Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 14. Sept. 2016 - A 11 S 1125/16

bei uns veröffentlicht am14.09.2016

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 3. Mai 2016 - A 6 K 851/16 - teilweise geändert.

Die Beklagte wird unter Aufhebung der Ziffer 1 ihres Bescheids vom 18. Februar 2016 verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wurde am 02.03.2015 in der Bundesrepublik Deutschland geboren und ist chinesischer Staatsangehöriger. Er hat drei Geschwister, die am 23.07.2009 (Klägerin zu 2) im Verfahren - A 6 K 2175/14), am 27.04.2011 (Klägerin im Verfahren - A 6 K 903/13) und am 12.04.2013 (Klägerin im Verfahren - A 6 K 2258/13) in der Bundesrepublik Deutschland geboren sind. Die Eltern des Klägers stammen aus der Provinz Fujian. Ihre Asylanträge (auch Folgeanträge) wurden unanfechtbar abgelehnt.
Auf den 12.08.2015 wurde der Antrag des Klägers auf Anerkennung als Asylberechtigter nach § 14 a Abs. 2 AsylG als gestellt fingiert.
Mit Bescheid vom 18.02.2016 lehnte das Bundesamt den Antrag des Klägers auf Anerkennung als Asylberechtigter und auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet und den Antrag auf subsidiären Schutz ab, und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Ferner drohte es dem Kläger die Abschiebung nach China an und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung.
Am 28.02.2016 erhob der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Karlsruhe.
Mit Schriftsatz vom 19.04.2016 erklärte die Beklagte, sie werde dem Kläger subsidiären Schutz zuerkennen und den angegriffenen Bescheid vom 18.02.2016 insoweit aufzuheben, als er dieser Feststellung entgegensteht. Daraufhin erklärte der Kläger den Rechtstreit insoweit für erledigt, als der Kläger die Zuerkennung subsidiären Schutzes und die Feststellung des Vorliegens von Abschiebungshindernissen nach §60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG begehrt hatte. Im Übrigen verfolgte er sein Begehren auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft weiter.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Durch Urteil vom 03.05.2016 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab und führte zur Begründung aus: Der hier allein infrage kommende Verfolgungsgrund der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe (vgl. § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG) scheide im Falle des Klägers aus. Zwar sei nach der Auskunftslage zu befürchten, dass die Eltern zur Legalisierung seines Status eine empfindliche Geldbuße zahlen müssten und er im Falle einer Nichtbezahlung nicht in das Haushaltsregister (Hukou) eingetragen würde mit der Folge von Einschränkungen im Hinblick auf soziale Leistungen. Dennoch falle nicht jedes Kind, das unter Verstoß gegen die chinesischen Geburtenkontrollregelungen geboren worden sei, unter den Begriff einer bestimmten sozialen Gruppe. Denn die Familienplanungspolitik der Volksrepublik China sei komplex und sehe verschiedene Ausnahmen und Legalisierungsmöglichkeiten vor, von denen auch die Familie des Klägers grundsätzlich Gebrauch machen könne. Die Frage, ob ein Kind von den Sanktionen eines Verstoßes gegen die Familienpolitik betroffen sei, sei jeweils eine Frage des Einzelfalls, weshalb die Annahme der sozialen Gruppe „Kinder, die unter Verstoß gegen die chinesischen Geburtenkontrollregelungen geboren seien“ nicht in Betracht komme.
Am 09.05.2016 beantragte der Kläger die Zulassung der Berufung wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache.
Mit Beschluss vom 07.06.2016 ließ der Senat die Berufung zu
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Am 16.06.2016 begründete der Kläger unter Stellung eines Antrags die Berufung und machte geltend, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht die Auffassung vertreten, bei den fraglichen Kindern könne nicht von einer sozialen Gruppe gesprochen werden.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 3. Mai 2016 - A 6 K 851/16 teilweise zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung der Ziffer 1 ihres Bescheids vom 18. Februar 2016 zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
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Die Beklagte tritt der Berufung entgegen und macht sich die Ausführungen im angegriffenen Urteil zu eigen.
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Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
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Dem Senat liegen die Akten des Bundesamts (auch betreffend die Verfahren der Eltern des Klägers) sowie die Akten des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vor.

Entscheidungsgründe

 
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Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die ordnungsgemäß geladene Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war. Denn sie wurde in der Ladung hierauf hingewiesen (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO).
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Die ordnungsgemäß unter Stellung eines Antrags begründete Berufung des Klägers ist zulässig und auch in der Sache begründet.
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Die Beklagte ist entsprechend dem vom Kläger gestellten Antrag verpflichtet, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen (vgl. § 3 Abs. 1 AsylG bzw. Art. 2 lit. d) QRL). Der Kläger befindet sich wegen begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes.
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In tatsächlicher Hinsicht geht der Senat zunächst von den zutreffenden und überzeugenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 16.07.2015 (A 6 K 786/14) aus, die der Senat ausdrücklich zum Gegenstand des Verfahrens gemacht hatte. Das Verwaltungsgericht hat u.a. ausgeführt:
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„..3) Was die Voraussetzungen für die Anerkennung des Klägers als Flüchtling angeht, wird auf die beiden ausführlichen letztjährigen Entscheidungen des Gerichts zu dieser Frage verwiesen (VG Freiburg, Urteile vom 12.3.2014 - A 6 K 730/12 und A 6 K 1868/12 -, beide jeweils in juris, die beide rechtskräftig geworden sind, nachdem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dagegen keinen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt hat).
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Auch unter Berücksichtigung der aktuellen Auskunftslage zum mittlerweile erreichten Stand der chinesischen Ein-Kind-Politik und der seither ergangenen Rechtsprechung anderer Verwaltungsgerichte zu deren fehlender asyl- und flüchtlingsrechtlicher Relevanz sieht das Gericht derzeit keinen Anlass, von diesen Entscheidungen abzurücken. Zwar wird allenthalben mittlerweile darüber berichtet, dass die offizielle chinesische Politik sich langsam anschickt, sich von der Ein-Kind-Politik zu verabschieden und auf Dauer eine Zwei-Kind-Politik anzustreben, die allen verheirateten Paaren ohne sonstige Voraussetzungen zwei Kinder erlaubt. Denn in den letzten Jahren hat sich immer deutlicher herausgestellt, dass die rigide Ein-Kind-Politik ein schwerer - auch in Zukunft nur schwer rückgängig zu machender - Fehler war. Die Bevölkerung altert mittlerweile rapide, der Anteil der arbeitsfähigen Bevölkerung ist deutlich gesunken, ja selbst das Militär befürchtet Nachwuchsschwierigkeiten. In den Städten bewegt sich die Nachwuchsrate mittlerweile auf einem der niedrigsten Niveaus weltweit und auf Landessdurchschnitt mit 1,6 Kindern pro Paar noch immer unter der für einen Bevölkerungserhalt erforderlichen Quote von 2,1 Kindern pro Paar. Die Ein-Kind-Politik hat zudem nicht nur den negativen Effekt einer weit verbreiteten Tötung von weiblichen Föten nach sich gezogen (sogenannter „Gendercide“ = geschlechtsspezifischer Völkermord) und der dadurch bewirkte Männerüberschuss hat zum Kriminalitätsanstieg im Bereich Prostitution, Frauenhandel, Vergewaltigung und Entführung geführt. Vielmehr sind auch immer mehr psychosoziale Probleme daraus erwachsen, dass ganze Generationen von Kindern ohne Geschwister groß geworden sind, die als sogenannte „Generation der Prinzen“ die überproportionale Aufmerksamkeit einer großen Zahl von Verwandten auf sich ziehen, sich nur um sich selbst drehen und dadurch sozial nicht sonderlich verträglich geworden sind (vgl. zu alldem die folgenden - alle im Internet auffindbaren - Presseartikel: „The Economist“ vom 11.7.2015 - Tales oft he unexpected - China has relaxed ist one-child policy. Yet parents are not rushing to have a second; vom 6.6.2015 - China´s one-child policy: Only and Lonely - Analysing the Psychology of a Generation [= Review of Book written by Xinran: „Buy Me the Sky - the Remarkable Truth of China´s One-Child Generation“]; vom 28.2.2015 - Wedding wows - How the one-child policy changed Chinese nuptials; vom 10.1.2015 - Family Planning - Enforcing with a smile; vom 19.7.2014 - Family Planning - One-Child Proclivity: Predictions of a baby boomlet come to little; siehe ferner: „The Epoch Times“ vom 9.3.2015 - Is China going to abandon the One-Child Policy ? sowie www.bloomberg.com vom 20.1.2015 - China´s One-Child Policy Backfires as Labor Pool Shrinks Again; zum sog. „Gendercide“ - in China und Indien: „The Economist“ vom 4.3.2010 - Gendercide: The world wide war on baby girls - Technologies, declining fertility and ancient prejudice are combining to unbalance societies; siehe zu letzgenanntem Thema auch das UN-Committe on the Elimination of Discrimination against Women CEDAW, 14.11.2014 - Concluding Observations on the combined 7th and 8th Periodic Reports of China, Ziff. 38 und 39c mit dem Aufruf an China die entsprechende Praxis der Tötung vorzugsweise weiblicher Föten abzuschaffen).
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Obwohl es insoweit Anträge von Parlamentariern des Volkskongresses und Empfehlungen von Kommissionen für Familienplanungspolitik in Richtung der Einführung einer „Zwei-Kind-Politik“ gegeben hat, ist es jedenfalls bisher nicht zu wirklich grundlegenden Reformen gekommen, bzw. diese sind bisher nur halbherzig angegangen worden und haben sich obendrein noch als wenig effektvoll erwiesen. So wurde am 12.11.2013 durch das Zentralkommittee der Kommunistischen Partei Chinas lediglich beschlossen, dass verheirateten Paaren ein zweites Kind nicht mehr nur dann erlaubt wird, wenn sie - wie nach der zuvor geltenden Regelung - jeweils beide selbst aus einer Ein-Kind-Familie stammen, sondern dass es nunmehr genügt, wenn nur einer der Ehepartner selbst aus einer Ein-Kind-Familie stammt. Diese Reform ist mittlerweile auch in allen Provinzen - bis auf Xinjiang und Xizang - umgesetzt worden, (vgl. Law Library of Congress vom 6.8.2014: China - Provincial Family Planning Regulations Amended Allowing More Couples to Have a Second Child - = www.loc.gov/ lawweb/servlet/ lloc_news?disp3_1205404091_text; ebenso AA, Lagebericht - China, vom 15.10.2014 [Stand: Mai 2014], Seite 20, 21). Zu den Provinzen, in denen diese Reform umgesetzt wurde, zählt seit 31.3.2014 auch die Heimatprovinz der Eltern des Klägers, Fujian (siehe Immigration and Refugee Board of Canada, 16.10.2014, dort Ziff.2.4.).
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Ansonsten aber hat es keine wirklich grundlegenden Neuerungen gegeben. Es mag sein, dass es inzwischen nicht mehr ganz so viele Zwangssterilisationen bzw. Zwangsabtreibungen gegenüber Eltern unerlaubt gezeugter Kinder gibt, dass das Vorgehen von Beamten der Familienplanungs- Behörden von der chinesischen Öffentlichkeit mittlerweile etwas kritischer betrachtet wird, dass es Vorschriften gegenüber entsprechender Beamtenwillkür gibt und dass eine vorherige Geburtsgenehmigung nicht mehr erforderlich ist. Nach wie vor aber gilt, dass Eltern mit empfindlichen Bußgeldsanktionen (sogenannte Soziale Kompensationsgebühren“) zu rechnen haben, wenn sie unerlaubt zweite oder dritte Kinder bekommen. Diese Sanktionen belaufen sich häufig auf enorme Summen von vielen (bis zu zehn) durchschnittlichen Jahresgehältern.
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Zuletzt musste selbst der - von den Klägern im Termin zur mündlichen Verhandlung insoweit zutreffend erwähnte - berühmte und reiche chinesische Star-Regisseur Zhang Yimou, 7,5 Mio. Yuan, d.h. umgerechnet knapp 1 Mio. EUR als Strafe an die Behörden dafür zahlen, dass er mit seiner Frau drei gemeinsame Kinder hat (siehe Spiegel-Online, vom 9.1.2014, www.spielgel.de/panorama/leute/zahng-yimou-muss-wegen-der-ein-kind-politik-zahlen).
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Werden solche Bußgelder nicht bezahlt oder können sie nicht aufgebracht werden, so darf eine Eintragung des Kindes in das sogenannte Haushaltsregister „Houkou“ nach wie vor nicht vorgenommen werden. Das heißt diese Kinder bleiben in jeder Hinsicht und in mannigfaltiger Weise völlig rechtlos gestellt und vermehren so die große Zahl von sogenannten „Geisterkindern“, die es legal gar nicht geben dürfte, die mangels Houkou nicht nur jegliche Bildung, Gesundheitsversorgung, Wohnsitznahme, Arbeitsaufnahme, und so weiter versagt bekommen, sondern von der chinesischen Bevölkerung verachtet werden, die es noch immer als antipatriotisch ansieht, mehr als nur ein Kind zu haben (siehe etwa The Economist, 11.6.2015 zum Nimbus des Patriotischen einer Ein-Kind-Familie; siehe ferner Spiegel-Online, 9.1.2014 zu der öffentlichen Entschuldigung des berühmten Regisseurs Zhang Yimou, für seine unerlaubten Kinder und für die dadurch von ihm verursachten „negativen sozialen Einflüsse“). Diese Kinder leben infolge ihrer juristischen Nichtexistenz und der damit verbundenen tagtäglichen Probleme völlig isoliert und ausgeschlossen im Halbschatten der Gesellschaft als sogenannte „heihu“- d.h. illegale Menschen, finden häufig deshalb auch keine Freunde oder später gar Lebenspartner und können sich ohne Houkou nicht einmal in größeren Umkreisen bewegen, da selbst für Fernreisen, Zugfahren etc. wiederum ein Houkou Voraussetzung ist (siehe die eindrucksvolle ausführliche Schilderung des Schicksals solcher Kinder und ihrer Eltern, wenn diese ihre Kinder mangels finanzieller Möglichkeit, ihnen eine Houkou-Registrierung erkaufen zu können, nirgendwo wirklich integrieren können, und der Behördenwillkür und -schikane, der sie ausgesetzt sind, sowie der schweren seelischen Schäden ein solches Leben als juristische „Unperson“ für die betroffenen Eltern und Kinder: Nathan VanderKlippe in: The Globe and Mail vom 13.3.2015: The Gost Children of China: In the Wake of China´s One-Child-Policy a Generation is lost, www.theglobeandmail.com/news/world/the-ghost-children-in-the-wake-of-chi na´s-one-child-policy-a-generation-is-lost; siehe auch den Aufruf des UN-Kommittees für Frauenrechte an China, alle Sanktionen für die unerlaubte Geburt von Kindern aufzuheben und alle Barrieren für die Registrierung solcher Kinder zu entfernen: UN-Committe on the Elimination of Discrimination against Women CEDAW, 14.11.2014 - Concluding Observations on the combined 7th and 8th Periodic Reports of China, Ziff. 39b).
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Eltern, die ein Bußgeld nicht zahlen können, werden in aller Regel auch aus ihren Arbeitsverhältnissen gekündigt, oft auch inhaftiert, aus der kommunistischen Partei ausgeschlossen, nicht selten von den korrupten Beamten der Familienplanungsbehörde immer wieder zu Zahlungen erpresst, und gelegentlich noch mit der Durchsuchung und gar völligen Zerstörung ihres Privateigentums sanktioniert.
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Das Auswärtige Amt schildert insoweit in seinem Lagebericht (Stand Mai 2014), dass es zwar gegenüber Auslandsrückkehrern, die mit einem im Ausland gezeugten Kind zurückkehren, eine gesetzlich vorgeschriebene Entziehung des Kindes nicht mehr gebe, dass es aber gleichwohl „gelegentlich“ (d.h. immer mal wieder) Fälle gibt, in denen die Behörden den Familien als Strafe für die Nichteinhaltung der Familienplanungspolitik oder die Nichtzahlung der dafür festgesetzten enormen Geldbußen die Kinder wegnehmen, an Waisenhäuser verkaufen und von dort manchmal sogar noch gegen hohe Beträge zur Adoption ins Ausland vermitteln. „Immer wieder“ sei die Kontrolle der staatlichen Familienplanungspolitik mit gravierenden Menschenrechtsverletzungen bis hin zu Zwangsabtreibungen selbst in fortgeschrittenen Schwangerschaftsstadien verbunden. Häufig würden unverheiratete Frauen von den Behörden zu „freiwilligen“ Abtreibungen gedrängt (AA, Lagebericht China 2014, S. 21).
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Das deckt sich mit den neuesten seit den letzten beiden Entscheidungen des Gerichts vom 12.3.2014 veröffentlichten Analysen und Lageberichten anderer Auskunftsquellen zu diesem Thema (Britisches Home Office, July 2015, Country Information and Guidance - China: Contravention of National Population and Family-Planning Laws, Ziff. 2.3.2. - 2.3.6., wonach es auch nach Änderung der Erlaubnismöglichkeit für ein zweites Kind für Eltern, von denen nur einer selbst aus einer Ein-Kind-Familie stammt, bisher nicht zu einer Entspannung auf Seiten der Familienplanungsbehörden gekommen ist, sondern diese nach wie vor mit harschen Maßnahmen die Geburtenkontrollpolitik durchsetzen, allein schon deshalb, weil die Eintreibung der extrem hohen Bußgelder eine bedeutende Einkommensquelle für die örtlichen Familienplanungsbehörden darstellt, siehe dazu auch Ziffern 5.3.2., 5.3.5.; 5.4.3.; 5.4.5; 5.4.8.; 5.5.4; 5.7.1. - 5.7.6; siehe ferner: Immigration and Refugee Board of Canada, 16.10.2014, dort Ziff.2.2. und 3.2.; US-Dept.of State, Country Report on Human Rights Practices 2014- China, Section: Women - Reproductive Rights = www.ecoi.net/local_loin/306284/443559_de.html; ACCORD -Austrian Center for Country of Origin & Asylum Research and Documentation, vom 21.11.2014; Australian Government - Migration Review Tribunal - Refugee Review Tribunal, 3. Auflage, 8.3.2013 - letzter Änderungsstand: 8.9.2013: Background Paper China: Family Planning - Ziff.3.4.2., 4.4., 5., 6.2. und 6.3.).
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All diesen Berichten ist im Übrigen auch zu entnehmen, dass eines der Haupthindernisse einer raschen Beseitigung der harschen Geburtenkontrollpolitik das handfeste wirtschaftliche Interesse der Familienplanungsbehörden ist, die mit der Erhebung von Bußgeldern für ihre Behörde aber auch für die damit befassten Beamten persönlich verknüpften Möglichkeiten zur Einkommenserzielung zu nutzen, und dass die Beamten und Behörden ihrerseits nach wie vor einer unverändert strikten Kontrolle der Einhaltung ihrer „Planziele“ in Sachen Geburtenkontrollpolitik unterliegen und Beförderungen von den erreichten Verhinderungen bzw. Sanktionierungen unerlaubter Geburten abhängig gemacht werden und sie ansonsten auch durch entsprechende Berichts- und Dokumentationspflichten dauernd unter Erfolgsdruck gesetzt bzw. sie bei Nichterreichen der Ziele mit Sanktionen belegt werden (siehe insoweit etwa The Economist, vom 10.1.2015 - Enforcing with a smile: „Changing officials habits could prove hard. For 35 years the enforcers have been evaluated ruthlessly by their superiors fort her fulfillment of quantifiable targets“; ebenso Home Office, July 2015, Ziff. 5.3.1. unter Verweis auf US Dept.of State, Country Report China 2014, wonach die Beamten der Familienplanungsbehörden mit Beförderungen aber auch Bestrafungen zur Einhaltung der Zahlenziele in ihren Abteilungen gedrängt werden und Ziff.2.3.6, wonach sie ihre strenge Durchsetzung der Familienplanungsziele, zu der sie erneut durch die Kommunistische Partei im November 2013 aufgerufen worden seien, nicht gelockert hätten).
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4) Konkret auf den Fall des Klägers und seiner Eltern bezogen, die ihn ungenehmigt im Ausland bekommen haben, bedeutet dies Folgendes: Lediglich sein älterer Bruder, das erste Kind seiner Eltern, das in China verblieben ist, hat als erlaubtes erstes Kind keine Probleme. Alle weiteren Kinder der Eltern des Klägers, also seine ältere Schwester und er selbst, sind hingegen sogenannte „unerlaubte Schwarzkinder“, deren Existenz nach den chinesischen Regeln ungenehmigt und auch nicht genehmigungsfähig ist, wie sie in der Heimatprovinz Fujian gelten, in welche die Eltern mit ihnen wegen des Houkou-Systems nur zurückkehren können.
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In China werden, wie die Eltern des Klägers in der mündlichen Verhandlung plausibel und glaubhaft angaben, generell Frauen im gebärfähigen Alter regelmäßig, teilweise auch vierteljährlich einer gynäkologischen Untersuchung auf unerlaubte Schwangerschaften hin unterzogen (Australian Government - Refugee Review Tribunal, Background Paper China: Family Planning, 3. Auflage, 8.3.2013 - letzter Änderungsstand: 8.9.2013: Ziff.3.4.2.; ebenso zur Testpflicht von Eltern eines über einem Jahr alten Kindes: ACCORD, a.a.O., unter: Bußgeldzahlungen für unehelich geborene Kinder und Verweigerung der Registrierung bei Nichtzahlung; siehe auch VanderKlippe, The Globe and Mail, a.a.O., Ausdruck S. 9 von 22). Zu hohen Bußgeldzahlungen für nicht erlaubte Schwarzkinder werden nicht nur die Ehepartner jeder einzeln heranzogen, sondern auch deren Verwandte (Australian Refugee Review Tribunal, a.a.O., Ziff.4.4). Von daher ist es nachvollziehbar und anhand der mit unterschiedlichen Fotodaten ausgewiesenen Fotos auch glaubhaft, dass die Eltern des Klägers zur Entlastung seiner Großeltern und um diese vor solchen finanziell einschneidenden Sanktionen zu bewahren, diesen Fotos zum Nachweis eines Auslandsaufenthalts ohne erneute Schwangerschaften vorgelegt haben.
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Die in der Provinz Fujian geltenden Ausnahmeregeln für weitere Kinder greifen im Fall der Eltern des Klägers nicht ein, so dass weder seine Existenz noch die seiner älteren Schwester im Sinne dieser Vorschriften genehmigungsfähig ist. Die Ausnahmen betreffen nämlich nur ein zweites Kind und auch dies nur, wenn die Eltern beide bzw. nur einer von ihnen ein Einzelkind war. Das trifft auf beide ausweislich ihrer Angaben in ihrem eigenen Asylverfahren nicht zu (siehe BAS 27 bzw. 33 der beigezogenen Bundesamtsakte der Eltern), wonach der Vater des Klägers noch eine Schwester habe bzw. die Mutter des Klägers noch einen Bruder habe. Diese Angaben sind auch glaubhaft, da die Kläger seinerzeit bei ihrer Anhörung im Jahre 2002 nicht wissen konnten, dass es darauf einmal ankommen würde, und insofern keine Gefahr interessengeleiteter falscher Angaben besteht.
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Auch die anderen Ausnahmen: Behinderung, Einwohnerschaft in Hong Kong, Macao, oder Taiwan, wiederverheiratete Paar ohne vorherige Kinder, Eltern als kommunistischer Märtyrer, Sterilität der Brüder des Kindesvaters, bisher bei ländlichen Paaren nur eine Tochter etc. (siehe dazu Australian Refugee Review Tribunal, a.a.O., Ziff. 6.3.) sind im Fall der Eltern des Klägers ersichtlich nicht erfüllt.
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Schließlich gibt es auch keine die Eltern des Klägers als Auslandsrückkehrer privilegierende Vorschrift in Fujian. Denn Auslandsrückkehrer werden von den sozialen Bußgeldzahlungen für ein unerlaubtes zweites Kind nur befreit, wenn beide Eltern im Ausland studiert haben (Australian Refugee Review Board, a.a.O. Ziff. 6.3.), was bei den Eltern des Klägers nicht der Fall ist: Sie haben beide in Deutschland (und auch schon zuvor in China) nicht studiert, sondern haben allenfalls eine Mittelschulbildung. Der Vater arbeitet als ungelernte Kraft auf der Basis des gesetzlichen Mindestlohns in der Gastronomie, die Mutter ist infolge ihres Verkehrsunfalls nicht arbeitsfähig.
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Für den somit in zwei Fällen vorliegenden Verstoß der Eltern sind nach den in Fujian geltenden Regeln soziale Kompensationsgebühren, d.h. Bußgelder in Höhe zwischen zwei bis sechs durchschnittlichen Jahreslöhnen zu bezahlen, um im Gegenzug für das unerlaubte Kind eine Houkou-Registrierung zu erhalten (Australian Refugee Review Tribunal, a.a.O., Ziff. 6.2.1.). Dass die Eltern prognostisch betrachtet nach einer Rückkehr finanziell dazu in der Lage wären, dem Kläger ein Schicksal als unregistriertes „illegales Schwarzkind“ (bzw. juristisch und sozial betrachtet „Geisterkind“) durch die Zahlung eines Bußgeldes zu ersparen, ist zur Überzeugung des Gerichts nicht zu erwarten.
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Die Festsetzung der konkreten Höhe dieser Bußgelder steht unter anderem im Ermessen der Behörden, deren Willkür hier auch Tür und Tor geöffnet ist. Bei Rückkehrern aus dem Ausland, wie den Eltern des Klägers, werden die Behörden grundsätzlich das Vorhandensein von im Ausland erworbenem Reichtum bzw. Wohlstand vermuten und ihre Bußgeldforderungen entsprechend hoch ansiedeln. Das dürfte vor dem Hintergrund der zitierten generellen Informationen realistisch zu erwarten sein. Hinzu käme im vorliegenden Fall der Umstand, dass die Kläger die heimatlichen Behörden - für diese dann offenkundig erkennbar - durch jahrelange Falschangaben bezüglich ihrer Kinderzahl getäuscht haben. Das aber wird nicht eben die Verhängung eines Bußgeldes im unteren Bereich der möglichen Sanktionenskala zur Folge haben, sondern im Gegenteil wohl straferschwerend gewertet werden….
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5) Auch an der rechtlichen Würdigung, dass dies in Anknüpfung an die Zugehörigkeit des Klägers zu einer sozialen Gruppe eine Verfolgungshandlung von menschenrechtsverletzendem Gewicht darstellt, hält das Gericht nach wie vor fest.
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Die gegenteiligen mittlerweile ergangenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen vermögen insoweit nicht zu überzeugen (vgl. BayVGH, B. v. 8.1.2015 - 15 ZB 15.30001; VG Frankfurt a.M., B. v. 23.10.2014 - 2 L 2186/14.F.A.; VG Bayreuth, U. v. 4.11.2014 - B 3 K 13.30190; VG Frankfurt a.M., U. v. 20.3.2014 - 2 K 2826/13/F.A.; VG Meiningen, U. v. 2.4.2014 - 1 K 20223/10 Me. - alle in juris).
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Die Gruppe der - aus Sicht der chinesischen Regierung und Mehrheitsbevölkerung - „kinderreichen“ Familien, bzw. der Kinder mit einem oder mehr Geschwistern, ist eine klar erkennbare und gesellschaftlich wahrnehmbare Gruppe. Dass unter Umständen Ausnahmen für einzelne Zweit- oder gar Drittkinder möglich sein mögen, je nach Provinz, Ausnahmetatbestand oder Bußgeldzahlung, und daher verschiedene Gruppenbildungen möglich sind, ändert (entgegen der in der oben zitierten Verwaltungsgerichtsrechtsprechung vertretenen Ansicht) nichts daran, dass es in der jeweiligen Provinz, die man aufgrund des Houkou-Systems legal nicht einfach verlassen kann, im Grundsatz diese Zielgruppe ist, auf die sich - wenn eben solche Ausnahmetatbestände nicht vorliegen - die Sanktionspolitik der chinesischen Regierung richtet.
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Die unter Verstoß gegen diese Grundregeln gezeugten Kinder sollen nämlich entweder durch Zwangsabtreibung schon am Geborenwerden gehindert und eliminiert werden, bzw. die Geburt weiterer solcher Kinder durch die Zwangssterilisation ihrer insoweit als asozial eingestuften Eltern verhindert werden, die der „sozialen“ Gruppe der asozial die Mehrheitsbedürfnisse nach Bevölkerungskontrolle missachtenden Eltern zuzurechnen sind, bzw. die gleichwohl existierenden Kinder werden, falls für sie kein Bußgeld gezahlt werden kann und da man sie nach ihrer Geburt nicht mehr umbringen kann und will, dann eben als juristisch nicht existent ins Vakuum der Rechtlosigkeit gestoßen, indem man ihnen die in jeder Hinsicht für ein Überleben in der chinesischen Gesellschaft unerlässliche Houkou-Registrierung verweigert wird und sie damit zum Dahinvegetieren als Entrechtete am Rande der Gesellschaft verdammt.
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Diese bewusst als Sanktion verhängte Vorenthaltung von Ausbildungs- und Gesundheitsversorgungsleistungen, die dem Staat möglich sind und auch tatsächlich von ihm erbracht werden, stellt insofern eine gezielte und bewusste Benachteiligung und somit etwas ganz anderes dar, als das generelle Fehlen solcher staatlicher Leistungen in Staaten, die solche nicht aufbringen können, und auf die nach den internationalen Menschenrechtsstandards zwar ein Recht bestehen mag, das aber wie bei allen sozialen Rechten nur unter dem Vorbehalt des Finanzierbaren und Möglichen gewährt werden kann. Die generelle Verweigerung einer Houkou-Registrierung als Sanktion für eine unerlaubte Geburt ist auch etwas anderes, als die in China vorzufindende Zweiteilung in Houkou-Registrierungen für den Aufenthalt auf dem Land bzw. für den Aufenthalt in der Stadt, welche zahlreichen Wanderarbeitnehmer, die nur eine ländliche Houkou-Registrierung besitzen, von einem legalen Leben, Wohnen und Arbeiten in der Stadt ausschließt und sie - falls sie sich dort doch aufhalten - in den Städten in die Illegalität drängt, wo sie und ihre Kinder mangels städtischer Houkou-Registrierung keinen Anspruch auf Schulbesuch, Gesundheits- und Sozialleistungen haben (zu diesem System: The Economist vom 20.3.2014 - Urbanisation, Moving on Up).
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Die Verweigerung der Houkou-Registrierung stellt mithin nicht nur im asylrechtlichen Sinne wortwörtlich eine „Ausgrenzung aus der staatlichen Friedensordnung“ dar, sondern eben auch eine flüchtlingsrechtliche Verfolgung in Anknüpfung an eine soziale Gruppenzugehörigkeit, nämlich die Gruppe der per se als „überflüssig“ angesehenen Menschen in China.
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Das haben in sehr ausdifferenzierten gründlichen Entscheidungen zur Anwendbarkeit des Begriffs der „sozialen Gruppe“ im Sinne der GFK auf unerlaubte chinesische „Schwarzkinder“ unter anderem der High Court of Ireland und der High Court of Australia sowie das Refugee Review Tribunal von Australien so in den letzten Jahren entschieden (vgl. High Court - Ireland, Decision, dated 12/10/2014, in der Sache: S.J.L. -vs. - Refugee Appeals Tribunal & ors. - [2014] IEHC 608, Rz. 14. ff. [50.]; High Court of Australia, in der Sache: A. vs. Minister for Immigration and Ethnic Affairs., Decision dated 24.2.1997 - [1997] HCA 4; (1997) CLR 225; (1997) 142 ALR 331; und Australian Refugee Review Tribunal, Decision dated 1.3.2012, RRT Case Number: 1108245 [2012] RRTA 120). Auch das britische Home Office ist offenbar der Ansicht, dass Mütter, die unter Verstoß gegen die chinesische staatliche Geburtenkontrollpolitik ein Kind bekommen haben, flüchtlingsrechtlich eine „soziale Gruppe“ darstellen (siehe Home Office, July 2015, a.a.O. Ziff. 2.2.1. unter Verweis auf Country Guidance Case of AX [Family Planning Scheme] China CG [2012] UKUT 00097 [IAC] vom 16.4.2012). Auf diese Entscheidungen wird im Einzelnen verwiesen. Wie der Ausschuss des amerikanischen Kongresses zu China (Congressional Executive Commission on China - One Year Later, Initial Impact of China´s Population Planning Policy - Adjustment smaller than expected, 9.12.2014) ausführte, verletze die chinesischen Geburtenkontrollpolitik unter anderem die Standards wie sie in der „Bejing Declaration and Platform for Action“ von 1994 und in dem „Programme of Action of the Cairo Intl. Conference on Population and Development“ festgelegt sind, ebenso, wie der Ausschluss von unerlaubten Kindern aus dem Registrierungssystem (Houkou) eine nach der „Internationalen Konvention zum Schutz der Kinderrechte“ und nach dem Internationalen Pakt über die Wirtschaftlichen, Sozialen und Kulturellen Rechte“ verbotene Diskriminierung darstelle.
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Vor diesem Hintergrund lässt sich - anders als von den genannten Verwaltungsgerichten vertreten - die chinesische Geburtenkontrollpolitik nicht einfach als eine jeden gleichermaßen ohne Unterschied treffende und daher nicht diskriminierende, rein ordnungspolitische Maßnahme zur Bekämpfung einer für das wirtschaftliche und soziale Überleben des chinesischen Staates und seiner Einwohner schädlichen Überbevölkerung einstufen. Vielmehr liegt die Diskriminierung hier bereits darin, dass diese Maßnahmen an die Ausübung eines allgemeinen Menschenrechts zur freien Entscheidung über die eigene Reproduktion anknüpft, also an ein im Grundsatz erlaubtes Verhalten, das genauso schutzwürdig ist, wie das Ausleben einer politischen oder religiösen Überzeugung, und daher für staatliche Eingriffe keinen legitimen Anknüpfungspunkt darstellen kann.
45 
Selbst wenn man aber die Zielsetzung einer Eindämmung der Bevölkerungszahl als eine legitime ordnungspolitische unpolitische und nichtdiskriminierende Zielsetzung ansieht, deren Verfolgung - zumindest im Grundsatz - einen Eingriff in das Menschenrecht auf freie Entscheidung über die eigene Reproduktion - etwa als gleichgewichtiger Wert von Verfassungsrang bzw. wegen kollidierender Grundrecht Dritter rechtfertigen könnte, lässt sich im Fall der chinesischen Bevölkerungspolitik nicht übersehen, dass diese sich selbst unter diesen Gesichtspunkten als unverhältnismäßig, überflüssig und im Ergebnis (s.o.) sogar im Gegenteil als sozialschädlich erwiesen hat und daher solche Eingriffe schon deshalb nicht zu rechtfertigen vermochte und nach wie vor nicht vermag (siehe insoweit den Artikel in The Economist, 11.7.2015, mit einer unter dem Titel „unnecessary force“ abgedruckten Tabelle der Weltbank zum Rückgang der Bevölkerungszahlen auch in Ländern, wie unter anderem sogar im bevölkerungsreichen Indien, die eine solche harsche Politik der Bevölkerungskontrolle nicht betrieben haben). Die Maßnahmen der chinesischen Politik, die in erster Linie auf gewaltsame Vernichtung der Reproduktionsfähigkeit von Eltern mit überschießendem Kinderwunsch durch Zwangsterilisation abzielen, bzw. auf die Eliminierung unerlaubt empfangener Föten (durch Zwangsabtreibung) bzw. auf die Ausgrenzung und Rechtlosstellung gleichwohl geborener „überzähliger“ unerlaubter Kinder abzielen, erweisen sich zudem wegen ihres direkten Durchgriffs auf den Wesenskern der Existenz und die Integrität ihrer menschlichen Zielobjekte schließlich auch schon deshalb als diskriminierend, weil sie an deren So-Sein bzw. an deren menschenrechtlich geschütztem Verhalten ansetzen und unverhältnismäßig sind, da demgegenüber bedenkenfreie Maßnahmen zur Bevölkerungsstabilisierung, wie etwa wirtschaftliche Anreize, die Einführung eines Sozialversicherungssystems, Aufklärung und vor allem auch Verhütungskampagnen als mildere Mittel zur Verfügung stehen und insoweit überall sonst in der Welt zur Bevölkerungskontrolle genutzt werden, während in China zwar 85 Prozent der Frauen empfängnisverhütende Mittel benutzen, aber offenbar nur 12 % der Frauen zwischen 25 und 30 Jahren die Verhütungsmethoden wirklich verstanden haben und 68 % der Frauen sich über die Methoden und ihre Wirkung im Einzelnen im Unklaren waren (vgl. Home Office, July 2015, a.a.O., Ziff. 5.2.2. unter Verweis auf US Dept. of State, Country Report China 2014, a.a.O.).“
46 
Diesen Ausführungen schließt sich der Senat für die Beurteilung der Situation des Klägers, dessen Eltern ebenfalls aus der Provinz Fujian stammen, an und macht sie sich unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklungen zu Eigen. Seit Herbst 2015 ist China allerdings zu einer „Zwei-Kind-Politik“ übergangen (vgl. etwa Auswärtiges Amt Lagebericht vom 20.11.2015), die auch mittlerweile umgesetzt wird und zu ersten Nachregistrierungen der „Zweitgeborenen“ geführt hat und weiter führt (vgl. Nathan van der Klippe in The Globe and Mail vom 03.04.2016). Dass sich hierdurch auch mittelbar die Situation der „Drittgeborenen“ oder, wie der Kläger, der „Viertgeborenen“ grundlegend geändert haben könnte, ist nach den vom Senat zusätzlich herangezogenen Erkenntnismitteln, insbesondere auch nach dem Lagebericht vom 20.11.2015, nicht ersichtlich und bleibt abzuwarten. Nach wie vor können sich die Betroffenen oder deren Eltern nur durch die Zahlung horrender Summen „freikaufen“, wozu die Eltern, die, wie sich in der mündlichen Verhandlung ergeben hat, nach wie vor faktisch (so die Mutter) bzw. aus ausländerrechtlichen Gründen (so der Vater) nicht arbeiten, ersichtlich nicht in der Lage sein werden.
47 
Was die Begriffsbestimmung der sozialen Gruppe im Sinne des § 3 b Abs. 1 Nr. 4 AsylG betrifft, ist mit Rücksicht auf die Ausführungen im angegriffenen Urteil zur Verdeutlichung noch darauf hinzuweisen, dass es hierfür unerheblich ist, dass etwa alle Mitglieder der Gruppe auch tatsächlich verfolgt werden. Dass etwa, wie hier, unter Umständen einzelne Angehörige der Gruppe sich durch die genannten Bußgeldzahlungen freikaufen können, ist nicht von Belang. Die Bestimmung der sozialen Gruppe und das Phänomen der Gruppenverfolgung dürfen nämlich nicht in eins gesetzt werden (vgl. etwa Marx, Handbuch des Flüchtlingsrechts, 2. Aufl., § 24 Rn. 16 ff.; Göbel-Zimmermann/Hruschka, in: Huber, AufenthG, 2. Aufl., § 3b AsylG Rn. 31).
48 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
49 
Gründe die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Gründe

 
16 
Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die ordnungsgemäß geladene Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war. Denn sie wurde in der Ladung hierauf hingewiesen (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO).
17 
Die ordnungsgemäß unter Stellung eines Antrags begründete Berufung des Klägers ist zulässig und auch in der Sache begründet.
18 
Die Beklagte ist entsprechend dem vom Kläger gestellten Antrag verpflichtet, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen (vgl. § 3 Abs. 1 AsylG bzw. Art. 2 lit. d) QRL). Der Kläger befindet sich wegen begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes.
19 
In tatsächlicher Hinsicht geht der Senat zunächst von den zutreffenden und überzeugenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 16.07.2015 (A 6 K 786/14) aus, die der Senat ausdrücklich zum Gegenstand des Verfahrens gemacht hatte. Das Verwaltungsgericht hat u.a. ausgeführt:
20 
„..3) Was die Voraussetzungen für die Anerkennung des Klägers als Flüchtling angeht, wird auf die beiden ausführlichen letztjährigen Entscheidungen des Gerichts zu dieser Frage verwiesen (VG Freiburg, Urteile vom 12.3.2014 - A 6 K 730/12 und A 6 K 1868/12 -, beide jeweils in juris, die beide rechtskräftig geworden sind, nachdem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dagegen keinen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt hat).
21 
Auch unter Berücksichtigung der aktuellen Auskunftslage zum mittlerweile erreichten Stand der chinesischen Ein-Kind-Politik und der seither ergangenen Rechtsprechung anderer Verwaltungsgerichte zu deren fehlender asyl- und flüchtlingsrechtlicher Relevanz sieht das Gericht derzeit keinen Anlass, von diesen Entscheidungen abzurücken. Zwar wird allenthalben mittlerweile darüber berichtet, dass die offizielle chinesische Politik sich langsam anschickt, sich von der Ein-Kind-Politik zu verabschieden und auf Dauer eine Zwei-Kind-Politik anzustreben, die allen verheirateten Paaren ohne sonstige Voraussetzungen zwei Kinder erlaubt. Denn in den letzten Jahren hat sich immer deutlicher herausgestellt, dass die rigide Ein-Kind-Politik ein schwerer - auch in Zukunft nur schwer rückgängig zu machender - Fehler war. Die Bevölkerung altert mittlerweile rapide, der Anteil der arbeitsfähigen Bevölkerung ist deutlich gesunken, ja selbst das Militär befürchtet Nachwuchsschwierigkeiten. In den Städten bewegt sich die Nachwuchsrate mittlerweile auf einem der niedrigsten Niveaus weltweit und auf Landessdurchschnitt mit 1,6 Kindern pro Paar noch immer unter der für einen Bevölkerungserhalt erforderlichen Quote von 2,1 Kindern pro Paar. Die Ein-Kind-Politik hat zudem nicht nur den negativen Effekt einer weit verbreiteten Tötung von weiblichen Föten nach sich gezogen (sogenannter „Gendercide“ = geschlechtsspezifischer Völkermord) und der dadurch bewirkte Männerüberschuss hat zum Kriminalitätsanstieg im Bereich Prostitution, Frauenhandel, Vergewaltigung und Entführung geführt. Vielmehr sind auch immer mehr psychosoziale Probleme daraus erwachsen, dass ganze Generationen von Kindern ohne Geschwister groß geworden sind, die als sogenannte „Generation der Prinzen“ die überproportionale Aufmerksamkeit einer großen Zahl von Verwandten auf sich ziehen, sich nur um sich selbst drehen und dadurch sozial nicht sonderlich verträglich geworden sind (vgl. zu alldem die folgenden - alle im Internet auffindbaren - Presseartikel: „The Economist“ vom 11.7.2015 - Tales oft he unexpected - China has relaxed ist one-child policy. Yet parents are not rushing to have a second; vom 6.6.2015 - China´s one-child policy: Only and Lonely - Analysing the Psychology of a Generation [= Review of Book written by Xinran: „Buy Me the Sky - the Remarkable Truth of China´s One-Child Generation“]; vom 28.2.2015 - Wedding wows - How the one-child policy changed Chinese nuptials; vom 10.1.2015 - Family Planning - Enforcing with a smile; vom 19.7.2014 - Family Planning - One-Child Proclivity: Predictions of a baby boomlet come to little; siehe ferner: „The Epoch Times“ vom 9.3.2015 - Is China going to abandon the One-Child Policy ? sowie www.bloomberg.com vom 20.1.2015 - China´s One-Child Policy Backfires as Labor Pool Shrinks Again; zum sog. „Gendercide“ - in China und Indien: „The Economist“ vom 4.3.2010 - Gendercide: The world wide war on baby girls - Technologies, declining fertility and ancient prejudice are combining to unbalance societies; siehe zu letzgenanntem Thema auch das UN-Committe on the Elimination of Discrimination against Women CEDAW, 14.11.2014 - Concluding Observations on the combined 7th and 8th Periodic Reports of China, Ziff. 38 und 39c mit dem Aufruf an China die entsprechende Praxis der Tötung vorzugsweise weiblicher Föten abzuschaffen).
22 
Obwohl es insoweit Anträge von Parlamentariern des Volkskongresses und Empfehlungen von Kommissionen für Familienplanungspolitik in Richtung der Einführung einer „Zwei-Kind-Politik“ gegeben hat, ist es jedenfalls bisher nicht zu wirklich grundlegenden Reformen gekommen, bzw. diese sind bisher nur halbherzig angegangen worden und haben sich obendrein noch als wenig effektvoll erwiesen. So wurde am 12.11.2013 durch das Zentralkommittee der Kommunistischen Partei Chinas lediglich beschlossen, dass verheirateten Paaren ein zweites Kind nicht mehr nur dann erlaubt wird, wenn sie - wie nach der zuvor geltenden Regelung - jeweils beide selbst aus einer Ein-Kind-Familie stammen, sondern dass es nunmehr genügt, wenn nur einer der Ehepartner selbst aus einer Ein-Kind-Familie stammt. Diese Reform ist mittlerweile auch in allen Provinzen - bis auf Xinjiang und Xizang - umgesetzt worden, (vgl. Law Library of Congress vom 6.8.2014: China - Provincial Family Planning Regulations Amended Allowing More Couples to Have a Second Child - = www.loc.gov/ lawweb/servlet/ lloc_news?disp3_1205404091_text; ebenso AA, Lagebericht - China, vom 15.10.2014 [Stand: Mai 2014], Seite 20, 21). Zu den Provinzen, in denen diese Reform umgesetzt wurde, zählt seit 31.3.2014 auch die Heimatprovinz der Eltern des Klägers, Fujian (siehe Immigration and Refugee Board of Canada, 16.10.2014, dort Ziff.2.4.).
23 
Ansonsten aber hat es keine wirklich grundlegenden Neuerungen gegeben. Es mag sein, dass es inzwischen nicht mehr ganz so viele Zwangssterilisationen bzw. Zwangsabtreibungen gegenüber Eltern unerlaubt gezeugter Kinder gibt, dass das Vorgehen von Beamten der Familienplanungs- Behörden von der chinesischen Öffentlichkeit mittlerweile etwas kritischer betrachtet wird, dass es Vorschriften gegenüber entsprechender Beamtenwillkür gibt und dass eine vorherige Geburtsgenehmigung nicht mehr erforderlich ist. Nach wie vor aber gilt, dass Eltern mit empfindlichen Bußgeldsanktionen (sogenannte Soziale Kompensationsgebühren“) zu rechnen haben, wenn sie unerlaubt zweite oder dritte Kinder bekommen. Diese Sanktionen belaufen sich häufig auf enorme Summen von vielen (bis zu zehn) durchschnittlichen Jahresgehältern.
24 
Zuletzt musste selbst der - von den Klägern im Termin zur mündlichen Verhandlung insoweit zutreffend erwähnte - berühmte und reiche chinesische Star-Regisseur Zhang Yimou, 7,5 Mio. Yuan, d.h. umgerechnet knapp 1 Mio. EUR als Strafe an die Behörden dafür zahlen, dass er mit seiner Frau drei gemeinsame Kinder hat (siehe Spiegel-Online, vom 9.1.2014, www.spielgel.de/panorama/leute/zahng-yimou-muss-wegen-der-ein-kind-politik-zahlen).
25 
Werden solche Bußgelder nicht bezahlt oder können sie nicht aufgebracht werden, so darf eine Eintragung des Kindes in das sogenannte Haushaltsregister „Houkou“ nach wie vor nicht vorgenommen werden. Das heißt diese Kinder bleiben in jeder Hinsicht und in mannigfaltiger Weise völlig rechtlos gestellt und vermehren so die große Zahl von sogenannten „Geisterkindern“, die es legal gar nicht geben dürfte, die mangels Houkou nicht nur jegliche Bildung, Gesundheitsversorgung, Wohnsitznahme, Arbeitsaufnahme, und so weiter versagt bekommen, sondern von der chinesischen Bevölkerung verachtet werden, die es noch immer als antipatriotisch ansieht, mehr als nur ein Kind zu haben (siehe etwa The Economist, 11.6.2015 zum Nimbus des Patriotischen einer Ein-Kind-Familie; siehe ferner Spiegel-Online, 9.1.2014 zu der öffentlichen Entschuldigung des berühmten Regisseurs Zhang Yimou, für seine unerlaubten Kinder und für die dadurch von ihm verursachten „negativen sozialen Einflüsse“). Diese Kinder leben infolge ihrer juristischen Nichtexistenz und der damit verbundenen tagtäglichen Probleme völlig isoliert und ausgeschlossen im Halbschatten der Gesellschaft als sogenannte „heihu“- d.h. illegale Menschen, finden häufig deshalb auch keine Freunde oder später gar Lebenspartner und können sich ohne Houkou nicht einmal in größeren Umkreisen bewegen, da selbst für Fernreisen, Zugfahren etc. wiederum ein Houkou Voraussetzung ist (siehe die eindrucksvolle ausführliche Schilderung des Schicksals solcher Kinder und ihrer Eltern, wenn diese ihre Kinder mangels finanzieller Möglichkeit, ihnen eine Houkou-Registrierung erkaufen zu können, nirgendwo wirklich integrieren können, und der Behördenwillkür und -schikane, der sie ausgesetzt sind, sowie der schweren seelischen Schäden ein solches Leben als juristische „Unperson“ für die betroffenen Eltern und Kinder: Nathan VanderKlippe in: The Globe and Mail vom 13.3.2015: The Gost Children of China: In the Wake of China´s One-Child-Policy a Generation is lost, www.theglobeandmail.com/news/world/the-ghost-children-in-the-wake-of-chi na´s-one-child-policy-a-generation-is-lost; siehe auch den Aufruf des UN-Kommittees für Frauenrechte an China, alle Sanktionen für die unerlaubte Geburt von Kindern aufzuheben und alle Barrieren für die Registrierung solcher Kinder zu entfernen: UN-Committe on the Elimination of Discrimination against Women CEDAW, 14.11.2014 - Concluding Observations on the combined 7th and 8th Periodic Reports of China, Ziff. 39b).
26 
Eltern, die ein Bußgeld nicht zahlen können, werden in aller Regel auch aus ihren Arbeitsverhältnissen gekündigt, oft auch inhaftiert, aus der kommunistischen Partei ausgeschlossen, nicht selten von den korrupten Beamten der Familienplanungsbehörde immer wieder zu Zahlungen erpresst, und gelegentlich noch mit der Durchsuchung und gar völligen Zerstörung ihres Privateigentums sanktioniert.
27 
Das Auswärtige Amt schildert insoweit in seinem Lagebericht (Stand Mai 2014), dass es zwar gegenüber Auslandsrückkehrern, die mit einem im Ausland gezeugten Kind zurückkehren, eine gesetzlich vorgeschriebene Entziehung des Kindes nicht mehr gebe, dass es aber gleichwohl „gelegentlich“ (d.h. immer mal wieder) Fälle gibt, in denen die Behörden den Familien als Strafe für die Nichteinhaltung der Familienplanungspolitik oder die Nichtzahlung der dafür festgesetzten enormen Geldbußen die Kinder wegnehmen, an Waisenhäuser verkaufen und von dort manchmal sogar noch gegen hohe Beträge zur Adoption ins Ausland vermitteln. „Immer wieder“ sei die Kontrolle der staatlichen Familienplanungspolitik mit gravierenden Menschenrechtsverletzungen bis hin zu Zwangsabtreibungen selbst in fortgeschrittenen Schwangerschaftsstadien verbunden. Häufig würden unverheiratete Frauen von den Behörden zu „freiwilligen“ Abtreibungen gedrängt (AA, Lagebericht China 2014, S. 21).
28 
Das deckt sich mit den neuesten seit den letzten beiden Entscheidungen des Gerichts vom 12.3.2014 veröffentlichten Analysen und Lageberichten anderer Auskunftsquellen zu diesem Thema (Britisches Home Office, July 2015, Country Information and Guidance - China: Contravention of National Population and Family-Planning Laws, Ziff. 2.3.2. - 2.3.6., wonach es auch nach Änderung der Erlaubnismöglichkeit für ein zweites Kind für Eltern, von denen nur einer selbst aus einer Ein-Kind-Familie stammt, bisher nicht zu einer Entspannung auf Seiten der Familienplanungsbehörden gekommen ist, sondern diese nach wie vor mit harschen Maßnahmen die Geburtenkontrollpolitik durchsetzen, allein schon deshalb, weil die Eintreibung der extrem hohen Bußgelder eine bedeutende Einkommensquelle für die örtlichen Familienplanungsbehörden darstellt, siehe dazu auch Ziffern 5.3.2., 5.3.5.; 5.4.3.; 5.4.5; 5.4.8.; 5.5.4; 5.7.1. - 5.7.6; siehe ferner: Immigration and Refugee Board of Canada, 16.10.2014, dort Ziff.2.2. und 3.2.; US-Dept.of State, Country Report on Human Rights Practices 2014- China, Section: Women - Reproductive Rights = www.ecoi.net/local_loin/306284/443559_de.html; ACCORD -Austrian Center for Country of Origin & Asylum Research and Documentation, vom 21.11.2014; Australian Government - Migration Review Tribunal - Refugee Review Tribunal, 3. Auflage, 8.3.2013 - letzter Änderungsstand: 8.9.2013: Background Paper China: Family Planning - Ziff.3.4.2., 4.4., 5., 6.2. und 6.3.).
29 
All diesen Berichten ist im Übrigen auch zu entnehmen, dass eines der Haupthindernisse einer raschen Beseitigung der harschen Geburtenkontrollpolitik das handfeste wirtschaftliche Interesse der Familienplanungsbehörden ist, die mit der Erhebung von Bußgeldern für ihre Behörde aber auch für die damit befassten Beamten persönlich verknüpften Möglichkeiten zur Einkommenserzielung zu nutzen, und dass die Beamten und Behörden ihrerseits nach wie vor einer unverändert strikten Kontrolle der Einhaltung ihrer „Planziele“ in Sachen Geburtenkontrollpolitik unterliegen und Beförderungen von den erreichten Verhinderungen bzw. Sanktionierungen unerlaubter Geburten abhängig gemacht werden und sie ansonsten auch durch entsprechende Berichts- und Dokumentationspflichten dauernd unter Erfolgsdruck gesetzt bzw. sie bei Nichterreichen der Ziele mit Sanktionen belegt werden (siehe insoweit etwa The Economist, vom 10.1.2015 - Enforcing with a smile: „Changing officials habits could prove hard. For 35 years the enforcers have been evaluated ruthlessly by their superiors fort her fulfillment of quantifiable targets“; ebenso Home Office, July 2015, Ziff. 5.3.1. unter Verweis auf US Dept.of State, Country Report China 2014, wonach die Beamten der Familienplanungsbehörden mit Beförderungen aber auch Bestrafungen zur Einhaltung der Zahlenziele in ihren Abteilungen gedrängt werden und Ziff.2.3.6, wonach sie ihre strenge Durchsetzung der Familienplanungsziele, zu der sie erneut durch die Kommunistische Partei im November 2013 aufgerufen worden seien, nicht gelockert hätten).
30 
4) Konkret auf den Fall des Klägers und seiner Eltern bezogen, die ihn ungenehmigt im Ausland bekommen haben, bedeutet dies Folgendes: Lediglich sein älterer Bruder, das erste Kind seiner Eltern, das in China verblieben ist, hat als erlaubtes erstes Kind keine Probleme. Alle weiteren Kinder der Eltern des Klägers, also seine ältere Schwester und er selbst, sind hingegen sogenannte „unerlaubte Schwarzkinder“, deren Existenz nach den chinesischen Regeln ungenehmigt und auch nicht genehmigungsfähig ist, wie sie in der Heimatprovinz Fujian gelten, in welche die Eltern mit ihnen wegen des Houkou-Systems nur zurückkehren können.
31 
In China werden, wie die Eltern des Klägers in der mündlichen Verhandlung plausibel und glaubhaft angaben, generell Frauen im gebärfähigen Alter regelmäßig, teilweise auch vierteljährlich einer gynäkologischen Untersuchung auf unerlaubte Schwangerschaften hin unterzogen (Australian Government - Refugee Review Tribunal, Background Paper China: Family Planning, 3. Auflage, 8.3.2013 - letzter Änderungsstand: 8.9.2013: Ziff.3.4.2.; ebenso zur Testpflicht von Eltern eines über einem Jahr alten Kindes: ACCORD, a.a.O., unter: Bußgeldzahlungen für unehelich geborene Kinder und Verweigerung der Registrierung bei Nichtzahlung; siehe auch VanderKlippe, The Globe and Mail, a.a.O., Ausdruck S. 9 von 22). Zu hohen Bußgeldzahlungen für nicht erlaubte Schwarzkinder werden nicht nur die Ehepartner jeder einzeln heranzogen, sondern auch deren Verwandte (Australian Refugee Review Tribunal, a.a.O., Ziff.4.4). Von daher ist es nachvollziehbar und anhand der mit unterschiedlichen Fotodaten ausgewiesenen Fotos auch glaubhaft, dass die Eltern des Klägers zur Entlastung seiner Großeltern und um diese vor solchen finanziell einschneidenden Sanktionen zu bewahren, diesen Fotos zum Nachweis eines Auslandsaufenthalts ohne erneute Schwangerschaften vorgelegt haben.
32 
Die in der Provinz Fujian geltenden Ausnahmeregeln für weitere Kinder greifen im Fall der Eltern des Klägers nicht ein, so dass weder seine Existenz noch die seiner älteren Schwester im Sinne dieser Vorschriften genehmigungsfähig ist. Die Ausnahmen betreffen nämlich nur ein zweites Kind und auch dies nur, wenn die Eltern beide bzw. nur einer von ihnen ein Einzelkind war. Das trifft auf beide ausweislich ihrer Angaben in ihrem eigenen Asylverfahren nicht zu (siehe BAS 27 bzw. 33 der beigezogenen Bundesamtsakte der Eltern), wonach der Vater des Klägers noch eine Schwester habe bzw. die Mutter des Klägers noch einen Bruder habe. Diese Angaben sind auch glaubhaft, da die Kläger seinerzeit bei ihrer Anhörung im Jahre 2002 nicht wissen konnten, dass es darauf einmal ankommen würde, und insofern keine Gefahr interessengeleiteter falscher Angaben besteht.
33 
Auch die anderen Ausnahmen: Behinderung, Einwohnerschaft in Hong Kong, Macao, oder Taiwan, wiederverheiratete Paar ohne vorherige Kinder, Eltern als kommunistischer Märtyrer, Sterilität der Brüder des Kindesvaters, bisher bei ländlichen Paaren nur eine Tochter etc. (siehe dazu Australian Refugee Review Tribunal, a.a.O., Ziff. 6.3.) sind im Fall der Eltern des Klägers ersichtlich nicht erfüllt.
34 
Schließlich gibt es auch keine die Eltern des Klägers als Auslandsrückkehrer privilegierende Vorschrift in Fujian. Denn Auslandsrückkehrer werden von den sozialen Bußgeldzahlungen für ein unerlaubtes zweites Kind nur befreit, wenn beide Eltern im Ausland studiert haben (Australian Refugee Review Board, a.a.O. Ziff. 6.3.), was bei den Eltern des Klägers nicht der Fall ist: Sie haben beide in Deutschland (und auch schon zuvor in China) nicht studiert, sondern haben allenfalls eine Mittelschulbildung. Der Vater arbeitet als ungelernte Kraft auf der Basis des gesetzlichen Mindestlohns in der Gastronomie, die Mutter ist infolge ihres Verkehrsunfalls nicht arbeitsfähig.
35 
Für den somit in zwei Fällen vorliegenden Verstoß der Eltern sind nach den in Fujian geltenden Regeln soziale Kompensationsgebühren, d.h. Bußgelder in Höhe zwischen zwei bis sechs durchschnittlichen Jahreslöhnen zu bezahlen, um im Gegenzug für das unerlaubte Kind eine Houkou-Registrierung zu erhalten (Australian Refugee Review Tribunal, a.a.O., Ziff. 6.2.1.). Dass die Eltern prognostisch betrachtet nach einer Rückkehr finanziell dazu in der Lage wären, dem Kläger ein Schicksal als unregistriertes „illegales Schwarzkind“ (bzw. juristisch und sozial betrachtet „Geisterkind“) durch die Zahlung eines Bußgeldes zu ersparen, ist zur Überzeugung des Gerichts nicht zu erwarten.
36 
Die Festsetzung der konkreten Höhe dieser Bußgelder steht unter anderem im Ermessen der Behörden, deren Willkür hier auch Tür und Tor geöffnet ist. Bei Rückkehrern aus dem Ausland, wie den Eltern des Klägers, werden die Behörden grundsätzlich das Vorhandensein von im Ausland erworbenem Reichtum bzw. Wohlstand vermuten und ihre Bußgeldforderungen entsprechend hoch ansiedeln. Das dürfte vor dem Hintergrund der zitierten generellen Informationen realistisch zu erwarten sein. Hinzu käme im vorliegenden Fall der Umstand, dass die Kläger die heimatlichen Behörden - für diese dann offenkundig erkennbar - durch jahrelange Falschangaben bezüglich ihrer Kinderzahl getäuscht haben. Das aber wird nicht eben die Verhängung eines Bußgeldes im unteren Bereich der möglichen Sanktionenskala zur Folge haben, sondern im Gegenteil wohl straferschwerend gewertet werden….
37 
5) Auch an der rechtlichen Würdigung, dass dies in Anknüpfung an die Zugehörigkeit des Klägers zu einer sozialen Gruppe eine Verfolgungshandlung von menschenrechtsverletzendem Gewicht darstellt, hält das Gericht nach wie vor fest.
38 
Die gegenteiligen mittlerweile ergangenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen vermögen insoweit nicht zu überzeugen (vgl. BayVGH, B. v. 8.1.2015 - 15 ZB 15.30001; VG Frankfurt a.M., B. v. 23.10.2014 - 2 L 2186/14.F.A.; VG Bayreuth, U. v. 4.11.2014 - B 3 K 13.30190; VG Frankfurt a.M., U. v. 20.3.2014 - 2 K 2826/13/F.A.; VG Meiningen, U. v. 2.4.2014 - 1 K 20223/10 Me. - alle in juris).
39 
Die Gruppe der - aus Sicht der chinesischen Regierung und Mehrheitsbevölkerung - „kinderreichen“ Familien, bzw. der Kinder mit einem oder mehr Geschwistern, ist eine klar erkennbare und gesellschaftlich wahrnehmbare Gruppe. Dass unter Umständen Ausnahmen für einzelne Zweit- oder gar Drittkinder möglich sein mögen, je nach Provinz, Ausnahmetatbestand oder Bußgeldzahlung, und daher verschiedene Gruppenbildungen möglich sind, ändert (entgegen der in der oben zitierten Verwaltungsgerichtsrechtsprechung vertretenen Ansicht) nichts daran, dass es in der jeweiligen Provinz, die man aufgrund des Houkou-Systems legal nicht einfach verlassen kann, im Grundsatz diese Zielgruppe ist, auf die sich - wenn eben solche Ausnahmetatbestände nicht vorliegen - die Sanktionspolitik der chinesischen Regierung richtet.
40 
Die unter Verstoß gegen diese Grundregeln gezeugten Kinder sollen nämlich entweder durch Zwangsabtreibung schon am Geborenwerden gehindert und eliminiert werden, bzw. die Geburt weiterer solcher Kinder durch die Zwangssterilisation ihrer insoweit als asozial eingestuften Eltern verhindert werden, die der „sozialen“ Gruppe der asozial die Mehrheitsbedürfnisse nach Bevölkerungskontrolle missachtenden Eltern zuzurechnen sind, bzw. die gleichwohl existierenden Kinder werden, falls für sie kein Bußgeld gezahlt werden kann und da man sie nach ihrer Geburt nicht mehr umbringen kann und will, dann eben als juristisch nicht existent ins Vakuum der Rechtlosigkeit gestoßen, indem man ihnen die in jeder Hinsicht für ein Überleben in der chinesischen Gesellschaft unerlässliche Houkou-Registrierung verweigert wird und sie damit zum Dahinvegetieren als Entrechtete am Rande der Gesellschaft verdammt.
41 
Diese bewusst als Sanktion verhängte Vorenthaltung von Ausbildungs- und Gesundheitsversorgungsleistungen, die dem Staat möglich sind und auch tatsächlich von ihm erbracht werden, stellt insofern eine gezielte und bewusste Benachteiligung und somit etwas ganz anderes dar, als das generelle Fehlen solcher staatlicher Leistungen in Staaten, die solche nicht aufbringen können, und auf die nach den internationalen Menschenrechtsstandards zwar ein Recht bestehen mag, das aber wie bei allen sozialen Rechten nur unter dem Vorbehalt des Finanzierbaren und Möglichen gewährt werden kann. Die generelle Verweigerung einer Houkou-Registrierung als Sanktion für eine unerlaubte Geburt ist auch etwas anderes, als die in China vorzufindende Zweiteilung in Houkou-Registrierungen für den Aufenthalt auf dem Land bzw. für den Aufenthalt in der Stadt, welche zahlreichen Wanderarbeitnehmer, die nur eine ländliche Houkou-Registrierung besitzen, von einem legalen Leben, Wohnen und Arbeiten in der Stadt ausschließt und sie - falls sie sich dort doch aufhalten - in den Städten in die Illegalität drängt, wo sie und ihre Kinder mangels städtischer Houkou-Registrierung keinen Anspruch auf Schulbesuch, Gesundheits- und Sozialleistungen haben (zu diesem System: The Economist vom 20.3.2014 - Urbanisation, Moving on Up).
42 
Die Verweigerung der Houkou-Registrierung stellt mithin nicht nur im asylrechtlichen Sinne wortwörtlich eine „Ausgrenzung aus der staatlichen Friedensordnung“ dar, sondern eben auch eine flüchtlingsrechtliche Verfolgung in Anknüpfung an eine soziale Gruppenzugehörigkeit, nämlich die Gruppe der per se als „überflüssig“ angesehenen Menschen in China.
43 
Das haben in sehr ausdifferenzierten gründlichen Entscheidungen zur Anwendbarkeit des Begriffs der „sozialen Gruppe“ im Sinne der GFK auf unerlaubte chinesische „Schwarzkinder“ unter anderem der High Court of Ireland und der High Court of Australia sowie das Refugee Review Tribunal von Australien so in den letzten Jahren entschieden (vgl. High Court - Ireland, Decision, dated 12/10/2014, in der Sache: S.J.L. -vs. - Refugee Appeals Tribunal & ors. - [2014] IEHC 608, Rz. 14. ff. [50.]; High Court of Australia, in der Sache: A. vs. Minister for Immigration and Ethnic Affairs., Decision dated 24.2.1997 - [1997] HCA 4; (1997) CLR 225; (1997) 142 ALR 331; und Australian Refugee Review Tribunal, Decision dated 1.3.2012, RRT Case Number: 1108245 [2012] RRTA 120). Auch das britische Home Office ist offenbar der Ansicht, dass Mütter, die unter Verstoß gegen die chinesische staatliche Geburtenkontrollpolitik ein Kind bekommen haben, flüchtlingsrechtlich eine „soziale Gruppe“ darstellen (siehe Home Office, July 2015, a.a.O. Ziff. 2.2.1. unter Verweis auf Country Guidance Case of AX [Family Planning Scheme] China CG [2012] UKUT 00097 [IAC] vom 16.4.2012). Auf diese Entscheidungen wird im Einzelnen verwiesen. Wie der Ausschuss des amerikanischen Kongresses zu China (Congressional Executive Commission on China - One Year Later, Initial Impact of China´s Population Planning Policy - Adjustment smaller than expected, 9.12.2014) ausführte, verletze die chinesischen Geburtenkontrollpolitik unter anderem die Standards wie sie in der „Bejing Declaration and Platform for Action“ von 1994 und in dem „Programme of Action of the Cairo Intl. Conference on Population and Development“ festgelegt sind, ebenso, wie der Ausschluss von unerlaubten Kindern aus dem Registrierungssystem (Houkou) eine nach der „Internationalen Konvention zum Schutz der Kinderrechte“ und nach dem Internationalen Pakt über die Wirtschaftlichen, Sozialen und Kulturellen Rechte“ verbotene Diskriminierung darstelle.
44 
Vor diesem Hintergrund lässt sich - anders als von den genannten Verwaltungsgerichten vertreten - die chinesische Geburtenkontrollpolitik nicht einfach als eine jeden gleichermaßen ohne Unterschied treffende und daher nicht diskriminierende, rein ordnungspolitische Maßnahme zur Bekämpfung einer für das wirtschaftliche und soziale Überleben des chinesischen Staates und seiner Einwohner schädlichen Überbevölkerung einstufen. Vielmehr liegt die Diskriminierung hier bereits darin, dass diese Maßnahmen an die Ausübung eines allgemeinen Menschenrechts zur freien Entscheidung über die eigene Reproduktion anknüpft, also an ein im Grundsatz erlaubtes Verhalten, das genauso schutzwürdig ist, wie das Ausleben einer politischen oder religiösen Überzeugung, und daher für staatliche Eingriffe keinen legitimen Anknüpfungspunkt darstellen kann.
45 
Selbst wenn man aber die Zielsetzung einer Eindämmung der Bevölkerungszahl als eine legitime ordnungspolitische unpolitische und nichtdiskriminierende Zielsetzung ansieht, deren Verfolgung - zumindest im Grundsatz - einen Eingriff in das Menschenrecht auf freie Entscheidung über die eigene Reproduktion - etwa als gleichgewichtiger Wert von Verfassungsrang bzw. wegen kollidierender Grundrecht Dritter rechtfertigen könnte, lässt sich im Fall der chinesischen Bevölkerungspolitik nicht übersehen, dass diese sich selbst unter diesen Gesichtspunkten als unverhältnismäßig, überflüssig und im Ergebnis (s.o.) sogar im Gegenteil als sozialschädlich erwiesen hat und daher solche Eingriffe schon deshalb nicht zu rechtfertigen vermochte und nach wie vor nicht vermag (siehe insoweit den Artikel in The Economist, 11.7.2015, mit einer unter dem Titel „unnecessary force“ abgedruckten Tabelle der Weltbank zum Rückgang der Bevölkerungszahlen auch in Ländern, wie unter anderem sogar im bevölkerungsreichen Indien, die eine solche harsche Politik der Bevölkerungskontrolle nicht betrieben haben). Die Maßnahmen der chinesischen Politik, die in erster Linie auf gewaltsame Vernichtung der Reproduktionsfähigkeit von Eltern mit überschießendem Kinderwunsch durch Zwangsterilisation abzielen, bzw. auf die Eliminierung unerlaubt empfangener Föten (durch Zwangsabtreibung) bzw. auf die Ausgrenzung und Rechtlosstellung gleichwohl geborener „überzähliger“ unerlaubter Kinder abzielen, erweisen sich zudem wegen ihres direkten Durchgriffs auf den Wesenskern der Existenz und die Integrität ihrer menschlichen Zielobjekte schließlich auch schon deshalb als diskriminierend, weil sie an deren So-Sein bzw. an deren menschenrechtlich geschütztem Verhalten ansetzen und unverhältnismäßig sind, da demgegenüber bedenkenfreie Maßnahmen zur Bevölkerungsstabilisierung, wie etwa wirtschaftliche Anreize, die Einführung eines Sozialversicherungssystems, Aufklärung und vor allem auch Verhütungskampagnen als mildere Mittel zur Verfügung stehen und insoweit überall sonst in der Welt zur Bevölkerungskontrolle genutzt werden, während in China zwar 85 Prozent der Frauen empfängnisverhütende Mittel benutzen, aber offenbar nur 12 % der Frauen zwischen 25 und 30 Jahren die Verhütungsmethoden wirklich verstanden haben und 68 % der Frauen sich über die Methoden und ihre Wirkung im Einzelnen im Unklaren waren (vgl. Home Office, July 2015, a.a.O., Ziff. 5.2.2. unter Verweis auf US Dept. of State, Country Report China 2014, a.a.O.).“
46 
Diesen Ausführungen schließt sich der Senat für die Beurteilung der Situation des Klägers, dessen Eltern ebenfalls aus der Provinz Fujian stammen, an und macht sie sich unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklungen zu Eigen. Seit Herbst 2015 ist China allerdings zu einer „Zwei-Kind-Politik“ übergangen (vgl. etwa Auswärtiges Amt Lagebericht vom 20.11.2015), die auch mittlerweile umgesetzt wird und zu ersten Nachregistrierungen der „Zweitgeborenen“ geführt hat und weiter führt (vgl. Nathan van der Klippe in The Globe and Mail vom 03.04.2016). Dass sich hierdurch auch mittelbar die Situation der „Drittgeborenen“ oder, wie der Kläger, der „Viertgeborenen“ grundlegend geändert haben könnte, ist nach den vom Senat zusätzlich herangezogenen Erkenntnismitteln, insbesondere auch nach dem Lagebericht vom 20.11.2015, nicht ersichtlich und bleibt abzuwarten. Nach wie vor können sich die Betroffenen oder deren Eltern nur durch die Zahlung horrender Summen „freikaufen“, wozu die Eltern, die, wie sich in der mündlichen Verhandlung ergeben hat, nach wie vor faktisch (so die Mutter) bzw. aus ausländerrechtlichen Gründen (so der Vater) nicht arbeiten, ersichtlich nicht in der Lage sein werden.
47 
Was die Begriffsbestimmung der sozialen Gruppe im Sinne des § 3 b Abs. 1 Nr. 4 AsylG betrifft, ist mit Rücksicht auf die Ausführungen im angegriffenen Urteil zur Verdeutlichung noch darauf hinzuweisen, dass es hierfür unerheblich ist, dass etwa alle Mitglieder der Gruppe auch tatsächlich verfolgt werden. Dass etwa, wie hier, unter Umständen einzelne Angehörige der Gruppe sich durch die genannten Bußgeldzahlungen freikaufen können, ist nicht von Belang. Die Bestimmung der sozialen Gruppe und das Phänomen der Gruppenverfolgung dürfen nämlich nicht in eins gesetzt werden (vgl. etwa Marx, Handbuch des Flüchtlingsrechts, 2. Aufl., § 24 Rn. 16 ff.; Göbel-Zimmermann/Hruschka, in: Huber, AufenthG, 2. Aufl., § 3b AsylG Rn. 31).
48 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
49 
Gründe die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).

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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 14. Sept. 2016 - A 11 S 1125/16 zitiert 9 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 132


(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 11 Einreise- und Aufenthaltsverbot


(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen n

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3 Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft


(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich1.aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 102


(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende di

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3b Verfolgungsgründe


(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 ist Folgendes zu berücksichtigen: 1. der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe;2. der Begrif

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 08. Jan. 2015 - 15 ZB 15.30001

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Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gründe Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. 1. Soweit

Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 12. März 2014 - A 6 K 1868/12

bei uns veröffentlicht am 12.03.2014

Tenor Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 10.9.2012 wird aufgehoben.Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens. Tatb

Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 12. März 2014 - A 6 K 730/12

bei uns veröffentlicht am 12.03.2014

Tenor Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 27.3.2012 wird aufgehoben.Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens. Ta
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 14. Sept. 2016 - A 11 S 1125/16.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 07. Nov. 2016 - 15 ZB 16.30425

bei uns veröffentlicht am 07.11.2016

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung wird abgelehnt. III. Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kost

Verwaltungsgericht Bayreuth Beschluss, 21. Nov. 2017 - B 3 E 17.33402

bei uns veröffentlicht am 21.11.2017

Tenor 1. Der Antrag wird abgelehnt. 2. Die Antragsteller haben die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen. Gründe I. Die Antragsteller, chinesische Staatsangehörige,

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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 ist Folgendes zu berücksichtigen:

1.
der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe;
2.
der Begriff der Religion umfasst insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind;
3.
der Begriff der Nationalität beschränkt sich nicht auf die Staatsangehörigkeit oder das Fehlen einer solchen, sondern bezeichnet insbesondere auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch ihre kulturelle, ethnische oder sprachliche Identität, gemeinsame geografische oder politische Herkunft oder ihre Verwandtschaft mit der Bevölkerung eines anderen Staates bestimmt wird;
4.
eine Gruppe gilt insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn
a)
die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und
b)
die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird;
als eine bestimmte soziale Gruppe kann auch eine Gruppe gelten, die sich auf das gemeinsame Merkmal der sexuellen Orientierung gründet; Handlungen, die nach deutschem Recht als strafbar gelten, fallen nicht darunter; eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe kann auch vorliegen, wenn sie allein an das Geschlecht oder die geschlechtliche Identität anknüpft;
5.
unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist.

(2) Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

Tenor

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 27.3.2012 wird aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

 
Die Klägerin, eine chinesische Staatsangehörige römisch-katholischen Glaubens aus der Stadt ... in der Provinz Fujian, wendet sich mit der Klage gegen die Ablehnung ihres Asylfolgeantrags.
Nach ihrer Einreise auf dem Landweg nach Deutschland im April 2003 stellte sie damals einen ersten Asylantrag. Zu dessen Begründung berief sie sich darauf, sie habe als aktive Katholikin vor Verfolgung fliehen müssen. Auf der Flucht an Bord eines Containerschiffs sei sie seinerzeit vergewaltigt worden. Davon sei sie schwanger geworden.
Dieser Asylantrag wurde mit Bescheid vom 3.7.2003 abgelehnt. Zugleich wurde mit diesem Bescheid festgestellt, dass weder die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 noch des § 53 AuslG (a.F.) vorliegen.
Im September 2003 gebar sie ihr Kind, das sie anschließend zur Adoption freigab. Ihre gegen den Asylablehnungsbescheid erhobene Klage wurde rechtskräftig abgewiesen (siehe VG Freiburg, U. v. 23.4.2004 - A 6 K 1102/03 608/99 -).
Mit einem - ebenfalls als Asylbewerber rechtskräftig abgelehnten - chinesischen Staatsangehörigen (siehe dazu VG Freiburg, U. v. 27.11.2003 - A 6 K 11079/03 -), der auch aus der Provinz Fujian stammt, den die Klägerin zunächst in der Asylunterkunft während ihres ersten Asylverfahren kennen gelernt und den sie später nach ihrer Umverteilung in Offenburg wieder getroffen hatte, hat sie zwei nichteheliche Kinder, nämlich zwei Söhne, die am … 2007 bzw. am … 2010 geboren sind und beide am … 2011 in Offenburg römisch-katholisch getauft wurden.
Am 8.12.2011 stellte die Klägerin, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, einen Asylfolgeantrag, mit dem Ziel, ihr nach Durchführung eines Asylfolgeverfahrens die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise das Vorliegen der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 - 7 AufenthG festzustellen.
Zur Begründung berief sie sich darauf, sie habe Anfang Oktober einen am 30.9.2011 in Germersheim aufgegebenen Brief eines Glaubensbruders erhalten, in dem eine Bescheinigung ihrer chinesischen Heimatkirche, nämlich der römisch-katholischen Erzdiözese Fuzhou in der Provinz Fujian, vom 26.8.2011 enthalten gewesen sei. Der Bescheinigung zufolge sei sie mit dem Taufnamen „T...“ am 7.8.1993 getauft worden und habe auch die heilige Kommunion empfangen. Ihr Vater sei nicht getauft. Ihre Mutter und ihre beiden Brüder, die beide auch das Sakrament der Ehe empfangen hätten, seien katholisch getauft. Die Klägerin habe sich in der Katholischen Jugendgemeinde aktiv an der Glaubensarbeit beteiligt. Sie habe auf ihrem Fluchtweg Verletzungen erlitten und lebe in einem Flüchtlingsheim zusammen mit einem Mann zusammen, von dem sie zwei Kinder habe. Außerdem berief sich die Klägerin darauf, dass nach einem Urteil des VG Düsseldorf rom-treue Katholiken in China Verfolgung ausgesetzt seien. Zudem berief sie sich darauf, dass sie mit der nicht-ehelichen Geburt ihrer beiden Söhne ohne Geburtserlaubnis der chinesischen Behörden gegen die Bestimmungen der chinesischen Ein-Kind-Politik verstoßen habe, so dass sie bei einer Rückkehr nach China dort Sanktionen befürchten müsse, die nach Urteilen des VG Meiningen und des VG Trier aus dem Jahre 2011 eine flüchtlingsrechtlich anerkennungswürdige Verfolgung darstellten. Insoweit sei das Verfahren nach § 49 VwVfG zumindest hinsichtlich des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG wiederaufzugreifen.
In einer handschriftlichen kurzen chinesischsprachigen Erklärung berief sich die Klägerin pauschal auf ihr drohende religiöse Verfolgung.
Außerdem legte sie eine Bescheinigung einer katholischen Kirchengemeinde in Offenburg vom 5.12.2011 vor, wonach sie mit ihren beiden Söhnen Sonntag für Sonntag an den Gottesdiensten teilnehme und bei vielen Veranstaltungen der Kirchengemeinde anwesend sei und sie und ihre Kinder für die Gemeinde eine Bereicherung darstellten und sie ihr Glaubensleben ernst nehme.
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Mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 10.9.2012 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) die Durchführung eines weiteren Asylverfahrensund auch den Antrag auf Abänderung des Bescheids vom 3.7.2003 hinsichtlich der dort getroffenen negativen Feststellungen zu § 53 Abs. 1 - 6 AuslG ab.
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Zur Begründung führte es aus, es fehle schon an einer schlüssigen Darlegung, dass der Klägerin nunmehr asyl- bzw. flüchtlingsrechtlich relevante religiöse Verfolgung in China drohe. Neue Umstände lägen insoweit nicht vor. Aus der vorgelegten Bescheinigung ergebe sich vielmehr sogar umgekehrt, dass sie eine Vielzahl von nahen Angehörigen in China habe, die dem gleichen Glauben anhingen, wie sie selbst, und die diesen Glauben nach wie vor problemlos in China ausüben könnten. Auch was die Ein-Kind-Politik angehe, werde diese offenbar in China nicht mehr so streng gehandhabt, wie der Umstand zeige, dass die Klägerin noch zwei Brüder habe, ohne dass ihre Eltern asylrelevante Probleme bekommen hätten. Offenbar werde also in ihrer Heimatprovinz die Ein-Kind-Politik nicht streng und rigoros gehandhabt. Schlimmstenfalls drohe ihr eine Geldstrafe wegen eines Verstoßes gegen diese Regelungen, wobei hier nicht ersichtlich sei, dass sie nicht in der Lage sein könne, diese nach Rückkehr - mit Hilfe ihrer Verwandten und ihrer Kirche - zu bezahlen.
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Nachdem dieser Bescheid am 28.3.2012 als Einschreiben zur Post gegeben wurde, Am 16.4.2012 hat die Klägerin dagegen Klage beim Verwaltungsgericht erhoben.
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Zur Begründung trägt sie vor, aus der vorgelegten Bescheinigung ergebe sich nicht, dass ihre Angehörigen in China problemlos ihren Glauben praktizieren könnten. Richtig sei vielmehr, dass sie sich aus Angst vor Repressalien sehr bedeckt halten müssten. Es liege auch ein Wiederaufgreifensgrund vor, denn erstmals Ende September habe sie durch ihren Prozessbevollmächtigten im Rahmen der Bearbeitung des Asylerstverfahrens ihres jüngsten Sohnes von der stattgebenden Entscheidung des VG Düsseldorf zur religiösen Verfolgung rom-treuer Katholiken und von den darin verwerteten Erkenntnismitteln erfahren. Die romtreuen Katholiken seien von Hausarrest, Festnahmen und Behinderungen ihrer Priester und Bischöfe bedroht, eine unbekannten Zahl von ihnen befinde sich im Gefängnis, zwischen April und Juni 2007 seien 100 ausländische Christen ausgewiesen worden. Nach einem BBC-Bericht vom 10.7.2012, den die Klägerin in Kopie vorlegte (GAS 41), dauere diese Gefährdungslage an. Das gelte auch für sie. Nach der vorgelegten Bescheinigung der katholischen Kirchengemeinde in Offenburg sei sie praktizierende, aktive römisch-katholische Christin. Vor ihrer Ausreise sei sie Mitglied des „Rosenbundes“, des Jugendverbandes ihrer Kirche gewesen. Dieser habe sich der Nächstenliebe für Arme verschrieben und regelmäßig zu Treffen in Wohnungen Gläubiger in Fouzhou getroffen. Sie habe regelmäßig an diesen Treffen teilgenommen und abends und in der Freizeit hilfsbedürftige Menschen aufgesucht. Ihre Mutter und ihr älterer Bruder, sowie ein Onkel und eine Tante mütterlicherseits seien im Erwachsenenverband tätig gewesen, Ihr jüngerer Bruder sei getauft, aber nicht aktiv gewesen. Der Vater habe sich nicht taufen lassen, die Aktivitäten der Familie aber geduldet. Das habe sie damals im ersten Asylverfahren unter dem Schock der Vergewaltigung nicht so detailliert angeben können. Ihr im September 2003 geborenes Kind habe sie zur Adoption freigegeben. Darunter habe sie in den ersten Jahren nach ihrer Einreise massiv gelitten. Insofern sei sie ausweislich eines, von ihr dem Gericht vorgelegten (GAS 73) nervenärztlichen Attests (vom 19.2.2014), seit langem in nervenärztlicher Behandlung, und ausweislich eines Gutachtens einer Behandlungsstelle für traumatisierte Flüchtlinge (GAS 77) leide sie an posttraumatischer Belastungsstörung, rezidivierender depressiver Störung, Angststörung und chronischer Schmerzstörung.
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Zur religiösen Verfolgung legte sie das Original ihrer Taufurkunde (GAS 61) und zwei Photos vor, die sie auf Umwegen Anfang/Mitte August 2012 von ihrer Mutter zugesandt erhalten habe. Das eine Photo zeige sie bei einem Treffen des Rosenbundes an einem geheimen Ort im Freien, das andere bei der Feier des Osterfestes im engen Kreis in der Wohnung der Familie. Die Taufbescheinigung sei auf Verlangen der Mutter ausgestellt worden, zum Schutz der Gläubigen stelle die Kirche aber normalerweise keine Taufbescheinigungen aus.
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Im Übrigen habe sie - wie die Urteile des VG Meiningen und des VG Trier und die darin verwerteten Auskünfte zeigten - in China wegen ihres Verstoßes gegen die Ein-Kind-Regelung, nämlich weil ihre beiden in Deutschland geborenen Söhne nichtehelich und nicht registriert seien, mit Verfolgung zu rechnen.
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Bei einer Rückkehr nach China drohe ihr infolge ihrer seelischen Erkrankung auch die Gefahr einer Retraumatisierung.
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Im Übrigen berufe sie sich, sollte einer ihrer Söhne in seinem jeweils eigenen Asylverfahren erfolgreich sein, auf Familienasyl bzw. internationalen Schutz für Familienangehörige nach § 26 AsylVfG (Ein für den ältesten Sohn gestellter Asylfolgeantrag wurde mit Bescheid vom 26.11.2013 abgelehnt, gegen den dieser im Parallelverfahren A 6 K 2555/13 klagt. Für den jüngeren Sohn wurde ein Asylerstantrag gestellt, der mit Bescheid vom 16.5.2011 abgelehnt wurde, gegen den dieser im Parallelverfahren A 6 K 1054/11 klagt).
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Die Klägerin beantragt,
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den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 27.3.2012 aufzuheben, und die Beklagte zu verpflichten, ihr die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise: ihr subsidiären Schutz zuzuerkennen, höchst hilfsweise: die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 bzw. 7 AufenthG vorliegt.
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Die Beklagte beantragt,
21 
die Klage abzuweisen.
22 
Sie verweist auf die Gründe des angefochtenen Bescheids.
23 
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten (1 Heft Gerichtsakten zum vorliegenden Verfahren, sowie 1 Heft beigezogene Gerichtsakten zum Asylerstverfahren der Klägerin - A 6 K 11062/03 - und 1 Heft Behördenakten) und die den Beteiligten mitgeteilten Erkenntnismittel verwiesen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden.
24 
Im Termin zur mündlichen Verhandlung - in dem die oben genannten Klagen der beiden Söhne der Klägerin zeitgleich parallel mitverhandelt wurden - ist die Klägerin angehört worden. Auf die hierzu angefertigte Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
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Die zulässige Klage ist bereits mit dem Hauptantrag begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Sie hat Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 113 Abs. 1 S. 1 und Abs. 5 S. 1 VwGO).
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Das Bundesamt ist (a) aufgrund des Folgeantrags des Klägerin gem. § 71 Abs. 1 S. 1 AsylVfG i.V.m. § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG verpflichtet, ein weiteres Asylverfahren durchzuführen, und (b) der Klägerin in diesem Zusammenhang die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen (§§ 1 Abs. 1 Nr. 2 , 3 Abs. 1 und Abs. 4 AsylVfG).
27 
(a) Die Sach- und Rechtslage hat sich nämlich gegenüber der dem Erstbescheid (im Zeitpunkt des Eintritts seiner Rechtskraft am 19.5.2004) zugrundeliegenden Sach- und Rechtslage geändert. Im hier für die Beurteilung der geltend gemachten Verpflichtung des Bundesamtes zur Durchführung eines Asylfolgeverfahrens maßgeblichen Zeitpunkt der heutigen gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 S. 1 AsylVfG) liegen genügend von der Klägerin rechtzeitig innerhalb der 3-Monatsfrist (§ 51 Abs. 3 VwVfG, § 71 Abs. 1 S. 1 AsylVfG) bzw. ohne Verschulden außerhalb dieser Frist vorgetragene und vorgelegte neue Beweismittel bzw. Erkenntnisse vor, die dem Grunde nach geeignet sein können, eine möglicherweise nunmehr andere Beurteilung des Asylantrags der Klägerin als im Asylerstverfahren zu rechtfertigen und diesbezüglich in eine erneute Sachprüfung einzutreten: Die beiden nichtehelichen Kinder sind erst nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils im Asylerstverfahren geboren. Das davor bereits im September 2003 geborene Kind hat die Klägerin zur Adoption freigegeben, so dass im ersten Verfahren der Verfolgungsgrund eines Verstoßes gegen die Ein-Kind-Regelung noch nicht relevant war, ganz abgesehen davon, dass ein infolge Vergewaltigung geborenes Kind wohl selbst nach den strengen chinesischen Regelungen mangels zurechenbaren eigenen Verhaltens nicht als sog. „unerlaubtes, nichteheliches Schwarzkind“ eingestuft worden wäre. Dass ein Verstoß gegen die Ein-Kind-Regelung flüchtlingsrechtlich bedeutsam sein kann, hat die Klägerin auch erst über ihren Prozessbevollmächtigten erfahren, als es um einen Asylerstantrag für ihren jüngsten Sohn ging und sie auf die Urteile des VG Trier und Meinigen aufmerksam gemacht wurde. Dass sie bis dahin als Laie nicht die Asylrechtsprechung und die Verhältnisse in China sowie die Auskunftslage zur Situation im Herkunftsland generell im Blick gehabt hat, kann ihr nicht vorgeworfen werden. Den Asylfolgeantrag hat sie jedenfalls alsbald gestellt, nachdem ihre beiden Söhne getauft worden sind und sie auch insoweit ihre Verbundenheit mit der katholischen Kirche augenfällig bekräftigt hatte. Insoweit hat sie auch die Bescheinigung der Kirchengemeinde rechtzeitig vorgelegt. Dass sie sich nicht schon vorher um Bescheinigungen ihrer deutschen Kirchengemeinde, bzw. Beibringung entsprechender Bescheinigungen ihrer chinesischen Heimatgemeinde gekümmert hat und ihre Kinder nicht schon hat früher taufen lassen, kann ihr nicht zum Vorwurf gemacht werden. Insoweit muss auch berücksichtigt werden, dass der Vater der Kinder, mit dem sie zusammenlebt, offenbar nicht wirklich auch hinter ihrem katholischen Glauben steht und sie deshalb nach wie vor noch nicht geheiratet haben. Zudem ist sie ausweislich der vorgelegten Unterlagen (insbesondere der Anamnese im Traumatisierungs-Gutachten) und ihres plausiblen Vortrags in der mündlichen Verhandlung wirklich seelisch angeschlagen und immer wieder krank, so dass sich der Kindesvater um die Kinder kümmern muss, was er augenfällig auch in der mündlichen Verhandlung tat. Ihre seelische Belastung ist zudem aufgrund des Umstandes plausibel und nachvollziehbar, dass sie wohl tatsächlich seinerzeit auf der Flucht vergewaltigt wurde, was sie von Anfang an so vorgetragen hat, wofür insbesondere der Umstand der alsbaldigen Freigabe des daraus erwachsenen Kindes zur Adoption spricht, und was schließlich auch die ständige nervenärztliche Behandlung sowie insbesondere das Traumatisierungs-Gutachten belegen. All diese Umstände aber sind gewiss einem rationalen, zeitgerechten und koordinierten sachkundigen Verfahrensverhalten in Bezug auf die rechtzeitige Vorlage von Unterlagen bzw. die entsprechende unverzögerte Stellung eines Folgeantrags abträglich, so dass ihr kein Vorwurf einer Verfahrensverzögerung bzw. einer Versäumung der Drei-Monatsfrist gemacht werden kann.
28 
Nach allem hat sie damit aber Umstände im Folgeverfahren vorgetragen, die nunmehr eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung wegen Verstoßes gegen die Ein-Kind-Politik als denkbar erscheinen lassen und jedenfalls auch eine Verbundenheit zum katholischen Glauben und zu der in China besonders angefeindeten römisch-katholischen Kirche belegen, welche zwar nach wie vor nicht geeignet ist, eine deshalb bereits seinerzeit erlittene (laut Asylersturteil des VG Freiburg infolge zahlreicher Widersprüche und Ungereimtheiten unglaubhafte) Vorverfolgung nunmehr schlüssig zu belegen, welche aber im Zusammenhang mit der Frage bedeutsam sein kann, wie rigide und rücksichtslos ihr gegenüber die Ein-Kind-Regelung durchgesetzt werden wird (siehe insoweit VG Freiburg, U. v. 27.7.2012 - A 6 K 1563/10 und VG Bremen, U. v. 5.6.2012 - 6 K 3664/07.A -, juris Rdnr. 25 zur entsprechenden Nachteiligkeit eines katholischen Glaubenshintergrundes in diesem Zusammenhang).
29 
(b) Der mithin zu prüfende Folgeantrag ist auch begründet. Die Klägerin ist Flüchtling im Sinne des Art. 1 A Ziff. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK - Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.7.1951 - BGBl. 1953 II S. 559, 560). Denn sie befindet sich gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 a AsylVfG aus begründeter Furcht vor einer Verfolgung wegen Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Eltern der unter Verstoß gegen die Regelungen der chinesische Ein-Kind-Politik geborenen chinesischen Kinder außerhalb ihres Heimatstaates China, dessen Schutz sie wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Gemäß § 3 Abs. 4 AsylVfG ist ihr deshalb die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
30 
Nach wie vor gilt in China die sogenannte Ein-Kind-Politik, nämlich das „Bevölkerungs- und Familienplanungsgesetz“ vom 1.9.2002 (siehe AA Lagebericht China v. 18.6.2013 - II. 1.8. S. 24). Danach darf eine Frau ein einziges Kind bekommen und auch das nur, wenn sie - anders als hier die Klägerin - verheiratet ist. Ein verheiratetes Paar muss insoweit eine bestimmte Altersgrenze überschritten haben und vor der Geburt eine Geburtsgenehmigung eingeholt haben, weil Männer erst mit 22 Jahren und Frauen erst mit 20 Jahren heiraten dürfen (Art. 6 des chinesischen Heiratsgesetzes - siehe Refugee Documentation Centre (Ireland) - Legal Aid Board - Auskunft v. 14.10.2011 - unter www.ecoi.net und www.asyl.net -dort unter Länderinformationen/China).
31 
Auch wenn in jüngster Zeit Rufe nach einer Abschaffung der Ein-Kind-Politik immer lauter und drängender geworden sein mögen (siehe BayVGH, B. v. 9.9.2013 - 2 ZB 13.30255 - juris, Rdnr. 9 und VG Bayreuth, U. v. 2.7.2013 - B 3 K 13.30042 - UAS. 5 unter Verweis auf DIE ZEIT-online http://www.zeit.de/politik/ausland/2012-10/China-ein-kind-politik-reform, wonach ein „regierungsnahes Forschungsinstitut“ in China die schrittweise Abschaffung dieser Politik bis 2015 „gefordert“ habe; siehe insoweit auch www.zeit.de/wissen/2013-01/china-ein-kind-politik-studie - schon vom 11.1.2013 - zu den negativen psycho-sozialen Auswirkungen der Ein-Kind-Politik und Berichten chinesischer Medien, wonach die Regierung diese „schrittweise abschaffen wolle“), bedeutet dies (noch) nicht, dass diese Regelungen im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der heutigen mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 S. 1 AsylVfG) nicht mehr gelten, weil sie etwa oder förmlich bzw. de-facto abgeschafft sind oder nicht mehr praktiziert würden (so auch Amnesty international - Auskunft v. 15.1.2014 an VG Augsburg, wonach eine Reform der Ein-Kind-Politik vom Dezember 2013 regelt, dass künftig Paare, bei denen ein Partner Einzelkind ist, zwei Kinder haben können, ansonsten aber die Geburtenkontrollpolitik nicht aufgehoben worden sei). Dafür, dass in allernächster Zukunft diese Regelungen außer Kraft gesetzt würden, ist also kein Anhaltspunkt vorhanden. Entsprechende Spekulationen zum Nachteil der Klägerin verbietet sich von daher.
32 
Ausnahmen von der Ein-Kind-Regelung - die im vorliegenden Fall allerdings nicht einschlägig sind - betreffen verheiratete Paare auf dem Lande, denen ein Zweitkind zugestanden wird, wenn das erste Kind ein Mädchen ist (siehe AA Lagebericht China v. 18.6.2013 - II. 1.8. S. 24; siehe zu speziellen Ausnahmeregelungen der Familienplanungsvorschriften für verheiratete Paare und obendrein für verheiratete Paare auf dem Land in der Provinz Fujian, aus der die Klägerin stammt, die detailreichen Angaben in: Immigration and Refugee Board of Canada, China - Family Planning Laws, v. 1.10.2012 - dort Ziff. 2.2.2 - unter www.ecoin.net und unter www.asyl.net - Asylmagazin 12/2012 bzw. in www.asyl.net unter Länderinformationen/China).
33 
Da die Klägerin selbst kein Einzelkind ist, sondern aus einer Familie mit mehreren Kindern stammt, würde es in ihrem Fall nicht einmal etwas helfen, den Vater ihrer nichtehelichen Kinder, mit dem sie immerhin zusammenlebt, zu heiraten, um so die Ausnahmemöglichkeiten in Anspruch zu nehmen und Sanktionen zu vermeiden.
34 
Ganz abgesehen davon kann ihr auch nicht einfach angesonnen werden, wenigstens den „Makel“ der nichtehelichen Geburt durch eine solche Heirat auszuräumen, um so Verfolgung zu vermeiden. Denn wie sie in der mündlichen Verhandlung überzeugend und plausibel sowie spontan vortrug, steht aus ihrer Sicht einer Heirat noch entgegen, dass sich ihre Ehemann, der nicht katholisch, sondern buddhistischer Herkunft ist, bislang nicht bereitgefunden hat, katholisch zu werden. Er wird zwar in der vorgelegten Taufbescheinigung von der deutschen Kirchengemeinde als Katholik geführt, aus der Bescheinigung der Kirchengemeinde zum Kirchgang und zu der Beteiligung am Gemeindeleben ergibt sich aber in aller Deutlichkeit, dass nur die Klägerin mit ihren beiden Söhnen aktiv am Gemeindeleben teilnimmt, während deren Vater mit keinem Wort erwähnt wird. Sie hat das auch in der mündlichen Verhandlung selbst angegeben, nämlich darauf hingewiesen, dass ihr Mann an sich Buddhist sei und nicht den katholischen Glauben praktiziere. Ob und wann die Klägerin aber heiratet, ist ihre freie Entscheidung und darf ihr deshalb nicht durch Versagung des Flüchtlingsschutzes gewissermaßen aufgezwungen werden. Hier kommt auch hinzu, dass die Beziehung zum Vater der Kinder durchaus infolge der Traumatisierung der Klägerin durch ihre Vergewaltigung laut Traumatisierungs-Gutachten nicht spannungsfrei und unbelastet ist. Der im Termin anwesende Vater der Söhne der Klägerin kümmerte sich zwar um das ebenfalls anwesende jüngste Kind, wirkte aber sonst teilnahmslos, seiner Mimik nach angespannt, frustriert und verbittert. Es schien ganz so, als handle es sich bei der Beziehung der Klägerin zu ihm eher um eine aus der Not heraus geborene Vernunftgemeinschaft als um eine aufrichtig gelebte der Ehe gleichkommende intensive Beziehung. Dass insoweit bislang von einer Heirat nicht die Rede ist und eine solche auch in absehbarer Zukunft nicht zu erwarten ist, liegt für das Gericht nach allem auf der Hand.
35 
Die Geburtenkontrollpolitik gilt im Grundsatz auch für Chinesen, die im Ausland leben und dort Kinder bekommen. Wer im Ausland als Kind chinesischer Eltern geboren wird, ist nach Art. 5 des chinesischen Staatsangehörigkeitsgesetzes auch chinesischer Staatsangehöriger, es sei denn die beiden Elternteile haben sich dauerhaft im Ausland niedergelassen oder einer von ihnen hat eine ausländische Staatsangehörigkeit angenommen. Informationen, dass dies bei nicht-ehelichen Kindern und solchen, die unter Verstoß gegen die Geburtenkontrollreglungen geboren wurden, finden sich insoweit nicht. Auch wenn es keine ausdrückliche Regelung gibt, dass Auslandschinesen eine Geburtserlaubnis bei der chinesischen Botschaft im Aufenthaltsstaat einholen müssen, ist doch die dokumentierte Einholung eines Rates der nächstgelegenen Botschaft angezeigt, da ein solcher Nachweis nach Rückkehr für die Haushaltsregistrierung (Hukou) verlangt werden kann. Grundsätzlich können auch Auslandschinesen wegen einer nach den genannten Regeln unerlaubten Geburt eines Kindes im Ausland zu einer Bußgeldzahlung herangezogen werden (so Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 8 - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net).
36 
Sonderregelungen für Auslandsrückkehrer in der Provinz Fujian - aus der die Klägerin stammt -, die sicherstellen, dass diese ihre im Ausland außerhalb der Geburtenkontrollregelungen geborenen Kinder registrieren können und dass diese auch sonst keine Nachteile erfahren, gibt es nicht (so jüngst Amnesty International, Auskunft v. 15.1.2014 an VG Augsburg; siehe im Übrigen BayVGH , B. v. 9.9.2013 - 2 ZB 13.30255 - juris, Rdnr. 10 und VG Arnsberg, U. v. 7-3.2013, wonach es in der Provinz Fujian eine Sonderregelung gebe, die einem verheirateten Auslandsrückkehrpaar ein zweites Kind erlaube; das VG Bayreuth, U. v. 2.7.2013 - B 3 K 13.30042 -, UA S. 9 verweist hierzu auf eine Auskunft von ai an VG Trier vom 18.4.2011 wonach Auslandsrückkehrern in Fujinan ein zweites Kind erlaubt sei- damit sind aber wohl im Grundsatz auch nur verheiratete Paare gemeint). Aus anderen Auskünften ergibt sich auch nur, dass Auslandsrückkehrer nur dann keine Sanktionen wegen Verstößen gegen die Geburtenkontrollpolitik befürchten müssen, wenn - anders als im vorliegenden Fall der Klägerin und der Vaters ihrer Söhne als abgelehnte Asylbewerber ohne Ausbildung und Berufstätigkeit in Deutschland - an ihrer Rückkehr wegen ihrer Ausbildung und Wirtschaftskraft ein Interesse des chinesischen Staates besteht, bzw. dass eine Wiedereinreise nach China Frauen nur im schwangeren Zustand erlaubt wird, wenn das andere Kind permanent im Ausland lebt (OVG Saarland, U. v. 20.10.1999 - 9 R 24/98 - UA S. 29 unter Verweis auf Scharping, Auskunft v. 25.3.1999 an VG Leipzig; ferner ai, Auskunft v. 4.6.2002 an VG Köln und Auskunft v. 21.4.2011 an VG Trier, sowie Scharping, Auskunft v. 28.10.1999 an VG Leipzig; siehe auch Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 1, 2 - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net -, wonach Auslandschinesen nur bei dauerhaftem Wohnsitz im Ausland bzw. nur dann nicht, wenn sie im Ausland studiert haben, unter die Ein-Kind-Regelung fallen, also zwei Kinder haben dürfen, wonach aber nicht eindeutig klar sei, dass dies auch für einzelne nicht-eheliche unerlaubte „Schwarzkinder“ gelte; zu einer tatsächlich durchgeführten Zwangssterilisierung einer aus dem Ausland in die Provinz Fujian mit zwei Kindern zurückkehrenden Chinesin im Jahr 2010 - siehe ai- Auskunft v. 15.1.2014 an VG Arnsberg).
37 
Unterfallen nach allem die Söhne der Klägerin als nichtehelich geborene Kinder einer (Auslands-) Chinesin den genannten Regeln, so stellt sich ihre Geburt nicht nur als formell unerlaubt, sondern als nicht genehmigungsfähig mit der Folge dar, dass sie als solche auch nicht registriert werden.
38 
Auch wenn das chinesische Gesetz selbst die Gleichstellung von ehelichen und nicht-ehelichen Kindern ausdrücklich gebietet und Diskriminierung insoweit eindeutig verbietet (Art. 19 des Heiratsgesetzes - siehe dazu Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 4 - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net), knüpfen doch die Geburtenkontrollregelungen empfindliche Nachteile an den Umstand der unerlaubten nichtehelichen Geburt:
39 
Eine nichteheliche Mutter muss nämlich ein extrem hohes Bußgeld im Umfang von vier bis sechs Jahresdurchschnittsgehältern zahlen (so zur Regelung in der Provinz Fujian, aus der die Mutter des Klägerin stammt Immigration and Refugee Board of Canada, China - Family Planning Laws, v. 1.10.2012 - dort Ziff. 2.2.2 und 2.2. - unter www.ecoin.net und unter www.asyl.net - Asylmagazin 12/2012; ebenso Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 1, 2 - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net).
40 
Dass die Klägerin ein solches exorbitantes Bußgeld sollte zahlen können, kann nicht einfach unter Hinweis darauf unterstellt werden, sie bzw. ihre Familie habe ja auch durch die damalige Finanzierung ihrer Ausreise und Einreise nach Deutschland eine entsprechende Finanzkraft demonstriert (in diesem Sinne zu einem solchen Fall aber . VG Bayreuth, U. v. 2.7.2013 - B 3 K 13.30042 -, UA S. 9; ebenso VG Augsburg, U. v. 28.1.2014 - Au 2 K 13.30246 -juris, Rdnr. 39). Denn sie ist hier schon 2003 als mittelloser Flüchtlinge nach Deutschland gekommen und zwar offenbar nicht im Zuge einer durch aufwendige Geldbeträge sichergestellten bequemen Schleusung mit Hilfe von falschen Papieren und an Bord eines Flugzeugs, sondern auf primitivste und damit wohl auch billigste Weise in einem Schiffscontainer, wo sie obendrein noch vergewaltigt wurde. Seither lebt hier sie hier - ebenso wie der Vater ihrer Söhne - nach Ablehnung des Asylantrags von staatlichen Leistungen. Ihr wurde deshalb auch Prozesskostenhilfe wegen Mittellosigkeit bewilligt. Von daher kann nicht davon ausgegangen werden, sie habe über die Jahre hinweg im Umfang von mehreren tausend bis zigtausend Euro Ersparnisse anhäufen können, aus denen sie nach einer Rückkehr in China die entsprechenden Bußgelder werde zahlen und so die mit der Ein-Kind-Regelung verbundenen Sanktionen werde abwenden können.
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Zu ihren Lasten kann auch nicht einfach spekuliert werden, ihre Familie sei in der Lage ein mehrfaches Jahreseinkommen für sie aufzubringen. Insofern wäre auch zu berücksichtigen, dass sich die Finanzkraft von Flüchtlingsfamilien erfahrungsgemäß häufig bereits mit der Finanzierung der Ausreise erschöpft hat und nicht selten eher umgekehrt von Rückkehrern aus dem vermeintlich „goldenen“ Westen eine Rückzahlung dieser Beträge und vor allem das Einbringen neuer Finanzmittel in die Familienkasse erwartet wird. Auch von einer staatlicherseits mit Misstrauen beobachtende Kirche, die sich aus Angst vor Repressalien bedeckt halten und zum Teil in Privatwohnungen bzw. im Geheimen im Freien Zusammenkünfte abhalten muss, kann nicht ohne Weiteres eine Übernahme einer solch großen Bußgeldsumme erwartet werden. Die chinesische Heimatkirche der Klägerin hat sich ihrem Vorbringen zufolge zwar unter anderem der Armenfürsorge verschrieben hat, was aber noch lange nicht heißt, dass es sich hier um eine äußerst finanzkräftige Organisation handelt, die ohne Weiteres zu einer solch enormen Zahlung überhaupt in der Lage wäre. Ganz abgesehen davon wäre noch fraglich, inwieweit die chinesischen Heimatgemeinde - anders als wohl die hiesige deutsche Gemeinde - nichteheliche Kinder vor dem Hintergrund katholischer Glaubenslehrsätze überhaupt akzeptiert.
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Wird das Bußgeld aber nicht gezahlt, so ist eine „Legalisierung“ eines unerlaubt geborenen Kindes nicht möglich mit der Folge, dass ohne die Geburtsregistrierung dann auch keine Haushaltsregistrierung (sog. „Hukou“) erfolgt, ohne die dann wiederum ein solches „unerlaubtes Schwarzkind“ vom Recht auf Schulbesuch, auf Teilhabe an sozialen Leistungen und von der staatlichen Gesundheitsversorgung komplett ausgeschlossen wird (AA Lagebericht, China v. 18.6.2013 - II. 1.8. S. 25; Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 4 - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net; Immigration and Refugee Board of Canada, China - Family Planning Laws, v. 1.10.2012 - dort Ziff. 3.4 - unter www.ecoin.net und unter www.asyl.net - Asylmagazin 12/2012).
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Dass diese strengen Regelungen der Geburtenkontrolle im Zuge einer generellen Lockerung in der Praxis etwa nicht mehr so streng gehandhabt würden, lässt sich nicht feststellen. Nach alle oben zitierten sehr detaillierten Auskunftsquellen (siehe ergänzend auch ACCORD, Auskunft v. 29.1.2009 zum Thema China/Frauen/Ein-Kind-Politik; Rückkehr mit zwei Söhnen - unter www.ecoi.net) gilt - insbesondere auch für die Heimatprovinz der Klägerin (Fujian) - dass dort die Geburtenkontrollpolitik gegenüber alleinerziehenden, unverheirateten Müttern unehelicher Kinder trotz womöglich phasenweiser Lockerungen nach wie vor rigoros bis hin zum Einsatz von Mitteln wie Zwangssterilisierungen der Mütter, Zwangsabtreibungen oder massivem Druck zur „freiwilligen“ Abtreibung durchgesetzt wird. Auch wenn hier und da einzelne Beamte für solche nach chinesischem Recht inzwischen illegalen Maßnahmen zur Rechenschaft gezogen werden, kommt es doch nach allen vorliegenden Berichten „recht häufig [fairly frequently]“ bzw. „immer wieder“ zu solchen Eingriffen und Sanktionen (gerade jüngste Pressemeldungen zeigen deutlich, dass solche Eingriffe und Übergriffe in China durchaus „an der Tagesordnung“ sind - vgl. etwa spiegel-online, www.spiegel.de/politik/ausland vom 15.6.2012 und NZZ-online vom 15.7.2012 [www.nzz.ch/aktuell/ international/abtreibung-unter-zwang-1,17357004, wonach jüngst in der Provinz Shanxi Funktionäre eine Zwangsabtreibung bei einer im 7. Monat schwangeren 23 Jahr alten Chinesin vornahmen. Diesen Meldungen ist auch zu entnehmen, dass in jüngster Zeit nicht nur mehrere Bericht über Zwangsabtreibungen in China die dortige Öffentlichkeit erschütterten, sondern dass insbesondere auch Ende April 2012 in der Provinz Fujian Beamte ein ungeborenes Kind mit der Giftspritze töten ließen. Zwar wurde im Fall aus Shanxi eine Entschädigung zugesprochen und der Beamte suspendiert, eine strafrechtliche Aufarbeitung fehlte aber und das alles geschah auch nur auf Druck der Medien, nachdem der Kindesvater, der protestierte hatte, von den Behörden tagelang festgenommen worden war, und das von ihm im Internet veröffentlichte Foto seiner Frau mit dem toten Fötus Fall hohe Wellen schlug, die auch die chinesische Staatspropaganda nicht mehr ignorieren konnte. Auch der bekannte blinde chinesische Menschenrechtsanwalt Chen Guangcheng, der Frauen vertrat, die Opfer von Zwangsabtreibungen geworden war, und ihre Fälle zu Gericht brachte, wurde wegen dieses Engagements zu vier Jahren Haft verurteilt, nach der Haftzeit unter Hausarrest gestellt und wiederholt zusammengeschlagen, bis ihm jüngst im April 2012 spektakulär die Flucht in die amerikanische Botschaft gelang, von wo aus er schließlich in die USA ausreisen durfte [http://de.wikipedia.org/wiki/Chen-Guangchen]).
44 
Wenn aber demnach schon solche Übergriffe auf die nichtehelichen Mütter beachtlich wahrscheinlich sind, dann kann davon ausgegangen werden, dass erst recht die „bloßen“ Sanktionen einer Registrierungsverweigerung und die damit verbundenen massiven rechtlichen und sozialen Nachteile für die Kinder beachtlich wahrscheinlich sind. Das ergibt sich auch aus dem jüngsten Lagebericht des Auswärtigen Amtes aus dem Jahr 2013.
45 
In ihrer Kumulation stellten aber die auf diese Weise vom chinesischen Staat für die Klägerin als Mutter nichtehelicher, unerlaubter „Schwarzkinder“ bewusst und gezielt verursachten Nachteile einen Verfolgungseingriff mit dem Gewicht einer schweren Menschenrechtsverletzung dar, wie sie vom Flüchtlingsbegriff vorausgesetzt wird (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2, sowie Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 6 AsylVfG in Verbindung mit Art. 9 Abs. 1a und Abs. 2 QRL [Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU]). Über bloße für sich genommen unerhebliche Diskriminierungen gehen solche Folgen weit hinaus, da sie das Leben des Betroffenen grundlegend entwerten. Insofern schließt sich das Gericht der Auffassung des VG Meiningen und des VG Trier an (VG Meiningen, U. v. 6.4.2011 - 8 K 20205/09.Me, juris; VG Trier, U. v. 23.3.2011 - 5 K 442/10.TR- , juris = InfAuslR 2011, 219 = Asylmagazin 7-8/2011, S. 243 und U. v. 11.7.2012 - 5 K 433/12.TR -, juris).
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Die grundlegende Verweigerung einer Geburtsregistrierung und zusätzlich einer Hukou-Registrierung für die nichtehelichen und in jedem Fall die erlaubte Zahl übersteigenden Kinder der Klägerin, die im totalitär durchstrukturierten, bürokratisch durchorganisierten chinesischen Staat Grundlage für alle weiteren verwaltungsrechtlichen Rechtsanerkennungen (Umzug, Arbeit, Meldepflicht, Krankenhausleistung, Schulbesuch, Personalausweis) ist (siehe AA, Auskunft v. 8.6.2006 an VG Braunschweig und v. 11.4.2011 an VG Köln), grenzt den Betroffenen massiv aus der staatlich verfassten Friedensordnung aus, zwingt diese Kinder so in die Illegalität und verletzt das grundlegende Menschenrecht auf Teilhabe an dieser gemeinschaftlichen Friedensordnung und auf Anerkennung als Rechtsperson (Art. 6 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte - UN Generalversammlung, Resolution 217/III v. 10.12.1948: Jedermann hat überall Anspruch auf Anerkennung als Rechtsperson; Art. 16 Internationaler Pakt über bürgerliche und private Rechte [IPbpR] v. 19.12.1966 - BGBl. 1973, II S. 1534: Jedermann hat das Recht, überall als rechtsfähig anerkannt zu werden, und Art. 24 Abs. 2 IPbpR: Jedes Kind muss unverzüglich nach seiner Geburt in ein Register eingetragen werden und einen Namen erhalten). Eine solche Ausgrenzung, wie sie durch die Verweigerung von Geburtsregistrierung und Hukou-Registrierung bewirkt wird, kommt somit in ihren verwaltungstechnischen Folgen einer Ausbürgerung nahe, deren Charakter als Verfolgungseingriff von ausreichender menschenrechtsverletzender Intensität anerkannt ist (BVerwG, U. v. 26.2.2009 - 10 C 50.07 - AuAS 2009, 175 = ZAR 2009,319 = BVerwGE 333,203).
47 
Dass es nach Auskunft des Auswärtigen Amtes zeitweise möglich sein kann, auch länger Behördenkontakt zu vermeiden und sich illegal in einer chinesischen Stadt aufzuhalten, und dass auch gefälschte Unterlagen und Personalausweise in China erhältlich sind (siehe AA, Auskunft v. 8.6.2006 an VG Braunschweig), ist dabei unbeachtlich, denn ein Leben in der Illegalität darf flüchtlingsrechtlich niemandem als Alternative zum Verfolgungsschutz angesonnen werden (so BVerwG, U. v. 1.2.2007 - 1 C 24.06 - AuAS 2007, 68 = juris zur Unzumutbarkeit einer inländischen Fluchtalternative, wenn nur ein Leben in der Illegalität unter der dauernder Gefahr polizeilicher Kontrollen und Strafsanktionen möglich ist).
48 
Diese Verfolgungsmaßnahme in Form einer Rechtlosstellung der Kinder knüpft auch an ein flüchtlingsrechtlich relevantes Merkmal an, nämlich an ihre uneheliche, unerlaubte Geburt, und damit an ihre Zugehörigkeit zu der sozialen „Gruppe der illegal geborenen nichtehelichen chinesischen Kinder“ (§§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3a Abs.3, 3b Abs. 1 Nr. 4a) und b). Diese Gruppe ist sozial klar definiert und erkennbar und von der übrigen Gesellschaft abgrenzbar und wird von der Bevölkerung auch als solche wahrgenommen. Die Anknüpfung der Sanktion an die Zugehörigkeit zu dieser Gruppe macht diese Kinder gewissermaßen für ihr So-Sein haftbar, indem sie diesen wegen ihres für sie unabänderlichen, irreversiblen und unvertretbaren Persönlichkeitsmerkmals ihrer unehelichen Geburt Nachteile bereitet. Damit macht sie die Sanktion nicht für eigenes Verhalten verantwortlich, sondern für das Verhalten Dritter, nämlich ihrer Eltern, für das sie naturgemäß nichts können. Das aber wiederum ist genauso willkürlich und diskriminierend, wie eine an die Hautfarbe oder ethnische Volkszugehörigkeit anknüpfende Sanktion. Der „Geburtsmakel“ der unehelichen Geburt ist angeboren. Nichteheliche Kinder werden in China auch (i.S.d. § 3b Abs. 1 Nr. 4 b AsylVfG) von der Gesellschaft auch als andersartig betrachtet, nämlich sozial stigmatisiert und werden ebenso wie ihrer Mütter nach wie vor durch die insoweit mit tief verwurzelten Vorurteilen behaftete chinesische Gesellschaft mit Mitleid und Verachtung betrachtet (so ausführlich mit Quellenangaben Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 2 - 6 [Ziff. 2 A, B und Ziff. 3 sowie Ziff. 5] - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net).
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Dem lässt sich entgegen der in der überwiegenden verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung vertretenen Ansicht nicht entgegenhalten, bei diesen Sanktionen (gleich ob sie die nichtehelichen Mütter mit Zwangsabtreibungen, bzw. die Mütter und Väter mit Zwangssterilisationen oder -adoptionen oder aber die -unerlaubten, überflüssigen - Kinder mit den dargestellten Formen der Rechtlosstellung treffen) handle es sich nicht um eine Verfolgung, die an das Persönlichkeitsmerkmal der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe anknüpfe. Die chinesische Geburtenkontrollpolitik und die oben genannten gesetzlichen Regelungen des Bevölkerungs- und Familienplanungsgesetzes allgemein, finde nämlich gleichermaßen und ohne jede weitere Differenzierung auf alle chinesischen Staatsbürger Anwendung und dieses allgemeine Gesetz verfolge insoweit eben gerade nicht das Ziel der Diskriminierung einer bestimmten Bevölkerungsgruppe (etwa einer Minderheitengruppe wie der Tibeter oder Uiguren). Vielmehr ziele es lediglich darauf ab, ganz allgemein die Geburtenrate aller Chinesen im Blick auf das Bevölkerungswachstum in diesem sehr bevölkerungsreichen Land einzugrenzen, um so soziale und wirtschaftliche Missstände zu vermeiden, die andernfalls mit einer zunehmenden Überbevölkerung einhergingen (siehe dazu die Rechtsprechungsübersicht bei VG Würzburg, B. v. 28.8.2013 - W 6 S 13.30278 -, juris, Rdnr. 14; siehe auch die Rechtsprechungsnachweise der in diesem Sinne urteilenden obergerichtlichen Rechtsprechung des BayVGH, des OVG NRW und des NdsOVG bei VG Augsburg, U. v. 28. 1.2014 - Au 2 K 13.30246 -, juris, Rdnr. 36 und 37).
50 
Diese Auffassung greift indessen zu kurz, weil sie lediglich das politische, für sich genommen legitime Fernziel einer Kontrolle des Bevölkerungswachstums in den Blick nimmt und sich dadurch den Blick auf die zur Erreichung dieses Ziels in China angewendeten menschenrechtswidrigen Zwangsmethoden der Ausgrenzung verstellt. Die Methoden der Kontrolle des Bevölkerungswachstums beschränken sich nämlich gerade nicht auf menschenrechtlich unbedenkliche Methoden wie Aufklärung, Bereitstellung von Mitteln zur Empfängnisverhütung, Einführung von Rentenversicherungsmodellen um den Anreiz für möglichst viele Kinder zu nehmen, Einführung von Bildung für Frauen, Modelle finanzieller/steuerlicher Anreize bei geringer Kinderzahl etc. Vielmehr verletzen sie das durch alle Menschenrechtspakte geschützte grundlegende Recht aller Menschen, eine Familie zu gründen, nämlich Kinder zu haben, und dabei als freie Menschen in eigener wirtschaftlicher und sozialer Verantwortung die Zahl ihrer Kinder selbst zu bestimmen (siehe Art. 16 Nr. 1 S. 1 und Nr.3 AEMR, Art. 23 Abs. 1 und Abs. 2 des - auch von China gezeichneten - IPbpR, Art. 12 EMRK, Art. 6 GG). Dieses grundsätzlich anerkannten Menschenrecht schützt das dem Menschsein innewohnende Grundbedürfnis nach Reproduktion (ausführlich dazu und auch zu menschenrechtlich unbedenklichen Methoden der Geburtenkontrolle Saona, „The Protection of Reproductive Rights under International Law: The Bush Administration´s Policy Shift and China´s Family Planning Activities“, Pacific Rim Law & Policy Journal,. Volume 13 No.1, January 2004, page 229 [236, 239, 253, 254] - im internet unter google auffindbar; siehe ferner Mückl in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, 2010, Bandd VI/1, Europäische Grundrechte, § 141 „Ehe und Familie“ -, S. 191 [196, 206, 208). Mit Zwangssterilisationen, Zwangsadoptionen, Zwangsabtreibungen usw. wird die „Gruppe derjenigen Chinesen getroffen, die dieses Menschenrecht auf Familiengründung und Reproduktion ausüben“. Ihnen wird die (weitere) Ausübung dieses Grundrechts schon biologisch-physisch unmöglich gemacht bzw. die Rechtsausübung wird durch die Rechtlosstellung der in Ausübung des Grundrechts geborenen Kinder sanktioniert, obwohl dieses Menschenrecht keinem spezifischen Schrankenvorbehalt unterliegt, der solche Eingriffe rechtfertigen könnte (siehe dazu Mückl, a.a.O. Handbuch der Grundrechte, S. 208, wonach etwa eine Zwangssterilisation/Kastration nur in sehr engen Grenzen gerechtfertigt sein könnte, etwa im Rahmen von § 1905 BGB oder zum Schutz der Allgemeinheit vor gefährlichen Sexualverbrechern; siehe ferner General Comment des Ausschusses für Menschenrechte zum IPbpR, Nr. 19 [39] zu Art. 23 IPbpR vom 24.7.1990 - Unterziffer 2 und 4, sowie insbes. 5, wonach eine Politik der Familienplanung mit den Bestimmungen des Paktes verträglich und insbesondere weder diskriminierend „noch zwangsmäßig“ sein darf; beide Quellen im internet unter google auffindbar). Mit anderen Worten, die Ein-Kind-Politik knüpft an das So-Sein, nämlich an das „Eltern-Sein“ an bzw. an ein Verhalten an, auf das zu verzichten dem Einzelnen deswegen nicht zugemutet werden kann, weil es sich um ein menschenrechtlich geschütztes Verhalten handelt, er sich also so verhalten darf. Die Verfolgung steht damit der Verfolgung in Anknüpfung an eine politische oder religiöse Überzeugung oder an eine sexuelle Orientierung und Präferenz gleich, bei der es nicht um ein angeborenes Merkmal geht, sondern darum, dass das Haben-Dürfen und Äußern-Dürfen einer solchen Überzeugung oder Präferenz als menschenrechtlich geschütztes Verhalten rechtlich keinen tauglichen Anknüpfungspunkt für Sanktionen darstellen darf. Gibt es aber insoweit keinen solchen legitimationskräftigen Anknüpfungspunkt, so stellt es eine Diskriminierung dar, gleichwohl daran anzuknüpfen. Vor einer Verletzung des Diskriminierungsverbots schützt aber der Flüchtlingsbegriff mit seiner Aufzählung insoweit nicht legitimationskräftiger persönlicher Merkmale, an die Verfolgung nicht anknüpfen darf (zum Schutz des So-Seins und So-Sein-Dürfens als Kern des Verfolgungsmerkmals der sozialen Gruppenzugehörigkeit und zu dem dabei anzuwendenden internationalen Menschenrechtsstandard als Maßstab: GK-AufenthG, II - § 60 AufenthG, Rdnr. 18). Wie bei allen flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgungen geht es auch bei der Ein-Kind-Politik letzten Endes um die Unterdrückung von menschenrechtlich grundlegend geschützten Lebensäußerungen, nämlich hier eine Familie zu gründen und Nachwuchs zu zeugen.
51 
Insofern knüpft auch die Ein-Kind-Politik mit ihrem Übergriff auf das Menschsein selbst, zu dem auch das Familie- und Elternsein zählt, an ein „Merkmal“, das „so bedeutsam für die Identität“ als Mensch ist, dass der Betroffene (rechtlich betrachtet) „nicht gezwungen werden sollte, darauf zu verzichten“. Damit stellt sie im Sinne von § 3 b Abs. 1 Nr. 4 a) AsylVfG eine Verfolgung in Anknüpfung an die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe dar.
52 
Daran ändert es nichts, dass selbstverständlich das Verfolgungsmerkmal eine Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe nicht schon dann vorliegt, wenn die alleinige Gemeinsamkeit der Gruppe darin besteht, dass die Gruppenmitglieder gegen ein Gesetz verstoßen und deshalb sanktioniert werden (dazu GK-AufenthG, II- § 60 AufenthG, Rdnr. 171), dass also beispielweise die Ahndung von Trunkenheitsfahrten im Straßenverkehr natürlich nicht eine Verfolgung wegen Zugehörigkeit zur „Gruppe der das Alkoholverbot im Straßenverkehr missachtenden“ Menschen darstellt. Denn das Fahren unter Alkohol stellt - im Unterschied zur Gründung einer Familie und zum Kinderhabendürfen - eben keine rechtlich Ausübung eines anerkannten grundlegenden Menschenrechts dar, sondern allenfalls eine Ausübung der allgemeinen Handlungsfreiheit, auf die im konkreten Fall zu verzichten schon wegen der Gefahren für die Menschenrechte Dritter dem Betreffenden wegen der entsprechenden Schrankenvorbehalte ohne weiteres rechtlich zugemutet werden kann (so knüpft etwa auch die strafrechtliche Sanktionierung der Pädophilie nicht an das Merkmal der Zugehörigkeit zur Gruppe der Pädophilen an, sondern an deren menschenrechtlich nicht geschütztes, sondern vielmehr Grundrechte Dritter verletzendes rechtswidriges Verhalten - siehe GK-AufenthG, II - § 60 AufenthG, Rdnr. 184; siehe auch § 3 b Abs. 1 nr. 4 b) AsylVfG: „Eine soziale Gruppe kann auch eine sein, die sich auf das gemeinsame Merkmal der sexuellen Orientierung gründet; Handlungen, die nach deutschem Recht als strafbar gelten, fallen nicht darunter“).
53 
Für die Richtigkeit dieser Ansicht spricht, dass mit eben dieser Begründung von den Gerichten anderer Aufnahmestaaten, wie etwa Kanada oder USA, die chinesische Ein-Kind-Politik mit ihren Sanktionen als flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe durchaus anerkannt wird (siehe dazu die Fundstellennachweise in GK-AufenthG, II - § 60 AufenthG, Rdnr. 197; siehe auch die ausführlichen juristischen Erwägungen zum - bejahten - Merkmal der Verfolgung wegen sozialer Gruppenzugehörigkeit im Urteil des Supreme Court of Canada, Judgment v. 10.10.1995 - [1995] - 3 SCR 593 - Chan./. Canada , unter http://scc-csc.lexum.com/scc-csc/scc-csc/en/item/1299/indes.do - dort insbes. Rdnrn. 50, 82, 88).
54 
Diejenigen deutschen Verwaltungsgerichte, welche die chinesische Ein-Kind-Politik auch als flüchtlingsrelevante Verfolgung einstufen, haben dies ohne lange Diskussion getan und als geradezu selbstverständlich angenommen, dass eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe, der „von den Exzessen der Familienplanungspolitik in China spezifisch betroffenen Frauen“ (so VG Bremen, U. v. 5.6.2012 - 6 K 3664/07.A -, juris Rdnr. 21) vorliegt, bzw. eine Zwangssterilisation als zweifelsfrei „geschlechtsspezifische Verfolgung der sozialen Gruppe der Frauen“ eingestuft (so VG Trier, U. v. 23.3.2011 - 5 K 442/10.TR -, juris Rdnr. 18) bzw. ganz generell darin eine „diskriminierende“ justizielle/administrative Maßnahme gesehen (VG Meiningen, U. v. 6.4.2011 - 8 K 20205/09 Me-, juris). Schließlich behandelt auch der Lagebericht des Auswärtigen Amtes die chinesische Ein-Kind-Politik wie selbstverständlich und ohne weitere Begründung unter der Überschrift „geschlechtsspezifische Verfolgung“.
55 
Der Hinweis darauf, die chinesische Ein-Kind-Politik sei zwar befremdlich und mit dem Standard des Grundgesetzes unvereinbar, es sei aber nicht Aufgabe des Asylrechts, die Ordnung des Grundgesetzes in anderen Staaten durchzusetzen, weshalb die chinesische Ein-Kind-Politik keine flüchtlingsrechtlich anzuerkennende Verfolgung darstelle, stellt kein durchgreifendes Gegenargument gegen die oben dargelegte Ansicht dar. Denn Aufgabe des Asylrechts bzw. Flüchtlingsrechts ist es ohnehin nicht, eine bestimmte Rechtsordnung anderen Staaten „aufzuzwingen“ oder sie dort „durchzusetzen“, sondern lediglich einem Menschen, der in einem anderen Staat nach den Maßstäben international anerkannter Menschenrechtsstandards nicht mehr leben kann, weil er dort durch eine grundlegende Menschenrechte schwerwiegend verletzende Verfolgung - wie hier die Ein-Kind-Politik - aus der staatlich verfassten Friedensordnung ausgegrenzt und zur Flucht getrieben wird, eine neue Heimat durch Aufnahme in die staatliche Friedensordnung des Aufnahmestaates zu gewähren (so auch das BVerwG in der vom Bundesamt insoweit nur unvollständig zitierten Entscheidung U. v. 18.2.1986 - 9 c 104/85 -, juris Rdnr. 21 = InfAuslR 86, 189; dazu, dass damit keine „Diskriminierung fremder Rechtsordnungen“ verbunden ist und dass begriffsnotwendig zwischen dem Aufnahmestaat und dem Verfolgerstaat nach dem Konzept des Asylrechts ein Unterschied in den rechtlich respektierten Maßstäben besteht: GK-AufenthG, II - § 60 AufenthG, Rdnr. 185 und GK-AuslG, § 53 AuslG (a.F.), Rdnrn. 97 und 98 m.w.Nw.; siehe auch Art. 14 Nr. 1 AEMR, wonach es das Recht eines Menschenrecht ist, in anderen Ländern vor Verfolgungen Asyl zu suchen und zu genießen, was wiederum bedeutet, dass die Asylgewährung dem Verfolgerstaat gegenüber gerade kein völkerrechtswidriger Akt der Einmischung in seine Personalhoheit darstellt).
56 
Im vorliegenden Fall kommt zu alldem noch erschwerend hinzu, dass die Klägerin zwar auch im Folgeverfahren nicht glaubhaft gemacht hat, bzw. gar nicht erst versucht hat, anders als im Erstverfahren nunmehr doch noch glaubhaft zu machen, sie sei wegen religiöser Vorverfolgung seinerzeit aus China ausgereist, dass sie aber ausweislich der vorgelegten Unterlagen sowohl ihrer katholischen Heimatgemeinde als auch ihrer deutschen Kirchengemeinde ganz offenbar schon in China und erst recht hier im deutschen Exil ein langjähriges treues und gläubiges Mitglied der römisch-katholischen Kirche ist und dass auch ihre Kinder durch die Taufe zu dieser Kirche gehören.
57 
Gerade wegen ihrer Vatikantreue aber werden die Anhänger dieser Kirche in China wenn nicht verfolgt, so doch von staatlichen Stellen mit besonderem Misstrauen behandelt (AA, Lagebericht China, 2013, S. 19; AA Lagebericht China 2011, S. 23; VG Düsseldorf, U. v. 24.4.2008 - 8 K 3998/05.A -, juris; VG Bremen, U. v. 25.10.2005 - 6 K 1542/03.A; BAMF, Informationszentrum Asyl und Migration, August 2011, Lage der Religionsgemeinschaften in ausgewählten nichtislamischen Ländern, S. 9 - 16 zur Religionsverfolgung in China; WissDienst Dt. Bds.Tag, Nr. 07/2014 - Weltverfolgungsindex - 2014 zur Verfolgung und Behandlung von Christen, S 107 ff.,; Schweizer Flüchtlingshilfe SFH, 28.1.2009 - China, Situation der ethnischen und religiösen Minderheiten, S. 14 - 18). Dass ihre Anhänger, weil sie aufgrund des Glaubens Abtreibungen ablehnen und die Geburt mehrerer Kinder als Gottesgeschenk ansehen, am wenigsten geneigt sind, sich den Diktaten der aus ihrer Sicht atheistischen Ein-Kind-Politik zu unterwerfen, macht sie aus Sicht der chinesischen Behörden tendenziell noch eher zum Ziel von Maßnahmen wie Zwangssterilisationen, mit denen zumindest weitere Geburten verhindert werden würden. Die Klägerin selbst hat immerhin nicht nur die beiden Söhne geboren, sondern - wenngleich sie es dann zur Adoption freigegeben hat - zuvor sogar schon ein drittes Kind, das sie nicht abtreiben ließ, obwohl es aus einer Vergewaltigung stammte. Dass dieser katholische Glaubenshintergrund die Durchsetzung der Ein-Kind-Politik ihr gegenüber eher noch verschärfen als mildern wird, hat das Gericht bereits in einer früheren Entscheidung zu einem ähnlich gelagerten Fall festgestellt, in der es unter anderem wörtlich ausgeführt hat: „Der katholische Familienhintergrund wird zudem staatliche Sanktionen eher ungehemmter machen, da er die Klägerin insoweit zumindest als Anhängerin einer staatlicherseits allenfalls geduldeten, misstrauisch beobachteten Minderheitenanschauung ausweist (siehe dazu etwa OVG NdS, Urt. v. 19.9.2000 - 11 L 2068/00, UAS. 29 unter Bezugnahme auf ai, Stellungnahme vom 22.2.1999 an VG Leipzig und vom 15.1.1996 an VG Köln zur Gefahr einer Zwangsabtreibung/-sterilisation für eine Chinesin aus einem katholischen Dort, die durch unerlaubt Ausreise auffällig geworden ist und dadurch zu erkennen gegeben hat, dass sie sich der Geburtenkontrollpolitik entziehen will und die aus dem Ausland mit mehreren eigenen Kindern zurückkehrt; zur Nachteiligkeit eine katholischen Glaubenshintergrundes, die eine künftige Befolgung der Familienplanungspolitik nicht erwarten lässt, insoweit auch VG Bremen, Urt. v. 5.6.2012 - 6 K 3664/07.A -, juris, Rdnr. 25).
58 
Die Kostenentscheidung folgt aus §3 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylVfG.

Gründe

 
25 
Die zulässige Klage ist bereits mit dem Hauptantrag begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Sie hat Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 113 Abs. 1 S. 1 und Abs. 5 S. 1 VwGO).
26 
Das Bundesamt ist (a) aufgrund des Folgeantrags des Klägerin gem. § 71 Abs. 1 S. 1 AsylVfG i.V.m. § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG verpflichtet, ein weiteres Asylverfahren durchzuführen, und (b) der Klägerin in diesem Zusammenhang die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen (§§ 1 Abs. 1 Nr. 2 , 3 Abs. 1 und Abs. 4 AsylVfG).
27 
(a) Die Sach- und Rechtslage hat sich nämlich gegenüber der dem Erstbescheid (im Zeitpunkt des Eintritts seiner Rechtskraft am 19.5.2004) zugrundeliegenden Sach- und Rechtslage geändert. Im hier für die Beurteilung der geltend gemachten Verpflichtung des Bundesamtes zur Durchführung eines Asylfolgeverfahrens maßgeblichen Zeitpunkt der heutigen gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 S. 1 AsylVfG) liegen genügend von der Klägerin rechtzeitig innerhalb der 3-Monatsfrist (§ 51 Abs. 3 VwVfG, § 71 Abs. 1 S. 1 AsylVfG) bzw. ohne Verschulden außerhalb dieser Frist vorgetragene und vorgelegte neue Beweismittel bzw. Erkenntnisse vor, die dem Grunde nach geeignet sein können, eine möglicherweise nunmehr andere Beurteilung des Asylantrags der Klägerin als im Asylerstverfahren zu rechtfertigen und diesbezüglich in eine erneute Sachprüfung einzutreten: Die beiden nichtehelichen Kinder sind erst nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils im Asylerstverfahren geboren. Das davor bereits im September 2003 geborene Kind hat die Klägerin zur Adoption freigegeben, so dass im ersten Verfahren der Verfolgungsgrund eines Verstoßes gegen die Ein-Kind-Regelung noch nicht relevant war, ganz abgesehen davon, dass ein infolge Vergewaltigung geborenes Kind wohl selbst nach den strengen chinesischen Regelungen mangels zurechenbaren eigenen Verhaltens nicht als sog. „unerlaubtes, nichteheliches Schwarzkind“ eingestuft worden wäre. Dass ein Verstoß gegen die Ein-Kind-Regelung flüchtlingsrechtlich bedeutsam sein kann, hat die Klägerin auch erst über ihren Prozessbevollmächtigten erfahren, als es um einen Asylerstantrag für ihren jüngsten Sohn ging und sie auf die Urteile des VG Trier und Meinigen aufmerksam gemacht wurde. Dass sie bis dahin als Laie nicht die Asylrechtsprechung und die Verhältnisse in China sowie die Auskunftslage zur Situation im Herkunftsland generell im Blick gehabt hat, kann ihr nicht vorgeworfen werden. Den Asylfolgeantrag hat sie jedenfalls alsbald gestellt, nachdem ihre beiden Söhne getauft worden sind und sie auch insoweit ihre Verbundenheit mit der katholischen Kirche augenfällig bekräftigt hatte. Insoweit hat sie auch die Bescheinigung der Kirchengemeinde rechtzeitig vorgelegt. Dass sie sich nicht schon vorher um Bescheinigungen ihrer deutschen Kirchengemeinde, bzw. Beibringung entsprechender Bescheinigungen ihrer chinesischen Heimatgemeinde gekümmert hat und ihre Kinder nicht schon hat früher taufen lassen, kann ihr nicht zum Vorwurf gemacht werden. Insoweit muss auch berücksichtigt werden, dass der Vater der Kinder, mit dem sie zusammenlebt, offenbar nicht wirklich auch hinter ihrem katholischen Glauben steht und sie deshalb nach wie vor noch nicht geheiratet haben. Zudem ist sie ausweislich der vorgelegten Unterlagen (insbesondere der Anamnese im Traumatisierungs-Gutachten) und ihres plausiblen Vortrags in der mündlichen Verhandlung wirklich seelisch angeschlagen und immer wieder krank, so dass sich der Kindesvater um die Kinder kümmern muss, was er augenfällig auch in der mündlichen Verhandlung tat. Ihre seelische Belastung ist zudem aufgrund des Umstandes plausibel und nachvollziehbar, dass sie wohl tatsächlich seinerzeit auf der Flucht vergewaltigt wurde, was sie von Anfang an so vorgetragen hat, wofür insbesondere der Umstand der alsbaldigen Freigabe des daraus erwachsenen Kindes zur Adoption spricht, und was schließlich auch die ständige nervenärztliche Behandlung sowie insbesondere das Traumatisierungs-Gutachten belegen. All diese Umstände aber sind gewiss einem rationalen, zeitgerechten und koordinierten sachkundigen Verfahrensverhalten in Bezug auf die rechtzeitige Vorlage von Unterlagen bzw. die entsprechende unverzögerte Stellung eines Folgeantrags abträglich, so dass ihr kein Vorwurf einer Verfahrensverzögerung bzw. einer Versäumung der Drei-Monatsfrist gemacht werden kann.
28 
Nach allem hat sie damit aber Umstände im Folgeverfahren vorgetragen, die nunmehr eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung wegen Verstoßes gegen die Ein-Kind-Politik als denkbar erscheinen lassen und jedenfalls auch eine Verbundenheit zum katholischen Glauben und zu der in China besonders angefeindeten römisch-katholischen Kirche belegen, welche zwar nach wie vor nicht geeignet ist, eine deshalb bereits seinerzeit erlittene (laut Asylersturteil des VG Freiburg infolge zahlreicher Widersprüche und Ungereimtheiten unglaubhafte) Vorverfolgung nunmehr schlüssig zu belegen, welche aber im Zusammenhang mit der Frage bedeutsam sein kann, wie rigide und rücksichtslos ihr gegenüber die Ein-Kind-Regelung durchgesetzt werden wird (siehe insoweit VG Freiburg, U. v. 27.7.2012 - A 6 K 1563/10 und VG Bremen, U. v. 5.6.2012 - 6 K 3664/07.A -, juris Rdnr. 25 zur entsprechenden Nachteiligkeit eines katholischen Glaubenshintergrundes in diesem Zusammenhang).
29 
(b) Der mithin zu prüfende Folgeantrag ist auch begründet. Die Klägerin ist Flüchtling im Sinne des Art. 1 A Ziff. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK - Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.7.1951 - BGBl. 1953 II S. 559, 560). Denn sie befindet sich gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 a AsylVfG aus begründeter Furcht vor einer Verfolgung wegen Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Eltern der unter Verstoß gegen die Regelungen der chinesische Ein-Kind-Politik geborenen chinesischen Kinder außerhalb ihres Heimatstaates China, dessen Schutz sie wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Gemäß § 3 Abs. 4 AsylVfG ist ihr deshalb die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
30 
Nach wie vor gilt in China die sogenannte Ein-Kind-Politik, nämlich das „Bevölkerungs- und Familienplanungsgesetz“ vom 1.9.2002 (siehe AA Lagebericht China v. 18.6.2013 - II. 1.8. S. 24). Danach darf eine Frau ein einziges Kind bekommen und auch das nur, wenn sie - anders als hier die Klägerin - verheiratet ist. Ein verheiratetes Paar muss insoweit eine bestimmte Altersgrenze überschritten haben und vor der Geburt eine Geburtsgenehmigung eingeholt haben, weil Männer erst mit 22 Jahren und Frauen erst mit 20 Jahren heiraten dürfen (Art. 6 des chinesischen Heiratsgesetzes - siehe Refugee Documentation Centre (Ireland) - Legal Aid Board - Auskunft v. 14.10.2011 - unter www.ecoi.net und www.asyl.net -dort unter Länderinformationen/China).
31 
Auch wenn in jüngster Zeit Rufe nach einer Abschaffung der Ein-Kind-Politik immer lauter und drängender geworden sein mögen (siehe BayVGH, B. v. 9.9.2013 - 2 ZB 13.30255 - juris, Rdnr. 9 und VG Bayreuth, U. v. 2.7.2013 - B 3 K 13.30042 - UAS. 5 unter Verweis auf DIE ZEIT-online http://www.zeit.de/politik/ausland/2012-10/China-ein-kind-politik-reform, wonach ein „regierungsnahes Forschungsinstitut“ in China die schrittweise Abschaffung dieser Politik bis 2015 „gefordert“ habe; siehe insoweit auch www.zeit.de/wissen/2013-01/china-ein-kind-politik-studie - schon vom 11.1.2013 - zu den negativen psycho-sozialen Auswirkungen der Ein-Kind-Politik und Berichten chinesischer Medien, wonach die Regierung diese „schrittweise abschaffen wolle“), bedeutet dies (noch) nicht, dass diese Regelungen im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der heutigen mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 S. 1 AsylVfG) nicht mehr gelten, weil sie etwa oder förmlich bzw. de-facto abgeschafft sind oder nicht mehr praktiziert würden (so auch Amnesty international - Auskunft v. 15.1.2014 an VG Augsburg, wonach eine Reform der Ein-Kind-Politik vom Dezember 2013 regelt, dass künftig Paare, bei denen ein Partner Einzelkind ist, zwei Kinder haben können, ansonsten aber die Geburtenkontrollpolitik nicht aufgehoben worden sei). Dafür, dass in allernächster Zukunft diese Regelungen außer Kraft gesetzt würden, ist also kein Anhaltspunkt vorhanden. Entsprechende Spekulationen zum Nachteil der Klägerin verbietet sich von daher.
32 
Ausnahmen von der Ein-Kind-Regelung - die im vorliegenden Fall allerdings nicht einschlägig sind - betreffen verheiratete Paare auf dem Lande, denen ein Zweitkind zugestanden wird, wenn das erste Kind ein Mädchen ist (siehe AA Lagebericht China v. 18.6.2013 - II. 1.8. S. 24; siehe zu speziellen Ausnahmeregelungen der Familienplanungsvorschriften für verheiratete Paare und obendrein für verheiratete Paare auf dem Land in der Provinz Fujian, aus der die Klägerin stammt, die detailreichen Angaben in: Immigration and Refugee Board of Canada, China - Family Planning Laws, v. 1.10.2012 - dort Ziff. 2.2.2 - unter www.ecoin.net und unter www.asyl.net - Asylmagazin 12/2012 bzw. in www.asyl.net unter Länderinformationen/China).
33 
Da die Klägerin selbst kein Einzelkind ist, sondern aus einer Familie mit mehreren Kindern stammt, würde es in ihrem Fall nicht einmal etwas helfen, den Vater ihrer nichtehelichen Kinder, mit dem sie immerhin zusammenlebt, zu heiraten, um so die Ausnahmemöglichkeiten in Anspruch zu nehmen und Sanktionen zu vermeiden.
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Ganz abgesehen davon kann ihr auch nicht einfach angesonnen werden, wenigstens den „Makel“ der nichtehelichen Geburt durch eine solche Heirat auszuräumen, um so Verfolgung zu vermeiden. Denn wie sie in der mündlichen Verhandlung überzeugend und plausibel sowie spontan vortrug, steht aus ihrer Sicht einer Heirat noch entgegen, dass sich ihre Ehemann, der nicht katholisch, sondern buddhistischer Herkunft ist, bislang nicht bereitgefunden hat, katholisch zu werden. Er wird zwar in der vorgelegten Taufbescheinigung von der deutschen Kirchengemeinde als Katholik geführt, aus der Bescheinigung der Kirchengemeinde zum Kirchgang und zu der Beteiligung am Gemeindeleben ergibt sich aber in aller Deutlichkeit, dass nur die Klägerin mit ihren beiden Söhnen aktiv am Gemeindeleben teilnimmt, während deren Vater mit keinem Wort erwähnt wird. Sie hat das auch in der mündlichen Verhandlung selbst angegeben, nämlich darauf hingewiesen, dass ihr Mann an sich Buddhist sei und nicht den katholischen Glauben praktiziere. Ob und wann die Klägerin aber heiratet, ist ihre freie Entscheidung und darf ihr deshalb nicht durch Versagung des Flüchtlingsschutzes gewissermaßen aufgezwungen werden. Hier kommt auch hinzu, dass die Beziehung zum Vater der Kinder durchaus infolge der Traumatisierung der Klägerin durch ihre Vergewaltigung laut Traumatisierungs-Gutachten nicht spannungsfrei und unbelastet ist. Der im Termin anwesende Vater der Söhne der Klägerin kümmerte sich zwar um das ebenfalls anwesende jüngste Kind, wirkte aber sonst teilnahmslos, seiner Mimik nach angespannt, frustriert und verbittert. Es schien ganz so, als handle es sich bei der Beziehung der Klägerin zu ihm eher um eine aus der Not heraus geborene Vernunftgemeinschaft als um eine aufrichtig gelebte der Ehe gleichkommende intensive Beziehung. Dass insoweit bislang von einer Heirat nicht die Rede ist und eine solche auch in absehbarer Zukunft nicht zu erwarten ist, liegt für das Gericht nach allem auf der Hand.
35 
Die Geburtenkontrollpolitik gilt im Grundsatz auch für Chinesen, die im Ausland leben und dort Kinder bekommen. Wer im Ausland als Kind chinesischer Eltern geboren wird, ist nach Art. 5 des chinesischen Staatsangehörigkeitsgesetzes auch chinesischer Staatsangehöriger, es sei denn die beiden Elternteile haben sich dauerhaft im Ausland niedergelassen oder einer von ihnen hat eine ausländische Staatsangehörigkeit angenommen. Informationen, dass dies bei nicht-ehelichen Kindern und solchen, die unter Verstoß gegen die Geburtenkontrollreglungen geboren wurden, finden sich insoweit nicht. Auch wenn es keine ausdrückliche Regelung gibt, dass Auslandschinesen eine Geburtserlaubnis bei der chinesischen Botschaft im Aufenthaltsstaat einholen müssen, ist doch die dokumentierte Einholung eines Rates der nächstgelegenen Botschaft angezeigt, da ein solcher Nachweis nach Rückkehr für die Haushaltsregistrierung (Hukou) verlangt werden kann. Grundsätzlich können auch Auslandschinesen wegen einer nach den genannten Regeln unerlaubten Geburt eines Kindes im Ausland zu einer Bußgeldzahlung herangezogen werden (so Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 8 - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net).
36 
Sonderregelungen für Auslandsrückkehrer in der Provinz Fujian - aus der die Klägerin stammt -, die sicherstellen, dass diese ihre im Ausland außerhalb der Geburtenkontrollregelungen geborenen Kinder registrieren können und dass diese auch sonst keine Nachteile erfahren, gibt es nicht (so jüngst Amnesty International, Auskunft v. 15.1.2014 an VG Augsburg; siehe im Übrigen BayVGH , B. v. 9.9.2013 - 2 ZB 13.30255 - juris, Rdnr. 10 und VG Arnsberg, U. v. 7-3.2013, wonach es in der Provinz Fujian eine Sonderregelung gebe, die einem verheirateten Auslandsrückkehrpaar ein zweites Kind erlaube; das VG Bayreuth, U. v. 2.7.2013 - B 3 K 13.30042 -, UA S. 9 verweist hierzu auf eine Auskunft von ai an VG Trier vom 18.4.2011 wonach Auslandsrückkehrern in Fujinan ein zweites Kind erlaubt sei- damit sind aber wohl im Grundsatz auch nur verheiratete Paare gemeint). Aus anderen Auskünften ergibt sich auch nur, dass Auslandsrückkehrer nur dann keine Sanktionen wegen Verstößen gegen die Geburtenkontrollpolitik befürchten müssen, wenn - anders als im vorliegenden Fall der Klägerin und der Vaters ihrer Söhne als abgelehnte Asylbewerber ohne Ausbildung und Berufstätigkeit in Deutschland - an ihrer Rückkehr wegen ihrer Ausbildung und Wirtschaftskraft ein Interesse des chinesischen Staates besteht, bzw. dass eine Wiedereinreise nach China Frauen nur im schwangeren Zustand erlaubt wird, wenn das andere Kind permanent im Ausland lebt (OVG Saarland, U. v. 20.10.1999 - 9 R 24/98 - UA S. 29 unter Verweis auf Scharping, Auskunft v. 25.3.1999 an VG Leipzig; ferner ai, Auskunft v. 4.6.2002 an VG Köln und Auskunft v. 21.4.2011 an VG Trier, sowie Scharping, Auskunft v. 28.10.1999 an VG Leipzig; siehe auch Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 1, 2 - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net -, wonach Auslandschinesen nur bei dauerhaftem Wohnsitz im Ausland bzw. nur dann nicht, wenn sie im Ausland studiert haben, unter die Ein-Kind-Regelung fallen, also zwei Kinder haben dürfen, wonach aber nicht eindeutig klar sei, dass dies auch für einzelne nicht-eheliche unerlaubte „Schwarzkinder“ gelte; zu einer tatsächlich durchgeführten Zwangssterilisierung einer aus dem Ausland in die Provinz Fujian mit zwei Kindern zurückkehrenden Chinesin im Jahr 2010 - siehe ai- Auskunft v. 15.1.2014 an VG Arnsberg).
37 
Unterfallen nach allem die Söhne der Klägerin als nichtehelich geborene Kinder einer (Auslands-) Chinesin den genannten Regeln, so stellt sich ihre Geburt nicht nur als formell unerlaubt, sondern als nicht genehmigungsfähig mit der Folge dar, dass sie als solche auch nicht registriert werden.
38 
Auch wenn das chinesische Gesetz selbst die Gleichstellung von ehelichen und nicht-ehelichen Kindern ausdrücklich gebietet und Diskriminierung insoweit eindeutig verbietet (Art. 19 des Heiratsgesetzes - siehe dazu Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 4 - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net), knüpfen doch die Geburtenkontrollregelungen empfindliche Nachteile an den Umstand der unerlaubten nichtehelichen Geburt:
39 
Eine nichteheliche Mutter muss nämlich ein extrem hohes Bußgeld im Umfang von vier bis sechs Jahresdurchschnittsgehältern zahlen (so zur Regelung in der Provinz Fujian, aus der die Mutter des Klägerin stammt Immigration and Refugee Board of Canada, China - Family Planning Laws, v. 1.10.2012 - dort Ziff. 2.2.2 und 2.2. - unter www.ecoin.net und unter www.asyl.net - Asylmagazin 12/2012; ebenso Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 1, 2 - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net).
40 
Dass die Klägerin ein solches exorbitantes Bußgeld sollte zahlen können, kann nicht einfach unter Hinweis darauf unterstellt werden, sie bzw. ihre Familie habe ja auch durch die damalige Finanzierung ihrer Ausreise und Einreise nach Deutschland eine entsprechende Finanzkraft demonstriert (in diesem Sinne zu einem solchen Fall aber . VG Bayreuth, U. v. 2.7.2013 - B 3 K 13.30042 -, UA S. 9; ebenso VG Augsburg, U. v. 28.1.2014 - Au 2 K 13.30246 -juris, Rdnr. 39). Denn sie ist hier schon 2003 als mittelloser Flüchtlinge nach Deutschland gekommen und zwar offenbar nicht im Zuge einer durch aufwendige Geldbeträge sichergestellten bequemen Schleusung mit Hilfe von falschen Papieren und an Bord eines Flugzeugs, sondern auf primitivste und damit wohl auch billigste Weise in einem Schiffscontainer, wo sie obendrein noch vergewaltigt wurde. Seither lebt hier sie hier - ebenso wie der Vater ihrer Söhne - nach Ablehnung des Asylantrags von staatlichen Leistungen. Ihr wurde deshalb auch Prozesskostenhilfe wegen Mittellosigkeit bewilligt. Von daher kann nicht davon ausgegangen werden, sie habe über die Jahre hinweg im Umfang von mehreren tausend bis zigtausend Euro Ersparnisse anhäufen können, aus denen sie nach einer Rückkehr in China die entsprechenden Bußgelder werde zahlen und so die mit der Ein-Kind-Regelung verbundenen Sanktionen werde abwenden können.
41 
Zu ihren Lasten kann auch nicht einfach spekuliert werden, ihre Familie sei in der Lage ein mehrfaches Jahreseinkommen für sie aufzubringen. Insofern wäre auch zu berücksichtigen, dass sich die Finanzkraft von Flüchtlingsfamilien erfahrungsgemäß häufig bereits mit der Finanzierung der Ausreise erschöpft hat und nicht selten eher umgekehrt von Rückkehrern aus dem vermeintlich „goldenen“ Westen eine Rückzahlung dieser Beträge und vor allem das Einbringen neuer Finanzmittel in die Familienkasse erwartet wird. Auch von einer staatlicherseits mit Misstrauen beobachtende Kirche, die sich aus Angst vor Repressalien bedeckt halten und zum Teil in Privatwohnungen bzw. im Geheimen im Freien Zusammenkünfte abhalten muss, kann nicht ohne Weiteres eine Übernahme einer solch großen Bußgeldsumme erwartet werden. Die chinesische Heimatkirche der Klägerin hat sich ihrem Vorbringen zufolge zwar unter anderem der Armenfürsorge verschrieben hat, was aber noch lange nicht heißt, dass es sich hier um eine äußerst finanzkräftige Organisation handelt, die ohne Weiteres zu einer solch enormen Zahlung überhaupt in der Lage wäre. Ganz abgesehen davon wäre noch fraglich, inwieweit die chinesischen Heimatgemeinde - anders als wohl die hiesige deutsche Gemeinde - nichteheliche Kinder vor dem Hintergrund katholischer Glaubenslehrsätze überhaupt akzeptiert.
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Wird das Bußgeld aber nicht gezahlt, so ist eine „Legalisierung“ eines unerlaubt geborenen Kindes nicht möglich mit der Folge, dass ohne die Geburtsregistrierung dann auch keine Haushaltsregistrierung (sog. „Hukou“) erfolgt, ohne die dann wiederum ein solches „unerlaubtes Schwarzkind“ vom Recht auf Schulbesuch, auf Teilhabe an sozialen Leistungen und von der staatlichen Gesundheitsversorgung komplett ausgeschlossen wird (AA Lagebericht, China v. 18.6.2013 - II. 1.8. S. 25; Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 4 - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net; Immigration and Refugee Board of Canada, China - Family Planning Laws, v. 1.10.2012 - dort Ziff. 3.4 - unter www.ecoin.net und unter www.asyl.net - Asylmagazin 12/2012).
43 
Dass diese strengen Regelungen der Geburtenkontrolle im Zuge einer generellen Lockerung in der Praxis etwa nicht mehr so streng gehandhabt würden, lässt sich nicht feststellen. Nach alle oben zitierten sehr detaillierten Auskunftsquellen (siehe ergänzend auch ACCORD, Auskunft v. 29.1.2009 zum Thema China/Frauen/Ein-Kind-Politik; Rückkehr mit zwei Söhnen - unter www.ecoi.net) gilt - insbesondere auch für die Heimatprovinz der Klägerin (Fujian) - dass dort die Geburtenkontrollpolitik gegenüber alleinerziehenden, unverheirateten Müttern unehelicher Kinder trotz womöglich phasenweiser Lockerungen nach wie vor rigoros bis hin zum Einsatz von Mitteln wie Zwangssterilisierungen der Mütter, Zwangsabtreibungen oder massivem Druck zur „freiwilligen“ Abtreibung durchgesetzt wird. Auch wenn hier und da einzelne Beamte für solche nach chinesischem Recht inzwischen illegalen Maßnahmen zur Rechenschaft gezogen werden, kommt es doch nach allen vorliegenden Berichten „recht häufig [fairly frequently]“ bzw. „immer wieder“ zu solchen Eingriffen und Sanktionen (gerade jüngste Pressemeldungen zeigen deutlich, dass solche Eingriffe und Übergriffe in China durchaus „an der Tagesordnung“ sind - vgl. etwa spiegel-online, www.spiegel.de/politik/ausland vom 15.6.2012 und NZZ-online vom 15.7.2012 [www.nzz.ch/aktuell/ international/abtreibung-unter-zwang-1,17357004, wonach jüngst in der Provinz Shanxi Funktionäre eine Zwangsabtreibung bei einer im 7. Monat schwangeren 23 Jahr alten Chinesin vornahmen. Diesen Meldungen ist auch zu entnehmen, dass in jüngster Zeit nicht nur mehrere Bericht über Zwangsabtreibungen in China die dortige Öffentlichkeit erschütterten, sondern dass insbesondere auch Ende April 2012 in der Provinz Fujian Beamte ein ungeborenes Kind mit der Giftspritze töten ließen. Zwar wurde im Fall aus Shanxi eine Entschädigung zugesprochen und der Beamte suspendiert, eine strafrechtliche Aufarbeitung fehlte aber und das alles geschah auch nur auf Druck der Medien, nachdem der Kindesvater, der protestierte hatte, von den Behörden tagelang festgenommen worden war, und das von ihm im Internet veröffentlichte Foto seiner Frau mit dem toten Fötus Fall hohe Wellen schlug, die auch die chinesische Staatspropaganda nicht mehr ignorieren konnte. Auch der bekannte blinde chinesische Menschenrechtsanwalt Chen Guangcheng, der Frauen vertrat, die Opfer von Zwangsabtreibungen geworden war, und ihre Fälle zu Gericht brachte, wurde wegen dieses Engagements zu vier Jahren Haft verurteilt, nach der Haftzeit unter Hausarrest gestellt und wiederholt zusammengeschlagen, bis ihm jüngst im April 2012 spektakulär die Flucht in die amerikanische Botschaft gelang, von wo aus er schließlich in die USA ausreisen durfte [http://de.wikipedia.org/wiki/Chen-Guangchen]).
44 
Wenn aber demnach schon solche Übergriffe auf die nichtehelichen Mütter beachtlich wahrscheinlich sind, dann kann davon ausgegangen werden, dass erst recht die „bloßen“ Sanktionen einer Registrierungsverweigerung und die damit verbundenen massiven rechtlichen und sozialen Nachteile für die Kinder beachtlich wahrscheinlich sind. Das ergibt sich auch aus dem jüngsten Lagebericht des Auswärtigen Amtes aus dem Jahr 2013.
45 
In ihrer Kumulation stellten aber die auf diese Weise vom chinesischen Staat für die Klägerin als Mutter nichtehelicher, unerlaubter „Schwarzkinder“ bewusst und gezielt verursachten Nachteile einen Verfolgungseingriff mit dem Gewicht einer schweren Menschenrechtsverletzung dar, wie sie vom Flüchtlingsbegriff vorausgesetzt wird (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2, sowie Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 6 AsylVfG in Verbindung mit Art. 9 Abs. 1a und Abs. 2 QRL [Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU]). Über bloße für sich genommen unerhebliche Diskriminierungen gehen solche Folgen weit hinaus, da sie das Leben des Betroffenen grundlegend entwerten. Insofern schließt sich das Gericht der Auffassung des VG Meiningen und des VG Trier an (VG Meiningen, U. v. 6.4.2011 - 8 K 20205/09.Me, juris; VG Trier, U. v. 23.3.2011 - 5 K 442/10.TR- , juris = InfAuslR 2011, 219 = Asylmagazin 7-8/2011, S. 243 und U. v. 11.7.2012 - 5 K 433/12.TR -, juris).
46 
Die grundlegende Verweigerung einer Geburtsregistrierung und zusätzlich einer Hukou-Registrierung für die nichtehelichen und in jedem Fall die erlaubte Zahl übersteigenden Kinder der Klägerin, die im totalitär durchstrukturierten, bürokratisch durchorganisierten chinesischen Staat Grundlage für alle weiteren verwaltungsrechtlichen Rechtsanerkennungen (Umzug, Arbeit, Meldepflicht, Krankenhausleistung, Schulbesuch, Personalausweis) ist (siehe AA, Auskunft v. 8.6.2006 an VG Braunschweig und v. 11.4.2011 an VG Köln), grenzt den Betroffenen massiv aus der staatlich verfassten Friedensordnung aus, zwingt diese Kinder so in die Illegalität und verletzt das grundlegende Menschenrecht auf Teilhabe an dieser gemeinschaftlichen Friedensordnung und auf Anerkennung als Rechtsperson (Art. 6 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte - UN Generalversammlung, Resolution 217/III v. 10.12.1948: Jedermann hat überall Anspruch auf Anerkennung als Rechtsperson; Art. 16 Internationaler Pakt über bürgerliche und private Rechte [IPbpR] v. 19.12.1966 - BGBl. 1973, II S. 1534: Jedermann hat das Recht, überall als rechtsfähig anerkannt zu werden, und Art. 24 Abs. 2 IPbpR: Jedes Kind muss unverzüglich nach seiner Geburt in ein Register eingetragen werden und einen Namen erhalten). Eine solche Ausgrenzung, wie sie durch die Verweigerung von Geburtsregistrierung und Hukou-Registrierung bewirkt wird, kommt somit in ihren verwaltungstechnischen Folgen einer Ausbürgerung nahe, deren Charakter als Verfolgungseingriff von ausreichender menschenrechtsverletzender Intensität anerkannt ist (BVerwG, U. v. 26.2.2009 - 10 C 50.07 - AuAS 2009, 175 = ZAR 2009,319 = BVerwGE 333,203).
47 
Dass es nach Auskunft des Auswärtigen Amtes zeitweise möglich sein kann, auch länger Behördenkontakt zu vermeiden und sich illegal in einer chinesischen Stadt aufzuhalten, und dass auch gefälschte Unterlagen und Personalausweise in China erhältlich sind (siehe AA, Auskunft v. 8.6.2006 an VG Braunschweig), ist dabei unbeachtlich, denn ein Leben in der Illegalität darf flüchtlingsrechtlich niemandem als Alternative zum Verfolgungsschutz angesonnen werden (so BVerwG, U. v. 1.2.2007 - 1 C 24.06 - AuAS 2007, 68 = juris zur Unzumutbarkeit einer inländischen Fluchtalternative, wenn nur ein Leben in der Illegalität unter der dauernder Gefahr polizeilicher Kontrollen und Strafsanktionen möglich ist).
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Diese Verfolgungsmaßnahme in Form einer Rechtlosstellung der Kinder knüpft auch an ein flüchtlingsrechtlich relevantes Merkmal an, nämlich an ihre uneheliche, unerlaubte Geburt, und damit an ihre Zugehörigkeit zu der sozialen „Gruppe der illegal geborenen nichtehelichen chinesischen Kinder“ (§§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3a Abs.3, 3b Abs. 1 Nr. 4a) und b). Diese Gruppe ist sozial klar definiert und erkennbar und von der übrigen Gesellschaft abgrenzbar und wird von der Bevölkerung auch als solche wahrgenommen. Die Anknüpfung der Sanktion an die Zugehörigkeit zu dieser Gruppe macht diese Kinder gewissermaßen für ihr So-Sein haftbar, indem sie diesen wegen ihres für sie unabänderlichen, irreversiblen und unvertretbaren Persönlichkeitsmerkmals ihrer unehelichen Geburt Nachteile bereitet. Damit macht sie die Sanktion nicht für eigenes Verhalten verantwortlich, sondern für das Verhalten Dritter, nämlich ihrer Eltern, für das sie naturgemäß nichts können. Das aber wiederum ist genauso willkürlich und diskriminierend, wie eine an die Hautfarbe oder ethnische Volkszugehörigkeit anknüpfende Sanktion. Der „Geburtsmakel“ der unehelichen Geburt ist angeboren. Nichteheliche Kinder werden in China auch (i.S.d. § 3b Abs. 1 Nr. 4 b AsylVfG) von der Gesellschaft auch als andersartig betrachtet, nämlich sozial stigmatisiert und werden ebenso wie ihrer Mütter nach wie vor durch die insoweit mit tief verwurzelten Vorurteilen behaftete chinesische Gesellschaft mit Mitleid und Verachtung betrachtet (so ausführlich mit Quellenangaben Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 2 - 6 [Ziff. 2 A, B und Ziff. 3 sowie Ziff. 5] - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net).
49 
Dem lässt sich entgegen der in der überwiegenden verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung vertretenen Ansicht nicht entgegenhalten, bei diesen Sanktionen (gleich ob sie die nichtehelichen Mütter mit Zwangsabtreibungen, bzw. die Mütter und Väter mit Zwangssterilisationen oder -adoptionen oder aber die -unerlaubten, überflüssigen - Kinder mit den dargestellten Formen der Rechtlosstellung treffen) handle es sich nicht um eine Verfolgung, die an das Persönlichkeitsmerkmal der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe anknüpfe. Die chinesische Geburtenkontrollpolitik und die oben genannten gesetzlichen Regelungen des Bevölkerungs- und Familienplanungsgesetzes allgemein, finde nämlich gleichermaßen und ohne jede weitere Differenzierung auf alle chinesischen Staatsbürger Anwendung und dieses allgemeine Gesetz verfolge insoweit eben gerade nicht das Ziel der Diskriminierung einer bestimmten Bevölkerungsgruppe (etwa einer Minderheitengruppe wie der Tibeter oder Uiguren). Vielmehr ziele es lediglich darauf ab, ganz allgemein die Geburtenrate aller Chinesen im Blick auf das Bevölkerungswachstum in diesem sehr bevölkerungsreichen Land einzugrenzen, um so soziale und wirtschaftliche Missstände zu vermeiden, die andernfalls mit einer zunehmenden Überbevölkerung einhergingen (siehe dazu die Rechtsprechungsübersicht bei VG Würzburg, B. v. 28.8.2013 - W 6 S 13.30278 -, juris, Rdnr. 14; siehe auch die Rechtsprechungsnachweise der in diesem Sinne urteilenden obergerichtlichen Rechtsprechung des BayVGH, des OVG NRW und des NdsOVG bei VG Augsburg, U. v. 28. 1.2014 - Au 2 K 13.30246 -, juris, Rdnr. 36 und 37).
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Diese Auffassung greift indessen zu kurz, weil sie lediglich das politische, für sich genommen legitime Fernziel einer Kontrolle des Bevölkerungswachstums in den Blick nimmt und sich dadurch den Blick auf die zur Erreichung dieses Ziels in China angewendeten menschenrechtswidrigen Zwangsmethoden der Ausgrenzung verstellt. Die Methoden der Kontrolle des Bevölkerungswachstums beschränken sich nämlich gerade nicht auf menschenrechtlich unbedenkliche Methoden wie Aufklärung, Bereitstellung von Mitteln zur Empfängnisverhütung, Einführung von Rentenversicherungsmodellen um den Anreiz für möglichst viele Kinder zu nehmen, Einführung von Bildung für Frauen, Modelle finanzieller/steuerlicher Anreize bei geringer Kinderzahl etc. Vielmehr verletzen sie das durch alle Menschenrechtspakte geschützte grundlegende Recht aller Menschen, eine Familie zu gründen, nämlich Kinder zu haben, und dabei als freie Menschen in eigener wirtschaftlicher und sozialer Verantwortung die Zahl ihrer Kinder selbst zu bestimmen (siehe Art. 16 Nr. 1 S. 1 und Nr.3 AEMR, Art. 23 Abs. 1 und Abs. 2 des - auch von China gezeichneten - IPbpR, Art. 12 EMRK, Art. 6 GG). Dieses grundsätzlich anerkannten Menschenrecht schützt das dem Menschsein innewohnende Grundbedürfnis nach Reproduktion (ausführlich dazu und auch zu menschenrechtlich unbedenklichen Methoden der Geburtenkontrolle Saona, „The Protection of Reproductive Rights under International Law: The Bush Administration´s Policy Shift and China´s Family Planning Activities“, Pacific Rim Law & Policy Journal,. Volume 13 No.1, January 2004, page 229 [236, 239, 253, 254] - im internet unter google auffindbar; siehe ferner Mückl in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, 2010, Bandd VI/1, Europäische Grundrechte, § 141 „Ehe und Familie“ -, S. 191 [196, 206, 208). Mit Zwangssterilisationen, Zwangsadoptionen, Zwangsabtreibungen usw. wird die „Gruppe derjenigen Chinesen getroffen, die dieses Menschenrecht auf Familiengründung und Reproduktion ausüben“. Ihnen wird die (weitere) Ausübung dieses Grundrechts schon biologisch-physisch unmöglich gemacht bzw. die Rechtsausübung wird durch die Rechtlosstellung der in Ausübung des Grundrechts geborenen Kinder sanktioniert, obwohl dieses Menschenrecht keinem spezifischen Schrankenvorbehalt unterliegt, der solche Eingriffe rechtfertigen könnte (siehe dazu Mückl, a.a.O. Handbuch der Grundrechte, S. 208, wonach etwa eine Zwangssterilisation/Kastration nur in sehr engen Grenzen gerechtfertigt sein könnte, etwa im Rahmen von § 1905 BGB oder zum Schutz der Allgemeinheit vor gefährlichen Sexualverbrechern; siehe ferner General Comment des Ausschusses für Menschenrechte zum IPbpR, Nr. 19 [39] zu Art. 23 IPbpR vom 24.7.1990 - Unterziffer 2 und 4, sowie insbes. 5, wonach eine Politik der Familienplanung mit den Bestimmungen des Paktes verträglich und insbesondere weder diskriminierend „noch zwangsmäßig“ sein darf; beide Quellen im internet unter google auffindbar). Mit anderen Worten, die Ein-Kind-Politik knüpft an das So-Sein, nämlich an das „Eltern-Sein“ an bzw. an ein Verhalten an, auf das zu verzichten dem Einzelnen deswegen nicht zugemutet werden kann, weil es sich um ein menschenrechtlich geschütztes Verhalten handelt, er sich also so verhalten darf. Die Verfolgung steht damit der Verfolgung in Anknüpfung an eine politische oder religiöse Überzeugung oder an eine sexuelle Orientierung und Präferenz gleich, bei der es nicht um ein angeborenes Merkmal geht, sondern darum, dass das Haben-Dürfen und Äußern-Dürfen einer solchen Überzeugung oder Präferenz als menschenrechtlich geschütztes Verhalten rechtlich keinen tauglichen Anknüpfungspunkt für Sanktionen darstellen darf. Gibt es aber insoweit keinen solchen legitimationskräftigen Anknüpfungspunkt, so stellt es eine Diskriminierung dar, gleichwohl daran anzuknüpfen. Vor einer Verletzung des Diskriminierungsverbots schützt aber der Flüchtlingsbegriff mit seiner Aufzählung insoweit nicht legitimationskräftiger persönlicher Merkmale, an die Verfolgung nicht anknüpfen darf (zum Schutz des So-Seins und So-Sein-Dürfens als Kern des Verfolgungsmerkmals der sozialen Gruppenzugehörigkeit und zu dem dabei anzuwendenden internationalen Menschenrechtsstandard als Maßstab: GK-AufenthG, II - § 60 AufenthG, Rdnr. 18). Wie bei allen flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgungen geht es auch bei der Ein-Kind-Politik letzten Endes um die Unterdrückung von menschenrechtlich grundlegend geschützten Lebensäußerungen, nämlich hier eine Familie zu gründen und Nachwuchs zu zeugen.
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Insofern knüpft auch die Ein-Kind-Politik mit ihrem Übergriff auf das Menschsein selbst, zu dem auch das Familie- und Elternsein zählt, an ein „Merkmal“, das „so bedeutsam für die Identität“ als Mensch ist, dass der Betroffene (rechtlich betrachtet) „nicht gezwungen werden sollte, darauf zu verzichten“. Damit stellt sie im Sinne von § 3 b Abs. 1 Nr. 4 a) AsylVfG eine Verfolgung in Anknüpfung an die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe dar.
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Daran ändert es nichts, dass selbstverständlich das Verfolgungsmerkmal eine Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe nicht schon dann vorliegt, wenn die alleinige Gemeinsamkeit der Gruppe darin besteht, dass die Gruppenmitglieder gegen ein Gesetz verstoßen und deshalb sanktioniert werden (dazu GK-AufenthG, II- § 60 AufenthG, Rdnr. 171), dass also beispielweise die Ahndung von Trunkenheitsfahrten im Straßenverkehr natürlich nicht eine Verfolgung wegen Zugehörigkeit zur „Gruppe der das Alkoholverbot im Straßenverkehr missachtenden“ Menschen darstellt. Denn das Fahren unter Alkohol stellt - im Unterschied zur Gründung einer Familie und zum Kinderhabendürfen - eben keine rechtlich Ausübung eines anerkannten grundlegenden Menschenrechts dar, sondern allenfalls eine Ausübung der allgemeinen Handlungsfreiheit, auf die im konkreten Fall zu verzichten schon wegen der Gefahren für die Menschenrechte Dritter dem Betreffenden wegen der entsprechenden Schrankenvorbehalte ohne weiteres rechtlich zugemutet werden kann (so knüpft etwa auch die strafrechtliche Sanktionierung der Pädophilie nicht an das Merkmal der Zugehörigkeit zur Gruppe der Pädophilen an, sondern an deren menschenrechtlich nicht geschütztes, sondern vielmehr Grundrechte Dritter verletzendes rechtswidriges Verhalten - siehe GK-AufenthG, II - § 60 AufenthG, Rdnr. 184; siehe auch § 3 b Abs. 1 nr. 4 b) AsylVfG: „Eine soziale Gruppe kann auch eine sein, die sich auf das gemeinsame Merkmal der sexuellen Orientierung gründet; Handlungen, die nach deutschem Recht als strafbar gelten, fallen nicht darunter“).
53 
Für die Richtigkeit dieser Ansicht spricht, dass mit eben dieser Begründung von den Gerichten anderer Aufnahmestaaten, wie etwa Kanada oder USA, die chinesische Ein-Kind-Politik mit ihren Sanktionen als flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe durchaus anerkannt wird (siehe dazu die Fundstellennachweise in GK-AufenthG, II - § 60 AufenthG, Rdnr. 197; siehe auch die ausführlichen juristischen Erwägungen zum - bejahten - Merkmal der Verfolgung wegen sozialer Gruppenzugehörigkeit im Urteil des Supreme Court of Canada, Judgment v. 10.10.1995 - [1995] - 3 SCR 593 - Chan./. Canada , unter http://scc-csc.lexum.com/scc-csc/scc-csc/en/item/1299/indes.do - dort insbes. Rdnrn. 50, 82, 88).
54 
Diejenigen deutschen Verwaltungsgerichte, welche die chinesische Ein-Kind-Politik auch als flüchtlingsrelevante Verfolgung einstufen, haben dies ohne lange Diskussion getan und als geradezu selbstverständlich angenommen, dass eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe, der „von den Exzessen der Familienplanungspolitik in China spezifisch betroffenen Frauen“ (so VG Bremen, U. v. 5.6.2012 - 6 K 3664/07.A -, juris Rdnr. 21) vorliegt, bzw. eine Zwangssterilisation als zweifelsfrei „geschlechtsspezifische Verfolgung der sozialen Gruppe der Frauen“ eingestuft (so VG Trier, U. v. 23.3.2011 - 5 K 442/10.TR -, juris Rdnr. 18) bzw. ganz generell darin eine „diskriminierende“ justizielle/administrative Maßnahme gesehen (VG Meiningen, U. v. 6.4.2011 - 8 K 20205/09 Me-, juris). Schließlich behandelt auch der Lagebericht des Auswärtigen Amtes die chinesische Ein-Kind-Politik wie selbstverständlich und ohne weitere Begründung unter der Überschrift „geschlechtsspezifische Verfolgung“.
55 
Der Hinweis darauf, die chinesische Ein-Kind-Politik sei zwar befremdlich und mit dem Standard des Grundgesetzes unvereinbar, es sei aber nicht Aufgabe des Asylrechts, die Ordnung des Grundgesetzes in anderen Staaten durchzusetzen, weshalb die chinesische Ein-Kind-Politik keine flüchtlingsrechtlich anzuerkennende Verfolgung darstelle, stellt kein durchgreifendes Gegenargument gegen die oben dargelegte Ansicht dar. Denn Aufgabe des Asylrechts bzw. Flüchtlingsrechts ist es ohnehin nicht, eine bestimmte Rechtsordnung anderen Staaten „aufzuzwingen“ oder sie dort „durchzusetzen“, sondern lediglich einem Menschen, der in einem anderen Staat nach den Maßstäben international anerkannter Menschenrechtsstandards nicht mehr leben kann, weil er dort durch eine grundlegende Menschenrechte schwerwiegend verletzende Verfolgung - wie hier die Ein-Kind-Politik - aus der staatlich verfassten Friedensordnung ausgegrenzt und zur Flucht getrieben wird, eine neue Heimat durch Aufnahme in die staatliche Friedensordnung des Aufnahmestaates zu gewähren (so auch das BVerwG in der vom Bundesamt insoweit nur unvollständig zitierten Entscheidung U. v. 18.2.1986 - 9 c 104/85 -, juris Rdnr. 21 = InfAuslR 86, 189; dazu, dass damit keine „Diskriminierung fremder Rechtsordnungen“ verbunden ist und dass begriffsnotwendig zwischen dem Aufnahmestaat und dem Verfolgerstaat nach dem Konzept des Asylrechts ein Unterschied in den rechtlich respektierten Maßstäben besteht: GK-AufenthG, II - § 60 AufenthG, Rdnr. 185 und GK-AuslG, § 53 AuslG (a.F.), Rdnrn. 97 und 98 m.w.Nw.; siehe auch Art. 14 Nr. 1 AEMR, wonach es das Recht eines Menschenrecht ist, in anderen Ländern vor Verfolgungen Asyl zu suchen und zu genießen, was wiederum bedeutet, dass die Asylgewährung dem Verfolgerstaat gegenüber gerade kein völkerrechtswidriger Akt der Einmischung in seine Personalhoheit darstellt).
56 
Im vorliegenden Fall kommt zu alldem noch erschwerend hinzu, dass die Klägerin zwar auch im Folgeverfahren nicht glaubhaft gemacht hat, bzw. gar nicht erst versucht hat, anders als im Erstverfahren nunmehr doch noch glaubhaft zu machen, sie sei wegen religiöser Vorverfolgung seinerzeit aus China ausgereist, dass sie aber ausweislich der vorgelegten Unterlagen sowohl ihrer katholischen Heimatgemeinde als auch ihrer deutschen Kirchengemeinde ganz offenbar schon in China und erst recht hier im deutschen Exil ein langjähriges treues und gläubiges Mitglied der römisch-katholischen Kirche ist und dass auch ihre Kinder durch die Taufe zu dieser Kirche gehören.
57 
Gerade wegen ihrer Vatikantreue aber werden die Anhänger dieser Kirche in China wenn nicht verfolgt, so doch von staatlichen Stellen mit besonderem Misstrauen behandelt (AA, Lagebericht China, 2013, S. 19; AA Lagebericht China 2011, S. 23; VG Düsseldorf, U. v. 24.4.2008 - 8 K 3998/05.A -, juris; VG Bremen, U. v. 25.10.2005 - 6 K 1542/03.A; BAMF, Informationszentrum Asyl und Migration, August 2011, Lage der Religionsgemeinschaften in ausgewählten nichtislamischen Ländern, S. 9 - 16 zur Religionsverfolgung in China; WissDienst Dt. Bds.Tag, Nr. 07/2014 - Weltverfolgungsindex - 2014 zur Verfolgung und Behandlung von Christen, S 107 ff.,; Schweizer Flüchtlingshilfe SFH, 28.1.2009 - China, Situation der ethnischen und religiösen Minderheiten, S. 14 - 18). Dass ihre Anhänger, weil sie aufgrund des Glaubens Abtreibungen ablehnen und die Geburt mehrerer Kinder als Gottesgeschenk ansehen, am wenigsten geneigt sind, sich den Diktaten der aus ihrer Sicht atheistischen Ein-Kind-Politik zu unterwerfen, macht sie aus Sicht der chinesischen Behörden tendenziell noch eher zum Ziel von Maßnahmen wie Zwangssterilisationen, mit denen zumindest weitere Geburten verhindert werden würden. Die Klägerin selbst hat immerhin nicht nur die beiden Söhne geboren, sondern - wenngleich sie es dann zur Adoption freigegeben hat - zuvor sogar schon ein drittes Kind, das sie nicht abtreiben ließ, obwohl es aus einer Vergewaltigung stammte. Dass dieser katholische Glaubenshintergrund die Durchsetzung der Ein-Kind-Politik ihr gegenüber eher noch verschärfen als mildern wird, hat das Gericht bereits in einer früheren Entscheidung zu einem ähnlich gelagerten Fall festgestellt, in der es unter anderem wörtlich ausgeführt hat: „Der katholische Familienhintergrund wird zudem staatliche Sanktionen eher ungehemmter machen, da er die Klägerin insoweit zumindest als Anhängerin einer staatlicherseits allenfalls geduldeten, misstrauisch beobachteten Minderheitenanschauung ausweist (siehe dazu etwa OVG NdS, Urt. v. 19.9.2000 - 11 L 2068/00, UAS. 29 unter Bezugnahme auf ai, Stellungnahme vom 22.2.1999 an VG Leipzig und vom 15.1.1996 an VG Köln zur Gefahr einer Zwangsabtreibung/-sterilisation für eine Chinesin aus einem katholischen Dort, die durch unerlaubt Ausreise auffällig geworden ist und dadurch zu erkennen gegeben hat, dass sie sich der Geburtenkontrollpolitik entziehen will und die aus dem Ausland mit mehreren eigenen Kindern zurückkehrt; zur Nachteiligkeit eine katholischen Glaubenshintergrundes, die eine künftige Befolgung der Familienplanungspolitik nicht erwarten lässt, insoweit auch VG Bremen, Urt. v. 5.6.2012 - 6 K 3664/07.A -, juris, Rdnr. 25).
58 
Die Kostenentscheidung folgt aus §3 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylVfG.

Tenor

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 10.9.2012 wird aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger, ein am 21.2.2001 in Deutschland als uneheliches Kind geborener chinesischer Staatsangehöriger, wendet sich mit der Klage gegen die Ablehnung seines Asylfolgeantrags.
Seine Mutter, eine chinesische Staatsangehörige, deren Asylantrag rechtskräftig abgelehnt worden war (siehe A 6 K 11608/99 - Klagerücknahme am 16.11.1999 und A 6 K 11609/99 - ablehnender Beschluss vom 8.10.1999), hatte für ihn kurz nach seiner Geburt am 1.3.2001 einen ersten Asylantrag gestellt, der mit bestandskräftigem Bescheid vom 24.10.2002 mit der Begründung abgelehnt worden war, da der Kläger im Bundesgebiet geboren sei und sich niemals in China aufgehalten habe, könne er sich naturgemäß nicht darauf berufen, dort verfolgt worden zu sein. Auch sonst habe er keine eigenen Verfolgungsgründe geltend gemacht und einen Anspruch auf Familienasyl habe er nicht, weil der Asylantrag seiner Mutter abgelehnt worden sei. Mit diesem Bescheid wurde nicht nur seine Anerkennung als Asylberechtigter abgelehnt sondern zugleich auch festgestellt, dass weder die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG noch des § 53 AuslG vorlagen.
Der Vater des Klägers war ein chinesischer Asylbewerber, der die Mutter des Klägers seinerzeit flüchtig kennengelernt hatte. In der Folgezeit lebte er infolge seiner Verteilung in ein anderes Bundesland und der geltenden Residenzpflichtbeschränkungen nicht mit dem Kläger und seiner Mutter zusammen, sondern hatte nur seltenen Besuchskontakt mit ihnen. Etwa vor fünf Jahren ist er schließlich nach rechtskräftiger Ablehnung seines eigenen Asylantrags nach China zurückgekehrt und hat seither keinen Kontakt mehr mit dem Kläger und seiner Mutter, sondern lebt dort offenbar an unbekanntem Ort sein eigenes Leben. Das ergibt sich aus den Angaben des Klägers und seiner Mutter in der mündlichen Verhandlung, die das Gericht als glaubhaft ansieht, weil sie übereinstimmen, plausibel sind und auch sichtlich von persönlichen Emotionen wie Traurigkeit und Enttäuschung getragen waren.
Am 22.8.2012 stellte der Kläger - vertreten durch seine Mutter - einen Asylfolgeantrag, mit dem Ziel, ihm nach Durchführung eines Asylfolgeverfahrens die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise das Vorliegen der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 - 7 AufenthG festzustellen. Zur Begründung berief er sich darauf, seine Mutter habe beim Diakonischen Werk am 16.8.2012 wegen eines Schreibens des Regierungspräsidiums vom 13.8.2012 vorgesprochen. Dabei habe sie von einem Mitarbeiter erfahren, dass das VG Meiningen (8 K 20205/09) gestützt auf eine Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 2.8.2010 und von amnesty international vom 22.7.2010 entschieden habe, dass Eltern ohne Geburtserlaubnis geborener unerlaubter Kinder in China bei Nichtzahlung hoher, mehrere Jahreseinkommen umfassender Bußgelder Inhaftierung und Eigentumsbeschlagnahme drohe und die Registrierung des Kindes mit der Folge verweigert werde, das ihnen deshalb der Zugang zum Schulsystem und zur staatlichen Krankenversorgung verwehrt werde. Die diskriminierende Anwendung solcher gesetzlicher, administrativer und polizeilich/justizieller Maßnahmen stelle eine Verfolgungshandlung im Sinne von Art. 9 Abs. 2 b der QRL (Qualifikationsrichtlinie) dar. Zumindest seien damit die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots erfüllt.
Mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 10.9.2012 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens und auch den Antrag auf Abänderung des Bescheids vom 24.10.2002 hinsichtlich der dort getroffenen negativen Feststellungen zu § 53 Abs. 1 - 6 AuslG ab.
Zur Begründung führte es aus, es fehle schon an einer schlüssigen Darlegung, dass dem Kläger nunmehr asyl- bzw. flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung in China drohe. Zwar drohe bei Verstößen gegen die Ein-Kind-Politik in China, der zufolge nichteheliche Kinder unerlaubt seien, je nach Provinz und lokaler Praxis eine Sanktionierung mit empfindlichen, zum Teil mehrere Jahresgehälter umfassenden Geldbußen, bei deren Nichtzahlung das Kind nicht im Haushaltsregister (Hukou) registriert werde, was es wiederum vom Schulbesuch, Sozialleistungen und der staatlichen Krankenversorgung ausschließe. Die Durchsetzung der staatlichen Familienplanungspolitik sei auch immer wieder mit gravierenden Menschenrechtsverletzungen verbunden. So komme es zu Zwangsabtreibungen in fortgeschrittenen Schwangerschaftsmonaten, Zwangssterilisationen und zwangsweiser Entziehung von Kindern im Rahmen illegaler Adoptionspraktiken. Darin könne aber letztlich keine politische Verfolgung gesehen werden, weil diese Maßnahmen nicht an asylrelevante persönliche Merkmale, wie etwa die religiöse oder politische Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit, anknüpften, sondern das Ziel verfolgten, ein weiteres Bevölkerungswachstum im bevölkerungsreichsten Land der Welt einzudämmen und deshalb auch gleichermaßen allen chinesischen Staatsbürgern gegenüber angewendet würden. Die Rigorosität, mit der diese Ziel verfolgt werde, möge zwar in Deutschland befremdlich erscheinen und sei wohl mit dem Grundgesetz nicht vereinbar, es sei aber nicht Aufgabe des Asylrechts, die Ordnung des Grundgesetzes in anderen Staaten durchzusetzen. Ausreichende Gründe für die Gewährung subsidiären Schutzes seien nicht dargelegt oder sonst ersichtlich, so dass auch eine Abänderung der negativen Feststellungen zu Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG im Wege des Wiederaufgreifens nicht in Betracht komme.
Nachdem dieser Bescheid am 12.9.2012 als Einschreiben zur Post gegeben wurde, (da der Bescheid erst vom 10.9.2012 stammt, kann der Abgangsvermerk auf BAS 33 nicht zutreffen, wonach der Bescheid am 12.08.2012 zur Post gegeben worden sei), hat der Kläger dagegen am 27.9.2012 Klage beim Verwaltungsgericht erhoben.
Er verweist zur Begründung auf das Urteil des VG Meiningen (8 K 20205/09).
Der Kläger beantragt,
10 
den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 10.9.2012 aufzuheben, und die Beklagte zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise: ihm subsidiären Schutz zuzuerkennen, höchst hilfsweise: die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 bzw. 7 AufenthG vorliegt.
11 
Die Beklagte beantragt,
12 
die Klage abzuweisen.
13 
Sie verweist auf die Gründe des angefochtenen Bescheids.
14 
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten (1 Heft Gerichtsakten, 2 Hefte Behördenakten) und die den Beteiligten mitgeteilten Erkenntnismittel verwiesen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden.
15 
Im Termin zur mündlichen Verhandlung sind der Kläger und insbesondere seine Mutter als gesetzliche Vertreterin angehört worden. Auf die hierzu angefertigte Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die zulässige Klage ist bereits mit dem Hauptantrag begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Er hat Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 113 Abs. 1 S. 1 und Abs. 5 S. 1 VwGO).
17 
Das Bundesamt ist (a) aufgrund des Folgeantrags des Klägers gem. § 71 Abs. 1 S. 1 AsylVfG i.V.m. § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG verpflichtet, ein weiteres Asylverfahren durchzuführen und (b) dem Kläger in diesem Zusammenhang die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen (§§ 1 Abs. 1 Nr. 2 , 3 Abs. 1 und Abs. 4 AsylVfG).
18 
(a) Die Sach- und Rechtslage hat sich nämlich gegenüber der dem Erstbescheid zugrundeliegenden Sach- und Rechtslage geändert. Die im Folgeantrag genannten, vom VG Meiningen seiner Entscheidung zugrunde gelegten Auskünfte des Auswärtigen Amtes bzw. von amnesty international vom 22.7. bzw. 2.8.2010 belegen die konkrete Praxis in China bezüglich der Anwendung des mit diesen Sonderregelungen überhaupt erst zum 1.9.2002 in Kraft getretenen „Bevölkerungs- und Familienplanungsgesetzes“ insbesondere auch hinsichtlich der Bußgeld- und Registrierungspraxis, die womöglich eine andere Bewertung des Asylgesuchs erfordern, als noch zur Zeit des Erstantrags, bei dessen Behandlung diese Fragen seinerzeit weder vom Kläger noch etwa von Amts wegen vom Bundesamt thematisiert worden waren.
19 
Die Mutter des Klägers als dessen gesetzliche Vertreterin war auch ohne grobes Verschulden außerstande, den Wiederaufgreifensgrund in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen (§ 51 Abs. 2 VwVfG). Denn zu diesem Zeitpunkt mochte sie, weil sie noch Kontakt zum Kindesvater hatte, noch die Hoffnung gehabt haben, den Kindsvater zu ehelichen und so die Unehelichkeit des Klägers zu beenden. Von daher kann ihr nicht zum Vorwurf gemacht werden, im Asylantrag für den Kläger die chinesische Familienplanungspolitik, die unter anderem uneheliche Kinder betrifft, nicht als Asylgrund geltend gemacht zu haben. Sie hat auch mit dem Folgeantrag, den sie für den Kläger gestellt hat, die Drei-Monatsfrist des § 51 Abs. 3 VwVfG eingehalten. Auch wenn die Entscheidung des VG Meiningen und die dort zitierten Auskünfte schon aus den Jahren 2011 bzw. 2010 stammen, hat sie doch glaubhaft gemacht, dass sie erst bei ihrer Vorsprache beim Diakonischen Werk am 16.8.2012 davon Kenntnis erlangt hat. Gleich am 22.8.2012, also innerhalb der ab diesem Zeitpunkt dann laufenden Dreimonatsfrist, hat sie dann den Folgeantrag für den Kläger gestellt.
20 
(b) Der mithin zu prüfende Folgeantrag ist auch begründet. Dem Kläger ist Flüchtling im Sinne des Art. 1 A Ziff. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK - Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.7.1951 - BGBl. 1953 II S. 559, 560). Denn er befindet sich gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 a AsylVfG aus begründeter Furcht vor einer Verfolgung wegen Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der unter Verstoß gegen die Regelungen der chinesische Ein-Kind-Politik geborenen chinesischen Kinder außerhalb seines Heimatstaates China, dessen Schutz er wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Gemäß § 3 Abs. 4 AsylVfG ist ihm deshalb die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
21 
Nach wie vor gilt in China die sogenannte Ein-Kind-Politik, nämlich das oben erwähnte „Bevölkerungs- und Familienplanungsgesetz“ vom 1.9.2002 (siehe AA Lagebericht China v. 18.6.2013 - II. 1.8. S. 24). Danach darf eine Frau ein einziges Kind bekommen und auch das nur, wenn sie - anders als hier die Mutter des Klägers - verheiratet ist. Ein verheiratetes Paar muss insoweit eine bestimmte Altersgrenze überschritten haben und vor der Geburt eine Geburtsgenehmigung eingeholt haben, weil Männer erst mit 22 Jahren und Frauen erst mit 20 Jahren heiraten dürfen (Art. 6 des chinesischen Heiratsgesetzes - siehe Refugee Documentation Centre (Ireland) - Legal Aid Board - Auskunft v. 14.10.2011 - unter www.ecoi.net und www.asyl.net -dort unter Länderinformationen/China).
22 
Auch wenn in jüngster Zeit Rufe nach einer Abschaffung der Ein-Kind-Politik immer lauter und drängender geworden sein mögen (siehe BayVGH, B. v. 9.9.2013 - 2 ZB 13.30255 - juris, Rdnr. 9 und VG Bayreuth, U. v. 2.7.2013 - B 3 K 13.30042 - UAS. 5 unter Verweis auf DIE ZEIT-online http://www.zeit.de/politik/ausland/2012-10/China-ein-kind-politik-reform, wonach ein „regierungsnahes Forschungsinstitut“ in China die schrittweise Abschaffung dieser Politik bis 2015 „gefordert“ habe; siehe insoweit auch www.zeit.de/wissen/2013-01/china-ein-kind-politik-studie - schon vom 11.1.2013 - zu den negativen psycho-sozialen Auswirkungen der Ein-Kind-Politik und Berichten chinesischer Medien, wonach die Regierung diese „schrittweise abschaffen wolle“), bedeutet dies (noch) nicht, dass diese Regelungen im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der heutigen mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 S. 1 AsylVfG) nicht mehr gelten, weil sie etwa oder förmlich bzw. de-facto abgeschafft sind oder nicht mehr praktiziert würden (so auch Amnesty international - Auskunft v. 15.1.2014 an VG Augsburg, wonach eine Reform der Ein-Kind-Politik vom Dezember 2013 regelt, dass künftig Paare, bei denen ein Partner Einzelkind ist, zwei Kinder haben können, ansonsten aber die Geburtenkontrollpolitik nicht aufgehoben worden sei). Dafür, dass in allernächster Zukunft diese Regelungen außer Kraft gesetzt würden, ist also kein Anhaltspunkt vorhanden. Entsprechende Spekulationen zum Nachteil des Klägers verbietet sich von daher.
23 
Ausnahmen von der Ein-Kind-Regelung - die im vorliegenden Fall allerdings nicht einschlägig sind - betreffen verheiratete Paare auf dem Lande, denen ein Zweitkind zugestanden wird, wenn das erste Kind ein Mädchen ist (siehe AA Lagebericht China v. 18.6.2013 - II. 1.8. S. 24; siehe zu speziellen Ausnahmeregelungen der Familienplanungsvorschriften für verheiratete Paare und obendrein für verheiratete Paare auf dem Land in der Provinz Fujian, aus der die Klägerin stammt, die detailreichen Angeben in: Immigration and Refugee Board of Canada, China - Family Planning Laws, v. 1.10.2012 - dort Ziff. 2.2.2 - unter www.ecoin.net und unter www.asyl.net - Asylmagazin 12/2012 bzw. in www.asyl.net unter Länderinformationen/China).
24 
Die Geburtenkontrollpolitik gilt im Grundsatz auch für Chinesen, die im Ausland leben und dort Kinder bekommen. Wer im Ausland als Kind chinesischer Eltern geboren wird, ist nach Art. 5 des chinesischen Staatsangehörigkeitsgesetzes auch chinesischer Staatsangehöriger, es sei denn die beiden Elternteile haben sich dauerhaft im Ausland niedergelassen oder einer von ihnen hat eine ausländische Staatsangehörigkeit angenommen. Informationen, dass dies bei nicht-ehelichen Kindern und solchen, die unter Verstoß gegen die Geburtenkontrollreglungen geboren wurden, finden sich insoweit nicht. Auch wenn es keine ausdrückliche Regelung gibt, dass Auslandschinesen eine Geburtserlaubnis bei der chinesischen Botschaft im Aufenthaltsstaat einholen müssen, ist doch die dokumentierte Einholung eines Rates der nächstgelegenen Botschaft angezeigt, da ein solcher Nachweis nach Rückkehr für die Haushaltsregistrierung (Hukou) verlangt werden kann. Grundsätzlich können auch Auslandschinesen wegen einer nach den genannten Regeln unerlaubten Geburt eines Kindes im Ausland zu einer Bußgeldzahlung herangezogen werden (so Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 8 - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net).
25 
Sonderregelungen für Auslandsrückkehrer in der Provinz Fujian - aus der die Mutter des Klägers stammt -, die sicherstellen, dass diese ihre im Ausland außerhalb der Geburtenkontrollregelungen geborenen Kinder registrieren können und dass diese auch sonst keine Nachteile erfahren, gibt es nicht (so jüngst Amnesty International, Auskunft v. 15.1.2014 an VG Augsburg; siehe im Übrigen BayVGH , B. v. 9.9.2013 - 2 ZB 13.30255 - juris, Rdnr. 10 und VG Arnsberg, U. v. 7-3.2013, wonach es in der Provinz Fujian eine Sonderregelung gebe, die einem verheirateten Auslandsrückkehrpaar ein zweites Kind erlaube; das VG Bayreuth, U. v. 2.7.2013 - B 3 K 13.30042 -, UA S. 9 verweist hierzu auf eine Auskunft von ai an VG Trier vom 18.4.2011 wonach Auslandsrückkehrern in Fujinan ein zweites Kind erlaubt sei- damit sind aber wohl im Grundsatz auch nur verheiratete Paare gemeint). Aus anderen Auskünften ergibt sich auch nur, dass Auslandsrückkehrer nur dann keine Sanktionen wegen Verstößen gegen die Geburtenkontrollpolitik befürchten müssen, wenn - anders als im vorliegenden Fall der Mutter des Klägers als abgelehnter Asylbewerberin ohne Ausbildung und Berufstätigkeit in Deutschland - an ihrer Rückkehr wegen ihrer Ausbildung und Wirtschaftskraft ein Interesse des chinesischen Staates besteht, bzw. eine Wiedereinreise nach China Frauen nur im schwangeren Zustand erlauben, wenn das andere Kind permanent im Ausland lebt (OVG Saarland, U. v. 20.10.1999 - 9 R 24/98 - UA S. 29 unter Verweis auf Scharping, Auskunft v. 25.3.1999 an VG Leipzig; ferner ai, Auskunft v. 4.6.2002 an VG Köln und Auskunft v. 21.4.2011 an VG Trier, sowie Scharping, Auskunft v. 28.10.1999 an VG Leipzig; siehe auch Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 1, 2 - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net -, wonach Auslandschinesen nur bei dauerhaftem Wohnsitz im Ausland bzw. nur dann nicht, wenn sie im Ausland studiert haben, unter die Ein-Kind-Regelung fallen, also zwei Kinder haben dürfen, wonach aber nicht eindeutig klar sei, dass dies auch für einzelne nicht-eheliche unerlaubte „Schwarzkinder“ gelte; zu einer tatsächlich durchgeführten Zwangssterilisierung einer aus dem Ausland in die Provinz Fujian mit zwei Kindern zurückkehrenden Chinesin im Jahr 2010 - siehe ai- Auskunft v. 15.1.2014 an VG Arnsberg).
26 
Unterfällt nach allem der Kläger als das nichtehelich geborene Kind einer (Auslands-) Chinesin den genannten Regeln, so stellt sich seine Geburt nicht nur als formell unerlaubt, sondern als nicht genehmigungsfähig mit der Folge dar, dass sie als solche auch nicht registriert wird.
27 
Auch wenn das chinesische Gesetz selbst die Gleichstellung von ehelichen und nicht-ehelichen Kindern ausdrücklich gebietet und Diskriminierung insoweit eindeutig verbietet (Art. 19 des Heiratsgesetzes - siehe dazu Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 4 - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net), knüpfen doch die Geburtenkontrollregelungen empfindliche Nachteile an den Umstand der unerlaubten nichtehelichen Geburt:
28 
Eine nichteheliche Mutter muss nämlich ein extrem hohes Bußgeld im Umfang von vier bis sechs Jahresdurchschnittsgehältern zahlen (so zur Regelung in der Provinz Fujian, aus der die Mutter des Klägers stammt Immigration and Refugee Board of Canada, China - Family Planning Laws, v. 1.10.2012 - dort Ziff. 2.2.2 und 2.2. - unter www.ecoin.net und unter www.asyl.net - Asylmagazin 12/2012; ebenso Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 1, 2 - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net).
29 
Dass die Mutter des Klägers ein solches exorbitantes Bußgeld sollte zahlen können, kann nicht einfach unter Hinweis darauf unterstellt werden, sie habe ja auch durch die damalige Finanzierung ihrer Ausreise und Einreise nach Deutschland eine entsprechende Finanzkraft demonstriert (in diesem Sinne zu einem solchen Fall aber . VG Bayreuth, U. v. 2.7.2013 - B 3 K 13.30042 -, UA S. 9; ebenso VG Augsburg, U. v. 28.1.2014 - Au 2 K 13.30246 -juris, Rdnr. 39). Denn sie ist hier schon 1999 nach Deutschland als junge Frau gekommen, lebt hier seitdem als Asylbewerberin bzw. abgelehnte Asylbewerbern, hat sich nach ihren plausiblen und glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung dem Heimatland China völlig entfremdet hat und dort allenfalls noch telefonisch Kontakt zu ihren über 70 Jahre alten Eltern hat und zudem keinen Kontakt mehr zum (im Grundsatz wohl auch nach chinesischem Familienrecht unterhaltsverpflichteten) Vater des Klägers. Sie hat wegen ihrer fehlenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Prozesskostenhilfe im vorliegenden Verfahren bewilligt bekommen. Von daher kann nicht davon ausgegangen werden, sie habe über die Jahre hinweg im Umfang von mehreren tausend bis zigtausend Euro Ersparnisse anhäufen können, aus denen sie nach einer Rückkehr in China die entsprechenden Bußgelder werde zahlen und so die mit der Ein-Kind-Regelung verbundenen Sanktionen werde abwenden können.
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Wird das Bußgeld aber nicht gezahlt, so ist eine „Legalisierung“ des unerlaubt geborenen Kindes nicht möglich mit der Folge, dass ohne die Geburtsregistrierung dann auch keine Haushaltsregistrierung (sog. „hukou“) erfolgt, ohne die dann wiederum ein solches „unerlaubtes Schwarzkind“ vom Recht auf Schulbesuch, auf Teilhabe an sozialen Leistungen und von der staatlichen Gesundheitsversorgung komplett ausgeschlossen wird (AA Lagebericht, China v. 18.6.2013 - II. 1.8. S. 25; Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 4 - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net; Immigration and Refugee Board of Canada, China - Family Planning Laws, v. 1.10.2012 - dort Ziff. 3.4 - unter www.ecoin.net und unter www.asyl.net - Asylmagazin 12/2012).
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Dass diese strengen Regelungen der Geburtenkontrolle im Zuge einer generellen Lockerung in der Praxis etwa nicht mehr so streng gehandhabt würden, lässt sich nicht feststellen. Nach alle oben zitierten sehr detaillierten Auskunftsquellen (siehe ergänzend auch ACCORD, Auskunft v. 29.1.2009 zum Thema China/Frauen/Ein-Kind-Politik; Rückkehr mit zwei Söhnen - unter www.ecoi.net) gilt - insbesondere auch für die Provinz Fujian, die Heimatprovinz der Mutter des Klägers, dass dort die Geburtenkontrollpolitik gegenüber alleinerziehenden, unverheirateten Müttern unehelicher Kinder trotz womöglich phasenweiser Lockerungen nach wie vor rigoros bis hin zum Einsatz von Mitteln wie Zwangssterilisierungen der Mütter, Zwangsabtreibungen oder massivem Druck zur „freiwilligen“ Abtreibung durchgesetzt wird. Auch wenn hier und da einzelne Beamte für solche nach chinesischem Recht inzwischen illegalen Maßnahmen zur Rechenschaft gezogen werden, kommt es doch nach allen vorliegenden Berichten „recht häufig [fairly frequently]“ bzw. „immer wieder“ zu solchen Eingriffen und Sanktionen (gerade jüngste Pressemeldungen zeigen deutlich, dass solche Eingriffe und Übergriffe in China durchaus „an der Tagesordnung“ sind - vgl. etwa spiegel-online, www.spiegel.de/politik/ausland vom 15.6.2012 und NZZ-online vom 15.7.2012 [www.nzz.ch/aktuell/ international/abtreibung-unter-zwang-1,17357004, wonach jüngst in der Provinz Shanxi Funktionäre eine Zwangsabtreibung bei einer im 7. Monat schwangeren 23 Jahr alten Chinesin vornahmen. Diesen Meldungen ist auch zu entnehmen, dass in jüngster Zeit nicht nur mehrere Bericht über Zwangsabtreibungen in China die dortige Öffentlichkeit erschütterten, sondern dass insbesondere auch Ende April 2012 in der Provinz Fujian Beamte ein ungeborenes Kind mit der Giftspritze töten ließen. Zwar wurde im Fall aus Shanxi eine Entschädigung zugesprochen und der Beamte suspendiert, eine strafrechtliche Aufarbeitung fehlte aber und das alles geschah auch nur auf Druck der Medien, nachdem der Kindesvater, der protestierte hatte, von den Behörden tagelang festgenommen worden war, und das von ihm im Internet veröffentlichte Foto seiner Frau mit dem toten Fötus Fall hohe Wellen schlug, die auch die chinesische Staatspropaganda nicht mehr ignorieren konnte. Auch der bekannte blinde chinesische Menschenrechtsanwalt Chen Guangcheng, der Frauen vertrat, die Opfer von Zwangsabtreibungen geworden war, und ihre Fälle zu Gericht brachte, wurde wegen dieses Engagements zu vier Jahren Haft verurteilt, nach der Haftzeit unter Hausarrest gestellt und wiederholt zusammengeschlagen, bis ihm jüngst im April 2012 spektakulär die Flucht in die amerikanische Botschaft gelang, von wo aus er schließlich in die USA ausreisen durfte [http://de.wikipedia.org/wiki/Chen-Guangchen]).
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Wenn aber schon solche Übergriffe auf die Mütter selbst demnach beachtlich wahrscheinlich sind, dann kann davon ausgegangen werden, dass erst recht die „bloßen“ Sanktionen einer Registrierungsverweigerung und die damit verbundenen massiven rechtlichen und sozialen Nachteile für die Kinder beachtlich wahrscheinlich sind. Davon geht nicht nur das Bundesamt im angegriffenen Bescheid selbst aus, sondern das ergibt sich auch aus dem jüngsten Lagebericht des Auswärtigen Amtes aus dem Jahr 2013.
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Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass der im Bundesgebiet aufgewachsene Kläger, der zeit seines Lebens nichts anderes als seine deutsche Umgebung gesehen hat, badischen Dialekt spricht, schulisch und sozial völlig in seinem deutschen Umfeld integriert ist und als dreizehnjähriger Schüler bislang eine gute Ausbildung genossen hat und nicht einmal wirklich gut Chinesisch sprechen kann, geschweige denn die komplexe chinesische Schrift beherrscht, sondern - mangels eines qualifizierten, grundlegenden Unterrichts, den auch seine Mutter nicht leisten kann - nicht Chinesisch schreiben und lesen kann. Er würde daher bei Rückkehr nach China seine schulische Bildung abbrechen müssen und sich ohne jede soziale Absicherung, ohne abgeschlossene Ausbildung, ohne Chinesischkenntnisse, ohne soziale Kontakte und vor allem mangels Geburtsregistrierung und Hukou-Registrierung als - rechtlich betrachtet - „Unperson“ bzw. „Nichtperson“ dort mit seiner Mutter durchschlagen müssen, ohne dabei auf Hilfe zurückgreifen zu können, da er selbst und auch seine Mutter nach so vielen Jahren im Ausland dort verständlicherweise außer den über 70-jährigen Eltern/Großeltern keine Bezugsperson mehr haben. Insoweit würde er nur eine Existenz unter den erbärmlichen Bedingungen fristen können, unter denen heutzutage in vielen Städten Chinas viele vom Land illegal dort hingekommene Wanderarbeiter leben müssen, die sich wie Sklavenarbeiter mit schlecht bezahlten Arbeiten auf den großen Baustellen in den aufstrebenden Städten ohne jede persönliche Rechte als Tagelöhner durchschlagen müssen.
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In ihrer Kumulation stellten aber die auf diese Weise vom chinesischen Staat für den Kläger als uneheliches Kind bewusst und gezielt verursachten Nachteile einen Verfolgungseingriff mit dem Gewicht einer schweren Menschenrechtsverletzung dar, wie sie vom Flüchtlingsbegriff vorausgesetzt wird (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2, sowie Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 6 AsylVfG in Verbindung mit Art. 9 Abs. 1a und Abs. 2 QRL [Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU]). Über bloße für sich genommen unerhebliche Diskriminierungen gehen solche Folgen weit hinaus, da sie das Leben des Betroffenen grundlegend entwerten. Insofern schließt sich das Gericht der Auffassung des VG Meiningen und des VG Trier an (VG Meiningen, U. v. 6.4.2011 - 8 K 20205/09.Me, juris; VG Trier, U. v. 23.3.2011 - 5 K 442/10.TR- , juris = InfAuslR 2011, 219 = Asylmagazin 7-8/2011, S. 243 und U. v. 11.7.2012 - 5 K 433/12.TR -, juris).
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Die grundlegende Verweigerung einer Geburtsregistrierung und zusätzlich einer Hukou-Registrierung, die im totalitär durchstrukturierten, bürokratisch durchorganisierten chinesischen Staat Grundlage für alle weiteren verwaltungsrechtlichen Rechtsanerkennungen (Umzug, Arbeit, Meldepflicht, Krankenhausleistung, Schulbesuch, Personalausweis) ist (siehe AA, Auskunft v. 8.6.2006 an VG Braunschweig und v. 11.4.2011 an VG Köln), grenzt den Betroffenen massiv aus der staatlich verfassten Friedensordnung aus, zwingt ihn so in die Illegalität und verletzt das grundlegende Menschenrecht auf Teilhabe an dieser gemeinschaftlichen Friedensordnung und auf Anerkennung als Rechtsperson (Art. 6 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte - UN Generalversammlung, Resolution 217/III v. 10.12.1948: Jedermann hat überall Anspruch auf Anerkennung als Rechtsperson; Art. 16 Internationaler Pakt über bürgerliche und private Rechte [IPbpR] v. 19.12.1966 - BGBl. 1973, II S. 1534: Jedermann hat das Recht, überall als rechtsfähig anerkannt zu werden, und Art. 24 Abs. 2 IPbpR: Jedes Kind muss unverzüglich nach seiner Geburt in ein Register eingetragen werden und einen Namen erhalten). Eine solche Ausgrenzung, wie sie durch die Verweigerung von Geburtsregistrierung und Hukou-Registrierung bewirkt wird, kommt somit in ihren verwaltungstechnischen Folgen einer Ausbürgerung nahe, deren Charakter als Verfolgungseingriff von ausreichender menschenrechtsverletzender Intensität anerkannt ist (BVerwG, U. v. 26.2.2009 - 10 C 50.07 - AuAS 2009, 175 = ZAR 2009,319 = BVerwGE 333,203).
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Dass es nach Auskunft des Auswärtigen Amtes zeitweise möglich sein kann, auch länger Behördenkontakt zu vermeiden und sich illegal in einer chinesischen Stadt aufzuhalten, und dass auch gefälschte Unterlagen und Personalausweise in China erhältlich sind (siehe AA, Auskunft v. 8.6.2006 an VG Braunschweig), ist dabei unbeachtlich, denn ein Leben in der Illegalität darf flüchtlingsrechtlich niemandem als Alternative zum Verfolgungsschutz angesonnen werden (so BVerwG, U. v. 1.2.2007 - 1 C 24.06 - AuAS 2007, 68 = juris zur Unzumutbarkeit einer inländischen Fluchtalternative, wenn nur ein Leben in der Illegalität unter der dauernder Gefahr polizeilicher Kontrollen und Strafsanktionen möglich ist).
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Diese Verfolgungsmaßnahme in Form einer Rechtlosstellung knüpft auch an ein flüchtlingsrechtlich relevantes Merkmal des Klägers an, nämlich an seine uneheliche, unerlaubte Geburt, und damit an seine Zugehörigkeit zu der sozialen „Gruppe der illegal geborenen nichtehelichen chinesischen Kinder“ (§§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3a Abs.3, 3b Abs. 1 Nr. 4a) und b). Diese Gruppe ist sozial klar definiert und erkennbar und von der übrigen Gesellschaft abgrenzbar und wird von der Bevölkerung auch als solche wahrgenommen. Die Anknüpfung der Sanktion an die Zugehörigkeit zu dieser Gruppe macht den Kläger gewissermaßen für sein So-Sein haftbar, indem sie ihm wegen seines für ihn unabänderlichen, irreversiblen und unvertretbaren Persönlichkeitsmerkmals seiner unehelichen Geburt Nachteile bereitet. Damit macht ihn die Sanktion nicht für eigenes Verhalten verantwortlich, sondern für das Verhalten Dritter, nämlich seiner Eltern, für das er naturgemäß nichts kann. Das aber wiederum ist genauso willkürlich und diskriminierend, wie eine an die Hautfarbe oder ethnische Volkszugehörigkeit anknüpfende Sanktion. Der „Geburtsmakel“ der unehelichen Geburt ist dem Kläger angeboren. Nichteheliche Kinder werden in China auch (i.S.d. § 3b Abs. 1 Nr. 4 b AsylVfG) von der Gesellschaft auch als andersartig betrachtet, nämlich sozial stigmatisiert und werden nach wie vor durch die insoweit mit tief verwurzelten Vorurteilen behaftete chinesische Gesellschaft mit Mitleid und Verachtung betrachtet (so ausführlich mit Quellenangaben Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 2 - 6 [Ziff. 2 A, B und Ziff. 3 sowie Ziff. 5] - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net).
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Dem lässt sich entgegen der im angefochtenen Bescheid aber auch in der überwiegenden verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung vertretenen Ansicht nicht entgegenhalten, bei diesen Sanktionen (gleich ob sie die nichtehelichen Mütter mit Zwangsabtreibungen, bzw. die Mütter und Väter mit Zwangssterilisationen oder -adoptionen oder aber die -unerlaubten, überflüssigen - Kinder mit den dargestellten Formen der Rechtlosstellung treffen) handle es sich nicht um eine Verfolgung, die an das Persönlichkeitsmerkmal der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe anknüpfe. Die chinesische Geburtenkontrollpolitik und die oben genannten gesetzlichen Regelungen des Bevölkerungs- und Familienplanungsgesetzes allgemein, finde nämlich gleichermaßen und ohne jede weitere Differenzierung auf alle chinesischen Staatsbürger Anwendung und dieses allgemeine Gesetz verfolge insoweit eben gerade nicht das Ziel der Diskriminierung einer bestimmten Bevölkerungsgruppe (etwa einer Minderheitengruppe wie der Tibeter oder Uiguren). Vielmehr ziele es lediglich darauf ab, ganz allgemein die Geburtenrate aller Chinesen im Blick auf das Bevölkerungswachstum in diesem sehr bevölkerungsreichen Land einzugrenzen, um so soziale und wirtschaftliche Missstände zu vermeiden, die andernfalls mit einer zunehmenden Überbevölkerung einhergingen (siehe dazu die Rechtsprechungsübersicht bei VG Würzburg, B. v. 28.8.2013 - W 6 S 13.30278 -, juris, Rdnr. 14; siehe auch die Rechtsprechungsnachweise der in diesem Sinne urteilenden obergerichtlichen Rechtsprechung des BayVGH, des OVG NRW und des NdsOVG bei VG Augsburg, U. v. 28. 1.2014 - Au 2 K 13.30246 -, juris, Rdnr. 36 und 37).
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Diese Auffassung greift indessen zu kurz, weil sie lediglich das politische, für sich genommen legitime Fernziel einer Kontrolle des Bevölkerungswachstums in den Blick nimmt und sich dadurch den Blick auf die zur Erreichung dieses Ziels in China angewendeten menschenrechtswidrigen Zwangsmethoden der Ausgrenzung verstellt. Die Methoden der Kontrolle des Bevölkerungswachstums beschränken sich nämlich gerade nicht auf menschenrechtlich unbedenkliche Methoden wie Aufklärung, Bereitstellung von Mitteln zur Empfängnisverhütung, Einführung von Rentenversicherungsmodellen um den Anreiz für möglichst viele Kinder zu nehmen, Einführung von Bildung für Frauen, Modelle finanzieller/steuerlicher Anreize bei geringer Kinderzahl etc. Vielmehr verletzen sie das durch alle Menschenrechtspakte geschützte grundlegende Recht aller Menschen, eine Familie zu gründen, nämlich Kinder zu haben, und dabei als freie Menschen in eigener wirtschaftlicher und sozialer Verantwortung die Zahl ihrer Kinder selbst zu bestimmen (siehe Art. 16 Nr. 1 S. 1 und Nr.3 AEMR, Art. 23 Abs. 1 und Abs. 2 des - auch von China gezeichneten - IPbpR, Art. 12 EMRK, Art. 6 GG). Dieses grundsätzlich anerkannten Menschenrecht schützt das dem Menschsein innewohnende Grundbedürfnis nach Reproduktion (ausführlich dazu Saona, „The Protection of Reproductive Rights under International Law: The Bush Administration´s Policy Shift and China´s Family Planning Activities“, Pacific Rim Law & Policy Journal,. Volume 13 No.1, January 2004, page 229 [236, 239, 253, 254] - im internet unter google auffindbar; siehe ferner Mückl in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, 2010, Bandd VI/1, Europäische Grundrechte, § 141 „Ehe und Familie“ -, S. 191 [196, 206, 208). Mit Zwangssterilisationen, Zwangsadoptionen, Zwangsabtreibungen usw. wird die „Gruppe derjenigen Chinesen getroffen, die dieses Menschenrecht auf Familiengründung und Reproduktion ausüben“. Ihnen wird die (weitere) Ausübung dieses Grundrechts schon biologisch-physisch unmöglich gemacht bzw. die Rechtsausübung wird durch die Rechtlosstellung der in Ausübung des Grundrechts geborenen Kinder sanktioniert, obwohl dieses Menschenrecht keinem spezifischen Schrankenvorbehalt unterliegt, der solche Eingriffe rechtfertigen könnte (siehe dazu Mückl, a.a.O. Handbuch der Grundrechte, S. 208, wonach etwa eine Zwangssterilisation/Kastration nur in sehr engen Grenzen gerechtfertigt sein könnte, etwa im Rahmen von § 1905 BGB oder zum Schutz der Allgemeinheit vor gefährlichen Sexualverbrechern; siehe ferner General Comment des Ausschusses für Menschenrechte zum IPbpR, Nr. 19 [39] zu Art. 23 IPbpR vom 24.7.1990 - Unterziffer 2 und 4, sowie insbes. 5, wonach eine Politik der Familienplanung mit den Bestimmungen des Paktes verträglich und insbesondere weder diskriminierend „noch zwangsmäßig“ sein darf; beide Quellen im internet unter google auffindbar). Mit anderen Worten, die Ein-Kind-Politik knüpft an das So-Sein, nämlich an das „Eltern-Sein“ an bzw. an ein Verhalten an, auf das zu verzichten dem Einzelnen deswegen nicht zugemutet werden kann, weil es sich um ein menschenrechtlich geschütztes Verhalten handelt, er sich also so verhalten darf. Die Verfolgung steht damit der Verfolgung in Anknüpfung an eine politische oder religiöse Überzeugung oder an eine sexuelle Orientierung und Präferenz gleich, bei der es nicht um ein angeborenes Merkmal geht, sondern darum, dass das Haben-Dürfen und Äußern-Dürfen einer solchen Überzeugung oder Präferenz als menschenrechtlich geschütztes Verhalten rechtlich keinen tauglichen Anknüpfungspunkt für Sanktionen darstellen darf. Gibt es aber insoweit keinen solchen legitimationskräftigen Anknüpfungspunkt, so stellt es eine Diskriminierung dar, gleichwohl daran anzuknüpfen. Vor einer Verletzung des Diskriminierungsverbots schützt aber der Flüchtlingsbegriff mit seiner Aufzählung insoweit nicht legitimationskräftiger persönlicher Merkmale, an die Verfolgung nicht anknüpfen darf (zum Schutz des So-Seins und So-Sein-Dürfens als Kern des Verfolgungsmerkmals der sozialen Gruppenzugehörigkeit und zu dem dabei anzuwendenden internationalen Menschenrechtsstandard als Maßstab: GK-AufenthG, II - § 60 AufenthG, Rdnr. 18). Wie bei allen flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgungen geht es auch bei der Ein-Kind-Politik letzten Endes um die Unterdrückung von menschenrechtlich grundlegend geschützten Lebensäußerungen, nämlich hier eine Familie zu gründen und Nachwuchs zu zeugen.
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Insofern knüpft auch die Ein-Kind-Politik mit ihrem Übergriff auf das Menschsein selbst, zu dem auch das Familie- und Elternsein zählt, an ein „Merkmal“, das „so bedeutsam für die Identität“ als Mensch ist, dass der Betroffene (rechtlich betrachtet) „nicht gezwungen werden sollte, darauf zu verzichten“. Damit stellt sie im Sinne von § 3 b Abs. 1 Nr. 4 a) AsylVfG eine Verfolgung in Anknüpfung an die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe dar.
41 
Daran ändert es nichts, dass selbstverständlich das Verfolgungsmerkmal eine Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe nicht schon dann vorliegt, wenn die alleinige Gemeinsamkeit der Gruppe darin besteht, dass die Gruppenmitglieder gegen ein Gesetz verstoßen und deshalb sanktioniert werden (dazu GK-AufenthG, II- § 60 AufenthG, Rdnr. 171), dass also beispielweise die Ahndung von Trunkenheitsfahrten im Straßenverkehr natürlich nicht eine Verfolgung wegen Zugehörigkeit zur „Gruppe der das Alkoholverbot im Straßenverkehr missachtenden“ Menschen darstellt. Denn das Fahren unter Alkohol stellt - im Unterschied zur Gründung einer Familie und zum Kinderhabendürfen - eben keine rechtlich Ausübung eines anerkannten grundlegenden Menschenrechts dar, sondern allenfalls eine Ausübung der allgemeinen Handlungsfreiheit, auf die im konkreten Fall zu verzichten schon wegen der Gefahren für die Menschenrechte Dritter dem Betreffenden wegen der entsprechenden Schrankenvorbehalte ohne weiteres rechtlich zugemutet werden kann (so knüpft etwa auch die strafrechtliche Sanktionierung der Pädophilie nicht an das Merkmal der Zugehörigkeit zur Gruppe der Pädophilen an, sondern an deren menschenrechtlich nicht geschütztes, sondern vielmehr Grundrechte Dritter verletzendes rechtswidriges Verhalten - siehe GK-AufenthG, II - § 60 AufenthG, Rdnr. 184; siehe auch § 3 b Abs. 1 nr. 4 b) AsylVfG: „Eine soziale Gruppe kann auch eine sein, die sich auf das gemeinsame Merkmal der sexuellen Orientierung gründet; Handlungen, die nach deutschem Recht als strafbar gelten, fallen nicht darunter“).
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Für die Richtigkeit dieser Ansicht spricht, dass mit eben dieser Begründung von den Gerichten anderer Aufnahmestaaten, wie etwa Kanada oder USA, die chinesische Ein-Kind-Politik mit ihren Sanktionen als flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe durchaus anerkannt wird (siehe dazu die Fundstellennachweise in GK-AufenthG, II - § 60 AufenthG, Rdnr. 197; siehe auch die ausführlichen juristischen Erwägungen zum - bejahten - Merkmal der Verfolgung wegen sozialer Gruppenzugehörigkeit im Urteil des Supreme Court of Canada, Judgment v. 10.10.1995 - [1995] - 3 SCR 593 - Chan./. Canada , unter http://scc-csc.lexum.com/scc-csc/scc-csc/en/item/1299/indes.do - dort insbes. Rdnrn. 50, 82, 88).
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Diejenigen deutschen Verwaltungsgerichte, welche die chinesische Ein-Kind-Politik auch als flüchtlingsrelevante Verfolgung einstufen, haben dies ohne lange Diskussion getan und als geradezu selbstverständlich angenommen, dass eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe, der „von den Exzessen der Familienplanungspolitik in China spezifisch betroffenen Frauen“ (so VG Bremen, U. v. 5.6.2012 - 6 K 3664/07.A -, juris Rdnr. 21) vorliegt, bzw. eine Zwangssterilisation als zweifelsfrei „geschlechtsspezifische Verfolgung der sozialen Gruppe der Frauen“ eingestuft (so VG Trier, U. v. 23.3.2011 - 5 K 442/10.TR -, juris Rdnr. 18) bzw. ganz generell darin eine „diskriminierende“ justizielle/administrative Maßnahme gesehen (VG Meiningen, U. v. 6.4.2011 - 8 K 20205/09 Me-, juris). Schließlich behandelt auch der Lagebericht des Auswärtigen Amtes die chinesische Ein-Kind-Politik wie selbstverständlich und ohne weitere Begründung unter der Überschrift „geschlechtsspezifische Verfolgung“.
44 
Soweit das Bundesamt im angefochtenen Bescheid schließlich die Ansicht vertritt, die chinesische Ein-Kind-Politik sei zwar befremdlich und mit dem Standard des Grundgesetzes unvereinbar, es sei aber nicht Aufgabe des Asylrechts, die Ordnung des Grundgesetzes in anderen Staaten durchzusetzen, weshalb die chinesische Ein-Kind-Politik keine flüchtlingsrechtlich anzuerkennende Verfolgung darstelle, stellt dies kein durchgreifendes Gegenargument gegen die oben dargelegte Ansicht dar. Denn Aufgabe des Asylrechts bzw. Flüchtlingsrechts ist es ohnehin nicht, eine bestimmte Rechtsordnung anderen Staaten „aufzuzwingen“ oder sie dort „durchzusetzen“, sondern lediglich einem Menschen, der in einem anderen Staat nach den Maßstäben international anerkannter Menschenrechtsstandards nicht mehr leben kann, weil er dort durch eine grundlegende Menschenrechte schwerwiegend verletzende Verfolgung - wie hier die Ein-Kind-Politik - aus der staatlich verfassten Friedensordnung ausgegrenzt und zur Flucht getrieben wird, eine neue Heimat durch Aufnahme in die staatliche Friedensordnung des Aufnahmestaates zu gewähren (so auch das BVerwG in der vom Bundesamt insoweit nur unvollständig zitierten Entscheidung U. v. 18.2.1986 - 9 c 104/85 -, juris Rdnr. 21 = InfAuslR 86, 189; dazu, dass damit keine „Diskriminierung fremder Rechtsordnungen“ verbunden ist und dass begriffsnotwendig zwischen dem Aufnahmestaat und dem Verfolgerstaat nach dem Konzept des Asylrechts ein Unterschied in den rechtlich respektierten Maßstäben besteht: GK-AufenthG, II - § 60 AufenthG, Rdnr. 185 und GK-AuslG, § 53 AuslG (a.F.), Rdnrn. 97 und 98 m.w.Nw.; siehe auch Art. 14 Nr. 1 AEMR, wonach es das Recht eines Menschenrecht ist, in anderen Ländern vor Verfolgungen Asyl zu suchen und zu genießen, was wiederum bedeutet, dass die Asylgewährung dem Verfolgerstaat gegenüber gerade kein völkerrechtswidriger Akt der Einmischung in seine Personalhoheit darstellt).
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Die Kostenentscheidung folgt aus §3 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylVfG.

Gründe

 
16 
Die zulässige Klage ist bereits mit dem Hauptantrag begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Er hat Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 113 Abs. 1 S. 1 und Abs. 5 S. 1 VwGO).
17 
Das Bundesamt ist (a) aufgrund des Folgeantrags des Klägers gem. § 71 Abs. 1 S. 1 AsylVfG i.V.m. § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG verpflichtet, ein weiteres Asylverfahren durchzuführen und (b) dem Kläger in diesem Zusammenhang die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen (§§ 1 Abs. 1 Nr. 2 , 3 Abs. 1 und Abs. 4 AsylVfG).
18 
(a) Die Sach- und Rechtslage hat sich nämlich gegenüber der dem Erstbescheid zugrundeliegenden Sach- und Rechtslage geändert. Die im Folgeantrag genannten, vom VG Meiningen seiner Entscheidung zugrunde gelegten Auskünfte des Auswärtigen Amtes bzw. von amnesty international vom 22.7. bzw. 2.8.2010 belegen die konkrete Praxis in China bezüglich der Anwendung des mit diesen Sonderregelungen überhaupt erst zum 1.9.2002 in Kraft getretenen „Bevölkerungs- und Familienplanungsgesetzes“ insbesondere auch hinsichtlich der Bußgeld- und Registrierungspraxis, die womöglich eine andere Bewertung des Asylgesuchs erfordern, als noch zur Zeit des Erstantrags, bei dessen Behandlung diese Fragen seinerzeit weder vom Kläger noch etwa von Amts wegen vom Bundesamt thematisiert worden waren.
19 
Die Mutter des Klägers als dessen gesetzliche Vertreterin war auch ohne grobes Verschulden außerstande, den Wiederaufgreifensgrund in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen (§ 51 Abs. 2 VwVfG). Denn zu diesem Zeitpunkt mochte sie, weil sie noch Kontakt zum Kindesvater hatte, noch die Hoffnung gehabt haben, den Kindsvater zu ehelichen und so die Unehelichkeit des Klägers zu beenden. Von daher kann ihr nicht zum Vorwurf gemacht werden, im Asylantrag für den Kläger die chinesische Familienplanungspolitik, die unter anderem uneheliche Kinder betrifft, nicht als Asylgrund geltend gemacht zu haben. Sie hat auch mit dem Folgeantrag, den sie für den Kläger gestellt hat, die Drei-Monatsfrist des § 51 Abs. 3 VwVfG eingehalten. Auch wenn die Entscheidung des VG Meiningen und die dort zitierten Auskünfte schon aus den Jahren 2011 bzw. 2010 stammen, hat sie doch glaubhaft gemacht, dass sie erst bei ihrer Vorsprache beim Diakonischen Werk am 16.8.2012 davon Kenntnis erlangt hat. Gleich am 22.8.2012, also innerhalb der ab diesem Zeitpunkt dann laufenden Dreimonatsfrist, hat sie dann den Folgeantrag für den Kläger gestellt.
20 
(b) Der mithin zu prüfende Folgeantrag ist auch begründet. Dem Kläger ist Flüchtling im Sinne des Art. 1 A Ziff. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK - Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.7.1951 - BGBl. 1953 II S. 559, 560). Denn er befindet sich gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 a AsylVfG aus begründeter Furcht vor einer Verfolgung wegen Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der unter Verstoß gegen die Regelungen der chinesische Ein-Kind-Politik geborenen chinesischen Kinder außerhalb seines Heimatstaates China, dessen Schutz er wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Gemäß § 3 Abs. 4 AsylVfG ist ihm deshalb die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
21 
Nach wie vor gilt in China die sogenannte Ein-Kind-Politik, nämlich das oben erwähnte „Bevölkerungs- und Familienplanungsgesetz“ vom 1.9.2002 (siehe AA Lagebericht China v. 18.6.2013 - II. 1.8. S. 24). Danach darf eine Frau ein einziges Kind bekommen und auch das nur, wenn sie - anders als hier die Mutter des Klägers - verheiratet ist. Ein verheiratetes Paar muss insoweit eine bestimmte Altersgrenze überschritten haben und vor der Geburt eine Geburtsgenehmigung eingeholt haben, weil Männer erst mit 22 Jahren und Frauen erst mit 20 Jahren heiraten dürfen (Art. 6 des chinesischen Heiratsgesetzes - siehe Refugee Documentation Centre (Ireland) - Legal Aid Board - Auskunft v. 14.10.2011 - unter www.ecoi.net und www.asyl.net -dort unter Länderinformationen/China).
22 
Auch wenn in jüngster Zeit Rufe nach einer Abschaffung der Ein-Kind-Politik immer lauter und drängender geworden sein mögen (siehe BayVGH, B. v. 9.9.2013 - 2 ZB 13.30255 - juris, Rdnr. 9 und VG Bayreuth, U. v. 2.7.2013 - B 3 K 13.30042 - UAS. 5 unter Verweis auf DIE ZEIT-online http://www.zeit.de/politik/ausland/2012-10/China-ein-kind-politik-reform, wonach ein „regierungsnahes Forschungsinstitut“ in China die schrittweise Abschaffung dieser Politik bis 2015 „gefordert“ habe; siehe insoweit auch www.zeit.de/wissen/2013-01/china-ein-kind-politik-studie - schon vom 11.1.2013 - zu den negativen psycho-sozialen Auswirkungen der Ein-Kind-Politik und Berichten chinesischer Medien, wonach die Regierung diese „schrittweise abschaffen wolle“), bedeutet dies (noch) nicht, dass diese Regelungen im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der heutigen mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 S. 1 AsylVfG) nicht mehr gelten, weil sie etwa oder förmlich bzw. de-facto abgeschafft sind oder nicht mehr praktiziert würden (so auch Amnesty international - Auskunft v. 15.1.2014 an VG Augsburg, wonach eine Reform der Ein-Kind-Politik vom Dezember 2013 regelt, dass künftig Paare, bei denen ein Partner Einzelkind ist, zwei Kinder haben können, ansonsten aber die Geburtenkontrollpolitik nicht aufgehoben worden sei). Dafür, dass in allernächster Zukunft diese Regelungen außer Kraft gesetzt würden, ist also kein Anhaltspunkt vorhanden. Entsprechende Spekulationen zum Nachteil des Klägers verbietet sich von daher.
23 
Ausnahmen von der Ein-Kind-Regelung - die im vorliegenden Fall allerdings nicht einschlägig sind - betreffen verheiratete Paare auf dem Lande, denen ein Zweitkind zugestanden wird, wenn das erste Kind ein Mädchen ist (siehe AA Lagebericht China v. 18.6.2013 - II. 1.8. S. 24; siehe zu speziellen Ausnahmeregelungen der Familienplanungsvorschriften für verheiratete Paare und obendrein für verheiratete Paare auf dem Land in der Provinz Fujian, aus der die Klägerin stammt, die detailreichen Angeben in: Immigration and Refugee Board of Canada, China - Family Planning Laws, v. 1.10.2012 - dort Ziff. 2.2.2 - unter www.ecoin.net und unter www.asyl.net - Asylmagazin 12/2012 bzw. in www.asyl.net unter Länderinformationen/China).
24 
Die Geburtenkontrollpolitik gilt im Grundsatz auch für Chinesen, die im Ausland leben und dort Kinder bekommen. Wer im Ausland als Kind chinesischer Eltern geboren wird, ist nach Art. 5 des chinesischen Staatsangehörigkeitsgesetzes auch chinesischer Staatsangehöriger, es sei denn die beiden Elternteile haben sich dauerhaft im Ausland niedergelassen oder einer von ihnen hat eine ausländische Staatsangehörigkeit angenommen. Informationen, dass dies bei nicht-ehelichen Kindern und solchen, die unter Verstoß gegen die Geburtenkontrollreglungen geboren wurden, finden sich insoweit nicht. Auch wenn es keine ausdrückliche Regelung gibt, dass Auslandschinesen eine Geburtserlaubnis bei der chinesischen Botschaft im Aufenthaltsstaat einholen müssen, ist doch die dokumentierte Einholung eines Rates der nächstgelegenen Botschaft angezeigt, da ein solcher Nachweis nach Rückkehr für die Haushaltsregistrierung (Hukou) verlangt werden kann. Grundsätzlich können auch Auslandschinesen wegen einer nach den genannten Regeln unerlaubten Geburt eines Kindes im Ausland zu einer Bußgeldzahlung herangezogen werden (so Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 8 - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net).
25 
Sonderregelungen für Auslandsrückkehrer in der Provinz Fujian - aus der die Mutter des Klägers stammt -, die sicherstellen, dass diese ihre im Ausland außerhalb der Geburtenkontrollregelungen geborenen Kinder registrieren können und dass diese auch sonst keine Nachteile erfahren, gibt es nicht (so jüngst Amnesty International, Auskunft v. 15.1.2014 an VG Augsburg; siehe im Übrigen BayVGH , B. v. 9.9.2013 - 2 ZB 13.30255 - juris, Rdnr. 10 und VG Arnsberg, U. v. 7-3.2013, wonach es in der Provinz Fujian eine Sonderregelung gebe, die einem verheirateten Auslandsrückkehrpaar ein zweites Kind erlaube; das VG Bayreuth, U. v. 2.7.2013 - B 3 K 13.30042 -, UA S. 9 verweist hierzu auf eine Auskunft von ai an VG Trier vom 18.4.2011 wonach Auslandsrückkehrern in Fujinan ein zweites Kind erlaubt sei- damit sind aber wohl im Grundsatz auch nur verheiratete Paare gemeint). Aus anderen Auskünften ergibt sich auch nur, dass Auslandsrückkehrer nur dann keine Sanktionen wegen Verstößen gegen die Geburtenkontrollpolitik befürchten müssen, wenn - anders als im vorliegenden Fall der Mutter des Klägers als abgelehnter Asylbewerberin ohne Ausbildung und Berufstätigkeit in Deutschland - an ihrer Rückkehr wegen ihrer Ausbildung und Wirtschaftskraft ein Interesse des chinesischen Staates besteht, bzw. eine Wiedereinreise nach China Frauen nur im schwangeren Zustand erlauben, wenn das andere Kind permanent im Ausland lebt (OVG Saarland, U. v. 20.10.1999 - 9 R 24/98 - UA S. 29 unter Verweis auf Scharping, Auskunft v. 25.3.1999 an VG Leipzig; ferner ai, Auskunft v. 4.6.2002 an VG Köln und Auskunft v. 21.4.2011 an VG Trier, sowie Scharping, Auskunft v. 28.10.1999 an VG Leipzig; siehe auch Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 1, 2 - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net -, wonach Auslandschinesen nur bei dauerhaftem Wohnsitz im Ausland bzw. nur dann nicht, wenn sie im Ausland studiert haben, unter die Ein-Kind-Regelung fallen, also zwei Kinder haben dürfen, wonach aber nicht eindeutig klar sei, dass dies auch für einzelne nicht-eheliche unerlaubte „Schwarzkinder“ gelte; zu einer tatsächlich durchgeführten Zwangssterilisierung einer aus dem Ausland in die Provinz Fujian mit zwei Kindern zurückkehrenden Chinesin im Jahr 2010 - siehe ai- Auskunft v. 15.1.2014 an VG Arnsberg).
26 
Unterfällt nach allem der Kläger als das nichtehelich geborene Kind einer (Auslands-) Chinesin den genannten Regeln, so stellt sich seine Geburt nicht nur als formell unerlaubt, sondern als nicht genehmigungsfähig mit der Folge dar, dass sie als solche auch nicht registriert wird.
27 
Auch wenn das chinesische Gesetz selbst die Gleichstellung von ehelichen und nicht-ehelichen Kindern ausdrücklich gebietet und Diskriminierung insoweit eindeutig verbietet (Art. 19 des Heiratsgesetzes - siehe dazu Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 4 - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net), knüpfen doch die Geburtenkontrollregelungen empfindliche Nachteile an den Umstand der unerlaubten nichtehelichen Geburt:
28 
Eine nichteheliche Mutter muss nämlich ein extrem hohes Bußgeld im Umfang von vier bis sechs Jahresdurchschnittsgehältern zahlen (so zur Regelung in der Provinz Fujian, aus der die Mutter des Klägers stammt Immigration and Refugee Board of Canada, China - Family Planning Laws, v. 1.10.2012 - dort Ziff. 2.2.2 und 2.2. - unter www.ecoin.net und unter www.asyl.net - Asylmagazin 12/2012; ebenso Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 1, 2 - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net).
29 
Dass die Mutter des Klägers ein solches exorbitantes Bußgeld sollte zahlen können, kann nicht einfach unter Hinweis darauf unterstellt werden, sie habe ja auch durch die damalige Finanzierung ihrer Ausreise und Einreise nach Deutschland eine entsprechende Finanzkraft demonstriert (in diesem Sinne zu einem solchen Fall aber . VG Bayreuth, U. v. 2.7.2013 - B 3 K 13.30042 -, UA S. 9; ebenso VG Augsburg, U. v. 28.1.2014 - Au 2 K 13.30246 -juris, Rdnr. 39). Denn sie ist hier schon 1999 nach Deutschland als junge Frau gekommen, lebt hier seitdem als Asylbewerberin bzw. abgelehnte Asylbewerbern, hat sich nach ihren plausiblen und glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung dem Heimatland China völlig entfremdet hat und dort allenfalls noch telefonisch Kontakt zu ihren über 70 Jahre alten Eltern hat und zudem keinen Kontakt mehr zum (im Grundsatz wohl auch nach chinesischem Familienrecht unterhaltsverpflichteten) Vater des Klägers. Sie hat wegen ihrer fehlenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Prozesskostenhilfe im vorliegenden Verfahren bewilligt bekommen. Von daher kann nicht davon ausgegangen werden, sie habe über die Jahre hinweg im Umfang von mehreren tausend bis zigtausend Euro Ersparnisse anhäufen können, aus denen sie nach einer Rückkehr in China die entsprechenden Bußgelder werde zahlen und so die mit der Ein-Kind-Regelung verbundenen Sanktionen werde abwenden können.
30 
Wird das Bußgeld aber nicht gezahlt, so ist eine „Legalisierung“ des unerlaubt geborenen Kindes nicht möglich mit der Folge, dass ohne die Geburtsregistrierung dann auch keine Haushaltsregistrierung (sog. „hukou“) erfolgt, ohne die dann wiederum ein solches „unerlaubtes Schwarzkind“ vom Recht auf Schulbesuch, auf Teilhabe an sozialen Leistungen und von der staatlichen Gesundheitsversorgung komplett ausgeschlossen wird (AA Lagebericht, China v. 18.6.2013 - II. 1.8. S. 25; Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 4 - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net; Immigration and Refugee Board of Canada, China - Family Planning Laws, v. 1.10.2012 - dort Ziff. 3.4 - unter www.ecoin.net und unter www.asyl.net - Asylmagazin 12/2012).
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Dass diese strengen Regelungen der Geburtenkontrolle im Zuge einer generellen Lockerung in der Praxis etwa nicht mehr so streng gehandhabt würden, lässt sich nicht feststellen. Nach alle oben zitierten sehr detaillierten Auskunftsquellen (siehe ergänzend auch ACCORD, Auskunft v. 29.1.2009 zum Thema China/Frauen/Ein-Kind-Politik; Rückkehr mit zwei Söhnen - unter www.ecoi.net) gilt - insbesondere auch für die Provinz Fujian, die Heimatprovinz der Mutter des Klägers, dass dort die Geburtenkontrollpolitik gegenüber alleinerziehenden, unverheirateten Müttern unehelicher Kinder trotz womöglich phasenweiser Lockerungen nach wie vor rigoros bis hin zum Einsatz von Mitteln wie Zwangssterilisierungen der Mütter, Zwangsabtreibungen oder massivem Druck zur „freiwilligen“ Abtreibung durchgesetzt wird. Auch wenn hier und da einzelne Beamte für solche nach chinesischem Recht inzwischen illegalen Maßnahmen zur Rechenschaft gezogen werden, kommt es doch nach allen vorliegenden Berichten „recht häufig [fairly frequently]“ bzw. „immer wieder“ zu solchen Eingriffen und Sanktionen (gerade jüngste Pressemeldungen zeigen deutlich, dass solche Eingriffe und Übergriffe in China durchaus „an der Tagesordnung“ sind - vgl. etwa spiegel-online, www.spiegel.de/politik/ausland vom 15.6.2012 und NZZ-online vom 15.7.2012 [www.nzz.ch/aktuell/ international/abtreibung-unter-zwang-1,17357004, wonach jüngst in der Provinz Shanxi Funktionäre eine Zwangsabtreibung bei einer im 7. Monat schwangeren 23 Jahr alten Chinesin vornahmen. Diesen Meldungen ist auch zu entnehmen, dass in jüngster Zeit nicht nur mehrere Bericht über Zwangsabtreibungen in China die dortige Öffentlichkeit erschütterten, sondern dass insbesondere auch Ende April 2012 in der Provinz Fujian Beamte ein ungeborenes Kind mit der Giftspritze töten ließen. Zwar wurde im Fall aus Shanxi eine Entschädigung zugesprochen und der Beamte suspendiert, eine strafrechtliche Aufarbeitung fehlte aber und das alles geschah auch nur auf Druck der Medien, nachdem der Kindesvater, der protestierte hatte, von den Behörden tagelang festgenommen worden war, und das von ihm im Internet veröffentlichte Foto seiner Frau mit dem toten Fötus Fall hohe Wellen schlug, die auch die chinesische Staatspropaganda nicht mehr ignorieren konnte. Auch der bekannte blinde chinesische Menschenrechtsanwalt Chen Guangcheng, der Frauen vertrat, die Opfer von Zwangsabtreibungen geworden war, und ihre Fälle zu Gericht brachte, wurde wegen dieses Engagements zu vier Jahren Haft verurteilt, nach der Haftzeit unter Hausarrest gestellt und wiederholt zusammengeschlagen, bis ihm jüngst im April 2012 spektakulär die Flucht in die amerikanische Botschaft gelang, von wo aus er schließlich in die USA ausreisen durfte [http://de.wikipedia.org/wiki/Chen-Guangchen]).
32 
Wenn aber schon solche Übergriffe auf die Mütter selbst demnach beachtlich wahrscheinlich sind, dann kann davon ausgegangen werden, dass erst recht die „bloßen“ Sanktionen einer Registrierungsverweigerung und die damit verbundenen massiven rechtlichen und sozialen Nachteile für die Kinder beachtlich wahrscheinlich sind. Davon geht nicht nur das Bundesamt im angegriffenen Bescheid selbst aus, sondern das ergibt sich auch aus dem jüngsten Lagebericht des Auswärtigen Amtes aus dem Jahr 2013.
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Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass der im Bundesgebiet aufgewachsene Kläger, der zeit seines Lebens nichts anderes als seine deutsche Umgebung gesehen hat, badischen Dialekt spricht, schulisch und sozial völlig in seinem deutschen Umfeld integriert ist und als dreizehnjähriger Schüler bislang eine gute Ausbildung genossen hat und nicht einmal wirklich gut Chinesisch sprechen kann, geschweige denn die komplexe chinesische Schrift beherrscht, sondern - mangels eines qualifizierten, grundlegenden Unterrichts, den auch seine Mutter nicht leisten kann - nicht Chinesisch schreiben und lesen kann. Er würde daher bei Rückkehr nach China seine schulische Bildung abbrechen müssen und sich ohne jede soziale Absicherung, ohne abgeschlossene Ausbildung, ohne Chinesischkenntnisse, ohne soziale Kontakte und vor allem mangels Geburtsregistrierung und Hukou-Registrierung als - rechtlich betrachtet - „Unperson“ bzw. „Nichtperson“ dort mit seiner Mutter durchschlagen müssen, ohne dabei auf Hilfe zurückgreifen zu können, da er selbst und auch seine Mutter nach so vielen Jahren im Ausland dort verständlicherweise außer den über 70-jährigen Eltern/Großeltern keine Bezugsperson mehr haben. Insoweit würde er nur eine Existenz unter den erbärmlichen Bedingungen fristen können, unter denen heutzutage in vielen Städten Chinas viele vom Land illegal dort hingekommene Wanderarbeiter leben müssen, die sich wie Sklavenarbeiter mit schlecht bezahlten Arbeiten auf den großen Baustellen in den aufstrebenden Städten ohne jede persönliche Rechte als Tagelöhner durchschlagen müssen.
34 
In ihrer Kumulation stellten aber die auf diese Weise vom chinesischen Staat für den Kläger als uneheliches Kind bewusst und gezielt verursachten Nachteile einen Verfolgungseingriff mit dem Gewicht einer schweren Menschenrechtsverletzung dar, wie sie vom Flüchtlingsbegriff vorausgesetzt wird (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2, sowie Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 6 AsylVfG in Verbindung mit Art. 9 Abs. 1a und Abs. 2 QRL [Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU]). Über bloße für sich genommen unerhebliche Diskriminierungen gehen solche Folgen weit hinaus, da sie das Leben des Betroffenen grundlegend entwerten. Insofern schließt sich das Gericht der Auffassung des VG Meiningen und des VG Trier an (VG Meiningen, U. v. 6.4.2011 - 8 K 20205/09.Me, juris; VG Trier, U. v. 23.3.2011 - 5 K 442/10.TR- , juris = InfAuslR 2011, 219 = Asylmagazin 7-8/2011, S. 243 und U. v. 11.7.2012 - 5 K 433/12.TR -, juris).
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Die grundlegende Verweigerung einer Geburtsregistrierung und zusätzlich einer Hukou-Registrierung, die im totalitär durchstrukturierten, bürokratisch durchorganisierten chinesischen Staat Grundlage für alle weiteren verwaltungsrechtlichen Rechtsanerkennungen (Umzug, Arbeit, Meldepflicht, Krankenhausleistung, Schulbesuch, Personalausweis) ist (siehe AA, Auskunft v. 8.6.2006 an VG Braunschweig und v. 11.4.2011 an VG Köln), grenzt den Betroffenen massiv aus der staatlich verfassten Friedensordnung aus, zwingt ihn so in die Illegalität und verletzt das grundlegende Menschenrecht auf Teilhabe an dieser gemeinschaftlichen Friedensordnung und auf Anerkennung als Rechtsperson (Art. 6 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte - UN Generalversammlung, Resolution 217/III v. 10.12.1948: Jedermann hat überall Anspruch auf Anerkennung als Rechtsperson; Art. 16 Internationaler Pakt über bürgerliche und private Rechte [IPbpR] v. 19.12.1966 - BGBl. 1973, II S. 1534: Jedermann hat das Recht, überall als rechtsfähig anerkannt zu werden, und Art. 24 Abs. 2 IPbpR: Jedes Kind muss unverzüglich nach seiner Geburt in ein Register eingetragen werden und einen Namen erhalten). Eine solche Ausgrenzung, wie sie durch die Verweigerung von Geburtsregistrierung und Hukou-Registrierung bewirkt wird, kommt somit in ihren verwaltungstechnischen Folgen einer Ausbürgerung nahe, deren Charakter als Verfolgungseingriff von ausreichender menschenrechtsverletzender Intensität anerkannt ist (BVerwG, U. v. 26.2.2009 - 10 C 50.07 - AuAS 2009, 175 = ZAR 2009,319 = BVerwGE 333,203).
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Dass es nach Auskunft des Auswärtigen Amtes zeitweise möglich sein kann, auch länger Behördenkontakt zu vermeiden und sich illegal in einer chinesischen Stadt aufzuhalten, und dass auch gefälschte Unterlagen und Personalausweise in China erhältlich sind (siehe AA, Auskunft v. 8.6.2006 an VG Braunschweig), ist dabei unbeachtlich, denn ein Leben in der Illegalität darf flüchtlingsrechtlich niemandem als Alternative zum Verfolgungsschutz angesonnen werden (so BVerwG, U. v. 1.2.2007 - 1 C 24.06 - AuAS 2007, 68 = juris zur Unzumutbarkeit einer inländischen Fluchtalternative, wenn nur ein Leben in der Illegalität unter der dauernder Gefahr polizeilicher Kontrollen und Strafsanktionen möglich ist).
37 
Diese Verfolgungsmaßnahme in Form einer Rechtlosstellung knüpft auch an ein flüchtlingsrechtlich relevantes Merkmal des Klägers an, nämlich an seine uneheliche, unerlaubte Geburt, und damit an seine Zugehörigkeit zu der sozialen „Gruppe der illegal geborenen nichtehelichen chinesischen Kinder“ (§§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3a Abs.3, 3b Abs. 1 Nr. 4a) und b). Diese Gruppe ist sozial klar definiert und erkennbar und von der übrigen Gesellschaft abgrenzbar und wird von der Bevölkerung auch als solche wahrgenommen. Die Anknüpfung der Sanktion an die Zugehörigkeit zu dieser Gruppe macht den Kläger gewissermaßen für sein So-Sein haftbar, indem sie ihm wegen seines für ihn unabänderlichen, irreversiblen und unvertretbaren Persönlichkeitsmerkmals seiner unehelichen Geburt Nachteile bereitet. Damit macht ihn die Sanktion nicht für eigenes Verhalten verantwortlich, sondern für das Verhalten Dritter, nämlich seiner Eltern, für das er naturgemäß nichts kann. Das aber wiederum ist genauso willkürlich und diskriminierend, wie eine an die Hautfarbe oder ethnische Volkszugehörigkeit anknüpfende Sanktion. Der „Geburtsmakel“ der unehelichen Geburt ist dem Kläger angeboren. Nichteheliche Kinder werden in China auch (i.S.d. § 3b Abs. 1 Nr. 4 b AsylVfG) von der Gesellschaft auch als andersartig betrachtet, nämlich sozial stigmatisiert und werden nach wie vor durch die insoweit mit tief verwurzelten Vorurteilen behaftete chinesische Gesellschaft mit Mitleid und Verachtung betrachtet (so ausführlich mit Quellenangaben Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 2 - 6 [Ziff. 2 A, B und Ziff. 3 sowie Ziff. 5] - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net).
38 
Dem lässt sich entgegen der im angefochtenen Bescheid aber auch in der überwiegenden verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung vertretenen Ansicht nicht entgegenhalten, bei diesen Sanktionen (gleich ob sie die nichtehelichen Mütter mit Zwangsabtreibungen, bzw. die Mütter und Väter mit Zwangssterilisationen oder -adoptionen oder aber die -unerlaubten, überflüssigen - Kinder mit den dargestellten Formen der Rechtlosstellung treffen) handle es sich nicht um eine Verfolgung, die an das Persönlichkeitsmerkmal der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe anknüpfe. Die chinesische Geburtenkontrollpolitik und die oben genannten gesetzlichen Regelungen des Bevölkerungs- und Familienplanungsgesetzes allgemein, finde nämlich gleichermaßen und ohne jede weitere Differenzierung auf alle chinesischen Staatsbürger Anwendung und dieses allgemeine Gesetz verfolge insoweit eben gerade nicht das Ziel der Diskriminierung einer bestimmten Bevölkerungsgruppe (etwa einer Minderheitengruppe wie der Tibeter oder Uiguren). Vielmehr ziele es lediglich darauf ab, ganz allgemein die Geburtenrate aller Chinesen im Blick auf das Bevölkerungswachstum in diesem sehr bevölkerungsreichen Land einzugrenzen, um so soziale und wirtschaftliche Missstände zu vermeiden, die andernfalls mit einer zunehmenden Überbevölkerung einhergingen (siehe dazu die Rechtsprechungsübersicht bei VG Würzburg, B. v. 28.8.2013 - W 6 S 13.30278 -, juris, Rdnr. 14; siehe auch die Rechtsprechungsnachweise der in diesem Sinne urteilenden obergerichtlichen Rechtsprechung des BayVGH, des OVG NRW und des NdsOVG bei VG Augsburg, U. v. 28. 1.2014 - Au 2 K 13.30246 -, juris, Rdnr. 36 und 37).
39 
Diese Auffassung greift indessen zu kurz, weil sie lediglich das politische, für sich genommen legitime Fernziel einer Kontrolle des Bevölkerungswachstums in den Blick nimmt und sich dadurch den Blick auf die zur Erreichung dieses Ziels in China angewendeten menschenrechtswidrigen Zwangsmethoden der Ausgrenzung verstellt. Die Methoden der Kontrolle des Bevölkerungswachstums beschränken sich nämlich gerade nicht auf menschenrechtlich unbedenkliche Methoden wie Aufklärung, Bereitstellung von Mitteln zur Empfängnisverhütung, Einführung von Rentenversicherungsmodellen um den Anreiz für möglichst viele Kinder zu nehmen, Einführung von Bildung für Frauen, Modelle finanzieller/steuerlicher Anreize bei geringer Kinderzahl etc. Vielmehr verletzen sie das durch alle Menschenrechtspakte geschützte grundlegende Recht aller Menschen, eine Familie zu gründen, nämlich Kinder zu haben, und dabei als freie Menschen in eigener wirtschaftlicher und sozialer Verantwortung die Zahl ihrer Kinder selbst zu bestimmen (siehe Art. 16 Nr. 1 S. 1 und Nr.3 AEMR, Art. 23 Abs. 1 und Abs. 2 des - auch von China gezeichneten - IPbpR, Art. 12 EMRK, Art. 6 GG). Dieses grundsätzlich anerkannten Menschenrecht schützt das dem Menschsein innewohnende Grundbedürfnis nach Reproduktion (ausführlich dazu Saona, „The Protection of Reproductive Rights under International Law: The Bush Administration´s Policy Shift and China´s Family Planning Activities“, Pacific Rim Law & Policy Journal,. Volume 13 No.1, January 2004, page 229 [236, 239, 253, 254] - im internet unter google auffindbar; siehe ferner Mückl in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, 2010, Bandd VI/1, Europäische Grundrechte, § 141 „Ehe und Familie“ -, S. 191 [196, 206, 208). Mit Zwangssterilisationen, Zwangsadoptionen, Zwangsabtreibungen usw. wird die „Gruppe derjenigen Chinesen getroffen, die dieses Menschenrecht auf Familiengründung und Reproduktion ausüben“. Ihnen wird die (weitere) Ausübung dieses Grundrechts schon biologisch-physisch unmöglich gemacht bzw. die Rechtsausübung wird durch die Rechtlosstellung der in Ausübung des Grundrechts geborenen Kinder sanktioniert, obwohl dieses Menschenrecht keinem spezifischen Schrankenvorbehalt unterliegt, der solche Eingriffe rechtfertigen könnte (siehe dazu Mückl, a.a.O. Handbuch der Grundrechte, S. 208, wonach etwa eine Zwangssterilisation/Kastration nur in sehr engen Grenzen gerechtfertigt sein könnte, etwa im Rahmen von § 1905 BGB oder zum Schutz der Allgemeinheit vor gefährlichen Sexualverbrechern; siehe ferner General Comment des Ausschusses für Menschenrechte zum IPbpR, Nr. 19 [39] zu Art. 23 IPbpR vom 24.7.1990 - Unterziffer 2 und 4, sowie insbes. 5, wonach eine Politik der Familienplanung mit den Bestimmungen des Paktes verträglich und insbesondere weder diskriminierend „noch zwangsmäßig“ sein darf; beide Quellen im internet unter google auffindbar). Mit anderen Worten, die Ein-Kind-Politik knüpft an das So-Sein, nämlich an das „Eltern-Sein“ an bzw. an ein Verhalten an, auf das zu verzichten dem Einzelnen deswegen nicht zugemutet werden kann, weil es sich um ein menschenrechtlich geschütztes Verhalten handelt, er sich also so verhalten darf. Die Verfolgung steht damit der Verfolgung in Anknüpfung an eine politische oder religiöse Überzeugung oder an eine sexuelle Orientierung und Präferenz gleich, bei der es nicht um ein angeborenes Merkmal geht, sondern darum, dass das Haben-Dürfen und Äußern-Dürfen einer solchen Überzeugung oder Präferenz als menschenrechtlich geschütztes Verhalten rechtlich keinen tauglichen Anknüpfungspunkt für Sanktionen darstellen darf. Gibt es aber insoweit keinen solchen legitimationskräftigen Anknüpfungspunkt, so stellt es eine Diskriminierung dar, gleichwohl daran anzuknüpfen. Vor einer Verletzung des Diskriminierungsverbots schützt aber der Flüchtlingsbegriff mit seiner Aufzählung insoweit nicht legitimationskräftiger persönlicher Merkmale, an die Verfolgung nicht anknüpfen darf (zum Schutz des So-Seins und So-Sein-Dürfens als Kern des Verfolgungsmerkmals der sozialen Gruppenzugehörigkeit und zu dem dabei anzuwendenden internationalen Menschenrechtsstandard als Maßstab: GK-AufenthG, II - § 60 AufenthG, Rdnr. 18). Wie bei allen flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgungen geht es auch bei der Ein-Kind-Politik letzten Endes um die Unterdrückung von menschenrechtlich grundlegend geschützten Lebensäußerungen, nämlich hier eine Familie zu gründen und Nachwuchs zu zeugen.
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Insofern knüpft auch die Ein-Kind-Politik mit ihrem Übergriff auf das Menschsein selbst, zu dem auch das Familie- und Elternsein zählt, an ein „Merkmal“, das „so bedeutsam für die Identität“ als Mensch ist, dass der Betroffene (rechtlich betrachtet) „nicht gezwungen werden sollte, darauf zu verzichten“. Damit stellt sie im Sinne von § 3 b Abs. 1 Nr. 4 a) AsylVfG eine Verfolgung in Anknüpfung an die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe dar.
41 
Daran ändert es nichts, dass selbstverständlich das Verfolgungsmerkmal eine Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe nicht schon dann vorliegt, wenn die alleinige Gemeinsamkeit der Gruppe darin besteht, dass die Gruppenmitglieder gegen ein Gesetz verstoßen und deshalb sanktioniert werden (dazu GK-AufenthG, II- § 60 AufenthG, Rdnr. 171), dass also beispielweise die Ahndung von Trunkenheitsfahrten im Straßenverkehr natürlich nicht eine Verfolgung wegen Zugehörigkeit zur „Gruppe der das Alkoholverbot im Straßenverkehr missachtenden“ Menschen darstellt. Denn das Fahren unter Alkohol stellt - im Unterschied zur Gründung einer Familie und zum Kinderhabendürfen - eben keine rechtlich Ausübung eines anerkannten grundlegenden Menschenrechts dar, sondern allenfalls eine Ausübung der allgemeinen Handlungsfreiheit, auf die im konkreten Fall zu verzichten schon wegen der Gefahren für die Menschenrechte Dritter dem Betreffenden wegen der entsprechenden Schrankenvorbehalte ohne weiteres rechtlich zugemutet werden kann (so knüpft etwa auch die strafrechtliche Sanktionierung der Pädophilie nicht an das Merkmal der Zugehörigkeit zur Gruppe der Pädophilen an, sondern an deren menschenrechtlich nicht geschütztes, sondern vielmehr Grundrechte Dritter verletzendes rechtswidriges Verhalten - siehe GK-AufenthG, II - § 60 AufenthG, Rdnr. 184; siehe auch § 3 b Abs. 1 nr. 4 b) AsylVfG: „Eine soziale Gruppe kann auch eine sein, die sich auf das gemeinsame Merkmal der sexuellen Orientierung gründet; Handlungen, die nach deutschem Recht als strafbar gelten, fallen nicht darunter“).
42 
Für die Richtigkeit dieser Ansicht spricht, dass mit eben dieser Begründung von den Gerichten anderer Aufnahmestaaten, wie etwa Kanada oder USA, die chinesische Ein-Kind-Politik mit ihren Sanktionen als flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe durchaus anerkannt wird (siehe dazu die Fundstellennachweise in GK-AufenthG, II - § 60 AufenthG, Rdnr. 197; siehe auch die ausführlichen juristischen Erwägungen zum - bejahten - Merkmal der Verfolgung wegen sozialer Gruppenzugehörigkeit im Urteil des Supreme Court of Canada, Judgment v. 10.10.1995 - [1995] - 3 SCR 593 - Chan./. Canada , unter http://scc-csc.lexum.com/scc-csc/scc-csc/en/item/1299/indes.do - dort insbes. Rdnrn. 50, 82, 88).
43 
Diejenigen deutschen Verwaltungsgerichte, welche die chinesische Ein-Kind-Politik auch als flüchtlingsrelevante Verfolgung einstufen, haben dies ohne lange Diskussion getan und als geradezu selbstverständlich angenommen, dass eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe, der „von den Exzessen der Familienplanungspolitik in China spezifisch betroffenen Frauen“ (so VG Bremen, U. v. 5.6.2012 - 6 K 3664/07.A -, juris Rdnr. 21) vorliegt, bzw. eine Zwangssterilisation als zweifelsfrei „geschlechtsspezifische Verfolgung der sozialen Gruppe der Frauen“ eingestuft (so VG Trier, U. v. 23.3.2011 - 5 K 442/10.TR -, juris Rdnr. 18) bzw. ganz generell darin eine „diskriminierende“ justizielle/administrative Maßnahme gesehen (VG Meiningen, U. v. 6.4.2011 - 8 K 20205/09 Me-, juris). Schließlich behandelt auch der Lagebericht des Auswärtigen Amtes die chinesische Ein-Kind-Politik wie selbstverständlich und ohne weitere Begründung unter der Überschrift „geschlechtsspezifische Verfolgung“.
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Soweit das Bundesamt im angefochtenen Bescheid schließlich die Ansicht vertritt, die chinesische Ein-Kind-Politik sei zwar befremdlich und mit dem Standard des Grundgesetzes unvereinbar, es sei aber nicht Aufgabe des Asylrechts, die Ordnung des Grundgesetzes in anderen Staaten durchzusetzen, weshalb die chinesische Ein-Kind-Politik keine flüchtlingsrechtlich anzuerkennende Verfolgung darstelle, stellt dies kein durchgreifendes Gegenargument gegen die oben dargelegte Ansicht dar. Denn Aufgabe des Asylrechts bzw. Flüchtlingsrechts ist es ohnehin nicht, eine bestimmte Rechtsordnung anderen Staaten „aufzuzwingen“ oder sie dort „durchzusetzen“, sondern lediglich einem Menschen, der in einem anderen Staat nach den Maßstäben international anerkannter Menschenrechtsstandards nicht mehr leben kann, weil er dort durch eine grundlegende Menschenrechte schwerwiegend verletzende Verfolgung - wie hier die Ein-Kind-Politik - aus der staatlich verfassten Friedensordnung ausgegrenzt und zur Flucht getrieben wird, eine neue Heimat durch Aufnahme in die staatliche Friedensordnung des Aufnahmestaates zu gewähren (so auch das BVerwG in der vom Bundesamt insoweit nur unvollständig zitierten Entscheidung U. v. 18.2.1986 - 9 c 104/85 -, juris Rdnr. 21 = InfAuslR 86, 189; dazu, dass damit keine „Diskriminierung fremder Rechtsordnungen“ verbunden ist und dass begriffsnotwendig zwischen dem Aufnahmestaat und dem Verfolgerstaat nach dem Konzept des Asylrechts ein Unterschied in den rechtlich respektierten Maßstäben besteht: GK-AufenthG, II - § 60 AufenthG, Rdnr. 185 und GK-AuslG, § 53 AuslG (a.F.), Rdnrn. 97 und 98 m.w.Nw.; siehe auch Art. 14 Nr. 1 AEMR, wonach es das Recht eines Menschenrecht ist, in anderen Ländern vor Verfolgungen Asyl zu suchen und zu genießen, was wiederum bedeutet, dass die Asylgewährung dem Verfolgerstaat gegenüber gerade kein völkerrechtswidriger Akt der Einmischung in seine Personalhoheit darstellt).
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Die Kostenentscheidung folgt aus §3 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylVfG.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

1. Soweit der Kläger unter nahezu vollständig wörtlicher Wiedergabe des Urteils des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 12. März 2014 (Az. A 6 K 1868/12 - juris Rn. 24 bis 32) rügt, die erstinstanzliche Entscheidung sei nicht richtig, macht er keinen gesetzlichen Zulassungsgrund im Sinn des § 78 Abs. 3 AsylVfG geltend.

2. Die Divergenzrüge (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG) genügt nicht den Darlegungserfordernissen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG.

Der Zulassungsgrund der Abweichung einer obergerichtlichen Entscheidung setzt voraus, dass das angefochtene Urteil mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem eben solchen Rechtssatz eines der in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG genannten Gerichts abweicht (vgl. BVerwG, B.v. 26.6.1995 - 8 B 44/95 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO Nr. 2; B.v. 11.8.1998 - 2 B 74/98 - NVwZ 1999, 406; B.v. 8.7.2011 - 5 B 22/11 - ZOV 2011, 219). Im Zulassungsantrag muss ein abstrakter Rechtssatz des angefochtenen Urteils herausgearbeitet werden und einem Rechtssatz des anderen Gerichts unter Darlegung der Abweichung gegenüber gestellt werden (vgl. BVerwG, B.v. 23.10.2012 - 4 BN 35/12 - juris; B.v. 27.9.2012 - 8 B 22/12 - juris). Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen im Zulassungsantrag nicht.

Zum einen ist im Zulassungsantrag schon keine Entscheidung eines Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts angeführt, von denen das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts abweichen soll. Vielmehr wird lediglich die Entscheidung eines Verwaltungsgerichts (VG Freiburg, U.v. 12.3.2014 - A 6 K 1868/12 - juris) zitiert. Zum anderen ist nicht aufgezeigt, welcher die erstinstanzliche Entscheidung tragende Rechtssatz von welchem Rechtssatz in einer anderen Entscheidung abweichen soll.

2. Die behauptete grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) ist ebenfalls nicht in einer Weise dargetan, die den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG genügt.

Das Darlegungserfordernis des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG verlangt, dass eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich ist. Ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. BVerwG, B.v. 30.6.2006 - 5 B 99/05 - juris; B.v. 1.7.2009 - 1 WNB 1/09 - Buchholz 450.1 § 22a WBO Nr. 1; B.v. 4.10.2012 - 2 B 112/11 - juris). Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen des Klägers nicht.

Abgesehen davon, dass die von ihm als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage

„ob einem nicht-ehelichen in Deutschland geborenen Kind unter Verstoß gegen die chinesische Geburtenregelung der Ausschluss von der Teilnahme am staatlichen Schul- und Gesundheitssystem droht, wenn seine Mutter zu Zahlung eines Bußgeldes von mehreren Jahresgehältern außerstande ist und wenn das Kind als drittes, nicht-eheliches Kind in Deutschland einer chinesischen Familie geboren ist und somit einer diskriminierenden Rechtlosstellung in Anknüpfung an die soziale Gruppe der unter Verstoß gegen die chinesischen Geburtenkontrollregelung geborenen Kinder darstellt, die zur Flüchtlingsanerkennung führt“

in ihrem letzten Teil schon nicht verständlich formuliert ist, hat der Kläger die Entscheidungserheblichkeit dieser Frage für den vorliegenden Rechtsstreit nicht aufgezeigt. Denn das Verwaltungsgericht hat einen möglichen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungshindernisses nicht deswegen verneint, weil es angenommen hat, nicht-ehelichen und unter Verstoß gegen die chinesische Geburtenregelung in Deutschland geborenen Kindern drohe kein Ausschluss von der Teilnahme am staatlichen Schul- und Gesundheitssystem, wenn seine Mutter zur Zahlung eines Bußgeldes von mehreren Jahresgehältern außerstande ist. Vielmehr hat es angenommen, dass nicht jedes zweit- und drittgeborene Kind in China unter den Begriff der bestimmten sozialen Gruppe im Sinn des § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG i. V. m. Art. 10 Abs. 1 Buchst. d der Qualifikationsrichtlinie fällt und der Ausschluss vom Zugang zum Bildungs- und Gesundheitssystem nach der Erkenntnislage keine schwerwiegende Verletzung der Menschenrechte nach § 60 Abs. 1 AufenthG a. F., § 3 Abs. 1 AsylVfG i. V. m. Art. 9 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie darstellt (vgl. Urteilsabdruck S. 5). Hiergegen hat der Kläger Einwände nicht erhoben.

Zudem hat der Kläger nicht aufgezeigt, dass seine Mutter im Falle der Rückkehr in ihre Heimat tatsächlich außerstande wäre, ein gegen sie wegen des Verstoßes gegen die Familienplanungspolitik der Volksrepublik China verhängtes Bußgeld zu bezahlen. Das Verwaltungsgericht hat insoweit festgestellt, dass die Höhe der Geldbuße an das Einkommen der Eltern des Klägers gekoppelt sei und diese für ihre Ausreise mehrere tausend DM bzw. Euro aufbringen mussten und konnten. Daraus hat es den Schluss gezogen, dass ihnen auch die Zahlung der Geldbuße möglich sein werde (vgl. Urteilsabdruck S. 5). Dem setzt der Kläger lediglich die Behauptung entgegen, seine Mutter selbst sei nicht erwerbstätig und lebe vom Einkommen seines Vaters. Diese Ausführungen genügen dem Darlegungserfordernis des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG nicht (zum Erfordernis der Darlegung vgl. BayVGH, B. v. 9.9.2013 - 2 ZB 13.30255 - juris Rn. 5 m. w. N.), zumal das Verwaltungsgericht nicht allein auf die Zahlungsfähigkeit der Mutter des Klägers, sondern beider - zusammen lebender - Elternteile abgestellt hat und die fehlende Zahlungsfähigkeit zudem nicht allein durch das Einkommen einer Person bestimmt werden kann.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylVfG). Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Satz 1 Alternative 2 RVG.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

Tenor

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 27.3.2012 wird aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

 
Die Klägerin, eine chinesische Staatsangehörige römisch-katholischen Glaubens aus der Stadt ... in der Provinz Fujian, wendet sich mit der Klage gegen die Ablehnung ihres Asylfolgeantrags.
Nach ihrer Einreise auf dem Landweg nach Deutschland im April 2003 stellte sie damals einen ersten Asylantrag. Zu dessen Begründung berief sie sich darauf, sie habe als aktive Katholikin vor Verfolgung fliehen müssen. Auf der Flucht an Bord eines Containerschiffs sei sie seinerzeit vergewaltigt worden. Davon sei sie schwanger geworden.
Dieser Asylantrag wurde mit Bescheid vom 3.7.2003 abgelehnt. Zugleich wurde mit diesem Bescheid festgestellt, dass weder die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 noch des § 53 AuslG (a.F.) vorliegen.
Im September 2003 gebar sie ihr Kind, das sie anschließend zur Adoption freigab. Ihre gegen den Asylablehnungsbescheid erhobene Klage wurde rechtskräftig abgewiesen (siehe VG Freiburg, U. v. 23.4.2004 - A 6 K 1102/03 608/99 -).
Mit einem - ebenfalls als Asylbewerber rechtskräftig abgelehnten - chinesischen Staatsangehörigen (siehe dazu VG Freiburg, U. v. 27.11.2003 - A 6 K 11079/03 -), der auch aus der Provinz Fujian stammt, den die Klägerin zunächst in der Asylunterkunft während ihres ersten Asylverfahren kennen gelernt und den sie später nach ihrer Umverteilung in Offenburg wieder getroffen hatte, hat sie zwei nichteheliche Kinder, nämlich zwei Söhne, die am … 2007 bzw. am … 2010 geboren sind und beide am … 2011 in Offenburg römisch-katholisch getauft wurden.
Am 8.12.2011 stellte die Klägerin, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, einen Asylfolgeantrag, mit dem Ziel, ihr nach Durchführung eines Asylfolgeverfahrens die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise das Vorliegen der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 - 7 AufenthG festzustellen.
Zur Begründung berief sie sich darauf, sie habe Anfang Oktober einen am 30.9.2011 in Germersheim aufgegebenen Brief eines Glaubensbruders erhalten, in dem eine Bescheinigung ihrer chinesischen Heimatkirche, nämlich der römisch-katholischen Erzdiözese Fuzhou in der Provinz Fujian, vom 26.8.2011 enthalten gewesen sei. Der Bescheinigung zufolge sei sie mit dem Taufnamen „T...“ am 7.8.1993 getauft worden und habe auch die heilige Kommunion empfangen. Ihr Vater sei nicht getauft. Ihre Mutter und ihre beiden Brüder, die beide auch das Sakrament der Ehe empfangen hätten, seien katholisch getauft. Die Klägerin habe sich in der Katholischen Jugendgemeinde aktiv an der Glaubensarbeit beteiligt. Sie habe auf ihrem Fluchtweg Verletzungen erlitten und lebe in einem Flüchtlingsheim zusammen mit einem Mann zusammen, von dem sie zwei Kinder habe. Außerdem berief sich die Klägerin darauf, dass nach einem Urteil des VG Düsseldorf rom-treue Katholiken in China Verfolgung ausgesetzt seien. Zudem berief sie sich darauf, dass sie mit der nicht-ehelichen Geburt ihrer beiden Söhne ohne Geburtserlaubnis der chinesischen Behörden gegen die Bestimmungen der chinesischen Ein-Kind-Politik verstoßen habe, so dass sie bei einer Rückkehr nach China dort Sanktionen befürchten müsse, die nach Urteilen des VG Meiningen und des VG Trier aus dem Jahre 2011 eine flüchtlingsrechtlich anerkennungswürdige Verfolgung darstellten. Insoweit sei das Verfahren nach § 49 VwVfG zumindest hinsichtlich des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG wiederaufzugreifen.
In einer handschriftlichen kurzen chinesischsprachigen Erklärung berief sich die Klägerin pauschal auf ihr drohende religiöse Verfolgung.
Außerdem legte sie eine Bescheinigung einer katholischen Kirchengemeinde in Offenburg vom 5.12.2011 vor, wonach sie mit ihren beiden Söhnen Sonntag für Sonntag an den Gottesdiensten teilnehme und bei vielen Veranstaltungen der Kirchengemeinde anwesend sei und sie und ihre Kinder für die Gemeinde eine Bereicherung darstellten und sie ihr Glaubensleben ernst nehme.
10 
Mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 10.9.2012 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) die Durchführung eines weiteren Asylverfahrensund auch den Antrag auf Abänderung des Bescheids vom 3.7.2003 hinsichtlich der dort getroffenen negativen Feststellungen zu § 53 Abs. 1 - 6 AuslG ab.
11 
Zur Begründung führte es aus, es fehle schon an einer schlüssigen Darlegung, dass der Klägerin nunmehr asyl- bzw. flüchtlingsrechtlich relevante religiöse Verfolgung in China drohe. Neue Umstände lägen insoweit nicht vor. Aus der vorgelegten Bescheinigung ergebe sich vielmehr sogar umgekehrt, dass sie eine Vielzahl von nahen Angehörigen in China habe, die dem gleichen Glauben anhingen, wie sie selbst, und die diesen Glauben nach wie vor problemlos in China ausüben könnten. Auch was die Ein-Kind-Politik angehe, werde diese offenbar in China nicht mehr so streng gehandhabt, wie der Umstand zeige, dass die Klägerin noch zwei Brüder habe, ohne dass ihre Eltern asylrelevante Probleme bekommen hätten. Offenbar werde also in ihrer Heimatprovinz die Ein-Kind-Politik nicht streng und rigoros gehandhabt. Schlimmstenfalls drohe ihr eine Geldstrafe wegen eines Verstoßes gegen diese Regelungen, wobei hier nicht ersichtlich sei, dass sie nicht in der Lage sein könne, diese nach Rückkehr - mit Hilfe ihrer Verwandten und ihrer Kirche - zu bezahlen.
12 
Nachdem dieser Bescheid am 28.3.2012 als Einschreiben zur Post gegeben wurde, Am 16.4.2012 hat die Klägerin dagegen Klage beim Verwaltungsgericht erhoben.
13 
Zur Begründung trägt sie vor, aus der vorgelegten Bescheinigung ergebe sich nicht, dass ihre Angehörigen in China problemlos ihren Glauben praktizieren könnten. Richtig sei vielmehr, dass sie sich aus Angst vor Repressalien sehr bedeckt halten müssten. Es liege auch ein Wiederaufgreifensgrund vor, denn erstmals Ende September habe sie durch ihren Prozessbevollmächtigten im Rahmen der Bearbeitung des Asylerstverfahrens ihres jüngsten Sohnes von der stattgebenden Entscheidung des VG Düsseldorf zur religiösen Verfolgung rom-treuer Katholiken und von den darin verwerteten Erkenntnismitteln erfahren. Die romtreuen Katholiken seien von Hausarrest, Festnahmen und Behinderungen ihrer Priester und Bischöfe bedroht, eine unbekannten Zahl von ihnen befinde sich im Gefängnis, zwischen April und Juni 2007 seien 100 ausländische Christen ausgewiesen worden. Nach einem BBC-Bericht vom 10.7.2012, den die Klägerin in Kopie vorlegte (GAS 41), dauere diese Gefährdungslage an. Das gelte auch für sie. Nach der vorgelegten Bescheinigung der katholischen Kirchengemeinde in Offenburg sei sie praktizierende, aktive römisch-katholische Christin. Vor ihrer Ausreise sei sie Mitglied des „Rosenbundes“, des Jugendverbandes ihrer Kirche gewesen. Dieser habe sich der Nächstenliebe für Arme verschrieben und regelmäßig zu Treffen in Wohnungen Gläubiger in Fouzhou getroffen. Sie habe regelmäßig an diesen Treffen teilgenommen und abends und in der Freizeit hilfsbedürftige Menschen aufgesucht. Ihre Mutter und ihr älterer Bruder, sowie ein Onkel und eine Tante mütterlicherseits seien im Erwachsenenverband tätig gewesen, Ihr jüngerer Bruder sei getauft, aber nicht aktiv gewesen. Der Vater habe sich nicht taufen lassen, die Aktivitäten der Familie aber geduldet. Das habe sie damals im ersten Asylverfahren unter dem Schock der Vergewaltigung nicht so detailliert angeben können. Ihr im September 2003 geborenes Kind habe sie zur Adoption freigegeben. Darunter habe sie in den ersten Jahren nach ihrer Einreise massiv gelitten. Insofern sei sie ausweislich eines, von ihr dem Gericht vorgelegten (GAS 73) nervenärztlichen Attests (vom 19.2.2014), seit langem in nervenärztlicher Behandlung, und ausweislich eines Gutachtens einer Behandlungsstelle für traumatisierte Flüchtlinge (GAS 77) leide sie an posttraumatischer Belastungsstörung, rezidivierender depressiver Störung, Angststörung und chronischer Schmerzstörung.
14 
Zur religiösen Verfolgung legte sie das Original ihrer Taufurkunde (GAS 61) und zwei Photos vor, die sie auf Umwegen Anfang/Mitte August 2012 von ihrer Mutter zugesandt erhalten habe. Das eine Photo zeige sie bei einem Treffen des Rosenbundes an einem geheimen Ort im Freien, das andere bei der Feier des Osterfestes im engen Kreis in der Wohnung der Familie. Die Taufbescheinigung sei auf Verlangen der Mutter ausgestellt worden, zum Schutz der Gläubigen stelle die Kirche aber normalerweise keine Taufbescheinigungen aus.
15 
Im Übrigen habe sie - wie die Urteile des VG Meiningen und des VG Trier und die darin verwerteten Auskünfte zeigten - in China wegen ihres Verstoßes gegen die Ein-Kind-Regelung, nämlich weil ihre beiden in Deutschland geborenen Söhne nichtehelich und nicht registriert seien, mit Verfolgung zu rechnen.
16 
Bei einer Rückkehr nach China drohe ihr infolge ihrer seelischen Erkrankung auch die Gefahr einer Retraumatisierung.
17 
Im Übrigen berufe sie sich, sollte einer ihrer Söhne in seinem jeweils eigenen Asylverfahren erfolgreich sein, auf Familienasyl bzw. internationalen Schutz für Familienangehörige nach § 26 AsylVfG (Ein für den ältesten Sohn gestellter Asylfolgeantrag wurde mit Bescheid vom 26.11.2013 abgelehnt, gegen den dieser im Parallelverfahren A 6 K 2555/13 klagt. Für den jüngeren Sohn wurde ein Asylerstantrag gestellt, der mit Bescheid vom 16.5.2011 abgelehnt wurde, gegen den dieser im Parallelverfahren A 6 K 1054/11 klagt).
18 
Die Klägerin beantragt,
19 
den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 27.3.2012 aufzuheben, und die Beklagte zu verpflichten, ihr die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise: ihr subsidiären Schutz zuzuerkennen, höchst hilfsweise: die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 bzw. 7 AufenthG vorliegt.
20 
Die Beklagte beantragt,
21 
die Klage abzuweisen.
22 
Sie verweist auf die Gründe des angefochtenen Bescheids.
23 
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten (1 Heft Gerichtsakten zum vorliegenden Verfahren, sowie 1 Heft beigezogene Gerichtsakten zum Asylerstverfahren der Klägerin - A 6 K 11062/03 - und 1 Heft Behördenakten) und die den Beteiligten mitgeteilten Erkenntnismittel verwiesen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden.
24 
Im Termin zur mündlichen Verhandlung - in dem die oben genannten Klagen der beiden Söhne der Klägerin zeitgleich parallel mitverhandelt wurden - ist die Klägerin angehört worden. Auf die hierzu angefertigte Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
25 
Die zulässige Klage ist bereits mit dem Hauptantrag begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Sie hat Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 113 Abs. 1 S. 1 und Abs. 5 S. 1 VwGO).
26 
Das Bundesamt ist (a) aufgrund des Folgeantrags des Klägerin gem. § 71 Abs. 1 S. 1 AsylVfG i.V.m. § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG verpflichtet, ein weiteres Asylverfahren durchzuführen, und (b) der Klägerin in diesem Zusammenhang die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen (§§ 1 Abs. 1 Nr. 2 , 3 Abs. 1 und Abs. 4 AsylVfG).
27 
(a) Die Sach- und Rechtslage hat sich nämlich gegenüber der dem Erstbescheid (im Zeitpunkt des Eintritts seiner Rechtskraft am 19.5.2004) zugrundeliegenden Sach- und Rechtslage geändert. Im hier für die Beurteilung der geltend gemachten Verpflichtung des Bundesamtes zur Durchführung eines Asylfolgeverfahrens maßgeblichen Zeitpunkt der heutigen gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 S. 1 AsylVfG) liegen genügend von der Klägerin rechtzeitig innerhalb der 3-Monatsfrist (§ 51 Abs. 3 VwVfG, § 71 Abs. 1 S. 1 AsylVfG) bzw. ohne Verschulden außerhalb dieser Frist vorgetragene und vorgelegte neue Beweismittel bzw. Erkenntnisse vor, die dem Grunde nach geeignet sein können, eine möglicherweise nunmehr andere Beurteilung des Asylantrags der Klägerin als im Asylerstverfahren zu rechtfertigen und diesbezüglich in eine erneute Sachprüfung einzutreten: Die beiden nichtehelichen Kinder sind erst nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils im Asylerstverfahren geboren. Das davor bereits im September 2003 geborene Kind hat die Klägerin zur Adoption freigegeben, so dass im ersten Verfahren der Verfolgungsgrund eines Verstoßes gegen die Ein-Kind-Regelung noch nicht relevant war, ganz abgesehen davon, dass ein infolge Vergewaltigung geborenes Kind wohl selbst nach den strengen chinesischen Regelungen mangels zurechenbaren eigenen Verhaltens nicht als sog. „unerlaubtes, nichteheliches Schwarzkind“ eingestuft worden wäre. Dass ein Verstoß gegen die Ein-Kind-Regelung flüchtlingsrechtlich bedeutsam sein kann, hat die Klägerin auch erst über ihren Prozessbevollmächtigten erfahren, als es um einen Asylerstantrag für ihren jüngsten Sohn ging und sie auf die Urteile des VG Trier und Meinigen aufmerksam gemacht wurde. Dass sie bis dahin als Laie nicht die Asylrechtsprechung und die Verhältnisse in China sowie die Auskunftslage zur Situation im Herkunftsland generell im Blick gehabt hat, kann ihr nicht vorgeworfen werden. Den Asylfolgeantrag hat sie jedenfalls alsbald gestellt, nachdem ihre beiden Söhne getauft worden sind und sie auch insoweit ihre Verbundenheit mit der katholischen Kirche augenfällig bekräftigt hatte. Insoweit hat sie auch die Bescheinigung der Kirchengemeinde rechtzeitig vorgelegt. Dass sie sich nicht schon vorher um Bescheinigungen ihrer deutschen Kirchengemeinde, bzw. Beibringung entsprechender Bescheinigungen ihrer chinesischen Heimatgemeinde gekümmert hat und ihre Kinder nicht schon hat früher taufen lassen, kann ihr nicht zum Vorwurf gemacht werden. Insoweit muss auch berücksichtigt werden, dass der Vater der Kinder, mit dem sie zusammenlebt, offenbar nicht wirklich auch hinter ihrem katholischen Glauben steht und sie deshalb nach wie vor noch nicht geheiratet haben. Zudem ist sie ausweislich der vorgelegten Unterlagen (insbesondere der Anamnese im Traumatisierungs-Gutachten) und ihres plausiblen Vortrags in der mündlichen Verhandlung wirklich seelisch angeschlagen und immer wieder krank, so dass sich der Kindesvater um die Kinder kümmern muss, was er augenfällig auch in der mündlichen Verhandlung tat. Ihre seelische Belastung ist zudem aufgrund des Umstandes plausibel und nachvollziehbar, dass sie wohl tatsächlich seinerzeit auf der Flucht vergewaltigt wurde, was sie von Anfang an so vorgetragen hat, wofür insbesondere der Umstand der alsbaldigen Freigabe des daraus erwachsenen Kindes zur Adoption spricht, und was schließlich auch die ständige nervenärztliche Behandlung sowie insbesondere das Traumatisierungs-Gutachten belegen. All diese Umstände aber sind gewiss einem rationalen, zeitgerechten und koordinierten sachkundigen Verfahrensverhalten in Bezug auf die rechtzeitige Vorlage von Unterlagen bzw. die entsprechende unverzögerte Stellung eines Folgeantrags abträglich, so dass ihr kein Vorwurf einer Verfahrensverzögerung bzw. einer Versäumung der Drei-Monatsfrist gemacht werden kann.
28 
Nach allem hat sie damit aber Umstände im Folgeverfahren vorgetragen, die nunmehr eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung wegen Verstoßes gegen die Ein-Kind-Politik als denkbar erscheinen lassen und jedenfalls auch eine Verbundenheit zum katholischen Glauben und zu der in China besonders angefeindeten römisch-katholischen Kirche belegen, welche zwar nach wie vor nicht geeignet ist, eine deshalb bereits seinerzeit erlittene (laut Asylersturteil des VG Freiburg infolge zahlreicher Widersprüche und Ungereimtheiten unglaubhafte) Vorverfolgung nunmehr schlüssig zu belegen, welche aber im Zusammenhang mit der Frage bedeutsam sein kann, wie rigide und rücksichtslos ihr gegenüber die Ein-Kind-Regelung durchgesetzt werden wird (siehe insoweit VG Freiburg, U. v. 27.7.2012 - A 6 K 1563/10 und VG Bremen, U. v. 5.6.2012 - 6 K 3664/07.A -, juris Rdnr. 25 zur entsprechenden Nachteiligkeit eines katholischen Glaubenshintergrundes in diesem Zusammenhang).
29 
(b) Der mithin zu prüfende Folgeantrag ist auch begründet. Die Klägerin ist Flüchtling im Sinne des Art. 1 A Ziff. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK - Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.7.1951 - BGBl. 1953 II S. 559, 560). Denn sie befindet sich gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 a AsylVfG aus begründeter Furcht vor einer Verfolgung wegen Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Eltern der unter Verstoß gegen die Regelungen der chinesische Ein-Kind-Politik geborenen chinesischen Kinder außerhalb ihres Heimatstaates China, dessen Schutz sie wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Gemäß § 3 Abs. 4 AsylVfG ist ihr deshalb die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
30 
Nach wie vor gilt in China die sogenannte Ein-Kind-Politik, nämlich das „Bevölkerungs- und Familienplanungsgesetz“ vom 1.9.2002 (siehe AA Lagebericht China v. 18.6.2013 - II. 1.8. S. 24). Danach darf eine Frau ein einziges Kind bekommen und auch das nur, wenn sie - anders als hier die Klägerin - verheiratet ist. Ein verheiratetes Paar muss insoweit eine bestimmte Altersgrenze überschritten haben und vor der Geburt eine Geburtsgenehmigung eingeholt haben, weil Männer erst mit 22 Jahren und Frauen erst mit 20 Jahren heiraten dürfen (Art. 6 des chinesischen Heiratsgesetzes - siehe Refugee Documentation Centre (Ireland) - Legal Aid Board - Auskunft v. 14.10.2011 - unter www.ecoi.net und www.asyl.net -dort unter Länderinformationen/China).
31 
Auch wenn in jüngster Zeit Rufe nach einer Abschaffung der Ein-Kind-Politik immer lauter und drängender geworden sein mögen (siehe BayVGH, B. v. 9.9.2013 - 2 ZB 13.30255 - juris, Rdnr. 9 und VG Bayreuth, U. v. 2.7.2013 - B 3 K 13.30042 - UAS. 5 unter Verweis auf DIE ZEIT-online http://www.zeit.de/politik/ausland/2012-10/China-ein-kind-politik-reform, wonach ein „regierungsnahes Forschungsinstitut“ in China die schrittweise Abschaffung dieser Politik bis 2015 „gefordert“ habe; siehe insoweit auch www.zeit.de/wissen/2013-01/china-ein-kind-politik-studie - schon vom 11.1.2013 - zu den negativen psycho-sozialen Auswirkungen der Ein-Kind-Politik und Berichten chinesischer Medien, wonach die Regierung diese „schrittweise abschaffen wolle“), bedeutet dies (noch) nicht, dass diese Regelungen im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der heutigen mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 S. 1 AsylVfG) nicht mehr gelten, weil sie etwa oder förmlich bzw. de-facto abgeschafft sind oder nicht mehr praktiziert würden (so auch Amnesty international - Auskunft v. 15.1.2014 an VG Augsburg, wonach eine Reform der Ein-Kind-Politik vom Dezember 2013 regelt, dass künftig Paare, bei denen ein Partner Einzelkind ist, zwei Kinder haben können, ansonsten aber die Geburtenkontrollpolitik nicht aufgehoben worden sei). Dafür, dass in allernächster Zukunft diese Regelungen außer Kraft gesetzt würden, ist also kein Anhaltspunkt vorhanden. Entsprechende Spekulationen zum Nachteil der Klägerin verbietet sich von daher.
32 
Ausnahmen von der Ein-Kind-Regelung - die im vorliegenden Fall allerdings nicht einschlägig sind - betreffen verheiratete Paare auf dem Lande, denen ein Zweitkind zugestanden wird, wenn das erste Kind ein Mädchen ist (siehe AA Lagebericht China v. 18.6.2013 - II. 1.8. S. 24; siehe zu speziellen Ausnahmeregelungen der Familienplanungsvorschriften für verheiratete Paare und obendrein für verheiratete Paare auf dem Land in der Provinz Fujian, aus der die Klägerin stammt, die detailreichen Angaben in: Immigration and Refugee Board of Canada, China - Family Planning Laws, v. 1.10.2012 - dort Ziff. 2.2.2 - unter www.ecoin.net und unter www.asyl.net - Asylmagazin 12/2012 bzw. in www.asyl.net unter Länderinformationen/China).
33 
Da die Klägerin selbst kein Einzelkind ist, sondern aus einer Familie mit mehreren Kindern stammt, würde es in ihrem Fall nicht einmal etwas helfen, den Vater ihrer nichtehelichen Kinder, mit dem sie immerhin zusammenlebt, zu heiraten, um so die Ausnahmemöglichkeiten in Anspruch zu nehmen und Sanktionen zu vermeiden.
34 
Ganz abgesehen davon kann ihr auch nicht einfach angesonnen werden, wenigstens den „Makel“ der nichtehelichen Geburt durch eine solche Heirat auszuräumen, um so Verfolgung zu vermeiden. Denn wie sie in der mündlichen Verhandlung überzeugend und plausibel sowie spontan vortrug, steht aus ihrer Sicht einer Heirat noch entgegen, dass sich ihre Ehemann, der nicht katholisch, sondern buddhistischer Herkunft ist, bislang nicht bereitgefunden hat, katholisch zu werden. Er wird zwar in der vorgelegten Taufbescheinigung von der deutschen Kirchengemeinde als Katholik geführt, aus der Bescheinigung der Kirchengemeinde zum Kirchgang und zu der Beteiligung am Gemeindeleben ergibt sich aber in aller Deutlichkeit, dass nur die Klägerin mit ihren beiden Söhnen aktiv am Gemeindeleben teilnimmt, während deren Vater mit keinem Wort erwähnt wird. Sie hat das auch in der mündlichen Verhandlung selbst angegeben, nämlich darauf hingewiesen, dass ihr Mann an sich Buddhist sei und nicht den katholischen Glauben praktiziere. Ob und wann die Klägerin aber heiratet, ist ihre freie Entscheidung und darf ihr deshalb nicht durch Versagung des Flüchtlingsschutzes gewissermaßen aufgezwungen werden. Hier kommt auch hinzu, dass die Beziehung zum Vater der Kinder durchaus infolge der Traumatisierung der Klägerin durch ihre Vergewaltigung laut Traumatisierungs-Gutachten nicht spannungsfrei und unbelastet ist. Der im Termin anwesende Vater der Söhne der Klägerin kümmerte sich zwar um das ebenfalls anwesende jüngste Kind, wirkte aber sonst teilnahmslos, seiner Mimik nach angespannt, frustriert und verbittert. Es schien ganz so, als handle es sich bei der Beziehung der Klägerin zu ihm eher um eine aus der Not heraus geborene Vernunftgemeinschaft als um eine aufrichtig gelebte der Ehe gleichkommende intensive Beziehung. Dass insoweit bislang von einer Heirat nicht die Rede ist und eine solche auch in absehbarer Zukunft nicht zu erwarten ist, liegt für das Gericht nach allem auf der Hand.
35 
Die Geburtenkontrollpolitik gilt im Grundsatz auch für Chinesen, die im Ausland leben und dort Kinder bekommen. Wer im Ausland als Kind chinesischer Eltern geboren wird, ist nach Art. 5 des chinesischen Staatsangehörigkeitsgesetzes auch chinesischer Staatsangehöriger, es sei denn die beiden Elternteile haben sich dauerhaft im Ausland niedergelassen oder einer von ihnen hat eine ausländische Staatsangehörigkeit angenommen. Informationen, dass dies bei nicht-ehelichen Kindern und solchen, die unter Verstoß gegen die Geburtenkontrollreglungen geboren wurden, finden sich insoweit nicht. Auch wenn es keine ausdrückliche Regelung gibt, dass Auslandschinesen eine Geburtserlaubnis bei der chinesischen Botschaft im Aufenthaltsstaat einholen müssen, ist doch die dokumentierte Einholung eines Rates der nächstgelegenen Botschaft angezeigt, da ein solcher Nachweis nach Rückkehr für die Haushaltsregistrierung (Hukou) verlangt werden kann. Grundsätzlich können auch Auslandschinesen wegen einer nach den genannten Regeln unerlaubten Geburt eines Kindes im Ausland zu einer Bußgeldzahlung herangezogen werden (so Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 8 - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net).
36 
Sonderregelungen für Auslandsrückkehrer in der Provinz Fujian - aus der die Klägerin stammt -, die sicherstellen, dass diese ihre im Ausland außerhalb der Geburtenkontrollregelungen geborenen Kinder registrieren können und dass diese auch sonst keine Nachteile erfahren, gibt es nicht (so jüngst Amnesty International, Auskunft v. 15.1.2014 an VG Augsburg; siehe im Übrigen BayVGH , B. v. 9.9.2013 - 2 ZB 13.30255 - juris, Rdnr. 10 und VG Arnsberg, U. v. 7-3.2013, wonach es in der Provinz Fujian eine Sonderregelung gebe, die einem verheirateten Auslandsrückkehrpaar ein zweites Kind erlaube; das VG Bayreuth, U. v. 2.7.2013 - B 3 K 13.30042 -, UA S. 9 verweist hierzu auf eine Auskunft von ai an VG Trier vom 18.4.2011 wonach Auslandsrückkehrern in Fujinan ein zweites Kind erlaubt sei- damit sind aber wohl im Grundsatz auch nur verheiratete Paare gemeint). Aus anderen Auskünften ergibt sich auch nur, dass Auslandsrückkehrer nur dann keine Sanktionen wegen Verstößen gegen die Geburtenkontrollpolitik befürchten müssen, wenn - anders als im vorliegenden Fall der Klägerin und der Vaters ihrer Söhne als abgelehnte Asylbewerber ohne Ausbildung und Berufstätigkeit in Deutschland - an ihrer Rückkehr wegen ihrer Ausbildung und Wirtschaftskraft ein Interesse des chinesischen Staates besteht, bzw. dass eine Wiedereinreise nach China Frauen nur im schwangeren Zustand erlaubt wird, wenn das andere Kind permanent im Ausland lebt (OVG Saarland, U. v. 20.10.1999 - 9 R 24/98 - UA S. 29 unter Verweis auf Scharping, Auskunft v. 25.3.1999 an VG Leipzig; ferner ai, Auskunft v. 4.6.2002 an VG Köln und Auskunft v. 21.4.2011 an VG Trier, sowie Scharping, Auskunft v. 28.10.1999 an VG Leipzig; siehe auch Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 1, 2 - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net -, wonach Auslandschinesen nur bei dauerhaftem Wohnsitz im Ausland bzw. nur dann nicht, wenn sie im Ausland studiert haben, unter die Ein-Kind-Regelung fallen, also zwei Kinder haben dürfen, wonach aber nicht eindeutig klar sei, dass dies auch für einzelne nicht-eheliche unerlaubte „Schwarzkinder“ gelte; zu einer tatsächlich durchgeführten Zwangssterilisierung einer aus dem Ausland in die Provinz Fujian mit zwei Kindern zurückkehrenden Chinesin im Jahr 2010 - siehe ai- Auskunft v. 15.1.2014 an VG Arnsberg).
37 
Unterfallen nach allem die Söhne der Klägerin als nichtehelich geborene Kinder einer (Auslands-) Chinesin den genannten Regeln, so stellt sich ihre Geburt nicht nur als formell unerlaubt, sondern als nicht genehmigungsfähig mit der Folge dar, dass sie als solche auch nicht registriert werden.
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Auch wenn das chinesische Gesetz selbst die Gleichstellung von ehelichen und nicht-ehelichen Kindern ausdrücklich gebietet und Diskriminierung insoweit eindeutig verbietet (Art. 19 des Heiratsgesetzes - siehe dazu Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 4 - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net), knüpfen doch die Geburtenkontrollregelungen empfindliche Nachteile an den Umstand der unerlaubten nichtehelichen Geburt:
39 
Eine nichteheliche Mutter muss nämlich ein extrem hohes Bußgeld im Umfang von vier bis sechs Jahresdurchschnittsgehältern zahlen (so zur Regelung in der Provinz Fujian, aus der die Mutter des Klägerin stammt Immigration and Refugee Board of Canada, China - Family Planning Laws, v. 1.10.2012 - dort Ziff. 2.2.2 und 2.2. - unter www.ecoin.net und unter www.asyl.net - Asylmagazin 12/2012; ebenso Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 1, 2 - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net).
40 
Dass die Klägerin ein solches exorbitantes Bußgeld sollte zahlen können, kann nicht einfach unter Hinweis darauf unterstellt werden, sie bzw. ihre Familie habe ja auch durch die damalige Finanzierung ihrer Ausreise und Einreise nach Deutschland eine entsprechende Finanzkraft demonstriert (in diesem Sinne zu einem solchen Fall aber . VG Bayreuth, U. v. 2.7.2013 - B 3 K 13.30042 -, UA S. 9; ebenso VG Augsburg, U. v. 28.1.2014 - Au 2 K 13.30246 -juris, Rdnr. 39). Denn sie ist hier schon 2003 als mittelloser Flüchtlinge nach Deutschland gekommen und zwar offenbar nicht im Zuge einer durch aufwendige Geldbeträge sichergestellten bequemen Schleusung mit Hilfe von falschen Papieren und an Bord eines Flugzeugs, sondern auf primitivste und damit wohl auch billigste Weise in einem Schiffscontainer, wo sie obendrein noch vergewaltigt wurde. Seither lebt hier sie hier - ebenso wie der Vater ihrer Söhne - nach Ablehnung des Asylantrags von staatlichen Leistungen. Ihr wurde deshalb auch Prozesskostenhilfe wegen Mittellosigkeit bewilligt. Von daher kann nicht davon ausgegangen werden, sie habe über die Jahre hinweg im Umfang von mehreren tausend bis zigtausend Euro Ersparnisse anhäufen können, aus denen sie nach einer Rückkehr in China die entsprechenden Bußgelder werde zahlen und so die mit der Ein-Kind-Regelung verbundenen Sanktionen werde abwenden können.
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Zu ihren Lasten kann auch nicht einfach spekuliert werden, ihre Familie sei in der Lage ein mehrfaches Jahreseinkommen für sie aufzubringen. Insofern wäre auch zu berücksichtigen, dass sich die Finanzkraft von Flüchtlingsfamilien erfahrungsgemäß häufig bereits mit der Finanzierung der Ausreise erschöpft hat und nicht selten eher umgekehrt von Rückkehrern aus dem vermeintlich „goldenen“ Westen eine Rückzahlung dieser Beträge und vor allem das Einbringen neuer Finanzmittel in die Familienkasse erwartet wird. Auch von einer staatlicherseits mit Misstrauen beobachtende Kirche, die sich aus Angst vor Repressalien bedeckt halten und zum Teil in Privatwohnungen bzw. im Geheimen im Freien Zusammenkünfte abhalten muss, kann nicht ohne Weiteres eine Übernahme einer solch großen Bußgeldsumme erwartet werden. Die chinesische Heimatkirche der Klägerin hat sich ihrem Vorbringen zufolge zwar unter anderem der Armenfürsorge verschrieben hat, was aber noch lange nicht heißt, dass es sich hier um eine äußerst finanzkräftige Organisation handelt, die ohne Weiteres zu einer solch enormen Zahlung überhaupt in der Lage wäre. Ganz abgesehen davon wäre noch fraglich, inwieweit die chinesischen Heimatgemeinde - anders als wohl die hiesige deutsche Gemeinde - nichteheliche Kinder vor dem Hintergrund katholischer Glaubenslehrsätze überhaupt akzeptiert.
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Wird das Bußgeld aber nicht gezahlt, so ist eine „Legalisierung“ eines unerlaubt geborenen Kindes nicht möglich mit der Folge, dass ohne die Geburtsregistrierung dann auch keine Haushaltsregistrierung (sog. „Hukou“) erfolgt, ohne die dann wiederum ein solches „unerlaubtes Schwarzkind“ vom Recht auf Schulbesuch, auf Teilhabe an sozialen Leistungen und von der staatlichen Gesundheitsversorgung komplett ausgeschlossen wird (AA Lagebericht, China v. 18.6.2013 - II. 1.8. S. 25; Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 4 - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net; Immigration and Refugee Board of Canada, China - Family Planning Laws, v. 1.10.2012 - dort Ziff. 3.4 - unter www.ecoin.net und unter www.asyl.net - Asylmagazin 12/2012).
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Dass diese strengen Regelungen der Geburtenkontrolle im Zuge einer generellen Lockerung in der Praxis etwa nicht mehr so streng gehandhabt würden, lässt sich nicht feststellen. Nach alle oben zitierten sehr detaillierten Auskunftsquellen (siehe ergänzend auch ACCORD, Auskunft v. 29.1.2009 zum Thema China/Frauen/Ein-Kind-Politik; Rückkehr mit zwei Söhnen - unter www.ecoi.net) gilt - insbesondere auch für die Heimatprovinz der Klägerin (Fujian) - dass dort die Geburtenkontrollpolitik gegenüber alleinerziehenden, unverheirateten Müttern unehelicher Kinder trotz womöglich phasenweiser Lockerungen nach wie vor rigoros bis hin zum Einsatz von Mitteln wie Zwangssterilisierungen der Mütter, Zwangsabtreibungen oder massivem Druck zur „freiwilligen“ Abtreibung durchgesetzt wird. Auch wenn hier und da einzelne Beamte für solche nach chinesischem Recht inzwischen illegalen Maßnahmen zur Rechenschaft gezogen werden, kommt es doch nach allen vorliegenden Berichten „recht häufig [fairly frequently]“ bzw. „immer wieder“ zu solchen Eingriffen und Sanktionen (gerade jüngste Pressemeldungen zeigen deutlich, dass solche Eingriffe und Übergriffe in China durchaus „an der Tagesordnung“ sind - vgl. etwa spiegel-online, www.spiegel.de/politik/ausland vom 15.6.2012 und NZZ-online vom 15.7.2012 [www.nzz.ch/aktuell/ international/abtreibung-unter-zwang-1,17357004, wonach jüngst in der Provinz Shanxi Funktionäre eine Zwangsabtreibung bei einer im 7. Monat schwangeren 23 Jahr alten Chinesin vornahmen. Diesen Meldungen ist auch zu entnehmen, dass in jüngster Zeit nicht nur mehrere Bericht über Zwangsabtreibungen in China die dortige Öffentlichkeit erschütterten, sondern dass insbesondere auch Ende April 2012 in der Provinz Fujian Beamte ein ungeborenes Kind mit der Giftspritze töten ließen. Zwar wurde im Fall aus Shanxi eine Entschädigung zugesprochen und der Beamte suspendiert, eine strafrechtliche Aufarbeitung fehlte aber und das alles geschah auch nur auf Druck der Medien, nachdem der Kindesvater, der protestierte hatte, von den Behörden tagelang festgenommen worden war, und das von ihm im Internet veröffentlichte Foto seiner Frau mit dem toten Fötus Fall hohe Wellen schlug, die auch die chinesische Staatspropaganda nicht mehr ignorieren konnte. Auch der bekannte blinde chinesische Menschenrechtsanwalt Chen Guangcheng, der Frauen vertrat, die Opfer von Zwangsabtreibungen geworden war, und ihre Fälle zu Gericht brachte, wurde wegen dieses Engagements zu vier Jahren Haft verurteilt, nach der Haftzeit unter Hausarrest gestellt und wiederholt zusammengeschlagen, bis ihm jüngst im April 2012 spektakulär die Flucht in die amerikanische Botschaft gelang, von wo aus er schließlich in die USA ausreisen durfte [http://de.wikipedia.org/wiki/Chen-Guangchen]).
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Wenn aber demnach schon solche Übergriffe auf die nichtehelichen Mütter beachtlich wahrscheinlich sind, dann kann davon ausgegangen werden, dass erst recht die „bloßen“ Sanktionen einer Registrierungsverweigerung und die damit verbundenen massiven rechtlichen und sozialen Nachteile für die Kinder beachtlich wahrscheinlich sind. Das ergibt sich auch aus dem jüngsten Lagebericht des Auswärtigen Amtes aus dem Jahr 2013.
45 
In ihrer Kumulation stellten aber die auf diese Weise vom chinesischen Staat für die Klägerin als Mutter nichtehelicher, unerlaubter „Schwarzkinder“ bewusst und gezielt verursachten Nachteile einen Verfolgungseingriff mit dem Gewicht einer schweren Menschenrechtsverletzung dar, wie sie vom Flüchtlingsbegriff vorausgesetzt wird (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2, sowie Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 6 AsylVfG in Verbindung mit Art. 9 Abs. 1a und Abs. 2 QRL [Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU]). Über bloße für sich genommen unerhebliche Diskriminierungen gehen solche Folgen weit hinaus, da sie das Leben des Betroffenen grundlegend entwerten. Insofern schließt sich das Gericht der Auffassung des VG Meiningen und des VG Trier an (VG Meiningen, U. v. 6.4.2011 - 8 K 20205/09.Me, juris; VG Trier, U. v. 23.3.2011 - 5 K 442/10.TR- , juris = InfAuslR 2011, 219 = Asylmagazin 7-8/2011, S. 243 und U. v. 11.7.2012 - 5 K 433/12.TR -, juris).
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Die grundlegende Verweigerung einer Geburtsregistrierung und zusätzlich einer Hukou-Registrierung für die nichtehelichen und in jedem Fall die erlaubte Zahl übersteigenden Kinder der Klägerin, die im totalitär durchstrukturierten, bürokratisch durchorganisierten chinesischen Staat Grundlage für alle weiteren verwaltungsrechtlichen Rechtsanerkennungen (Umzug, Arbeit, Meldepflicht, Krankenhausleistung, Schulbesuch, Personalausweis) ist (siehe AA, Auskunft v. 8.6.2006 an VG Braunschweig und v. 11.4.2011 an VG Köln), grenzt den Betroffenen massiv aus der staatlich verfassten Friedensordnung aus, zwingt diese Kinder so in die Illegalität und verletzt das grundlegende Menschenrecht auf Teilhabe an dieser gemeinschaftlichen Friedensordnung und auf Anerkennung als Rechtsperson (Art. 6 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte - UN Generalversammlung, Resolution 217/III v. 10.12.1948: Jedermann hat überall Anspruch auf Anerkennung als Rechtsperson; Art. 16 Internationaler Pakt über bürgerliche und private Rechte [IPbpR] v. 19.12.1966 - BGBl. 1973, II S. 1534: Jedermann hat das Recht, überall als rechtsfähig anerkannt zu werden, und Art. 24 Abs. 2 IPbpR: Jedes Kind muss unverzüglich nach seiner Geburt in ein Register eingetragen werden und einen Namen erhalten). Eine solche Ausgrenzung, wie sie durch die Verweigerung von Geburtsregistrierung und Hukou-Registrierung bewirkt wird, kommt somit in ihren verwaltungstechnischen Folgen einer Ausbürgerung nahe, deren Charakter als Verfolgungseingriff von ausreichender menschenrechtsverletzender Intensität anerkannt ist (BVerwG, U. v. 26.2.2009 - 10 C 50.07 - AuAS 2009, 175 = ZAR 2009,319 = BVerwGE 333,203).
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Dass es nach Auskunft des Auswärtigen Amtes zeitweise möglich sein kann, auch länger Behördenkontakt zu vermeiden und sich illegal in einer chinesischen Stadt aufzuhalten, und dass auch gefälschte Unterlagen und Personalausweise in China erhältlich sind (siehe AA, Auskunft v. 8.6.2006 an VG Braunschweig), ist dabei unbeachtlich, denn ein Leben in der Illegalität darf flüchtlingsrechtlich niemandem als Alternative zum Verfolgungsschutz angesonnen werden (so BVerwG, U. v. 1.2.2007 - 1 C 24.06 - AuAS 2007, 68 = juris zur Unzumutbarkeit einer inländischen Fluchtalternative, wenn nur ein Leben in der Illegalität unter der dauernder Gefahr polizeilicher Kontrollen und Strafsanktionen möglich ist).
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Diese Verfolgungsmaßnahme in Form einer Rechtlosstellung der Kinder knüpft auch an ein flüchtlingsrechtlich relevantes Merkmal an, nämlich an ihre uneheliche, unerlaubte Geburt, und damit an ihre Zugehörigkeit zu der sozialen „Gruppe der illegal geborenen nichtehelichen chinesischen Kinder“ (§§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3a Abs.3, 3b Abs. 1 Nr. 4a) und b). Diese Gruppe ist sozial klar definiert und erkennbar und von der übrigen Gesellschaft abgrenzbar und wird von der Bevölkerung auch als solche wahrgenommen. Die Anknüpfung der Sanktion an die Zugehörigkeit zu dieser Gruppe macht diese Kinder gewissermaßen für ihr So-Sein haftbar, indem sie diesen wegen ihres für sie unabänderlichen, irreversiblen und unvertretbaren Persönlichkeitsmerkmals ihrer unehelichen Geburt Nachteile bereitet. Damit macht sie die Sanktion nicht für eigenes Verhalten verantwortlich, sondern für das Verhalten Dritter, nämlich ihrer Eltern, für das sie naturgemäß nichts können. Das aber wiederum ist genauso willkürlich und diskriminierend, wie eine an die Hautfarbe oder ethnische Volkszugehörigkeit anknüpfende Sanktion. Der „Geburtsmakel“ der unehelichen Geburt ist angeboren. Nichteheliche Kinder werden in China auch (i.S.d. § 3b Abs. 1 Nr. 4 b AsylVfG) von der Gesellschaft auch als andersartig betrachtet, nämlich sozial stigmatisiert und werden ebenso wie ihrer Mütter nach wie vor durch die insoweit mit tief verwurzelten Vorurteilen behaftete chinesische Gesellschaft mit Mitleid und Verachtung betrachtet (so ausführlich mit Quellenangaben Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 2 - 6 [Ziff. 2 A, B und Ziff. 3 sowie Ziff. 5] - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net).
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Dem lässt sich entgegen der in der überwiegenden verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung vertretenen Ansicht nicht entgegenhalten, bei diesen Sanktionen (gleich ob sie die nichtehelichen Mütter mit Zwangsabtreibungen, bzw. die Mütter und Väter mit Zwangssterilisationen oder -adoptionen oder aber die -unerlaubten, überflüssigen - Kinder mit den dargestellten Formen der Rechtlosstellung treffen) handle es sich nicht um eine Verfolgung, die an das Persönlichkeitsmerkmal der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe anknüpfe. Die chinesische Geburtenkontrollpolitik und die oben genannten gesetzlichen Regelungen des Bevölkerungs- und Familienplanungsgesetzes allgemein, finde nämlich gleichermaßen und ohne jede weitere Differenzierung auf alle chinesischen Staatsbürger Anwendung und dieses allgemeine Gesetz verfolge insoweit eben gerade nicht das Ziel der Diskriminierung einer bestimmten Bevölkerungsgruppe (etwa einer Minderheitengruppe wie der Tibeter oder Uiguren). Vielmehr ziele es lediglich darauf ab, ganz allgemein die Geburtenrate aller Chinesen im Blick auf das Bevölkerungswachstum in diesem sehr bevölkerungsreichen Land einzugrenzen, um so soziale und wirtschaftliche Missstände zu vermeiden, die andernfalls mit einer zunehmenden Überbevölkerung einhergingen (siehe dazu die Rechtsprechungsübersicht bei VG Würzburg, B. v. 28.8.2013 - W 6 S 13.30278 -, juris, Rdnr. 14; siehe auch die Rechtsprechungsnachweise der in diesem Sinne urteilenden obergerichtlichen Rechtsprechung des BayVGH, des OVG NRW und des NdsOVG bei VG Augsburg, U. v. 28. 1.2014 - Au 2 K 13.30246 -, juris, Rdnr. 36 und 37).
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Diese Auffassung greift indessen zu kurz, weil sie lediglich das politische, für sich genommen legitime Fernziel einer Kontrolle des Bevölkerungswachstums in den Blick nimmt und sich dadurch den Blick auf die zur Erreichung dieses Ziels in China angewendeten menschenrechtswidrigen Zwangsmethoden der Ausgrenzung verstellt. Die Methoden der Kontrolle des Bevölkerungswachstums beschränken sich nämlich gerade nicht auf menschenrechtlich unbedenkliche Methoden wie Aufklärung, Bereitstellung von Mitteln zur Empfängnisverhütung, Einführung von Rentenversicherungsmodellen um den Anreiz für möglichst viele Kinder zu nehmen, Einführung von Bildung für Frauen, Modelle finanzieller/steuerlicher Anreize bei geringer Kinderzahl etc. Vielmehr verletzen sie das durch alle Menschenrechtspakte geschützte grundlegende Recht aller Menschen, eine Familie zu gründen, nämlich Kinder zu haben, und dabei als freie Menschen in eigener wirtschaftlicher und sozialer Verantwortung die Zahl ihrer Kinder selbst zu bestimmen (siehe Art. 16 Nr. 1 S. 1 und Nr.3 AEMR, Art. 23 Abs. 1 und Abs. 2 des - auch von China gezeichneten - IPbpR, Art. 12 EMRK, Art. 6 GG). Dieses grundsätzlich anerkannten Menschenrecht schützt das dem Menschsein innewohnende Grundbedürfnis nach Reproduktion (ausführlich dazu und auch zu menschenrechtlich unbedenklichen Methoden der Geburtenkontrolle Saona, „The Protection of Reproductive Rights under International Law: The Bush Administration´s Policy Shift and China´s Family Planning Activities“, Pacific Rim Law & Policy Journal,. Volume 13 No.1, January 2004, page 229 [236, 239, 253, 254] - im internet unter google auffindbar; siehe ferner Mückl in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, 2010, Bandd VI/1, Europäische Grundrechte, § 141 „Ehe und Familie“ -, S. 191 [196, 206, 208). Mit Zwangssterilisationen, Zwangsadoptionen, Zwangsabtreibungen usw. wird die „Gruppe derjenigen Chinesen getroffen, die dieses Menschenrecht auf Familiengründung und Reproduktion ausüben“. Ihnen wird die (weitere) Ausübung dieses Grundrechts schon biologisch-physisch unmöglich gemacht bzw. die Rechtsausübung wird durch die Rechtlosstellung der in Ausübung des Grundrechts geborenen Kinder sanktioniert, obwohl dieses Menschenrecht keinem spezifischen Schrankenvorbehalt unterliegt, der solche Eingriffe rechtfertigen könnte (siehe dazu Mückl, a.a.O. Handbuch der Grundrechte, S. 208, wonach etwa eine Zwangssterilisation/Kastration nur in sehr engen Grenzen gerechtfertigt sein könnte, etwa im Rahmen von § 1905 BGB oder zum Schutz der Allgemeinheit vor gefährlichen Sexualverbrechern; siehe ferner General Comment des Ausschusses für Menschenrechte zum IPbpR, Nr. 19 [39] zu Art. 23 IPbpR vom 24.7.1990 - Unterziffer 2 und 4, sowie insbes. 5, wonach eine Politik der Familienplanung mit den Bestimmungen des Paktes verträglich und insbesondere weder diskriminierend „noch zwangsmäßig“ sein darf; beide Quellen im internet unter google auffindbar). Mit anderen Worten, die Ein-Kind-Politik knüpft an das So-Sein, nämlich an das „Eltern-Sein“ an bzw. an ein Verhalten an, auf das zu verzichten dem Einzelnen deswegen nicht zugemutet werden kann, weil es sich um ein menschenrechtlich geschütztes Verhalten handelt, er sich also so verhalten darf. Die Verfolgung steht damit der Verfolgung in Anknüpfung an eine politische oder religiöse Überzeugung oder an eine sexuelle Orientierung und Präferenz gleich, bei der es nicht um ein angeborenes Merkmal geht, sondern darum, dass das Haben-Dürfen und Äußern-Dürfen einer solchen Überzeugung oder Präferenz als menschenrechtlich geschütztes Verhalten rechtlich keinen tauglichen Anknüpfungspunkt für Sanktionen darstellen darf. Gibt es aber insoweit keinen solchen legitimationskräftigen Anknüpfungspunkt, so stellt es eine Diskriminierung dar, gleichwohl daran anzuknüpfen. Vor einer Verletzung des Diskriminierungsverbots schützt aber der Flüchtlingsbegriff mit seiner Aufzählung insoweit nicht legitimationskräftiger persönlicher Merkmale, an die Verfolgung nicht anknüpfen darf (zum Schutz des So-Seins und So-Sein-Dürfens als Kern des Verfolgungsmerkmals der sozialen Gruppenzugehörigkeit und zu dem dabei anzuwendenden internationalen Menschenrechtsstandard als Maßstab: GK-AufenthG, II - § 60 AufenthG, Rdnr. 18). Wie bei allen flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgungen geht es auch bei der Ein-Kind-Politik letzten Endes um die Unterdrückung von menschenrechtlich grundlegend geschützten Lebensäußerungen, nämlich hier eine Familie zu gründen und Nachwuchs zu zeugen.
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Insofern knüpft auch die Ein-Kind-Politik mit ihrem Übergriff auf das Menschsein selbst, zu dem auch das Familie- und Elternsein zählt, an ein „Merkmal“, das „so bedeutsam für die Identität“ als Mensch ist, dass der Betroffene (rechtlich betrachtet) „nicht gezwungen werden sollte, darauf zu verzichten“. Damit stellt sie im Sinne von § 3 b Abs. 1 Nr. 4 a) AsylVfG eine Verfolgung in Anknüpfung an die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe dar.
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Daran ändert es nichts, dass selbstverständlich das Verfolgungsmerkmal eine Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe nicht schon dann vorliegt, wenn die alleinige Gemeinsamkeit der Gruppe darin besteht, dass die Gruppenmitglieder gegen ein Gesetz verstoßen und deshalb sanktioniert werden (dazu GK-AufenthG, II- § 60 AufenthG, Rdnr. 171), dass also beispielweise die Ahndung von Trunkenheitsfahrten im Straßenverkehr natürlich nicht eine Verfolgung wegen Zugehörigkeit zur „Gruppe der das Alkoholverbot im Straßenverkehr missachtenden“ Menschen darstellt. Denn das Fahren unter Alkohol stellt - im Unterschied zur Gründung einer Familie und zum Kinderhabendürfen - eben keine rechtlich Ausübung eines anerkannten grundlegenden Menschenrechts dar, sondern allenfalls eine Ausübung der allgemeinen Handlungsfreiheit, auf die im konkreten Fall zu verzichten schon wegen der Gefahren für die Menschenrechte Dritter dem Betreffenden wegen der entsprechenden Schrankenvorbehalte ohne weiteres rechtlich zugemutet werden kann (so knüpft etwa auch die strafrechtliche Sanktionierung der Pädophilie nicht an das Merkmal der Zugehörigkeit zur Gruppe der Pädophilen an, sondern an deren menschenrechtlich nicht geschütztes, sondern vielmehr Grundrechte Dritter verletzendes rechtswidriges Verhalten - siehe GK-AufenthG, II - § 60 AufenthG, Rdnr. 184; siehe auch § 3 b Abs. 1 nr. 4 b) AsylVfG: „Eine soziale Gruppe kann auch eine sein, die sich auf das gemeinsame Merkmal der sexuellen Orientierung gründet; Handlungen, die nach deutschem Recht als strafbar gelten, fallen nicht darunter“).
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Für die Richtigkeit dieser Ansicht spricht, dass mit eben dieser Begründung von den Gerichten anderer Aufnahmestaaten, wie etwa Kanada oder USA, die chinesische Ein-Kind-Politik mit ihren Sanktionen als flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe durchaus anerkannt wird (siehe dazu die Fundstellennachweise in GK-AufenthG, II - § 60 AufenthG, Rdnr. 197; siehe auch die ausführlichen juristischen Erwägungen zum - bejahten - Merkmal der Verfolgung wegen sozialer Gruppenzugehörigkeit im Urteil des Supreme Court of Canada, Judgment v. 10.10.1995 - [1995] - 3 SCR 593 - Chan./. Canada , unter http://scc-csc.lexum.com/scc-csc/scc-csc/en/item/1299/indes.do - dort insbes. Rdnrn. 50, 82, 88).
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Diejenigen deutschen Verwaltungsgerichte, welche die chinesische Ein-Kind-Politik auch als flüchtlingsrelevante Verfolgung einstufen, haben dies ohne lange Diskussion getan und als geradezu selbstverständlich angenommen, dass eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe, der „von den Exzessen der Familienplanungspolitik in China spezifisch betroffenen Frauen“ (so VG Bremen, U. v. 5.6.2012 - 6 K 3664/07.A -, juris Rdnr. 21) vorliegt, bzw. eine Zwangssterilisation als zweifelsfrei „geschlechtsspezifische Verfolgung der sozialen Gruppe der Frauen“ eingestuft (so VG Trier, U. v. 23.3.2011 - 5 K 442/10.TR -, juris Rdnr. 18) bzw. ganz generell darin eine „diskriminierende“ justizielle/administrative Maßnahme gesehen (VG Meiningen, U. v. 6.4.2011 - 8 K 20205/09 Me-, juris). Schließlich behandelt auch der Lagebericht des Auswärtigen Amtes die chinesische Ein-Kind-Politik wie selbstverständlich und ohne weitere Begründung unter der Überschrift „geschlechtsspezifische Verfolgung“.
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Der Hinweis darauf, die chinesische Ein-Kind-Politik sei zwar befremdlich und mit dem Standard des Grundgesetzes unvereinbar, es sei aber nicht Aufgabe des Asylrechts, die Ordnung des Grundgesetzes in anderen Staaten durchzusetzen, weshalb die chinesische Ein-Kind-Politik keine flüchtlingsrechtlich anzuerkennende Verfolgung darstelle, stellt kein durchgreifendes Gegenargument gegen die oben dargelegte Ansicht dar. Denn Aufgabe des Asylrechts bzw. Flüchtlingsrechts ist es ohnehin nicht, eine bestimmte Rechtsordnung anderen Staaten „aufzuzwingen“ oder sie dort „durchzusetzen“, sondern lediglich einem Menschen, der in einem anderen Staat nach den Maßstäben international anerkannter Menschenrechtsstandards nicht mehr leben kann, weil er dort durch eine grundlegende Menschenrechte schwerwiegend verletzende Verfolgung - wie hier die Ein-Kind-Politik - aus der staatlich verfassten Friedensordnung ausgegrenzt und zur Flucht getrieben wird, eine neue Heimat durch Aufnahme in die staatliche Friedensordnung des Aufnahmestaates zu gewähren (so auch das BVerwG in der vom Bundesamt insoweit nur unvollständig zitierten Entscheidung U. v. 18.2.1986 - 9 c 104/85 -, juris Rdnr. 21 = InfAuslR 86, 189; dazu, dass damit keine „Diskriminierung fremder Rechtsordnungen“ verbunden ist und dass begriffsnotwendig zwischen dem Aufnahmestaat und dem Verfolgerstaat nach dem Konzept des Asylrechts ein Unterschied in den rechtlich respektierten Maßstäben besteht: GK-AufenthG, II - § 60 AufenthG, Rdnr. 185 und GK-AuslG, § 53 AuslG (a.F.), Rdnrn. 97 und 98 m.w.Nw.; siehe auch Art. 14 Nr. 1 AEMR, wonach es das Recht eines Menschenrecht ist, in anderen Ländern vor Verfolgungen Asyl zu suchen und zu genießen, was wiederum bedeutet, dass die Asylgewährung dem Verfolgerstaat gegenüber gerade kein völkerrechtswidriger Akt der Einmischung in seine Personalhoheit darstellt).
56 
Im vorliegenden Fall kommt zu alldem noch erschwerend hinzu, dass die Klägerin zwar auch im Folgeverfahren nicht glaubhaft gemacht hat, bzw. gar nicht erst versucht hat, anders als im Erstverfahren nunmehr doch noch glaubhaft zu machen, sie sei wegen religiöser Vorverfolgung seinerzeit aus China ausgereist, dass sie aber ausweislich der vorgelegten Unterlagen sowohl ihrer katholischen Heimatgemeinde als auch ihrer deutschen Kirchengemeinde ganz offenbar schon in China und erst recht hier im deutschen Exil ein langjähriges treues und gläubiges Mitglied der römisch-katholischen Kirche ist und dass auch ihre Kinder durch die Taufe zu dieser Kirche gehören.
57 
Gerade wegen ihrer Vatikantreue aber werden die Anhänger dieser Kirche in China wenn nicht verfolgt, so doch von staatlichen Stellen mit besonderem Misstrauen behandelt (AA, Lagebericht China, 2013, S. 19; AA Lagebericht China 2011, S. 23; VG Düsseldorf, U. v. 24.4.2008 - 8 K 3998/05.A -, juris; VG Bremen, U. v. 25.10.2005 - 6 K 1542/03.A; BAMF, Informationszentrum Asyl und Migration, August 2011, Lage der Religionsgemeinschaften in ausgewählten nichtislamischen Ländern, S. 9 - 16 zur Religionsverfolgung in China; WissDienst Dt. Bds.Tag, Nr. 07/2014 - Weltverfolgungsindex - 2014 zur Verfolgung und Behandlung von Christen, S 107 ff.,; Schweizer Flüchtlingshilfe SFH, 28.1.2009 - China, Situation der ethnischen und religiösen Minderheiten, S. 14 - 18). Dass ihre Anhänger, weil sie aufgrund des Glaubens Abtreibungen ablehnen und die Geburt mehrerer Kinder als Gottesgeschenk ansehen, am wenigsten geneigt sind, sich den Diktaten der aus ihrer Sicht atheistischen Ein-Kind-Politik zu unterwerfen, macht sie aus Sicht der chinesischen Behörden tendenziell noch eher zum Ziel von Maßnahmen wie Zwangssterilisationen, mit denen zumindest weitere Geburten verhindert werden würden. Die Klägerin selbst hat immerhin nicht nur die beiden Söhne geboren, sondern - wenngleich sie es dann zur Adoption freigegeben hat - zuvor sogar schon ein drittes Kind, das sie nicht abtreiben ließ, obwohl es aus einer Vergewaltigung stammte. Dass dieser katholische Glaubenshintergrund die Durchsetzung der Ein-Kind-Politik ihr gegenüber eher noch verschärfen als mildern wird, hat das Gericht bereits in einer früheren Entscheidung zu einem ähnlich gelagerten Fall festgestellt, in der es unter anderem wörtlich ausgeführt hat: „Der katholische Familienhintergrund wird zudem staatliche Sanktionen eher ungehemmter machen, da er die Klägerin insoweit zumindest als Anhängerin einer staatlicherseits allenfalls geduldeten, misstrauisch beobachteten Minderheitenanschauung ausweist (siehe dazu etwa OVG NdS, Urt. v. 19.9.2000 - 11 L 2068/00, UAS. 29 unter Bezugnahme auf ai, Stellungnahme vom 22.2.1999 an VG Leipzig und vom 15.1.1996 an VG Köln zur Gefahr einer Zwangsabtreibung/-sterilisation für eine Chinesin aus einem katholischen Dort, die durch unerlaubt Ausreise auffällig geworden ist und dadurch zu erkennen gegeben hat, dass sie sich der Geburtenkontrollpolitik entziehen will und die aus dem Ausland mit mehreren eigenen Kindern zurückkehrt; zur Nachteiligkeit eine katholischen Glaubenshintergrundes, die eine künftige Befolgung der Familienplanungspolitik nicht erwarten lässt, insoweit auch VG Bremen, Urt. v. 5.6.2012 - 6 K 3664/07.A -, juris, Rdnr. 25).
58 
Die Kostenentscheidung folgt aus §3 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylVfG.

Gründe

 
25 
Die zulässige Klage ist bereits mit dem Hauptantrag begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Sie hat Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 113 Abs. 1 S. 1 und Abs. 5 S. 1 VwGO).
26 
Das Bundesamt ist (a) aufgrund des Folgeantrags des Klägerin gem. § 71 Abs. 1 S. 1 AsylVfG i.V.m. § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG verpflichtet, ein weiteres Asylverfahren durchzuführen, und (b) der Klägerin in diesem Zusammenhang die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen (§§ 1 Abs. 1 Nr. 2 , 3 Abs. 1 und Abs. 4 AsylVfG).
27 
(a) Die Sach- und Rechtslage hat sich nämlich gegenüber der dem Erstbescheid (im Zeitpunkt des Eintritts seiner Rechtskraft am 19.5.2004) zugrundeliegenden Sach- und Rechtslage geändert. Im hier für die Beurteilung der geltend gemachten Verpflichtung des Bundesamtes zur Durchführung eines Asylfolgeverfahrens maßgeblichen Zeitpunkt der heutigen gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 S. 1 AsylVfG) liegen genügend von der Klägerin rechtzeitig innerhalb der 3-Monatsfrist (§ 51 Abs. 3 VwVfG, § 71 Abs. 1 S. 1 AsylVfG) bzw. ohne Verschulden außerhalb dieser Frist vorgetragene und vorgelegte neue Beweismittel bzw. Erkenntnisse vor, die dem Grunde nach geeignet sein können, eine möglicherweise nunmehr andere Beurteilung des Asylantrags der Klägerin als im Asylerstverfahren zu rechtfertigen und diesbezüglich in eine erneute Sachprüfung einzutreten: Die beiden nichtehelichen Kinder sind erst nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils im Asylerstverfahren geboren. Das davor bereits im September 2003 geborene Kind hat die Klägerin zur Adoption freigegeben, so dass im ersten Verfahren der Verfolgungsgrund eines Verstoßes gegen die Ein-Kind-Regelung noch nicht relevant war, ganz abgesehen davon, dass ein infolge Vergewaltigung geborenes Kind wohl selbst nach den strengen chinesischen Regelungen mangels zurechenbaren eigenen Verhaltens nicht als sog. „unerlaubtes, nichteheliches Schwarzkind“ eingestuft worden wäre. Dass ein Verstoß gegen die Ein-Kind-Regelung flüchtlingsrechtlich bedeutsam sein kann, hat die Klägerin auch erst über ihren Prozessbevollmächtigten erfahren, als es um einen Asylerstantrag für ihren jüngsten Sohn ging und sie auf die Urteile des VG Trier und Meinigen aufmerksam gemacht wurde. Dass sie bis dahin als Laie nicht die Asylrechtsprechung und die Verhältnisse in China sowie die Auskunftslage zur Situation im Herkunftsland generell im Blick gehabt hat, kann ihr nicht vorgeworfen werden. Den Asylfolgeantrag hat sie jedenfalls alsbald gestellt, nachdem ihre beiden Söhne getauft worden sind und sie auch insoweit ihre Verbundenheit mit der katholischen Kirche augenfällig bekräftigt hatte. Insoweit hat sie auch die Bescheinigung der Kirchengemeinde rechtzeitig vorgelegt. Dass sie sich nicht schon vorher um Bescheinigungen ihrer deutschen Kirchengemeinde, bzw. Beibringung entsprechender Bescheinigungen ihrer chinesischen Heimatgemeinde gekümmert hat und ihre Kinder nicht schon hat früher taufen lassen, kann ihr nicht zum Vorwurf gemacht werden. Insoweit muss auch berücksichtigt werden, dass der Vater der Kinder, mit dem sie zusammenlebt, offenbar nicht wirklich auch hinter ihrem katholischen Glauben steht und sie deshalb nach wie vor noch nicht geheiratet haben. Zudem ist sie ausweislich der vorgelegten Unterlagen (insbesondere der Anamnese im Traumatisierungs-Gutachten) und ihres plausiblen Vortrags in der mündlichen Verhandlung wirklich seelisch angeschlagen und immer wieder krank, so dass sich der Kindesvater um die Kinder kümmern muss, was er augenfällig auch in der mündlichen Verhandlung tat. Ihre seelische Belastung ist zudem aufgrund des Umstandes plausibel und nachvollziehbar, dass sie wohl tatsächlich seinerzeit auf der Flucht vergewaltigt wurde, was sie von Anfang an so vorgetragen hat, wofür insbesondere der Umstand der alsbaldigen Freigabe des daraus erwachsenen Kindes zur Adoption spricht, und was schließlich auch die ständige nervenärztliche Behandlung sowie insbesondere das Traumatisierungs-Gutachten belegen. All diese Umstände aber sind gewiss einem rationalen, zeitgerechten und koordinierten sachkundigen Verfahrensverhalten in Bezug auf die rechtzeitige Vorlage von Unterlagen bzw. die entsprechende unverzögerte Stellung eines Folgeantrags abträglich, so dass ihr kein Vorwurf einer Verfahrensverzögerung bzw. einer Versäumung der Drei-Monatsfrist gemacht werden kann.
28 
Nach allem hat sie damit aber Umstände im Folgeverfahren vorgetragen, die nunmehr eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung wegen Verstoßes gegen die Ein-Kind-Politik als denkbar erscheinen lassen und jedenfalls auch eine Verbundenheit zum katholischen Glauben und zu der in China besonders angefeindeten römisch-katholischen Kirche belegen, welche zwar nach wie vor nicht geeignet ist, eine deshalb bereits seinerzeit erlittene (laut Asylersturteil des VG Freiburg infolge zahlreicher Widersprüche und Ungereimtheiten unglaubhafte) Vorverfolgung nunmehr schlüssig zu belegen, welche aber im Zusammenhang mit der Frage bedeutsam sein kann, wie rigide und rücksichtslos ihr gegenüber die Ein-Kind-Regelung durchgesetzt werden wird (siehe insoweit VG Freiburg, U. v. 27.7.2012 - A 6 K 1563/10 und VG Bremen, U. v. 5.6.2012 - 6 K 3664/07.A -, juris Rdnr. 25 zur entsprechenden Nachteiligkeit eines katholischen Glaubenshintergrundes in diesem Zusammenhang).
29 
(b) Der mithin zu prüfende Folgeantrag ist auch begründet. Die Klägerin ist Flüchtling im Sinne des Art. 1 A Ziff. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK - Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.7.1951 - BGBl. 1953 II S. 559, 560). Denn sie befindet sich gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 a AsylVfG aus begründeter Furcht vor einer Verfolgung wegen Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Eltern der unter Verstoß gegen die Regelungen der chinesische Ein-Kind-Politik geborenen chinesischen Kinder außerhalb ihres Heimatstaates China, dessen Schutz sie wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Gemäß § 3 Abs. 4 AsylVfG ist ihr deshalb die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
30 
Nach wie vor gilt in China die sogenannte Ein-Kind-Politik, nämlich das „Bevölkerungs- und Familienplanungsgesetz“ vom 1.9.2002 (siehe AA Lagebericht China v. 18.6.2013 - II. 1.8. S. 24). Danach darf eine Frau ein einziges Kind bekommen und auch das nur, wenn sie - anders als hier die Klägerin - verheiratet ist. Ein verheiratetes Paar muss insoweit eine bestimmte Altersgrenze überschritten haben und vor der Geburt eine Geburtsgenehmigung eingeholt haben, weil Männer erst mit 22 Jahren und Frauen erst mit 20 Jahren heiraten dürfen (Art. 6 des chinesischen Heiratsgesetzes - siehe Refugee Documentation Centre (Ireland) - Legal Aid Board - Auskunft v. 14.10.2011 - unter www.ecoi.net und www.asyl.net -dort unter Länderinformationen/China).
31 
Auch wenn in jüngster Zeit Rufe nach einer Abschaffung der Ein-Kind-Politik immer lauter und drängender geworden sein mögen (siehe BayVGH, B. v. 9.9.2013 - 2 ZB 13.30255 - juris, Rdnr. 9 und VG Bayreuth, U. v. 2.7.2013 - B 3 K 13.30042 - UAS. 5 unter Verweis auf DIE ZEIT-online http://www.zeit.de/politik/ausland/2012-10/China-ein-kind-politik-reform, wonach ein „regierungsnahes Forschungsinstitut“ in China die schrittweise Abschaffung dieser Politik bis 2015 „gefordert“ habe; siehe insoweit auch www.zeit.de/wissen/2013-01/china-ein-kind-politik-studie - schon vom 11.1.2013 - zu den negativen psycho-sozialen Auswirkungen der Ein-Kind-Politik und Berichten chinesischer Medien, wonach die Regierung diese „schrittweise abschaffen wolle“), bedeutet dies (noch) nicht, dass diese Regelungen im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der heutigen mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 S. 1 AsylVfG) nicht mehr gelten, weil sie etwa oder förmlich bzw. de-facto abgeschafft sind oder nicht mehr praktiziert würden (so auch Amnesty international - Auskunft v. 15.1.2014 an VG Augsburg, wonach eine Reform der Ein-Kind-Politik vom Dezember 2013 regelt, dass künftig Paare, bei denen ein Partner Einzelkind ist, zwei Kinder haben können, ansonsten aber die Geburtenkontrollpolitik nicht aufgehoben worden sei). Dafür, dass in allernächster Zukunft diese Regelungen außer Kraft gesetzt würden, ist also kein Anhaltspunkt vorhanden. Entsprechende Spekulationen zum Nachteil der Klägerin verbietet sich von daher.
32 
Ausnahmen von der Ein-Kind-Regelung - die im vorliegenden Fall allerdings nicht einschlägig sind - betreffen verheiratete Paare auf dem Lande, denen ein Zweitkind zugestanden wird, wenn das erste Kind ein Mädchen ist (siehe AA Lagebericht China v. 18.6.2013 - II. 1.8. S. 24; siehe zu speziellen Ausnahmeregelungen der Familienplanungsvorschriften für verheiratete Paare und obendrein für verheiratete Paare auf dem Land in der Provinz Fujian, aus der die Klägerin stammt, die detailreichen Angaben in: Immigration and Refugee Board of Canada, China - Family Planning Laws, v. 1.10.2012 - dort Ziff. 2.2.2 - unter www.ecoin.net und unter www.asyl.net - Asylmagazin 12/2012 bzw. in www.asyl.net unter Länderinformationen/China).
33 
Da die Klägerin selbst kein Einzelkind ist, sondern aus einer Familie mit mehreren Kindern stammt, würde es in ihrem Fall nicht einmal etwas helfen, den Vater ihrer nichtehelichen Kinder, mit dem sie immerhin zusammenlebt, zu heiraten, um so die Ausnahmemöglichkeiten in Anspruch zu nehmen und Sanktionen zu vermeiden.
34 
Ganz abgesehen davon kann ihr auch nicht einfach angesonnen werden, wenigstens den „Makel“ der nichtehelichen Geburt durch eine solche Heirat auszuräumen, um so Verfolgung zu vermeiden. Denn wie sie in der mündlichen Verhandlung überzeugend und plausibel sowie spontan vortrug, steht aus ihrer Sicht einer Heirat noch entgegen, dass sich ihre Ehemann, der nicht katholisch, sondern buddhistischer Herkunft ist, bislang nicht bereitgefunden hat, katholisch zu werden. Er wird zwar in der vorgelegten Taufbescheinigung von der deutschen Kirchengemeinde als Katholik geführt, aus der Bescheinigung der Kirchengemeinde zum Kirchgang und zu der Beteiligung am Gemeindeleben ergibt sich aber in aller Deutlichkeit, dass nur die Klägerin mit ihren beiden Söhnen aktiv am Gemeindeleben teilnimmt, während deren Vater mit keinem Wort erwähnt wird. Sie hat das auch in der mündlichen Verhandlung selbst angegeben, nämlich darauf hingewiesen, dass ihr Mann an sich Buddhist sei und nicht den katholischen Glauben praktiziere. Ob und wann die Klägerin aber heiratet, ist ihre freie Entscheidung und darf ihr deshalb nicht durch Versagung des Flüchtlingsschutzes gewissermaßen aufgezwungen werden. Hier kommt auch hinzu, dass die Beziehung zum Vater der Kinder durchaus infolge der Traumatisierung der Klägerin durch ihre Vergewaltigung laut Traumatisierungs-Gutachten nicht spannungsfrei und unbelastet ist. Der im Termin anwesende Vater der Söhne der Klägerin kümmerte sich zwar um das ebenfalls anwesende jüngste Kind, wirkte aber sonst teilnahmslos, seiner Mimik nach angespannt, frustriert und verbittert. Es schien ganz so, als handle es sich bei der Beziehung der Klägerin zu ihm eher um eine aus der Not heraus geborene Vernunftgemeinschaft als um eine aufrichtig gelebte der Ehe gleichkommende intensive Beziehung. Dass insoweit bislang von einer Heirat nicht die Rede ist und eine solche auch in absehbarer Zukunft nicht zu erwarten ist, liegt für das Gericht nach allem auf der Hand.
35 
Die Geburtenkontrollpolitik gilt im Grundsatz auch für Chinesen, die im Ausland leben und dort Kinder bekommen. Wer im Ausland als Kind chinesischer Eltern geboren wird, ist nach Art. 5 des chinesischen Staatsangehörigkeitsgesetzes auch chinesischer Staatsangehöriger, es sei denn die beiden Elternteile haben sich dauerhaft im Ausland niedergelassen oder einer von ihnen hat eine ausländische Staatsangehörigkeit angenommen. Informationen, dass dies bei nicht-ehelichen Kindern und solchen, die unter Verstoß gegen die Geburtenkontrollreglungen geboren wurden, finden sich insoweit nicht. Auch wenn es keine ausdrückliche Regelung gibt, dass Auslandschinesen eine Geburtserlaubnis bei der chinesischen Botschaft im Aufenthaltsstaat einholen müssen, ist doch die dokumentierte Einholung eines Rates der nächstgelegenen Botschaft angezeigt, da ein solcher Nachweis nach Rückkehr für die Haushaltsregistrierung (Hukou) verlangt werden kann. Grundsätzlich können auch Auslandschinesen wegen einer nach den genannten Regeln unerlaubten Geburt eines Kindes im Ausland zu einer Bußgeldzahlung herangezogen werden (so Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 8 - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net).
36 
Sonderregelungen für Auslandsrückkehrer in der Provinz Fujian - aus der die Klägerin stammt -, die sicherstellen, dass diese ihre im Ausland außerhalb der Geburtenkontrollregelungen geborenen Kinder registrieren können und dass diese auch sonst keine Nachteile erfahren, gibt es nicht (so jüngst Amnesty International, Auskunft v. 15.1.2014 an VG Augsburg; siehe im Übrigen BayVGH , B. v. 9.9.2013 - 2 ZB 13.30255 - juris, Rdnr. 10 und VG Arnsberg, U. v. 7-3.2013, wonach es in der Provinz Fujian eine Sonderregelung gebe, die einem verheirateten Auslandsrückkehrpaar ein zweites Kind erlaube; das VG Bayreuth, U. v. 2.7.2013 - B 3 K 13.30042 -, UA S. 9 verweist hierzu auf eine Auskunft von ai an VG Trier vom 18.4.2011 wonach Auslandsrückkehrern in Fujinan ein zweites Kind erlaubt sei- damit sind aber wohl im Grundsatz auch nur verheiratete Paare gemeint). Aus anderen Auskünften ergibt sich auch nur, dass Auslandsrückkehrer nur dann keine Sanktionen wegen Verstößen gegen die Geburtenkontrollpolitik befürchten müssen, wenn - anders als im vorliegenden Fall der Klägerin und der Vaters ihrer Söhne als abgelehnte Asylbewerber ohne Ausbildung und Berufstätigkeit in Deutschland - an ihrer Rückkehr wegen ihrer Ausbildung und Wirtschaftskraft ein Interesse des chinesischen Staates besteht, bzw. dass eine Wiedereinreise nach China Frauen nur im schwangeren Zustand erlaubt wird, wenn das andere Kind permanent im Ausland lebt (OVG Saarland, U. v. 20.10.1999 - 9 R 24/98 - UA S. 29 unter Verweis auf Scharping, Auskunft v. 25.3.1999 an VG Leipzig; ferner ai, Auskunft v. 4.6.2002 an VG Köln und Auskunft v. 21.4.2011 an VG Trier, sowie Scharping, Auskunft v. 28.10.1999 an VG Leipzig; siehe auch Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 1, 2 - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net -, wonach Auslandschinesen nur bei dauerhaftem Wohnsitz im Ausland bzw. nur dann nicht, wenn sie im Ausland studiert haben, unter die Ein-Kind-Regelung fallen, also zwei Kinder haben dürfen, wonach aber nicht eindeutig klar sei, dass dies auch für einzelne nicht-eheliche unerlaubte „Schwarzkinder“ gelte; zu einer tatsächlich durchgeführten Zwangssterilisierung einer aus dem Ausland in die Provinz Fujian mit zwei Kindern zurückkehrenden Chinesin im Jahr 2010 - siehe ai- Auskunft v. 15.1.2014 an VG Arnsberg).
37 
Unterfallen nach allem die Söhne der Klägerin als nichtehelich geborene Kinder einer (Auslands-) Chinesin den genannten Regeln, so stellt sich ihre Geburt nicht nur als formell unerlaubt, sondern als nicht genehmigungsfähig mit der Folge dar, dass sie als solche auch nicht registriert werden.
38 
Auch wenn das chinesische Gesetz selbst die Gleichstellung von ehelichen und nicht-ehelichen Kindern ausdrücklich gebietet und Diskriminierung insoweit eindeutig verbietet (Art. 19 des Heiratsgesetzes - siehe dazu Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 4 - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net), knüpfen doch die Geburtenkontrollregelungen empfindliche Nachteile an den Umstand der unerlaubten nichtehelichen Geburt:
39 
Eine nichteheliche Mutter muss nämlich ein extrem hohes Bußgeld im Umfang von vier bis sechs Jahresdurchschnittsgehältern zahlen (so zur Regelung in der Provinz Fujian, aus der die Mutter des Klägerin stammt Immigration and Refugee Board of Canada, China - Family Planning Laws, v. 1.10.2012 - dort Ziff. 2.2.2 und 2.2. - unter www.ecoin.net und unter www.asyl.net - Asylmagazin 12/2012; ebenso Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 1, 2 - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net).
40 
Dass die Klägerin ein solches exorbitantes Bußgeld sollte zahlen können, kann nicht einfach unter Hinweis darauf unterstellt werden, sie bzw. ihre Familie habe ja auch durch die damalige Finanzierung ihrer Ausreise und Einreise nach Deutschland eine entsprechende Finanzkraft demonstriert (in diesem Sinne zu einem solchen Fall aber . VG Bayreuth, U. v. 2.7.2013 - B 3 K 13.30042 -, UA S. 9; ebenso VG Augsburg, U. v. 28.1.2014 - Au 2 K 13.30246 -juris, Rdnr. 39). Denn sie ist hier schon 2003 als mittelloser Flüchtlinge nach Deutschland gekommen und zwar offenbar nicht im Zuge einer durch aufwendige Geldbeträge sichergestellten bequemen Schleusung mit Hilfe von falschen Papieren und an Bord eines Flugzeugs, sondern auf primitivste und damit wohl auch billigste Weise in einem Schiffscontainer, wo sie obendrein noch vergewaltigt wurde. Seither lebt hier sie hier - ebenso wie der Vater ihrer Söhne - nach Ablehnung des Asylantrags von staatlichen Leistungen. Ihr wurde deshalb auch Prozesskostenhilfe wegen Mittellosigkeit bewilligt. Von daher kann nicht davon ausgegangen werden, sie habe über die Jahre hinweg im Umfang von mehreren tausend bis zigtausend Euro Ersparnisse anhäufen können, aus denen sie nach einer Rückkehr in China die entsprechenden Bußgelder werde zahlen und so die mit der Ein-Kind-Regelung verbundenen Sanktionen werde abwenden können.
41 
Zu ihren Lasten kann auch nicht einfach spekuliert werden, ihre Familie sei in der Lage ein mehrfaches Jahreseinkommen für sie aufzubringen. Insofern wäre auch zu berücksichtigen, dass sich die Finanzkraft von Flüchtlingsfamilien erfahrungsgemäß häufig bereits mit der Finanzierung der Ausreise erschöpft hat und nicht selten eher umgekehrt von Rückkehrern aus dem vermeintlich „goldenen“ Westen eine Rückzahlung dieser Beträge und vor allem das Einbringen neuer Finanzmittel in die Familienkasse erwartet wird. Auch von einer staatlicherseits mit Misstrauen beobachtende Kirche, die sich aus Angst vor Repressalien bedeckt halten und zum Teil in Privatwohnungen bzw. im Geheimen im Freien Zusammenkünfte abhalten muss, kann nicht ohne Weiteres eine Übernahme einer solch großen Bußgeldsumme erwartet werden. Die chinesische Heimatkirche der Klägerin hat sich ihrem Vorbringen zufolge zwar unter anderem der Armenfürsorge verschrieben hat, was aber noch lange nicht heißt, dass es sich hier um eine äußerst finanzkräftige Organisation handelt, die ohne Weiteres zu einer solch enormen Zahlung überhaupt in der Lage wäre. Ganz abgesehen davon wäre noch fraglich, inwieweit die chinesischen Heimatgemeinde - anders als wohl die hiesige deutsche Gemeinde - nichteheliche Kinder vor dem Hintergrund katholischer Glaubenslehrsätze überhaupt akzeptiert.
42 
Wird das Bußgeld aber nicht gezahlt, so ist eine „Legalisierung“ eines unerlaubt geborenen Kindes nicht möglich mit der Folge, dass ohne die Geburtsregistrierung dann auch keine Haushaltsregistrierung (sog. „Hukou“) erfolgt, ohne die dann wiederum ein solches „unerlaubtes Schwarzkind“ vom Recht auf Schulbesuch, auf Teilhabe an sozialen Leistungen und von der staatlichen Gesundheitsversorgung komplett ausgeschlossen wird (AA Lagebericht, China v. 18.6.2013 - II. 1.8. S. 25; Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 4 - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net; Immigration and Refugee Board of Canada, China - Family Planning Laws, v. 1.10.2012 - dort Ziff. 3.4 - unter www.ecoin.net und unter www.asyl.net - Asylmagazin 12/2012).
43 
Dass diese strengen Regelungen der Geburtenkontrolle im Zuge einer generellen Lockerung in der Praxis etwa nicht mehr so streng gehandhabt würden, lässt sich nicht feststellen. Nach alle oben zitierten sehr detaillierten Auskunftsquellen (siehe ergänzend auch ACCORD, Auskunft v. 29.1.2009 zum Thema China/Frauen/Ein-Kind-Politik; Rückkehr mit zwei Söhnen - unter www.ecoi.net) gilt - insbesondere auch für die Heimatprovinz der Klägerin (Fujian) - dass dort die Geburtenkontrollpolitik gegenüber alleinerziehenden, unverheirateten Müttern unehelicher Kinder trotz womöglich phasenweiser Lockerungen nach wie vor rigoros bis hin zum Einsatz von Mitteln wie Zwangssterilisierungen der Mütter, Zwangsabtreibungen oder massivem Druck zur „freiwilligen“ Abtreibung durchgesetzt wird. Auch wenn hier und da einzelne Beamte für solche nach chinesischem Recht inzwischen illegalen Maßnahmen zur Rechenschaft gezogen werden, kommt es doch nach allen vorliegenden Berichten „recht häufig [fairly frequently]“ bzw. „immer wieder“ zu solchen Eingriffen und Sanktionen (gerade jüngste Pressemeldungen zeigen deutlich, dass solche Eingriffe und Übergriffe in China durchaus „an der Tagesordnung“ sind - vgl. etwa spiegel-online, www.spiegel.de/politik/ausland vom 15.6.2012 und NZZ-online vom 15.7.2012 [www.nzz.ch/aktuell/ international/abtreibung-unter-zwang-1,17357004, wonach jüngst in der Provinz Shanxi Funktionäre eine Zwangsabtreibung bei einer im 7. Monat schwangeren 23 Jahr alten Chinesin vornahmen. Diesen Meldungen ist auch zu entnehmen, dass in jüngster Zeit nicht nur mehrere Bericht über Zwangsabtreibungen in China die dortige Öffentlichkeit erschütterten, sondern dass insbesondere auch Ende April 2012 in der Provinz Fujian Beamte ein ungeborenes Kind mit der Giftspritze töten ließen. Zwar wurde im Fall aus Shanxi eine Entschädigung zugesprochen und der Beamte suspendiert, eine strafrechtliche Aufarbeitung fehlte aber und das alles geschah auch nur auf Druck der Medien, nachdem der Kindesvater, der protestierte hatte, von den Behörden tagelang festgenommen worden war, und das von ihm im Internet veröffentlichte Foto seiner Frau mit dem toten Fötus Fall hohe Wellen schlug, die auch die chinesische Staatspropaganda nicht mehr ignorieren konnte. Auch der bekannte blinde chinesische Menschenrechtsanwalt Chen Guangcheng, der Frauen vertrat, die Opfer von Zwangsabtreibungen geworden war, und ihre Fälle zu Gericht brachte, wurde wegen dieses Engagements zu vier Jahren Haft verurteilt, nach der Haftzeit unter Hausarrest gestellt und wiederholt zusammengeschlagen, bis ihm jüngst im April 2012 spektakulär die Flucht in die amerikanische Botschaft gelang, von wo aus er schließlich in die USA ausreisen durfte [http://de.wikipedia.org/wiki/Chen-Guangchen]).
44 
Wenn aber demnach schon solche Übergriffe auf die nichtehelichen Mütter beachtlich wahrscheinlich sind, dann kann davon ausgegangen werden, dass erst recht die „bloßen“ Sanktionen einer Registrierungsverweigerung und die damit verbundenen massiven rechtlichen und sozialen Nachteile für die Kinder beachtlich wahrscheinlich sind. Das ergibt sich auch aus dem jüngsten Lagebericht des Auswärtigen Amtes aus dem Jahr 2013.
45 
In ihrer Kumulation stellten aber die auf diese Weise vom chinesischen Staat für die Klägerin als Mutter nichtehelicher, unerlaubter „Schwarzkinder“ bewusst und gezielt verursachten Nachteile einen Verfolgungseingriff mit dem Gewicht einer schweren Menschenrechtsverletzung dar, wie sie vom Flüchtlingsbegriff vorausgesetzt wird (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2, sowie Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 6 AsylVfG in Verbindung mit Art. 9 Abs. 1a und Abs. 2 QRL [Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU]). Über bloße für sich genommen unerhebliche Diskriminierungen gehen solche Folgen weit hinaus, da sie das Leben des Betroffenen grundlegend entwerten. Insofern schließt sich das Gericht der Auffassung des VG Meiningen und des VG Trier an (VG Meiningen, U. v. 6.4.2011 - 8 K 20205/09.Me, juris; VG Trier, U. v. 23.3.2011 - 5 K 442/10.TR- , juris = InfAuslR 2011, 219 = Asylmagazin 7-8/2011, S. 243 und U. v. 11.7.2012 - 5 K 433/12.TR -, juris).
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Die grundlegende Verweigerung einer Geburtsregistrierung und zusätzlich einer Hukou-Registrierung für die nichtehelichen und in jedem Fall die erlaubte Zahl übersteigenden Kinder der Klägerin, die im totalitär durchstrukturierten, bürokratisch durchorganisierten chinesischen Staat Grundlage für alle weiteren verwaltungsrechtlichen Rechtsanerkennungen (Umzug, Arbeit, Meldepflicht, Krankenhausleistung, Schulbesuch, Personalausweis) ist (siehe AA, Auskunft v. 8.6.2006 an VG Braunschweig und v. 11.4.2011 an VG Köln), grenzt den Betroffenen massiv aus der staatlich verfassten Friedensordnung aus, zwingt diese Kinder so in die Illegalität und verletzt das grundlegende Menschenrecht auf Teilhabe an dieser gemeinschaftlichen Friedensordnung und auf Anerkennung als Rechtsperson (Art. 6 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte - UN Generalversammlung, Resolution 217/III v. 10.12.1948: Jedermann hat überall Anspruch auf Anerkennung als Rechtsperson; Art. 16 Internationaler Pakt über bürgerliche und private Rechte [IPbpR] v. 19.12.1966 - BGBl. 1973, II S. 1534: Jedermann hat das Recht, überall als rechtsfähig anerkannt zu werden, und Art. 24 Abs. 2 IPbpR: Jedes Kind muss unverzüglich nach seiner Geburt in ein Register eingetragen werden und einen Namen erhalten). Eine solche Ausgrenzung, wie sie durch die Verweigerung von Geburtsregistrierung und Hukou-Registrierung bewirkt wird, kommt somit in ihren verwaltungstechnischen Folgen einer Ausbürgerung nahe, deren Charakter als Verfolgungseingriff von ausreichender menschenrechtsverletzender Intensität anerkannt ist (BVerwG, U. v. 26.2.2009 - 10 C 50.07 - AuAS 2009, 175 = ZAR 2009,319 = BVerwGE 333,203).
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Dass es nach Auskunft des Auswärtigen Amtes zeitweise möglich sein kann, auch länger Behördenkontakt zu vermeiden und sich illegal in einer chinesischen Stadt aufzuhalten, und dass auch gefälschte Unterlagen und Personalausweise in China erhältlich sind (siehe AA, Auskunft v. 8.6.2006 an VG Braunschweig), ist dabei unbeachtlich, denn ein Leben in der Illegalität darf flüchtlingsrechtlich niemandem als Alternative zum Verfolgungsschutz angesonnen werden (so BVerwG, U. v. 1.2.2007 - 1 C 24.06 - AuAS 2007, 68 = juris zur Unzumutbarkeit einer inländischen Fluchtalternative, wenn nur ein Leben in der Illegalität unter der dauernder Gefahr polizeilicher Kontrollen und Strafsanktionen möglich ist).
48 
Diese Verfolgungsmaßnahme in Form einer Rechtlosstellung der Kinder knüpft auch an ein flüchtlingsrechtlich relevantes Merkmal an, nämlich an ihre uneheliche, unerlaubte Geburt, und damit an ihre Zugehörigkeit zu der sozialen „Gruppe der illegal geborenen nichtehelichen chinesischen Kinder“ (§§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3a Abs.3, 3b Abs. 1 Nr. 4a) und b). Diese Gruppe ist sozial klar definiert und erkennbar und von der übrigen Gesellschaft abgrenzbar und wird von der Bevölkerung auch als solche wahrgenommen. Die Anknüpfung der Sanktion an die Zugehörigkeit zu dieser Gruppe macht diese Kinder gewissermaßen für ihr So-Sein haftbar, indem sie diesen wegen ihres für sie unabänderlichen, irreversiblen und unvertretbaren Persönlichkeitsmerkmals ihrer unehelichen Geburt Nachteile bereitet. Damit macht sie die Sanktion nicht für eigenes Verhalten verantwortlich, sondern für das Verhalten Dritter, nämlich ihrer Eltern, für das sie naturgemäß nichts können. Das aber wiederum ist genauso willkürlich und diskriminierend, wie eine an die Hautfarbe oder ethnische Volkszugehörigkeit anknüpfende Sanktion. Der „Geburtsmakel“ der unehelichen Geburt ist angeboren. Nichteheliche Kinder werden in China auch (i.S.d. § 3b Abs. 1 Nr. 4 b AsylVfG) von der Gesellschaft auch als andersartig betrachtet, nämlich sozial stigmatisiert und werden ebenso wie ihrer Mütter nach wie vor durch die insoweit mit tief verwurzelten Vorurteilen behaftete chinesische Gesellschaft mit Mitleid und Verachtung betrachtet (so ausführlich mit Quellenangaben Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 2 - 6 [Ziff. 2 A, B und Ziff. 3 sowie Ziff. 5] - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net).
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Dem lässt sich entgegen der in der überwiegenden verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung vertretenen Ansicht nicht entgegenhalten, bei diesen Sanktionen (gleich ob sie die nichtehelichen Mütter mit Zwangsabtreibungen, bzw. die Mütter und Väter mit Zwangssterilisationen oder -adoptionen oder aber die -unerlaubten, überflüssigen - Kinder mit den dargestellten Formen der Rechtlosstellung treffen) handle es sich nicht um eine Verfolgung, die an das Persönlichkeitsmerkmal der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe anknüpfe. Die chinesische Geburtenkontrollpolitik und die oben genannten gesetzlichen Regelungen des Bevölkerungs- und Familienplanungsgesetzes allgemein, finde nämlich gleichermaßen und ohne jede weitere Differenzierung auf alle chinesischen Staatsbürger Anwendung und dieses allgemeine Gesetz verfolge insoweit eben gerade nicht das Ziel der Diskriminierung einer bestimmten Bevölkerungsgruppe (etwa einer Minderheitengruppe wie der Tibeter oder Uiguren). Vielmehr ziele es lediglich darauf ab, ganz allgemein die Geburtenrate aller Chinesen im Blick auf das Bevölkerungswachstum in diesem sehr bevölkerungsreichen Land einzugrenzen, um so soziale und wirtschaftliche Missstände zu vermeiden, die andernfalls mit einer zunehmenden Überbevölkerung einhergingen (siehe dazu die Rechtsprechungsübersicht bei VG Würzburg, B. v. 28.8.2013 - W 6 S 13.30278 -, juris, Rdnr. 14; siehe auch die Rechtsprechungsnachweise der in diesem Sinne urteilenden obergerichtlichen Rechtsprechung des BayVGH, des OVG NRW und des NdsOVG bei VG Augsburg, U. v. 28. 1.2014 - Au 2 K 13.30246 -, juris, Rdnr. 36 und 37).
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Diese Auffassung greift indessen zu kurz, weil sie lediglich das politische, für sich genommen legitime Fernziel einer Kontrolle des Bevölkerungswachstums in den Blick nimmt und sich dadurch den Blick auf die zur Erreichung dieses Ziels in China angewendeten menschenrechtswidrigen Zwangsmethoden der Ausgrenzung verstellt. Die Methoden der Kontrolle des Bevölkerungswachstums beschränken sich nämlich gerade nicht auf menschenrechtlich unbedenkliche Methoden wie Aufklärung, Bereitstellung von Mitteln zur Empfängnisverhütung, Einführung von Rentenversicherungsmodellen um den Anreiz für möglichst viele Kinder zu nehmen, Einführung von Bildung für Frauen, Modelle finanzieller/steuerlicher Anreize bei geringer Kinderzahl etc. Vielmehr verletzen sie das durch alle Menschenrechtspakte geschützte grundlegende Recht aller Menschen, eine Familie zu gründen, nämlich Kinder zu haben, und dabei als freie Menschen in eigener wirtschaftlicher und sozialer Verantwortung die Zahl ihrer Kinder selbst zu bestimmen (siehe Art. 16 Nr. 1 S. 1 und Nr.3 AEMR, Art. 23 Abs. 1 und Abs. 2 des - auch von China gezeichneten - IPbpR, Art. 12 EMRK, Art. 6 GG). Dieses grundsätzlich anerkannten Menschenrecht schützt das dem Menschsein innewohnende Grundbedürfnis nach Reproduktion (ausführlich dazu und auch zu menschenrechtlich unbedenklichen Methoden der Geburtenkontrolle Saona, „The Protection of Reproductive Rights under International Law: The Bush Administration´s Policy Shift and China´s Family Planning Activities“, Pacific Rim Law & Policy Journal,. Volume 13 No.1, January 2004, page 229 [236, 239, 253, 254] - im internet unter google auffindbar; siehe ferner Mückl in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, 2010, Bandd VI/1, Europäische Grundrechte, § 141 „Ehe und Familie“ -, S. 191 [196, 206, 208). Mit Zwangssterilisationen, Zwangsadoptionen, Zwangsabtreibungen usw. wird die „Gruppe derjenigen Chinesen getroffen, die dieses Menschenrecht auf Familiengründung und Reproduktion ausüben“. Ihnen wird die (weitere) Ausübung dieses Grundrechts schon biologisch-physisch unmöglich gemacht bzw. die Rechtsausübung wird durch die Rechtlosstellung der in Ausübung des Grundrechts geborenen Kinder sanktioniert, obwohl dieses Menschenrecht keinem spezifischen Schrankenvorbehalt unterliegt, der solche Eingriffe rechtfertigen könnte (siehe dazu Mückl, a.a.O. Handbuch der Grundrechte, S. 208, wonach etwa eine Zwangssterilisation/Kastration nur in sehr engen Grenzen gerechtfertigt sein könnte, etwa im Rahmen von § 1905 BGB oder zum Schutz der Allgemeinheit vor gefährlichen Sexualverbrechern; siehe ferner General Comment des Ausschusses für Menschenrechte zum IPbpR, Nr. 19 [39] zu Art. 23 IPbpR vom 24.7.1990 - Unterziffer 2 und 4, sowie insbes. 5, wonach eine Politik der Familienplanung mit den Bestimmungen des Paktes verträglich und insbesondere weder diskriminierend „noch zwangsmäßig“ sein darf; beide Quellen im internet unter google auffindbar). Mit anderen Worten, die Ein-Kind-Politik knüpft an das So-Sein, nämlich an das „Eltern-Sein“ an bzw. an ein Verhalten an, auf das zu verzichten dem Einzelnen deswegen nicht zugemutet werden kann, weil es sich um ein menschenrechtlich geschütztes Verhalten handelt, er sich also so verhalten darf. Die Verfolgung steht damit der Verfolgung in Anknüpfung an eine politische oder religiöse Überzeugung oder an eine sexuelle Orientierung und Präferenz gleich, bei der es nicht um ein angeborenes Merkmal geht, sondern darum, dass das Haben-Dürfen und Äußern-Dürfen einer solchen Überzeugung oder Präferenz als menschenrechtlich geschütztes Verhalten rechtlich keinen tauglichen Anknüpfungspunkt für Sanktionen darstellen darf. Gibt es aber insoweit keinen solchen legitimationskräftigen Anknüpfungspunkt, so stellt es eine Diskriminierung dar, gleichwohl daran anzuknüpfen. Vor einer Verletzung des Diskriminierungsverbots schützt aber der Flüchtlingsbegriff mit seiner Aufzählung insoweit nicht legitimationskräftiger persönlicher Merkmale, an die Verfolgung nicht anknüpfen darf (zum Schutz des So-Seins und So-Sein-Dürfens als Kern des Verfolgungsmerkmals der sozialen Gruppenzugehörigkeit und zu dem dabei anzuwendenden internationalen Menschenrechtsstandard als Maßstab: GK-AufenthG, II - § 60 AufenthG, Rdnr. 18). Wie bei allen flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgungen geht es auch bei der Ein-Kind-Politik letzten Endes um die Unterdrückung von menschenrechtlich grundlegend geschützten Lebensäußerungen, nämlich hier eine Familie zu gründen und Nachwuchs zu zeugen.
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Insofern knüpft auch die Ein-Kind-Politik mit ihrem Übergriff auf das Menschsein selbst, zu dem auch das Familie- und Elternsein zählt, an ein „Merkmal“, das „so bedeutsam für die Identität“ als Mensch ist, dass der Betroffene (rechtlich betrachtet) „nicht gezwungen werden sollte, darauf zu verzichten“. Damit stellt sie im Sinne von § 3 b Abs. 1 Nr. 4 a) AsylVfG eine Verfolgung in Anknüpfung an die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe dar.
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Daran ändert es nichts, dass selbstverständlich das Verfolgungsmerkmal eine Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe nicht schon dann vorliegt, wenn die alleinige Gemeinsamkeit der Gruppe darin besteht, dass die Gruppenmitglieder gegen ein Gesetz verstoßen und deshalb sanktioniert werden (dazu GK-AufenthG, II- § 60 AufenthG, Rdnr. 171), dass also beispielweise die Ahndung von Trunkenheitsfahrten im Straßenverkehr natürlich nicht eine Verfolgung wegen Zugehörigkeit zur „Gruppe der das Alkoholverbot im Straßenverkehr missachtenden“ Menschen darstellt. Denn das Fahren unter Alkohol stellt - im Unterschied zur Gründung einer Familie und zum Kinderhabendürfen - eben keine rechtlich Ausübung eines anerkannten grundlegenden Menschenrechts dar, sondern allenfalls eine Ausübung der allgemeinen Handlungsfreiheit, auf die im konkreten Fall zu verzichten schon wegen der Gefahren für die Menschenrechte Dritter dem Betreffenden wegen der entsprechenden Schrankenvorbehalte ohne weiteres rechtlich zugemutet werden kann (so knüpft etwa auch die strafrechtliche Sanktionierung der Pädophilie nicht an das Merkmal der Zugehörigkeit zur Gruppe der Pädophilen an, sondern an deren menschenrechtlich nicht geschütztes, sondern vielmehr Grundrechte Dritter verletzendes rechtswidriges Verhalten - siehe GK-AufenthG, II - § 60 AufenthG, Rdnr. 184; siehe auch § 3 b Abs. 1 nr. 4 b) AsylVfG: „Eine soziale Gruppe kann auch eine sein, die sich auf das gemeinsame Merkmal der sexuellen Orientierung gründet; Handlungen, die nach deutschem Recht als strafbar gelten, fallen nicht darunter“).
53 
Für die Richtigkeit dieser Ansicht spricht, dass mit eben dieser Begründung von den Gerichten anderer Aufnahmestaaten, wie etwa Kanada oder USA, die chinesische Ein-Kind-Politik mit ihren Sanktionen als flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe durchaus anerkannt wird (siehe dazu die Fundstellennachweise in GK-AufenthG, II - § 60 AufenthG, Rdnr. 197; siehe auch die ausführlichen juristischen Erwägungen zum - bejahten - Merkmal der Verfolgung wegen sozialer Gruppenzugehörigkeit im Urteil des Supreme Court of Canada, Judgment v. 10.10.1995 - [1995] - 3 SCR 593 - Chan./. Canada , unter http://scc-csc.lexum.com/scc-csc/scc-csc/en/item/1299/indes.do - dort insbes. Rdnrn. 50, 82, 88).
54 
Diejenigen deutschen Verwaltungsgerichte, welche die chinesische Ein-Kind-Politik auch als flüchtlingsrelevante Verfolgung einstufen, haben dies ohne lange Diskussion getan und als geradezu selbstverständlich angenommen, dass eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe, der „von den Exzessen der Familienplanungspolitik in China spezifisch betroffenen Frauen“ (so VG Bremen, U. v. 5.6.2012 - 6 K 3664/07.A -, juris Rdnr. 21) vorliegt, bzw. eine Zwangssterilisation als zweifelsfrei „geschlechtsspezifische Verfolgung der sozialen Gruppe der Frauen“ eingestuft (so VG Trier, U. v. 23.3.2011 - 5 K 442/10.TR -, juris Rdnr. 18) bzw. ganz generell darin eine „diskriminierende“ justizielle/administrative Maßnahme gesehen (VG Meiningen, U. v. 6.4.2011 - 8 K 20205/09 Me-, juris). Schließlich behandelt auch der Lagebericht des Auswärtigen Amtes die chinesische Ein-Kind-Politik wie selbstverständlich und ohne weitere Begründung unter der Überschrift „geschlechtsspezifische Verfolgung“.
55 
Der Hinweis darauf, die chinesische Ein-Kind-Politik sei zwar befremdlich und mit dem Standard des Grundgesetzes unvereinbar, es sei aber nicht Aufgabe des Asylrechts, die Ordnung des Grundgesetzes in anderen Staaten durchzusetzen, weshalb die chinesische Ein-Kind-Politik keine flüchtlingsrechtlich anzuerkennende Verfolgung darstelle, stellt kein durchgreifendes Gegenargument gegen die oben dargelegte Ansicht dar. Denn Aufgabe des Asylrechts bzw. Flüchtlingsrechts ist es ohnehin nicht, eine bestimmte Rechtsordnung anderen Staaten „aufzuzwingen“ oder sie dort „durchzusetzen“, sondern lediglich einem Menschen, der in einem anderen Staat nach den Maßstäben international anerkannter Menschenrechtsstandards nicht mehr leben kann, weil er dort durch eine grundlegende Menschenrechte schwerwiegend verletzende Verfolgung - wie hier die Ein-Kind-Politik - aus der staatlich verfassten Friedensordnung ausgegrenzt und zur Flucht getrieben wird, eine neue Heimat durch Aufnahme in die staatliche Friedensordnung des Aufnahmestaates zu gewähren (so auch das BVerwG in der vom Bundesamt insoweit nur unvollständig zitierten Entscheidung U. v. 18.2.1986 - 9 c 104/85 -, juris Rdnr. 21 = InfAuslR 86, 189; dazu, dass damit keine „Diskriminierung fremder Rechtsordnungen“ verbunden ist und dass begriffsnotwendig zwischen dem Aufnahmestaat und dem Verfolgerstaat nach dem Konzept des Asylrechts ein Unterschied in den rechtlich respektierten Maßstäben besteht: GK-AufenthG, II - § 60 AufenthG, Rdnr. 185 und GK-AuslG, § 53 AuslG (a.F.), Rdnrn. 97 und 98 m.w.Nw.; siehe auch Art. 14 Nr. 1 AEMR, wonach es das Recht eines Menschenrecht ist, in anderen Ländern vor Verfolgungen Asyl zu suchen und zu genießen, was wiederum bedeutet, dass die Asylgewährung dem Verfolgerstaat gegenüber gerade kein völkerrechtswidriger Akt der Einmischung in seine Personalhoheit darstellt).
56 
Im vorliegenden Fall kommt zu alldem noch erschwerend hinzu, dass die Klägerin zwar auch im Folgeverfahren nicht glaubhaft gemacht hat, bzw. gar nicht erst versucht hat, anders als im Erstverfahren nunmehr doch noch glaubhaft zu machen, sie sei wegen religiöser Vorverfolgung seinerzeit aus China ausgereist, dass sie aber ausweislich der vorgelegten Unterlagen sowohl ihrer katholischen Heimatgemeinde als auch ihrer deutschen Kirchengemeinde ganz offenbar schon in China und erst recht hier im deutschen Exil ein langjähriges treues und gläubiges Mitglied der römisch-katholischen Kirche ist und dass auch ihre Kinder durch die Taufe zu dieser Kirche gehören.
57 
Gerade wegen ihrer Vatikantreue aber werden die Anhänger dieser Kirche in China wenn nicht verfolgt, so doch von staatlichen Stellen mit besonderem Misstrauen behandelt (AA, Lagebericht China, 2013, S. 19; AA Lagebericht China 2011, S. 23; VG Düsseldorf, U. v. 24.4.2008 - 8 K 3998/05.A -, juris; VG Bremen, U. v. 25.10.2005 - 6 K 1542/03.A; BAMF, Informationszentrum Asyl und Migration, August 2011, Lage der Religionsgemeinschaften in ausgewählten nichtislamischen Ländern, S. 9 - 16 zur Religionsverfolgung in China; WissDienst Dt. Bds.Tag, Nr. 07/2014 - Weltverfolgungsindex - 2014 zur Verfolgung und Behandlung von Christen, S 107 ff.,; Schweizer Flüchtlingshilfe SFH, 28.1.2009 - China, Situation der ethnischen und religiösen Minderheiten, S. 14 - 18). Dass ihre Anhänger, weil sie aufgrund des Glaubens Abtreibungen ablehnen und die Geburt mehrerer Kinder als Gottesgeschenk ansehen, am wenigsten geneigt sind, sich den Diktaten der aus ihrer Sicht atheistischen Ein-Kind-Politik zu unterwerfen, macht sie aus Sicht der chinesischen Behörden tendenziell noch eher zum Ziel von Maßnahmen wie Zwangssterilisationen, mit denen zumindest weitere Geburten verhindert werden würden. Die Klägerin selbst hat immerhin nicht nur die beiden Söhne geboren, sondern - wenngleich sie es dann zur Adoption freigegeben hat - zuvor sogar schon ein drittes Kind, das sie nicht abtreiben ließ, obwohl es aus einer Vergewaltigung stammte. Dass dieser katholische Glaubenshintergrund die Durchsetzung der Ein-Kind-Politik ihr gegenüber eher noch verschärfen als mildern wird, hat das Gericht bereits in einer früheren Entscheidung zu einem ähnlich gelagerten Fall festgestellt, in der es unter anderem wörtlich ausgeführt hat: „Der katholische Familienhintergrund wird zudem staatliche Sanktionen eher ungehemmter machen, da er die Klägerin insoweit zumindest als Anhängerin einer staatlicherseits allenfalls geduldeten, misstrauisch beobachteten Minderheitenanschauung ausweist (siehe dazu etwa OVG NdS, Urt. v. 19.9.2000 - 11 L 2068/00, UAS. 29 unter Bezugnahme auf ai, Stellungnahme vom 22.2.1999 an VG Leipzig und vom 15.1.1996 an VG Köln zur Gefahr einer Zwangsabtreibung/-sterilisation für eine Chinesin aus einem katholischen Dort, die durch unerlaubt Ausreise auffällig geworden ist und dadurch zu erkennen gegeben hat, dass sie sich der Geburtenkontrollpolitik entziehen will und die aus dem Ausland mit mehreren eigenen Kindern zurückkehrt; zur Nachteiligkeit eine katholischen Glaubenshintergrundes, die eine künftige Befolgung der Familienplanungspolitik nicht erwarten lässt, insoweit auch VG Bremen, Urt. v. 5.6.2012 - 6 K 3664/07.A -, juris, Rdnr. 25).
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Die Kostenentscheidung folgt aus §3 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylVfG.

Tenor

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 10.9.2012 wird aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger, ein am 21.2.2001 in Deutschland als uneheliches Kind geborener chinesischer Staatsangehöriger, wendet sich mit der Klage gegen die Ablehnung seines Asylfolgeantrags.
Seine Mutter, eine chinesische Staatsangehörige, deren Asylantrag rechtskräftig abgelehnt worden war (siehe A 6 K 11608/99 - Klagerücknahme am 16.11.1999 und A 6 K 11609/99 - ablehnender Beschluss vom 8.10.1999), hatte für ihn kurz nach seiner Geburt am 1.3.2001 einen ersten Asylantrag gestellt, der mit bestandskräftigem Bescheid vom 24.10.2002 mit der Begründung abgelehnt worden war, da der Kläger im Bundesgebiet geboren sei und sich niemals in China aufgehalten habe, könne er sich naturgemäß nicht darauf berufen, dort verfolgt worden zu sein. Auch sonst habe er keine eigenen Verfolgungsgründe geltend gemacht und einen Anspruch auf Familienasyl habe er nicht, weil der Asylantrag seiner Mutter abgelehnt worden sei. Mit diesem Bescheid wurde nicht nur seine Anerkennung als Asylberechtigter abgelehnt sondern zugleich auch festgestellt, dass weder die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG noch des § 53 AuslG vorlagen.
Der Vater des Klägers war ein chinesischer Asylbewerber, der die Mutter des Klägers seinerzeit flüchtig kennengelernt hatte. In der Folgezeit lebte er infolge seiner Verteilung in ein anderes Bundesland und der geltenden Residenzpflichtbeschränkungen nicht mit dem Kläger und seiner Mutter zusammen, sondern hatte nur seltenen Besuchskontakt mit ihnen. Etwa vor fünf Jahren ist er schließlich nach rechtskräftiger Ablehnung seines eigenen Asylantrags nach China zurückgekehrt und hat seither keinen Kontakt mehr mit dem Kläger und seiner Mutter, sondern lebt dort offenbar an unbekanntem Ort sein eigenes Leben. Das ergibt sich aus den Angaben des Klägers und seiner Mutter in der mündlichen Verhandlung, die das Gericht als glaubhaft ansieht, weil sie übereinstimmen, plausibel sind und auch sichtlich von persönlichen Emotionen wie Traurigkeit und Enttäuschung getragen waren.
Am 22.8.2012 stellte der Kläger - vertreten durch seine Mutter - einen Asylfolgeantrag, mit dem Ziel, ihm nach Durchführung eines Asylfolgeverfahrens die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise das Vorliegen der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 - 7 AufenthG festzustellen. Zur Begründung berief er sich darauf, seine Mutter habe beim Diakonischen Werk am 16.8.2012 wegen eines Schreibens des Regierungspräsidiums vom 13.8.2012 vorgesprochen. Dabei habe sie von einem Mitarbeiter erfahren, dass das VG Meiningen (8 K 20205/09) gestützt auf eine Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 2.8.2010 und von amnesty international vom 22.7.2010 entschieden habe, dass Eltern ohne Geburtserlaubnis geborener unerlaubter Kinder in China bei Nichtzahlung hoher, mehrere Jahreseinkommen umfassender Bußgelder Inhaftierung und Eigentumsbeschlagnahme drohe und die Registrierung des Kindes mit der Folge verweigert werde, das ihnen deshalb der Zugang zum Schulsystem und zur staatlichen Krankenversorgung verwehrt werde. Die diskriminierende Anwendung solcher gesetzlicher, administrativer und polizeilich/justizieller Maßnahmen stelle eine Verfolgungshandlung im Sinne von Art. 9 Abs. 2 b der QRL (Qualifikationsrichtlinie) dar. Zumindest seien damit die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots erfüllt.
Mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 10.9.2012 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens und auch den Antrag auf Abänderung des Bescheids vom 24.10.2002 hinsichtlich der dort getroffenen negativen Feststellungen zu § 53 Abs. 1 - 6 AuslG ab.
Zur Begründung führte es aus, es fehle schon an einer schlüssigen Darlegung, dass dem Kläger nunmehr asyl- bzw. flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung in China drohe. Zwar drohe bei Verstößen gegen die Ein-Kind-Politik in China, der zufolge nichteheliche Kinder unerlaubt seien, je nach Provinz und lokaler Praxis eine Sanktionierung mit empfindlichen, zum Teil mehrere Jahresgehälter umfassenden Geldbußen, bei deren Nichtzahlung das Kind nicht im Haushaltsregister (Hukou) registriert werde, was es wiederum vom Schulbesuch, Sozialleistungen und der staatlichen Krankenversorgung ausschließe. Die Durchsetzung der staatlichen Familienplanungspolitik sei auch immer wieder mit gravierenden Menschenrechtsverletzungen verbunden. So komme es zu Zwangsabtreibungen in fortgeschrittenen Schwangerschaftsmonaten, Zwangssterilisationen und zwangsweiser Entziehung von Kindern im Rahmen illegaler Adoptionspraktiken. Darin könne aber letztlich keine politische Verfolgung gesehen werden, weil diese Maßnahmen nicht an asylrelevante persönliche Merkmale, wie etwa die religiöse oder politische Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit, anknüpften, sondern das Ziel verfolgten, ein weiteres Bevölkerungswachstum im bevölkerungsreichsten Land der Welt einzudämmen und deshalb auch gleichermaßen allen chinesischen Staatsbürgern gegenüber angewendet würden. Die Rigorosität, mit der diese Ziel verfolgt werde, möge zwar in Deutschland befremdlich erscheinen und sei wohl mit dem Grundgesetz nicht vereinbar, es sei aber nicht Aufgabe des Asylrechts, die Ordnung des Grundgesetzes in anderen Staaten durchzusetzen. Ausreichende Gründe für die Gewährung subsidiären Schutzes seien nicht dargelegt oder sonst ersichtlich, so dass auch eine Abänderung der negativen Feststellungen zu Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG im Wege des Wiederaufgreifens nicht in Betracht komme.
Nachdem dieser Bescheid am 12.9.2012 als Einschreiben zur Post gegeben wurde, (da der Bescheid erst vom 10.9.2012 stammt, kann der Abgangsvermerk auf BAS 33 nicht zutreffen, wonach der Bescheid am 12.08.2012 zur Post gegeben worden sei), hat der Kläger dagegen am 27.9.2012 Klage beim Verwaltungsgericht erhoben.
Er verweist zur Begründung auf das Urteil des VG Meiningen (8 K 20205/09).
Der Kläger beantragt,
10 
den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 10.9.2012 aufzuheben, und die Beklagte zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise: ihm subsidiären Schutz zuzuerkennen, höchst hilfsweise: die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 bzw. 7 AufenthG vorliegt.
11 
Die Beklagte beantragt,
12 
die Klage abzuweisen.
13 
Sie verweist auf die Gründe des angefochtenen Bescheids.
14 
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten (1 Heft Gerichtsakten, 2 Hefte Behördenakten) und die den Beteiligten mitgeteilten Erkenntnismittel verwiesen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden.
15 
Im Termin zur mündlichen Verhandlung sind der Kläger und insbesondere seine Mutter als gesetzliche Vertreterin angehört worden. Auf die hierzu angefertigte Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die zulässige Klage ist bereits mit dem Hauptantrag begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Er hat Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 113 Abs. 1 S. 1 und Abs. 5 S. 1 VwGO).
17 
Das Bundesamt ist (a) aufgrund des Folgeantrags des Klägers gem. § 71 Abs. 1 S. 1 AsylVfG i.V.m. § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG verpflichtet, ein weiteres Asylverfahren durchzuführen und (b) dem Kläger in diesem Zusammenhang die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen (§§ 1 Abs. 1 Nr. 2 , 3 Abs. 1 und Abs. 4 AsylVfG).
18 
(a) Die Sach- und Rechtslage hat sich nämlich gegenüber der dem Erstbescheid zugrundeliegenden Sach- und Rechtslage geändert. Die im Folgeantrag genannten, vom VG Meiningen seiner Entscheidung zugrunde gelegten Auskünfte des Auswärtigen Amtes bzw. von amnesty international vom 22.7. bzw. 2.8.2010 belegen die konkrete Praxis in China bezüglich der Anwendung des mit diesen Sonderregelungen überhaupt erst zum 1.9.2002 in Kraft getretenen „Bevölkerungs- und Familienplanungsgesetzes“ insbesondere auch hinsichtlich der Bußgeld- und Registrierungspraxis, die womöglich eine andere Bewertung des Asylgesuchs erfordern, als noch zur Zeit des Erstantrags, bei dessen Behandlung diese Fragen seinerzeit weder vom Kläger noch etwa von Amts wegen vom Bundesamt thematisiert worden waren.
19 
Die Mutter des Klägers als dessen gesetzliche Vertreterin war auch ohne grobes Verschulden außerstande, den Wiederaufgreifensgrund in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen (§ 51 Abs. 2 VwVfG). Denn zu diesem Zeitpunkt mochte sie, weil sie noch Kontakt zum Kindesvater hatte, noch die Hoffnung gehabt haben, den Kindsvater zu ehelichen und so die Unehelichkeit des Klägers zu beenden. Von daher kann ihr nicht zum Vorwurf gemacht werden, im Asylantrag für den Kläger die chinesische Familienplanungspolitik, die unter anderem uneheliche Kinder betrifft, nicht als Asylgrund geltend gemacht zu haben. Sie hat auch mit dem Folgeantrag, den sie für den Kläger gestellt hat, die Drei-Monatsfrist des § 51 Abs. 3 VwVfG eingehalten. Auch wenn die Entscheidung des VG Meiningen und die dort zitierten Auskünfte schon aus den Jahren 2011 bzw. 2010 stammen, hat sie doch glaubhaft gemacht, dass sie erst bei ihrer Vorsprache beim Diakonischen Werk am 16.8.2012 davon Kenntnis erlangt hat. Gleich am 22.8.2012, also innerhalb der ab diesem Zeitpunkt dann laufenden Dreimonatsfrist, hat sie dann den Folgeantrag für den Kläger gestellt.
20 
(b) Der mithin zu prüfende Folgeantrag ist auch begründet. Dem Kläger ist Flüchtling im Sinne des Art. 1 A Ziff. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK - Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.7.1951 - BGBl. 1953 II S. 559, 560). Denn er befindet sich gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 a AsylVfG aus begründeter Furcht vor einer Verfolgung wegen Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der unter Verstoß gegen die Regelungen der chinesische Ein-Kind-Politik geborenen chinesischen Kinder außerhalb seines Heimatstaates China, dessen Schutz er wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Gemäß § 3 Abs. 4 AsylVfG ist ihm deshalb die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
21 
Nach wie vor gilt in China die sogenannte Ein-Kind-Politik, nämlich das oben erwähnte „Bevölkerungs- und Familienplanungsgesetz“ vom 1.9.2002 (siehe AA Lagebericht China v. 18.6.2013 - II. 1.8. S. 24). Danach darf eine Frau ein einziges Kind bekommen und auch das nur, wenn sie - anders als hier die Mutter des Klägers - verheiratet ist. Ein verheiratetes Paar muss insoweit eine bestimmte Altersgrenze überschritten haben und vor der Geburt eine Geburtsgenehmigung eingeholt haben, weil Männer erst mit 22 Jahren und Frauen erst mit 20 Jahren heiraten dürfen (Art. 6 des chinesischen Heiratsgesetzes - siehe Refugee Documentation Centre (Ireland) - Legal Aid Board - Auskunft v. 14.10.2011 - unter www.ecoi.net und www.asyl.net -dort unter Länderinformationen/China).
22 
Auch wenn in jüngster Zeit Rufe nach einer Abschaffung der Ein-Kind-Politik immer lauter und drängender geworden sein mögen (siehe BayVGH, B. v. 9.9.2013 - 2 ZB 13.30255 - juris, Rdnr. 9 und VG Bayreuth, U. v. 2.7.2013 - B 3 K 13.30042 - UAS. 5 unter Verweis auf DIE ZEIT-online http://www.zeit.de/politik/ausland/2012-10/China-ein-kind-politik-reform, wonach ein „regierungsnahes Forschungsinstitut“ in China die schrittweise Abschaffung dieser Politik bis 2015 „gefordert“ habe; siehe insoweit auch www.zeit.de/wissen/2013-01/china-ein-kind-politik-studie - schon vom 11.1.2013 - zu den negativen psycho-sozialen Auswirkungen der Ein-Kind-Politik und Berichten chinesischer Medien, wonach die Regierung diese „schrittweise abschaffen wolle“), bedeutet dies (noch) nicht, dass diese Regelungen im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der heutigen mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 S. 1 AsylVfG) nicht mehr gelten, weil sie etwa oder förmlich bzw. de-facto abgeschafft sind oder nicht mehr praktiziert würden (so auch Amnesty international - Auskunft v. 15.1.2014 an VG Augsburg, wonach eine Reform der Ein-Kind-Politik vom Dezember 2013 regelt, dass künftig Paare, bei denen ein Partner Einzelkind ist, zwei Kinder haben können, ansonsten aber die Geburtenkontrollpolitik nicht aufgehoben worden sei). Dafür, dass in allernächster Zukunft diese Regelungen außer Kraft gesetzt würden, ist also kein Anhaltspunkt vorhanden. Entsprechende Spekulationen zum Nachteil des Klägers verbietet sich von daher.
23 
Ausnahmen von der Ein-Kind-Regelung - die im vorliegenden Fall allerdings nicht einschlägig sind - betreffen verheiratete Paare auf dem Lande, denen ein Zweitkind zugestanden wird, wenn das erste Kind ein Mädchen ist (siehe AA Lagebericht China v. 18.6.2013 - II. 1.8. S. 24; siehe zu speziellen Ausnahmeregelungen der Familienplanungsvorschriften für verheiratete Paare und obendrein für verheiratete Paare auf dem Land in der Provinz Fujian, aus der die Klägerin stammt, die detailreichen Angeben in: Immigration and Refugee Board of Canada, China - Family Planning Laws, v. 1.10.2012 - dort Ziff. 2.2.2 - unter www.ecoin.net und unter www.asyl.net - Asylmagazin 12/2012 bzw. in www.asyl.net unter Länderinformationen/China).
24 
Die Geburtenkontrollpolitik gilt im Grundsatz auch für Chinesen, die im Ausland leben und dort Kinder bekommen. Wer im Ausland als Kind chinesischer Eltern geboren wird, ist nach Art. 5 des chinesischen Staatsangehörigkeitsgesetzes auch chinesischer Staatsangehöriger, es sei denn die beiden Elternteile haben sich dauerhaft im Ausland niedergelassen oder einer von ihnen hat eine ausländische Staatsangehörigkeit angenommen. Informationen, dass dies bei nicht-ehelichen Kindern und solchen, die unter Verstoß gegen die Geburtenkontrollreglungen geboren wurden, finden sich insoweit nicht. Auch wenn es keine ausdrückliche Regelung gibt, dass Auslandschinesen eine Geburtserlaubnis bei der chinesischen Botschaft im Aufenthaltsstaat einholen müssen, ist doch die dokumentierte Einholung eines Rates der nächstgelegenen Botschaft angezeigt, da ein solcher Nachweis nach Rückkehr für die Haushaltsregistrierung (Hukou) verlangt werden kann. Grundsätzlich können auch Auslandschinesen wegen einer nach den genannten Regeln unerlaubten Geburt eines Kindes im Ausland zu einer Bußgeldzahlung herangezogen werden (so Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 8 - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net).
25 
Sonderregelungen für Auslandsrückkehrer in der Provinz Fujian - aus der die Mutter des Klägers stammt -, die sicherstellen, dass diese ihre im Ausland außerhalb der Geburtenkontrollregelungen geborenen Kinder registrieren können und dass diese auch sonst keine Nachteile erfahren, gibt es nicht (so jüngst Amnesty International, Auskunft v. 15.1.2014 an VG Augsburg; siehe im Übrigen BayVGH , B. v. 9.9.2013 - 2 ZB 13.30255 - juris, Rdnr. 10 und VG Arnsberg, U. v. 7-3.2013, wonach es in der Provinz Fujian eine Sonderregelung gebe, die einem verheirateten Auslandsrückkehrpaar ein zweites Kind erlaube; das VG Bayreuth, U. v. 2.7.2013 - B 3 K 13.30042 -, UA S. 9 verweist hierzu auf eine Auskunft von ai an VG Trier vom 18.4.2011 wonach Auslandsrückkehrern in Fujinan ein zweites Kind erlaubt sei- damit sind aber wohl im Grundsatz auch nur verheiratete Paare gemeint). Aus anderen Auskünften ergibt sich auch nur, dass Auslandsrückkehrer nur dann keine Sanktionen wegen Verstößen gegen die Geburtenkontrollpolitik befürchten müssen, wenn - anders als im vorliegenden Fall der Mutter des Klägers als abgelehnter Asylbewerberin ohne Ausbildung und Berufstätigkeit in Deutschland - an ihrer Rückkehr wegen ihrer Ausbildung und Wirtschaftskraft ein Interesse des chinesischen Staates besteht, bzw. eine Wiedereinreise nach China Frauen nur im schwangeren Zustand erlauben, wenn das andere Kind permanent im Ausland lebt (OVG Saarland, U. v. 20.10.1999 - 9 R 24/98 - UA S. 29 unter Verweis auf Scharping, Auskunft v. 25.3.1999 an VG Leipzig; ferner ai, Auskunft v. 4.6.2002 an VG Köln und Auskunft v. 21.4.2011 an VG Trier, sowie Scharping, Auskunft v. 28.10.1999 an VG Leipzig; siehe auch Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 1, 2 - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net -, wonach Auslandschinesen nur bei dauerhaftem Wohnsitz im Ausland bzw. nur dann nicht, wenn sie im Ausland studiert haben, unter die Ein-Kind-Regelung fallen, also zwei Kinder haben dürfen, wonach aber nicht eindeutig klar sei, dass dies auch für einzelne nicht-eheliche unerlaubte „Schwarzkinder“ gelte; zu einer tatsächlich durchgeführten Zwangssterilisierung einer aus dem Ausland in die Provinz Fujian mit zwei Kindern zurückkehrenden Chinesin im Jahr 2010 - siehe ai- Auskunft v. 15.1.2014 an VG Arnsberg).
26 
Unterfällt nach allem der Kläger als das nichtehelich geborene Kind einer (Auslands-) Chinesin den genannten Regeln, so stellt sich seine Geburt nicht nur als formell unerlaubt, sondern als nicht genehmigungsfähig mit der Folge dar, dass sie als solche auch nicht registriert wird.
27 
Auch wenn das chinesische Gesetz selbst die Gleichstellung von ehelichen und nicht-ehelichen Kindern ausdrücklich gebietet und Diskriminierung insoweit eindeutig verbietet (Art. 19 des Heiratsgesetzes - siehe dazu Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 4 - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net), knüpfen doch die Geburtenkontrollregelungen empfindliche Nachteile an den Umstand der unerlaubten nichtehelichen Geburt:
28 
Eine nichteheliche Mutter muss nämlich ein extrem hohes Bußgeld im Umfang von vier bis sechs Jahresdurchschnittsgehältern zahlen (so zur Regelung in der Provinz Fujian, aus der die Mutter des Klägers stammt Immigration and Refugee Board of Canada, China - Family Planning Laws, v. 1.10.2012 - dort Ziff. 2.2.2 und 2.2. - unter www.ecoin.net und unter www.asyl.net - Asylmagazin 12/2012; ebenso Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 1, 2 - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net).
29 
Dass die Mutter des Klägers ein solches exorbitantes Bußgeld sollte zahlen können, kann nicht einfach unter Hinweis darauf unterstellt werden, sie habe ja auch durch die damalige Finanzierung ihrer Ausreise und Einreise nach Deutschland eine entsprechende Finanzkraft demonstriert (in diesem Sinne zu einem solchen Fall aber . VG Bayreuth, U. v. 2.7.2013 - B 3 K 13.30042 -, UA S. 9; ebenso VG Augsburg, U. v. 28.1.2014 - Au 2 K 13.30246 -juris, Rdnr. 39). Denn sie ist hier schon 1999 nach Deutschland als junge Frau gekommen, lebt hier seitdem als Asylbewerberin bzw. abgelehnte Asylbewerbern, hat sich nach ihren plausiblen und glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung dem Heimatland China völlig entfremdet hat und dort allenfalls noch telefonisch Kontakt zu ihren über 70 Jahre alten Eltern hat und zudem keinen Kontakt mehr zum (im Grundsatz wohl auch nach chinesischem Familienrecht unterhaltsverpflichteten) Vater des Klägers. Sie hat wegen ihrer fehlenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Prozesskostenhilfe im vorliegenden Verfahren bewilligt bekommen. Von daher kann nicht davon ausgegangen werden, sie habe über die Jahre hinweg im Umfang von mehreren tausend bis zigtausend Euro Ersparnisse anhäufen können, aus denen sie nach einer Rückkehr in China die entsprechenden Bußgelder werde zahlen und so die mit der Ein-Kind-Regelung verbundenen Sanktionen werde abwenden können.
30 
Wird das Bußgeld aber nicht gezahlt, so ist eine „Legalisierung“ des unerlaubt geborenen Kindes nicht möglich mit der Folge, dass ohne die Geburtsregistrierung dann auch keine Haushaltsregistrierung (sog. „hukou“) erfolgt, ohne die dann wiederum ein solches „unerlaubtes Schwarzkind“ vom Recht auf Schulbesuch, auf Teilhabe an sozialen Leistungen und von der staatlichen Gesundheitsversorgung komplett ausgeschlossen wird (AA Lagebericht, China v. 18.6.2013 - II. 1.8. S. 25; Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 4 - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net; Immigration and Refugee Board of Canada, China - Family Planning Laws, v. 1.10.2012 - dort Ziff. 3.4 - unter www.ecoin.net und unter www.asyl.net - Asylmagazin 12/2012).
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Dass diese strengen Regelungen der Geburtenkontrolle im Zuge einer generellen Lockerung in der Praxis etwa nicht mehr so streng gehandhabt würden, lässt sich nicht feststellen. Nach alle oben zitierten sehr detaillierten Auskunftsquellen (siehe ergänzend auch ACCORD, Auskunft v. 29.1.2009 zum Thema China/Frauen/Ein-Kind-Politik; Rückkehr mit zwei Söhnen - unter www.ecoi.net) gilt - insbesondere auch für die Provinz Fujian, die Heimatprovinz der Mutter des Klägers, dass dort die Geburtenkontrollpolitik gegenüber alleinerziehenden, unverheirateten Müttern unehelicher Kinder trotz womöglich phasenweiser Lockerungen nach wie vor rigoros bis hin zum Einsatz von Mitteln wie Zwangssterilisierungen der Mütter, Zwangsabtreibungen oder massivem Druck zur „freiwilligen“ Abtreibung durchgesetzt wird. Auch wenn hier und da einzelne Beamte für solche nach chinesischem Recht inzwischen illegalen Maßnahmen zur Rechenschaft gezogen werden, kommt es doch nach allen vorliegenden Berichten „recht häufig [fairly frequently]“ bzw. „immer wieder“ zu solchen Eingriffen und Sanktionen (gerade jüngste Pressemeldungen zeigen deutlich, dass solche Eingriffe und Übergriffe in China durchaus „an der Tagesordnung“ sind - vgl. etwa spiegel-online, www.spiegel.de/politik/ausland vom 15.6.2012 und NZZ-online vom 15.7.2012 [www.nzz.ch/aktuell/ international/abtreibung-unter-zwang-1,17357004, wonach jüngst in der Provinz Shanxi Funktionäre eine Zwangsabtreibung bei einer im 7. Monat schwangeren 23 Jahr alten Chinesin vornahmen. Diesen Meldungen ist auch zu entnehmen, dass in jüngster Zeit nicht nur mehrere Bericht über Zwangsabtreibungen in China die dortige Öffentlichkeit erschütterten, sondern dass insbesondere auch Ende April 2012 in der Provinz Fujian Beamte ein ungeborenes Kind mit der Giftspritze töten ließen. Zwar wurde im Fall aus Shanxi eine Entschädigung zugesprochen und der Beamte suspendiert, eine strafrechtliche Aufarbeitung fehlte aber und das alles geschah auch nur auf Druck der Medien, nachdem der Kindesvater, der protestierte hatte, von den Behörden tagelang festgenommen worden war, und das von ihm im Internet veröffentlichte Foto seiner Frau mit dem toten Fötus Fall hohe Wellen schlug, die auch die chinesische Staatspropaganda nicht mehr ignorieren konnte. Auch der bekannte blinde chinesische Menschenrechtsanwalt Chen Guangcheng, der Frauen vertrat, die Opfer von Zwangsabtreibungen geworden war, und ihre Fälle zu Gericht brachte, wurde wegen dieses Engagements zu vier Jahren Haft verurteilt, nach der Haftzeit unter Hausarrest gestellt und wiederholt zusammengeschlagen, bis ihm jüngst im April 2012 spektakulär die Flucht in die amerikanische Botschaft gelang, von wo aus er schließlich in die USA ausreisen durfte [http://de.wikipedia.org/wiki/Chen-Guangchen]).
32 
Wenn aber schon solche Übergriffe auf die Mütter selbst demnach beachtlich wahrscheinlich sind, dann kann davon ausgegangen werden, dass erst recht die „bloßen“ Sanktionen einer Registrierungsverweigerung und die damit verbundenen massiven rechtlichen und sozialen Nachteile für die Kinder beachtlich wahrscheinlich sind. Davon geht nicht nur das Bundesamt im angegriffenen Bescheid selbst aus, sondern das ergibt sich auch aus dem jüngsten Lagebericht des Auswärtigen Amtes aus dem Jahr 2013.
33 
Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass der im Bundesgebiet aufgewachsene Kläger, der zeit seines Lebens nichts anderes als seine deutsche Umgebung gesehen hat, badischen Dialekt spricht, schulisch und sozial völlig in seinem deutschen Umfeld integriert ist und als dreizehnjähriger Schüler bislang eine gute Ausbildung genossen hat und nicht einmal wirklich gut Chinesisch sprechen kann, geschweige denn die komplexe chinesische Schrift beherrscht, sondern - mangels eines qualifizierten, grundlegenden Unterrichts, den auch seine Mutter nicht leisten kann - nicht Chinesisch schreiben und lesen kann. Er würde daher bei Rückkehr nach China seine schulische Bildung abbrechen müssen und sich ohne jede soziale Absicherung, ohne abgeschlossene Ausbildung, ohne Chinesischkenntnisse, ohne soziale Kontakte und vor allem mangels Geburtsregistrierung und Hukou-Registrierung als - rechtlich betrachtet - „Unperson“ bzw. „Nichtperson“ dort mit seiner Mutter durchschlagen müssen, ohne dabei auf Hilfe zurückgreifen zu können, da er selbst und auch seine Mutter nach so vielen Jahren im Ausland dort verständlicherweise außer den über 70-jährigen Eltern/Großeltern keine Bezugsperson mehr haben. Insoweit würde er nur eine Existenz unter den erbärmlichen Bedingungen fristen können, unter denen heutzutage in vielen Städten Chinas viele vom Land illegal dort hingekommene Wanderarbeiter leben müssen, die sich wie Sklavenarbeiter mit schlecht bezahlten Arbeiten auf den großen Baustellen in den aufstrebenden Städten ohne jede persönliche Rechte als Tagelöhner durchschlagen müssen.
34 
In ihrer Kumulation stellten aber die auf diese Weise vom chinesischen Staat für den Kläger als uneheliches Kind bewusst und gezielt verursachten Nachteile einen Verfolgungseingriff mit dem Gewicht einer schweren Menschenrechtsverletzung dar, wie sie vom Flüchtlingsbegriff vorausgesetzt wird (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2, sowie Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 6 AsylVfG in Verbindung mit Art. 9 Abs. 1a und Abs. 2 QRL [Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU]). Über bloße für sich genommen unerhebliche Diskriminierungen gehen solche Folgen weit hinaus, da sie das Leben des Betroffenen grundlegend entwerten. Insofern schließt sich das Gericht der Auffassung des VG Meiningen und des VG Trier an (VG Meiningen, U. v. 6.4.2011 - 8 K 20205/09.Me, juris; VG Trier, U. v. 23.3.2011 - 5 K 442/10.TR- , juris = InfAuslR 2011, 219 = Asylmagazin 7-8/2011, S. 243 und U. v. 11.7.2012 - 5 K 433/12.TR -, juris).
35 
Die grundlegende Verweigerung einer Geburtsregistrierung und zusätzlich einer Hukou-Registrierung, die im totalitär durchstrukturierten, bürokratisch durchorganisierten chinesischen Staat Grundlage für alle weiteren verwaltungsrechtlichen Rechtsanerkennungen (Umzug, Arbeit, Meldepflicht, Krankenhausleistung, Schulbesuch, Personalausweis) ist (siehe AA, Auskunft v. 8.6.2006 an VG Braunschweig und v. 11.4.2011 an VG Köln), grenzt den Betroffenen massiv aus der staatlich verfassten Friedensordnung aus, zwingt ihn so in die Illegalität und verletzt das grundlegende Menschenrecht auf Teilhabe an dieser gemeinschaftlichen Friedensordnung und auf Anerkennung als Rechtsperson (Art. 6 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte - UN Generalversammlung, Resolution 217/III v. 10.12.1948: Jedermann hat überall Anspruch auf Anerkennung als Rechtsperson; Art. 16 Internationaler Pakt über bürgerliche und private Rechte [IPbpR] v. 19.12.1966 - BGBl. 1973, II S. 1534: Jedermann hat das Recht, überall als rechtsfähig anerkannt zu werden, und Art. 24 Abs. 2 IPbpR: Jedes Kind muss unverzüglich nach seiner Geburt in ein Register eingetragen werden und einen Namen erhalten). Eine solche Ausgrenzung, wie sie durch die Verweigerung von Geburtsregistrierung und Hukou-Registrierung bewirkt wird, kommt somit in ihren verwaltungstechnischen Folgen einer Ausbürgerung nahe, deren Charakter als Verfolgungseingriff von ausreichender menschenrechtsverletzender Intensität anerkannt ist (BVerwG, U. v. 26.2.2009 - 10 C 50.07 - AuAS 2009, 175 = ZAR 2009,319 = BVerwGE 333,203).
36 
Dass es nach Auskunft des Auswärtigen Amtes zeitweise möglich sein kann, auch länger Behördenkontakt zu vermeiden und sich illegal in einer chinesischen Stadt aufzuhalten, und dass auch gefälschte Unterlagen und Personalausweise in China erhältlich sind (siehe AA, Auskunft v. 8.6.2006 an VG Braunschweig), ist dabei unbeachtlich, denn ein Leben in der Illegalität darf flüchtlingsrechtlich niemandem als Alternative zum Verfolgungsschutz angesonnen werden (so BVerwG, U. v. 1.2.2007 - 1 C 24.06 - AuAS 2007, 68 = juris zur Unzumutbarkeit einer inländischen Fluchtalternative, wenn nur ein Leben in der Illegalität unter der dauernder Gefahr polizeilicher Kontrollen und Strafsanktionen möglich ist).
37 
Diese Verfolgungsmaßnahme in Form einer Rechtlosstellung knüpft auch an ein flüchtlingsrechtlich relevantes Merkmal des Klägers an, nämlich an seine uneheliche, unerlaubte Geburt, und damit an seine Zugehörigkeit zu der sozialen „Gruppe der illegal geborenen nichtehelichen chinesischen Kinder“ (§§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3a Abs.3, 3b Abs. 1 Nr. 4a) und b). Diese Gruppe ist sozial klar definiert und erkennbar und von der übrigen Gesellschaft abgrenzbar und wird von der Bevölkerung auch als solche wahrgenommen. Die Anknüpfung der Sanktion an die Zugehörigkeit zu dieser Gruppe macht den Kläger gewissermaßen für sein So-Sein haftbar, indem sie ihm wegen seines für ihn unabänderlichen, irreversiblen und unvertretbaren Persönlichkeitsmerkmals seiner unehelichen Geburt Nachteile bereitet. Damit macht ihn die Sanktion nicht für eigenes Verhalten verantwortlich, sondern für das Verhalten Dritter, nämlich seiner Eltern, für das er naturgemäß nichts kann. Das aber wiederum ist genauso willkürlich und diskriminierend, wie eine an die Hautfarbe oder ethnische Volkszugehörigkeit anknüpfende Sanktion. Der „Geburtsmakel“ der unehelichen Geburt ist dem Kläger angeboren. Nichteheliche Kinder werden in China auch (i.S.d. § 3b Abs. 1 Nr. 4 b AsylVfG) von der Gesellschaft auch als andersartig betrachtet, nämlich sozial stigmatisiert und werden nach wie vor durch die insoweit mit tief verwurzelten Vorurteilen behaftete chinesische Gesellschaft mit Mitleid und Verachtung betrachtet (so ausführlich mit Quellenangaben Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 2 - 6 [Ziff. 2 A, B und Ziff. 3 sowie Ziff. 5] - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net).
38 
Dem lässt sich entgegen der im angefochtenen Bescheid aber auch in der überwiegenden verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung vertretenen Ansicht nicht entgegenhalten, bei diesen Sanktionen (gleich ob sie die nichtehelichen Mütter mit Zwangsabtreibungen, bzw. die Mütter und Väter mit Zwangssterilisationen oder -adoptionen oder aber die -unerlaubten, überflüssigen - Kinder mit den dargestellten Formen der Rechtlosstellung treffen) handle es sich nicht um eine Verfolgung, die an das Persönlichkeitsmerkmal der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe anknüpfe. Die chinesische Geburtenkontrollpolitik und die oben genannten gesetzlichen Regelungen des Bevölkerungs- und Familienplanungsgesetzes allgemein, finde nämlich gleichermaßen und ohne jede weitere Differenzierung auf alle chinesischen Staatsbürger Anwendung und dieses allgemeine Gesetz verfolge insoweit eben gerade nicht das Ziel der Diskriminierung einer bestimmten Bevölkerungsgruppe (etwa einer Minderheitengruppe wie der Tibeter oder Uiguren). Vielmehr ziele es lediglich darauf ab, ganz allgemein die Geburtenrate aller Chinesen im Blick auf das Bevölkerungswachstum in diesem sehr bevölkerungsreichen Land einzugrenzen, um so soziale und wirtschaftliche Missstände zu vermeiden, die andernfalls mit einer zunehmenden Überbevölkerung einhergingen (siehe dazu die Rechtsprechungsübersicht bei VG Würzburg, B. v. 28.8.2013 - W 6 S 13.30278 -, juris, Rdnr. 14; siehe auch die Rechtsprechungsnachweise der in diesem Sinne urteilenden obergerichtlichen Rechtsprechung des BayVGH, des OVG NRW und des NdsOVG bei VG Augsburg, U. v. 28. 1.2014 - Au 2 K 13.30246 -, juris, Rdnr. 36 und 37).
39 
Diese Auffassung greift indessen zu kurz, weil sie lediglich das politische, für sich genommen legitime Fernziel einer Kontrolle des Bevölkerungswachstums in den Blick nimmt und sich dadurch den Blick auf die zur Erreichung dieses Ziels in China angewendeten menschenrechtswidrigen Zwangsmethoden der Ausgrenzung verstellt. Die Methoden der Kontrolle des Bevölkerungswachstums beschränken sich nämlich gerade nicht auf menschenrechtlich unbedenkliche Methoden wie Aufklärung, Bereitstellung von Mitteln zur Empfängnisverhütung, Einführung von Rentenversicherungsmodellen um den Anreiz für möglichst viele Kinder zu nehmen, Einführung von Bildung für Frauen, Modelle finanzieller/steuerlicher Anreize bei geringer Kinderzahl etc. Vielmehr verletzen sie das durch alle Menschenrechtspakte geschützte grundlegende Recht aller Menschen, eine Familie zu gründen, nämlich Kinder zu haben, und dabei als freie Menschen in eigener wirtschaftlicher und sozialer Verantwortung die Zahl ihrer Kinder selbst zu bestimmen (siehe Art. 16 Nr. 1 S. 1 und Nr.3 AEMR, Art. 23 Abs. 1 und Abs. 2 des - auch von China gezeichneten - IPbpR, Art. 12 EMRK, Art. 6 GG). Dieses grundsätzlich anerkannten Menschenrecht schützt das dem Menschsein innewohnende Grundbedürfnis nach Reproduktion (ausführlich dazu Saona, „The Protection of Reproductive Rights under International Law: The Bush Administration´s Policy Shift and China´s Family Planning Activities“, Pacific Rim Law & Policy Journal,. Volume 13 No.1, January 2004, page 229 [236, 239, 253, 254] - im internet unter google auffindbar; siehe ferner Mückl in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, 2010, Bandd VI/1, Europäische Grundrechte, § 141 „Ehe und Familie“ -, S. 191 [196, 206, 208). Mit Zwangssterilisationen, Zwangsadoptionen, Zwangsabtreibungen usw. wird die „Gruppe derjenigen Chinesen getroffen, die dieses Menschenrecht auf Familiengründung und Reproduktion ausüben“. Ihnen wird die (weitere) Ausübung dieses Grundrechts schon biologisch-physisch unmöglich gemacht bzw. die Rechtsausübung wird durch die Rechtlosstellung der in Ausübung des Grundrechts geborenen Kinder sanktioniert, obwohl dieses Menschenrecht keinem spezifischen Schrankenvorbehalt unterliegt, der solche Eingriffe rechtfertigen könnte (siehe dazu Mückl, a.a.O. Handbuch der Grundrechte, S. 208, wonach etwa eine Zwangssterilisation/Kastration nur in sehr engen Grenzen gerechtfertigt sein könnte, etwa im Rahmen von § 1905 BGB oder zum Schutz der Allgemeinheit vor gefährlichen Sexualverbrechern; siehe ferner General Comment des Ausschusses für Menschenrechte zum IPbpR, Nr. 19 [39] zu Art. 23 IPbpR vom 24.7.1990 - Unterziffer 2 und 4, sowie insbes. 5, wonach eine Politik der Familienplanung mit den Bestimmungen des Paktes verträglich und insbesondere weder diskriminierend „noch zwangsmäßig“ sein darf; beide Quellen im internet unter google auffindbar). Mit anderen Worten, die Ein-Kind-Politik knüpft an das So-Sein, nämlich an das „Eltern-Sein“ an bzw. an ein Verhalten an, auf das zu verzichten dem Einzelnen deswegen nicht zugemutet werden kann, weil es sich um ein menschenrechtlich geschütztes Verhalten handelt, er sich also so verhalten darf. Die Verfolgung steht damit der Verfolgung in Anknüpfung an eine politische oder religiöse Überzeugung oder an eine sexuelle Orientierung und Präferenz gleich, bei der es nicht um ein angeborenes Merkmal geht, sondern darum, dass das Haben-Dürfen und Äußern-Dürfen einer solchen Überzeugung oder Präferenz als menschenrechtlich geschütztes Verhalten rechtlich keinen tauglichen Anknüpfungspunkt für Sanktionen darstellen darf. Gibt es aber insoweit keinen solchen legitimationskräftigen Anknüpfungspunkt, so stellt es eine Diskriminierung dar, gleichwohl daran anzuknüpfen. Vor einer Verletzung des Diskriminierungsverbots schützt aber der Flüchtlingsbegriff mit seiner Aufzählung insoweit nicht legitimationskräftiger persönlicher Merkmale, an die Verfolgung nicht anknüpfen darf (zum Schutz des So-Seins und So-Sein-Dürfens als Kern des Verfolgungsmerkmals der sozialen Gruppenzugehörigkeit und zu dem dabei anzuwendenden internationalen Menschenrechtsstandard als Maßstab: GK-AufenthG, II - § 60 AufenthG, Rdnr. 18). Wie bei allen flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgungen geht es auch bei der Ein-Kind-Politik letzten Endes um die Unterdrückung von menschenrechtlich grundlegend geschützten Lebensäußerungen, nämlich hier eine Familie zu gründen und Nachwuchs zu zeugen.
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Insofern knüpft auch die Ein-Kind-Politik mit ihrem Übergriff auf das Menschsein selbst, zu dem auch das Familie- und Elternsein zählt, an ein „Merkmal“, das „so bedeutsam für die Identität“ als Mensch ist, dass der Betroffene (rechtlich betrachtet) „nicht gezwungen werden sollte, darauf zu verzichten“. Damit stellt sie im Sinne von § 3 b Abs. 1 Nr. 4 a) AsylVfG eine Verfolgung in Anknüpfung an die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe dar.
41 
Daran ändert es nichts, dass selbstverständlich das Verfolgungsmerkmal eine Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe nicht schon dann vorliegt, wenn die alleinige Gemeinsamkeit der Gruppe darin besteht, dass die Gruppenmitglieder gegen ein Gesetz verstoßen und deshalb sanktioniert werden (dazu GK-AufenthG, II- § 60 AufenthG, Rdnr. 171), dass also beispielweise die Ahndung von Trunkenheitsfahrten im Straßenverkehr natürlich nicht eine Verfolgung wegen Zugehörigkeit zur „Gruppe der das Alkoholverbot im Straßenverkehr missachtenden“ Menschen darstellt. Denn das Fahren unter Alkohol stellt - im Unterschied zur Gründung einer Familie und zum Kinderhabendürfen - eben keine rechtlich Ausübung eines anerkannten grundlegenden Menschenrechts dar, sondern allenfalls eine Ausübung der allgemeinen Handlungsfreiheit, auf die im konkreten Fall zu verzichten schon wegen der Gefahren für die Menschenrechte Dritter dem Betreffenden wegen der entsprechenden Schrankenvorbehalte ohne weiteres rechtlich zugemutet werden kann (so knüpft etwa auch die strafrechtliche Sanktionierung der Pädophilie nicht an das Merkmal der Zugehörigkeit zur Gruppe der Pädophilen an, sondern an deren menschenrechtlich nicht geschütztes, sondern vielmehr Grundrechte Dritter verletzendes rechtswidriges Verhalten - siehe GK-AufenthG, II - § 60 AufenthG, Rdnr. 184; siehe auch § 3 b Abs. 1 nr. 4 b) AsylVfG: „Eine soziale Gruppe kann auch eine sein, die sich auf das gemeinsame Merkmal der sexuellen Orientierung gründet; Handlungen, die nach deutschem Recht als strafbar gelten, fallen nicht darunter“).
42 
Für die Richtigkeit dieser Ansicht spricht, dass mit eben dieser Begründung von den Gerichten anderer Aufnahmestaaten, wie etwa Kanada oder USA, die chinesische Ein-Kind-Politik mit ihren Sanktionen als flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe durchaus anerkannt wird (siehe dazu die Fundstellennachweise in GK-AufenthG, II - § 60 AufenthG, Rdnr. 197; siehe auch die ausführlichen juristischen Erwägungen zum - bejahten - Merkmal der Verfolgung wegen sozialer Gruppenzugehörigkeit im Urteil des Supreme Court of Canada, Judgment v. 10.10.1995 - [1995] - 3 SCR 593 - Chan./. Canada , unter http://scc-csc.lexum.com/scc-csc/scc-csc/en/item/1299/indes.do - dort insbes. Rdnrn. 50, 82, 88).
43 
Diejenigen deutschen Verwaltungsgerichte, welche die chinesische Ein-Kind-Politik auch als flüchtlingsrelevante Verfolgung einstufen, haben dies ohne lange Diskussion getan und als geradezu selbstverständlich angenommen, dass eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe, der „von den Exzessen der Familienplanungspolitik in China spezifisch betroffenen Frauen“ (so VG Bremen, U. v. 5.6.2012 - 6 K 3664/07.A -, juris Rdnr. 21) vorliegt, bzw. eine Zwangssterilisation als zweifelsfrei „geschlechtsspezifische Verfolgung der sozialen Gruppe der Frauen“ eingestuft (so VG Trier, U. v. 23.3.2011 - 5 K 442/10.TR -, juris Rdnr. 18) bzw. ganz generell darin eine „diskriminierende“ justizielle/administrative Maßnahme gesehen (VG Meiningen, U. v. 6.4.2011 - 8 K 20205/09 Me-, juris). Schließlich behandelt auch der Lagebericht des Auswärtigen Amtes die chinesische Ein-Kind-Politik wie selbstverständlich und ohne weitere Begründung unter der Überschrift „geschlechtsspezifische Verfolgung“.
44 
Soweit das Bundesamt im angefochtenen Bescheid schließlich die Ansicht vertritt, die chinesische Ein-Kind-Politik sei zwar befremdlich und mit dem Standard des Grundgesetzes unvereinbar, es sei aber nicht Aufgabe des Asylrechts, die Ordnung des Grundgesetzes in anderen Staaten durchzusetzen, weshalb die chinesische Ein-Kind-Politik keine flüchtlingsrechtlich anzuerkennende Verfolgung darstelle, stellt dies kein durchgreifendes Gegenargument gegen die oben dargelegte Ansicht dar. Denn Aufgabe des Asylrechts bzw. Flüchtlingsrechts ist es ohnehin nicht, eine bestimmte Rechtsordnung anderen Staaten „aufzuzwingen“ oder sie dort „durchzusetzen“, sondern lediglich einem Menschen, der in einem anderen Staat nach den Maßstäben international anerkannter Menschenrechtsstandards nicht mehr leben kann, weil er dort durch eine grundlegende Menschenrechte schwerwiegend verletzende Verfolgung - wie hier die Ein-Kind-Politik - aus der staatlich verfassten Friedensordnung ausgegrenzt und zur Flucht getrieben wird, eine neue Heimat durch Aufnahme in die staatliche Friedensordnung des Aufnahmestaates zu gewähren (so auch das BVerwG in der vom Bundesamt insoweit nur unvollständig zitierten Entscheidung U. v. 18.2.1986 - 9 c 104/85 -, juris Rdnr. 21 = InfAuslR 86, 189; dazu, dass damit keine „Diskriminierung fremder Rechtsordnungen“ verbunden ist und dass begriffsnotwendig zwischen dem Aufnahmestaat und dem Verfolgerstaat nach dem Konzept des Asylrechts ein Unterschied in den rechtlich respektierten Maßstäben besteht: GK-AufenthG, II - § 60 AufenthG, Rdnr. 185 und GK-AuslG, § 53 AuslG (a.F.), Rdnrn. 97 und 98 m.w.Nw.; siehe auch Art. 14 Nr. 1 AEMR, wonach es das Recht eines Menschenrecht ist, in anderen Ländern vor Verfolgungen Asyl zu suchen und zu genießen, was wiederum bedeutet, dass die Asylgewährung dem Verfolgerstaat gegenüber gerade kein völkerrechtswidriger Akt der Einmischung in seine Personalhoheit darstellt).
45 
Die Kostenentscheidung folgt aus §3 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylVfG.

Gründe

 
16 
Die zulässige Klage ist bereits mit dem Hauptantrag begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Er hat Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 113 Abs. 1 S. 1 und Abs. 5 S. 1 VwGO).
17 
Das Bundesamt ist (a) aufgrund des Folgeantrags des Klägers gem. § 71 Abs. 1 S. 1 AsylVfG i.V.m. § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG verpflichtet, ein weiteres Asylverfahren durchzuführen und (b) dem Kläger in diesem Zusammenhang die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen (§§ 1 Abs. 1 Nr. 2 , 3 Abs. 1 und Abs. 4 AsylVfG).
18 
(a) Die Sach- und Rechtslage hat sich nämlich gegenüber der dem Erstbescheid zugrundeliegenden Sach- und Rechtslage geändert. Die im Folgeantrag genannten, vom VG Meiningen seiner Entscheidung zugrunde gelegten Auskünfte des Auswärtigen Amtes bzw. von amnesty international vom 22.7. bzw. 2.8.2010 belegen die konkrete Praxis in China bezüglich der Anwendung des mit diesen Sonderregelungen überhaupt erst zum 1.9.2002 in Kraft getretenen „Bevölkerungs- und Familienplanungsgesetzes“ insbesondere auch hinsichtlich der Bußgeld- und Registrierungspraxis, die womöglich eine andere Bewertung des Asylgesuchs erfordern, als noch zur Zeit des Erstantrags, bei dessen Behandlung diese Fragen seinerzeit weder vom Kläger noch etwa von Amts wegen vom Bundesamt thematisiert worden waren.
19 
Die Mutter des Klägers als dessen gesetzliche Vertreterin war auch ohne grobes Verschulden außerstande, den Wiederaufgreifensgrund in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen (§ 51 Abs. 2 VwVfG). Denn zu diesem Zeitpunkt mochte sie, weil sie noch Kontakt zum Kindesvater hatte, noch die Hoffnung gehabt haben, den Kindsvater zu ehelichen und so die Unehelichkeit des Klägers zu beenden. Von daher kann ihr nicht zum Vorwurf gemacht werden, im Asylantrag für den Kläger die chinesische Familienplanungspolitik, die unter anderem uneheliche Kinder betrifft, nicht als Asylgrund geltend gemacht zu haben. Sie hat auch mit dem Folgeantrag, den sie für den Kläger gestellt hat, die Drei-Monatsfrist des § 51 Abs. 3 VwVfG eingehalten. Auch wenn die Entscheidung des VG Meiningen und die dort zitierten Auskünfte schon aus den Jahren 2011 bzw. 2010 stammen, hat sie doch glaubhaft gemacht, dass sie erst bei ihrer Vorsprache beim Diakonischen Werk am 16.8.2012 davon Kenntnis erlangt hat. Gleich am 22.8.2012, also innerhalb der ab diesem Zeitpunkt dann laufenden Dreimonatsfrist, hat sie dann den Folgeantrag für den Kläger gestellt.
20 
(b) Der mithin zu prüfende Folgeantrag ist auch begründet. Dem Kläger ist Flüchtling im Sinne des Art. 1 A Ziff. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK - Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.7.1951 - BGBl. 1953 II S. 559, 560). Denn er befindet sich gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 a AsylVfG aus begründeter Furcht vor einer Verfolgung wegen Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der unter Verstoß gegen die Regelungen der chinesische Ein-Kind-Politik geborenen chinesischen Kinder außerhalb seines Heimatstaates China, dessen Schutz er wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Gemäß § 3 Abs. 4 AsylVfG ist ihm deshalb die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
21 
Nach wie vor gilt in China die sogenannte Ein-Kind-Politik, nämlich das oben erwähnte „Bevölkerungs- und Familienplanungsgesetz“ vom 1.9.2002 (siehe AA Lagebericht China v. 18.6.2013 - II. 1.8. S. 24). Danach darf eine Frau ein einziges Kind bekommen und auch das nur, wenn sie - anders als hier die Mutter des Klägers - verheiratet ist. Ein verheiratetes Paar muss insoweit eine bestimmte Altersgrenze überschritten haben und vor der Geburt eine Geburtsgenehmigung eingeholt haben, weil Männer erst mit 22 Jahren und Frauen erst mit 20 Jahren heiraten dürfen (Art. 6 des chinesischen Heiratsgesetzes - siehe Refugee Documentation Centre (Ireland) - Legal Aid Board - Auskunft v. 14.10.2011 - unter www.ecoi.net und www.asyl.net -dort unter Länderinformationen/China).
22 
Auch wenn in jüngster Zeit Rufe nach einer Abschaffung der Ein-Kind-Politik immer lauter und drängender geworden sein mögen (siehe BayVGH, B. v. 9.9.2013 - 2 ZB 13.30255 - juris, Rdnr. 9 und VG Bayreuth, U. v. 2.7.2013 - B 3 K 13.30042 - UAS. 5 unter Verweis auf DIE ZEIT-online http://www.zeit.de/politik/ausland/2012-10/China-ein-kind-politik-reform, wonach ein „regierungsnahes Forschungsinstitut“ in China die schrittweise Abschaffung dieser Politik bis 2015 „gefordert“ habe; siehe insoweit auch www.zeit.de/wissen/2013-01/china-ein-kind-politik-studie - schon vom 11.1.2013 - zu den negativen psycho-sozialen Auswirkungen der Ein-Kind-Politik und Berichten chinesischer Medien, wonach die Regierung diese „schrittweise abschaffen wolle“), bedeutet dies (noch) nicht, dass diese Regelungen im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der heutigen mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 S. 1 AsylVfG) nicht mehr gelten, weil sie etwa oder förmlich bzw. de-facto abgeschafft sind oder nicht mehr praktiziert würden (so auch Amnesty international - Auskunft v. 15.1.2014 an VG Augsburg, wonach eine Reform der Ein-Kind-Politik vom Dezember 2013 regelt, dass künftig Paare, bei denen ein Partner Einzelkind ist, zwei Kinder haben können, ansonsten aber die Geburtenkontrollpolitik nicht aufgehoben worden sei). Dafür, dass in allernächster Zukunft diese Regelungen außer Kraft gesetzt würden, ist also kein Anhaltspunkt vorhanden. Entsprechende Spekulationen zum Nachteil des Klägers verbietet sich von daher.
23 
Ausnahmen von der Ein-Kind-Regelung - die im vorliegenden Fall allerdings nicht einschlägig sind - betreffen verheiratete Paare auf dem Lande, denen ein Zweitkind zugestanden wird, wenn das erste Kind ein Mädchen ist (siehe AA Lagebericht China v. 18.6.2013 - II. 1.8. S. 24; siehe zu speziellen Ausnahmeregelungen der Familienplanungsvorschriften für verheiratete Paare und obendrein für verheiratete Paare auf dem Land in der Provinz Fujian, aus der die Klägerin stammt, die detailreichen Angeben in: Immigration and Refugee Board of Canada, China - Family Planning Laws, v. 1.10.2012 - dort Ziff. 2.2.2 - unter www.ecoin.net und unter www.asyl.net - Asylmagazin 12/2012 bzw. in www.asyl.net unter Länderinformationen/China).
24 
Die Geburtenkontrollpolitik gilt im Grundsatz auch für Chinesen, die im Ausland leben und dort Kinder bekommen. Wer im Ausland als Kind chinesischer Eltern geboren wird, ist nach Art. 5 des chinesischen Staatsangehörigkeitsgesetzes auch chinesischer Staatsangehöriger, es sei denn die beiden Elternteile haben sich dauerhaft im Ausland niedergelassen oder einer von ihnen hat eine ausländische Staatsangehörigkeit angenommen. Informationen, dass dies bei nicht-ehelichen Kindern und solchen, die unter Verstoß gegen die Geburtenkontrollreglungen geboren wurden, finden sich insoweit nicht. Auch wenn es keine ausdrückliche Regelung gibt, dass Auslandschinesen eine Geburtserlaubnis bei der chinesischen Botschaft im Aufenthaltsstaat einholen müssen, ist doch die dokumentierte Einholung eines Rates der nächstgelegenen Botschaft angezeigt, da ein solcher Nachweis nach Rückkehr für die Haushaltsregistrierung (Hukou) verlangt werden kann. Grundsätzlich können auch Auslandschinesen wegen einer nach den genannten Regeln unerlaubten Geburt eines Kindes im Ausland zu einer Bußgeldzahlung herangezogen werden (so Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 8 - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net).
25 
Sonderregelungen für Auslandsrückkehrer in der Provinz Fujian - aus der die Mutter des Klägers stammt -, die sicherstellen, dass diese ihre im Ausland außerhalb der Geburtenkontrollregelungen geborenen Kinder registrieren können und dass diese auch sonst keine Nachteile erfahren, gibt es nicht (so jüngst Amnesty International, Auskunft v. 15.1.2014 an VG Augsburg; siehe im Übrigen BayVGH , B. v. 9.9.2013 - 2 ZB 13.30255 - juris, Rdnr. 10 und VG Arnsberg, U. v. 7-3.2013, wonach es in der Provinz Fujian eine Sonderregelung gebe, die einem verheirateten Auslandsrückkehrpaar ein zweites Kind erlaube; das VG Bayreuth, U. v. 2.7.2013 - B 3 K 13.30042 -, UA S. 9 verweist hierzu auf eine Auskunft von ai an VG Trier vom 18.4.2011 wonach Auslandsrückkehrern in Fujinan ein zweites Kind erlaubt sei- damit sind aber wohl im Grundsatz auch nur verheiratete Paare gemeint). Aus anderen Auskünften ergibt sich auch nur, dass Auslandsrückkehrer nur dann keine Sanktionen wegen Verstößen gegen die Geburtenkontrollpolitik befürchten müssen, wenn - anders als im vorliegenden Fall der Mutter des Klägers als abgelehnter Asylbewerberin ohne Ausbildung und Berufstätigkeit in Deutschland - an ihrer Rückkehr wegen ihrer Ausbildung und Wirtschaftskraft ein Interesse des chinesischen Staates besteht, bzw. eine Wiedereinreise nach China Frauen nur im schwangeren Zustand erlauben, wenn das andere Kind permanent im Ausland lebt (OVG Saarland, U. v. 20.10.1999 - 9 R 24/98 - UA S. 29 unter Verweis auf Scharping, Auskunft v. 25.3.1999 an VG Leipzig; ferner ai, Auskunft v. 4.6.2002 an VG Köln und Auskunft v. 21.4.2011 an VG Trier, sowie Scharping, Auskunft v. 28.10.1999 an VG Leipzig; siehe auch Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 1, 2 - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net -, wonach Auslandschinesen nur bei dauerhaftem Wohnsitz im Ausland bzw. nur dann nicht, wenn sie im Ausland studiert haben, unter die Ein-Kind-Regelung fallen, also zwei Kinder haben dürfen, wonach aber nicht eindeutig klar sei, dass dies auch für einzelne nicht-eheliche unerlaubte „Schwarzkinder“ gelte; zu einer tatsächlich durchgeführten Zwangssterilisierung einer aus dem Ausland in die Provinz Fujian mit zwei Kindern zurückkehrenden Chinesin im Jahr 2010 - siehe ai- Auskunft v. 15.1.2014 an VG Arnsberg).
26 
Unterfällt nach allem der Kläger als das nichtehelich geborene Kind einer (Auslands-) Chinesin den genannten Regeln, so stellt sich seine Geburt nicht nur als formell unerlaubt, sondern als nicht genehmigungsfähig mit der Folge dar, dass sie als solche auch nicht registriert wird.
27 
Auch wenn das chinesische Gesetz selbst die Gleichstellung von ehelichen und nicht-ehelichen Kindern ausdrücklich gebietet und Diskriminierung insoweit eindeutig verbietet (Art. 19 des Heiratsgesetzes - siehe dazu Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 4 - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net), knüpfen doch die Geburtenkontrollregelungen empfindliche Nachteile an den Umstand der unerlaubten nichtehelichen Geburt:
28 
Eine nichteheliche Mutter muss nämlich ein extrem hohes Bußgeld im Umfang von vier bis sechs Jahresdurchschnittsgehältern zahlen (so zur Regelung in der Provinz Fujian, aus der die Mutter des Klägers stammt Immigration and Refugee Board of Canada, China - Family Planning Laws, v. 1.10.2012 - dort Ziff. 2.2.2 und 2.2. - unter www.ecoin.net und unter www.asyl.net - Asylmagazin 12/2012; ebenso Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 1, 2 - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net).
29 
Dass die Mutter des Klägers ein solches exorbitantes Bußgeld sollte zahlen können, kann nicht einfach unter Hinweis darauf unterstellt werden, sie habe ja auch durch die damalige Finanzierung ihrer Ausreise und Einreise nach Deutschland eine entsprechende Finanzkraft demonstriert (in diesem Sinne zu einem solchen Fall aber . VG Bayreuth, U. v. 2.7.2013 - B 3 K 13.30042 -, UA S. 9; ebenso VG Augsburg, U. v. 28.1.2014 - Au 2 K 13.30246 -juris, Rdnr. 39). Denn sie ist hier schon 1999 nach Deutschland als junge Frau gekommen, lebt hier seitdem als Asylbewerberin bzw. abgelehnte Asylbewerbern, hat sich nach ihren plausiblen und glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung dem Heimatland China völlig entfremdet hat und dort allenfalls noch telefonisch Kontakt zu ihren über 70 Jahre alten Eltern hat und zudem keinen Kontakt mehr zum (im Grundsatz wohl auch nach chinesischem Familienrecht unterhaltsverpflichteten) Vater des Klägers. Sie hat wegen ihrer fehlenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Prozesskostenhilfe im vorliegenden Verfahren bewilligt bekommen. Von daher kann nicht davon ausgegangen werden, sie habe über die Jahre hinweg im Umfang von mehreren tausend bis zigtausend Euro Ersparnisse anhäufen können, aus denen sie nach einer Rückkehr in China die entsprechenden Bußgelder werde zahlen und so die mit der Ein-Kind-Regelung verbundenen Sanktionen werde abwenden können.
30 
Wird das Bußgeld aber nicht gezahlt, so ist eine „Legalisierung“ des unerlaubt geborenen Kindes nicht möglich mit der Folge, dass ohne die Geburtsregistrierung dann auch keine Haushaltsregistrierung (sog. „hukou“) erfolgt, ohne die dann wiederum ein solches „unerlaubtes Schwarzkind“ vom Recht auf Schulbesuch, auf Teilhabe an sozialen Leistungen und von der staatlichen Gesundheitsversorgung komplett ausgeschlossen wird (AA Lagebericht, China v. 18.6.2013 - II. 1.8. S. 25; Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 4 - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net; Immigration and Refugee Board of Canada, China - Family Planning Laws, v. 1.10.2012 - dort Ziff. 3.4 - unter www.ecoin.net und unter www.asyl.net - Asylmagazin 12/2012).
31 
Dass diese strengen Regelungen der Geburtenkontrolle im Zuge einer generellen Lockerung in der Praxis etwa nicht mehr so streng gehandhabt würden, lässt sich nicht feststellen. Nach alle oben zitierten sehr detaillierten Auskunftsquellen (siehe ergänzend auch ACCORD, Auskunft v. 29.1.2009 zum Thema China/Frauen/Ein-Kind-Politik; Rückkehr mit zwei Söhnen - unter www.ecoi.net) gilt - insbesondere auch für die Provinz Fujian, die Heimatprovinz der Mutter des Klägers, dass dort die Geburtenkontrollpolitik gegenüber alleinerziehenden, unverheirateten Müttern unehelicher Kinder trotz womöglich phasenweiser Lockerungen nach wie vor rigoros bis hin zum Einsatz von Mitteln wie Zwangssterilisierungen der Mütter, Zwangsabtreibungen oder massivem Druck zur „freiwilligen“ Abtreibung durchgesetzt wird. Auch wenn hier und da einzelne Beamte für solche nach chinesischem Recht inzwischen illegalen Maßnahmen zur Rechenschaft gezogen werden, kommt es doch nach allen vorliegenden Berichten „recht häufig [fairly frequently]“ bzw. „immer wieder“ zu solchen Eingriffen und Sanktionen (gerade jüngste Pressemeldungen zeigen deutlich, dass solche Eingriffe und Übergriffe in China durchaus „an der Tagesordnung“ sind - vgl. etwa spiegel-online, www.spiegel.de/politik/ausland vom 15.6.2012 und NZZ-online vom 15.7.2012 [www.nzz.ch/aktuell/ international/abtreibung-unter-zwang-1,17357004, wonach jüngst in der Provinz Shanxi Funktionäre eine Zwangsabtreibung bei einer im 7. Monat schwangeren 23 Jahr alten Chinesin vornahmen. Diesen Meldungen ist auch zu entnehmen, dass in jüngster Zeit nicht nur mehrere Bericht über Zwangsabtreibungen in China die dortige Öffentlichkeit erschütterten, sondern dass insbesondere auch Ende April 2012 in der Provinz Fujian Beamte ein ungeborenes Kind mit der Giftspritze töten ließen. Zwar wurde im Fall aus Shanxi eine Entschädigung zugesprochen und der Beamte suspendiert, eine strafrechtliche Aufarbeitung fehlte aber und das alles geschah auch nur auf Druck der Medien, nachdem der Kindesvater, der protestierte hatte, von den Behörden tagelang festgenommen worden war, und das von ihm im Internet veröffentlichte Foto seiner Frau mit dem toten Fötus Fall hohe Wellen schlug, die auch die chinesische Staatspropaganda nicht mehr ignorieren konnte. Auch der bekannte blinde chinesische Menschenrechtsanwalt Chen Guangcheng, der Frauen vertrat, die Opfer von Zwangsabtreibungen geworden war, und ihre Fälle zu Gericht brachte, wurde wegen dieses Engagements zu vier Jahren Haft verurteilt, nach der Haftzeit unter Hausarrest gestellt und wiederholt zusammengeschlagen, bis ihm jüngst im April 2012 spektakulär die Flucht in die amerikanische Botschaft gelang, von wo aus er schließlich in die USA ausreisen durfte [http://de.wikipedia.org/wiki/Chen-Guangchen]).
32 
Wenn aber schon solche Übergriffe auf die Mütter selbst demnach beachtlich wahrscheinlich sind, dann kann davon ausgegangen werden, dass erst recht die „bloßen“ Sanktionen einer Registrierungsverweigerung und die damit verbundenen massiven rechtlichen und sozialen Nachteile für die Kinder beachtlich wahrscheinlich sind. Davon geht nicht nur das Bundesamt im angegriffenen Bescheid selbst aus, sondern das ergibt sich auch aus dem jüngsten Lagebericht des Auswärtigen Amtes aus dem Jahr 2013.
33 
Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass der im Bundesgebiet aufgewachsene Kläger, der zeit seines Lebens nichts anderes als seine deutsche Umgebung gesehen hat, badischen Dialekt spricht, schulisch und sozial völlig in seinem deutschen Umfeld integriert ist und als dreizehnjähriger Schüler bislang eine gute Ausbildung genossen hat und nicht einmal wirklich gut Chinesisch sprechen kann, geschweige denn die komplexe chinesische Schrift beherrscht, sondern - mangels eines qualifizierten, grundlegenden Unterrichts, den auch seine Mutter nicht leisten kann - nicht Chinesisch schreiben und lesen kann. Er würde daher bei Rückkehr nach China seine schulische Bildung abbrechen müssen und sich ohne jede soziale Absicherung, ohne abgeschlossene Ausbildung, ohne Chinesischkenntnisse, ohne soziale Kontakte und vor allem mangels Geburtsregistrierung und Hukou-Registrierung als - rechtlich betrachtet - „Unperson“ bzw. „Nichtperson“ dort mit seiner Mutter durchschlagen müssen, ohne dabei auf Hilfe zurückgreifen zu können, da er selbst und auch seine Mutter nach so vielen Jahren im Ausland dort verständlicherweise außer den über 70-jährigen Eltern/Großeltern keine Bezugsperson mehr haben. Insoweit würde er nur eine Existenz unter den erbärmlichen Bedingungen fristen können, unter denen heutzutage in vielen Städten Chinas viele vom Land illegal dort hingekommene Wanderarbeiter leben müssen, die sich wie Sklavenarbeiter mit schlecht bezahlten Arbeiten auf den großen Baustellen in den aufstrebenden Städten ohne jede persönliche Rechte als Tagelöhner durchschlagen müssen.
34 
In ihrer Kumulation stellten aber die auf diese Weise vom chinesischen Staat für den Kläger als uneheliches Kind bewusst und gezielt verursachten Nachteile einen Verfolgungseingriff mit dem Gewicht einer schweren Menschenrechtsverletzung dar, wie sie vom Flüchtlingsbegriff vorausgesetzt wird (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2, sowie Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 6 AsylVfG in Verbindung mit Art. 9 Abs. 1a und Abs. 2 QRL [Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU]). Über bloße für sich genommen unerhebliche Diskriminierungen gehen solche Folgen weit hinaus, da sie das Leben des Betroffenen grundlegend entwerten. Insofern schließt sich das Gericht der Auffassung des VG Meiningen und des VG Trier an (VG Meiningen, U. v. 6.4.2011 - 8 K 20205/09.Me, juris; VG Trier, U. v. 23.3.2011 - 5 K 442/10.TR- , juris = InfAuslR 2011, 219 = Asylmagazin 7-8/2011, S. 243 und U. v. 11.7.2012 - 5 K 433/12.TR -, juris).
35 
Die grundlegende Verweigerung einer Geburtsregistrierung und zusätzlich einer Hukou-Registrierung, die im totalitär durchstrukturierten, bürokratisch durchorganisierten chinesischen Staat Grundlage für alle weiteren verwaltungsrechtlichen Rechtsanerkennungen (Umzug, Arbeit, Meldepflicht, Krankenhausleistung, Schulbesuch, Personalausweis) ist (siehe AA, Auskunft v. 8.6.2006 an VG Braunschweig und v. 11.4.2011 an VG Köln), grenzt den Betroffenen massiv aus der staatlich verfassten Friedensordnung aus, zwingt ihn so in die Illegalität und verletzt das grundlegende Menschenrecht auf Teilhabe an dieser gemeinschaftlichen Friedensordnung und auf Anerkennung als Rechtsperson (Art. 6 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte - UN Generalversammlung, Resolution 217/III v. 10.12.1948: Jedermann hat überall Anspruch auf Anerkennung als Rechtsperson; Art. 16 Internationaler Pakt über bürgerliche und private Rechte [IPbpR] v. 19.12.1966 - BGBl. 1973, II S. 1534: Jedermann hat das Recht, überall als rechtsfähig anerkannt zu werden, und Art. 24 Abs. 2 IPbpR: Jedes Kind muss unverzüglich nach seiner Geburt in ein Register eingetragen werden und einen Namen erhalten). Eine solche Ausgrenzung, wie sie durch die Verweigerung von Geburtsregistrierung und Hukou-Registrierung bewirkt wird, kommt somit in ihren verwaltungstechnischen Folgen einer Ausbürgerung nahe, deren Charakter als Verfolgungseingriff von ausreichender menschenrechtsverletzender Intensität anerkannt ist (BVerwG, U. v. 26.2.2009 - 10 C 50.07 - AuAS 2009, 175 = ZAR 2009,319 = BVerwGE 333,203).
36 
Dass es nach Auskunft des Auswärtigen Amtes zeitweise möglich sein kann, auch länger Behördenkontakt zu vermeiden und sich illegal in einer chinesischen Stadt aufzuhalten, und dass auch gefälschte Unterlagen und Personalausweise in China erhältlich sind (siehe AA, Auskunft v. 8.6.2006 an VG Braunschweig), ist dabei unbeachtlich, denn ein Leben in der Illegalität darf flüchtlingsrechtlich niemandem als Alternative zum Verfolgungsschutz angesonnen werden (so BVerwG, U. v. 1.2.2007 - 1 C 24.06 - AuAS 2007, 68 = juris zur Unzumutbarkeit einer inländischen Fluchtalternative, wenn nur ein Leben in der Illegalität unter der dauernder Gefahr polizeilicher Kontrollen und Strafsanktionen möglich ist).
37 
Diese Verfolgungsmaßnahme in Form einer Rechtlosstellung knüpft auch an ein flüchtlingsrechtlich relevantes Merkmal des Klägers an, nämlich an seine uneheliche, unerlaubte Geburt, und damit an seine Zugehörigkeit zu der sozialen „Gruppe der illegal geborenen nichtehelichen chinesischen Kinder“ (§§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3a Abs.3, 3b Abs. 1 Nr. 4a) und b). Diese Gruppe ist sozial klar definiert und erkennbar und von der übrigen Gesellschaft abgrenzbar und wird von der Bevölkerung auch als solche wahrgenommen. Die Anknüpfung der Sanktion an die Zugehörigkeit zu dieser Gruppe macht den Kläger gewissermaßen für sein So-Sein haftbar, indem sie ihm wegen seines für ihn unabänderlichen, irreversiblen und unvertretbaren Persönlichkeitsmerkmals seiner unehelichen Geburt Nachteile bereitet. Damit macht ihn die Sanktion nicht für eigenes Verhalten verantwortlich, sondern für das Verhalten Dritter, nämlich seiner Eltern, für das er naturgemäß nichts kann. Das aber wiederum ist genauso willkürlich und diskriminierend, wie eine an die Hautfarbe oder ethnische Volkszugehörigkeit anknüpfende Sanktion. Der „Geburtsmakel“ der unehelichen Geburt ist dem Kläger angeboren. Nichteheliche Kinder werden in China auch (i.S.d. § 3b Abs. 1 Nr. 4 b AsylVfG) von der Gesellschaft auch als andersartig betrachtet, nämlich sozial stigmatisiert und werden nach wie vor durch die insoweit mit tief verwurzelten Vorurteilen behaftete chinesische Gesellschaft mit Mitleid und Verachtung betrachtet (so ausführlich mit Quellenangaben Australian Refugee Review Tribunal, Auskunft v. 18.11. 2010 - CHN37751 - S. 2 - 6 [Ziff. 2 A, B und Ziff. 3 sowie Ziff. 5] - Asylmagazin 12/2012 - unter www.asyl.net und unter www.ecoi.net).
38 
Dem lässt sich entgegen der im angefochtenen Bescheid aber auch in der überwiegenden verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung vertretenen Ansicht nicht entgegenhalten, bei diesen Sanktionen (gleich ob sie die nichtehelichen Mütter mit Zwangsabtreibungen, bzw. die Mütter und Väter mit Zwangssterilisationen oder -adoptionen oder aber die -unerlaubten, überflüssigen - Kinder mit den dargestellten Formen der Rechtlosstellung treffen) handle es sich nicht um eine Verfolgung, die an das Persönlichkeitsmerkmal der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe anknüpfe. Die chinesische Geburtenkontrollpolitik und die oben genannten gesetzlichen Regelungen des Bevölkerungs- und Familienplanungsgesetzes allgemein, finde nämlich gleichermaßen und ohne jede weitere Differenzierung auf alle chinesischen Staatsbürger Anwendung und dieses allgemeine Gesetz verfolge insoweit eben gerade nicht das Ziel der Diskriminierung einer bestimmten Bevölkerungsgruppe (etwa einer Minderheitengruppe wie der Tibeter oder Uiguren). Vielmehr ziele es lediglich darauf ab, ganz allgemein die Geburtenrate aller Chinesen im Blick auf das Bevölkerungswachstum in diesem sehr bevölkerungsreichen Land einzugrenzen, um so soziale und wirtschaftliche Missstände zu vermeiden, die andernfalls mit einer zunehmenden Überbevölkerung einhergingen (siehe dazu die Rechtsprechungsübersicht bei VG Würzburg, B. v. 28.8.2013 - W 6 S 13.30278 -, juris, Rdnr. 14; siehe auch die Rechtsprechungsnachweise der in diesem Sinne urteilenden obergerichtlichen Rechtsprechung des BayVGH, des OVG NRW und des NdsOVG bei VG Augsburg, U. v. 28. 1.2014 - Au 2 K 13.30246 -, juris, Rdnr. 36 und 37).
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Diese Auffassung greift indessen zu kurz, weil sie lediglich das politische, für sich genommen legitime Fernziel einer Kontrolle des Bevölkerungswachstums in den Blick nimmt und sich dadurch den Blick auf die zur Erreichung dieses Ziels in China angewendeten menschenrechtswidrigen Zwangsmethoden der Ausgrenzung verstellt. Die Methoden der Kontrolle des Bevölkerungswachstums beschränken sich nämlich gerade nicht auf menschenrechtlich unbedenkliche Methoden wie Aufklärung, Bereitstellung von Mitteln zur Empfängnisverhütung, Einführung von Rentenversicherungsmodellen um den Anreiz für möglichst viele Kinder zu nehmen, Einführung von Bildung für Frauen, Modelle finanzieller/steuerlicher Anreize bei geringer Kinderzahl etc. Vielmehr verletzen sie das durch alle Menschenrechtspakte geschützte grundlegende Recht aller Menschen, eine Familie zu gründen, nämlich Kinder zu haben, und dabei als freie Menschen in eigener wirtschaftlicher und sozialer Verantwortung die Zahl ihrer Kinder selbst zu bestimmen (siehe Art. 16 Nr. 1 S. 1 und Nr.3 AEMR, Art. 23 Abs. 1 und Abs. 2 des - auch von China gezeichneten - IPbpR, Art. 12 EMRK, Art. 6 GG). Dieses grundsätzlich anerkannten Menschenrecht schützt das dem Menschsein innewohnende Grundbedürfnis nach Reproduktion (ausführlich dazu Saona, „The Protection of Reproductive Rights under International Law: The Bush Administration´s Policy Shift and China´s Family Planning Activities“, Pacific Rim Law & Policy Journal,. Volume 13 No.1, January 2004, page 229 [236, 239, 253, 254] - im internet unter google auffindbar; siehe ferner Mückl in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, 2010, Bandd VI/1, Europäische Grundrechte, § 141 „Ehe und Familie“ -, S. 191 [196, 206, 208). Mit Zwangssterilisationen, Zwangsadoptionen, Zwangsabtreibungen usw. wird die „Gruppe derjenigen Chinesen getroffen, die dieses Menschenrecht auf Familiengründung und Reproduktion ausüben“. Ihnen wird die (weitere) Ausübung dieses Grundrechts schon biologisch-physisch unmöglich gemacht bzw. die Rechtsausübung wird durch die Rechtlosstellung der in Ausübung des Grundrechts geborenen Kinder sanktioniert, obwohl dieses Menschenrecht keinem spezifischen Schrankenvorbehalt unterliegt, der solche Eingriffe rechtfertigen könnte (siehe dazu Mückl, a.a.O. Handbuch der Grundrechte, S. 208, wonach etwa eine Zwangssterilisation/Kastration nur in sehr engen Grenzen gerechtfertigt sein könnte, etwa im Rahmen von § 1905 BGB oder zum Schutz der Allgemeinheit vor gefährlichen Sexualverbrechern; siehe ferner General Comment des Ausschusses für Menschenrechte zum IPbpR, Nr. 19 [39] zu Art. 23 IPbpR vom 24.7.1990 - Unterziffer 2 und 4, sowie insbes. 5, wonach eine Politik der Familienplanung mit den Bestimmungen des Paktes verträglich und insbesondere weder diskriminierend „noch zwangsmäßig“ sein darf; beide Quellen im internet unter google auffindbar). Mit anderen Worten, die Ein-Kind-Politik knüpft an das So-Sein, nämlich an das „Eltern-Sein“ an bzw. an ein Verhalten an, auf das zu verzichten dem Einzelnen deswegen nicht zugemutet werden kann, weil es sich um ein menschenrechtlich geschütztes Verhalten handelt, er sich also so verhalten darf. Die Verfolgung steht damit der Verfolgung in Anknüpfung an eine politische oder religiöse Überzeugung oder an eine sexuelle Orientierung und Präferenz gleich, bei der es nicht um ein angeborenes Merkmal geht, sondern darum, dass das Haben-Dürfen und Äußern-Dürfen einer solchen Überzeugung oder Präferenz als menschenrechtlich geschütztes Verhalten rechtlich keinen tauglichen Anknüpfungspunkt für Sanktionen darstellen darf. Gibt es aber insoweit keinen solchen legitimationskräftigen Anknüpfungspunkt, so stellt es eine Diskriminierung dar, gleichwohl daran anzuknüpfen. Vor einer Verletzung des Diskriminierungsverbots schützt aber der Flüchtlingsbegriff mit seiner Aufzählung insoweit nicht legitimationskräftiger persönlicher Merkmale, an die Verfolgung nicht anknüpfen darf (zum Schutz des So-Seins und So-Sein-Dürfens als Kern des Verfolgungsmerkmals der sozialen Gruppenzugehörigkeit und zu dem dabei anzuwendenden internationalen Menschenrechtsstandard als Maßstab: GK-AufenthG, II - § 60 AufenthG, Rdnr. 18). Wie bei allen flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgungen geht es auch bei der Ein-Kind-Politik letzten Endes um die Unterdrückung von menschenrechtlich grundlegend geschützten Lebensäußerungen, nämlich hier eine Familie zu gründen und Nachwuchs zu zeugen.
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Insofern knüpft auch die Ein-Kind-Politik mit ihrem Übergriff auf das Menschsein selbst, zu dem auch das Familie- und Elternsein zählt, an ein „Merkmal“, das „so bedeutsam für die Identität“ als Mensch ist, dass der Betroffene (rechtlich betrachtet) „nicht gezwungen werden sollte, darauf zu verzichten“. Damit stellt sie im Sinne von § 3 b Abs. 1 Nr. 4 a) AsylVfG eine Verfolgung in Anknüpfung an die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe dar.
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Daran ändert es nichts, dass selbstverständlich das Verfolgungsmerkmal eine Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe nicht schon dann vorliegt, wenn die alleinige Gemeinsamkeit der Gruppe darin besteht, dass die Gruppenmitglieder gegen ein Gesetz verstoßen und deshalb sanktioniert werden (dazu GK-AufenthG, II- § 60 AufenthG, Rdnr. 171), dass also beispielweise die Ahndung von Trunkenheitsfahrten im Straßenverkehr natürlich nicht eine Verfolgung wegen Zugehörigkeit zur „Gruppe der das Alkoholverbot im Straßenverkehr missachtenden“ Menschen darstellt. Denn das Fahren unter Alkohol stellt - im Unterschied zur Gründung einer Familie und zum Kinderhabendürfen - eben keine rechtlich Ausübung eines anerkannten grundlegenden Menschenrechts dar, sondern allenfalls eine Ausübung der allgemeinen Handlungsfreiheit, auf die im konkreten Fall zu verzichten schon wegen der Gefahren für die Menschenrechte Dritter dem Betreffenden wegen der entsprechenden Schrankenvorbehalte ohne weiteres rechtlich zugemutet werden kann (so knüpft etwa auch die strafrechtliche Sanktionierung der Pädophilie nicht an das Merkmal der Zugehörigkeit zur Gruppe der Pädophilen an, sondern an deren menschenrechtlich nicht geschütztes, sondern vielmehr Grundrechte Dritter verletzendes rechtswidriges Verhalten - siehe GK-AufenthG, II - § 60 AufenthG, Rdnr. 184; siehe auch § 3 b Abs. 1 nr. 4 b) AsylVfG: „Eine soziale Gruppe kann auch eine sein, die sich auf das gemeinsame Merkmal der sexuellen Orientierung gründet; Handlungen, die nach deutschem Recht als strafbar gelten, fallen nicht darunter“).
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Für die Richtigkeit dieser Ansicht spricht, dass mit eben dieser Begründung von den Gerichten anderer Aufnahmestaaten, wie etwa Kanada oder USA, die chinesische Ein-Kind-Politik mit ihren Sanktionen als flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe durchaus anerkannt wird (siehe dazu die Fundstellennachweise in GK-AufenthG, II - § 60 AufenthG, Rdnr. 197; siehe auch die ausführlichen juristischen Erwägungen zum - bejahten - Merkmal der Verfolgung wegen sozialer Gruppenzugehörigkeit im Urteil des Supreme Court of Canada, Judgment v. 10.10.1995 - [1995] - 3 SCR 593 - Chan./. Canada , unter http://scc-csc.lexum.com/scc-csc/scc-csc/en/item/1299/indes.do - dort insbes. Rdnrn. 50, 82, 88).
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Diejenigen deutschen Verwaltungsgerichte, welche die chinesische Ein-Kind-Politik auch als flüchtlingsrelevante Verfolgung einstufen, haben dies ohne lange Diskussion getan und als geradezu selbstverständlich angenommen, dass eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe, der „von den Exzessen der Familienplanungspolitik in China spezifisch betroffenen Frauen“ (so VG Bremen, U. v. 5.6.2012 - 6 K 3664/07.A -, juris Rdnr. 21) vorliegt, bzw. eine Zwangssterilisation als zweifelsfrei „geschlechtsspezifische Verfolgung der sozialen Gruppe der Frauen“ eingestuft (so VG Trier, U. v. 23.3.2011 - 5 K 442/10.TR -, juris Rdnr. 18) bzw. ganz generell darin eine „diskriminierende“ justizielle/administrative Maßnahme gesehen (VG Meiningen, U. v. 6.4.2011 - 8 K 20205/09 Me-, juris). Schließlich behandelt auch der Lagebericht des Auswärtigen Amtes die chinesische Ein-Kind-Politik wie selbstverständlich und ohne weitere Begründung unter der Überschrift „geschlechtsspezifische Verfolgung“.
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Soweit das Bundesamt im angefochtenen Bescheid schließlich die Ansicht vertritt, die chinesische Ein-Kind-Politik sei zwar befremdlich und mit dem Standard des Grundgesetzes unvereinbar, es sei aber nicht Aufgabe des Asylrechts, die Ordnung des Grundgesetzes in anderen Staaten durchzusetzen, weshalb die chinesische Ein-Kind-Politik keine flüchtlingsrechtlich anzuerkennende Verfolgung darstelle, stellt dies kein durchgreifendes Gegenargument gegen die oben dargelegte Ansicht dar. Denn Aufgabe des Asylrechts bzw. Flüchtlingsrechts ist es ohnehin nicht, eine bestimmte Rechtsordnung anderen Staaten „aufzuzwingen“ oder sie dort „durchzusetzen“, sondern lediglich einem Menschen, der in einem anderen Staat nach den Maßstäben international anerkannter Menschenrechtsstandards nicht mehr leben kann, weil er dort durch eine grundlegende Menschenrechte schwerwiegend verletzende Verfolgung - wie hier die Ein-Kind-Politik - aus der staatlich verfassten Friedensordnung ausgegrenzt und zur Flucht getrieben wird, eine neue Heimat durch Aufnahme in die staatliche Friedensordnung des Aufnahmestaates zu gewähren (so auch das BVerwG in der vom Bundesamt insoweit nur unvollständig zitierten Entscheidung U. v. 18.2.1986 - 9 c 104/85 -, juris Rdnr. 21 = InfAuslR 86, 189; dazu, dass damit keine „Diskriminierung fremder Rechtsordnungen“ verbunden ist und dass begriffsnotwendig zwischen dem Aufnahmestaat und dem Verfolgerstaat nach dem Konzept des Asylrechts ein Unterschied in den rechtlich respektierten Maßstäben besteht: GK-AufenthG, II - § 60 AufenthG, Rdnr. 185 und GK-AuslG, § 53 AuslG (a.F.), Rdnrn. 97 und 98 m.w.Nw.; siehe auch Art. 14 Nr. 1 AEMR, wonach es das Recht eines Menschenrecht ist, in anderen Ländern vor Verfolgungen Asyl zu suchen und zu genießen, was wiederum bedeutet, dass die Asylgewährung dem Verfolgerstaat gegenüber gerade kein völkerrechtswidriger Akt der Einmischung in seine Personalhoheit darstellt).
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Die Kostenentscheidung folgt aus §3 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylVfG.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

1. Soweit der Kläger unter nahezu vollständig wörtlicher Wiedergabe des Urteils des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 12. März 2014 (Az. A 6 K 1868/12 - juris Rn. 24 bis 32) rügt, die erstinstanzliche Entscheidung sei nicht richtig, macht er keinen gesetzlichen Zulassungsgrund im Sinn des § 78 Abs. 3 AsylVfG geltend.

2. Die Divergenzrüge (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG) genügt nicht den Darlegungserfordernissen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG.

Der Zulassungsgrund der Abweichung einer obergerichtlichen Entscheidung setzt voraus, dass das angefochtene Urteil mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem eben solchen Rechtssatz eines der in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG genannten Gerichts abweicht (vgl. BVerwG, B.v. 26.6.1995 - 8 B 44/95 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO Nr. 2; B.v. 11.8.1998 - 2 B 74/98 - NVwZ 1999, 406; B.v. 8.7.2011 - 5 B 22/11 - ZOV 2011, 219). Im Zulassungsantrag muss ein abstrakter Rechtssatz des angefochtenen Urteils herausgearbeitet werden und einem Rechtssatz des anderen Gerichts unter Darlegung der Abweichung gegenüber gestellt werden (vgl. BVerwG, B.v. 23.10.2012 - 4 BN 35/12 - juris; B.v. 27.9.2012 - 8 B 22/12 - juris). Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen im Zulassungsantrag nicht.

Zum einen ist im Zulassungsantrag schon keine Entscheidung eines Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts angeführt, von denen das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts abweichen soll. Vielmehr wird lediglich die Entscheidung eines Verwaltungsgerichts (VG Freiburg, U.v. 12.3.2014 - A 6 K 1868/12 - juris) zitiert. Zum anderen ist nicht aufgezeigt, welcher die erstinstanzliche Entscheidung tragende Rechtssatz von welchem Rechtssatz in einer anderen Entscheidung abweichen soll.

2. Die behauptete grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) ist ebenfalls nicht in einer Weise dargetan, die den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG genügt.

Das Darlegungserfordernis des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG verlangt, dass eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich ist. Ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. BVerwG, B.v. 30.6.2006 - 5 B 99/05 - juris; B.v. 1.7.2009 - 1 WNB 1/09 - Buchholz 450.1 § 22a WBO Nr. 1; B.v. 4.10.2012 - 2 B 112/11 - juris). Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen des Klägers nicht.

Abgesehen davon, dass die von ihm als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage

„ob einem nicht-ehelichen in Deutschland geborenen Kind unter Verstoß gegen die chinesische Geburtenregelung der Ausschluss von der Teilnahme am staatlichen Schul- und Gesundheitssystem droht, wenn seine Mutter zu Zahlung eines Bußgeldes von mehreren Jahresgehältern außerstande ist und wenn das Kind als drittes, nicht-eheliches Kind in Deutschland einer chinesischen Familie geboren ist und somit einer diskriminierenden Rechtlosstellung in Anknüpfung an die soziale Gruppe der unter Verstoß gegen die chinesischen Geburtenkontrollregelung geborenen Kinder darstellt, die zur Flüchtlingsanerkennung führt“

in ihrem letzten Teil schon nicht verständlich formuliert ist, hat der Kläger die Entscheidungserheblichkeit dieser Frage für den vorliegenden Rechtsstreit nicht aufgezeigt. Denn das Verwaltungsgericht hat einen möglichen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungshindernisses nicht deswegen verneint, weil es angenommen hat, nicht-ehelichen und unter Verstoß gegen die chinesische Geburtenregelung in Deutschland geborenen Kindern drohe kein Ausschluss von der Teilnahme am staatlichen Schul- und Gesundheitssystem, wenn seine Mutter zur Zahlung eines Bußgeldes von mehreren Jahresgehältern außerstande ist. Vielmehr hat es angenommen, dass nicht jedes zweit- und drittgeborene Kind in China unter den Begriff der bestimmten sozialen Gruppe im Sinn des § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG i. V. m. Art. 10 Abs. 1 Buchst. d der Qualifikationsrichtlinie fällt und der Ausschluss vom Zugang zum Bildungs- und Gesundheitssystem nach der Erkenntnislage keine schwerwiegende Verletzung der Menschenrechte nach § 60 Abs. 1 AufenthG a. F., § 3 Abs. 1 AsylVfG i. V. m. Art. 9 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie darstellt (vgl. Urteilsabdruck S. 5). Hiergegen hat der Kläger Einwände nicht erhoben.

Zudem hat der Kläger nicht aufgezeigt, dass seine Mutter im Falle der Rückkehr in ihre Heimat tatsächlich außerstande wäre, ein gegen sie wegen des Verstoßes gegen die Familienplanungspolitik der Volksrepublik China verhängtes Bußgeld zu bezahlen. Das Verwaltungsgericht hat insoweit festgestellt, dass die Höhe der Geldbuße an das Einkommen der Eltern des Klägers gekoppelt sei und diese für ihre Ausreise mehrere tausend DM bzw. Euro aufbringen mussten und konnten. Daraus hat es den Schluss gezogen, dass ihnen auch die Zahlung der Geldbuße möglich sein werde (vgl. Urteilsabdruck S. 5). Dem setzt der Kläger lediglich die Behauptung entgegen, seine Mutter selbst sei nicht erwerbstätig und lebe vom Einkommen seines Vaters. Diese Ausführungen genügen dem Darlegungserfordernis des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG nicht (zum Erfordernis der Darlegung vgl. BayVGH, B. v. 9.9.2013 - 2 ZB 13.30255 - juris Rn. 5 m. w. N.), zumal das Verwaltungsgericht nicht allein auf die Zahlungsfähigkeit der Mutter des Klägers, sondern beider - zusammen lebender - Elternteile abgestellt hat und die fehlende Zahlungsfähigkeit zudem nicht allein durch das Einkommen einer Person bestimmt werden kann.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylVfG). Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Satz 1 Alternative 2 RVG.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.