführt, dass es zu zwei Übergriffen in der Woche gekommen sei. Der hieraus von dem Landgericht gezogene Schluss, die Zeugin spekuliere letztlich über die Häufigkeit der Übergriffe, ist nicht nur möglich, sondern naheliegend. Die Strafkammer hat sich in diesem Zusammenhang ausdrücklich damit ausei- nandergesetzt, warum die von der Staatsanwaltschaft erstrebte „Hochrechnung“ der Anzahl der Taten nicht möglich gewesen ist. Sie hat ihre Schlussfol- gerung zusätzlich damit begründet, dass es zum einen auch Zeiträume gegeben haben müsse, in denen es durch den Angeklagten nicht zu Übergriffen auf die Zeugin gekommen sein könne (Schlaganfall des Angeklagten; Urlaub /Krankheit der Großmutter; unterschiedliche Arbeitszeiten der Großmutter im Schichtbetrieb). Zum anderen sei es der Zeugin nicht möglich gewesen, den Beginn oder das Ende der Übergriffe verlässlich einzuordnen.
37
Das Landgericht hat in diesem Zusammenhang ebenfalls rechtsfehlerfrei begründet, warum es keine sichere Überzeugung dahingehend hat gewinnen können, dass es auch im Wohnzimmer zu einem Übergriff auf die Geschädigte R. gekommen ist. Zwar hatte die Zeugin im Rahmen ihrer polizeilichen Vernehmung einen derartigen Übergriff geschildert, sich an diesen aber im Rahmen der Hauptverhandlung auch auf Vorhalt nicht zu erinnern vermocht. Dass die Strafkammer sich bei diesem Beweisergebnis außerstande gesehen hat, eine sichere Überzeugung von der Richtigkeit des Anklagevorwurfs zu gewinnen , ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
38
(2) Auch der Teilfreispruch hinsichtlich der 27 weiteren angeklagten Taten zum Nachteil der Geschädigten H. ist rechtsfehlerfrei. Die Zeugin hat einerseits dargestellt, eine Quantifizierung falle ihr sehr schwer. Auf Befragen hat sie in der Hauptverhandlung hinsichtlich der Häufigkeit von einer schwankenden Zahl von Übergriffen berichtet (20-mal, eher mehr; mindestens zehnmal). Angesichts dieser divergierenden Angaben ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden , dass sich die Strafkammer zur Schätzung einer Mindestzahl außerstande gesehen hat.
39
Soweit das Landgericht sich ebenfalls nicht davon hat überzeugen können , dass weitere Übergriffe in der Küche der Großeltern stattfanden, hat es dies ausreichend damit begründet, dass aufgrund des Kontakts zwischen der Zeugin H. und der Zeugin R. nach deren jeweiliger erster polizeilicher Vernehmung eine Vermengung der Erinnerungen bei der Zeugin H. mit den Schilderungen der Zeugin R. nicht auszuschließen sei. Denn die Zeugin H. habe in ihrer ersten polizeilichen Vernehmung keine Vorfälle in der Küche geschildert, sondern als Tatort das Bett und ganz selten das Wohnzimmer beschrieben, wohingegen es an anderen Orten zu keinen Übergriffen gekommen sei. Schäfer Eschelbach Bartel Grube Schmidt

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 479/08
vom
17. März 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
17. März 2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Hebenstreit,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Staatsanwältin - in der Verhandlung - und
Staatsanwältin - bei der Verkündung -
als Vertreterinnen der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 10. März 2008 mit den Festsstellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte freigesprochen wurde und
b) im Strafausspruch, soweit der Angeklagte verurteilt wurde. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung zu einer Geldstrafe von 270 Tagessätzen verurteilt. Im Übrigen hat es ihn freigesprochen. Mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, wendet sich die Staatsanwaltschaft gegen den Teilfreispruch und, soweit der Angeklagte verurteilt wurde, gegen den Strafausspruch. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.

I.

2
1. Nach den Urteilsfeststellungen war der Angeklagte seit dem Jahr 1979 Geschäftsführer der in Nürnberg ansässigen D. KG (nachfolgend: D. KG). Seit Mitte des Jahres 2001 entstanden in der Buchhaltung des Unternehmens Buchungsrückstände. Dies hatte zur Folge, dass von der D. KG erzielte Umsätze und gezahlte Vorsteuerbeträge spätestens seit dem Jahr 2002 der EDV-Buchhaltung des Unternehmens nicht mehr entnommen werden konnten. Von Januar 2002 bis Mai 2003 wurden die beim Finanzamt einzureichenden Umsatzsteuervoranmeldungen daher von der angestellten Buchhaltungskraft anhand der vorliegenden Eingangs- und Ausgangsrechnungen manuell erstellt, wobei ihr allerdings schwerwiegende Fehler unterliefen. Für das Jahr 2002 wurden von den tatsächlich getätigten Umsätzen im Umfang von mehr als 12,8 Mio. Euro lediglich knapp 9,1 Mio. Euro erklärt. Zugleich wurden die Vorsteuern um etwa 62.000,-- Euro zu niedrig angegeben. Auch die für die Voranmeldungszeiträume des Jahres 2003 eingereichten Umsatzsteuervoranmeldungen waren unrichtig und enthielten zu geringe Umsatzsteuerbeträge.
3
Der Angeklagte erfuhr spätestens im ersten Halbjahr 2002 von den Rückständen in der Buchhaltung. Auch wusste er, dass die Umsatzsteuervoranmeldungen manuell erstellt wurden. Gleichwohl überprüfte er die Voranmeldungen nicht.
4
Im Hinblick auf die manuelle Erstellung der Umsatzsteuervoranmeldungen des Jahres 2003 ordnete das Finanzamt Nürnberg-Nord eine Umsatzsteuer -Nachschau an, die am 29. Oktober 2003 in den Geschäftsräumen der D. KG durchgeführt wurde. Hierbei wurde sofort festgestellt, dass die für Februar bis Mai 2003 tatsächlich erzielten Umsätze weit über den vorangemeldeten Umsätzen lagen. Dies wurde noch am selben Tag dem Angeklagten mitgeteilt, der die bei der Umsatzsteuer-Nachschau festgestellten Beträge als richtig anerkannte.
5
Aufgrund der Mitteilung des Finanzamts rechnete der Angeklagte damit, dass auch die Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Januar bis Dezember 2002 unrichtig waren. Gleichwohl unterließ er die Abgabe einer richtigen Umsatzsteuerjahreserklärung, mit der er zugleich der sich aus § 153 Abs. 1 Nr. 1 AO ergebenden Berichtigungspflicht hätte nachkommen können, die ihm bekannt war. Die Berichtigung wäre ihm auch ohne weiteres möglich gewesen, da die Buchhaltung zwischenzeitlich vervollständigt worden war, so dass dem Angeklagten die richtigen Umsatzzahlen zur Verfügung standen. Der Angeklagte unterließ sowohl die Abgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 2002 als auch eine Berichtigung der unrichtigen Vorsteueranmeldungen, um sich die Steuervorteile, die die Gesellschaft durch die unrichtigen Voranmeldungen erzielt hatte, auf Dauer zu sichern.
6
2. Aufgrund dieser Feststellungen hat das Landgericht den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung betreffend das Jahr 2002 zu der Geldstrafe von 270 Tagessätzen verurteilt. Von der - rechtlich möglichen - Bildung einer nachträglichen Gesamtfreiheitsstrafe hat die Strafkammer gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB bewusst abgesehen.
7
3. Soweit dem Angeklagten in der Anklageschrift zur Last gelegt wurde, auch für die Monate Februar bis Mai 2003 unrichtige Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben zu haben und dadurch in vier Fällen Umsatzsteuer in Höhe von mehr als 260.000,-- Euro verkürzt zu haben, hat das Landgericht den Angeklagten freigesprochen. Ihm sei nicht nachzuweisen, dass er die Unrichtigkeit der Voranmeldungen bereits bei deren Abgabe gekannt habe. Eine Pflicht zur Berichtigung nach § 153 AO habe nicht bestanden, da die Unrichtigkeit der Voranmeldungen bereits von den Finanzbehörden festgestellt gewesen sei, als er davon erfahren habe.

II.

8
Die Freisprechung des Angeklagten vom Vorwurf der Steuerhinterziehung in vier Fällen durch Abgabe unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Februar bis Mai 2003 hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
9
1. Zwar hat es das Revisionsgericht grundsätzlich hinzunehmen, wenn ein Angeklagter deshalb freigesprochen wird, weil das Tatgericht Zweifel an der Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Die revisionsgerichtliche Prüfung ist auf die Prüfung beschränkt, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze und gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2, 16; BGH StV 1994, 580 m.w.N.). Der Prüfung unterliegt auch, ob überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind (st. Rspr.; BGH NJW 2005, 1727; BGH NStZ-RR 2003, 369, 370; BGH NStZ 2002, 48; BGH NStZ-RR 2000, 171; BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 25, jew. m.w.N.).
10
Die Begründung eines Freispruchs muss daher so abgefasst werden, dass dem Revisionsgericht die Prüfung möglich ist, ob dem Tatgericht Rechts- fehler unterlaufen sind, insbesondere, ob der den Entscheidungsgegenstand bildende Sachverhalt vollständig gewürdigt worden ist (vgl. BGH wistra 1991, 63). Hierzu bedarf es in den Urteilsgründen regelmäßig der Darstellung des Anklagevorwurfs , der getroffenen Feststellungen und einer Würdigung der Beweise (vgl. Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 267 Rdn. 33 m.w.N.), insbesondere der gegen den Angeklagten sprechenden Um stände (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 338). Die Anforderungen an eine umfassende Würdigung der festgestellten Tatsachen sind nicht geringer als im Fall der Verurteilung (vgl. BGH NStZ 2002, 446).
11
2. Diesen Anforderungen an die Sachdarstellung und Beweiswürdigung wird das angefochtene Urteil nicht in vollem Umfang gerecht.
12
a) Soweit dem Angeklagten mit der Anklageschrift zur Last gelegt wurde, in vier Fällen durch Abgabe falscher Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Februar bis Mai 2003 Steuern hinterzogen zu haben, enthalten die Urteilsgründe keine Feststellungen dazu, welchen Inhalt die abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldungen hatten. Zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärungen fehlen in den Urteilsgründen ebenso Angaben wie zu der Frage, ob die Voranmeldungen zu einer Zahllast oder einer Erstattung geführt haben (vgl. § 168 AO). Es bleibt auch offen, in welchem Umfang die angemeldeten von den zu erklärenden Umsätzen abwichen. Der Mitteilung dieser Umstände hätte es indes schon allein deshalb bedurft, weil sich aus ihnen - etwa aus einem Vergleich mit früheren Anmeldungszeiträumen - Rückschlüsse auf die subjektive Tatseite ergeben konnten.
13
b) Die Beweiswürdigung ist auch deshalb lückenhaft, weil sie sich - soweit Feststellungen getroffen worden sind - nicht mit allen festgestellten Um- ständen auseinandersetzt, die den Angeklagten be- oder entlasten (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2).
14
aa) Die Strafkammer beschränkt sich im Wesentlichen darauf, festzustellen , dass die Einlassung des Angeklagten nicht zu widerlegen sei. Eine Auseinandersetzung mit den festgestellten Umständen, die gegen diese Einlassung sprechen könnten, enthält das Urteil nicht. So lässt das Landgericht außer Betracht , dass der Angeklagte aufgrund seiner Geschäftserfahrung und beruflichen Bildung als Kaufmann über besondere Fähigkeiten und Kenntnisse verfügte. Diese können aber für die Frage, ob der Angeklagte um die Fehler der Voranmeldungen wusste, als Beweisanzeichen von Bedeutung sein. Das gilt um so mehr, als das Landgericht ausdrücklich feststellt, dass die Defizite in der Buchhaltung , die die fehlerhaften Voranmeldungen bedingten, bereits seit längerem bestanden und der Angeklagte von diesen auch schon seit Mitte des Jahres 2002 wusste. Unerörtert bleibt auch, dass sich die D. KG bereits seit dem Jahre 2000 in finanziellen Schwierigkeiten befand, die sich im Laufe des Jahres 2002 noch verschärften. Es hätte daher jedenfalls der Erörterung bedurft, ob diese finanziellen Schwierigkeiten als Motiv für die Abgabe falscher Umsatzsteuervoranmeldungen in Betracht kamen, um aufgrund ungerechtfertigter Vorsteuererstattungen den Geschäftsbetrieb aufrechterhalten zu können.
15
bb) Die Beweiswürdigung verhält sich auch nicht dazu, ob leichtfertiges Handeln des Angeklagten im Sinne von § 378 AO auszuschließen war. Für den Schluss der Strafkammer, es habe lediglich einfache Fahrlässigkeit vorgelegen, fehlt es angesichts der gegen den Angeklagten sprechenden Umstände an einer tragfähigen Begründung. Statt einer an rechtlichen Abgrenzungskriterien ausgerichteten Gesamtwürdigung sämtlicher für und gegen die Annahme leichtfertigen Handelns sprechenden Umstände beschränkt sich die Strafkammer auf die nicht näher begründete Bewertung, es habe nur einfache Fahrlässigkeit vorgelegen. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
16
3. Das Urteil beruht insoweit auf den Darstellungs- und Beweiswürdigungsmängeln ; der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung zu einer Verurteilung des Angeklagten gelangt wäre.

III.

17
1. Auch der Strafausspruch, auf den die Staatsanwaltschaft ihre Revision wirksam beschränkt hat, soweit der Angeklagte verurteilt wurde, hat keinen Bestand. Dies folgt hier bereits aus der Aufhebung des Teilfreispruchs.
18
Bei Tatmehrheit kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Aufhebung eines Einzelstrafausspruchs zur Aufhebung weiterer Strafaussprüche führen, wenn nicht auszuschließen ist, dass diese durch den Rechtsfehler im Ergebnis beeinflusst sind (vgl. die Nachw. bei MeyerGoßner , StPO 51. Aufl. § 353 Rdn. 10). Dies kann insbesondere dann zu bejahen sein, wenn die Taten in einem engen inneren Zusammenhang stehen (BGH NStZ 2001, 323, 324; NStZ-RR 2007, 195, 196 m.w.N.). Nichts anderes gilt im Falle der Aufhebung eines Teilfreispruchs, wenn insoweit aufgrund einer neuen Hauptverhandlung eine Verurteilung noch in Betracht kommt und eine solche Verurteilung die Strafzumessung bei den übrigen Taten beeinflussen kann.
19
So verhält es sich hier; denn dem Angeklagten lag die Verletzung seiner umsatzsteuerlichen Erklärungspflichten für zwei aufeinander folgende Jahre zur Last. Der Frage, ob es sich bei einer Tat um eine bloß einmalige Verfehlung oder um eine wiederholte oder mit Wiederholungsabsicht begangene Straftat handelt, kommt aber für die Strafzumessung nicht unerhebliches Gewicht zu. Der Senat hebt daher auch den Strafausspruch auf, um dem Tatrichter eine in sich stimmige Strafzumessung gegebenenfalls auch im Hinblick auf den weiteren - vom aufgehobenen Teilfreispruch erfassten - Tatvorwurf zu ermöglichen. Einer Erörterung der von der Staatsanwaltschaft gegen die Strafzumessung im Einzelnen erhobenen Bedenken bedarf es daher insoweit nicht.
20
2. Die Strafzumessungserwägungen des Landgerichts geben allerdings im Hinblick auf die von der neuen Strafkammer vorzunehmende Strafzumessung und den dabei zugrunde zu legenden Schuldumfang Anlass zu folgendem Hinweis:
21
Die Steuerhinterziehung ist zwar Erfolgsdelikt, jedoch nicht notwendig Verletzungsdelikt. Wie die Vorschrift des § 370 Abs. 4 Satz 1 AO zeigt, ist der Tatbestand des § 370 Abs. 1 AO bereits erfüllt, wenn die gesetzlich geschuldete Steuer nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt wird. Für eine Steuerverkürzung genügt deshalb eine konkrete Gefährdung des Steueranspruchs (vgl. Joecks in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht 6. Aufl. § 370 AO Rdn. 15). Die Erfüllung der Steuerschuld ist demgegenüber erst Gegenstand des dem Festsetzungsverfahren nachgelagerten Erhebungs- und Vollstreckungsverfahrens (vgl. §§ 218 ff., 249 ff. AO).
22
Vor diesem Hintergrund kann dem Umstand, dass das Steueraufkommen mangels ausreichender finanzieller Mittel zur Abführung der geschuldeten Steuern auch bei ordnungsgemäßer Erfüllung der steuerlichen Erklärungspflichten des Angeklagten geschädigt worden wäre, entgegen der Auffassung der Strafkammer (UA S. 15/16) für die Bestimmung des Schuldgehalts der Tat kein erhebliches Gewicht im Sinne eines bestimmenden Strafzumessungsumstandes (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO) zukommen. Dies gilt im besonderen Maße, wenn es sich bei den hinterzogenen Steuern um solche handelt, die der Steuerschuldner - wie hier bei der Umsatzsteuer - wie ein Treuhänder für den Fiskus verwaltet (vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung 4. Aufl. Rdn. 1018; Kohlmann, Steuerstrafrecht Stand 39. Lfg. Oktober 2008, § 370 AO Rdn. 1033). Demgegenüber hat es erhebliche strafmildernde Bedeutung , wenn - anders als im vorliegenden Fall - die Verkürzung von Steuern beim Fiskus nicht zu einem dauerhaften Steuerausfall geführt hat, weil etwa der Täter die geschuldeten Steuern nachgezahlt hat. Nack Wahl Hebenstreit Jäger Sander

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 181/16
vom
11. Oktober 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:111016U5STR181.16.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. Oktober 2016, an der teilgenommen haben:
Richter Prof. Dr. Sander
als Vorsitzender,
Richterin Dr. Schneider, Richter Prof. Dr. König, Richter Bellay, Richter Dr. Feilcke
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 4. November 2015 hinsichtlich des Angeklagten L. mit den Feststellungen aufgehoben.
Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion in vier Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit Diebstahl und in einem Fall in Tateinheit mit versuchtem Diebstahl, freigesprochen und eine Entscheidung nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen getroffen. Gegen den Freispruch wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision, die vom Generalbundesanwalt hinsichtlich der Sachrüge vertreten wird. Die Revision hat bereits mit der Sachrüge Erfolg, so dass es auf die Verfahrensbeanstandungen nicht mehr ankommt.
2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen Folgendes festgestellt:
3
Zwischen April und September 2014 sprengte der wegen dieser Taten rechtskräftig verurteilte B. im Zusammenwirken mit einem Mittäter, der in Größe und Statur dem Angeklagten entsprach, vier Geldautomaten durch Zünden eines zuvor in diese eingeleiteten Gasgemisches. Bei den ersten drei Taten erbeuteten die Täter rund 400.000 €. Bei der vierten Tat verhinderte eine zu- sätzliche Sicherheitsvorkehrung des bereits teilweise gesprengten Geldautomaten , dass die Täter an das Bargeld gelangten. Bei allen vier Taten waren die Täter maskiert und trugen orange-schwarze Handschuhe. Unmittelbar nach der letzten Tat flüchteten sie mit einem Fahrzeug über die nahe gelegene Grenze nach Forbach in Frankreich, wo sie an einem Wald anhielten, um die Kennzeichen des Fahrzeugs auszutauschen. Als sich ihnen eine Zivilstreife der französischen Polizei näherte, ergriffen sie zu Fuß die Flucht und konnten sich der Festnahme entziehen. Einer der Flüchtenden verlor im Wald einen orangeschwarzen Handschuh, an dessen Innenseite DNA-Spuren des Angeklagten gesichert werden konnten. An einem im Fluchtfahrzeug sichergestellten weiteren Paar orange-schwarzer Handschuhe befanden sich DNA-Spuren des B. .
4
Sieben Wochen später wurden B. und der Angeklagte in einem von B. geführten Pkw in Südfrankreich von französischen Polizeibeamten kontrolliert. In dem Fahrzeug wurden Notizzettel sichergestellt, auf denen die Standorte von Geldautomaten im Bliesgau und an der südlichen Weinstraße jeweils in Grenznähe zu Frankreich notiert waren, ein Navigationsgerät, in dem die Adressen der vier Tatorte gespeichert waren, ein Computer, mit dem nach Bankfilialen in der Region der Tatorte sowie nach Gasen recherchiert worden war, eine Kapuzenjacke, die derjenigen glich, die der in den Bankfilialen gefilm- te Täter trug, und eine Bohrmaschine der Art, wie sie auch bei den Taten benutzt worden war.
5
In den jeweiligen Tatzeiträumen bewohnte B. mit einer anderen männlichen Person ein Zimmer in einem Hotel in Yutz in Frankreich nahe der deutschen Grenze. Ein an der Rezeption des Hotels tätiger Zeuge hat bekundet , er glaube, den Angeklagten als Hotelgast im Verlauf des Jahres 2014 wiedererkannt zu haben, sicher sei er sich jedoch nicht. B. und der Angeklagte stammen aus demselben Ort in Rumänien. Im Mai 2014 überwies B. dem Angeklagten einen Geldbetrag von 7.300 €.
6
2. Das Landgericht vermochte sich nicht davon zu überzeugen, dass der im Verfahren schweigende Angeklagte an den Taten beteiligt war. Zwar stelle die in dem Handschuh sichergestellte DNA des Angeklagten ein gewichtiges Indiz für dessen Täterschaft dar. Allerdings stehe lediglich fest, dass der Angeklagte den Handschuh einmal angefasst habe; es gebe zahlreiche Möglichkeiten , wie seine DNA an die Innenseite des Handschuhs gekommen sein könne. Ein weiteres Indiz für eine Tatbeteiligung des Angeklagten stelle dessen Bekanntschaft mit B. dar. Diese beiden Indiztatsachen seien jedoch „weder für sich genommen noch in ihrer Gesamtschau“ (UA S. 41) geeignet, die Überzeu- gung der Kammer von der Täterschaft des Angeklagten zu begründen.
7
3. Der Freispruch leidet an durchgreifenden Rechtsfehlern.
8
a) Das Revisionsgericht hat es zwar grundsätzlich hinzunehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an dessen Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Es hat jedoch das Urteil darauf zu überprüfen , ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlichrechtlicher Hinsicht etwa der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Rechtsfehlerhaft ist es auch, wenn sich das Tatgericht bei seiner Beweiswürdigung darauf beschränkt, die einzelnen Belastungsindizien gesondert zu erörtern und auf ihren jeweiligen Beweiswert zu prüfen, ohne eine Gesamtabwägung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände vorzunehmen. Der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt ferner, ob überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 7. November 2012 – 5 StR 322/12, und vom 27. April 2010 – 1 StR 454/09, NStZ 2011, 108, 109).
9
b) Gemessen hieran hält die Beweiswürdigung der Strafkammer rechtlicher Prüfung nicht stand. In der Beweiswürdigung muss sich das Tatgericht nicht nur mit allen festgestellten Indizien auseinandersetzen, die das Beweisergebnis zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen geeignet sind. Es muss sich auch aus den Urteilsgründen ergeben, dass es die Beweisergebnisse nicht nur für sich genommen gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung einbezogen hat. Dem wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.
10
Denn aus dem Urteil ergibt sich nicht, dass das Landgericht überhaupt eine Gesamtbetrachtung in dem gebotenen Umfang vorgenommen hat. Eine solche setzt voraus, dass sämtliche vorhandenen Beweisanzeichen erkennbar zueinander in Beziehung gesetzt und gegeneinander abgewogen werden. Eine diesen Anforderungen genügende Darstellung weist das Urteil mit seiner lediglich formelhaften Erwähnung einer „Gesamtschau“ nicht auf. Dies lässt besorgen , dass die Strafkammer den Blick dafür verloren hat, dass Indizien, auch wenn sie einzeln für sich betrachtet nicht zum Nachweis der Täterschaft ausreichen , doch in ihrer Gesamtheit die entsprechende Überzeugung vermitteln können (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 7. November 2012 – 5 StR 322/12; vom 16. Dezember 2009 – 1 StR 491/09, und vom 26. Mai 1999 – 3 StR 110/99, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 20).
11
Insbesondere hat die Strafkammer ihre „Gesamtschau“ dadurch unzulässig verkürzt, dass sie lediglich die vom Angeklagten stammende DNA-Spur an der Innenseite des Handschuhs sowie die Bekanntschaft der beiden Angeklagten gewürdigt hat (UA S. 41). Weitere Umstände hat sie außer Betracht gelassen, obwohl ihnen indizielle Bedeutung für die Beteiligung des Angeklagten zukommt. So stellt das Landgericht nicht in seine Gesamtwürdigung ein, dass der Angeklagte und B. nur wenige Wochen nach der letzten Tat fernab ihrer rumänischen Heimat in einem Fahrzeug angetroffen wurden, in dem sich Tatwerkzeuge und weitere im Zusammenhang mit einschlägigen Taten stehende Gegenstände befanden (Navigationsgerät, Notebook, Zettel mit den Adressen von Geldautomaten, Kapuzenjacke). Auch befasst es sich nicht mit der Überweisung eines nicht unerheblichen Geldbetrages durch B. an den Angeklagten innerhalb des Tatzeitraums und dem – wenngleich nicht sicheren – Wiedererkennen des Angeklagten durch einen Angestellten des Hotels, in dem B. bei Begehung der Taten mit einer anderen männlichen Person wohnte. Entsprechendes gilt für den Umstand, dass die von mehreren Zeugen bekundete Täterbeschreibung in Größe und Statur auf den Angeklagten zutrifft.
12
4. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei fehlerfreier Beweiswürdigung zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Die Sache bedarf daher, soweit sie den Angeklagten betrifft, neuer Verhandlung und Entscheidung.
13
5. Mit der Aufhebung des freisprechenden Urteils werden die Entschädigungsgrundentscheidung und die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegenstandslos (vgl. BGH, Urteile vom 25. April 2013 – 4 StR 551/12, dort nicht abgedruckt und vom 25. März 2010 – 1 StR 601/09).

Sander Schneider König
Bellay Feilcke