vorgehend
Verwaltungsgericht Augsburg, Au 2 K 16.30185, 24.06.2016

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung wird abgelehnt.

III.

Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gründe

Die Anträge haben keinen Erfolg.

1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unzulässig. Die allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache haben die Kläger nicht in einer Weise dargetan, die den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügt.

Einer Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zu, wenn für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Rechtsfrage von Bedeutung ist, deren noch ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (vgl. BVerwG, U. v. 2.10.2010 - 9 B 13/10 - juris Rn. 10 m. w. N. zur entsprechenden Bestimmung des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Dementsprechend verlangt die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG, dass eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist. Ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. BVerwG, B. v. 27.6.2013 - 10 B 11/13 - juris Rn. 2).

Diesen Anforderungen wird das Vorbringen der Kläger nicht gerecht. Die im Zulassungsantrag aufgeworfene Frage,

„ob Kindern, die unter Verstoß gegen die Vorgaben der chinesischen Familienpolitik geboren wurden, die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist“,

ist keiner grundsätzlichen Klärung zugänglich, weil sie nicht hinreichend konkret gefasst ist und sich in dieser Allgemeinheit somit in einem Berufungsverfahren in entscheidungserheblicher Weise nicht stellen würde (vgl. BVerwG, B. v. 2.9.2010 - 9 B 13/10 - juris Rn. 10 ff.; B. v. 20.7.2016 - 9 B 64/15 - juris Rn. 3; B. v. 21.9.2016 - 6 B 14/16 - juris Rn. 7 ff.). Inwieweit einem Kind, das unter Verstoß gegen die Vorgaben der chinesischen Familienpolitik geboren wurde, die Flüchtlingseigenschaft im Sinn des § 3 AsylG zuzuerkennen ist, lässt sich nicht ohne Weiteres abstrakt beantworten. Die Antwort auf diese Frage ist vielmehr von einer Vielzahl von Einzelumständen und Faktoren - insbesondere im Hinblick auf die finanziellen Verhältnisse der Eltern, auf den Ort, an dem sie sich nach ihrer Rückkehr niederlassen, sowie darauf, ob die Eltern selber aus Ein-Kind-Familien stammen, ob sie einer nationalen Minderheit angehören, aus welcher Provinz sie stammen, welches Geschlecht das erste Kind hat, etc. - abhängig, so dass die Frage einer generellen Klärung nicht zugänglich ist (vgl. BayVGH, B. v. 9.9.2013 - 2 ZB 13.30255 - juris Rn. 8; OVG NRW, B. v. 14.12.2012 - 15 A 2649/12.A m. w. N. zur Lage vor Beendigung der Ein-Kind-Politik Ende Oktober 2015).

Auch soweit die Kläger die aufgeworfene Frage auf nichteheliche, zweitgeborene Kinder beschränken wollten, wäre sie einer allgemeinen Klärung nicht zugänglich. Das Verwaltungsgericht hat unter Bezugnahme auf den Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 20. November 2015 bereits darauf hingewiesen, dass die staatliche Familienplanungspolitik in China eine regional unterschiedliche Ausgestaltung und Durchführung erfährt und Besonderheiten für Rückkehrer aus dem Ausland bestehen (vgl. Urteilsabdruck Rn. 21 f.; vgl. etwa auch VG Freiburg, U. v. 12.3.2014 - A 6 K 1868/12 - juris Rn. 25). Hiergegen haben die Kläger im Zulassungsantrag keine Einwendungen geltend gemacht.

Ebenso wenig kann der mit Schriftsatz vom 20. Oktober 2016 gegebene Hinweis auf das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 14. September 2016 Az. A 11 S 1125/16 dem Zulassungsantrag zum Erfolg verhelfen, zumal sich diese Entscheidung betreffend ein Deutschland geborenes viertes Kind eines aus der Provinz Fujian stammenden Paares zu der hier nicht bezeichneten (Teil-)Frage verhält (vgl. dazu BayVGH, B. v. 21.8.2014 - 13a ZB 14.30032 - juris Rn. 5), ob die von der chinesischen Ein-Kind-Politik (bzw. jetzt Zwei-Kind-Politik) nachteilig betroffenen Kinder flüchtlingsrechtlich eine soziale Gruppe im Sinn des § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG darstellen, auch wenn im Hinblick auf die Möglichkeit einer Zahlung von Bußgeldern im Einzelfall, die zu einer Aufnahme in das Haushaltsregister führen kann, nicht alle Mitglieder tatsächlich verfolgt werden.

2. Der Antrag, den Klägern Prozesskostenhilfe zu gewähren (§ 166 VwGO, § 114 Satz 1 ZPO) und ihnen den von ihnen bevollmächtigen Rechtsanwalt beizuordnen (§ 121 ZPO), ist zwar zulässig (§ 166 VwGO, § 117 Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 78 Abs. 4 Satz 2 AsylG), aber nicht begründet. Die Absicht der Kläger, die Zulassung der Berufung zu erreichen, hat aus den unter Nr. 1 genannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 RVG.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).

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Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung wird abgelehnt. III. Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Zulassungsver

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(1) Das Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das die Klage in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgewiesen wird, ist unanfechtbar. Das gilt auch, wenn nur das Klagebegehren gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet, das Klagebegehren im Übrigen hingegen als unzulässig oder unbegründet abgewiesen worden ist.

(2) In den übrigen Fällen steht den Beteiligten die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zu, wenn sie von dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(3) Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.

(4) Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss, der keiner Begründung bedarf. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) § 134 der Verwaltungsgerichtsordnung findet keine Anwendung, wenn das Urteil des Verwaltungsgerichts nach Absatz 1 unanfechtbar ist.

(7) Ein Rechtsbehelf nach § 84 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids zu erheben.

(8) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 132 Absatz 1 und § 137 Absatz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung auch zu, wenn das Oberverwaltungsgericht

1.
in der Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat von deren Beurteilung durch ein anderes Oberverwaltungsgericht oder durch das Bundesverwaltungsgericht abweicht und
2.
die Revision deswegen zugelassen hat.
Eine Nichtzulassungsbeschwerde kann auf diesen Zulassungsgrund nicht gestützt werden. Die Revision ist beschränkt auf die Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat. In dem hierfür erforderlichen Umfang ist das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 137 Absatz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden. Das Bundesverwaltungsgericht berücksichtigt für die Beurteilung der allgemeinen Lage diejenigen herkunfts- oder zielstaatsbezogenen Erkenntnisse, die von den in Satz 1 Nummer 1 genannten Gerichten verwertet worden sind, die ihm zum Zeitpunkt seiner mündlichen Verhandlung oder Entscheidung (§ 77 Absatz 1) von den Beteiligten vorgelegt oder die von ihm beigezogen oder erhoben worden sind. Die Anschlussrevision ist ausgeschlossen.

(8a) Das Bundesministerium des Innern und für Heimat evaluiert im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz die Revision nach Absatz 8 drei Jahre nach Inkrafttreten.

Gründe

1

Die auf die Zulassungsgründe eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2

1. Die Verfahrensrüge greift nicht durch.

3

a) Die Beschwerde macht als Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend, dass der Verwaltungsgerichtshof zu Unrecht von einer Präklusion des klägerischen Vorbringens zu Verstößen gegen Bestimmungen des europäischen Artenschutzes ausgegangen sei. Unzutreffend habe der Verwaltungsgerichtshof angenommen, dass es an einem rechtzeitigen, hinreichend substantiierten Vorbringen zu dieser Problematik fehle. Denn die Kläger hätten im Rahmen des Klageverfahrens im Wesentlichen auf der Basis der Unterlagen des Planfeststellungsverfahrens, insbesondere des Landschaftspflegerischen Begleitplans, auch für die Bereiche außerhalb der Kaltentalquerung eine spezielle artenschutzrechtliche Prüfung für erforderlich gehalten. Insoweit handele es sich um reinen Rechtsvortrag, der nicht präkludiert sei. Unzutreffend gehe das Gericht auch davon aus, dass die Stellungnahmen der Kläger keine Ausführungen zum Artenschutz enthielten, sondern sich nur auf den Habitatschutz bezögen. Insoweit handele es sich um eine rechtliche Einordnung, die nicht zur Präklusion führen könne. Außerdem führten Eingriffe in ein Habitat zwangsläufig zur Beeinträchtigung der dort vorhandenen Arten.

4

Mit diesem Vortrag ist ein für das angefochtene Urteil erheblicher Verfahrensmangel nicht hinreichend dargetan (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).

5

Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG verlangt vom Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Art. 103 Abs. 1 GG gewährt keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen (Beschlüsse vom 29. April 2003 - BVerwG 9 B 65.02 - juris Rn. 3 und vom 29. Oktober 2009 - BVerwG 9 B 41.09 - juris Rn. 16; stRspr). So liegen die Dinge hier. Der Verwaltungsgerichtshof hat das Vorbringen der Kläger zum Artenschutz deshalb unberücksichtigt gelassen, weil er es nach § 17 Abs. 4 Satz 1 FStrG a.F. für präkludiert hielt, und hat dies ausführlich damit begründet, dass die Kläger bis zum Ablauf der Einwendungsfrist keine hinreichend substantiierten Rügen zum Artenschutz vorgebracht hätten. Insoweit greift die Beschwerde die tatsächliche und rechtliche Würdigung ihres Vorbringens durch den Verwaltungsgerichtshof an, was jedoch eine Gehörsrüge nicht begründen kann. Darüber hinaus kann die Beschwerde, soweit sie einen Gehörsverstoß wegen der Nichtberücksichtigung des artenschutzrechtlichen Vorbringens in Bezug auf die Kaltenaue rügt, auch deshalb nicht durchdringen, weil der Verwaltungsgerichtshof sich ungeachtet der von ihm angenommenen Präklusion mit dem Vorbringen der Kläger ausführlich auseinander gesetzt hat (UA Rn. 97 ff.).

6

b) Der Kläger zu 1 rügt als weiteren Gehörsverstoß einen Abwägungsfehler, weil der Verwaltungsgerichtshof die tatsächlichen Auswirkungen auf seine Waldflächen im "Gangsteigholz" und "Fürstätter Wald" unterschätzt und damit nicht berücksichtigt habe. Er müsse eine Existenzgefährdung jedenfalls seines forstwirtschaftlichen Betriebsteiles befürchten. Bei der Prüfung der Existenzgefährdung seien die Waldverluste nicht vollständig berücksichtigt worden. Darüber hinaus sei die Funktion des Fürstätter Waldes als Klimaschutzwald außer Betracht geblieben.

7

Eine weitere Gehörsverletzung machen die Kläger zu 2 und 3 geltend, weil der Verwaltungsgerichtshof die ihnen drohende Existenzgefährdung alleine anhand des Flächenverlustes von 3,19 % beurteilt habe und nicht in einer wertenden Zusammenschau sämtlicher weiterer mit dem Vorhaben verbundenen Nachteile wie ungünstige Zerschneidungen und entstehende Umwege. Er habe sie lediglich auf das Entschädigungsverfahren verwiesen.

8

Mit diesem Vorbringen ist jedoch ein Gehörsverstoß nicht hinreichend dargelegt. Vielmehr greift die Beschwerde die tatsächliche und rechtliche Würdigung des Sachverhalts durch den Verwaltungsgerichtshof an, was eine Gehörsrüge nicht begründen kann.

9

Darüber hinaus verpflichtet der Anspruch auf rechtliches Gehör die Gerichte nicht, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden. Ein Gehörsverstoß kommt deshalb nur in Betracht, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich ergeben, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung ersichtlich nicht erwogen worden ist. Solche Umstände hat der Kläger zu 1 mit Blick auf die behauptete Nichtberücksichtigung seines Vorbringens zur Funktion des Fürstätter Waldes als Klimaschutzwald nicht dargelegt, zumal die Bedeutung des Klimaschutzwaldes für die Stadt Rosenheim ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 25. September 2008 (S. 13) Gegenstand der Erörterungen gewesen ist.

10

2. Der Rechtssache kommt auch keine grundsätzliche Bedeutung zu. Dies wäre nur der Fall, wenn für die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs eine konkrete, jedoch fallübergreifende Rechtsfrage von Bedeutung war, deren noch ausstehende höchstrichterliche Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (vgl. Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91 f.>; stRspr).

11

a) Die von den Klägern in der Beschwerdebegründung bezeichnete Rechtsfrage:

"Ist ein enteignungsbetroffener Kläger gemäß § 17 Abs. 4 FStrG a.F. und gemäß § 17a Abs. 7 S. 1 FStrG mit naturschutzrechtlichen Einwendungen auch insoweit ausgeschlossen, als diese Einwendungen auf behördlichen Tatsachenermittlungen beruhen, welche Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses sind,

oder bezieht sich der Einwendungsausschluss des § 17 Abs. 4 FStrG a.F. und des § 17a Abs. 7 S. 1 FStrG nur auf solche naturschutzrechtlichen Einwendungen, welche auf Tatsachenbehauptungen beruhen, die weder Gegen-stand der behördlichen Sachverhaltsermittlungen waren, noch (zurechenbar) im Rahmen der Einwendungsfristen des Planfeststellungsverfahrens geltend gemacht wurden?"

erfüllt die genannten Voraussetzungen schon deshalb nicht, weil sie nicht hinreichend konkret ist. Inwieweit "Einwendungen auf behördlichen Tatsachenermittlungen beruhen, welche Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses sind", und ob ein Kläger mit Einwendungen gemäß § 17 Abs. 4 FStrG a.F. "insoweit" ausgeschlossen ist, kann in dieser Allgemeinheit nicht Gegenstand grundsätzlicher höchstrichterlicher Klärung in einem Revisionsverfahren sein.

12

Falls die Frage auf solche Einwendungen abzielen sollte, mit denen Planbetroffene behördliche Tatsachenermittlungen erstmals oder abweichend aus der Sicht das Naturschutzes bewerten, ist durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass sie sich zur Vermeidung der Präklusion bereits im Verwaltungsverfahren mit dem vorhandenen Material so konkret auseinandersetzen müssen, dass die Planfeststellungsbehörde erkennen kann, in welcher Hinsicht sie bestimmte Belange noch einer näheren Betrachtung unterziehen soll (Urteil vom 30. Januar 2008 - BVerwG 9 A 27.06 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 195 Rn. 30 f.). Anzuknüpfen ist dabei an die ausgelegten Planunterlagen. Von einem Einwender kann erwartet werden, dass er gegen die Planung sprechende Gesichtspunkte geltend macht, die sich nach den ausgelegten Unterlagen einem Laien in seiner Lage von dessen eigenem Kenntnis- und Erfahrungshorizont her erschließen. Wenn der Naturschutz in den ausgelegten Unterlagen ausführlich behandelt worden ist, kann von einem von dem Vorhaben unmittelbar betroffenen Grundstückseigentümer erwartet werden, dass er der Behörde zumindest in laienhafter Form die Bereiche der Tier- und Pflanzenwelt benennt, deren Behandlung er im Hinblick auf die Inanspruchnahme seiner Grundstücke noch als unzureichend ansieht (Urteil vom 30. Januar 2008 a.a.O.). Der Senat kann nicht erkennen, dass Planbetroffene generell nicht in der Lage sind, dem innerhalb der Einwendungsfrist nachzukommen. Einer so verstandenen Präklusion steht auch Europarecht nicht entgegen, wie das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden hat (vgl. Urteil vom 14. April 2010 - BVerwG 9 A 5.08 - juris Rn. 107 f.).

13

Die Grundsatzrüge kann im Übrigen auch dann nicht durchdringen, wenn unterstellt wird, dass sich die Frage auf Einwendungen beziehen soll, die aus der behördlichen Tatsachenermittlung hergeleitet werden, ohne deren Richtigkeit in Frage zu stellen. Die Beschwerde deutet zu diesem Aspekt lediglich an, dass ihrer Auffassung nach die tatsächlichen Feststellungen des vorliegenden Landschaftspflegerischen Begleitplans die Notwendigkeit einer speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung für den gesamten Trassenbereich ohne Weiteres erkennen ließen. Insoweit ist jedoch eine Einzelfallproblematik angesprochen. Die Beschwerde legt nicht dar, dass gleichwohl fallübergreifender Klärungsbedarf in diese Richtung besteht. Davon abgesehen lässt sich der angegriffenen Entscheidung auch nichts für die Annahme der Beschwerde entnehmen, dass sich die Notwendigkeit einer speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung für den gesamten Trassenbereich bereits unmittelbar aus dem Landschaftspflegerischen Begleitplan ergibt.

14

b) Die Frage

"Kann ein im Bedarfsplan in dreifacher Form dargestelltes Fernstraßenvorhaben wirksam plangerechtfertigt sein?"

würde sich in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen, denn das Vorhaben ist im Bedarfsplan für Bundesfernstraßen (Anlage zu § 1 Abs. 1 Satz 2 des Fernstraßenausbaugesetzes i.d.F. des Gesetzes vom 4. Oktober 2004, BGBl I S. 2574) nicht in dreifacher Form dargestellt. Vielmehr enthält der Bedarfsplan drei unterschiedliche Vorhaben mit unterschiedlichen Verkehrszwecken. Der Neubau der B 15 ist nicht als vordringlicher, sondern als weiterer Bedarf dargestellt und soll ersichtlich verschiedene Autobahnen in Nord-Süd-Richtung großräumig verbinden. Der Ausbau der bestehenden B 15 südlich Rosenheim soll die Stadt Rosenheim und den südlich davon gelegenen Raum an die Bundesautobahn A 8 verbessert anschließen. Demgegenüber stellt die hier streitige Planung eine westliche Ortsumgehung der Stadt Rosenheim dar und dient deren Entlastung vom Nord-Süd-Durchgangsverkehr sowie der besseren Verteilung bzw. Verknüpfung des Ziel- und Quellverkehrs im westlichen Stadtbereich von Rosenheim bzw. im östlichen Stadtbereich von Kolbermoor (PFB S. 65).

15

c) Die weitere Frage:

"Reicht es aus, zur Klärung der Frage, ob eine Existenzgefährdung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes vorliegt, allein auf einen Schwellenwert beim Flächenverlust abzustellen, der hier vom erstinstanzlichen Gericht mit 5 % der Betriebsfläche angenommen wird, oder müssen nicht vielmehr in einer wertenden Gesamtschau neben dem Flächenverlust auch alle weiter eintretenden Betriebserschwernisse, insbesondere unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit, betrachtet werden, um eine solche bejahen oder verneinen zu können?"

wäre in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Sie stellt keine Rechtsfrage dar, sondern zielt auf tatsächliche Feststellungen, die dem Revisionsgericht verwehrt sind (§ 137 Abs. 2 VwGO). Ungeachtet dessen kann allerdings nach allgemeiner, durch Gutachten landwirtschaftlicher Sachverständiger belegter Erfahrung ein Verlust an Eigentumsflächen oder von langfristig gesicherten Pachtflächen in einer Größenordnung von bis zu fünf Prozent der Betriebsfläche einen gesunden landwirtschaftlichen (Vollerwerbs-)Betrieb in der Regel nicht gefährden. Deshalb kann die Planfeststellungsbehörde regelmäßig bei einer Landinanspruchnahme bis zu diesem Anhaltswert ohne Einholung eines landwirtschaftlichen Sachverständigengutachtens davon ausgehen, dass eine vorhabenbedingte Existenzgefährdung oder -vernichtung des in Rede stehenden landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetriebs nicht eintritt (Urteil vom 14. April 2010 - BVerwG 9 A 13.08 - juris Rn. 27). Jedoch sind stets besondere tatsächliche Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen.

16

d) Hinsichtlich der weiteren Fragen:

"Reicht es im Falle einer grundsätzlich anerkannten Existenzgefährdung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes durch ein planerisches Vorhaben aus, dass der Planungsträger dem Betroffenen Tauschland anbietet, ohne dieses auf seine vergleichbare Bonität hin konkret untersucht zu haben und diese bestätigen zu können, wenn sich der Betroffene auf die Minderwertigkeit des Tauschlandes beruft, oder ist vielmehr der Nachweis einer vergleichbaren Bonität der Flächen in einem solchen Fall für die Annahmefähigkeit eines Tauschlandangebots Voraussetzung?

Ist bei einem Vorhaben, das das Ergebnis einer bereits einmal unter Flächenverlust für den betroffenen Landwirt durchgeführten Flurbereinigung beeinträchtigt, der neu durch das Planvorhaben entstehende Flächenverlust zum damals mit der Flurbereinigung erlittenen Flächenverlust bei der Beurteilung seiner evtl. Existenzgefährdung hinzuzurechnen, wenn das Planvorhaben das Ergebnis der Flurbereinigung wieder ganz oder teilweise zunichte macht; wenn ja: gibt es insoweit einen Schwellenwert und wie ist ein solches - ganzes oder teilweises - Zunichtemachen zu ermitteln?

Ist der Vorhabenträger verpflichtet, ein Unternehmensflurbereinigungsverfahren i.S.v. § 87 FlurbG durchzuführen, wenn mit einem Vorhaben das Ergebnis einer früher durchgeführten Flurbereinigung beeinträchtigt wird, ggfs. ab welcher Schwelle und wie ist diese zu ermitteln?"

zeigt die Beschwerde deren Entscheidungserheblichkeit nicht hinreichend auf. Es ist weder dargelegt, dass den Klägern Tauschland angeboten worden ist, noch dass die Planung zu ihren Lasten das Ergebnis eines durchgeführten Flurbereinigungsverfahrens beeinträchtigt oder ganz bzw. teilweise zunichte macht.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Das Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das die Klage in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgewiesen wird, ist unanfechtbar. Das gilt auch, wenn nur das Klagebegehren gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet, das Klagebegehren im Übrigen hingegen als unzulässig oder unbegründet abgewiesen worden ist.

(2) In den übrigen Fällen steht den Beteiligten die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zu, wenn sie von dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(3) Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.

(4) Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss, der keiner Begründung bedarf. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) § 134 der Verwaltungsgerichtsordnung findet keine Anwendung, wenn das Urteil des Verwaltungsgerichts nach Absatz 1 unanfechtbar ist.

(7) Ein Rechtsbehelf nach § 84 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids zu erheben.

(8) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 132 Absatz 1 und § 137 Absatz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung auch zu, wenn das Oberverwaltungsgericht

1.
in der Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat von deren Beurteilung durch ein anderes Oberverwaltungsgericht oder durch das Bundesverwaltungsgericht abweicht und
2.
die Revision deswegen zugelassen hat.
Eine Nichtzulassungsbeschwerde kann auf diesen Zulassungsgrund nicht gestützt werden. Die Revision ist beschränkt auf die Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat. In dem hierfür erforderlichen Umfang ist das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 137 Absatz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden. Das Bundesverwaltungsgericht berücksichtigt für die Beurteilung der allgemeinen Lage diejenigen herkunfts- oder zielstaatsbezogenen Erkenntnisse, die von den in Satz 1 Nummer 1 genannten Gerichten verwertet worden sind, die ihm zum Zeitpunkt seiner mündlichen Verhandlung oder Entscheidung (§ 77 Absatz 1) von den Beteiligten vorgelegt oder die von ihm beigezogen oder erhoben worden sind. Die Anschlussrevision ist ausgeschlossen.

(8a) Das Bundesministerium des Innern und für Heimat evaluiert im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz die Revision nach Absatz 8 drei Jahre nach Inkrafttreten.

Gründe

1

Die Beschwerde, mit der ein Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) sowie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend gemacht werden, bleibt ohne Erfolg.

2

1. Die von dem Kläger erhobenen Grundsatzrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) führen nicht zur Zulassung der Revision.

1.1 Wird die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (
§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO
) begehrt, setzt die hinreichende Darlegung dieses Zulassungsgrunds gemäß
§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO
die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich ungeklärten und sowohl für das Berufungsurteil als auch die angefochtene Revisionsentscheidung entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraus und verlangt außerdem die Angabe, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (stRspr, vgl. Beschluss vom 19. August 1997 -
BVerwG 7 B 261.97
- Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 =
NJW 1997, 3328
m.w.N.). Diesen Darlegungsanforderungen genügt das Vorbringen der Beschwerde nicht.1.2 Die Beschwerde hält für grundsätzlich klärungsbedürftig,

"ob die Reisewarnung des Auswärtigen Amtes für alle Menschen gilt oder je nach Staatsangehörigkeit unterschiedlich"

bzw.

"ob eine Abschiebung nach ganz Afghanistan möglich ist und sich die vielen Tatsachen hinsichtlich Übergriffen und Überfällen in Afghanistan zu einer Rechtsfrage verdichtet haben"

bzw.

"ob eine Unterscheidung nach der Herkunft eines afghanischen Flüchtlings nach der jeweiligen Region - sogenanntes 'Bodycount' - rechtlich zulässig ist".

und verweist zur Begründung auf die angespannte Sicherheits- und Versorgungslage, die das Auswärtige Amt veranlasst habe, hinsichtlich Afghanistans eine Reisewarnung zu erlassen, was die höchste Stufe einer Einteilung bilde. Eine Reisewarnung werde nur selten ausgesprochen und erfolge nur dann, wenn aufgrund einer akuten Gefahr für Leib oder Leben vor Reisen in ein Land oder in eine bestimmte Region eines Landes gewarnt werden müsse.

5

Mit diesem und dem weiteren Vorbringen zur medizinischen Versorgungslage und der Sicherheitslage in Afghanistan, für die eine Reihe von Berichten über Übergriffe, Tötungen und Kampfhandlungen aufgelistet werden und geltend gemacht wird, spätestens seit der sogenannten Frühjahrsoffensive der Taliban bestehe in ganz Afghanistan eine extreme Gefahrenlage und in ganz Afghanistan ein bewaffneter Konflikt im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG, zeigt die Beschwerde keine klärungsbedürftige Frage des revisiblen Rechts auf. Denn dieses Vorbringen zielt der Sache nach nicht auf eine Rechtsfrage, sondern auf die dem Tatsachengericht vorbehaltene Prognose, ob dem Kläger aufgrund seiner persönlichen Verhältnisse angesichts der politischen Gegebenheiten in seiner Heimat bei einer Rückkehr eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib oder Leben nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG droht bzw. eine extreme Gefahrenlage besteht, die in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG eine Abschiebung nach Afghanistan hindert. Die Beschwerde greift damit der Sache nach die vom Berufungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen zu den Prognosegrundlagen sowie die darauf aufbauende Prognose als Teil der Beweiswürdigung an und stellt dem ihre eigene Einschätzung der Sachlage entgegen, ohne insoweit eine konkrete Rechtsfrage aufzuzeigen. Die Vielzahl der von dem Kläger vorgelegten Berichte über sicherheitsrelevante Vorfälle aus der Zeit auch nach dem für die rechtliche Überprüfung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) belegen zwar, dass die Sicherheitslage in Afghanistan weiterhin prekär sein mag; zu einer Rechtsfrage verdichten sich diese Tatsachen indes nicht. Das gilt auch für das Vorbringen, der mitgeteilte Angriff auf das Rote Kreuz stelle eine neue Qualität dar.

6

Der von dem Auswärtigen Amt ausgesprochenen Reisewarnung kommt auch die ihr von dem Kläger zugeschriebene Indizwirkung für das Vorliegen einer extremen Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1, 3 AufenthG, bei der in verfassungskonformer Auslegung der Regelungen ein Abschiebungsverbot nach nationalem Recht anzunehmen ist, nicht zu. Nach dem Wortlaut der Reisewarnung und den vom Kläger mitgeteilten Grundsätzen für den Erlass einer solchen Reisewarnung ist auszuschließen, dass die hierfür maßgebenden rechtlichen Maßstäbe zur Bewertung der Verfolgungs- bzw. Sicherheitslage und damit auch der von dem Kläger aufgezeigten sicherheitsrelevanten Ereignisse mit jenen identisch sind, anhand derer das Vorliegen einer extremen Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG zu beurteilen ist (s. dazu Urteil vom 31. Januar 2013 - BVerwG 10 C 15.12 - InfAuslR 2013, 241). Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob für Reisewarnungen nach der Staatsangehörigkeit zu unterscheiden sei, stellt sich mithin bereits im Ansatz nicht.

7

1.3 Soweit die Beschwerde geltend macht, das Abstellen auf die Herkunftsregion bedeute im Ergebnis das Zählen der Toten in einem bestimmten Zeitraum in einer bestimmten Gegend - das sogenannte "Bodycount" -, was mit dem vom Grundgesetz absolut geschützten Recht auf Leben unvereinbar sei, legt dies ebenfalls keine klärungsbedürftige Rechtsfrage dar. Denn es ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts rechtsgrundsätzlich geklärt, dass und unter welchen Voraussetzungen eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG) besteht (s. etwa Urteile vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 = Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 22, vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 4.09 - BVerwGE 136, 360 = Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 38 und vom 17. November 2011 - BVerwG 10 C 13.10 - Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u Asylrecht Nr. 58) bzw. von einer extremen Gefahrenlage auszugehen ist, bei der in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG Abschiebungsschutz auch dann zu gewähren ist, wenn eine Anordnung nach § 60a Abs. 1 AufenthG nicht ergangen ist (s. etwa Urteil vom 8. September 2011 - BVerwG 10 C 14.10 - BVerwGE 140, 319, Rn. 22 f. m.w.N.), und dass es für die Feststellung der erforderlichen Gefahrendichte u.a. jener quantitativen Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos bedarf, welche die Beschwerde unter dem Begriff des "Bodycount" als vermeintlich grundgesetzwidrig erachtet. In der Rechtsprechung der Bundesverwaltungsgerichts ist des Weiteren geklärt (Urteil vom 31. Januar 2013 - BVerwG 10 C 15.12 - juris Rn. 13), dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG auch dann erfüllt sein können, wenn sich der bewaffnete Konflikt nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstreckt, und daher auch eine Betrachtung geboten sein kann, die für die Gefahrenprognose nach Herkunftsregionen innerhalb des Heimatstaates differenziert. Die Beschwerde lässt keinen weiteren oder neuerlichen Klärungsbedarf erkennen.

8

2. Die auf den Verfahrensmangel der Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 103 Abs. 1 GG) gestützte Beschwerde hat ebenfalls keinen Erfolg.

9

2.1 Die von der Beschwerde der Sache nach geltend gemachten Verstöße gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) sind nur dann ausreichend dargelegt, wenn substanziiert vorgetragen wird, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären. Weiterhin muss dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 = NJW 1997, 3328). Die Rüge, das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) sei verletzt, erfordert regelmäßig die substanziierte Darlegung dessen, was die Prozesspartei bei ausreichender Gehörsgewährung noch vorgetragen hätte und inwiefern der weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre (vgl. Beschluss vom 19. März 1991 - BVerwG 9 B 56.91 - Buchholz 310 § 104 VwGO Nr. 25 S. 12 m.w.N.). Schließlich ist bei allen Verfahrensrügen darzulegen, dass und inwieweit die angefochtene Entscheidung auf dem behaupteten Mangel beruht, d.h. inwiefern die nicht aufgeklärte Tatsache - vom materiell-rechtlichen Standpunkt des Berufungsgerichts - zu einer günstigeren Entscheidung hätte führen können.

10

2.2 Angesichts der von dem Berufungsgericht in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel (Ladungsverfügung vom 17. Januar 2013 sowie weitere Erkenntnismittel, die in der mündlichen Verhandlung eingeführt worden sind) sowie deren Auswertung in dem angegriffenen Urteil genügt die Beschwerde diesen Maßstäben nicht, wenn vorgetragen wird, es verstoße gegen das rechtliche Gehör, "dass die vielen weiteren Auskünfte zu Afghanistan, beispielsweise die Reise- und Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes, die internen Berichte der Bundeswehr, die vielfachen Zeitungsberichte nicht zu einer Entscheidung herangezogen werden und diesbezüglich weiter nachgeforscht wird."

11

3. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

Gründe

1

Die auf die Zulassungsgründe eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2

1. Die Verfahrensrüge greift nicht durch.

3

a) Die Beschwerde macht als Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend, dass der Verwaltungsgerichtshof zu Unrecht von einer Präklusion des klägerischen Vorbringens zu Verstößen gegen Bestimmungen des europäischen Artenschutzes ausgegangen sei. Unzutreffend habe der Verwaltungsgerichtshof angenommen, dass es an einem rechtzeitigen, hinreichend substantiierten Vorbringen zu dieser Problematik fehle. Denn die Kläger hätten im Rahmen des Klageverfahrens im Wesentlichen auf der Basis der Unterlagen des Planfeststellungsverfahrens, insbesondere des Landschaftspflegerischen Begleitplans, auch für die Bereiche außerhalb der Kaltentalquerung eine spezielle artenschutzrechtliche Prüfung für erforderlich gehalten. Insoweit handele es sich um reinen Rechtsvortrag, der nicht präkludiert sei. Unzutreffend gehe das Gericht auch davon aus, dass die Stellungnahmen der Kläger keine Ausführungen zum Artenschutz enthielten, sondern sich nur auf den Habitatschutz bezögen. Insoweit handele es sich um eine rechtliche Einordnung, die nicht zur Präklusion führen könne. Außerdem führten Eingriffe in ein Habitat zwangsläufig zur Beeinträchtigung der dort vorhandenen Arten.

4

Mit diesem Vortrag ist ein für das angefochtene Urteil erheblicher Verfahrensmangel nicht hinreichend dargetan (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).

5

Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG verlangt vom Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Art. 103 Abs. 1 GG gewährt keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen (Beschlüsse vom 29. April 2003 - BVerwG 9 B 65.02 - juris Rn. 3 und vom 29. Oktober 2009 - BVerwG 9 B 41.09 - juris Rn. 16; stRspr). So liegen die Dinge hier. Der Verwaltungsgerichtshof hat das Vorbringen der Kläger zum Artenschutz deshalb unberücksichtigt gelassen, weil er es nach § 17 Abs. 4 Satz 1 FStrG a.F. für präkludiert hielt, und hat dies ausführlich damit begründet, dass die Kläger bis zum Ablauf der Einwendungsfrist keine hinreichend substantiierten Rügen zum Artenschutz vorgebracht hätten. Insoweit greift die Beschwerde die tatsächliche und rechtliche Würdigung ihres Vorbringens durch den Verwaltungsgerichtshof an, was jedoch eine Gehörsrüge nicht begründen kann. Darüber hinaus kann die Beschwerde, soweit sie einen Gehörsverstoß wegen der Nichtberücksichtigung des artenschutzrechtlichen Vorbringens in Bezug auf die Kaltenaue rügt, auch deshalb nicht durchdringen, weil der Verwaltungsgerichtshof sich ungeachtet der von ihm angenommenen Präklusion mit dem Vorbringen der Kläger ausführlich auseinander gesetzt hat (UA Rn. 97 ff.).

6

b) Der Kläger zu 1 rügt als weiteren Gehörsverstoß einen Abwägungsfehler, weil der Verwaltungsgerichtshof die tatsächlichen Auswirkungen auf seine Waldflächen im "Gangsteigholz" und "Fürstätter Wald" unterschätzt und damit nicht berücksichtigt habe. Er müsse eine Existenzgefährdung jedenfalls seines forstwirtschaftlichen Betriebsteiles befürchten. Bei der Prüfung der Existenzgefährdung seien die Waldverluste nicht vollständig berücksichtigt worden. Darüber hinaus sei die Funktion des Fürstätter Waldes als Klimaschutzwald außer Betracht geblieben.

7

Eine weitere Gehörsverletzung machen die Kläger zu 2 und 3 geltend, weil der Verwaltungsgerichtshof die ihnen drohende Existenzgefährdung alleine anhand des Flächenverlustes von 3,19 % beurteilt habe und nicht in einer wertenden Zusammenschau sämtlicher weiterer mit dem Vorhaben verbundenen Nachteile wie ungünstige Zerschneidungen und entstehende Umwege. Er habe sie lediglich auf das Entschädigungsverfahren verwiesen.

8

Mit diesem Vorbringen ist jedoch ein Gehörsverstoß nicht hinreichend dargelegt. Vielmehr greift die Beschwerde die tatsächliche und rechtliche Würdigung des Sachverhalts durch den Verwaltungsgerichtshof an, was eine Gehörsrüge nicht begründen kann.

9

Darüber hinaus verpflichtet der Anspruch auf rechtliches Gehör die Gerichte nicht, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden. Ein Gehörsverstoß kommt deshalb nur in Betracht, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich ergeben, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung ersichtlich nicht erwogen worden ist. Solche Umstände hat der Kläger zu 1 mit Blick auf die behauptete Nichtberücksichtigung seines Vorbringens zur Funktion des Fürstätter Waldes als Klimaschutzwald nicht dargelegt, zumal die Bedeutung des Klimaschutzwaldes für die Stadt Rosenheim ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 25. September 2008 (S. 13) Gegenstand der Erörterungen gewesen ist.

10

2. Der Rechtssache kommt auch keine grundsätzliche Bedeutung zu. Dies wäre nur der Fall, wenn für die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs eine konkrete, jedoch fallübergreifende Rechtsfrage von Bedeutung war, deren noch ausstehende höchstrichterliche Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (vgl. Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91 f.>; stRspr).

11

a) Die von den Klägern in der Beschwerdebegründung bezeichnete Rechtsfrage:

"Ist ein enteignungsbetroffener Kläger gemäß § 17 Abs. 4 FStrG a.F. und gemäß § 17a Abs. 7 S. 1 FStrG mit naturschutzrechtlichen Einwendungen auch insoweit ausgeschlossen, als diese Einwendungen auf behördlichen Tatsachenermittlungen beruhen, welche Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses sind,

oder bezieht sich der Einwendungsausschluss des § 17 Abs. 4 FStrG a.F. und des § 17a Abs. 7 S. 1 FStrG nur auf solche naturschutzrechtlichen Einwendungen, welche auf Tatsachenbehauptungen beruhen, die weder Gegen-stand der behördlichen Sachverhaltsermittlungen waren, noch (zurechenbar) im Rahmen der Einwendungsfristen des Planfeststellungsverfahrens geltend gemacht wurden?"

erfüllt die genannten Voraussetzungen schon deshalb nicht, weil sie nicht hinreichend konkret ist. Inwieweit "Einwendungen auf behördlichen Tatsachenermittlungen beruhen, welche Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses sind", und ob ein Kläger mit Einwendungen gemäß § 17 Abs. 4 FStrG a.F. "insoweit" ausgeschlossen ist, kann in dieser Allgemeinheit nicht Gegenstand grundsätzlicher höchstrichterlicher Klärung in einem Revisionsverfahren sein.

12

Falls die Frage auf solche Einwendungen abzielen sollte, mit denen Planbetroffene behördliche Tatsachenermittlungen erstmals oder abweichend aus der Sicht das Naturschutzes bewerten, ist durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass sie sich zur Vermeidung der Präklusion bereits im Verwaltungsverfahren mit dem vorhandenen Material so konkret auseinandersetzen müssen, dass die Planfeststellungsbehörde erkennen kann, in welcher Hinsicht sie bestimmte Belange noch einer näheren Betrachtung unterziehen soll (Urteil vom 30. Januar 2008 - BVerwG 9 A 27.06 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 195 Rn. 30 f.). Anzuknüpfen ist dabei an die ausgelegten Planunterlagen. Von einem Einwender kann erwartet werden, dass er gegen die Planung sprechende Gesichtspunkte geltend macht, die sich nach den ausgelegten Unterlagen einem Laien in seiner Lage von dessen eigenem Kenntnis- und Erfahrungshorizont her erschließen. Wenn der Naturschutz in den ausgelegten Unterlagen ausführlich behandelt worden ist, kann von einem von dem Vorhaben unmittelbar betroffenen Grundstückseigentümer erwartet werden, dass er der Behörde zumindest in laienhafter Form die Bereiche der Tier- und Pflanzenwelt benennt, deren Behandlung er im Hinblick auf die Inanspruchnahme seiner Grundstücke noch als unzureichend ansieht (Urteil vom 30. Januar 2008 a.a.O.). Der Senat kann nicht erkennen, dass Planbetroffene generell nicht in der Lage sind, dem innerhalb der Einwendungsfrist nachzukommen. Einer so verstandenen Präklusion steht auch Europarecht nicht entgegen, wie das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden hat (vgl. Urteil vom 14. April 2010 - BVerwG 9 A 5.08 - juris Rn. 107 f.).

13

Die Grundsatzrüge kann im Übrigen auch dann nicht durchdringen, wenn unterstellt wird, dass sich die Frage auf Einwendungen beziehen soll, die aus der behördlichen Tatsachenermittlung hergeleitet werden, ohne deren Richtigkeit in Frage zu stellen. Die Beschwerde deutet zu diesem Aspekt lediglich an, dass ihrer Auffassung nach die tatsächlichen Feststellungen des vorliegenden Landschaftspflegerischen Begleitplans die Notwendigkeit einer speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung für den gesamten Trassenbereich ohne Weiteres erkennen ließen. Insoweit ist jedoch eine Einzelfallproblematik angesprochen. Die Beschwerde legt nicht dar, dass gleichwohl fallübergreifender Klärungsbedarf in diese Richtung besteht. Davon abgesehen lässt sich der angegriffenen Entscheidung auch nichts für die Annahme der Beschwerde entnehmen, dass sich die Notwendigkeit einer speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung für den gesamten Trassenbereich bereits unmittelbar aus dem Landschaftspflegerischen Begleitplan ergibt.

14

b) Die Frage

"Kann ein im Bedarfsplan in dreifacher Form dargestelltes Fernstraßenvorhaben wirksam plangerechtfertigt sein?"

würde sich in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen, denn das Vorhaben ist im Bedarfsplan für Bundesfernstraßen (Anlage zu § 1 Abs. 1 Satz 2 des Fernstraßenausbaugesetzes i.d.F. des Gesetzes vom 4. Oktober 2004, BGBl I S. 2574) nicht in dreifacher Form dargestellt. Vielmehr enthält der Bedarfsplan drei unterschiedliche Vorhaben mit unterschiedlichen Verkehrszwecken. Der Neubau der B 15 ist nicht als vordringlicher, sondern als weiterer Bedarf dargestellt und soll ersichtlich verschiedene Autobahnen in Nord-Süd-Richtung großräumig verbinden. Der Ausbau der bestehenden B 15 südlich Rosenheim soll die Stadt Rosenheim und den südlich davon gelegenen Raum an die Bundesautobahn A 8 verbessert anschließen. Demgegenüber stellt die hier streitige Planung eine westliche Ortsumgehung der Stadt Rosenheim dar und dient deren Entlastung vom Nord-Süd-Durchgangsverkehr sowie der besseren Verteilung bzw. Verknüpfung des Ziel- und Quellverkehrs im westlichen Stadtbereich von Rosenheim bzw. im östlichen Stadtbereich von Kolbermoor (PFB S. 65).

15

c) Die weitere Frage:

"Reicht es aus, zur Klärung der Frage, ob eine Existenzgefährdung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes vorliegt, allein auf einen Schwellenwert beim Flächenverlust abzustellen, der hier vom erstinstanzlichen Gericht mit 5 % der Betriebsfläche angenommen wird, oder müssen nicht vielmehr in einer wertenden Gesamtschau neben dem Flächenverlust auch alle weiter eintretenden Betriebserschwernisse, insbesondere unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit, betrachtet werden, um eine solche bejahen oder verneinen zu können?"

wäre in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Sie stellt keine Rechtsfrage dar, sondern zielt auf tatsächliche Feststellungen, die dem Revisionsgericht verwehrt sind (§ 137 Abs. 2 VwGO). Ungeachtet dessen kann allerdings nach allgemeiner, durch Gutachten landwirtschaftlicher Sachverständiger belegter Erfahrung ein Verlust an Eigentumsflächen oder von langfristig gesicherten Pachtflächen in einer Größenordnung von bis zu fünf Prozent der Betriebsfläche einen gesunden landwirtschaftlichen (Vollerwerbs-)Betrieb in der Regel nicht gefährden. Deshalb kann die Planfeststellungsbehörde regelmäßig bei einer Landinanspruchnahme bis zu diesem Anhaltswert ohne Einholung eines landwirtschaftlichen Sachverständigengutachtens davon ausgehen, dass eine vorhabenbedingte Existenzgefährdung oder -vernichtung des in Rede stehenden landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetriebs nicht eintritt (Urteil vom 14. April 2010 - BVerwG 9 A 13.08 - juris Rn. 27). Jedoch sind stets besondere tatsächliche Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen.

16

d) Hinsichtlich der weiteren Fragen:

"Reicht es im Falle einer grundsätzlich anerkannten Existenzgefährdung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes durch ein planerisches Vorhaben aus, dass der Planungsträger dem Betroffenen Tauschland anbietet, ohne dieses auf seine vergleichbare Bonität hin konkret untersucht zu haben und diese bestätigen zu können, wenn sich der Betroffene auf die Minderwertigkeit des Tauschlandes beruft, oder ist vielmehr der Nachweis einer vergleichbaren Bonität der Flächen in einem solchen Fall für die Annahmefähigkeit eines Tauschlandangebots Voraussetzung?

Ist bei einem Vorhaben, das das Ergebnis einer bereits einmal unter Flächenverlust für den betroffenen Landwirt durchgeführten Flurbereinigung beeinträchtigt, der neu durch das Planvorhaben entstehende Flächenverlust zum damals mit der Flurbereinigung erlittenen Flächenverlust bei der Beurteilung seiner evtl. Existenzgefährdung hinzuzurechnen, wenn das Planvorhaben das Ergebnis der Flurbereinigung wieder ganz oder teilweise zunichte macht; wenn ja: gibt es insoweit einen Schwellenwert und wie ist ein solches - ganzes oder teilweises - Zunichtemachen zu ermitteln?

Ist der Vorhabenträger verpflichtet, ein Unternehmensflurbereinigungsverfahren i.S.v. § 87 FlurbG durchzuführen, wenn mit einem Vorhaben das Ergebnis einer früher durchgeführten Flurbereinigung beeinträchtigt wird, ggfs. ab welcher Schwelle und wie ist diese zu ermitteln?"

zeigt die Beschwerde deren Entscheidungserheblichkeit nicht hinreichend auf. Es ist weder dargelegt, dass den Klägern Tauschland angeboten worden ist, noch dass die Planung zu ihren Lasten das Ergebnis eines durchgeführten Flurbereinigungsverfahrens beeinträchtigt oder ganz bzw. teilweise zunichte macht.

Gründe

1

Die auf alle Revisionszulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2

1. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne dieser Vorschrift ist eine Rechtssache nur, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete fallübergreifende und bislang ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint.

3

Die aufgeworfene Frage,

wie weit die per Beschluss angeordnete richterliche Inaugenscheinnahme reicht und ob es mit den Grundrechten insoweit vereinbar ist, während der Inaugenscheinnahme einer Beweisaufnahme (auch) Hilfsmittel zu benutzen und Gegenstände zu verändern, oder ob es zur Wahrung der Rechte eines (abwesenden) Beteiligten/Betroffenen hierfür nicht eines separaten (Beweis-) Beschlusses bedarf,

rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. In der gestellten allgemeinen Form ist die Frage in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig, denn es bleibt offen, um welche Grundrechte, Hilfsmittel und veränderte Gegenstände es gehen soll. Doch auch wenn man unter Hinzuziehung der weiteren Beschwerdebegründung die Frage dahin formuliert, ob ein Beweisbeschluss eines Flurbereinigungsgerichts, der - wie hier - ausdrücklich die Inaugenscheinnahme von zwei zugeteilten Abfindungsflurstücken anordnet (vgl. Verhandlungsniederschrift vom 9. Juni 2015 S. 3), auch ohne gesonderte Erwähnung die Durchführung einer Probegrabung mit einem Spaten umfasst, um stichprobenartig die Moortiefe festzustellen (vgl. hierzu Verhandlungsniederschrift vom 9. Juni 2015 S. 4) und die Einstufung der Bodenart als "Moor" und der Zustandsstufe II zu überprüfen (vgl. hierzu Urteil des Oberverwaltungsgerichts S. 26), bedarf es keiner Durchführung eines Revisionsverfahrens. Denn die Frage lässt sich ohne Weiteres anhand der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung klären.

4

Danach ist durch die gemäß § 139 FlurbG vorgeschriebene besondere Besetzung des Flurbereinigungsgerichts eine sachverständige Würdigung der im Rahmen der Flurbereinigung zu beurteilenden Sachverhalte regelmäßig gewährleistet. Die eigene Sachkunde des Flurbereinigungsgerichts muss im "Normalfall", d.h. bei Sachverhalten, mit denen das Flurbereinigungsgericht regelmäßig befasst ist, namentlich bei Feststellungen zur Nutzungsart und Bodengüte, nicht besonders begründet werden (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 20. Oktober 2011 - 9 B 15.11 - juris Rn. 6 m.w.N.); anderes gilt nur in Fällen, die schwierig gelagert sind oder besondere Spezialkenntnisse erfordern (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. September 1989 - BVerwG 5 B 146.88 - Buchholz 424.01 § 139 FlurbG Nr. 14 S. 9 m.w.N.). Hiervon ausgehend umfasst jedenfalls die Inaugenscheinnahme eines in einem Moorgebiet befindlichen Abfindungsflurstücks durch ein Flurbereinigungsgericht eine Probegrabung der oben beschriebenen Art. Wie weit in anderen Fällen eine richterliche Inaugenscheinnahme im Sinne des § 371 ZPO reicht, ob diese insbesondere auf eine unmittelbare Sinneswahrnehmung beschränkt ist, wie die Beschwerde meint, ist nicht entscheidungserheblich.

5

Im Übrigen benennt die Beschwerde mit dem Hinweis auf "Grundrechte" der Beteiligten und der Erläuterung dazu, den Beteiligten sei wenigstens die Möglichkeit einzuräumen, entweder durch Anwesenheit oder durch vorherige Kenntnisgabe den Probeentnahmen beizuwohnen, lediglich den Grundsatz der Parteiöffentlichkeit der Beweiserhebung gemäß § 97 Satz 1 VwGO. Zur Anwendung dieser Vorschrift für die Entnahme von Bodenproben bei einer Inaugenscheinnahme hat das Bundesverwaltungsgericht bereits geklärt, dass der Grundsatz der Parteiöffentlichkeit der Beweiserhebung den Verfahrensbeteiligten das Recht einräumt, bei der Entnahme von Bodenproben zugegen zu sein (BVerwG, Beschluss vom 18. März 2014 - 10 B 11.14 - Buchholz 310 § 97 VwGO Nr. 6 Rn. 11 ff.). Diesem Recht wird entsprochen durch Ladung zu dem entsprechenden Termin. Damit wird den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit gegeben, sich rechtzeitig mit der Auswahl der Probenentnahmestellen, mit der Bestimmung der Bohrtiefe oder den Bezugspunkten für Messungen zu befassen und ihren Standpunkt hierzu deutlich zu machen (BVerwG, a.a.O.).

6

Weitergehender Klärungsbedarf ist aus dem Beschwerdevorbringen nicht erkennbar. In Wirklichkeit wendet sich die Beschwerde dagegen, dass das Flurbereinigungsgericht trotz der Meinung des Klägers, an der Terminsteilnahme verhindert zu sein, verhandelt, einen Beweisbeschluss verkündet und Beweis erhoben hat. Läge, wie der Kläger geltend macht, ein erheblicher Verhinderungsgrund vor, wäre das Verfahren des Flurbereinigungsgerichts mit einem Mangel behaftet (siehe dazu unten), eine grundsätzlich klärungsbedürftige Frage stellt sich in diesem Zusammenhang indes nicht.

7

2. Die Revision ist nicht wegen Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen.

8

a. Die angegriffene Entscheidung weicht bei der Anwendung von § 134 Abs. 2 FlurbG nicht von dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Februar 2004 - 9 B 8.04 - (juris) ab. Dort wird ausgeführt, die Frage, ob Nachsicht gewährt wird, dürfe nicht einseitig von der rechtlichen Beurteilung der mit dem verspäteten Rechtsbehelf angegriffenen Entscheidung abhängig gemacht werden. Erst im Anschluss an die Gewährung der Nachsicht sei Raum für die eigentliche rechtliche Überprüfung des angegriffenen behördlichen Akts, die dann so zu erfolgen habe, als läge ein fristgerechter Rechtsbehelf vor. Entgegen der Auffassung der Beschwerde hat das Bundesverwaltungsgericht in diesem Beschluss nicht den Rechtssatz aufgestellt, das Verfahren der Nachsichtgewährung habe zwingend zweistufig zu erfolgen und nach einer Feststellung im gerichtlichen Verfahren, dass eine Nachsichtgewährung notwendig ist, sei diese - in Unterbrechung des gerichtlichen Verfahrens - vorab durch die Behörde durchzuführen.

9

Die Vorschrift des § 134 Abs. 2 FlurbG stellt eine Spezialregelung zu § 32 VwVfG dar und ist deshalb auf das Verwaltungsverfahren und nicht auf das gerichtliche Verfahren bezogen (BVerwG, Beschluss vom 17. September 2004 - 10 B 20.04 - juris Rn. 7). Gemäß § 134 Abs. 2 Satz 1 FlurbG kann die Flurbereinigungsbehörde nach Lage des einzelnen Falles verspätete Erklärungen trotz Versäumung im Verfahren zulassen. Sie muss dies tun, wenn bei unverschuldeter Versäumung Erklärungen unverzüglich nach Behebung des Hindernisses nachgeholt werden (§ 134 Abs. 2 Satz 2 FlurbG). Das Bundesverwaltungsgericht verlangt jedoch nicht, ein bereits anhängiges gerichtliches Verfahren nach der Entscheidung, dass Nachsicht zu gewähren ist, zunächst an die Behörde zurückzugeben.

10

Die Beschwerde übersieht bei ihrer Kritik an der Entscheidung des Flurbereinigungsgerichts, dass eine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nur auf einen Widerspruch in abstrakten, entscheidungstragenden Rechtssätzen, nicht aber auf eine - vermeintlich - fehlerhafte Anwendung der in der höchstrichterlichen Rechtsprechung formulierten Rechtssätze gestützt werden kann (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 15. Oktober 2009 - 6 B 27.09 - NVwZ 2010, 525 Rn. 3 art. 6 gg nr. 179>). Davon abgesehen hat die Vorinstanz im Streitfall zutreffend die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts angewendet und im Anschluss an die Feststellung, dass Nachsichtgewährung erforderlich ist, im Wege einer Spruchreifmachung der Sache die Richtigkeit der Bewertung der Abfindungsflurstücke ... und ... überprüft. Dabei hat das Flurbereinigungsgericht aufgrund eigener Beweisaufnahme durch den insbesondere für die Feststellung der Bodengüte sachkundig besetzten Senat eigene Feststellungen für die Wertfestsetzung der neuen Abfindungsflurstücke getroffen. Eine Abweichung von Rechtssätzen aus den von der Beschwerde in diesem Zusammenhang weiter benannten Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Oktober 1980 - 1 C 19.78 - (BVerwGE 61, 105) und vom 29. November 1988 - 1 C 75.86 - (Buchholz 402.24 § 7 AuslG Nr. 32) liegt offenkundig nicht vor. Beide Entscheidungen befassen sich mit der Ermessensausübung im Ausländerrecht, betreffen also schon nicht denselben Rechtssatz.

11

b. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts weicht nicht von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Oktober 1960 - 1 B 99.60 - (Buchholz 424.00 § 56 RUO Nr. 1) ab. Die Beschwerde sieht hier einen Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts in der Aussage, die Verletzung der Mitwirkungsverpflichtung eines Beteiligten gegenüber der Teilnehmergemeinschaft gehe zulasten des Beteiligten, wenn er durch die Vernachlässigung seiner Mitwirkungsobliegenheit einen Schaden erleidet. Der Beteiligte müsse, wenn er in den Besitz neuer Grundstücke vorläufig eingewiesen sei, bei ihrer Nutzung so verfahren, wie ein verantwortungsbewusster Beteiligter sich verhalten würde.

12

Die Beschwerde meint, von der Aussage des letztgenannten Satzes weiche die Vorinstanz ab, indem sie die vom Kläger unterlassene Bewirtschaftung der ihm vorläufig zugewiesenen Grundstücke als Verletzung seiner Mitwirkungsverpflichtung ansehe. Das Oberverwaltungsgericht verlange von einem verantwortungsbewussten Beteiligten eine besonders aufwändige Bewirtschaftung, um eine möglichst ertragreiche Bearbeitung von neu zugewiesenen Abfindungsflurstücken zu erreichen. Dies gehe über die vom Bundesverwaltungsgericht postulierte Obliegenheit eines "verantwortungsbewussten Beteiligten" hinaus (Beschwerdebegründung S. 12).

13

Mit dieser Argumentation verkennt die Beschwerde erneut, dass eine angeblich fehlerhafte Anwendung der Rechtssätze des Bundesverwaltungsgerichts mit der Divergenzrüge nicht geltend gemacht werden kann. Im Übrigen missversteht die Beschwerde das angefochtene Urteil. Von einer "aufwändigen Ersatzbewirtschaftung" spricht das Urteil lediglich hinsichtlich der ersatzweisen Bewirtschaftung durch die Beklagte. Von einem verantwortungsbewussten Beteiligten verlangt das Oberverwaltungsgericht demgegenüber eine möglichst ertragreiche Bearbeitung von neu zugewiesenen Abfindungsflurstücken. Eine solche Bearbeitung entspricht der Vorgehensweise eines "verantwortungsbewussten Beteiligten", weil - wie das Oberverwaltungsgericht festgestellt hat - sich ansonsten der Zustand der Flächen wieder erheblich verschlechtert und die Nutzung als Grünland ohne erneute erhebliche Aufwendungen nicht mehr möglich ist.

14

c. Weiter weicht die angegriffene Entscheidung nicht von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Juni 1982 - 5 C 20.80 - (BVerwGE 66, 47) ab. Die Beschwerde entnimmt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts den Rechtssatz, die Flurbereinigungsbehörde habe bei der vorläufigen Besitzeinweisung die dem neuen (vorläufigen) Zustand zugedachte Nutzungsmöglichkeit zu gewährleisten. Sie trage die Verantwortung für den Zustand, die Beschaffenheit und die Nutzungsmöglichkeit der von der vorläufigen Besitzeinweisung erfassten Grundstücke. Damit verbundene Nutzungseinbußen müssten unabhängig von der herzustellenden Wertgleichheit der Landabfindung anderweitig ausgeglichen werden. Könnten Nutzungen aus den neuen Grundstücken zeitweilig nicht gezogen werden, etwa wegen des die vorgesehene Nutzungsmöglichkeit einschränkenden Zustandes der Grundstücke (vernachlässigte Düngung, starke Verunkrautung), dann könnten die nicht erzielbaren Erzeugnisse auch kein Äquivalent für die auf den entzogenen Grundstücken vorhandenen Nutzungsmöglichkeiten bilden.

15

Die Beschwerde meint, das Oberverwaltungsgericht habe entgegen den Rechtssätzen des Bundesverwaltungsgerichts keine Differenzierung zwischen der herzustellenden Wertgleichheit einerseits und der davon getrennt zu betrachtenden Nutzungseinbuße andererseits vorgenommen. Außerdem weiche das Oberverwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch ab, soweit es die Auffassung vertrete, der Anspruch auf Nachteilsausgleich sei durch die immerhin sechs Jahre andauernde behördliche Ersatzbewirtschaftung verbraucht und entsprechende Nutzungseinbußen seien mit den Aufwendungen der Flurbereinigungsbehörde "verrechnet".

16

Diese Sichtweise der Beschwerde trifft nicht zu. Das Oberverwaltungsgericht behandelt an der in Bezug genommenen Stelle (UA S. 34) einen Anspruch nach § 51 Abs. 1 FlurbG auf Ausgleich eines vorübergehenden Nachteils zwischen dem Wert der eingebrachten Grundstücke und dem Wert der Landabfindung. Es handelt sich also um einen Anspruch auf Nachteilsausgleich aufgrund einer Nutzungseinbuße bei vorausgesetzter Wertgleichheit zwischen eingebrachten Grundstücken und Landabfindung. Das Gericht bejaht einen solchen Anspruch trotz Wertgleichheit dem Grunde nach, sieht ihn aber wegen der Verletzung der Mitwirkungspflicht des Klägers als entfallen an. Darin liegt keine Divergenz in abstrakten, entscheidungstragenden Rechtssätzen gegenüber der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (s. soeben unter b.).

17

d. Schließlich weicht das angegriffene Urteil nicht von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Dezember 2008 - 9 C 1.08 - (Buchholz 424.01 § 44 FlurbG Nr. 89) ab. Nach dieser Entscheidung ist im Fall einer vorläufigen Besitzeinweisung für die Beurteilung der Wertgleichheit der Landabfindung derjenige Zeitpunkt maßgeblich, in dem die vorläufige Besitzeinweisung wirksam wird. Dieser Zeitpunkt ist nicht nur für die Bemessung der Landabfindung, sondern auch für alle den Grundstückswert bestimmenden Merkmale einschließlich der konkreten Nutzungsmöglichkeiten durch den betroffenen Teilnehmer und damit auch für die Gestaltungsmerkmale des § 44 Abs. 2 bis 4 FlurbG maßgeblich (BVerwG, a.a.O. Rn. 13). Gestaltungsgesichtspunkte, die erst nach diesem Zeitpunkt aufgetreten sind, können für die Feststellung der Wertgleichheit und Abfindung grundsätzlich keine Berücksichtigung mehr finden (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 16. August 1995 - 11 C 21.94 - Buchholz 424.01 § 15 FlurbG Nr. 4 S. 6; Beschluss vom 12. Juli 2007 - 9 B 18.07 - Buchholz 424.01 § 44 FlurbG Nr. 87 Rn. 16).

18

Auf der Grundlage dieser Rechtssätze sei - so die Beschwerde - für alle grundstückswertbestimmenden Merkmale der Zeitpunkt des Wirksamwerdens der vorläufigen Besitzeinweisung im Jahre 2005 maßgeblich. Das Oberverwaltungsgericht stelle jedoch bei seiner Entscheidung auf den Zeitpunkt der Inaugenscheinnahme im Jahre 2015 ab und stelle fest, dass sich der Zustand der Flächen nach Einstellung der Ersatzbewirtschaftung durch die Behörde im Jahre 2011 erheblich verschlechtert habe. Außerdem verweise das Gericht auch auf die erst im Jahre 2015 wirksam gewordene Reform der gemeinsamen Agrarpolitik nach Maßgabe der EU-Grundverordnungen Nr. 1305/2013 und 1307/2013.

19

Die geltend gemachte Abweichung liegt nicht vor. Das Flurbereinigungsgericht geht von dem Obersatz aus, dass für die Überprüfung der Richtigkeit der Bewertung der Abfindungsflurstücke ... und ... auf die Verhältnisse spätestens in dem zwischenzeitlich viele Jahre zurückliegenden Zeitpunkt der vorläufigen Besitzeinweisung zum 1. November 2005 abzustellen ist. Hinsichtlich der Fördermöglichkeiten als Grünland bezieht sich das Gericht dann ausdrücklich und entscheidungstragend auf die im Jahre 2005 geltenden europarechtlichen Regelungen und ministeriellen Erlasse dazu. Lediglich zur Betonung der Beständigkeit dieser Regelungen über Fördermöglichkeiten für Grünlandnutzung wird darauf hingewiesen, dass diese Fördermöglichkeiten auch mit der nunmehr wirksam gewordenen Reform nach Maßgabe der EU-Grundverordnungen Nr. 1305/2013 und 1307/2013 über Direktzahlungen fortentwickelt worden sind.

20

Soweit das Oberverwaltungsgericht schließlich die Ergebnisse seiner Inaugenscheinnahme aus dem Jahre 2015 berücksichtigt hat, geschah auch dies auf der Grundlage der Annahme, dass auf die Verhältnisse zum 1. November 2005 abzustellen ist. Im Anschluss an diesen Obersatz begründet das Gericht dann, dass geeignete Feststellungen bezogen auf diesen Zeitpunkt noch möglich gewesen seien. Wegen des nach § 51 FlurbG grundsätzlich bestehenden gesonderten Anspruchs auf Ausgleich vorübergehender Nachteile etwa zur Beseitigung von Verbuschung, Verunkrautung und Vernässung komme es auf die dauerhaften, nachhaltigen Nutzungsmöglichkeiten der betroffenen Flurstücke an. Bezogen darauf verfüge der Senat über ausreichende Erkenntnismöglichkeiten mit den von den Beteiligten eingereichten Fotos, der Stellungnahme von Herrn B. (aus dem Jahr 2006), den schriftlichen Angaben von Landwirten, die die Fläche in den Jahren 2006 bis 2011 bewirtschaftet haben einschließlich der Aussagen der beiden hierzu vom Senat vernommenen Zeugen sowie der ergänzend vom Kläger eingereichten Stellungnahmen Dritter und schließlich dem Ergebnis der eigenen Augenscheinseinnahme des Senats.

21

Abgesehen davon, dass eine Divergenzrüge nicht auf den Vorwurf einer unrichtigen Anwendung der vom Revisionsgericht aufgestellten Rechtssätze gestützt werden könnte (s.o.), entspricht die Sichtweise der Vorinstanz den Aussagen im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Dezember 2008 - 9 C 1.08 - (Buchholz 424.01 § 44 FlurbG Nr. 89). Das Oberverwaltungsgericht schöpft seine Erkenntnisse über den Wert der beiden Abfindungsflurstücke aus Umständen, die ihm eine Beurteilung bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt des Jahres 2005 ermöglichen. So trifft das Gericht Feststellungen dazu, dass aus von ihm ermittelten Verhältnissen ab dem Jahre 2007 Rückschlüsse auf den Zustand der Abfindungsflurstücke gezogen werden können. Durch die Zeugen seien die Angaben des Beklagten glaubhaft bestätigt worden, dass nach der erfolgten Neueinsaat in den Jahren ab 2007 nutzbares Gras gewachsen und geerntet worden sei, wozu die Flurstücke auch befahren werden mussten und konnten.

22

3. Die geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen nicht vor.

23

a. Entgegen der Auffassung der Beschwerde hat das Oberverwaltungsgericht dem Kläger nicht das rechtliche Gehör versagt (§ 138 Nr. 3 VwGO).

24

aa. Dies gilt zunächst hinsichtlich der Ablehnung des Terminsverlegungsantrags. Bei Ablehnung eines Antrags auf Vertagung eines Termins, zu dem das Gericht ordnungsmäßig geladen hat, kommt eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) nur in Betracht, wenn ein erheblicher Grund für eine Vertagung im Sinne von § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 227 ZPO vorliegt und dem Gericht unterbreitet worden ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Mai 2006 - 10 B 9.06 - Buchholz 310 § 138 Ziff. 1 VwGO Nr. 45 Rn. 9). Der erhebliche Grund ist gemäß § 227 Abs. 2 ZPO auf Verlangen glaubhaft zu machen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2009 - 6 B 32.09 - juris Rn. 4).

25

Die Erkrankung eines Beteiligten kann dann ein hinreichender Grund für eine Terminsverlegung sein, wenn sie so schwer wiegt, dass vom Beteiligten die Wahrnehmung des Termins nicht erwartet werden kann (BFH, Beschluss vom 4. März 2014 - VII B 189/13 - BFH/NV 2014, 1057 Rn. 5), und wenn der Beteiligte gehindert ist, sich im Termin durch einen Anwalt oder in Verfahren ohne Vertretungszwang auch durch andere Personen vertreten zu lassen. Letzteres ist dann anzunehmen, wenn der die Vertagung beantragenden Partei im Falle einer Vertretung nach Lage der Dinge die Möglichkeit genommen würde, sich "erschöpfend und sachgemäß" zu erklären (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Mai 2006 - 10 B 9.06 - Buchholz 310 § 138 Ziff. 1 VwGO Nr. 45 Rn. 9 m.w.N.).

26

Keine dieser beiden Voraussetzungen für eine Terminsverlegung lag hier vor. Weder hat der Kläger seine Verhandlungsunfähigkeit, wie von ihm gefordert, durch Vorlage eines amtsärztlichen Attests glaubhaft gemacht noch lässt sich feststellen, dass eine Vertretung - etwa wie vom Gericht angeregt durch ein Familienmitglied - dem Kläger die Möglichkeit genommen hätte, sich erschöpfend und sachgemäß zu erklären.

27

Der vom Flurbereinigungsgericht zuvor anberaumte Verhandlungstermin vom 29. April 2015 war aufgehoben worden, nachdem der Kläger einer Aufforderung, für den damaligen Termin seine Verhandlungsunfähigkeit durch Vorlage eines amtsärztlichen Attests glaubhaft zu machen, nicht nachgekommen war und sich am Nachmittag des 28. April 2015 in stationäre Behandlung begeben hatte. Mit Schreiben des Berichterstatters vom 6. Mai 2015 wurde der Kläger um Angaben zu seinem aktuellen Gesundheitszustand, gegebenenfalls um Vorlage eines Attests, gebeten.

28

Mit Schreiben vom 15. Mai 2015 an das Gericht hatte der Kläger dann mitgeteilt, er befinde sich nicht mehr im Krankenhaus, "aber in einer nicht schulmedizinisch und gerichtlich anerkannten ambulanten Behandlung". Ohne anwaltlichen Beistand sei er nicht verhandlungsfähig. Er sei bemüht, schnellstmöglich einen neuen Anwalt zu finden. Hierzu teilte der Berichterstatter unter dem 18. Mai 2015 mit, dass auf Verlangen die erheblichen Gründe für eine Terminsänderung glaubhaft zu machen seien und die Anforderung eines amtsärztlichen Attests ein solches anerkanntes Mittel der Glaubhaftmachung darstelle.

29

In der Ladung zum dann auf den 9. Juni 2015 anberaumten Termin forderte die Vorsitzende den Kläger auf, rechtzeitig einen Vertreter zu bevollmächtigen, falls er sich aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sehe, den Termin wahrzunehmen. Anderenfalls werde in seiner Abwesenheit verhandelt.

30

Mit am 4. Juni 2015 bei Gericht eingegangenem Schreiben beantragte der Kläger die Aufhebung des auf den 9. Juni 2015 anberaumten Termins. Unter dem 5. Juni 2015 teilte die Vorsitzende mit, dass an dem angesetzten Termin zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme am 9. Juni 2015 festgehalten werde. Zwar könne ein erheblicher Grund für eine Terminsaufhebung darin liegen, dass sich eine Partei wegen eines notwendigen Anwaltswechsels nicht genügend auf den Verhandlungstermin vorbereiten konnte. Das sei hier jedoch nicht anzunehmen, weil der Anwaltswechsel für den Kläger nicht überraschend gekommen sei. Weil im Verfahren vor dem Flurbereinigungsgericht kein Anwaltszwang bestehe, die angezeigte (erneute) Beendigung eines Mandatsverhältnisses ohne nähere Begründung erst nach der Ladung und unmittelbar vor dem ursprünglich zum 29. April 2015 erfolgten Termin erfolgt sei, der Kläger jedoch nicht nur selbst hinreichend über den bisherigen Verfahrensstand unterrichtet, sondern bislang auch in der Lage gewesen sei, umfänglich schriftlich vorzutragen, solle eine weitere Verzögerung der auch im Interesse des Klägers anberaumten Augenscheinseinnahme und Erörterung der Sach- und Rechtslage in einer mündlichen Verhandlung vermieden werden. Überdies habe seit Ende April 2015 hinreichend Gelegenheit bestanden, sich um einen neuen Prozessbeistand zu bemühen.

31

Verhandlungsunfähigkeit habe der Kläger trotz der Aufforderung des Gerichts vom 18. Mai 2015 nicht durch Vorlage eines amtsärztlichen Attests glaubhaft gemacht. Soweit er geltend mache, ohne anwaltlichen Beistand nicht verhandlungsfähig zu sein, sei er bereits unter dem 18. Mai 2015 sowie erneut mit der Terminsladung aufgefordert worden, rechtzeitig einen Vertreter zu bevollmächtigen. Mangels Anwaltszwangs könne es sich auch um ein Familienmitglied handeln. Die Entscheidung über die beantragte Terminsverlegung sei unanfechtbar, hilfsweise angekündigte Rechtsmittel gingen ins Leere.

32

In einem weiteren Schreiben vom 7. Juni 2015 teilte der Kläger noch mit, in einer Anlage seien seine Anträge für die Verhandlung enthalten, da er an der Verhandlung nicht teilnehmen könne. Da der Treffpunkt bei ihm am Stall sei, teile er mit, dass er den Schriftsatz einige Meter entfernt in das linke Fenster stelle. Er beantrage, den Schriftsatz als in der Verhandlung übergeben anzusehen und zu berücksichtigen.

33

In der Verhandlungsniederschrift über den Termin vom 9. Juni 2015 wurde festgestellt, dass ein Schriftsatz des Klägers an der Hofstelle abgeholt worden ist. Der Antrag auf "Aussetzung der Inaugenscheinnahme" und der mündlichen Verhandlung wurde abgelehnt. Das Gericht erachte eine Beweisaufnahme für geboten.

34

Auf der Grundlage dieses Verfahrensablaufs lässt sich ein Gehörsverstoß nicht feststellen. Entgegen der Darstellung in der Beschwerdebegründung (S. 18) hat der Berichterstatter nicht lediglich darauf hingewiesen, dass eine Glaubhaftmachung der Verhandlungsunfähigkeit verlangt werden könne, sondern vom Kläger wurde Glaubhaftmachung verlangt. Anders konnte der Kläger die Schreiben des Berichterstatters vom 18. Mai 2015 und die Hinweise der Vorsitzenden in der Ladung zum 9. Juni 2015 vernünftigerweise nicht verstehen. Bereits für den Termin am 29. April 2015 war der Kläger zur Glaubhaftmachung seiner Verhandlungsunfähigkeit zur Vorlage eines amtsärztlichen Attests aufgefordert worden; dieser Hinweis wurde durch das Schreiben des Berichterstatters vom 18. Mai 2015 wiederholt. Darüber hinaus wurde dem Kläger durch die Verfügung der Vorsitzenden in ihrem Ladungsschreiben unzweifelhaft verdeutlicht, dass in seiner Abwesenheit verhandelt werde, wenn er sich aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sehe, den Termin wahrzunehmen und auch keinen Vertreter bestelle. Außerdem hat die Vorsitzende in ihrem Schreiben vom 5. Juni 2015 auf die Aufforderung des Gerichts vom 18. Mai 2015 zur Vorlage eines amtsärztlichen Attests Bezug genommen. Gleichwohl hat der Kläger seine angebliche Verhandlungsunfähigkeit für den Termin am 9. Juni 2015 nicht glaubhaft gemacht.

35

Hierfür genügten entgegen der Darstellung der Beschwerde weder die ärztliche Bescheinigung seines Hausarztes vom 24. April 2015, wonach ihm - dem Kläger - "ohne einen neuen rechtlichen Beistand eine Vernehmung" nicht zumutbar sei noch die Bescheinigung des A. - Klinikums vom 28. April 2015, wonach der Kläger "voraussichtlich bis auf weiteres arbeitsunfähig erkrankt" sei. Zwar genügt in der Regel die Vorlage einer privatärztlichen Bescheinigung, um die vorübergehende Verhandlungsunfähigkeit wegen einer Erkrankung glaubhaft zu machen. Hat das Gericht aber - wie hier - Zweifel an der Verhandlungsunfähigkeit, muss es Nachforschungen anstellen und im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren versuchen, sich vor der Entscheidung über den Verlegungsantrag Klarheit zu verschaffen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Januar 2016 - 2 B 34.14 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 75 Rn. 21). Dies hat das Gericht hier durch die Aufforderung zur Vorlage eines amtsärztlichen Attests getan. Dieses Vorgehen war auch angemessen, da die vom Kläger vorgelegten Bescheinigungen keine eindeutigen Aussagen zu einer auch noch am 9. Juni 2015 bestehenden Verhandlungsunfähigkeit enthielten und zudem nach Aktenlage (vgl. Vermerk über einen Verlegungsantrag des Klägers in einem früheren Verfahren, Blatt 597 der Akten) greifbare Anhaltspunkte für die Absicht der Prozessverschleppung bestanden.

36

Die Behauptung der Beschwerde, der Kläger sei in der Möglichkeit beschnitten worden, eine Terminsverlegung durch Glaubhaftmachung erheblicher Gründe zu erreichen, und der Senat habe deutlich gemacht, solchen Vortrag nicht zu berücksichtigen, trifft nicht zu. Insbesondere ergibt sich dies nicht aus dem Schreiben der Vorsitzenden vom 5. Juni 2015, mit dem die beantragte Terminsverlegung abgelehnt worden ist. Denn das Schreiben nimmt darauf Bezug, dass ein erheblicher Grund im Sinne des § 227 Abs. 1 ZPO für eine Terminsverlegung nicht hinreichend dargetan worden sei. Verhandlungsunfähigkeit habe der Kläger trotz Aufforderung des Gerichts vom 18. Mai 2015 nicht durch Vorlage eines amtsärztlichen Attests glaubhaft gemacht.

37

Aus den von der Beschwerde in Bezug genommenen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. März 1995 - 6 B 65.94 - (Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 262) und vom 29. September 1994 - 3 C 28.92 - (BVerwGE 96, 368) folgt nichts anderes. In dem erstgenannten Fall hatte das Verwaltungsgericht - so wie hier das Oberverwaltungsgericht - Zweifel an der tatsächlichen Verhandlungsunfähigkeit des Klägers und deshalb ohne Gehörsverstoß eine weitergehende Glaubhaftmachung der Verhandlungsunfähigkeit verlangt. Im zweitgenannten Fall ging es um die Frage, ob ein Verfahrensbeteiligter alles in seinen Kräften stehende und nach Lage der Dinge Erforderliche getan hat, um sich durch Wahrnehmung des Verhandlungstermins rechtliches Gehör zu verschaffen. Im hiesigen Fall ist dem Kläger entgegenzuhalten, dass er bereits im Ansatz nichts zur Glaubhaftmachung seiner Verhandlungsunfähigkeit dargetan hat, obwohl ihm die Notwendigkeit einer solchen Glaubhaftmachung vom Gericht vor Augen geführt worden war.

38

bb. Das rechtliche Gehör des Klägers ist ferner nicht dadurch verletzt worden, dass dem Kläger eine angekündigte Stellungnahmefrist nicht eingeräumt worden ist. Die Beschwerde macht hierzu geltend, im Schreiben der Vorsitzenden vom 5. Juni 2015 sei die Einvernahme präsenter Zeugen in der mündlichen Verhandlung in Aussicht gestellt worden. Zudem sei ihm in diesem Schreiben und zuvor schon im Beschluss vom 27. April 2015 angekündigt worden, er werde hinreichend Gelegenheit erhalten, zu dem Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen und etwaige Anträge zu stellen. Er habe dies jedoch nicht tun können, da unmittelbar im Anschluss an die mündliche Verhandlung das Urteil verkündet worden sei.

39

Die Behauptung, eine angekündigte Stellungnahmefrist sei nicht eingeräumt worden, trifft nicht zu. Ausweislich des Schreibens der Vorsitzenden vom 5. Juni 2015 wurde dem Kläger mitgeteilt, in der mündlichen Verhandlung werde darüber entschieden werden, ob weitere Beweiserhebungen, zum Beispiel die Einnahme präsenter Zeugen, erforderlich seien. Die vom Kläger überreichten Unterlagen und Stellungnahmen würden berücksichtigt. Der Kläger oder ein von ihm mit schriftlicher Vollmacht ausgestatteter Vertreter werde im Übrigen in der mündlichen Verhandlung hinreichend Gelegenheit haben, ergänzend vorzutragen und etwaige Anträge zu stellen.

40

Die Gehörsrüge misst dem Schreiben der Vorsitzenden einen Inhalt bei, der ihm nicht zukommt. In dem Schreiben kommt deutlich zum Ausdruck, dass die Gelegenheit zu ergänzender Stellungnahme in der mündlichen Verhandlung selbst, nicht aber zu einem späteren Zeitpunkt eingeräumt werden sollte. Gleiches gilt für den von der Beschwerde genannten Beschluss vom 27. April 2015, mit dem der Befangenheitsantrag des Klägers gegen den Berichterstatter abgelehnt worden war. In diesem Beschluss wurde der Kläger ebenfalls darauf hingewiesen, dass er "in der mündlichen Verhandlung" die Möglichkeit haben werde, seine Rechtsauffassung darzulegen und die Einholung der von ihm für erforderlich gehaltenen Beweismittel zu beantragen. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang wiederholt geltend macht, er sei an der Teilnahme der mündlichen Verhandlung schuldlos gehindert gewesen, kann auf die Ausführungen oben unter aa. zur Terminsverlegung verwiesen werden.

41

cc. Fehl geht die Gehörsrüge, der Kläger habe im Schriftsatz vom 8. Juni 2015 ausdrücklich den Antrag gestellt, zum Verlauf der mündlichen Verhandlung Stellung nehmen und weitere Zeugen benennen zu können und dies sei vom Gericht gänzlich unberücksichtigt geblieben. Bereits in der Ladung zur mündlichen Verhandlung war der Kläger darauf hingewiesen worden, dass im Falle seines Ausbleibens auch ohne ihn verhandelt, Beweis erhoben und entschieden werden kann. Mit der Einhaltung der Anforderungen aus § 102 Abs. 2 VwGO hat das Oberverwaltungsgericht dem Kläger die Folgen seines Ausbleibens hinreichend verdeutlicht. Er konnte nicht mehr mit der Einräumung einer Stellungnahmefrist nach der mündlichen Verhandlung oder der Gelegenheit zur Benennung weiterer Zeugen rechnen.

42

Die Ausführungen am Schluss der Beschwerdebegründung (ab S. 33 unten) befassen sich mit der Frage, was der Kläger bei Teilnahme an der mündlichen Verhandlung oder bei Einräumung einer Stellungnahmefrist hätte vortragen können. Mit diesen Ausführungen kann jedoch die Zulassung der Revision nicht erreicht werden, weil die hierfür vorausgesetzten Verfahrensmängel nach dem Gesagten nicht vorliegen.

43

dd. Eine Gehörsverletzung liegt auch nicht darin, dass im Rahmen der Inaugenscheinnahme der Abfindungsflurstücke eine Probegrabung durchgeführt worden ist. Eine Beweisaufnahme zur Bodengüte dieser Flurstücke konnte für den Kläger, der selbst Landwirt ist, nicht überraschend kommen. Denn die Wertfestsetzung für die Abfindungsflurstücke ... und ... war ein wesentlicher Streitpunkt im Prozess. Die Begutachtung der Bodenqualität im Wege der Inaugenscheinnahme ist in diesem Zusammenhang in Flurbereinigungsverfahren gängige Praxis (siehe dazu etwa VGH München, Urteile vom 22. Oktober 2014 - 13 A 14.1394 - juris Rn. 17 und vom 22. Oktober 2014 - 13 A 14.1109 - juris Rn. 22). Im Übrigen kann dazu auf die Ausführungen oben zur Grundsatzrüge Bezug genommen werden.

44

ee. Ein Verfahrensmangel in Form eines Gehörsverstoßes oder einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) kann nicht mit der Rüge dargetan werden, das Oberverwaltungsgericht habe nicht über Inhalt und Quellen der eigenen Sachkunde informiert.

45

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat das Tatsachengericht grundsätzlich nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob es sich selbst die für die Aufklärung und Würdigung des Sachverhalts erforderliche Sachkunde zutraut. Die Begründung für das Vorliegen eigener ausreichender Sachkenntnis muss vom Tatsachengericht in einer für das Revisionsgericht nachvollziehbaren Weise dargelegt werden (BVerwG, Beschlüsse vom 11. Februar 1999 - 9 B 381.98 - Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 42 S. 1 f. m.w.N. und vom 10. Juni 2003 - 8 B 32.03 - Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 57 S. 16 m.w.N.). Für das Flurbereinigungsrecht gelten allerdings die oben bereits im Zusammenhang mit der Grundsatzrüge dargestellten Besonderheiten. Dementsprechend gelten auch geringere Anforderungen an die Darlegung und Begründung der eigenen Sachkunde des Flurbereinigungsgerichts; diese muss im "Normalfall", d.h. bei Sachverhalten, mit denen das Flurbereinigungsgericht regelmäßig befasst ist, nicht besonders begründet werden. Ein Verstoß gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht im Hinblick auf zu Unrecht angenommene eigene Sachkunde des Flurbereinigungsgerichts kommt hiernach erst dann in Betracht, wenn dessen Beurteilung agrarwirtschaftlicher Fragen gravierende Mängel aufweist, namentlich wenn sie von unzutreffenden Tatsachen ausgeht, in sich widersprüchlich oder aktenwidrig ist oder ohne die notwendige Kenntnis der örtlichen Verhältnisse vorgenommen wurde, mithin wenn sie schlechterdings unvertretbar ist (BVerwG, Beschluss vom 4. November 2010 - 9 B 85.09 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 376 Rn. 5, 9).

46

Dies kann aufgrund des Beschwerdevorbringens nicht festgestellt werden. Die vom Kläger angesprochene Stellungnahme der Landwirtschaftlichen Bezugsgenossenschaft eG D. vom 4. Juni 2015 war nach der maßgeblichen (und auch zutreffenden) Sichtweise des Flurbereinigungsgerichts nicht entscheidungserheblich, da nicht der in der Stellungnahme beschriebene aktuelle Zustand der Flächen, sondern der Zustand der Flächen im Jahre 2005 und in den Jahren danach festzustellen war (vgl. UA S. 25 unten). Die Bekundungen der Zeugen V. und L. - zwei frühere Bewirtschafter der fraglichen Abfindungsflurstücke - werden vom Flurbereinigungsgericht ebenso nachvollziehbar gewürdigt wie die abweichende Einschätzung des Herrn M., der die Fläche im eigentlichen Beurteilungszeitraum (2005) bewirtschaftete. Soweit die Beschwerde - in etwas anderem Zusammenhang - rügt, dass nicht auch die beiden anderen Bewirtschafter T. und W. angehört wurden, drängte sich deren Befragung nach Aktenlage nicht auf; im Übrigen ist ihre schriftliche Einlassung Gegenstand der Akten (Blatt 495 f. Bd. II). Insgesamt wendet sich die Beschwerde mit diesen Rügen und dem weiteren Vorbringen zur Bewertung der Abfindungsflurstücke durch das Flurbereinigungsgericht im Gewand einer Aufklärungs- oder Gehörsrüge in Wirklichkeit gegen die Tatsachenwürdigungen durch das Flurbereinigungsgericht.

47

ff. Schließlich stellt auch die Entscheidung des Flurbereinigungsgerichts zur Einziehung des "V.-grabens" sowie die Beurteilung der Sandfänge keine gehörsverletzende Überraschungsentscheidung dar. Ein Urteil stellt sich als Überraschungsentscheidung dar, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchten (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 25. Mai 2001 - 4 B 81.00 - Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 34 S. 20 f. m.w.N. und vom 16. Februar 2012 - 9 B 71.11 - Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 42 Rn. 9). So liegt es hier offenkundig nicht.

48

Die Zuteilung des vom Kläger eingebrachten V.-grabens an die Vechtaer Wasseracht im Wege- und Gewässerplan (§ 41 FlurbG) war Gegenstand des Flurbereinigungsverfahrens. Dabei ist auch der Vortrag des Klägers zu seinem bisherigen Eigentum an dem Graben berücksichtigt worden. Deshalb konnte die Behandlung dieses Gesichtspunkts im Urteil des Oberverwaltungsgerichts nicht überraschend für den Kläger sein. Unabhängig davon war die Frage, ob es sich bei dem Graben um einen Bestandteil der nach § 45 Abs. 1 Nr. 1 FlurbG besonders geschützten Hoffläche handelt, für das Oberverwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich (s. UA S. 31 unten).

49

Hinsichtlich der Sandfänge war zu prüfen, ob es einen rechtfertigenden Grund für ihre Verlegung gibt. Auch diese Prüfung konnte für den Kläger nach dem Inhalt des Flurbereinigungsplans nicht überraschend sein. Für das Oberverwaltungsgericht war dabei nicht entscheidend, in welcher Lage die bisherigen Fänge sich genau befinden. Daher mussten hierzu keine zusätzlichen Feststellungen etwa durch eine Ortsbesichtigung getroffen werden.

50

b. Ein Verfahrensmangel nach § 138 Nr. 5 VwGO ist nicht dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Das Urteil des Flurbereinigungsgerichts ist nicht auf eine mündliche Verhandlung ergangen, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind.

51

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Beschlüsse vom 22. April 1988 - 4 ER 202.88 - Buchholz 300 § 169 GVG Nr. 5 und vom 21. März 1994 - 8 B 33.94 - Buchholz 300 § 169 GVG Nr. 7) ist eine Verhandlung dann "öffentlich" im Sinne von § 55 VwGO i.V.m. § 169 Satz 1 GVG, wenn sie in Räumen oder an Örtlichkeiten stattfindet, die während der Dauer der Verhandlung grundsätzlich jedermann zugänglich sind. Eine an jedermann gerichtete Bekanntgabe braucht nicht hinzuzutreten (BVerwG, Beschluss vom 25. Juni 1998 - 7 B 120.98 - Buchholz 300 § 169 GVG Nr. 9). Insbesondere muss die mündliche Verhandlung nicht in jedem Fall durch Aushang bekannt gegeben werden. Der Grundsatz der Öffentlichkeit der Verhandlung gebietet es auch verfassungsrechtlich nicht, dass jedermann weiß, wann und wo ein erkennendes Gericht eine Hauptverhandlung abhält. Es genügt vielmehr, dass jedermann die Möglichkeit hat, sich ohne besondere Schwierigkeiten davon Kenntnis zu verschaffen, und dass der Zutritt im Rahmen der tatsächlichen Gegebenheiten eröffnet ist (BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2001 - 2 BvR 1620/01 - NJW 2002, 814 <814>).

52

Hieran gemessen kann kein Verstoß des Flurbereinigungsgerichts gegen § 138 Nr. 5 VwGO festgestellt werden. Die Beschwerde rügt nicht das Fehlen eines Hinweises an der Gerichts- oder Hofstelle auf die mündliche Verhandlung mit Beweisaufnahme. Vielmehr beanstandet sie, dass das Flurbereinigungsgericht sich von dem in der Ladung bestimmten "Treffpunkt" an der Hofstelle des Klägers für mehr als zwei Stunden entfernt und die mündliche Verhandlung erst danach im Rathaus der Stadt D. fortgesetzt hat. So habe ein möglicherweise interessierter Zuhörer den Ort der beiden Inaugenscheinnahmen von dem festgelegten Treffpunkt an der Hofstelle aus nicht finden können, weil er nicht über die genaue Lage des Ortes informiert worden war und mit den in den Beschlüssen verkündeten Flurstücksbezeichnungen nichts hätte anfangen können. Mit dieser Rüge kann jedoch kein Verstoß gegen die Öffentlichkeit des Verfahrens dargetan werden, weil ein derartig interessierter Zuhörer ohne Schwierigkeiten den Beteiligten zum Ort der Inaugenscheinnahme hätte folgen bzw. sich nach dem genauen Weg dorthin hätte erkundigen können (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 1984 - 4 StR 243/84 - NStZ 1984, 470 <470>). Soweit ein eventuell interessierter Zuhörer erst nach dem Weggang der Beteiligten zu dem "Treffpunkt" gelangt ist, bleibt es bei dem Grundsatz, dass eine an jedermann gerichtete Bekanntgabe des Ortes einer mündlichen Verhandlung nicht geboten ist. Im Übrigen bietet die Beschwerde keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass im konkreten Fall Zuhörer die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung gewünscht hätten.

53

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Gründe

I

1

Der Kläger begehrt die Neubescheidung über das Ergebnis der von ihm abgelegten zweiten juristischen Staatsprüfung. Er hat sich mit seiner Klage gegen die Bewertung der Aufsichtsarbeiten ZR II, ÖR I und ZHG gewandt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht haben die Beteiligten einen Vergleich geschlossen, in dem sich die Beklagte bereit erklärt hat, die Aufsichtsarbeit ÖR I durch zwei neue Prüfer bewerten zu lassen und den Kläger im Hinblick auf die Gesamtnote erneut zu bescheiden. Im Gegenzug hat der Kläger von seinen Angriffen auf die Bewertung der Aufsichtsarbeit ZHG Abstand genommen und die Beteiligten haben den Rechtsstreit hinsichtlich der Aufsichtsarbeiten ÖR I und ZHG übereinstimmend für erledigt erklärt. Das Verwaltungsgericht hat das Verfahren im Umfang des für erledigt erklärten Teils eingestellt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Neubewertung der Aufsichtsarbeit ÖR I hat zu keiner besseren Bewertung geführt. Die Beklagte hat den Kläger dahingehend beschieden, dass es bei der ursprünglich zu Grunde gelegten Bewertung der Aufsichtsarbeit ÖR I und der bisherigen Gesamtnote verbleibe. Auf den im Berufungsverfahren angebrachten Antrag auf Neubescheidung über die Gesamtnote nach vorzunehmender Neubewertung der Aufsichtsarbeiten ZR II und ÖR I hat das Oberverwaltungsgericht das erstinstanzliche Urteil geändert und die Beklagte unter teilweiser Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide verpflichtet, die Aufsichtsarbeit ÖR I erneut zu bewerten und über die Gesamtnote erneut zu entscheiden. Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen haben sowohl der Kläger als auch die Beklagte Beschwerde eingelegt und jeweils die Zulassung der Revision begehrt.

II

2

Weder die Beschwerde des Klägers (1.) noch die Beschwerde der Beklagten (2.) haben Erfolg.

3

1. Der Kläger kann mit seiner auf die Revisionszulassungsgründe des Verfahrensmangels im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (a.) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (b.) gestützten Beschwerde nicht durchdringen.

4

a. Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich nicht, dass das Oberverwaltungsgericht, wie der Kläger rügt, das Gebot zur Gewährung rechtlichen Gehörs aus § 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG verletzt hat. Es geht ins Leere, wenn der Kläger geltend macht, das Berufungsgericht habe sich nicht hinreichend mit seinem Vorbringen zu den an ein Überdenkensverfahren zu stellenden Anforderungen in Bezug auf die Behandlung der vorgebrachten Einwendungen und die Verfehlung dieser Anforderungen durch die Prüfer der Aufsichtsarbeit ZR II bei der Behandlung der von ihm mit seinem Widerspruch erhobenen Rügen befasst.

5

Zwar hat sich das Oberverwaltungsgericht dem besagten Vortrag des Klägers nicht in einem in sich geschlossenen Zusammenhang zugewandt. Jedoch finden sich in den Urteilsgründen hinreichende Belege dafür, dass es ihn zur Kenntnis genommen und bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt hat. Das Oberverwaltungsgericht hat im Rahmen seiner auf etwaige Fehler bei der Beurteilung der Aufsichtsarbeit ZR II gerichteten Prüfung die von dem Erstprüfer im Überdenkensverfahren abgegebene Stellungnahme zu den von dem Kläger erhobenen Rügen in Bezug gesetzt (UA S. 17) und dadurch zum Ausdruck gebracht, dass es den Inhalt der Stellungnahme für beachtlich erachtet hat. Das Oberverwaltungsgericht hat darüber hinaus zu der Stellungnahme des Zweitprüfers - wenn auch im Hinblick auf die verneinte Frage der Befangenheit - ausgeführt, die Prüfer hätten sich im Überdenkensverfahren mit den begründeten Einwendungen des Prüflings auseinanderzusetzen, müssten jedoch nicht auf jeden Aspekt dieser Einwendungen schriftlich eingehen. Es hat hierzu in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, der Stellungnahme des Zweitprüfers lasse sich trotz ihrer Kürze entnehmen, dass der Prüfer die Einwendungen des Klägers zur Kenntnis genommen und sich im Hinblick auf diese erneut mit der gefertigten Aufsichtsarbeit auseinandergesetzt habe. Denn der Zweitprüfer habe ausgeführt, der Kläger strebe eine Bewertung mit acht Punkten an und räume ein, dass in seiner Arbeit Licht und Schatten verteilt seien. Der Zweitprüfer habe sich zudem ausdrücklich mit der Frage einer höheren Bewertung der Arbeit beschäftigt. Dies ergebe sich aus seiner Erklärung, dass er eine Bewertung mit sieben Punkten nach wie vor für angemessen halte (UA S. 20).

6

Im Übrigen gilt hier wie auch sonst, dass die mit dem Gebot des rechtlichen Gehörs verbundene Verpflichtung des Gerichts, das Vorbringen jedes Beteiligten bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen, nicht bedeutet, dass das Gericht das gesamte Vorbringen der Beteiligten in den Urteilsgründen behandeln muss. Vielmehr sind nach § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO in dem Urteil nur diejenigen tatsächlichen und rechtlichen Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Daher kann aus dem Umstand, dass das Gericht einen Aspekt des Vorbringens eines Beteiligten in den Urteilsgründen nicht erwähnt hat, nur dann geschlossen werden, es habe diesen Aspekt nicht in Erwägung gezogen, wenn er nach dem materiell-rechtlichen Rechtsstandpunkt des Gerichts eine Frage von zentraler Bedeutung betrifft (stRspr, vgl. etwa m.w.N.: BVerwG, Beschluss vom 27. Januar 2015 - 6 B 43.14 [ECLI:DE:BVerwG:2015:270115B6B43.14.0] - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 421 Rn. 25). Eine derartige Konstellation besteht hier nicht. Das Oberverwaltungsgericht ist in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu anderen Schlussfolgerungen gelangt, als sie der Kläger für richtig hält. Dagegen schützt der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht.

7

b. Eine grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang höchstrichterlich ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist. Aus den Darlegungen des Klägers ergibt sich nicht, dass diese Voraussetzungen für die von ihm als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfenen Fragen erfüllt sind.

8

Der Kläger möchte zunächst grundsätzlich geklärt wissen,

"ob der aus den Art. 12 Abs. 1 Satz 1, 19 Abs. 4 Satz 1 GG folgende Anspruch des Prüflings auf ein Überdenken der Bewertung im Lichte seiner substantiierten Einwände bereits hinreichend erfüllt ist, wenn der Prüfer in seiner Stellungnahme nur behauptet, sich mit diesen auseinandergesetzt zu haben und/oder diese pauschal zurückweist, oder ob es vielmehr erforderlich ist, dass der Prüfer die Einwände des Prüflings in seiner Stellungnahme grundsätzlich im Einzelnen bescheidet."

9

Der derart umschriebenen Frage kommt die grundsätzliche Bedeutung, die ihr der Kläger beimisst, nicht zu, weil sie in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht klärungsfähig ist.

10

Zum einen stellt sich die aufgeworfene Frage auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht in entscheidungserheblicher Weise. Das Oberverwaltungsgericht hat nicht festgestellt, dass sich die mit der Aufsichtsarbeit ZR II befassten Prüfer - wie von der Fragestellung vorausgesetzt und in der Beschwerdebegründung durch den Verweis auf zwei von den Oberverwaltungsgerichten Lüneburg und Münster entschiedene Fälle konkretisiert - in ihren im Rahmen des Überdenkensverfahrens abgegebenen Stellungnahmen nur behauptet hätten, sich mit den von dem Kläger angebrachten Einwänden auseinandergesetzt zu haben, bzw. diese Einwände pauschal zurückgewiesen hätten. Das Oberverwaltungsgericht hat vielmehr, wie bereits ausgeführt, im Hinblick auf die Stellungnahme des Zweitprüfers die Feststellung getroffen, dass dieser die Einwendungen des Klägers zur Kenntnis genommen hat und auf deren Grundlage in eine erneute Auseinandersetzung mit der Aufsichtsarbeit eingetreten ist. Auch die Stellungnahme des Erstprüfers hat das Oberverwaltungsgericht in Bezug auf Ausführlichkeit und Gehalt nicht in dem von dem Kläger beschriebenen Sinne eingeordnet. Es hat sie im Gegenteil in seine Prüfung betreffend das Vorliegen von Beurteilungsfehlern einbezogen.

11

Zum anderen hängen der Umfang und die Begründungstiefe, die eine im Überdenkensverfahren abgegebene Stellungnahme aufweisen muss, von der Substanz der im konkreten Fall vorgebrachten Einwendungen des Prüflings ab. Sie sind deshalb einer allgemeinen, von den Umständen des Einzelfalls unabhängigen Klärung in einem Revisionsverfahren nicht zugänglich (vgl. BFH, Urteil vom 3. Februar 2004 - VII R 1/03 - BFHE 204, 546 <554> und zur Begründung von Prüfungsbewertungen allgemein: BVerwG, Beschluss vom 8. März 2012 - 6 B 36.11 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 411 Rn. 11).

12

Grundsatzbedeutung misst der Kläger des Weiteren den miteinander zusammenhängenden Fragen zu,

"welche Auswirkungen es auf die Rechtmäßigkeit der Prüfungsentscheidung hat, wenn grundlegende Anforderungen für die Durchführung des Überdenkungsverfahrens - wie etwa das Erfordernis einer zeitnahen Stellungnahme des Prüfers - missachtet werden und ob und inwieweit hiergegen Rechtsschutz zu gewähren ist,"

sowie

"wann eine Stellungnahme noch 'zeitnah' im Sinne des Postulats des Bundesverwaltungsgerichts (siehe BVerwGE 92, 132 ff., 3. Leitsatz) erfolgt, und wirkungsvollen Rechtsschutz zu gewährleisten imstande ist."

13

Auch diese Fragen rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung.

14

Beide Fragen sind in dieser Allgemeinheit in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Ob Verfahrensfehler bei der Durchführung des Überdenkensverfahrens Auswirkungen - und gegebenenfalls welche - auf die Rechtmäßigkeit einer Prüfungsentscheidung haben, lässt sich nicht abstrakt, sondern nur in Bezug auf den jeweils in Rede stehenden Verfahrensfehler beantworten. Wird die in der Beschwerdebegründung aufgeworfene erste Frage deshalb unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens einschränkend dahingehend verstanden, dass es dem Kläger lediglich um die Auswirkungen von Verstößen gegen das Erfordernis einer zeitnahen Stellungnahme des Prüfers auf die Rechtmäßigkeit der Prüfungsentscheidung geht, fehlt es an der Klärungsbedürftigkeit. Denn zur Klärung dieser Frage bedarf es nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens, da sie sich auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne weiteres beantworten lässt. Nach der Rechtsprechung des Senats verbieten es weder der aus Art. 12 Abs. 1 GG folgende Grundrechtsschutz im Hinblick auf die Gestaltung des Prüfungsverfahrens noch das Gebot des effektiven Rechtsschutzes, eine Bewertung einer Prüfungsleistung mit entsprechender neuer Begründung nachzuholen und auf diese Weise einen früheren Begründungsmangel zu korrigieren. Zwar sollen die inhaltliche Befassung mit der Prüfungsleistung und deren Bewertung (samt Begründung) grundsätzlich in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Prüfung erfolgen, sie sind aber auch zu einem späteren Zeitpunkt möglich (BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 1992 - 6 C 3.92 - BVerwGE 91, 262 <270 ff.>). Dies gilt grundsätzlich auch für das Überdenkensverfahren. Erfolgt die inhaltliche Befassung mit der Prüfungsleistung und deren Bewertung nicht mehr in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Prüfung, kann dies zwar gegebenenfalls zu Schadensersatzansprüchen wegen einer Amtspflichtverletzung führen. Verzögerungen bei der Durchführung des Überdenkensverfahrens haben jedoch ebenso wenig wie Verstöße gegen das allgemeine verfahrensrechtliche Gebot der Zügigkeit des Verfahrens (vgl. § 10 Satz 2 VwVfG) die Fehlerhaftigkeit der Prüfungsentscheidung zur Folge, solange keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich die Verzögerung auch auf das Ergebnis ausgewirkt hat. Solche Anhaltspunkte hat der Kläger nicht dargelegt und sind auch nicht ersichtlich.

15

Die zweite Frage des Klägers ist ebenfalls in dieser Allgemeinheit in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Wann eine Stellungnahme noch "zeitnah" erfolgt, lässt sich nicht losgelöst von den Umständen des konkreten Einzelfalls beurteilen.

16

Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht die Entscheidung, dass der Kläger einen Anspruch auf Neubewertung der Aufsichtsarbeit ZR II nicht aus der langen Dauer des im vorliegenden Fall durchgeführten Überdenkensverfahrens herleiten könne, selbstständig tragend darauf gestützt, dass die von dem Kläger begehrte Neubewertung der Aufsichtsarbeit ZR II den Abstand zwischen erbrachter Prüfungsleistung und Bewertung nur noch weiter vergrößern und damit dem Zweck eines möglichst zeitnah durchgeführten Überdenkensverfahrens erst recht zuwiderlaufen würde. Auf diesen Begründungsstrang geht der Kläger mit den beiden hier in Rede stehenden Fragen nicht ein. Ist eine angegriffene Entscheidung auf mehrere selbstständig tragende Begründungen gestützt, kann die Revision jedoch nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 4. Oktober 2013 - 6 B 13.13 - Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 181 Rn. 20 und vom 15. Mai 2015 - 6 B 53.14 - juris Rn. 6).

17

2. Die auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde der Beklagten hat ebenfalls keinen Erfolg.

18

Die Beklagte hält folgende Fragen für grundsätzlich klärungsbedürftig:

"Gibt es einen allgemeingültigen Bewertungsgrundsatz des Inhalts, dass die Bewertungsbegründung nicht in sich widersprüchlich sein darf?

Wenn ja, stellt es einen Widerspruch in diesem Sinne dar, wenn der Prüfer eine Lösung als im konkreten Fall vertretbar ansieht, sie aber zugleich - etwa als unglücklich - abwertet?"

19

Diese Fragen rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung.

20

Die Frage, ob es einen allgemeingültigen Bewertungsgrundsatz des Inhalts gibt, dass die Bewertungsbegründung nicht in sich widersprüchlich sein darf, ist nicht klärungsbedürftig; denn sie lässt sich entgegen der Auffassung der Beklagten ohne weiteres bejahen. Nach ständiger Rechtsprechung ist der den Prüfungsbehörden bei prüfungsspezifischen Wertungen verbleibende Entscheidungsspielraum überschritten, wenn die Prüfungsbehörden Verfahrensfehler begehen, anzuwendendes Recht verkennen, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgehen, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe verletzen oder sich von sachfremden Erwägungen leiten lassen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. August 2011 - 6 B 18.11 - juris Rn. 16 m.w.N.). Es bedarf keiner vertieften Begründung, dass allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe jedenfalls dann verletzt werden, wenn die Begründung einer Bewertung nicht in sich schlüssig und widerspruchsfrei ist. Ebenso wenig muss in einem Revisionsverfahren geklärt werden, dass eine in diesem Sinne widersprüchliche Begründung nicht bereits dann vorliegt, wenn eine Lösung zwar als vertretbar, aber nicht als optimal bewertet wird. Ob es im Sinne der zweiten Frage der Beklagten einen Widerspruch darstellt, wenn der Prüfer eine Lösung als im konkreten Fall vertretbar ansieht, sie aber zugleich - etwa als "unglücklich" - kritisiert, ist eine Frage des Einzelfalls und entzieht sich einer rechtsgrundsätzlichen Klärung.

21

Vor diesem Hintergrund kann offen bleiben, ob das Oberverwaltungsgericht auf den Rechtssatz, dass die Bewertungsbegründung nicht in sich widersprüchlich sein darf, überhaupt entscheidungserheblich abgestellt hat. Hieran bestehen allerdings Zweifel.

22

Die Beklagte knüpft mit den von ihr als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfenen Fragen vor allem an den von dem Oberverwaltungsgericht verwandten Satz an, das Votum des Erstprüfers der Aufsichtsarbeit ÖR I sei widersprüchlich und verletze damit allgemeine Bewertungsmaßstäbe (UA S. 13). Näheren Aufschluss über den Rechtssatz, auf den das Oberverwaltungsgericht seine Einschätzung, das in Rede stehende Votum sei fehlerhaft, gestützt hat, geben indes erst die mit dem besagten Satz zusammenhängenden weiteren Gründe des Berufungsurteils (UA S. 13 f.). Darin heißt es, der Prüfer habe den Aufbau der Aufsichtsarbeit zum einen als unglücklich, zum anderen aber als wohl vertretbar bezeichnet. Ein vertretbares Ergebnis könne unzureichend begründet sein, oder ein grundsätzlich vertretbarer Aufbau könne im Einzelfall auf Grund von Besonderheiten des Falls unglücklich sein. Soweit aber ein Aufbau als im konkreten Fall vertretbar angesehen werde, könne dieser nicht widerspruchsfrei zugleich als unglücklich abgewertet werden. Falls der Erstprüfer lediglich seine persönliche, nicht zu Lasten des Klägers gehende Auffassung zum Ausdruck habe bringen wollen, sei dies nicht hinreichend deutlich geworden. Denn die Bezeichnung als vertretbar werde durch den Zusatz "wohl" eingeschränkt, was bereits Zweifel daran wecke, ob der Erstprüfer den Prüfungsaufbau tatsächlich als vertretbar angesehen habe. Auch stelle der die Vertretbarkeit betreffende Satz nur einen Nachklapp im Anschluss an die Passage dar, in der sich der Erstprüfer kritisch über den Prüfungsaufbau äußere. Auf Grund dieses Kontextes der Aufbaukritik müsse angenommen werden, dass diese maßgeblich für die Bewertung gewesen sei und nicht lediglich eine beiläufige, für die Bewertung unerhebliche Mitteilung der persönlichen Auffassung des Prüfers darstelle.

23

Nach diesen Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts liegt die Annahme nicht fern, dass es im Ergebnis nicht auf einen eigenständigen Bewertungsgrundsatz der Widerspruchsfreiheit in dem von der Beklagten angenommenen Sinne, sondern vielmehr auf den allgemeingültigen Bewertungsgrundsatz abgestellt hat, dass richtige oder vertretbare Aufgabenlösungen nicht als falsch bewertet werden dürfen. Durch diesen Grundsatz ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch der jenseits der vollen gerichtlichen Überprüfbarkeit des fachwissenschaftlichen Bereichs einer Prüfungsbeurteilung bestehende Beurteilungsspielraum der Prüfer für prüfungsspezifische Wertungen - insbesondere im Hinblick auf die für die Notenvergabe entscheidende Gewichtung der Stärken und Schwächen der jeweiligen Bearbeitung - beschränkt (BVerwG, Beschlüsse vom 13. Mai 2004 - 6 B 25.04 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 406 S. 68 und vom 16. August 2011 - 6 B 18.11 - juris Rn. 16). Ein entsprechendes Verständnis des Berufungsurteils zu Grunde gelegt, wäre das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass ein Verstoß gegen den besagten Grundsatz auch dann vorliegt, wenn ein Prüfer eine Antwort zwar als vertretbar ansieht, diese aber bei der Bewertung abwertet, weil sie nicht die optimale Lösung darstelle (vgl. dazu: Fischer, in: Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rn. 634). Das Oberverwaltungsgericht hätte danach unter Würdigung der von ihm festgestellten Umstände des konkreten Einzelfalls einen Beurteilungsfehler bejaht.

24

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

Tenor

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 10.9.2012 wird aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger, ein am 21.2.2001 in Deutschland als uneheliches Kind geborener chinesischer Staatsangehöriger, wendet sich mit der Klage gegen die Ablehnung seines Asylfolgeantrags.
Seine Mutter, eine chinesische Staatsangehörige, deren Asylantrag rechtskräftig abgelehnt worden war (siehe A 6 K 11608/99 - Klagerücknahme am 16.11.1999 und A 6 K 11609/99 - ablehnender Beschluss vom 8.10.1999), hatte für ihn kurz nach seiner Geburt am 1.3.2001 einen ersten Asylantrag gestellt, der mit bestandskräftigem Bescheid vom 24.10.2002 mit der Begründung abgelehnt worden war, da der Kläger im Bundesgebiet geboren sei und sich niemals in China aufgehalten habe, könne er sich naturgemäß nicht darauf berufen, dort verfolgt worden zu sein. Auch sonst habe er keine eigenen Verfolgungsgründe geltend gemacht und einen Anspruch auf Familienasyl habe er nicht, weil der Asylantrag seiner Mutter abgelehnt worden sei. Mit diesem Bescheid wurde nicht nur seine Anerkennung als Asylberechtigter abgelehnt sondern zugleich auch festgestellt, dass weder die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG noch des § 53 AuslG vorlagen.
Der Vater des Klägers war ein chinesischer Asylbewerber, der die Mutter des Klägers seinerzeit flüchtig kennengelernt hatte. In der Folgezeit lebte er infolge seiner Verteilung in ein anderes Bundesland und der geltenden Residenzpflichtbeschränkungen nicht mit dem Kläger und seiner Mutter zusammen, sondern hatte nur seltenen Besuchskontakt mit ihnen. Etwa vor fünf Jahren ist er schließlich nach rechtskräftiger Ablehnung seines eigenen Asylantrags nach China zurückgekehrt und hat seither keinen Kontakt mehr mit dem Kläger und seiner Mutter, sondern lebt dort offenbar an unbekanntem Ort sein eigenes Leben. Das ergibt sich aus den Angaben des Klägers und seiner Mutter in der mündlichen Verhandlung, die das Gericht als glaubhaft ansieht, weil sie übereinstimmen, plausibel sind und auch sichtlich von persönlichen Emotionen wie Traurigkeit und Enttäuschung getragen waren.
Am 22.8.2012 stellte der Kläger - vertreten durch seine Mutter - einen Asylfolgeantrag, mit dem Ziel, ihm nach Durchführung eines Asylfolgeverfahrens die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise das Vorliegen der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 - 7 AufenthG festzustellen. Zur Begründung berief er sich darauf, seine Mutter habe beim Diakonischen Werk am 16.8.2012 wegen eines Schreibens des Regierungspräsidiums vom 13.8.2012 vorgesprochen. Dabei habe sie von einem Mitarbeiter erfahren, dass das VG Meiningen (8 K 20205/09) gestützt auf eine Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 2.8.2010 und von amnesty international vom 22.7.2010 entschieden habe, dass Eltern ohne Geburtserlaubnis geborener unerlaubter Kinder in China bei Nichtzahlung hoher, mehrere Jahreseinkommen umfassender Bußgelder Inhaftierung und Eigentumsbeschlagnahme drohe und die Registrierung des Kindes mit der Folge verweigert werde, das ihnen deshalb der Zugang zum Schulsystem und zur staatlichen Krankenversorgung verwehrt werde. Die diskriminierende Anwendung solcher gesetzlicher, administrativer und polizeilich/justizieller Maßnahmen stelle eine Verfolgungshandlung im Sinne von Art. 9 Abs. 2 b der QRL (Qualifikationsrichtlinie) dar. Zumindest seien damit die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots erfüllt.
Mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 10.9.2012 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens und auch den Antrag auf Abänderung des Bescheids vom 24.10.2002 hinsichtlich der dort getroffenen negativen Feststellungen zu § 53 Abs. 1 - 6 AuslG ab.
Zur Begründung führte es aus, es fehle schon an einer schlüssigen Darlegung, dass dem Kläger nunmehr asyl- bzw. flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung in China drohe. Zwar drohe bei Verstößen gegen die Ein-Kind-Politik in China, der zufolge nichteheliche Kinder unerlaubt seien, je nach Provinz und lokaler Praxis eine Sanktionierung mit empfindlichen, zum Teil mehrere Jahresgehälter umfassenden Geldbußen, bei deren Nichtzahlung das Kind nicht im Haushaltsregister (Hukou) registriert werde, was es wiederum vom Schulbesuch, Sozialleistungen und der staatlichen Krankenversorgung ausschließe. Die Durchsetzung der staatlichen Familienplanungspolitik sei auch immer wieder mit gravierenden Menschenrechtsverletzungen verbunden. So komme es zu Zwangsabtreibungen in fortgeschrittenen Schwangerschaftsmonaten, Zwangssterilisationen und zwangsweiser Entziehung von Kindern im Rahmen illegaler Adoptionspraktiken. Darin könne aber letztlich keine politische Verfolgung gesehen werden, weil diese Maßnahmen nicht an asylrelevante persönliche Merkmale, wie etwa die religiöse oder politische Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit, anknüpften, sondern das Ziel verfolgten, ein weiteres Bevölkerungswachstum im bevölkerungsreichsten Land der Welt einzudämmen und deshalb auch gleichermaßen allen chinesischen Staatsbürgern gegenüber angewendet würden. Die Rigorosität, mit der diese Ziel verfolgt werde, möge zwar in Deutschland befremdlich erscheinen und sei wohl mit dem Grundgesetz nicht vereinbar, es sei aber nicht Aufgabe des Asylrechts, die Ordnung des Grundgesetzes in anderen Staaten durchzusetzen. Ausreichende Gründe für die Gewährung subsidiären Schutzes seien nicht dargelegt oder sonst ersichtlich, so dass auch eine Abänderung der negativen Feststellungen zu Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG im Wege des Wiederaufgreifens nicht in Betracht komme.
Nachdem dieser Bescheid am 12.9.2012 als Einschreiben zur Post gegeben wurde, (da der Bescheid erst vom 10.9.2012 stammt, kann der Abgangsvermerk auf BAS 33 nicht zutreffen, wonach der Bescheid am 12.08.2012 zur Post gegeben worden sei), hat der Kläger dagegen am 27.9.2012 Klage beim Verwaltungsgericht erhoben.
Er verweist zur Begründung auf das Urteil des VG Meiningen (8 K 20205/09).
Der Kläger beantragt,
10 
den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 10.9.2012 aufzuheben, und die Beklagte zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise: ihm subsidiären Schutz zuzuerkennen, höchst hilfsweise: die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 bzw. 7 AufenthG vorliegt.
11 
Die Beklagte beantragt,
12 
die Klage abzuweisen.
13 
Sie verweist auf die Gründe des angefochtenen Bescheids.
14 
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten (1 Heft Gerichtsakten, 2 Hefte Behördenakten) und die den Beteiligten mitgeteilten Erkenntnismittel verwiesen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden.
15 
Im Termin zur mündlichen Verhandlung sind der Kläger und insbesondere seine Mutter als gesetzliche Vertreterin angehört worden. Auf die hierzu angefertigte Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die zulässige Klage ist bereits mit dem Hauptantrag begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Er hat Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 113 Abs. 1 S. 1 und Abs. 5 S. 1 VwGO).
17 
Das Bundesamt ist (a) aufgrund des Folgeantrags des Klägers gem. § 71 Abs. 1 S. 1 AsylVfG i.V.m. § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG verpflichtet, ein weiteres Asylverfahren durchzuführen und (b) dem Kläger in diesem Zusammenhang die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen (§§ 1 Abs. 1 Nr. 2 , 3 Abs. 1 und Abs. 4 AsylVfG).
18 
(a) Die Sach- und Rechtslage hat sich nämlich gegenüber der dem Erstbescheid zugrundeliegenden Sach- und Rechtslage geändert. Die im Folgeantrag genannten, vom VG Meiningen seiner Entscheidung zugrunde gelegten Auskünfte des Auswärtigen Amtes bzw. von amnesty international vom 22.7. bzw. 2.8.2010 belegen die konkrete Praxis in China bezüglich der Anwendung des mit diesen Sonderregelungen überhaupt erst zum 1.9.2002 in Kraft getretenen „Bevölkerungs- und Familienplanungsgesetzes“ insbesondere auch hinsichtlich der Bußgeld- und Registrierungspraxis, die womöglich eine andere Bewertung des Asylgesuchs erfordern, als noch zur Zeit des Erstantrags, bei dessen Behandlung diese Fragen seinerzeit weder vom Kläger noch etwa von Amts wegen vom Bundesamt thematisiert worden waren.
19 
Die Mutter des Klägers als dessen gesetzliche Vertreterin war auch ohne grobes Verschulden außerstande, den Wiederaufgreifensgrund in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen (§ 51 Abs. 2 VwVfG). Denn zu diesem Zeitpunkt mochte sie, weil sie noch Kontakt zum Kindesvater hatte, noch die Hoffnung gehabt haben, den Kindsvater zu ehelichen und so die Unehelichkeit des Klägers zu beenden. Von daher kann ihr nicht zum Vorwurf gemacht werden, im Asylantrag für den Kläger die chinesische Familienplanungspolitik, die unter anderem uneheliche Kinder betrifft, nicht als Asylgrund geltend gemacht zu haben. Sie hat auch mit dem Folgeantrag, den sie für den Kläger gestellt hat, die Drei-Monatsfrist des § 51 Abs. 3 VwVfG eingehalten. Auch wenn die Entscheidung des VG Meiningen und die dort zitierten Auskünfte schon aus den Jahren 2011 bzw. 2010 stammen, hat sie doch glaubhaft gemacht, dass sie erst bei ihrer Vorsprache beim Diakonischen Werk am 16.8.2012 davon Kenntnis erlangt hat. Gleich am 22.8.2012, also innerhalb der ab diesem Zeitpunkt dann laufenden Dreimonatsfrist, hat sie dann den Folgeantrag für den Kläger gestellt.
20 
(b) Der mithin zu prüfende Folgeantrag ist auch begründet. Dem Kläger ist Flüchtling im Sinne des Art. 1 A Ziff. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK - Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.7.1951 - BGBl. 1953 II S. 559, 560). Denn er befindet sich gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 a AsylVfG aus begründeter Furcht vor einer Verfolgung wegen Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der unter Verstoß gegen die Regelungen der chinesische Ein-Kind-Politik geborenen chinesischen Kinder außerhalb seines Heimatstaates China, dessen Schutz er wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Gemäß § 3 Abs. 4 AsylVfG ist ihm deshalb die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
21 
Nach wie vor gilt in China die sogenannte Ein-Kind-Politik, nämlich das oben erwähnte „Bevölkerungs- und Familienplanungsgesetz“ vom 1.9.2002 (siehe AA Lagebericht China v. 18.6.2013 - II. 1.8. S. 24). Danach darf eine Frau ein einziges Kind bekommen und auch das nur, wenn sie - anders als hier die Mutter des Klägers - verheiratet ist. Ein verheiratetes Paar muss insoweit eine bestimmte Altersgrenze überschritten haben und vor der Geburt eine Geburtsgenehmigung eingeholt haben, weil Männer erst mit 22 Jahren und Frauen erst mit 20 Jahren heiraten dürfen (Art. 6 des chinesischen Heiratsgesetzes - siehe Refugee Documentation Centre (Ireland) - Legal Aid Board - Auskunft v. 14.10.2011 - unter www.ecoi.net und www.asyl.net -dort unter Länderinformationen/China).
22 
Auch wenn in jüngster Zeit Rufe nach einer Abschaffung der Ein-Kind-Politik immer lauter und drängender geworden sein mögen (siehe BayVGH, B. v. 9.9.2013 - 2 ZB 13.30255 - juris, Rdnr. 9 und VG Bayreuth, U. v. 2.7.2013 - B 3 K 13.30042 - UAS. 5 unter Verweis auf DIE ZEIT-online http://www.zeit.de/politik/ausland/2012-10/China-ein-kind-politik-reform, wonach ein „regierungsnahes Forschungsinstitut“ in China die schrittweise Abschaffung dieser Politik bis 2015 „gefordert“ habe; siehe insoweit auch www.zeit.de/wissen/2013-01/china-ein-kind-politik-studie - schon vom 11.1.2013 - zu den negativen psycho-sozialen Auswirkungen der Ein-Kind-Politik und Berichten chinesischer Medien, wonach die Regierung diese „schrittweise abschaffen wolle“), bedeutet dies (noch) nicht, dass diese Regelungen im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der heutigen mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 S. 1 AsylVfG) nicht mehr gelten, weil sie etwa oder förmlich bzw. de-facto abgeschafft sind oder nicht mehr praktiziert würden (so auch Amnesty international - Auskunft v. 15.1.2014 an VG Augsburg, wonach eine Reform der Ein-Kind-Politik vom Dezember 2013 regelt, dass künftig Paare, bei denen ein Partner Einzelkind ist, zwei Kinder haben können, ansonsten aber die Geburtenkontrollpolitik nicht aufgehoben worden sei). Dafür, dass in allernächster Zukunft diese Regelungen außer Kraft gesetzt würden, ist also kein Anhaltspunkt vorhanden. Entsprechende Spekulationen zum Nachteil des Klägers verbietet sich von daher.
23 
Ausnahmen von der Ein-Kind-Regelung - die im vorliegenden Fall allerdings nicht einschlägig sind - betreffen verheiratete Paare auf dem Lande, denen ein Zweitkind zugestanden wird, wenn das erste Kind ein Mädchen ist (siehe AA Lagebericht China v. 18.6.2013 - II. 1.8. S. 24; siehe zu speziellen Ausnahmeregelungen der Familienplanungsvorschriften für verheiratete Paare und obendrein für verheiratete Paare auf dem Land in der Provinz Fujian, aus der die Klägerin stammt, die detailreichen Angeben in: Immigration and Refugee Board of Canada, China - Family Planning Laws, v. 1.10.2012 - dort Ziff. 2.2.2 - unter www.ecoin.net und unter www.asyl.net - Asylmagazin 12/2012 bzw. in www.asyl.net unter Länderinformationen/China).
24 
Die Geburtenkontrollpolitik gilt im Grundsatz auch für Chinesen, die im Ausland leben und dort Kinder bekommen. Wer im Ausland als Kind chinesischer Eltern geboren wird, ist nach Art. 5 des chinesischen Staatsangehörigkeitsgesetzes auch chinesischer Staatsangehöriger, es sei denn die beiden Elternteile haben sich dauerhaft im Ausland niedergelassen oder einer von ihnen hat eine ausländische Staatsangehörigkeit angenommen. Informationen, dass dies bei nicht-ehelichen Kindern und solchen, die unter Verstoß gegen die Geburtenkontrollreglungen geboren wurden, finden sich insoweit nicht. Auch wenn es keine ausdrückliche Regelung gibt, dass Auslandschinesen eine Geburtserlaubnis bei der chinesischen Botschaft im Aufenthaltsstaat einholen müssen, ist doch die dokumentierte Einholung eines Rates der nächstgelegenen Botschaft angezeigt, da ein solcher Nachweis nach Rückkehr für die Haushaltsregistrierung (Hukou) verlangt werden kann. Grundsätzlich können auch Auslandschinesen wegen einer nach den genannten Regeln unerlaubten Geburt eines Kindes im Ausland zu einer Bußgeldzahlung herangezogen werden (so Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 8 - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net).
25 
Sonderregelungen für Auslandsrückkehrer in der Provinz Fujian - aus der die Mutter des Klägers stammt -, die sicherstellen, dass diese ihre im Ausland außerhalb der Geburtenkontrollregelungen geborenen Kinder registrieren können und dass diese auch sonst keine Nachteile erfahren, gibt es nicht (so jüngst Amnesty International, Auskunft v. 15.1.2014 an VG Augsburg; siehe im Übrigen BayVGH , B. v. 9.9.2013 - 2 ZB 13.30255 - juris, Rdnr. 10 und VG Arnsberg, U. v. 7-3.2013, wonach es in der Provinz Fujian eine Sonderregelung gebe, die einem verheirateten Auslandsrückkehrpaar ein zweites Kind erlaube; das VG Bayreuth, U. v. 2.7.2013 - B 3 K 13.30042 -, UA S. 9 verweist hierzu auf eine Auskunft von ai an VG Trier vom 18.4.2011 wonach Auslandsrückkehrern in Fujinan ein zweites Kind erlaubt sei- damit sind aber wohl im Grundsatz auch nur verheiratete Paare gemeint). Aus anderen Auskünften ergibt sich auch nur, dass Auslandsrückkehrer nur dann keine Sanktionen wegen Verstößen gegen die Geburtenkontrollpolitik befürchten müssen, wenn - anders als im vorliegenden Fall der Mutter des Klägers als abgelehnter Asylbewerberin ohne Ausbildung und Berufstätigkeit in Deutschland - an ihrer Rückkehr wegen ihrer Ausbildung und Wirtschaftskraft ein Interesse des chinesischen Staates besteht, bzw. eine Wiedereinreise nach China Frauen nur im schwangeren Zustand erlauben, wenn das andere Kind permanent im Ausland lebt (OVG Saarland, U. v. 20.10.1999 - 9 R 24/98 - UA S. 29 unter Verweis auf Scharping, Auskunft v. 25.3.1999 an VG Leipzig; ferner ai, Auskunft v. 4.6.2002 an VG Köln und Auskunft v. 21.4.2011 an VG Trier, sowie Scharping, Auskunft v. 28.10.1999 an VG Leipzig; siehe auch Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 1, 2 - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net -, wonach Auslandschinesen nur bei dauerhaftem Wohnsitz im Ausland bzw. nur dann nicht, wenn sie im Ausland studiert haben, unter die Ein-Kind-Regelung fallen, also zwei Kinder haben dürfen, wonach aber nicht eindeutig klar sei, dass dies auch für einzelne nicht-eheliche unerlaubte „Schwarzkinder“ gelte; zu einer tatsächlich durchgeführten Zwangssterilisierung einer aus dem Ausland in die Provinz Fujian mit zwei Kindern zurückkehrenden Chinesin im Jahr 2010 - siehe ai- Auskunft v. 15.1.2014 an VG Arnsberg).
26 
Unterfällt nach allem der Kläger als das nichtehelich geborene Kind einer (Auslands-) Chinesin den genannten Regeln, so stellt sich seine Geburt nicht nur als formell unerlaubt, sondern als nicht genehmigungsfähig mit der Folge dar, dass sie als solche auch nicht registriert wird.
27 
Auch wenn das chinesische Gesetz selbst die Gleichstellung von ehelichen und nicht-ehelichen Kindern ausdrücklich gebietet und Diskriminierung insoweit eindeutig verbietet (Art. 19 des Heiratsgesetzes - siehe dazu Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 4 - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net), knüpfen doch die Geburtenkontrollregelungen empfindliche Nachteile an den Umstand der unerlaubten nichtehelichen Geburt:
28 
Eine nichteheliche Mutter muss nämlich ein extrem hohes Bußgeld im Umfang von vier bis sechs Jahresdurchschnittsgehältern zahlen (so zur Regelung in der Provinz Fujian, aus der die Mutter des Klägers stammt Immigration and Refugee Board of Canada, China - Family Planning Laws, v. 1.10.2012 - dort Ziff. 2.2.2 und 2.2. - unter www.ecoin.net und unter www.asyl.net - Asylmagazin 12/2012; ebenso Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 1, 2 - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net).
29 
Dass die Mutter des Klägers ein solches exorbitantes Bußgeld sollte zahlen können, kann nicht einfach unter Hinweis darauf unterstellt werden, sie habe ja auch durch die damalige Finanzierung ihrer Ausreise und Einreise nach Deutschland eine entsprechende Finanzkraft demonstriert (in diesem Sinne zu einem solchen Fall aber . VG Bayreuth, U. v. 2.7.2013 - B 3 K 13.30042 -, UA S. 9; ebenso VG Augsburg, U. v. 28.1.2014 - Au 2 K 13.30246 -juris, Rdnr. 39). Denn sie ist hier schon 1999 nach Deutschland als junge Frau gekommen, lebt hier seitdem als Asylbewerberin bzw. abgelehnte Asylbewerbern, hat sich nach ihren plausiblen und glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung dem Heimatland China völlig entfremdet hat und dort allenfalls noch telefonisch Kontakt zu ihren über 70 Jahre alten Eltern hat und zudem keinen Kontakt mehr zum (im Grundsatz wohl auch nach chinesischem Familienrecht unterhaltsverpflichteten) Vater des Klägers. Sie hat wegen ihrer fehlenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Prozesskostenhilfe im vorliegenden Verfahren bewilligt bekommen. Von daher kann nicht davon ausgegangen werden, sie habe über die Jahre hinweg im Umfang von mehreren tausend bis zigtausend Euro Ersparnisse anhäufen können, aus denen sie nach einer Rückkehr in China die entsprechenden Bußgelder werde zahlen und so die mit der Ein-Kind-Regelung verbundenen Sanktionen werde abwenden können.
30 
Wird das Bußgeld aber nicht gezahlt, so ist eine „Legalisierung“ des unerlaubt geborenen Kindes nicht möglich mit der Folge, dass ohne die Geburtsregistrierung dann auch keine Haushaltsregistrierung (sog. „hukou“) erfolgt, ohne die dann wiederum ein solches „unerlaubtes Schwarzkind“ vom Recht auf Schulbesuch, auf Teilhabe an sozialen Leistungen und von der staatlichen Gesundheitsversorgung komplett ausgeschlossen wird (AA Lagebericht, China v. 18.6.2013 - II. 1.8. S. 25; Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 4 - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net; Immigration and Refugee Board of Canada, China - Family Planning Laws, v. 1.10.2012 - dort Ziff. 3.4 - unter www.ecoin.net und unter www.asyl.net - Asylmagazin 12/2012).
31 
Dass diese strengen Regelungen der Geburtenkontrolle im Zuge einer generellen Lockerung in der Praxis etwa nicht mehr so streng gehandhabt würden, lässt sich nicht feststellen. Nach alle oben zitierten sehr detaillierten Auskunftsquellen (siehe ergänzend auch ACCORD, Auskunft v. 29.1.2009 zum Thema China/Frauen/Ein-Kind-Politik; Rückkehr mit zwei Söhnen - unter www.ecoi.net) gilt - insbesondere auch für die Provinz Fujian, die Heimatprovinz der Mutter des Klägers, dass dort die Geburtenkontrollpolitik gegenüber alleinerziehenden, unverheirateten Müttern unehelicher Kinder trotz womöglich phasenweiser Lockerungen nach wie vor rigoros bis hin zum Einsatz von Mitteln wie Zwangssterilisierungen der Mütter, Zwangsabtreibungen oder massivem Druck zur „freiwilligen“ Abtreibung durchgesetzt wird. Auch wenn hier und da einzelne Beamte für solche nach chinesischem Recht inzwischen illegalen Maßnahmen zur Rechenschaft gezogen werden, kommt es doch nach allen vorliegenden Berichten „recht häufig [fairly frequently]“ bzw. „immer wieder“ zu solchen Eingriffen und Sanktionen (gerade jüngste Pressemeldungen zeigen deutlich, dass solche Eingriffe und Übergriffe in China durchaus „an der Tagesordnung“ sind - vgl. etwa spiegel-online, www.spiegel.de/politik/ausland vom 15.6.2012 und NZZ-online vom 15.7.2012 [www.nzz.ch/aktuell/ international/abtreibung-unter-zwang-1,17357004, wonach jüngst in der Provinz Shanxi Funktionäre eine Zwangsabtreibung bei einer im 7. Monat schwangeren 23 Jahr alten Chinesin vornahmen. Diesen Meldungen ist auch zu entnehmen, dass in jüngster Zeit nicht nur mehrere Bericht über Zwangsabtreibungen in China die dortige Öffentlichkeit erschütterten, sondern dass insbesondere auch Ende April 2012 in der Provinz Fujian Beamte ein ungeborenes Kind mit der Giftspritze töten ließen. Zwar wurde im Fall aus Shanxi eine Entschädigung zugesprochen und der Beamte suspendiert, eine strafrechtliche Aufarbeitung fehlte aber und das alles geschah auch nur auf Druck der Medien, nachdem der Kindesvater, der protestierte hatte, von den Behörden tagelang festgenommen worden war, und das von ihm im Internet veröffentlichte Foto seiner Frau mit dem toten Fötus Fall hohe Wellen schlug, die auch die chinesische Staatspropaganda nicht mehr ignorieren konnte. Auch der bekannte blinde chinesische Menschenrechtsanwalt Chen Guangcheng, der Frauen vertrat, die Opfer von Zwangsabtreibungen geworden war, und ihre Fälle zu Gericht brachte, wurde wegen dieses Engagements zu vier Jahren Haft verurteilt, nach der Haftzeit unter Hausarrest gestellt und wiederholt zusammengeschlagen, bis ihm jüngst im April 2012 spektakulär die Flucht in die amerikanische Botschaft gelang, von wo aus er schließlich in die USA ausreisen durfte [http://de.wikipedia.org/wiki/Chen-Guangchen]).
32 
Wenn aber schon solche Übergriffe auf die Mütter selbst demnach beachtlich wahrscheinlich sind, dann kann davon ausgegangen werden, dass erst recht die „bloßen“ Sanktionen einer Registrierungsverweigerung und die damit verbundenen massiven rechtlichen und sozialen Nachteile für die Kinder beachtlich wahrscheinlich sind. Davon geht nicht nur das Bundesamt im angegriffenen Bescheid selbst aus, sondern das ergibt sich auch aus dem jüngsten Lagebericht des Auswärtigen Amtes aus dem Jahr 2013.
33 
Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass der im Bundesgebiet aufgewachsene Kläger, der zeit seines Lebens nichts anderes als seine deutsche Umgebung gesehen hat, badischen Dialekt spricht, schulisch und sozial völlig in seinem deutschen Umfeld integriert ist und als dreizehnjähriger Schüler bislang eine gute Ausbildung genossen hat und nicht einmal wirklich gut Chinesisch sprechen kann, geschweige denn die komplexe chinesische Schrift beherrscht, sondern - mangels eines qualifizierten, grundlegenden Unterrichts, den auch seine Mutter nicht leisten kann - nicht Chinesisch schreiben und lesen kann. Er würde daher bei Rückkehr nach China seine schulische Bildung abbrechen müssen und sich ohne jede soziale Absicherung, ohne abgeschlossene Ausbildung, ohne Chinesischkenntnisse, ohne soziale Kontakte und vor allem mangels Geburtsregistrierung und Hukou-Registrierung als - rechtlich betrachtet - „Unperson“ bzw. „Nichtperson“ dort mit seiner Mutter durchschlagen müssen, ohne dabei auf Hilfe zurückgreifen zu können, da er selbst und auch seine Mutter nach so vielen Jahren im Ausland dort verständlicherweise außer den über 70-jährigen Eltern/Großeltern keine Bezugsperson mehr haben. Insoweit würde er nur eine Existenz unter den erbärmlichen Bedingungen fristen können, unter denen heutzutage in vielen Städten Chinas viele vom Land illegal dort hingekommene Wanderarbeiter leben müssen, die sich wie Sklavenarbeiter mit schlecht bezahlten Arbeiten auf den großen Baustellen in den aufstrebenden Städten ohne jede persönliche Rechte als Tagelöhner durchschlagen müssen.
34 
In ihrer Kumulation stellten aber die auf diese Weise vom chinesischen Staat für den Kläger als uneheliches Kind bewusst und gezielt verursachten Nachteile einen Verfolgungseingriff mit dem Gewicht einer schweren Menschenrechtsverletzung dar, wie sie vom Flüchtlingsbegriff vorausgesetzt wird (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2, sowie Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 6 AsylVfG in Verbindung mit Art. 9 Abs. 1a und Abs. 2 QRL [Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU]). Über bloße für sich genommen unerhebliche Diskriminierungen gehen solche Folgen weit hinaus, da sie das Leben des Betroffenen grundlegend entwerten. Insofern schließt sich das Gericht der Auffassung des VG Meiningen und des VG Trier an (VG Meiningen, U. v. 6.4.2011 - 8 K 20205/09.Me, juris; VG Trier, U. v. 23.3.2011 - 5 K 442/10.TR- , juris = InfAuslR 2011, 219 = Asylmagazin 7-8/2011, S. 243 und U. v. 11.7.2012 - 5 K 433/12.TR -, juris).
35 
Die grundlegende Verweigerung einer Geburtsregistrierung und zusätzlich einer Hukou-Registrierung, die im totalitär durchstrukturierten, bürokratisch durchorganisierten chinesischen Staat Grundlage für alle weiteren verwaltungsrechtlichen Rechtsanerkennungen (Umzug, Arbeit, Meldepflicht, Krankenhausleistung, Schulbesuch, Personalausweis) ist (siehe AA, Auskunft v. 8.6.2006 an VG Braunschweig und v. 11.4.2011 an VG Köln), grenzt den Betroffenen massiv aus der staatlich verfassten Friedensordnung aus, zwingt ihn so in die Illegalität und verletzt das grundlegende Menschenrecht auf Teilhabe an dieser gemeinschaftlichen Friedensordnung und auf Anerkennung als Rechtsperson (Art. 6 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte - UN Generalversammlung, Resolution 217/III v. 10.12.1948: Jedermann hat überall Anspruch auf Anerkennung als Rechtsperson; Art. 16 Internationaler Pakt über bürgerliche und private Rechte [IPbpR] v. 19.12.1966 - BGBl. 1973, II S. 1534: Jedermann hat das Recht, überall als rechtsfähig anerkannt zu werden, und Art. 24 Abs. 2 IPbpR: Jedes Kind muss unverzüglich nach seiner Geburt in ein Register eingetragen werden und einen Namen erhalten). Eine solche Ausgrenzung, wie sie durch die Verweigerung von Geburtsregistrierung und Hukou-Registrierung bewirkt wird, kommt somit in ihren verwaltungstechnischen Folgen einer Ausbürgerung nahe, deren Charakter als Verfolgungseingriff von ausreichender menschenrechtsverletzender Intensität anerkannt ist (BVerwG, U. v. 26.2.2009 - 10 C 50.07 - AuAS 2009, 175 = ZAR 2009,319 = BVerwGE 333,203).
36 
Dass es nach Auskunft des Auswärtigen Amtes zeitweise möglich sein kann, auch länger Behördenkontakt zu vermeiden und sich illegal in einer chinesischen Stadt aufzuhalten, und dass auch gefälschte Unterlagen und Personalausweise in China erhältlich sind (siehe AA, Auskunft v. 8.6.2006 an VG Braunschweig), ist dabei unbeachtlich, denn ein Leben in der Illegalität darf flüchtlingsrechtlich niemandem als Alternative zum Verfolgungsschutz angesonnen werden (so BVerwG, U. v. 1.2.2007 - 1 C 24.06 - AuAS 2007, 68 = juris zur Unzumutbarkeit einer inländischen Fluchtalternative, wenn nur ein Leben in der Illegalität unter der dauernder Gefahr polizeilicher Kontrollen und Strafsanktionen möglich ist).
37 
Diese Verfolgungsmaßnahme in Form einer Rechtlosstellung knüpft auch an ein flüchtlingsrechtlich relevantes Merkmal des Klägers an, nämlich an seine uneheliche, unerlaubte Geburt, und damit an seine Zugehörigkeit zu der sozialen „Gruppe der illegal geborenen nichtehelichen chinesischen Kinder“ (§§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3a Abs.3, 3b Abs. 1 Nr. 4a) und b). Diese Gruppe ist sozial klar definiert und erkennbar und von der übrigen Gesellschaft abgrenzbar und wird von der Bevölkerung auch als solche wahrgenommen. Die Anknüpfung der Sanktion an die Zugehörigkeit zu dieser Gruppe macht den Kläger gewissermaßen für sein So-Sein haftbar, indem sie ihm wegen seines für ihn unabänderlichen, irreversiblen und unvertretbaren Persönlichkeitsmerkmals seiner unehelichen Geburt Nachteile bereitet. Damit macht ihn die Sanktion nicht für eigenes Verhalten verantwortlich, sondern für das Verhalten Dritter, nämlich seiner Eltern, für das er naturgemäß nichts kann. Das aber wiederum ist genauso willkürlich und diskriminierend, wie eine an die Hautfarbe oder ethnische Volkszugehörigkeit anknüpfende Sanktion. Der „Geburtsmakel“ der unehelichen Geburt ist dem Kläger angeboren. Nichteheliche Kinder werden in China auch (i.S.d. § 3b Abs. 1 Nr. 4 b AsylVfG) von der Gesellschaft auch als andersartig betrachtet, nämlich sozial stigmatisiert und werden nach wie vor durch die insoweit mit tief verwurzelten Vorurteilen behaftete chinesische Gesellschaft mit Mitleid und Verachtung betrachtet (so ausführlich mit Quellenangaben Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 2 - 6 [Ziff. 2 A, B und Ziff. 3 sowie Ziff. 5] - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net).
38 
Dem lässt sich entgegen der im angefochtenen Bescheid aber auch in der überwiegenden verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung vertretenen Ansicht nicht entgegenhalten, bei diesen Sanktionen (gleich ob sie die nichtehelichen Mütter mit Zwangsabtreibungen, bzw. die Mütter und Väter mit Zwangssterilisationen oder -adoptionen oder aber die -unerlaubten, überflüssigen - Kinder mit den dargestellten Formen der Rechtlosstellung treffen) handle es sich nicht um eine Verfolgung, die an das Persönlichkeitsmerkmal der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe anknüpfe. Die chinesische Geburtenkontrollpolitik und die oben genannten gesetzlichen Regelungen des Bevölkerungs- und Familienplanungsgesetzes allgemein, finde nämlich gleichermaßen und ohne jede weitere Differenzierung auf alle chinesischen Staatsbürger Anwendung und dieses allgemeine Gesetz verfolge insoweit eben gerade nicht das Ziel der Diskriminierung einer bestimmten Bevölkerungsgruppe (etwa einer Minderheitengruppe wie der Tibeter oder Uiguren). Vielmehr ziele es lediglich darauf ab, ganz allgemein die Geburtenrate aller Chinesen im Blick auf das Bevölkerungswachstum in diesem sehr bevölkerungsreichen Land einzugrenzen, um so soziale und wirtschaftliche Missstände zu vermeiden, die andernfalls mit einer zunehmenden Überbevölkerung einhergingen (siehe dazu die Rechtsprechungsübersicht bei VG Würzburg, B. v. 28.8.2013 - W 6 S 13.30278 -, juris, Rdnr. 14; siehe auch die Rechtsprechungsnachweise der in diesem Sinne urteilenden obergerichtlichen Rechtsprechung des BayVGH, des OVG NRW und des NdsOVG bei VG Augsburg, U. v. 28. 1.2014 - Au 2 K 13.30246 -, juris, Rdnr. 36 und 37).
39 
Diese Auffassung greift indessen zu kurz, weil sie lediglich das politische, für sich genommen legitime Fernziel einer Kontrolle des Bevölkerungswachstums in den Blick nimmt und sich dadurch den Blick auf die zur Erreichung dieses Ziels in China angewendeten menschenrechtswidrigen Zwangsmethoden der Ausgrenzung verstellt. Die Methoden der Kontrolle des Bevölkerungswachstums beschränken sich nämlich gerade nicht auf menschenrechtlich unbedenkliche Methoden wie Aufklärung, Bereitstellung von Mitteln zur Empfängnisverhütung, Einführung von Rentenversicherungsmodellen um den Anreiz für möglichst viele Kinder zu nehmen, Einführung von Bildung für Frauen, Modelle finanzieller/steuerlicher Anreize bei geringer Kinderzahl etc. Vielmehr verletzen sie das durch alle Menschenrechtspakte geschützte grundlegende Recht aller Menschen, eine Familie zu gründen, nämlich Kinder zu haben, und dabei als freie Menschen in eigener wirtschaftlicher und sozialer Verantwortung die Zahl ihrer Kinder selbst zu bestimmen (siehe Art. 16 Nr. 1 S. 1 und Nr.3 AEMR, Art. 23 Abs. 1 und Abs. 2 des - auch von China gezeichneten - IPbpR, Art. 12 EMRK, Art. 6 GG). Dieses grundsätzlich anerkannten Menschenrecht schützt das dem Menschsein innewohnende Grundbedürfnis nach Reproduktion (ausführlich dazu Saona, „The Protection of Reproductive Rights under International Law: The Bush Administration´s Policy Shift and China´s Family Planning Activities“, Pacific Rim Law & Policy Journal,. Volume 13 No.1, January 2004, page 229 [236, 239, 253, 254] - im internet unter google auffindbar; siehe ferner Mückl in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, 2010, Bandd VI/1, Europäische Grundrechte, § 141 „Ehe und Familie“ -, S. 191 [196, 206, 208). Mit Zwangssterilisationen, Zwangsadoptionen, Zwangsabtreibungen usw. wird die „Gruppe derjenigen Chinesen getroffen, die dieses Menschenrecht auf Familiengründung und Reproduktion ausüben“. Ihnen wird die (weitere) Ausübung dieses Grundrechts schon biologisch-physisch unmöglich gemacht bzw. die Rechtsausübung wird durch die Rechtlosstellung der in Ausübung des Grundrechts geborenen Kinder sanktioniert, obwohl dieses Menschenrecht keinem spezifischen Schrankenvorbehalt unterliegt, der solche Eingriffe rechtfertigen könnte (siehe dazu Mückl, a.a.O. Handbuch der Grundrechte, S. 208, wonach etwa eine Zwangssterilisation/Kastration nur in sehr engen Grenzen gerechtfertigt sein könnte, etwa im Rahmen von § 1905 BGB oder zum Schutz der Allgemeinheit vor gefährlichen Sexualverbrechern; siehe ferner General Comment des Ausschusses für Menschenrechte zum IPbpR, Nr. 19 [39] zu Art. 23 IPbpR vom 24.7.1990 - Unterziffer 2 und 4, sowie insbes. 5, wonach eine Politik der Familienplanung mit den Bestimmungen des Paktes verträglich und insbesondere weder diskriminierend „noch zwangsmäßig“ sein darf; beide Quellen im internet unter google auffindbar). Mit anderen Worten, die Ein-Kind-Politik knüpft an das So-Sein, nämlich an das „Eltern-Sein“ an bzw. an ein Verhalten an, auf das zu verzichten dem Einzelnen deswegen nicht zugemutet werden kann, weil es sich um ein menschenrechtlich geschütztes Verhalten handelt, er sich also so verhalten darf. Die Verfolgung steht damit der Verfolgung in Anknüpfung an eine politische oder religiöse Überzeugung oder an eine sexuelle Orientierung und Präferenz gleich, bei der es nicht um ein angeborenes Merkmal geht, sondern darum, dass das Haben-Dürfen und Äußern-Dürfen einer solchen Überzeugung oder Präferenz als menschenrechtlich geschütztes Verhalten rechtlich keinen tauglichen Anknüpfungspunkt für Sanktionen darstellen darf. Gibt es aber insoweit keinen solchen legitimationskräftigen Anknüpfungspunkt, so stellt es eine Diskriminierung dar, gleichwohl daran anzuknüpfen. Vor einer Verletzung des Diskriminierungsverbots schützt aber der Flüchtlingsbegriff mit seiner Aufzählung insoweit nicht legitimationskräftiger persönlicher Merkmale, an die Verfolgung nicht anknüpfen darf (zum Schutz des So-Seins und So-Sein-Dürfens als Kern des Verfolgungsmerkmals der sozialen Gruppenzugehörigkeit und zu dem dabei anzuwendenden internationalen Menschenrechtsstandard als Maßstab: GK-AufenthG, II - § 60 AufenthG, Rdnr. 18). Wie bei allen flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgungen geht es auch bei der Ein-Kind-Politik letzten Endes um die Unterdrückung von menschenrechtlich grundlegend geschützten Lebensäußerungen, nämlich hier eine Familie zu gründen und Nachwuchs zu zeugen.
40 
Insofern knüpft auch die Ein-Kind-Politik mit ihrem Übergriff auf das Menschsein selbst, zu dem auch das Familie- und Elternsein zählt, an ein „Merkmal“, das „so bedeutsam für die Identität“ als Mensch ist, dass der Betroffene (rechtlich betrachtet) „nicht gezwungen werden sollte, darauf zu verzichten“. Damit stellt sie im Sinne von § 3 b Abs. 1 Nr. 4 a) AsylVfG eine Verfolgung in Anknüpfung an die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe dar.
41 
Daran ändert es nichts, dass selbstverständlich das Verfolgungsmerkmal eine Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe nicht schon dann vorliegt, wenn die alleinige Gemeinsamkeit der Gruppe darin besteht, dass die Gruppenmitglieder gegen ein Gesetz verstoßen und deshalb sanktioniert werden (dazu GK-AufenthG, II- § 60 AufenthG, Rdnr. 171), dass also beispielweise die Ahndung von Trunkenheitsfahrten im Straßenverkehr natürlich nicht eine Verfolgung wegen Zugehörigkeit zur „Gruppe der das Alkoholverbot im Straßenverkehr missachtenden“ Menschen darstellt. Denn das Fahren unter Alkohol stellt - im Unterschied zur Gründung einer Familie und zum Kinderhabendürfen - eben keine rechtlich Ausübung eines anerkannten grundlegenden Menschenrechts dar, sondern allenfalls eine Ausübung der allgemeinen Handlungsfreiheit, auf die im konkreten Fall zu verzichten schon wegen der Gefahren für die Menschenrechte Dritter dem Betreffenden wegen der entsprechenden Schrankenvorbehalte ohne weiteres rechtlich zugemutet werden kann (so knüpft etwa auch die strafrechtliche Sanktionierung der Pädophilie nicht an das Merkmal der Zugehörigkeit zur Gruppe der Pädophilen an, sondern an deren menschenrechtlich nicht geschütztes, sondern vielmehr Grundrechte Dritter verletzendes rechtswidriges Verhalten - siehe GK-AufenthG, II - § 60 AufenthG, Rdnr. 184; siehe auch § 3 b Abs. 1 nr. 4 b) AsylVfG: „Eine soziale Gruppe kann auch eine sein, die sich auf das gemeinsame Merkmal der sexuellen Orientierung gründet; Handlungen, die nach deutschem Recht als strafbar gelten, fallen nicht darunter“).
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Für die Richtigkeit dieser Ansicht spricht, dass mit eben dieser Begründung von den Gerichten anderer Aufnahmestaaten, wie etwa Kanada oder USA, die chinesische Ein-Kind-Politik mit ihren Sanktionen als flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe durchaus anerkannt wird (siehe dazu die Fundstellennachweise in GK-AufenthG, II - § 60 AufenthG, Rdnr. 197; siehe auch die ausführlichen juristischen Erwägungen zum - bejahten - Merkmal der Verfolgung wegen sozialer Gruppenzugehörigkeit im Urteil des Supreme Court of Canada, Judgment v. 10.10.1995 - [1995] - 3 SCR 593 - Chan./. Canada , unter http://scc-csc.lexum.com/scc-csc/scc-csc/en/item/1299/indes.do - dort insbes. Rdnrn. 50, 82, 88).
43 
Diejenigen deutschen Verwaltungsgerichte, welche die chinesische Ein-Kind-Politik auch als flüchtlingsrelevante Verfolgung einstufen, haben dies ohne lange Diskussion getan und als geradezu selbstverständlich angenommen, dass eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe, der „von den Exzessen der Familienplanungspolitik in China spezifisch betroffenen Frauen“ (so VG Bremen, U. v. 5.6.2012 - 6 K 3664/07.A -, juris Rdnr. 21) vorliegt, bzw. eine Zwangssterilisation als zweifelsfrei „geschlechtsspezifische Verfolgung der sozialen Gruppe der Frauen“ eingestuft (so VG Trier, U. v. 23.3.2011 - 5 K 442/10.TR -, juris Rdnr. 18) bzw. ganz generell darin eine „diskriminierende“ justizielle/administrative Maßnahme gesehen (VG Meiningen, U. v. 6.4.2011 - 8 K 20205/09 Me-, juris). Schließlich behandelt auch der Lagebericht des Auswärtigen Amtes die chinesische Ein-Kind-Politik wie selbstverständlich und ohne weitere Begründung unter der Überschrift „geschlechtsspezifische Verfolgung“.
44 
Soweit das Bundesamt im angefochtenen Bescheid schließlich die Ansicht vertritt, die chinesische Ein-Kind-Politik sei zwar befremdlich und mit dem Standard des Grundgesetzes unvereinbar, es sei aber nicht Aufgabe des Asylrechts, die Ordnung des Grundgesetzes in anderen Staaten durchzusetzen, weshalb die chinesische Ein-Kind-Politik keine flüchtlingsrechtlich anzuerkennende Verfolgung darstelle, stellt dies kein durchgreifendes Gegenargument gegen die oben dargelegte Ansicht dar. Denn Aufgabe des Asylrechts bzw. Flüchtlingsrechts ist es ohnehin nicht, eine bestimmte Rechtsordnung anderen Staaten „aufzuzwingen“ oder sie dort „durchzusetzen“, sondern lediglich einem Menschen, der in einem anderen Staat nach den Maßstäben international anerkannter Menschenrechtsstandards nicht mehr leben kann, weil er dort durch eine grundlegende Menschenrechte schwerwiegend verletzende Verfolgung - wie hier die Ein-Kind-Politik - aus der staatlich verfassten Friedensordnung ausgegrenzt und zur Flucht getrieben wird, eine neue Heimat durch Aufnahme in die staatliche Friedensordnung des Aufnahmestaates zu gewähren (so auch das BVerwG in der vom Bundesamt insoweit nur unvollständig zitierten Entscheidung U. v. 18.2.1986 - 9 c 104/85 -, juris Rdnr. 21 = InfAuslR 86, 189; dazu, dass damit keine „Diskriminierung fremder Rechtsordnungen“ verbunden ist und dass begriffsnotwendig zwischen dem Aufnahmestaat und dem Verfolgerstaat nach dem Konzept des Asylrechts ein Unterschied in den rechtlich respektierten Maßstäben besteht: GK-AufenthG, II - § 60 AufenthG, Rdnr. 185 und GK-AuslG, § 53 AuslG (a.F.), Rdnrn. 97 und 98 m.w.Nw.; siehe auch Art. 14 Nr. 1 AEMR, wonach es das Recht eines Menschenrecht ist, in anderen Ländern vor Verfolgungen Asyl zu suchen und zu genießen, was wiederum bedeutet, dass die Asylgewährung dem Verfolgerstaat gegenüber gerade kein völkerrechtswidriger Akt der Einmischung in seine Personalhoheit darstellt).
45 
Die Kostenentscheidung folgt aus §3 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylVfG.

Gründe

 
16 
Die zulässige Klage ist bereits mit dem Hauptantrag begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Er hat Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 113 Abs. 1 S. 1 und Abs. 5 S. 1 VwGO).
17 
Das Bundesamt ist (a) aufgrund des Folgeantrags des Klägers gem. § 71 Abs. 1 S. 1 AsylVfG i.V.m. § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG verpflichtet, ein weiteres Asylverfahren durchzuführen und (b) dem Kläger in diesem Zusammenhang die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen (§§ 1 Abs. 1 Nr. 2 , 3 Abs. 1 und Abs. 4 AsylVfG).
18 
(a) Die Sach- und Rechtslage hat sich nämlich gegenüber der dem Erstbescheid zugrundeliegenden Sach- und Rechtslage geändert. Die im Folgeantrag genannten, vom VG Meiningen seiner Entscheidung zugrunde gelegten Auskünfte des Auswärtigen Amtes bzw. von amnesty international vom 22.7. bzw. 2.8.2010 belegen die konkrete Praxis in China bezüglich der Anwendung des mit diesen Sonderregelungen überhaupt erst zum 1.9.2002 in Kraft getretenen „Bevölkerungs- und Familienplanungsgesetzes“ insbesondere auch hinsichtlich der Bußgeld- und Registrierungspraxis, die womöglich eine andere Bewertung des Asylgesuchs erfordern, als noch zur Zeit des Erstantrags, bei dessen Behandlung diese Fragen seinerzeit weder vom Kläger noch etwa von Amts wegen vom Bundesamt thematisiert worden waren.
19 
Die Mutter des Klägers als dessen gesetzliche Vertreterin war auch ohne grobes Verschulden außerstande, den Wiederaufgreifensgrund in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen (§ 51 Abs. 2 VwVfG). Denn zu diesem Zeitpunkt mochte sie, weil sie noch Kontakt zum Kindesvater hatte, noch die Hoffnung gehabt haben, den Kindsvater zu ehelichen und so die Unehelichkeit des Klägers zu beenden. Von daher kann ihr nicht zum Vorwurf gemacht werden, im Asylantrag für den Kläger die chinesische Familienplanungspolitik, die unter anderem uneheliche Kinder betrifft, nicht als Asylgrund geltend gemacht zu haben. Sie hat auch mit dem Folgeantrag, den sie für den Kläger gestellt hat, die Drei-Monatsfrist des § 51 Abs. 3 VwVfG eingehalten. Auch wenn die Entscheidung des VG Meiningen und die dort zitierten Auskünfte schon aus den Jahren 2011 bzw. 2010 stammen, hat sie doch glaubhaft gemacht, dass sie erst bei ihrer Vorsprache beim Diakonischen Werk am 16.8.2012 davon Kenntnis erlangt hat. Gleich am 22.8.2012, also innerhalb der ab diesem Zeitpunkt dann laufenden Dreimonatsfrist, hat sie dann den Folgeantrag für den Kläger gestellt.
20 
(b) Der mithin zu prüfende Folgeantrag ist auch begründet. Dem Kläger ist Flüchtling im Sinne des Art. 1 A Ziff. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK - Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.7.1951 - BGBl. 1953 II S. 559, 560). Denn er befindet sich gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 a AsylVfG aus begründeter Furcht vor einer Verfolgung wegen Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der unter Verstoß gegen die Regelungen der chinesische Ein-Kind-Politik geborenen chinesischen Kinder außerhalb seines Heimatstaates China, dessen Schutz er wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Gemäß § 3 Abs. 4 AsylVfG ist ihm deshalb die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
21 
Nach wie vor gilt in China die sogenannte Ein-Kind-Politik, nämlich das oben erwähnte „Bevölkerungs- und Familienplanungsgesetz“ vom 1.9.2002 (siehe AA Lagebericht China v. 18.6.2013 - II. 1.8. S. 24). Danach darf eine Frau ein einziges Kind bekommen und auch das nur, wenn sie - anders als hier die Mutter des Klägers - verheiratet ist. Ein verheiratetes Paar muss insoweit eine bestimmte Altersgrenze überschritten haben und vor der Geburt eine Geburtsgenehmigung eingeholt haben, weil Männer erst mit 22 Jahren und Frauen erst mit 20 Jahren heiraten dürfen (Art. 6 des chinesischen Heiratsgesetzes - siehe Refugee Documentation Centre (Ireland) - Legal Aid Board - Auskunft v. 14.10.2011 - unter www.ecoi.net und www.asyl.net -dort unter Länderinformationen/China).
22 
Auch wenn in jüngster Zeit Rufe nach einer Abschaffung der Ein-Kind-Politik immer lauter und drängender geworden sein mögen (siehe BayVGH, B. v. 9.9.2013 - 2 ZB 13.30255 - juris, Rdnr. 9 und VG Bayreuth, U. v. 2.7.2013 - B 3 K 13.30042 - UAS. 5 unter Verweis auf DIE ZEIT-online http://www.zeit.de/politik/ausland/2012-10/China-ein-kind-politik-reform, wonach ein „regierungsnahes Forschungsinstitut“ in China die schrittweise Abschaffung dieser Politik bis 2015 „gefordert“ habe; siehe insoweit auch www.zeit.de/wissen/2013-01/china-ein-kind-politik-studie - schon vom 11.1.2013 - zu den negativen psycho-sozialen Auswirkungen der Ein-Kind-Politik und Berichten chinesischer Medien, wonach die Regierung diese „schrittweise abschaffen wolle“), bedeutet dies (noch) nicht, dass diese Regelungen im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der heutigen mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 S. 1 AsylVfG) nicht mehr gelten, weil sie etwa oder förmlich bzw. de-facto abgeschafft sind oder nicht mehr praktiziert würden (so auch Amnesty international - Auskunft v. 15.1.2014 an VG Augsburg, wonach eine Reform der Ein-Kind-Politik vom Dezember 2013 regelt, dass künftig Paare, bei denen ein Partner Einzelkind ist, zwei Kinder haben können, ansonsten aber die Geburtenkontrollpolitik nicht aufgehoben worden sei). Dafür, dass in allernächster Zukunft diese Regelungen außer Kraft gesetzt würden, ist also kein Anhaltspunkt vorhanden. Entsprechende Spekulationen zum Nachteil des Klägers verbietet sich von daher.
23 
Ausnahmen von der Ein-Kind-Regelung - die im vorliegenden Fall allerdings nicht einschlägig sind - betreffen verheiratete Paare auf dem Lande, denen ein Zweitkind zugestanden wird, wenn das erste Kind ein Mädchen ist (siehe AA Lagebericht China v. 18.6.2013 - II. 1.8. S. 24; siehe zu speziellen Ausnahmeregelungen der Familienplanungsvorschriften für verheiratete Paare und obendrein für verheiratete Paare auf dem Land in der Provinz Fujian, aus der die Klägerin stammt, die detailreichen Angeben in: Immigration and Refugee Board of Canada, China - Family Planning Laws, v. 1.10.2012 - dort Ziff. 2.2.2 - unter www.ecoin.net und unter www.asyl.net - Asylmagazin 12/2012 bzw. in www.asyl.net unter Länderinformationen/China).
24 
Die Geburtenkontrollpolitik gilt im Grundsatz auch für Chinesen, die im Ausland leben und dort Kinder bekommen. Wer im Ausland als Kind chinesischer Eltern geboren wird, ist nach Art. 5 des chinesischen Staatsangehörigkeitsgesetzes auch chinesischer Staatsangehöriger, es sei denn die beiden Elternteile haben sich dauerhaft im Ausland niedergelassen oder einer von ihnen hat eine ausländische Staatsangehörigkeit angenommen. Informationen, dass dies bei nicht-ehelichen Kindern und solchen, die unter Verstoß gegen die Geburtenkontrollreglungen geboren wurden, finden sich insoweit nicht. Auch wenn es keine ausdrückliche Regelung gibt, dass Auslandschinesen eine Geburtserlaubnis bei der chinesischen Botschaft im Aufenthaltsstaat einholen müssen, ist doch die dokumentierte Einholung eines Rates der nächstgelegenen Botschaft angezeigt, da ein solcher Nachweis nach Rückkehr für die Haushaltsregistrierung (Hukou) verlangt werden kann. Grundsätzlich können auch Auslandschinesen wegen einer nach den genannten Regeln unerlaubten Geburt eines Kindes im Ausland zu einer Bußgeldzahlung herangezogen werden (so Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 8 - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net).
25 
Sonderregelungen für Auslandsrückkehrer in der Provinz Fujian - aus der die Mutter des Klägers stammt -, die sicherstellen, dass diese ihre im Ausland außerhalb der Geburtenkontrollregelungen geborenen Kinder registrieren können und dass diese auch sonst keine Nachteile erfahren, gibt es nicht (so jüngst Amnesty International, Auskunft v. 15.1.2014 an VG Augsburg; siehe im Übrigen BayVGH , B. v. 9.9.2013 - 2 ZB 13.30255 - juris, Rdnr. 10 und VG Arnsberg, U. v. 7-3.2013, wonach es in der Provinz Fujian eine Sonderregelung gebe, die einem verheirateten Auslandsrückkehrpaar ein zweites Kind erlaube; das VG Bayreuth, U. v. 2.7.2013 - B 3 K 13.30042 -, UA S. 9 verweist hierzu auf eine Auskunft von ai an VG Trier vom 18.4.2011 wonach Auslandsrückkehrern in Fujinan ein zweites Kind erlaubt sei- damit sind aber wohl im Grundsatz auch nur verheiratete Paare gemeint). Aus anderen Auskünften ergibt sich auch nur, dass Auslandsrückkehrer nur dann keine Sanktionen wegen Verstößen gegen die Geburtenkontrollpolitik befürchten müssen, wenn - anders als im vorliegenden Fall der Mutter des Klägers als abgelehnter Asylbewerberin ohne Ausbildung und Berufstätigkeit in Deutschland - an ihrer Rückkehr wegen ihrer Ausbildung und Wirtschaftskraft ein Interesse des chinesischen Staates besteht, bzw. eine Wiedereinreise nach China Frauen nur im schwangeren Zustand erlauben, wenn das andere Kind permanent im Ausland lebt (OVG Saarland, U. v. 20.10.1999 - 9 R 24/98 - UA S. 29 unter Verweis auf Scharping, Auskunft v. 25.3.1999 an VG Leipzig; ferner ai, Auskunft v. 4.6.2002 an VG Köln und Auskunft v. 21.4.2011 an VG Trier, sowie Scharping, Auskunft v. 28.10.1999 an VG Leipzig; siehe auch Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 1, 2 - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net -, wonach Auslandschinesen nur bei dauerhaftem Wohnsitz im Ausland bzw. nur dann nicht, wenn sie im Ausland studiert haben, unter die Ein-Kind-Regelung fallen, also zwei Kinder haben dürfen, wonach aber nicht eindeutig klar sei, dass dies auch für einzelne nicht-eheliche unerlaubte „Schwarzkinder“ gelte; zu einer tatsächlich durchgeführten Zwangssterilisierung einer aus dem Ausland in die Provinz Fujian mit zwei Kindern zurückkehrenden Chinesin im Jahr 2010 - siehe ai- Auskunft v. 15.1.2014 an VG Arnsberg).
26 
Unterfällt nach allem der Kläger als das nichtehelich geborene Kind einer (Auslands-) Chinesin den genannten Regeln, so stellt sich seine Geburt nicht nur als formell unerlaubt, sondern als nicht genehmigungsfähig mit der Folge dar, dass sie als solche auch nicht registriert wird.
27 
Auch wenn das chinesische Gesetz selbst die Gleichstellung von ehelichen und nicht-ehelichen Kindern ausdrücklich gebietet und Diskriminierung insoweit eindeutig verbietet (Art. 19 des Heiratsgesetzes - siehe dazu Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 4 - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net), knüpfen doch die Geburtenkontrollregelungen empfindliche Nachteile an den Umstand der unerlaubten nichtehelichen Geburt:
28 
Eine nichteheliche Mutter muss nämlich ein extrem hohes Bußgeld im Umfang von vier bis sechs Jahresdurchschnittsgehältern zahlen (so zur Regelung in der Provinz Fujian, aus der die Mutter des Klägers stammt Immigration and Refugee Board of Canada, China - Family Planning Laws, v. 1.10.2012 - dort Ziff. 2.2.2 und 2.2. - unter www.ecoin.net und unter www.asyl.net - Asylmagazin 12/2012; ebenso Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 1, 2 - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net).
29 
Dass die Mutter des Klägers ein solches exorbitantes Bußgeld sollte zahlen können, kann nicht einfach unter Hinweis darauf unterstellt werden, sie habe ja auch durch die damalige Finanzierung ihrer Ausreise und Einreise nach Deutschland eine entsprechende Finanzkraft demonstriert (in diesem Sinne zu einem solchen Fall aber . VG Bayreuth, U. v. 2.7.2013 - B 3 K 13.30042 -, UA S. 9; ebenso VG Augsburg, U. v. 28.1.2014 - Au 2 K 13.30246 -juris, Rdnr. 39). Denn sie ist hier schon 1999 nach Deutschland als junge Frau gekommen, lebt hier seitdem als Asylbewerberin bzw. abgelehnte Asylbewerbern, hat sich nach ihren plausiblen und glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung dem Heimatland China völlig entfremdet hat und dort allenfalls noch telefonisch Kontakt zu ihren über 70 Jahre alten Eltern hat und zudem keinen Kontakt mehr zum (im Grundsatz wohl auch nach chinesischem Familienrecht unterhaltsverpflichteten) Vater des Klägers. Sie hat wegen ihrer fehlenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Prozesskostenhilfe im vorliegenden Verfahren bewilligt bekommen. Von daher kann nicht davon ausgegangen werden, sie habe über die Jahre hinweg im Umfang von mehreren tausend bis zigtausend Euro Ersparnisse anhäufen können, aus denen sie nach einer Rückkehr in China die entsprechenden Bußgelder werde zahlen und so die mit der Ein-Kind-Regelung verbundenen Sanktionen werde abwenden können.
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Wird das Bußgeld aber nicht gezahlt, so ist eine „Legalisierung“ des unerlaubt geborenen Kindes nicht möglich mit der Folge, dass ohne die Geburtsregistrierung dann auch keine Haushaltsregistrierung (sog. „hukou“) erfolgt, ohne die dann wiederum ein solches „unerlaubtes Schwarzkind“ vom Recht auf Schulbesuch, auf Teilhabe an sozialen Leistungen und von der staatlichen Gesundheitsversorgung komplett ausgeschlossen wird (AA Lagebericht, China v. 18.6.2013 - II. 1.8. S. 25; Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 4 - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net; Immigration and Refugee Board of Canada, China - Family Planning Laws, v. 1.10.2012 - dort Ziff. 3.4 - unter www.ecoin.net und unter www.asyl.net - Asylmagazin 12/2012).
31 
Dass diese strengen Regelungen der Geburtenkontrolle im Zuge einer generellen Lockerung in der Praxis etwa nicht mehr so streng gehandhabt würden, lässt sich nicht feststellen. Nach alle oben zitierten sehr detaillierten Auskunftsquellen (siehe ergänzend auch ACCORD, Auskunft v. 29.1.2009 zum Thema China/Frauen/Ein-Kind-Politik; Rückkehr mit zwei Söhnen - unter www.ecoi.net) gilt - insbesondere auch für die Provinz Fujian, die Heimatprovinz der Mutter des Klägers, dass dort die Geburtenkontrollpolitik gegenüber alleinerziehenden, unverheirateten Müttern unehelicher Kinder trotz womöglich phasenweiser Lockerungen nach wie vor rigoros bis hin zum Einsatz von Mitteln wie Zwangssterilisierungen der Mütter, Zwangsabtreibungen oder massivem Druck zur „freiwilligen“ Abtreibung durchgesetzt wird. Auch wenn hier und da einzelne Beamte für solche nach chinesischem Recht inzwischen illegalen Maßnahmen zur Rechenschaft gezogen werden, kommt es doch nach allen vorliegenden Berichten „recht häufig [fairly frequently]“ bzw. „immer wieder“ zu solchen Eingriffen und Sanktionen (gerade jüngste Pressemeldungen zeigen deutlich, dass solche Eingriffe und Übergriffe in China durchaus „an der Tagesordnung“ sind - vgl. etwa spiegel-online, www.spiegel.de/politik/ausland vom 15.6.2012 und NZZ-online vom 15.7.2012 [www.nzz.ch/aktuell/ international/abtreibung-unter-zwang-1,17357004, wonach jüngst in der Provinz Shanxi Funktionäre eine Zwangsabtreibung bei einer im 7. Monat schwangeren 23 Jahr alten Chinesin vornahmen. Diesen Meldungen ist auch zu entnehmen, dass in jüngster Zeit nicht nur mehrere Bericht über Zwangsabtreibungen in China die dortige Öffentlichkeit erschütterten, sondern dass insbesondere auch Ende April 2012 in der Provinz Fujian Beamte ein ungeborenes Kind mit der Giftspritze töten ließen. Zwar wurde im Fall aus Shanxi eine Entschädigung zugesprochen und der Beamte suspendiert, eine strafrechtliche Aufarbeitung fehlte aber und das alles geschah auch nur auf Druck der Medien, nachdem der Kindesvater, der protestierte hatte, von den Behörden tagelang festgenommen worden war, und das von ihm im Internet veröffentlichte Foto seiner Frau mit dem toten Fötus Fall hohe Wellen schlug, die auch die chinesische Staatspropaganda nicht mehr ignorieren konnte. Auch der bekannte blinde chinesische Menschenrechtsanwalt Chen Guangcheng, der Frauen vertrat, die Opfer von Zwangsabtreibungen geworden war, und ihre Fälle zu Gericht brachte, wurde wegen dieses Engagements zu vier Jahren Haft verurteilt, nach der Haftzeit unter Hausarrest gestellt und wiederholt zusammengeschlagen, bis ihm jüngst im April 2012 spektakulär die Flucht in die amerikanische Botschaft gelang, von wo aus er schließlich in die USA ausreisen durfte [http://de.wikipedia.org/wiki/Chen-Guangchen]).
32 
Wenn aber schon solche Übergriffe auf die Mütter selbst demnach beachtlich wahrscheinlich sind, dann kann davon ausgegangen werden, dass erst recht die „bloßen“ Sanktionen einer Registrierungsverweigerung und die damit verbundenen massiven rechtlichen und sozialen Nachteile für die Kinder beachtlich wahrscheinlich sind. Davon geht nicht nur das Bundesamt im angegriffenen Bescheid selbst aus, sondern das ergibt sich auch aus dem jüngsten Lagebericht des Auswärtigen Amtes aus dem Jahr 2013.
33 
Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass der im Bundesgebiet aufgewachsene Kläger, der zeit seines Lebens nichts anderes als seine deutsche Umgebung gesehen hat, badischen Dialekt spricht, schulisch und sozial völlig in seinem deutschen Umfeld integriert ist und als dreizehnjähriger Schüler bislang eine gute Ausbildung genossen hat und nicht einmal wirklich gut Chinesisch sprechen kann, geschweige denn die komplexe chinesische Schrift beherrscht, sondern - mangels eines qualifizierten, grundlegenden Unterrichts, den auch seine Mutter nicht leisten kann - nicht Chinesisch schreiben und lesen kann. Er würde daher bei Rückkehr nach China seine schulische Bildung abbrechen müssen und sich ohne jede soziale Absicherung, ohne abgeschlossene Ausbildung, ohne Chinesischkenntnisse, ohne soziale Kontakte und vor allem mangels Geburtsregistrierung und Hukou-Registrierung als - rechtlich betrachtet - „Unperson“ bzw. „Nichtperson“ dort mit seiner Mutter durchschlagen müssen, ohne dabei auf Hilfe zurückgreifen zu können, da er selbst und auch seine Mutter nach so vielen Jahren im Ausland dort verständlicherweise außer den über 70-jährigen Eltern/Großeltern keine Bezugsperson mehr haben. Insoweit würde er nur eine Existenz unter den erbärmlichen Bedingungen fristen können, unter denen heutzutage in vielen Städten Chinas viele vom Land illegal dort hingekommene Wanderarbeiter leben müssen, die sich wie Sklavenarbeiter mit schlecht bezahlten Arbeiten auf den großen Baustellen in den aufstrebenden Städten ohne jede persönliche Rechte als Tagelöhner durchschlagen müssen.
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In ihrer Kumulation stellten aber die auf diese Weise vom chinesischen Staat für den Kläger als uneheliches Kind bewusst und gezielt verursachten Nachteile einen Verfolgungseingriff mit dem Gewicht einer schweren Menschenrechtsverletzung dar, wie sie vom Flüchtlingsbegriff vorausgesetzt wird (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2, sowie Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 6 AsylVfG in Verbindung mit Art. 9 Abs. 1a und Abs. 2 QRL [Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU]). Über bloße für sich genommen unerhebliche Diskriminierungen gehen solche Folgen weit hinaus, da sie das Leben des Betroffenen grundlegend entwerten. Insofern schließt sich das Gericht der Auffassung des VG Meiningen und des VG Trier an (VG Meiningen, U. v. 6.4.2011 - 8 K 20205/09.Me, juris; VG Trier, U. v. 23.3.2011 - 5 K 442/10.TR- , juris = InfAuslR 2011, 219 = Asylmagazin 7-8/2011, S. 243 und U. v. 11.7.2012 - 5 K 433/12.TR -, juris).
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Die grundlegende Verweigerung einer Geburtsregistrierung und zusätzlich einer Hukou-Registrierung, die im totalitär durchstrukturierten, bürokratisch durchorganisierten chinesischen Staat Grundlage für alle weiteren verwaltungsrechtlichen Rechtsanerkennungen (Umzug, Arbeit, Meldepflicht, Krankenhausleistung, Schulbesuch, Personalausweis) ist (siehe AA, Auskunft v. 8.6.2006 an VG Braunschweig und v. 11.4.2011 an VG Köln), grenzt den Betroffenen massiv aus der staatlich verfassten Friedensordnung aus, zwingt ihn so in die Illegalität und verletzt das grundlegende Menschenrecht auf Teilhabe an dieser gemeinschaftlichen Friedensordnung und auf Anerkennung als Rechtsperson (Art. 6 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte - UN Generalversammlung, Resolution 217/III v. 10.12.1948: Jedermann hat überall Anspruch auf Anerkennung als Rechtsperson; Art. 16 Internationaler Pakt über bürgerliche und private Rechte [IPbpR] v. 19.12.1966 - BGBl. 1973, II S. 1534: Jedermann hat das Recht, überall als rechtsfähig anerkannt zu werden, und Art. 24 Abs. 2 IPbpR: Jedes Kind muss unverzüglich nach seiner Geburt in ein Register eingetragen werden und einen Namen erhalten). Eine solche Ausgrenzung, wie sie durch die Verweigerung von Geburtsregistrierung und Hukou-Registrierung bewirkt wird, kommt somit in ihren verwaltungstechnischen Folgen einer Ausbürgerung nahe, deren Charakter als Verfolgungseingriff von ausreichender menschenrechtsverletzender Intensität anerkannt ist (BVerwG, U. v. 26.2.2009 - 10 C 50.07 - AuAS 2009, 175 = ZAR 2009,319 = BVerwGE 333,203).
36 
Dass es nach Auskunft des Auswärtigen Amtes zeitweise möglich sein kann, auch länger Behördenkontakt zu vermeiden und sich illegal in einer chinesischen Stadt aufzuhalten, und dass auch gefälschte Unterlagen und Personalausweise in China erhältlich sind (siehe AA, Auskunft v. 8.6.2006 an VG Braunschweig), ist dabei unbeachtlich, denn ein Leben in der Illegalität darf flüchtlingsrechtlich niemandem als Alternative zum Verfolgungsschutz angesonnen werden (so BVerwG, U. v. 1.2.2007 - 1 C 24.06 - AuAS 2007, 68 = juris zur Unzumutbarkeit einer inländischen Fluchtalternative, wenn nur ein Leben in der Illegalität unter der dauernder Gefahr polizeilicher Kontrollen und Strafsanktionen möglich ist).
37 
Diese Verfolgungsmaßnahme in Form einer Rechtlosstellung knüpft auch an ein flüchtlingsrechtlich relevantes Merkmal des Klägers an, nämlich an seine uneheliche, unerlaubte Geburt, und damit an seine Zugehörigkeit zu der sozialen „Gruppe der illegal geborenen nichtehelichen chinesischen Kinder“ (§§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3a Abs.3, 3b Abs. 1 Nr. 4a) und b). Diese Gruppe ist sozial klar definiert und erkennbar und von der übrigen Gesellschaft abgrenzbar und wird von der Bevölkerung auch als solche wahrgenommen. Die Anknüpfung der Sanktion an die Zugehörigkeit zu dieser Gruppe macht den Kläger gewissermaßen für sein So-Sein haftbar, indem sie ihm wegen seines für ihn unabänderlichen, irreversiblen und unvertretbaren Persönlichkeitsmerkmals seiner unehelichen Geburt Nachteile bereitet. Damit macht ihn die Sanktion nicht für eigenes Verhalten verantwortlich, sondern für das Verhalten Dritter, nämlich seiner Eltern, für das er naturgemäß nichts kann. Das aber wiederum ist genauso willkürlich und diskriminierend, wie eine an die Hautfarbe oder ethnische Volkszugehörigkeit anknüpfende Sanktion. Der „Geburtsmakel“ der unehelichen Geburt ist dem Kläger angeboren. Nichteheliche Kinder werden in China auch (i.S.d. § 3b Abs. 1 Nr. 4 b AsylVfG) von der Gesellschaft auch als andersartig betrachtet, nämlich sozial stigmatisiert und werden nach wie vor durch die insoweit mit tief verwurzelten Vorurteilen behaftete chinesische Gesellschaft mit Mitleid und Verachtung betrachtet (so ausführlich mit Quellenangaben Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 2 - 6 [Ziff. 2 A, B und Ziff. 3 sowie Ziff. 5] - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net).
38 
Dem lässt sich entgegen der im angefochtenen Bescheid aber auch in der überwiegenden verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung vertretenen Ansicht nicht entgegenhalten, bei diesen Sanktionen (gleich ob sie die nichtehelichen Mütter mit Zwangsabtreibungen, bzw. die Mütter und Väter mit Zwangssterilisationen oder -adoptionen oder aber die -unerlaubten, überflüssigen - Kinder mit den dargestellten Formen der Rechtlosstellung treffen) handle es sich nicht um eine Verfolgung, die an das Persönlichkeitsmerkmal der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe anknüpfe. Die chinesische Geburtenkontrollpolitik und die oben genannten gesetzlichen Regelungen des Bevölkerungs- und Familienplanungsgesetzes allgemein, finde nämlich gleichermaßen und ohne jede weitere Differenzierung auf alle chinesischen Staatsbürger Anwendung und dieses allgemeine Gesetz verfolge insoweit eben gerade nicht das Ziel der Diskriminierung einer bestimmten Bevölkerungsgruppe (etwa einer Minderheitengruppe wie der Tibeter oder Uiguren). Vielmehr ziele es lediglich darauf ab, ganz allgemein die Geburtenrate aller Chinesen im Blick auf das Bevölkerungswachstum in diesem sehr bevölkerungsreichen Land einzugrenzen, um so soziale und wirtschaftliche Missstände zu vermeiden, die andernfalls mit einer zunehmenden Überbevölkerung einhergingen (siehe dazu die Rechtsprechungsübersicht bei VG Würzburg, B. v. 28.8.2013 - W 6 S 13.30278 -, juris, Rdnr. 14; siehe auch die Rechtsprechungsnachweise der in diesem Sinne urteilenden obergerichtlichen Rechtsprechung des BayVGH, des OVG NRW und des NdsOVG bei VG Augsburg, U. v. 28. 1.2014 - Au 2 K 13.30246 -, juris, Rdnr. 36 und 37).
39 
Diese Auffassung greift indessen zu kurz, weil sie lediglich das politische, für sich genommen legitime Fernziel einer Kontrolle des Bevölkerungswachstums in den Blick nimmt und sich dadurch den Blick auf die zur Erreichung dieses Ziels in China angewendeten menschenrechtswidrigen Zwangsmethoden der Ausgrenzung verstellt. Die Methoden der Kontrolle des Bevölkerungswachstums beschränken sich nämlich gerade nicht auf menschenrechtlich unbedenkliche Methoden wie Aufklärung, Bereitstellung von Mitteln zur Empfängnisverhütung, Einführung von Rentenversicherungsmodellen um den Anreiz für möglichst viele Kinder zu nehmen, Einführung von Bildung für Frauen, Modelle finanzieller/steuerlicher Anreize bei geringer Kinderzahl etc. Vielmehr verletzen sie das durch alle Menschenrechtspakte geschützte grundlegende Recht aller Menschen, eine Familie zu gründen, nämlich Kinder zu haben, und dabei als freie Menschen in eigener wirtschaftlicher und sozialer Verantwortung die Zahl ihrer Kinder selbst zu bestimmen (siehe Art. 16 Nr. 1 S. 1 und Nr.3 AEMR, Art. 23 Abs. 1 und Abs. 2 des - auch von China gezeichneten - IPbpR, Art. 12 EMRK, Art. 6 GG). Dieses grundsätzlich anerkannten Menschenrecht schützt das dem Menschsein innewohnende Grundbedürfnis nach Reproduktion (ausführlich dazu Saona, „The Protection of Reproductive Rights under International Law: The Bush Administration´s Policy Shift and China´s Family Planning Activities“, Pacific Rim Law & Policy Journal,. Volume 13 No.1, January 2004, page 229 [236, 239, 253, 254] - im internet unter google auffindbar; siehe ferner Mückl in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, 2010, Bandd VI/1, Europäische Grundrechte, § 141 „Ehe und Familie“ -, S. 191 [196, 206, 208). Mit Zwangssterilisationen, Zwangsadoptionen, Zwangsabtreibungen usw. wird die „Gruppe derjenigen Chinesen getroffen, die dieses Menschenrecht auf Familiengründung und Reproduktion ausüben“. Ihnen wird die (weitere) Ausübung dieses Grundrechts schon biologisch-physisch unmöglich gemacht bzw. die Rechtsausübung wird durch die Rechtlosstellung der in Ausübung des Grundrechts geborenen Kinder sanktioniert, obwohl dieses Menschenrecht keinem spezifischen Schrankenvorbehalt unterliegt, der solche Eingriffe rechtfertigen könnte (siehe dazu Mückl, a.a.O. Handbuch der Grundrechte, S. 208, wonach etwa eine Zwangssterilisation/Kastration nur in sehr engen Grenzen gerechtfertigt sein könnte, etwa im Rahmen von § 1905 BGB oder zum Schutz der Allgemeinheit vor gefährlichen Sexualverbrechern; siehe ferner General Comment des Ausschusses für Menschenrechte zum IPbpR, Nr. 19 [39] zu Art. 23 IPbpR vom 24.7.1990 - Unterziffer 2 und 4, sowie insbes. 5, wonach eine Politik der Familienplanung mit den Bestimmungen des Paktes verträglich und insbesondere weder diskriminierend „noch zwangsmäßig“ sein darf; beide Quellen im internet unter google auffindbar). Mit anderen Worten, die Ein-Kind-Politik knüpft an das So-Sein, nämlich an das „Eltern-Sein“ an bzw. an ein Verhalten an, auf das zu verzichten dem Einzelnen deswegen nicht zugemutet werden kann, weil es sich um ein menschenrechtlich geschütztes Verhalten handelt, er sich also so verhalten darf. Die Verfolgung steht damit der Verfolgung in Anknüpfung an eine politische oder religiöse Überzeugung oder an eine sexuelle Orientierung und Präferenz gleich, bei der es nicht um ein angeborenes Merkmal geht, sondern darum, dass das Haben-Dürfen und Äußern-Dürfen einer solchen Überzeugung oder Präferenz als menschenrechtlich geschütztes Verhalten rechtlich keinen tauglichen Anknüpfungspunkt für Sanktionen darstellen darf. Gibt es aber insoweit keinen solchen legitimationskräftigen Anknüpfungspunkt, so stellt es eine Diskriminierung dar, gleichwohl daran anzuknüpfen. Vor einer Verletzung des Diskriminierungsverbots schützt aber der Flüchtlingsbegriff mit seiner Aufzählung insoweit nicht legitimationskräftiger persönlicher Merkmale, an die Verfolgung nicht anknüpfen darf (zum Schutz des So-Seins und So-Sein-Dürfens als Kern des Verfolgungsmerkmals der sozialen Gruppenzugehörigkeit und zu dem dabei anzuwendenden internationalen Menschenrechtsstandard als Maßstab: GK-AufenthG, II - § 60 AufenthG, Rdnr. 18). Wie bei allen flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgungen geht es auch bei der Ein-Kind-Politik letzten Endes um die Unterdrückung von menschenrechtlich grundlegend geschützten Lebensäußerungen, nämlich hier eine Familie zu gründen und Nachwuchs zu zeugen.
40 
Insofern knüpft auch die Ein-Kind-Politik mit ihrem Übergriff auf das Menschsein selbst, zu dem auch das Familie- und Elternsein zählt, an ein „Merkmal“, das „so bedeutsam für die Identität“ als Mensch ist, dass der Betroffene (rechtlich betrachtet) „nicht gezwungen werden sollte, darauf zu verzichten“. Damit stellt sie im Sinne von § 3 b Abs. 1 Nr. 4 a) AsylVfG eine Verfolgung in Anknüpfung an die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe dar.
41 
Daran ändert es nichts, dass selbstverständlich das Verfolgungsmerkmal eine Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe nicht schon dann vorliegt, wenn die alleinige Gemeinsamkeit der Gruppe darin besteht, dass die Gruppenmitglieder gegen ein Gesetz verstoßen und deshalb sanktioniert werden (dazu GK-AufenthG, II- § 60 AufenthG, Rdnr. 171), dass also beispielweise die Ahndung von Trunkenheitsfahrten im Straßenverkehr natürlich nicht eine Verfolgung wegen Zugehörigkeit zur „Gruppe der das Alkoholverbot im Straßenverkehr missachtenden“ Menschen darstellt. Denn das Fahren unter Alkohol stellt - im Unterschied zur Gründung einer Familie und zum Kinderhabendürfen - eben keine rechtlich Ausübung eines anerkannten grundlegenden Menschenrechts dar, sondern allenfalls eine Ausübung der allgemeinen Handlungsfreiheit, auf die im konkreten Fall zu verzichten schon wegen der Gefahren für die Menschenrechte Dritter dem Betreffenden wegen der entsprechenden Schrankenvorbehalte ohne weiteres rechtlich zugemutet werden kann (so knüpft etwa auch die strafrechtliche Sanktionierung der Pädophilie nicht an das Merkmal der Zugehörigkeit zur Gruppe der Pädophilen an, sondern an deren menschenrechtlich nicht geschütztes, sondern vielmehr Grundrechte Dritter verletzendes rechtswidriges Verhalten - siehe GK-AufenthG, II - § 60 AufenthG, Rdnr. 184; siehe auch § 3 b Abs. 1 nr. 4 b) AsylVfG: „Eine soziale Gruppe kann auch eine sein, die sich auf das gemeinsame Merkmal der sexuellen Orientierung gründet; Handlungen, die nach deutschem Recht als strafbar gelten, fallen nicht darunter“).
42 
Für die Richtigkeit dieser Ansicht spricht, dass mit eben dieser Begründung von den Gerichten anderer Aufnahmestaaten, wie etwa Kanada oder USA, die chinesische Ein-Kind-Politik mit ihren Sanktionen als flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe durchaus anerkannt wird (siehe dazu die Fundstellennachweise in GK-AufenthG, II - § 60 AufenthG, Rdnr. 197; siehe auch die ausführlichen juristischen Erwägungen zum - bejahten - Merkmal der Verfolgung wegen sozialer Gruppenzugehörigkeit im Urteil des Supreme Court of Canada, Judgment v. 10.10.1995 - [1995] - 3 SCR 593 - Chan./. Canada , unter http://scc-csc.lexum.com/scc-csc/scc-csc/en/item/1299/indes.do - dort insbes. Rdnrn. 50, 82, 88).
43 
Diejenigen deutschen Verwaltungsgerichte, welche die chinesische Ein-Kind-Politik auch als flüchtlingsrelevante Verfolgung einstufen, haben dies ohne lange Diskussion getan und als geradezu selbstverständlich angenommen, dass eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe, der „von den Exzessen der Familienplanungspolitik in China spezifisch betroffenen Frauen“ (so VG Bremen, U. v. 5.6.2012 - 6 K 3664/07.A -, juris Rdnr. 21) vorliegt, bzw. eine Zwangssterilisation als zweifelsfrei „geschlechtsspezifische Verfolgung der sozialen Gruppe der Frauen“ eingestuft (so VG Trier, U. v. 23.3.2011 - 5 K 442/10.TR -, juris Rdnr. 18) bzw. ganz generell darin eine „diskriminierende“ justizielle/administrative Maßnahme gesehen (VG Meiningen, U. v. 6.4.2011 - 8 K 20205/09 Me-, juris). Schließlich behandelt auch der Lagebericht des Auswärtigen Amtes die chinesische Ein-Kind-Politik wie selbstverständlich und ohne weitere Begründung unter der Überschrift „geschlechtsspezifische Verfolgung“.
44 
Soweit das Bundesamt im angefochtenen Bescheid schließlich die Ansicht vertritt, die chinesische Ein-Kind-Politik sei zwar befremdlich und mit dem Standard des Grundgesetzes unvereinbar, es sei aber nicht Aufgabe des Asylrechts, die Ordnung des Grundgesetzes in anderen Staaten durchzusetzen, weshalb die chinesische Ein-Kind-Politik keine flüchtlingsrechtlich anzuerkennende Verfolgung darstelle, stellt dies kein durchgreifendes Gegenargument gegen die oben dargelegte Ansicht dar. Denn Aufgabe des Asylrechts bzw. Flüchtlingsrechts ist es ohnehin nicht, eine bestimmte Rechtsordnung anderen Staaten „aufzuzwingen“ oder sie dort „durchzusetzen“, sondern lediglich einem Menschen, der in einem anderen Staat nach den Maßstäben international anerkannter Menschenrechtsstandards nicht mehr leben kann, weil er dort durch eine grundlegende Menschenrechte schwerwiegend verletzende Verfolgung - wie hier die Ein-Kind-Politik - aus der staatlich verfassten Friedensordnung ausgegrenzt und zur Flucht getrieben wird, eine neue Heimat durch Aufnahme in die staatliche Friedensordnung des Aufnahmestaates zu gewähren (so auch das BVerwG in der vom Bundesamt insoweit nur unvollständig zitierten Entscheidung U. v. 18.2.1986 - 9 c 104/85 -, juris Rdnr. 21 = InfAuslR 86, 189; dazu, dass damit keine „Diskriminierung fremder Rechtsordnungen“ verbunden ist und dass begriffsnotwendig zwischen dem Aufnahmestaat und dem Verfolgerstaat nach dem Konzept des Asylrechts ein Unterschied in den rechtlich respektierten Maßstäben besteht: GK-AufenthG, II - § 60 AufenthG, Rdnr. 185 und GK-AuslG, § 53 AuslG (a.F.), Rdnrn. 97 und 98 m.w.Nw.; siehe auch Art. 14 Nr. 1 AEMR, wonach es das Recht eines Menschenrecht ist, in anderen Ländern vor Verfolgungen Asyl zu suchen und zu genießen, was wiederum bedeutet, dass die Asylgewährung dem Verfolgerstaat gegenüber gerade kein völkerrechtswidriger Akt der Einmischung in seine Personalhoheit darstellt).
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Die Kostenentscheidung folgt aus §3 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylVfG.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 3. Mai 2016 - A 6 K 851/16 - teilweise geändert.

Die Beklagte wird unter Aufhebung der Ziffer 1 ihres Bescheids vom 18. Februar 2016 verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wurde am 02.03.2015 in der Bundesrepublik Deutschland geboren und ist chinesischer Staatsangehöriger. Er hat drei Geschwister, die am 23.07.2009 (Klägerin zu 2) im Verfahren - A 6 K 2175/14), am 27.04.2011 (Klägerin im Verfahren - A 6 K 903/13) und am 12.04.2013 (Klägerin im Verfahren - A 6 K 2258/13) in der Bundesrepublik Deutschland geboren sind. Die Eltern des Klägers stammen aus der Provinz Fujian. Ihre Asylanträge (auch Folgeanträge) wurden unanfechtbar abgelehnt.
Auf den 12.08.2015 wurde der Antrag des Klägers auf Anerkennung als Asylberechtigter nach § 14 a Abs. 2 AsylG als gestellt fingiert.
Mit Bescheid vom 18.02.2016 lehnte das Bundesamt den Antrag des Klägers auf Anerkennung als Asylberechtigter und auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet und den Antrag auf subsidiären Schutz ab, und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Ferner drohte es dem Kläger die Abschiebung nach China an und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung.
Am 28.02.2016 erhob der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Karlsruhe.
Mit Schriftsatz vom 19.04.2016 erklärte die Beklagte, sie werde dem Kläger subsidiären Schutz zuerkennen und den angegriffenen Bescheid vom 18.02.2016 insoweit aufzuheben, als er dieser Feststellung entgegensteht. Daraufhin erklärte der Kläger den Rechtstreit insoweit für erledigt, als der Kläger die Zuerkennung subsidiären Schutzes und die Feststellung des Vorliegens von Abschiebungshindernissen nach §60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG begehrt hatte. Im Übrigen verfolgte er sein Begehren auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft weiter.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Durch Urteil vom 03.05.2016 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab und führte zur Begründung aus: Der hier allein infrage kommende Verfolgungsgrund der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe (vgl. § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG) scheide im Falle des Klägers aus. Zwar sei nach der Auskunftslage zu befürchten, dass die Eltern zur Legalisierung seines Status eine empfindliche Geldbuße zahlen müssten und er im Falle einer Nichtbezahlung nicht in das Haushaltsregister (Hukou) eingetragen würde mit der Folge von Einschränkungen im Hinblick auf soziale Leistungen. Dennoch falle nicht jedes Kind, das unter Verstoß gegen die chinesischen Geburtenkontrollregelungen geboren worden sei, unter den Begriff einer bestimmten sozialen Gruppe. Denn die Familienplanungspolitik der Volksrepublik China sei komplex und sehe verschiedene Ausnahmen und Legalisierungsmöglichkeiten vor, von denen auch die Familie des Klägers grundsätzlich Gebrauch machen könne. Die Frage, ob ein Kind von den Sanktionen eines Verstoßes gegen die Familienpolitik betroffen sei, sei jeweils eine Frage des Einzelfalls, weshalb die Annahme der sozialen Gruppe „Kinder, die unter Verstoß gegen die chinesischen Geburtenkontrollregelungen geboren seien“ nicht in Betracht komme.
Am 09.05.2016 beantragte der Kläger die Zulassung der Berufung wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache.
Mit Beschluss vom 07.06.2016 ließ der Senat die Berufung zu
10 
Am 16.06.2016 begründete der Kläger unter Stellung eines Antrags die Berufung und machte geltend, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht die Auffassung vertreten, bei den fraglichen Kindern könne nicht von einer sozialen Gruppe gesprochen werden.
11 
Der Kläger beantragt,
12 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 3. Mai 2016 - A 6 K 851/16 teilweise zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung der Ziffer 1 ihres Bescheids vom 18. Februar 2016 zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
13 
Die Beklagte tritt der Berufung entgegen und macht sich die Ausführungen im angegriffenen Urteil zu eigen.
14 
Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
15 
Dem Senat liegen die Akten des Bundesamts (auch betreffend die Verfahren der Eltern des Klägers) sowie die Akten des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vor.

Entscheidungsgründe

 
16 
Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die ordnungsgemäß geladene Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war. Denn sie wurde in der Ladung hierauf hingewiesen (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO).
17 
Die ordnungsgemäß unter Stellung eines Antrags begründete Berufung des Klägers ist zulässig und auch in der Sache begründet.
18 
Die Beklagte ist entsprechend dem vom Kläger gestellten Antrag verpflichtet, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen (vgl. § 3 Abs. 1 AsylG bzw. Art. 2 lit. d) QRL). Der Kläger befindet sich wegen begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes.
19 
In tatsächlicher Hinsicht geht der Senat zunächst von den zutreffenden und überzeugenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 16.07.2015 (A 6 K 786/14) aus, die der Senat ausdrücklich zum Gegenstand des Verfahrens gemacht hatte. Das Verwaltungsgericht hat u.a. ausgeführt:
20 
„..3) Was die Voraussetzungen für die Anerkennung des Klägers als Flüchtling angeht, wird auf die beiden ausführlichen letztjährigen Entscheidungen des Gerichts zu dieser Frage verwiesen (VG Freiburg, Urteile vom 12.3.2014 - A 6 K 730/12 und A 6 K 1868/12 -, beide jeweils in juris, die beide rechtskräftig geworden sind, nachdem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dagegen keinen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt hat).
21 
Auch unter Berücksichtigung der aktuellen Auskunftslage zum mittlerweile erreichten Stand der chinesischen Ein-Kind-Politik und der seither ergangenen Rechtsprechung anderer Verwaltungsgerichte zu deren fehlender asyl- und flüchtlingsrechtlicher Relevanz sieht das Gericht derzeit keinen Anlass, von diesen Entscheidungen abzurücken. Zwar wird allenthalben mittlerweile darüber berichtet, dass die offizielle chinesische Politik sich langsam anschickt, sich von der Ein-Kind-Politik zu verabschieden und auf Dauer eine Zwei-Kind-Politik anzustreben, die allen verheirateten Paaren ohne sonstige Voraussetzungen zwei Kinder erlaubt. Denn in den letzten Jahren hat sich immer deutlicher herausgestellt, dass die rigide Ein-Kind-Politik ein schwerer - auch in Zukunft nur schwer rückgängig zu machender - Fehler war. Die Bevölkerung altert mittlerweile rapide, der Anteil der arbeitsfähigen Bevölkerung ist deutlich gesunken, ja selbst das Militär befürchtet Nachwuchsschwierigkeiten. In den Städten bewegt sich die Nachwuchsrate mittlerweile auf einem der niedrigsten Niveaus weltweit und auf Landessdurchschnitt mit 1,6 Kindern pro Paar noch immer unter der für einen Bevölkerungserhalt erforderlichen Quote von 2,1 Kindern pro Paar. Die Ein-Kind-Politik hat zudem nicht nur den negativen Effekt einer weit verbreiteten Tötung von weiblichen Föten nach sich gezogen (sogenannter „Gendercide“ = geschlechtsspezifischer Völkermord) und der dadurch bewirkte Männerüberschuss hat zum Kriminalitätsanstieg im Bereich Prostitution, Frauenhandel, Vergewaltigung und Entführung geführt. Vielmehr sind auch immer mehr psychosoziale Probleme daraus erwachsen, dass ganze Generationen von Kindern ohne Geschwister groß geworden sind, die als sogenannte „Generation der Prinzen“ die überproportionale Aufmerksamkeit einer großen Zahl von Verwandten auf sich ziehen, sich nur um sich selbst drehen und dadurch sozial nicht sonderlich verträglich geworden sind (vgl. zu alldem die folgenden - alle im Internet auffindbaren - Presseartikel: „The Economist“ vom 11.7.2015 - Tales oft he unexpected - China has relaxed ist one-child policy. Yet parents are not rushing to have a second; vom 6.6.2015 - China´s one-child policy: Only and Lonely - Analysing the Psychology of a Generation [= Review of Book written by Xinran: „Buy Me the Sky - the Remarkable Truth of China´s One-Child Generation“]; vom 28.2.2015 - Wedding wows - How the one-child policy changed Chinese nuptials; vom 10.1.2015 - Family Planning - Enforcing with a smile; vom 19.7.2014 - Family Planning - One-Child Proclivity: Predictions of a baby boomlet come to little; siehe ferner: „The Epoch Times“ vom 9.3.2015 - Is China going to abandon the One-Child Policy ? sowie www.bloomberg.com vom 20.1.2015 - China´s One-Child Policy Backfires as Labor Pool Shrinks Again; zum sog. „Gendercide“ - in China und Indien: „The Economist“ vom 4.3.2010 - Gendercide: The world wide war on baby girls - Technologies, declining fertility and ancient prejudice are combining to unbalance societies; siehe zu letzgenanntem Thema auch das UN-Committe on the Elimination of Discrimination against Women CEDAW, 14.11.2014 - Concluding Observations on the combined 7th and 8th Periodic Reports of China, Ziff. 38 und 39c mit dem Aufruf an China die entsprechende Praxis der Tötung vorzugsweise weiblicher Föten abzuschaffen).
22 
Obwohl es insoweit Anträge von Parlamentariern des Volkskongresses und Empfehlungen von Kommissionen für Familienplanungspolitik in Richtung der Einführung einer „Zwei-Kind-Politik“ gegeben hat, ist es jedenfalls bisher nicht zu wirklich grundlegenden Reformen gekommen, bzw. diese sind bisher nur halbherzig angegangen worden und haben sich obendrein noch als wenig effektvoll erwiesen. So wurde am 12.11.2013 durch das Zentralkommittee der Kommunistischen Partei Chinas lediglich beschlossen, dass verheirateten Paaren ein zweites Kind nicht mehr nur dann erlaubt wird, wenn sie - wie nach der zuvor geltenden Regelung - jeweils beide selbst aus einer Ein-Kind-Familie stammen, sondern dass es nunmehr genügt, wenn nur einer der Ehepartner selbst aus einer Ein-Kind-Familie stammt. Diese Reform ist mittlerweile auch in allen Provinzen - bis auf Xinjiang und Xizang - umgesetzt worden, (vgl. Law Library of Congress vom 6.8.2014: China - Provincial Family Planning Regulations Amended Allowing More Couples to Have a Second Child - = www.loc.gov/ lawweb/servlet/ lloc_news?disp3_1205404091_text; ebenso AA, Lagebericht - China, vom 15.10.2014 [Stand: Mai 2014], Seite 20, 21). Zu den Provinzen, in denen diese Reform umgesetzt wurde, zählt seit 31.3.2014 auch die Heimatprovinz der Eltern des Klägers, Fujian (siehe Immigration and Refugee Board of Canada, 16.10.2014, dort Ziff.2.4.).
23 
Ansonsten aber hat es keine wirklich grundlegenden Neuerungen gegeben. Es mag sein, dass es inzwischen nicht mehr ganz so viele Zwangssterilisationen bzw. Zwangsabtreibungen gegenüber Eltern unerlaubt gezeugter Kinder gibt, dass das Vorgehen von Beamten der Familienplanungs- Behörden von der chinesischen Öffentlichkeit mittlerweile etwas kritischer betrachtet wird, dass es Vorschriften gegenüber entsprechender Beamtenwillkür gibt und dass eine vorherige Geburtsgenehmigung nicht mehr erforderlich ist. Nach wie vor aber gilt, dass Eltern mit empfindlichen Bußgeldsanktionen (sogenannte Soziale Kompensationsgebühren“) zu rechnen haben, wenn sie unerlaubt zweite oder dritte Kinder bekommen. Diese Sanktionen belaufen sich häufig auf enorme Summen von vielen (bis zu zehn) durchschnittlichen Jahresgehältern.
24 
Zuletzt musste selbst der - von den Klägern im Termin zur mündlichen Verhandlung insoweit zutreffend erwähnte - berühmte und reiche chinesische Star-Regisseur Zhang Yimou, 7,5 Mio. Yuan, d.h. umgerechnet knapp 1 Mio. EUR als Strafe an die Behörden dafür zahlen, dass er mit seiner Frau drei gemeinsame Kinder hat (siehe Spiegel-Online, vom 9.1.2014, www.spielgel.de/panorama/leute/zahng-yimou-muss-wegen-der-ein-kind-politik-zahlen).
25 
Werden solche Bußgelder nicht bezahlt oder können sie nicht aufgebracht werden, so darf eine Eintragung des Kindes in das sogenannte Haushaltsregister „Houkou“ nach wie vor nicht vorgenommen werden. Das heißt diese Kinder bleiben in jeder Hinsicht und in mannigfaltiger Weise völlig rechtlos gestellt und vermehren so die große Zahl von sogenannten „Geisterkindern“, die es legal gar nicht geben dürfte, die mangels Houkou nicht nur jegliche Bildung, Gesundheitsversorgung, Wohnsitznahme, Arbeitsaufnahme, und so weiter versagt bekommen, sondern von der chinesischen Bevölkerung verachtet werden, die es noch immer als antipatriotisch ansieht, mehr als nur ein Kind zu haben (siehe etwa The Economist, 11.6.2015 zum Nimbus des Patriotischen einer Ein-Kind-Familie; siehe ferner Spiegel-Online, 9.1.2014 zu der öffentlichen Entschuldigung des berühmten Regisseurs Zhang Yimou, für seine unerlaubten Kinder und für die dadurch von ihm verursachten „negativen sozialen Einflüsse“). Diese Kinder leben infolge ihrer juristischen Nichtexistenz und der damit verbundenen tagtäglichen Probleme völlig isoliert und ausgeschlossen im Halbschatten der Gesellschaft als sogenannte „heihu“- d.h. illegale Menschen, finden häufig deshalb auch keine Freunde oder später gar Lebenspartner und können sich ohne Houkou nicht einmal in größeren Umkreisen bewegen, da selbst für Fernreisen, Zugfahren etc. wiederum ein Houkou Voraussetzung ist (siehe die eindrucksvolle ausführliche Schilderung des Schicksals solcher Kinder und ihrer Eltern, wenn diese ihre Kinder mangels finanzieller Möglichkeit, ihnen eine Houkou-Registrierung erkaufen zu können, nirgendwo wirklich integrieren können, und der Behördenwillkür und -schikane, der sie ausgesetzt sind, sowie der schweren seelischen Schäden ein solches Leben als juristische „Unperson“ für die betroffenen Eltern und Kinder: Nathan VanderKlippe in: The Globe and Mail vom 13.3.2015: The Gost Children of China: In the Wake of China´s One-Child-Policy a Generation is lost, www.theglobeandmail.com/news/world/the-ghost-children-in-the-wake-of-chi na´s-one-child-policy-a-generation-is-lost; siehe auch den Aufruf des UN-Kommittees für Frauenrechte an China, alle Sanktionen für die unerlaubte Geburt von Kindern aufzuheben und alle Barrieren für die Registrierung solcher Kinder zu entfernen: UN-Committe on the Elimination of Discrimination against Women CEDAW, 14.11.2014 - Concluding Observations on the combined 7th and 8th Periodic Reports of China, Ziff. 39b).
26 
Eltern, die ein Bußgeld nicht zahlen können, werden in aller Regel auch aus ihren Arbeitsverhältnissen gekündigt, oft auch inhaftiert, aus der kommunistischen Partei ausgeschlossen, nicht selten von den korrupten Beamten der Familienplanungsbehörde immer wieder zu Zahlungen erpresst, und gelegentlich noch mit der Durchsuchung und gar völligen Zerstörung ihres Privateigentums sanktioniert.
27 
Das Auswärtige Amt schildert insoweit in seinem Lagebericht (Stand Mai 2014), dass es zwar gegenüber Auslandsrückkehrern, die mit einem im Ausland gezeugten Kind zurückkehren, eine gesetzlich vorgeschriebene Entziehung des Kindes nicht mehr gebe, dass es aber gleichwohl „gelegentlich“ (d.h. immer mal wieder) Fälle gibt, in denen die Behörden den Familien als Strafe für die Nichteinhaltung der Familienplanungspolitik oder die Nichtzahlung der dafür festgesetzten enormen Geldbußen die Kinder wegnehmen, an Waisenhäuser verkaufen und von dort manchmal sogar noch gegen hohe Beträge zur Adoption ins Ausland vermitteln. „Immer wieder“ sei die Kontrolle der staatlichen Familienplanungspolitik mit gravierenden Menschenrechtsverletzungen bis hin zu Zwangsabtreibungen selbst in fortgeschrittenen Schwangerschaftsstadien verbunden. Häufig würden unverheiratete Frauen von den Behörden zu „freiwilligen“ Abtreibungen gedrängt (AA, Lagebericht China 2014, S. 21).
28 
Das deckt sich mit den neuesten seit den letzten beiden Entscheidungen des Gerichts vom 12.3.2014 veröffentlichten Analysen und Lageberichten anderer Auskunftsquellen zu diesem Thema (Britisches Home Office, July 2015, Country Information and Guidance - China: Contravention of National Population and Family-Planning Laws, Ziff. 2.3.2. - 2.3.6., wonach es auch nach Änderung der Erlaubnismöglichkeit für ein zweites Kind für Eltern, von denen nur einer selbst aus einer Ein-Kind-Familie stammt, bisher nicht zu einer Entspannung auf Seiten der Familienplanungsbehörden gekommen ist, sondern diese nach wie vor mit harschen Maßnahmen die Geburtenkontrollpolitik durchsetzen, allein schon deshalb, weil die Eintreibung der extrem hohen Bußgelder eine bedeutende Einkommensquelle für die örtlichen Familienplanungsbehörden darstellt, siehe dazu auch Ziffern 5.3.2., 5.3.5.; 5.4.3.; 5.4.5; 5.4.8.; 5.5.4; 5.7.1. - 5.7.6; siehe ferner: Immigration and Refugee Board of Canada, 16.10.2014, dort Ziff.2.2. und 3.2.; US-Dept.of State, Country Report on Human Rights Practices 2014- China, Section: Women - Reproductive Rights = www.ecoi.net/local_loin/306284/443559_de.html; ACCORD -Austrian Center for Country of Origin & Asylum Research and Documentation, vom 21.11.2014; Australian Government - Migration Review Tribunal - Refugee Review Tribunal, 3. Auflage, 8.3.2013 - letzter Änderungsstand: 8.9.2013: Background Paper China: Family Planning - Ziff.3.4.2., 4.4., 5., 6.2. und 6.3.).
29 
All diesen Berichten ist im Übrigen auch zu entnehmen, dass eines der Haupthindernisse einer raschen Beseitigung der harschen Geburtenkontrollpolitik das handfeste wirtschaftliche Interesse der Familienplanungsbehörden ist, die mit der Erhebung von Bußgeldern für ihre Behörde aber auch für die damit befassten Beamten persönlich verknüpften Möglichkeiten zur Einkommenserzielung zu nutzen, und dass die Beamten und Behörden ihrerseits nach wie vor einer unverändert strikten Kontrolle der Einhaltung ihrer „Planziele“ in Sachen Geburtenkontrollpolitik unterliegen und Beförderungen von den erreichten Verhinderungen bzw. Sanktionierungen unerlaubter Geburten abhängig gemacht werden und sie ansonsten auch durch entsprechende Berichts- und Dokumentationspflichten dauernd unter Erfolgsdruck gesetzt bzw. sie bei Nichterreichen der Ziele mit Sanktionen belegt werden (siehe insoweit etwa The Economist, vom 10.1.2015 - Enforcing with a smile: „Changing officials habits could prove hard. For 35 years the enforcers have been evaluated ruthlessly by their superiors fort her fulfillment of quantifiable targets“; ebenso Home Office, July 2015, Ziff. 5.3.1. unter Verweis auf US Dept.of State, Country Report China 2014, wonach die Beamten der Familienplanungsbehörden mit Beförderungen aber auch Bestrafungen zur Einhaltung der Zahlenziele in ihren Abteilungen gedrängt werden und Ziff.2.3.6, wonach sie ihre strenge Durchsetzung der Familienplanungsziele, zu der sie erneut durch die Kommunistische Partei im November 2013 aufgerufen worden seien, nicht gelockert hätten).
30 
4) Konkret auf den Fall des Klägers und seiner Eltern bezogen, die ihn ungenehmigt im Ausland bekommen haben, bedeutet dies Folgendes: Lediglich sein älterer Bruder, das erste Kind seiner Eltern, das in China verblieben ist, hat als erlaubtes erstes Kind keine Probleme. Alle weiteren Kinder der Eltern des Klägers, also seine ältere Schwester und er selbst, sind hingegen sogenannte „unerlaubte Schwarzkinder“, deren Existenz nach den chinesischen Regeln ungenehmigt und auch nicht genehmigungsfähig ist, wie sie in der Heimatprovinz Fujian gelten, in welche die Eltern mit ihnen wegen des Houkou-Systems nur zurückkehren können.
31 
In China werden, wie die Eltern des Klägers in der mündlichen Verhandlung plausibel und glaubhaft angaben, generell Frauen im gebärfähigen Alter regelmäßig, teilweise auch vierteljährlich einer gynäkologischen Untersuchung auf unerlaubte Schwangerschaften hin unterzogen (Australian Government - Refugee Review Tribunal, Background Paper China: Family Planning, 3. Auflage, 8.3.2013 - letzter Änderungsstand: 8.9.2013: Ziff.3.4.2.; ebenso zur Testpflicht von Eltern eines über einem Jahr alten Kindes: ACCORD, a.a.O., unter: Bußgeldzahlungen für unehelich geborene Kinder und Verweigerung der Registrierung bei Nichtzahlung; siehe auch VanderKlippe, The Globe and Mail, a.a.O., Ausdruck S. 9 von 22). Zu hohen Bußgeldzahlungen für nicht erlaubte Schwarzkinder werden nicht nur die Ehepartner jeder einzeln heranzogen, sondern auch deren Verwandte (Australian Refugee Review Tribunal, a.a.O., Ziff.4.4). Von daher ist es nachvollziehbar und anhand der mit unterschiedlichen Fotodaten ausgewiesenen Fotos auch glaubhaft, dass die Eltern des Klägers zur Entlastung seiner Großeltern und um diese vor solchen finanziell einschneidenden Sanktionen zu bewahren, diesen Fotos zum Nachweis eines Auslandsaufenthalts ohne erneute Schwangerschaften vorgelegt haben.
32 
Die in der Provinz Fujian geltenden Ausnahmeregeln für weitere Kinder greifen im Fall der Eltern des Klägers nicht ein, so dass weder seine Existenz noch die seiner älteren Schwester im Sinne dieser Vorschriften genehmigungsfähig ist. Die Ausnahmen betreffen nämlich nur ein zweites Kind und auch dies nur, wenn die Eltern beide bzw. nur einer von ihnen ein Einzelkind war. Das trifft auf beide ausweislich ihrer Angaben in ihrem eigenen Asylverfahren nicht zu (siehe BAS 27 bzw. 33 der beigezogenen Bundesamtsakte der Eltern), wonach der Vater des Klägers noch eine Schwester habe bzw. die Mutter des Klägers noch einen Bruder habe. Diese Angaben sind auch glaubhaft, da die Kläger seinerzeit bei ihrer Anhörung im Jahre 2002 nicht wissen konnten, dass es darauf einmal ankommen würde, und insofern keine Gefahr interessengeleiteter falscher Angaben besteht.
33 
Auch die anderen Ausnahmen: Behinderung, Einwohnerschaft in Hong Kong, Macao, oder Taiwan, wiederverheiratete Paar ohne vorherige Kinder, Eltern als kommunistischer Märtyrer, Sterilität der Brüder des Kindesvaters, bisher bei ländlichen Paaren nur eine Tochter etc. (siehe dazu Australian Refugee Review Tribunal, a.a.O., Ziff. 6.3.) sind im Fall der Eltern des Klägers ersichtlich nicht erfüllt.
34 
Schließlich gibt es auch keine die Eltern des Klägers als Auslandsrückkehrer privilegierende Vorschrift in Fujian. Denn Auslandsrückkehrer werden von den sozialen Bußgeldzahlungen für ein unerlaubtes zweites Kind nur befreit, wenn beide Eltern im Ausland studiert haben (Australian Refugee Review Board, a.a.O. Ziff. 6.3.), was bei den Eltern des Klägers nicht der Fall ist: Sie haben beide in Deutschland (und auch schon zuvor in China) nicht studiert, sondern haben allenfalls eine Mittelschulbildung. Der Vater arbeitet als ungelernte Kraft auf der Basis des gesetzlichen Mindestlohns in der Gastronomie, die Mutter ist infolge ihres Verkehrsunfalls nicht arbeitsfähig.
35 
Für den somit in zwei Fällen vorliegenden Verstoß der Eltern sind nach den in Fujian geltenden Regeln soziale Kompensationsgebühren, d.h. Bußgelder in Höhe zwischen zwei bis sechs durchschnittlichen Jahreslöhnen zu bezahlen, um im Gegenzug für das unerlaubte Kind eine Houkou-Registrierung zu erhalten (Australian Refugee Review Tribunal, a.a.O., Ziff. 6.2.1.). Dass die Eltern prognostisch betrachtet nach einer Rückkehr finanziell dazu in der Lage wären, dem Kläger ein Schicksal als unregistriertes „illegales Schwarzkind“ (bzw. juristisch und sozial betrachtet „Geisterkind“) durch die Zahlung eines Bußgeldes zu ersparen, ist zur Überzeugung des Gerichts nicht zu erwarten.
36 
Die Festsetzung der konkreten Höhe dieser Bußgelder steht unter anderem im Ermessen der Behörden, deren Willkür hier auch Tür und Tor geöffnet ist. Bei Rückkehrern aus dem Ausland, wie den Eltern des Klägers, werden die Behörden grundsätzlich das Vorhandensein von im Ausland erworbenem Reichtum bzw. Wohlstand vermuten und ihre Bußgeldforderungen entsprechend hoch ansiedeln. Das dürfte vor dem Hintergrund der zitierten generellen Informationen realistisch zu erwarten sein. Hinzu käme im vorliegenden Fall der Umstand, dass die Kläger die heimatlichen Behörden - für diese dann offenkundig erkennbar - durch jahrelange Falschangaben bezüglich ihrer Kinderzahl getäuscht haben. Das aber wird nicht eben die Verhängung eines Bußgeldes im unteren Bereich der möglichen Sanktionenskala zur Folge haben, sondern im Gegenteil wohl straferschwerend gewertet werden….
37 
5) Auch an der rechtlichen Würdigung, dass dies in Anknüpfung an die Zugehörigkeit des Klägers zu einer sozialen Gruppe eine Verfolgungshandlung von menschenrechtsverletzendem Gewicht darstellt, hält das Gericht nach wie vor fest.
38 
Die gegenteiligen mittlerweile ergangenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen vermögen insoweit nicht zu überzeugen (vgl. BayVGH, B. v. 8.1.2015 - 15 ZB 15.30001; VG Frankfurt a.M., B. v. 23.10.2014 - 2 L 2186/14.F.A.; VG Bayreuth, U. v. 4.11.2014 - B 3 K 13.30190; VG Frankfurt a.M., U. v. 20.3.2014 - 2 K 2826/13/F.A.; VG Meiningen, U. v. 2.4.2014 - 1 K 20223/10 Me. - alle in juris).
39 
Die Gruppe der - aus Sicht der chinesischen Regierung und Mehrheitsbevölkerung - „kinderreichen“ Familien, bzw. der Kinder mit einem oder mehr Geschwistern, ist eine klar erkennbare und gesellschaftlich wahrnehmbare Gruppe. Dass unter Umständen Ausnahmen für einzelne Zweit- oder gar Drittkinder möglich sein mögen, je nach Provinz, Ausnahmetatbestand oder Bußgeldzahlung, und daher verschiedene Gruppenbildungen möglich sind, ändert (entgegen der in der oben zitierten Verwaltungsgerichtsrechtsprechung vertretenen Ansicht) nichts daran, dass es in der jeweiligen Provinz, die man aufgrund des Houkou-Systems legal nicht einfach verlassen kann, im Grundsatz diese Zielgruppe ist, auf die sich - wenn eben solche Ausnahmetatbestände nicht vorliegen - die Sanktionspolitik der chinesischen Regierung richtet.
40 
Die unter Verstoß gegen diese Grundregeln gezeugten Kinder sollen nämlich entweder durch Zwangsabtreibung schon am Geborenwerden gehindert und eliminiert werden, bzw. die Geburt weiterer solcher Kinder durch die Zwangssterilisation ihrer insoweit als asozial eingestuften Eltern verhindert werden, die der „sozialen“ Gruppe der asozial die Mehrheitsbedürfnisse nach Bevölkerungskontrolle missachtenden Eltern zuzurechnen sind, bzw. die gleichwohl existierenden Kinder werden, falls für sie kein Bußgeld gezahlt werden kann und da man sie nach ihrer Geburt nicht mehr umbringen kann und will, dann eben als juristisch nicht existent ins Vakuum der Rechtlosigkeit gestoßen, indem man ihnen die in jeder Hinsicht für ein Überleben in der chinesischen Gesellschaft unerlässliche Houkou-Registrierung verweigert wird und sie damit zum Dahinvegetieren als Entrechtete am Rande der Gesellschaft verdammt.
41 
Diese bewusst als Sanktion verhängte Vorenthaltung von Ausbildungs- und Gesundheitsversorgungsleistungen, die dem Staat möglich sind und auch tatsächlich von ihm erbracht werden, stellt insofern eine gezielte und bewusste Benachteiligung und somit etwas ganz anderes dar, als das generelle Fehlen solcher staatlicher Leistungen in Staaten, die solche nicht aufbringen können, und auf die nach den internationalen Menschenrechtsstandards zwar ein Recht bestehen mag, das aber wie bei allen sozialen Rechten nur unter dem Vorbehalt des Finanzierbaren und Möglichen gewährt werden kann. Die generelle Verweigerung einer Houkou-Registrierung als Sanktion für eine unerlaubte Geburt ist auch etwas anderes, als die in China vorzufindende Zweiteilung in Houkou-Registrierungen für den Aufenthalt auf dem Land bzw. für den Aufenthalt in der Stadt, welche zahlreichen Wanderarbeitnehmer, die nur eine ländliche Houkou-Registrierung besitzen, von einem legalen Leben, Wohnen und Arbeiten in der Stadt ausschließt und sie - falls sie sich dort doch aufhalten - in den Städten in die Illegalität drängt, wo sie und ihre Kinder mangels städtischer Houkou-Registrierung keinen Anspruch auf Schulbesuch, Gesundheits- und Sozialleistungen haben (zu diesem System: The Economist vom 20.3.2014 - Urbanisation, Moving on Up).
42 
Die Verweigerung der Houkou-Registrierung stellt mithin nicht nur im asylrechtlichen Sinne wortwörtlich eine „Ausgrenzung aus der staatlichen Friedensordnung“ dar, sondern eben auch eine flüchtlingsrechtliche Verfolgung in Anknüpfung an eine soziale Gruppenzugehörigkeit, nämlich die Gruppe der per se als „überflüssig“ angesehenen Menschen in China.
43 
Das haben in sehr ausdifferenzierten gründlichen Entscheidungen zur Anwendbarkeit des Begriffs der „sozialen Gruppe“ im Sinne der GFK auf unerlaubte chinesische „Schwarzkinder“ unter anderem der High Court of Ireland und der High Court of Australia sowie das Refugee Review Tribunal von Australien so in den letzten Jahren entschieden (vgl. High Court - Ireland, Decision, dated 12/10/2014, in der Sache: S.J.L. -vs. - Refugee Appeals Tribunal & ors. - [2014] IEHC 608, Rz. 14. ff. [50.]; High Court of Australia, in der Sache: A. vs. Minister for Immigration and Ethnic Affairs., Decision dated 24.2.1997 - [1997] HCA 4; (1997) CLR 225; (1997) 142 ALR 331; und Australian Refugee Review Tribunal, Decision dated 1.3.2012, RRT Case Number: 1108245 [2012] RRTA 120). Auch das britische Home Office ist offenbar der Ansicht, dass Mütter, die unter Verstoß gegen die chinesische staatliche Geburtenkontrollpolitik ein Kind bekommen haben, flüchtlingsrechtlich eine „soziale Gruppe“ darstellen (siehe Home Office, July 2015, a.a.O. Ziff. 2.2.1. unter Verweis auf Country Guidance Case of AX [Family Planning Scheme] China CG [2012] UKUT 00097 [IAC] vom 16.4.2012). Auf diese Entscheidungen wird im Einzelnen verwiesen. Wie der Ausschuss des amerikanischen Kongresses zu China (Congressional Executive Commission on China - One Year Later, Initial Impact of China´s Population Planning Policy - Adjustment smaller than expected, 9.12.2014) ausführte, verletze die chinesischen Geburtenkontrollpolitik unter anderem die Standards wie sie in der „Bejing Declaration and Platform for Action“ von 1994 und in dem „Programme of Action of the Cairo Intl. Conference on Population and Development“ festgelegt sind, ebenso, wie der Ausschluss von unerlaubten Kindern aus dem Registrierungssystem (Houkou) eine nach der „Internationalen Konvention zum Schutz der Kinderrechte“ und nach dem Internationalen Pakt über die Wirtschaftlichen, Sozialen und Kulturellen Rechte“ verbotene Diskriminierung darstelle.
44 
Vor diesem Hintergrund lässt sich - anders als von den genannten Verwaltungsgerichten vertreten - die chinesische Geburtenkontrollpolitik nicht einfach als eine jeden gleichermaßen ohne Unterschied treffende und daher nicht diskriminierende, rein ordnungspolitische Maßnahme zur Bekämpfung einer für das wirtschaftliche und soziale Überleben des chinesischen Staates und seiner Einwohner schädlichen Überbevölkerung einstufen. Vielmehr liegt die Diskriminierung hier bereits darin, dass diese Maßnahmen an die Ausübung eines allgemeinen Menschenrechts zur freien Entscheidung über die eigene Reproduktion anknüpft, also an ein im Grundsatz erlaubtes Verhalten, das genauso schutzwürdig ist, wie das Ausleben einer politischen oder religiösen Überzeugung, und daher für staatliche Eingriffe keinen legitimen Anknüpfungspunkt darstellen kann.
45 
Selbst wenn man aber die Zielsetzung einer Eindämmung der Bevölkerungszahl als eine legitime ordnungspolitische unpolitische und nichtdiskriminierende Zielsetzung ansieht, deren Verfolgung - zumindest im Grundsatz - einen Eingriff in das Menschenrecht auf freie Entscheidung über die eigene Reproduktion - etwa als gleichgewichtiger Wert von Verfassungsrang bzw. wegen kollidierender Grundrecht Dritter rechtfertigen könnte, lässt sich im Fall der chinesischen Bevölkerungspolitik nicht übersehen, dass diese sich selbst unter diesen Gesichtspunkten als unverhältnismäßig, überflüssig und im Ergebnis (s.o.) sogar im Gegenteil als sozialschädlich erwiesen hat und daher solche Eingriffe schon deshalb nicht zu rechtfertigen vermochte und nach wie vor nicht vermag (siehe insoweit den Artikel in The Economist, 11.7.2015, mit einer unter dem Titel „unnecessary force“ abgedruckten Tabelle der Weltbank zum Rückgang der Bevölkerungszahlen auch in Ländern, wie unter anderem sogar im bevölkerungsreichen Indien, die eine solche harsche Politik der Bevölkerungskontrolle nicht betrieben haben). Die Maßnahmen der chinesischen Politik, die in erster Linie auf gewaltsame Vernichtung der Reproduktionsfähigkeit von Eltern mit überschießendem Kinderwunsch durch Zwangsterilisation abzielen, bzw. auf die Eliminierung unerlaubt empfangener Föten (durch Zwangsabtreibung) bzw. auf die Ausgrenzung und Rechtlosstellung gleichwohl geborener „überzähliger“ unerlaubter Kinder abzielen, erweisen sich zudem wegen ihres direkten Durchgriffs auf den Wesenskern der Existenz und die Integrität ihrer menschlichen Zielobjekte schließlich auch schon deshalb als diskriminierend, weil sie an deren So-Sein bzw. an deren menschenrechtlich geschütztem Verhalten ansetzen und unverhältnismäßig sind, da demgegenüber bedenkenfreie Maßnahmen zur Bevölkerungsstabilisierung, wie etwa wirtschaftliche Anreize, die Einführung eines Sozialversicherungssystems, Aufklärung und vor allem auch Verhütungskampagnen als mildere Mittel zur Verfügung stehen und insoweit überall sonst in der Welt zur Bevölkerungskontrolle genutzt werden, während in China zwar 85 Prozent der Frauen empfängnisverhütende Mittel benutzen, aber offenbar nur 12 % der Frauen zwischen 25 und 30 Jahren die Verhütungsmethoden wirklich verstanden haben und 68 % der Frauen sich über die Methoden und ihre Wirkung im Einzelnen im Unklaren waren (vgl. Home Office, July 2015, a.a.O., Ziff. 5.2.2. unter Verweis auf US Dept. of State, Country Report China 2014, a.a.O.).“
46 
Diesen Ausführungen schließt sich der Senat für die Beurteilung der Situation des Klägers, dessen Eltern ebenfalls aus der Provinz Fujian stammen, an und macht sie sich unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklungen zu Eigen. Seit Herbst 2015 ist China allerdings zu einer „Zwei-Kind-Politik“ übergangen (vgl. etwa Auswärtiges Amt Lagebericht vom 20.11.2015), die auch mittlerweile umgesetzt wird und zu ersten Nachregistrierungen der „Zweitgeborenen“ geführt hat und weiter führt (vgl. Nathan van der Klippe in The Globe and Mail vom 03.04.2016). Dass sich hierdurch auch mittelbar die Situation der „Drittgeborenen“ oder, wie der Kläger, der „Viertgeborenen“ grundlegend geändert haben könnte, ist nach den vom Senat zusätzlich herangezogenen Erkenntnismitteln, insbesondere auch nach dem Lagebericht vom 20.11.2015, nicht ersichtlich und bleibt abzuwarten. Nach wie vor können sich die Betroffenen oder deren Eltern nur durch die Zahlung horrender Summen „freikaufen“, wozu die Eltern, die, wie sich in der mündlichen Verhandlung ergeben hat, nach wie vor faktisch (so die Mutter) bzw. aus ausländerrechtlichen Gründen (so der Vater) nicht arbeiten, ersichtlich nicht in der Lage sein werden.
47 
Was die Begriffsbestimmung der sozialen Gruppe im Sinne des § 3 b Abs. 1 Nr. 4 AsylG betrifft, ist mit Rücksicht auf die Ausführungen im angegriffenen Urteil zur Verdeutlichung noch darauf hinzuweisen, dass es hierfür unerheblich ist, dass etwa alle Mitglieder der Gruppe auch tatsächlich verfolgt werden. Dass etwa, wie hier, unter Umständen einzelne Angehörige der Gruppe sich durch die genannten Bußgeldzahlungen freikaufen können, ist nicht von Belang. Die Bestimmung der sozialen Gruppe und das Phänomen der Gruppenverfolgung dürfen nämlich nicht in eins gesetzt werden (vgl. etwa Marx, Handbuch des Flüchtlingsrechts, 2. Aufl., § 24 Rn. 16 ff.; Göbel-Zimmermann/Hruschka, in: Huber, AufenthG, 2. Aufl., § 3b AsylG Rn. 31).
48 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
49 
Gründe die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Gründe

 
16 
Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die ordnungsgemäß geladene Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war. Denn sie wurde in der Ladung hierauf hingewiesen (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO).
17 
Die ordnungsgemäß unter Stellung eines Antrags begründete Berufung des Klägers ist zulässig und auch in der Sache begründet.
18 
Die Beklagte ist entsprechend dem vom Kläger gestellten Antrag verpflichtet, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen (vgl. § 3 Abs. 1 AsylG bzw. Art. 2 lit. d) QRL). Der Kläger befindet sich wegen begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes.
19 
In tatsächlicher Hinsicht geht der Senat zunächst von den zutreffenden und überzeugenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 16.07.2015 (A 6 K 786/14) aus, die der Senat ausdrücklich zum Gegenstand des Verfahrens gemacht hatte. Das Verwaltungsgericht hat u.a. ausgeführt:
20 
„..3) Was die Voraussetzungen für die Anerkennung des Klägers als Flüchtling angeht, wird auf die beiden ausführlichen letztjährigen Entscheidungen des Gerichts zu dieser Frage verwiesen (VG Freiburg, Urteile vom 12.3.2014 - A 6 K 730/12 und A 6 K 1868/12 -, beide jeweils in juris, die beide rechtskräftig geworden sind, nachdem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dagegen keinen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt hat).
21 
Auch unter Berücksichtigung der aktuellen Auskunftslage zum mittlerweile erreichten Stand der chinesischen Ein-Kind-Politik und der seither ergangenen Rechtsprechung anderer Verwaltungsgerichte zu deren fehlender asyl- und flüchtlingsrechtlicher Relevanz sieht das Gericht derzeit keinen Anlass, von diesen Entscheidungen abzurücken. Zwar wird allenthalben mittlerweile darüber berichtet, dass die offizielle chinesische Politik sich langsam anschickt, sich von der Ein-Kind-Politik zu verabschieden und auf Dauer eine Zwei-Kind-Politik anzustreben, die allen verheirateten Paaren ohne sonstige Voraussetzungen zwei Kinder erlaubt. Denn in den letzten Jahren hat sich immer deutlicher herausgestellt, dass die rigide Ein-Kind-Politik ein schwerer - auch in Zukunft nur schwer rückgängig zu machender - Fehler war. Die Bevölkerung altert mittlerweile rapide, der Anteil der arbeitsfähigen Bevölkerung ist deutlich gesunken, ja selbst das Militär befürchtet Nachwuchsschwierigkeiten. In den Städten bewegt sich die Nachwuchsrate mittlerweile auf einem der niedrigsten Niveaus weltweit und auf Landessdurchschnitt mit 1,6 Kindern pro Paar noch immer unter der für einen Bevölkerungserhalt erforderlichen Quote von 2,1 Kindern pro Paar. Die Ein-Kind-Politik hat zudem nicht nur den negativen Effekt einer weit verbreiteten Tötung von weiblichen Föten nach sich gezogen (sogenannter „Gendercide“ = geschlechtsspezifischer Völkermord) und der dadurch bewirkte Männerüberschuss hat zum Kriminalitätsanstieg im Bereich Prostitution, Frauenhandel, Vergewaltigung und Entführung geführt. Vielmehr sind auch immer mehr psychosoziale Probleme daraus erwachsen, dass ganze Generationen von Kindern ohne Geschwister groß geworden sind, die als sogenannte „Generation der Prinzen“ die überproportionale Aufmerksamkeit einer großen Zahl von Verwandten auf sich ziehen, sich nur um sich selbst drehen und dadurch sozial nicht sonderlich verträglich geworden sind (vgl. zu alldem die folgenden - alle im Internet auffindbaren - Presseartikel: „The Economist“ vom 11.7.2015 - Tales oft he unexpected - China has relaxed ist one-child policy. Yet parents are not rushing to have a second; vom 6.6.2015 - China´s one-child policy: Only and Lonely - Analysing the Psychology of a Generation [= Review of Book written by Xinran: „Buy Me the Sky - the Remarkable Truth of China´s One-Child Generation“]; vom 28.2.2015 - Wedding wows - How the one-child policy changed Chinese nuptials; vom 10.1.2015 - Family Planning - Enforcing with a smile; vom 19.7.2014 - Family Planning - One-Child Proclivity: Predictions of a baby boomlet come to little; siehe ferner: „The Epoch Times“ vom 9.3.2015 - Is China going to abandon the One-Child Policy ? sowie www.bloomberg.com vom 20.1.2015 - China´s One-Child Policy Backfires as Labor Pool Shrinks Again; zum sog. „Gendercide“ - in China und Indien: „The Economist“ vom 4.3.2010 - Gendercide: The world wide war on baby girls - Technologies, declining fertility and ancient prejudice are combining to unbalance societies; siehe zu letzgenanntem Thema auch das UN-Committe on the Elimination of Discrimination against Women CEDAW, 14.11.2014 - Concluding Observations on the combined 7th and 8th Periodic Reports of China, Ziff. 38 und 39c mit dem Aufruf an China die entsprechende Praxis der Tötung vorzugsweise weiblicher Föten abzuschaffen).
22 
Obwohl es insoweit Anträge von Parlamentariern des Volkskongresses und Empfehlungen von Kommissionen für Familienplanungspolitik in Richtung der Einführung einer „Zwei-Kind-Politik“ gegeben hat, ist es jedenfalls bisher nicht zu wirklich grundlegenden Reformen gekommen, bzw. diese sind bisher nur halbherzig angegangen worden und haben sich obendrein noch als wenig effektvoll erwiesen. So wurde am 12.11.2013 durch das Zentralkommittee der Kommunistischen Partei Chinas lediglich beschlossen, dass verheirateten Paaren ein zweites Kind nicht mehr nur dann erlaubt wird, wenn sie - wie nach der zuvor geltenden Regelung - jeweils beide selbst aus einer Ein-Kind-Familie stammen, sondern dass es nunmehr genügt, wenn nur einer der Ehepartner selbst aus einer Ein-Kind-Familie stammt. Diese Reform ist mittlerweile auch in allen Provinzen - bis auf Xinjiang und Xizang - umgesetzt worden, (vgl. Law Library of Congress vom 6.8.2014: China - Provincial Family Planning Regulations Amended Allowing More Couples to Have a Second Child - = www.loc.gov/ lawweb/servlet/ lloc_news?disp3_1205404091_text; ebenso AA, Lagebericht - China, vom 15.10.2014 [Stand: Mai 2014], Seite 20, 21). Zu den Provinzen, in denen diese Reform umgesetzt wurde, zählt seit 31.3.2014 auch die Heimatprovinz der Eltern des Klägers, Fujian (siehe Immigration and Refugee Board of Canada, 16.10.2014, dort Ziff.2.4.).
23 
Ansonsten aber hat es keine wirklich grundlegenden Neuerungen gegeben. Es mag sein, dass es inzwischen nicht mehr ganz so viele Zwangssterilisationen bzw. Zwangsabtreibungen gegenüber Eltern unerlaubt gezeugter Kinder gibt, dass das Vorgehen von Beamten der Familienplanungs- Behörden von der chinesischen Öffentlichkeit mittlerweile etwas kritischer betrachtet wird, dass es Vorschriften gegenüber entsprechender Beamtenwillkür gibt und dass eine vorherige Geburtsgenehmigung nicht mehr erforderlich ist. Nach wie vor aber gilt, dass Eltern mit empfindlichen Bußgeldsanktionen (sogenannte Soziale Kompensationsgebühren“) zu rechnen haben, wenn sie unerlaubt zweite oder dritte Kinder bekommen. Diese Sanktionen belaufen sich häufig auf enorme Summen von vielen (bis zu zehn) durchschnittlichen Jahresgehältern.
24 
Zuletzt musste selbst der - von den Klägern im Termin zur mündlichen Verhandlung insoweit zutreffend erwähnte - berühmte und reiche chinesische Star-Regisseur Zhang Yimou, 7,5 Mio. Yuan, d.h. umgerechnet knapp 1 Mio. EUR als Strafe an die Behörden dafür zahlen, dass er mit seiner Frau drei gemeinsame Kinder hat (siehe Spiegel-Online, vom 9.1.2014, www.spielgel.de/panorama/leute/zahng-yimou-muss-wegen-der-ein-kind-politik-zahlen).
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Werden solche Bußgelder nicht bezahlt oder können sie nicht aufgebracht werden, so darf eine Eintragung des Kindes in das sogenannte Haushaltsregister „Houkou“ nach wie vor nicht vorgenommen werden. Das heißt diese Kinder bleiben in jeder Hinsicht und in mannigfaltiger Weise völlig rechtlos gestellt und vermehren so die große Zahl von sogenannten „Geisterkindern“, die es legal gar nicht geben dürfte, die mangels Houkou nicht nur jegliche Bildung, Gesundheitsversorgung, Wohnsitznahme, Arbeitsaufnahme, und so weiter versagt bekommen, sondern von der chinesischen Bevölkerung verachtet werden, die es noch immer als antipatriotisch ansieht, mehr als nur ein Kind zu haben (siehe etwa The Economist, 11.6.2015 zum Nimbus des Patriotischen einer Ein-Kind-Familie; siehe ferner Spiegel-Online, 9.1.2014 zu der öffentlichen Entschuldigung des berühmten Regisseurs Zhang Yimou, für seine unerlaubten Kinder und für die dadurch von ihm verursachten „negativen sozialen Einflüsse“). Diese Kinder leben infolge ihrer juristischen Nichtexistenz und der damit verbundenen tagtäglichen Probleme völlig isoliert und ausgeschlossen im Halbschatten der Gesellschaft als sogenannte „heihu“- d.h. illegale Menschen, finden häufig deshalb auch keine Freunde oder später gar Lebenspartner und können sich ohne Houkou nicht einmal in größeren Umkreisen bewegen, da selbst für Fernreisen, Zugfahren etc. wiederum ein Houkou Voraussetzung ist (siehe die eindrucksvolle ausführliche Schilderung des Schicksals solcher Kinder und ihrer Eltern, wenn diese ihre Kinder mangels finanzieller Möglichkeit, ihnen eine Houkou-Registrierung erkaufen zu können, nirgendwo wirklich integrieren können, und der Behördenwillkür und -schikane, der sie ausgesetzt sind, sowie der schweren seelischen Schäden ein solches Leben als juristische „Unperson“ für die betroffenen Eltern und Kinder: Nathan VanderKlippe in: The Globe and Mail vom 13.3.2015: The Gost Children of China: In the Wake of China´s One-Child-Policy a Generation is lost, www.theglobeandmail.com/news/world/the-ghost-children-in-the-wake-of-chi na´s-one-child-policy-a-generation-is-lost; siehe auch den Aufruf des UN-Kommittees für Frauenrechte an China, alle Sanktionen für die unerlaubte Geburt von Kindern aufzuheben und alle Barrieren für die Registrierung solcher Kinder zu entfernen: UN-Committe on the Elimination of Discrimination against Women CEDAW, 14.11.2014 - Concluding Observations on the combined 7th and 8th Periodic Reports of China, Ziff. 39b).
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Eltern, die ein Bußgeld nicht zahlen können, werden in aller Regel auch aus ihren Arbeitsverhältnissen gekündigt, oft auch inhaftiert, aus der kommunistischen Partei ausgeschlossen, nicht selten von den korrupten Beamten der Familienplanungsbehörde immer wieder zu Zahlungen erpresst, und gelegentlich noch mit der Durchsuchung und gar völligen Zerstörung ihres Privateigentums sanktioniert.
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Das Auswärtige Amt schildert insoweit in seinem Lagebericht (Stand Mai 2014), dass es zwar gegenüber Auslandsrückkehrern, die mit einem im Ausland gezeugten Kind zurückkehren, eine gesetzlich vorgeschriebene Entziehung des Kindes nicht mehr gebe, dass es aber gleichwohl „gelegentlich“ (d.h. immer mal wieder) Fälle gibt, in denen die Behörden den Familien als Strafe für die Nichteinhaltung der Familienplanungspolitik oder die Nichtzahlung der dafür festgesetzten enormen Geldbußen die Kinder wegnehmen, an Waisenhäuser verkaufen und von dort manchmal sogar noch gegen hohe Beträge zur Adoption ins Ausland vermitteln. „Immer wieder“ sei die Kontrolle der staatlichen Familienplanungspolitik mit gravierenden Menschenrechtsverletzungen bis hin zu Zwangsabtreibungen selbst in fortgeschrittenen Schwangerschaftsstadien verbunden. Häufig würden unverheiratete Frauen von den Behörden zu „freiwilligen“ Abtreibungen gedrängt (AA, Lagebericht China 2014, S. 21).
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Das deckt sich mit den neuesten seit den letzten beiden Entscheidungen des Gerichts vom 12.3.2014 veröffentlichten Analysen und Lageberichten anderer Auskunftsquellen zu diesem Thema (Britisches Home Office, July 2015, Country Information and Guidance - China: Contravention of National Population and Family-Planning Laws, Ziff. 2.3.2. - 2.3.6., wonach es auch nach Änderung der Erlaubnismöglichkeit für ein zweites Kind für Eltern, von denen nur einer selbst aus einer Ein-Kind-Familie stammt, bisher nicht zu einer Entspannung auf Seiten der Familienplanungsbehörden gekommen ist, sondern diese nach wie vor mit harschen Maßnahmen die Geburtenkontrollpolitik durchsetzen, allein schon deshalb, weil die Eintreibung der extrem hohen Bußgelder eine bedeutende Einkommensquelle für die örtlichen Familienplanungsbehörden darstellt, siehe dazu auch Ziffern 5.3.2., 5.3.5.; 5.4.3.; 5.4.5; 5.4.8.; 5.5.4; 5.7.1. - 5.7.6; siehe ferner: Immigration and Refugee Board of Canada, 16.10.2014, dort Ziff.2.2. und 3.2.; US-Dept.of State, Country Report on Human Rights Practices 2014- China, Section: Women - Reproductive Rights = www.ecoi.net/local_loin/306284/443559_de.html; ACCORD -Austrian Center for Country of Origin & Asylum Research and Documentation, vom 21.11.2014; Australian Government - Migration Review Tribunal - Refugee Review Tribunal, 3. Auflage, 8.3.2013 - letzter Änderungsstand: 8.9.2013: Background Paper China: Family Planning - Ziff.3.4.2., 4.4., 5., 6.2. und 6.3.).
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All diesen Berichten ist im Übrigen auch zu entnehmen, dass eines der Haupthindernisse einer raschen Beseitigung der harschen Geburtenkontrollpolitik das handfeste wirtschaftliche Interesse der Familienplanungsbehörden ist, die mit der Erhebung von Bußgeldern für ihre Behörde aber auch für die damit befassten Beamten persönlich verknüpften Möglichkeiten zur Einkommenserzielung zu nutzen, und dass die Beamten und Behörden ihrerseits nach wie vor einer unverändert strikten Kontrolle der Einhaltung ihrer „Planziele“ in Sachen Geburtenkontrollpolitik unterliegen und Beförderungen von den erreichten Verhinderungen bzw. Sanktionierungen unerlaubter Geburten abhängig gemacht werden und sie ansonsten auch durch entsprechende Berichts- und Dokumentationspflichten dauernd unter Erfolgsdruck gesetzt bzw. sie bei Nichterreichen der Ziele mit Sanktionen belegt werden (siehe insoweit etwa The Economist, vom 10.1.2015 - Enforcing with a smile: „Changing officials habits could prove hard. For 35 years the enforcers have been evaluated ruthlessly by their superiors fort her fulfillment of quantifiable targets“; ebenso Home Office, July 2015, Ziff. 5.3.1. unter Verweis auf US Dept.of State, Country Report China 2014, wonach die Beamten der Familienplanungsbehörden mit Beförderungen aber auch Bestrafungen zur Einhaltung der Zahlenziele in ihren Abteilungen gedrängt werden und Ziff.2.3.6, wonach sie ihre strenge Durchsetzung der Familienplanungsziele, zu der sie erneut durch die Kommunistische Partei im November 2013 aufgerufen worden seien, nicht gelockert hätten).
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4) Konkret auf den Fall des Klägers und seiner Eltern bezogen, die ihn ungenehmigt im Ausland bekommen haben, bedeutet dies Folgendes: Lediglich sein älterer Bruder, das erste Kind seiner Eltern, das in China verblieben ist, hat als erlaubtes erstes Kind keine Probleme. Alle weiteren Kinder der Eltern des Klägers, also seine ältere Schwester und er selbst, sind hingegen sogenannte „unerlaubte Schwarzkinder“, deren Existenz nach den chinesischen Regeln ungenehmigt und auch nicht genehmigungsfähig ist, wie sie in der Heimatprovinz Fujian gelten, in welche die Eltern mit ihnen wegen des Houkou-Systems nur zurückkehren können.
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In China werden, wie die Eltern des Klägers in der mündlichen Verhandlung plausibel und glaubhaft angaben, generell Frauen im gebärfähigen Alter regelmäßig, teilweise auch vierteljährlich einer gynäkologischen Untersuchung auf unerlaubte Schwangerschaften hin unterzogen (Australian Government - Refugee Review Tribunal, Background Paper China: Family Planning, 3. Auflage, 8.3.2013 - letzter Änderungsstand: 8.9.2013: Ziff.3.4.2.; ebenso zur Testpflicht von Eltern eines über einem Jahr alten Kindes: ACCORD, a.a.O., unter: Bußgeldzahlungen für unehelich geborene Kinder und Verweigerung der Registrierung bei Nichtzahlung; siehe auch VanderKlippe, The Globe and Mail, a.a.O., Ausdruck S. 9 von 22). Zu hohen Bußgeldzahlungen für nicht erlaubte Schwarzkinder werden nicht nur die Ehepartner jeder einzeln heranzogen, sondern auch deren Verwandte (Australian Refugee Review Tribunal, a.a.O., Ziff.4.4). Von daher ist es nachvollziehbar und anhand der mit unterschiedlichen Fotodaten ausgewiesenen Fotos auch glaubhaft, dass die Eltern des Klägers zur Entlastung seiner Großeltern und um diese vor solchen finanziell einschneidenden Sanktionen zu bewahren, diesen Fotos zum Nachweis eines Auslandsaufenthalts ohne erneute Schwangerschaften vorgelegt haben.
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Die in der Provinz Fujian geltenden Ausnahmeregeln für weitere Kinder greifen im Fall der Eltern des Klägers nicht ein, so dass weder seine Existenz noch die seiner älteren Schwester im Sinne dieser Vorschriften genehmigungsfähig ist. Die Ausnahmen betreffen nämlich nur ein zweites Kind und auch dies nur, wenn die Eltern beide bzw. nur einer von ihnen ein Einzelkind war. Das trifft auf beide ausweislich ihrer Angaben in ihrem eigenen Asylverfahren nicht zu (siehe BAS 27 bzw. 33 der beigezogenen Bundesamtsakte der Eltern), wonach der Vater des Klägers noch eine Schwester habe bzw. die Mutter des Klägers noch einen Bruder habe. Diese Angaben sind auch glaubhaft, da die Kläger seinerzeit bei ihrer Anhörung im Jahre 2002 nicht wissen konnten, dass es darauf einmal ankommen würde, und insofern keine Gefahr interessengeleiteter falscher Angaben besteht.
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Auch die anderen Ausnahmen: Behinderung, Einwohnerschaft in Hong Kong, Macao, oder Taiwan, wiederverheiratete Paar ohne vorherige Kinder, Eltern als kommunistischer Märtyrer, Sterilität der Brüder des Kindesvaters, bisher bei ländlichen Paaren nur eine Tochter etc. (siehe dazu Australian Refugee Review Tribunal, a.a.O., Ziff. 6.3.) sind im Fall der Eltern des Klägers ersichtlich nicht erfüllt.
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Schließlich gibt es auch keine die Eltern des Klägers als Auslandsrückkehrer privilegierende Vorschrift in Fujian. Denn Auslandsrückkehrer werden von den sozialen Bußgeldzahlungen für ein unerlaubtes zweites Kind nur befreit, wenn beide Eltern im Ausland studiert haben (Australian Refugee Review Board, a.a.O. Ziff. 6.3.), was bei den Eltern des Klägers nicht der Fall ist: Sie haben beide in Deutschland (und auch schon zuvor in China) nicht studiert, sondern haben allenfalls eine Mittelschulbildung. Der Vater arbeitet als ungelernte Kraft auf der Basis des gesetzlichen Mindestlohns in der Gastronomie, die Mutter ist infolge ihres Verkehrsunfalls nicht arbeitsfähig.
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Für den somit in zwei Fällen vorliegenden Verstoß der Eltern sind nach den in Fujian geltenden Regeln soziale Kompensationsgebühren, d.h. Bußgelder in Höhe zwischen zwei bis sechs durchschnittlichen Jahreslöhnen zu bezahlen, um im Gegenzug für das unerlaubte Kind eine Houkou-Registrierung zu erhalten (Australian Refugee Review Tribunal, a.a.O., Ziff. 6.2.1.). Dass die Eltern prognostisch betrachtet nach einer Rückkehr finanziell dazu in der Lage wären, dem Kläger ein Schicksal als unregistriertes „illegales Schwarzkind“ (bzw. juristisch und sozial betrachtet „Geisterkind“) durch die Zahlung eines Bußgeldes zu ersparen, ist zur Überzeugung des Gerichts nicht zu erwarten.
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Die Festsetzung der konkreten Höhe dieser Bußgelder steht unter anderem im Ermessen der Behörden, deren Willkür hier auch Tür und Tor geöffnet ist. Bei Rückkehrern aus dem Ausland, wie den Eltern des Klägers, werden die Behörden grundsätzlich das Vorhandensein von im Ausland erworbenem Reichtum bzw. Wohlstand vermuten und ihre Bußgeldforderungen entsprechend hoch ansiedeln. Das dürfte vor dem Hintergrund der zitierten generellen Informationen realistisch zu erwarten sein. Hinzu käme im vorliegenden Fall der Umstand, dass die Kläger die heimatlichen Behörden - für diese dann offenkundig erkennbar - durch jahrelange Falschangaben bezüglich ihrer Kinderzahl getäuscht haben. Das aber wird nicht eben die Verhängung eines Bußgeldes im unteren Bereich der möglichen Sanktionenskala zur Folge haben, sondern im Gegenteil wohl straferschwerend gewertet werden….
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5) Auch an der rechtlichen Würdigung, dass dies in Anknüpfung an die Zugehörigkeit des Klägers zu einer sozialen Gruppe eine Verfolgungshandlung von menschenrechtsverletzendem Gewicht darstellt, hält das Gericht nach wie vor fest.
38 
Die gegenteiligen mittlerweile ergangenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen vermögen insoweit nicht zu überzeugen (vgl. BayVGH, B. v. 8.1.2015 - 15 ZB 15.30001; VG Frankfurt a.M., B. v. 23.10.2014 - 2 L 2186/14.F.A.; VG Bayreuth, U. v. 4.11.2014 - B 3 K 13.30190; VG Frankfurt a.M., U. v. 20.3.2014 - 2 K 2826/13/F.A.; VG Meiningen, U. v. 2.4.2014 - 1 K 20223/10 Me. - alle in juris).
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Die Gruppe der - aus Sicht der chinesischen Regierung und Mehrheitsbevölkerung - „kinderreichen“ Familien, bzw. der Kinder mit einem oder mehr Geschwistern, ist eine klar erkennbare und gesellschaftlich wahrnehmbare Gruppe. Dass unter Umständen Ausnahmen für einzelne Zweit- oder gar Drittkinder möglich sein mögen, je nach Provinz, Ausnahmetatbestand oder Bußgeldzahlung, und daher verschiedene Gruppenbildungen möglich sind, ändert (entgegen der in der oben zitierten Verwaltungsgerichtsrechtsprechung vertretenen Ansicht) nichts daran, dass es in der jeweiligen Provinz, die man aufgrund des Houkou-Systems legal nicht einfach verlassen kann, im Grundsatz diese Zielgruppe ist, auf die sich - wenn eben solche Ausnahmetatbestände nicht vorliegen - die Sanktionspolitik der chinesischen Regierung richtet.
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Die unter Verstoß gegen diese Grundregeln gezeugten Kinder sollen nämlich entweder durch Zwangsabtreibung schon am Geborenwerden gehindert und eliminiert werden, bzw. die Geburt weiterer solcher Kinder durch die Zwangssterilisation ihrer insoweit als asozial eingestuften Eltern verhindert werden, die der „sozialen“ Gruppe der asozial die Mehrheitsbedürfnisse nach Bevölkerungskontrolle missachtenden Eltern zuzurechnen sind, bzw. die gleichwohl existierenden Kinder werden, falls für sie kein Bußgeld gezahlt werden kann und da man sie nach ihrer Geburt nicht mehr umbringen kann und will, dann eben als juristisch nicht existent ins Vakuum der Rechtlosigkeit gestoßen, indem man ihnen die in jeder Hinsicht für ein Überleben in der chinesischen Gesellschaft unerlässliche Houkou-Registrierung verweigert wird und sie damit zum Dahinvegetieren als Entrechtete am Rande der Gesellschaft verdammt.
41 
Diese bewusst als Sanktion verhängte Vorenthaltung von Ausbildungs- und Gesundheitsversorgungsleistungen, die dem Staat möglich sind und auch tatsächlich von ihm erbracht werden, stellt insofern eine gezielte und bewusste Benachteiligung und somit etwas ganz anderes dar, als das generelle Fehlen solcher staatlicher Leistungen in Staaten, die solche nicht aufbringen können, und auf die nach den internationalen Menschenrechtsstandards zwar ein Recht bestehen mag, das aber wie bei allen sozialen Rechten nur unter dem Vorbehalt des Finanzierbaren und Möglichen gewährt werden kann. Die generelle Verweigerung einer Houkou-Registrierung als Sanktion für eine unerlaubte Geburt ist auch etwas anderes, als die in China vorzufindende Zweiteilung in Houkou-Registrierungen für den Aufenthalt auf dem Land bzw. für den Aufenthalt in der Stadt, welche zahlreichen Wanderarbeitnehmer, die nur eine ländliche Houkou-Registrierung besitzen, von einem legalen Leben, Wohnen und Arbeiten in der Stadt ausschließt und sie - falls sie sich dort doch aufhalten - in den Städten in die Illegalität drängt, wo sie und ihre Kinder mangels städtischer Houkou-Registrierung keinen Anspruch auf Schulbesuch, Gesundheits- und Sozialleistungen haben (zu diesem System: The Economist vom 20.3.2014 - Urbanisation, Moving on Up).
42 
Die Verweigerung der Houkou-Registrierung stellt mithin nicht nur im asylrechtlichen Sinne wortwörtlich eine „Ausgrenzung aus der staatlichen Friedensordnung“ dar, sondern eben auch eine flüchtlingsrechtliche Verfolgung in Anknüpfung an eine soziale Gruppenzugehörigkeit, nämlich die Gruppe der per se als „überflüssig“ angesehenen Menschen in China.
43 
Das haben in sehr ausdifferenzierten gründlichen Entscheidungen zur Anwendbarkeit des Begriffs der „sozialen Gruppe“ im Sinne der GFK auf unerlaubte chinesische „Schwarzkinder“ unter anderem der High Court of Ireland und der High Court of Australia sowie das Refugee Review Tribunal von Australien so in den letzten Jahren entschieden (vgl. High Court - Ireland, Decision, dated 12/10/2014, in der Sache: S.J.L. -vs. - Refugee Appeals Tribunal & ors. - [2014] IEHC 608, Rz. 14. ff. [50.]; High Court of Australia, in der Sache: A. vs. Minister for Immigration and Ethnic Affairs., Decision dated 24.2.1997 - [1997] HCA 4; (1997) CLR 225; (1997) 142 ALR 331; und Australian Refugee Review Tribunal, Decision dated 1.3.2012, RRT Case Number: 1108245 [2012] RRTA 120). Auch das britische Home Office ist offenbar der Ansicht, dass Mütter, die unter Verstoß gegen die chinesische staatliche Geburtenkontrollpolitik ein Kind bekommen haben, flüchtlingsrechtlich eine „soziale Gruppe“ darstellen (siehe Home Office, July 2015, a.a.O. Ziff. 2.2.1. unter Verweis auf Country Guidance Case of AX [Family Planning Scheme] China CG [2012] UKUT 00097 [IAC] vom 16.4.2012). Auf diese Entscheidungen wird im Einzelnen verwiesen. Wie der Ausschuss des amerikanischen Kongresses zu China (Congressional Executive Commission on China - One Year Later, Initial Impact of China´s Population Planning Policy - Adjustment smaller than expected, 9.12.2014) ausführte, verletze die chinesischen Geburtenkontrollpolitik unter anderem die Standards wie sie in der „Bejing Declaration and Platform for Action“ von 1994 und in dem „Programme of Action of the Cairo Intl. Conference on Population and Development“ festgelegt sind, ebenso, wie der Ausschluss von unerlaubten Kindern aus dem Registrierungssystem (Houkou) eine nach der „Internationalen Konvention zum Schutz der Kinderrechte“ und nach dem Internationalen Pakt über die Wirtschaftlichen, Sozialen und Kulturellen Rechte“ verbotene Diskriminierung darstelle.
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Vor diesem Hintergrund lässt sich - anders als von den genannten Verwaltungsgerichten vertreten - die chinesische Geburtenkontrollpolitik nicht einfach als eine jeden gleichermaßen ohne Unterschied treffende und daher nicht diskriminierende, rein ordnungspolitische Maßnahme zur Bekämpfung einer für das wirtschaftliche und soziale Überleben des chinesischen Staates und seiner Einwohner schädlichen Überbevölkerung einstufen. Vielmehr liegt die Diskriminierung hier bereits darin, dass diese Maßnahmen an die Ausübung eines allgemeinen Menschenrechts zur freien Entscheidung über die eigene Reproduktion anknüpft, also an ein im Grundsatz erlaubtes Verhalten, das genauso schutzwürdig ist, wie das Ausleben einer politischen oder religiösen Überzeugung, und daher für staatliche Eingriffe keinen legitimen Anknüpfungspunkt darstellen kann.
45 
Selbst wenn man aber die Zielsetzung einer Eindämmung der Bevölkerungszahl als eine legitime ordnungspolitische unpolitische und nichtdiskriminierende Zielsetzung ansieht, deren Verfolgung - zumindest im Grundsatz - einen Eingriff in das Menschenrecht auf freie Entscheidung über die eigene Reproduktion - etwa als gleichgewichtiger Wert von Verfassungsrang bzw. wegen kollidierender Grundrecht Dritter rechtfertigen könnte, lässt sich im Fall der chinesischen Bevölkerungspolitik nicht übersehen, dass diese sich selbst unter diesen Gesichtspunkten als unverhältnismäßig, überflüssig und im Ergebnis (s.o.) sogar im Gegenteil als sozialschädlich erwiesen hat und daher solche Eingriffe schon deshalb nicht zu rechtfertigen vermochte und nach wie vor nicht vermag (siehe insoweit den Artikel in The Economist, 11.7.2015, mit einer unter dem Titel „unnecessary force“ abgedruckten Tabelle der Weltbank zum Rückgang der Bevölkerungszahlen auch in Ländern, wie unter anderem sogar im bevölkerungsreichen Indien, die eine solche harsche Politik der Bevölkerungskontrolle nicht betrieben haben). Die Maßnahmen der chinesischen Politik, die in erster Linie auf gewaltsame Vernichtung der Reproduktionsfähigkeit von Eltern mit überschießendem Kinderwunsch durch Zwangsterilisation abzielen, bzw. auf die Eliminierung unerlaubt empfangener Föten (durch Zwangsabtreibung) bzw. auf die Ausgrenzung und Rechtlosstellung gleichwohl geborener „überzähliger“ unerlaubter Kinder abzielen, erweisen sich zudem wegen ihres direkten Durchgriffs auf den Wesenskern der Existenz und die Integrität ihrer menschlichen Zielobjekte schließlich auch schon deshalb als diskriminierend, weil sie an deren So-Sein bzw. an deren menschenrechtlich geschütztem Verhalten ansetzen und unverhältnismäßig sind, da demgegenüber bedenkenfreie Maßnahmen zur Bevölkerungsstabilisierung, wie etwa wirtschaftliche Anreize, die Einführung eines Sozialversicherungssystems, Aufklärung und vor allem auch Verhütungskampagnen als mildere Mittel zur Verfügung stehen und insoweit überall sonst in der Welt zur Bevölkerungskontrolle genutzt werden, während in China zwar 85 Prozent der Frauen empfängnisverhütende Mittel benutzen, aber offenbar nur 12 % der Frauen zwischen 25 und 30 Jahren die Verhütungsmethoden wirklich verstanden haben und 68 % der Frauen sich über die Methoden und ihre Wirkung im Einzelnen im Unklaren waren (vgl. Home Office, July 2015, a.a.O., Ziff. 5.2.2. unter Verweis auf US Dept. of State, Country Report China 2014, a.a.O.).“
46 
Diesen Ausführungen schließt sich der Senat für die Beurteilung der Situation des Klägers, dessen Eltern ebenfalls aus der Provinz Fujian stammen, an und macht sie sich unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklungen zu Eigen. Seit Herbst 2015 ist China allerdings zu einer „Zwei-Kind-Politik“ übergangen (vgl. etwa Auswärtiges Amt Lagebericht vom 20.11.2015), die auch mittlerweile umgesetzt wird und zu ersten Nachregistrierungen der „Zweitgeborenen“ geführt hat und weiter führt (vgl. Nathan van der Klippe in The Globe and Mail vom 03.04.2016). Dass sich hierdurch auch mittelbar die Situation der „Drittgeborenen“ oder, wie der Kläger, der „Viertgeborenen“ grundlegend geändert haben könnte, ist nach den vom Senat zusätzlich herangezogenen Erkenntnismitteln, insbesondere auch nach dem Lagebericht vom 20.11.2015, nicht ersichtlich und bleibt abzuwarten. Nach wie vor können sich die Betroffenen oder deren Eltern nur durch die Zahlung horrender Summen „freikaufen“, wozu die Eltern, die, wie sich in der mündlichen Verhandlung ergeben hat, nach wie vor faktisch (so die Mutter) bzw. aus ausländerrechtlichen Gründen (so der Vater) nicht arbeiten, ersichtlich nicht in der Lage sein werden.
47 
Was die Begriffsbestimmung der sozialen Gruppe im Sinne des § 3 b Abs. 1 Nr. 4 AsylG betrifft, ist mit Rücksicht auf die Ausführungen im angegriffenen Urteil zur Verdeutlichung noch darauf hinzuweisen, dass es hierfür unerheblich ist, dass etwa alle Mitglieder der Gruppe auch tatsächlich verfolgt werden. Dass etwa, wie hier, unter Umständen einzelne Angehörige der Gruppe sich durch die genannten Bußgeldzahlungen freikaufen können, ist nicht von Belang. Die Bestimmung der sozialen Gruppe und das Phänomen der Gruppenverfolgung dürfen nämlich nicht in eins gesetzt werden (vgl. etwa Marx, Handbuch des Flüchtlingsrechts, 2. Aufl., § 24 Rn. 16 ff.; Göbel-Zimmermann/Hruschka, in: Huber, AufenthG, 2. Aufl., § 3b AsylG Rn. 31).
48 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
49 
Gründe die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).

(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 ist Folgendes zu berücksichtigen:

1.
der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe;
2.
der Begriff der Religion umfasst insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind;
3.
der Begriff der Nationalität beschränkt sich nicht auf die Staatsangehörigkeit oder das Fehlen einer solchen, sondern bezeichnet insbesondere auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch ihre kulturelle, ethnische oder sprachliche Identität, gemeinsame geografische oder politische Herkunft oder ihre Verwandtschaft mit der Bevölkerung eines anderen Staates bestimmt wird;
4.
eine Gruppe gilt insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn
a)
die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und
b)
die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird;
als eine bestimmte soziale Gruppe kann auch eine Gruppe gelten, die sich auf das gemeinsame Merkmal der sexuellen Orientierung gründet; Handlungen, die nach deutschem Recht als strafbar gelten, fallen nicht darunter; eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe kann auch vorliegen, wenn sie allein an das Geschlecht oder die geschlechtliche Identität anknüpft;
5.
unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist.

(2) Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.

(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Ist eine Vertretung durch Anwälte vorgeschrieben, wird der Partei ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet.

(2) Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist.

(3) Ein nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt kann nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen.

(4) Wenn besondere Umstände dies erfordern, kann der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl zur Wahrnehmung eines Termins zur Beweisaufnahme vor dem ersuchten Richter oder zur Vermittlung des Verkehrs mit dem Prozessbevollmächtigten beigeordnet werden.

(5) Findet die Partei keinen zur Vertretung bereiten Anwalt, ordnet der Vorsitzende ihr auf Antrag einen Rechtsanwalt bei.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.

(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Der Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe ist bei dem Prozessgericht zu stellen; er kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden. In dem Antrag ist das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel darzustellen. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Zwangsvollstreckung ist bei dem für die Zwangsvollstreckung zuständigen Gericht zu stellen.

(2) Dem Antrag sind eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen. Die Erklärung und die Belege dürfen dem Gegner nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden; es sei denn, der Gegner hat gegen den Antragsteller nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts einen Anspruch auf Auskunft über Einkünfte und Vermögen des Antragstellers. Dem Antragsteller ist vor der Übermittlung seiner Erklärung an den Gegner Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Er ist über die Übermittlung seiner Erklärung zu unterrichten.

(3) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird ermächtigt, zur Vereinfachung und Vereinheitlichung des Verfahrens durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Formulare für die Erklärung einzuführen. Die Formulare enthalten die nach § 120a Absatz 2 Satz 4 erforderliche Belehrung.

(4) Soweit Formulare für die Erklärung eingeführt sind, muss sich die Partei ihrer bedienen.

(1) Das Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das die Klage in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgewiesen wird, ist unanfechtbar. Das gilt auch, wenn nur das Klagebegehren gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet, das Klagebegehren im Übrigen hingegen als unzulässig oder unbegründet abgewiesen worden ist.

(2) In den übrigen Fällen steht den Beteiligten die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zu, wenn sie von dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(3) Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.

(4) Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss, der keiner Begründung bedarf. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) § 134 der Verwaltungsgerichtsordnung findet keine Anwendung, wenn das Urteil des Verwaltungsgerichts nach Absatz 1 unanfechtbar ist.

(7) Ein Rechtsbehelf nach § 84 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids zu erheben.

(8) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 132 Absatz 1 und § 137 Absatz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung auch zu, wenn das Oberverwaltungsgericht

1.
in der Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat von deren Beurteilung durch ein anderes Oberverwaltungsgericht oder durch das Bundesverwaltungsgericht abweicht und
2.
die Revision deswegen zugelassen hat.
Eine Nichtzulassungsbeschwerde kann auf diesen Zulassungsgrund nicht gestützt werden. Die Revision ist beschränkt auf die Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat. In dem hierfür erforderlichen Umfang ist das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 137 Absatz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden. Das Bundesverwaltungsgericht berücksichtigt für die Beurteilung der allgemeinen Lage diejenigen herkunfts- oder zielstaatsbezogenen Erkenntnisse, die von den in Satz 1 Nummer 1 genannten Gerichten verwertet worden sind, die ihm zum Zeitpunkt seiner mündlichen Verhandlung oder Entscheidung (§ 77 Absatz 1) von den Beteiligten vorgelegt oder die von ihm beigezogen oder erhoben worden sind. Die Anschlussrevision ist ausgeschlossen.

(8a) Das Bundesministerium des Innern und für Heimat evaluiert im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz die Revision nach Absatz 8 drei Jahre nach Inkrafttreten.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so gilt § 100 der Zivilprozeßordnung entsprechend. Kann das streitige Rechtsverhältnis dem kostenpflichtigen Teil gegenüber nur einheitlich entschieden werden, so können die Kosten den mehreren Personen als Gesamtschuldnern auferlegt werden.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

(1) In Klageverfahren nach dem Asylgesetz beträgt der Gegenstandswert 5 000 Euro, in den Fällen des § 77 Absatz 4 Satz 1 des Asylgesetzes 10 000 Euro, in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes 2 500 Euro. Sind mehrere natürliche Personen an demselben Verfahren beteiligt, erhöht sich der Wert für jede weitere Person in Klageverfahren um 1 000 Euro und in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes um 500 Euro.

(2) Ist der nach Absatz 1 bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig, kann das Gericht einen höheren oder einen niedrigeren Wert festsetzen.

(1) Das Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das die Klage in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgewiesen wird, ist unanfechtbar. Das gilt auch, wenn nur das Klagebegehren gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet, das Klagebegehren im Übrigen hingegen als unzulässig oder unbegründet abgewiesen worden ist.

(2) In den übrigen Fällen steht den Beteiligten die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zu, wenn sie von dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(3) Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.

(4) Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss, der keiner Begründung bedarf. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) § 134 der Verwaltungsgerichtsordnung findet keine Anwendung, wenn das Urteil des Verwaltungsgerichts nach Absatz 1 unanfechtbar ist.

(7) Ein Rechtsbehelf nach § 84 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids zu erheben.

(8) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 132 Absatz 1 und § 137 Absatz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung auch zu, wenn das Oberverwaltungsgericht

1.
in der Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat von deren Beurteilung durch ein anderes Oberverwaltungsgericht oder durch das Bundesverwaltungsgericht abweicht und
2.
die Revision deswegen zugelassen hat.
Eine Nichtzulassungsbeschwerde kann auf diesen Zulassungsgrund nicht gestützt werden. Die Revision ist beschränkt auf die Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat. In dem hierfür erforderlichen Umfang ist das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 137 Absatz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden. Das Bundesverwaltungsgericht berücksichtigt für die Beurteilung der allgemeinen Lage diejenigen herkunfts- oder zielstaatsbezogenen Erkenntnisse, die von den in Satz 1 Nummer 1 genannten Gerichten verwertet worden sind, die ihm zum Zeitpunkt seiner mündlichen Verhandlung oder Entscheidung (§ 77 Absatz 1) von den Beteiligten vorgelegt oder die von ihm beigezogen oder erhoben worden sind. Die Anschlussrevision ist ausgeschlossen.

(8a) Das Bundesministerium des Innern und für Heimat evaluiert im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz die Revision nach Absatz 8 drei Jahre nach Inkrafttreten.