Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 26. Juni 2017 - 15 ZB 17.30357

bei uns veröffentlicht am26.06.2017

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung wird abgelehnt.

III. Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gründe

I.

Die Kläger wenden sich gegen einen Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 18. Oktober 2016, mit dem ihnen die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt wurde (Nr. 1), ihre Anträge auf Asylanerkennung abgelehnt wurden (Nr. 2), der subsidiäre Schutz nicht zuerkannt wurde (Nr. 3), festgestellt wurde, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4), sie unter Androhung der Abschiebung nach Georgien oder einen anderen aufnahmebereiten Staat aufgefordert wurden, die Bunderepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen (Nr. 5) sowie das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet wurde (Nr. 6).

Ihre Klage, mit der sie in der Sache beantragt haben, den Bescheid vom 18. Oktober 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, sie als Asylberechtigte anzuerkennen und ihnen die Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG) zuzuerkennen, hilfsweise ihnen subsidiären Schutz (§ 4 AsylG) zu gewähren sowie weiter hilfsweise ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 und / oder Abs. 7 AufenthG festzustellen, wies das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Urteil vom 10. Februar 2017 ab.

Mit ihrem am 22. März 2017 beim Verwaltungsgericht gestellten Antrag auf Zulassung der Berufung sowie dem Antrag, ihnen Prozesskostenhilfe zu gewähren und ihnen einen bestimmten Rechtsanwalt beizuordnen, verfolgen die Antragsteller ihr Rechtsschutzbegehren weiter.

Mit Schreiben vom 21. April 2017 übersandte das Verwaltungsgericht dem Verwaltungsgerichtshof eine Mitteilung der Zentralen Ausländerbehörde der Regierung von Oberfranken vom 20. April 2017. Laut den beigefügten Anlagen haben die Kläger am 11. April 2017 Erklärungen unterschrieben, wonach sie u.a. ihre Asylanträge vom 19. September 2016 sowie bereits eingelegte Rechtsbehelfe zurücknehmen. Ferner wurde für jeden Kläger eine gesonderte Niederschrift angefertigt, die von jedem Kläger - auch vom zwischenzeitlich volljährigen Kläger zu 3 - unterschrieben wurde und die folgenden Inhalt hat:

„Hiermit nehme ich meinen Asylantrag vom 19.09.2016 (…..) und - soweit eingelegt - alle Rechtsbehelfe zurück. Ich erkläre mich mit einer Weiterleitung der vorstehenden Erklärung an das zuständige VG Bayreuth einverstanden.

Des Weiteren erkläre ich, bereits bei Behörden und Verwaltungsgerichten eingelegte Rechtsbehelfe und Rechtsmittel gegen die Ablehnung meines Asylverfahrens, die auf eine Sicherung des Verbleibs in der Bundesrepublik Deutschland oder einer Einreise hierher gerichtet sind, zurückzunehmen und gegebenenfalls auf meine Rechte aus Aufenthaltsgenehmigungen zu verzichten.“

II.

Die Anträge haben keinen Erfolg.

1. Dem Antrag auf Zulassung der Berufung fehlt bereits das Rechtsschutzbedürfnis, soweit das angegriffene Urteil die Klage in Bezug auf die Ablehnung des Antrags auf Asylanerkennung sowie die Nichtzuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzstatus abgewiesen hat. Zwar haben die Kläger trotz ihrer schriftlichen Erklärungen vom 11. April 2017 weder ihre Klage noch den Antrag auf Zulassung der Berufung wirksam zurückgenommen, vgl. im Folgenden a). Das Rechtsschutzbedürfnis für die Zulassung der Berufung ist aber hinsichtlich eines Teils der Streitgegenstände entfallen, weil der Asylantrag (wirksam) zurückgenommen wurde, vgl. im Folgenden b).

a) Auch wenn die Kläger am 11. April 2017 schriftlich erklärt haben, Rechtsbehelfe auch hinsichtlich ihres abgelehnten Asylantrags zurückzunehmen und diese Erklärung zwischenzeitlich dem Verwaltungsgerichtshof zugegangen ist, liegt keine wirksame Rücknahme der Berufungszulassungsantrags vor, weil den Klägern hinsichtlich ihrer persönlich abgegebenen Erklärung gegenüber dem Verwaltungsgerichtshof die Postulationsfähigkeit gem. § 67 Abs. 4 VwGO fehlt; ihr Prozessbevollmächtigter kam der Bitte des Gerichts, sich zu den abgegebenen Erklärungen der Kläger zu äußern, nicht nach. Das Rechtsschutzinteresse für den Berufungszulassungsantrag ist auch nicht durch eine Rücknahme der Klage entfallen. Es ist im Einzelnen umstritten, ob und unter welchen Voraussetzungen Kläger in der Rechtsmittelinstanz persönlich, d.h. ohne Einschaltung eines Prozessbevollmächtigten gem. § 67 Abs. 4 VwGO, eine Klage zurücknehmen können (vgl. Saurenhaus/Buchheister in Wysk, VwGO, 2. Aufl. 2016, § 67 Rn. 13; Clausing in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Oktober 2016, § 92 Rn. 18; Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 67 Rn. 9; Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 67 Rn. 31; vgl. auch SächsOVG, B.v. 20.6.2013 - 5 A 360/12 - NVwZ 2013, 902 = juris Rn. 2; B.v. 11.2.2016 - 5 A 608/15 - juris). Der Senat geht vorliegend nicht von einer wirksamen Klagerücknahme aus, weil bereits die Klage vom Bevollmächtigten der Kläger erhoben wurde und die Rücknahme von den Klägern persönlich zu einem Zeitpunkt erklärt wurde, nachdem der prozessbevollmächtigte Anwalt durch einen gem. § 67 Abs. 4 VwGO formal ordnungsgemäßen Antrag das Verfahren in die nächste Instanz gebracht und - als Berufungszulassungsverfahren - beim Verwaltungsgerichtshof anhängig gemacht hatte.

b) Das Rechtsschutzbedürfnis für den Berufungszulassungsantrag ist aber jedenfalls für einen Teil des Streitgegenstands - nämlich hinsichtlich der Ablehnung des Antrags auf Asylanerkennung sowie der Nichtzuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzstatus (Nr. 1 - Nr. 3 des Bescheids vom 18. Oktober 2016) - entfallen, weil die Kläger durch ihre persönlich gegenüber der Regierung von Oberbayern abgegebenen Erklärungen, die über die Weiterleitung durch den Senat an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge jedenfalls zwischenzeitlich auch dem richtigen Adressaten zugegangen sind, ihre Asylanträge zurückgenommen haben (vgl. Marx, AsylG, 9. Aufl. 2017, § 32 Rn. 5; Funke-Kaiser in GK zum AsylG, Stand: April 2017, § 32 Rn. 17). Insofern ist nicht ersichtlich, welches schutzwürdige Interesse sie an einer gerichtlichen Überprüfung der vorgenannten Entscheidungsteile des Bescheids vom 18. Oktober 2016 noch haben könnten (bei Rücknahme des Asylantrags im erstinstanzlichen Klageverfahren vgl. VG Göttingen, U.v. 20.9.2004 - 4 A 4121 - juris Rn. 55; juris Rn. 55; VG Oldenburg, U.v. 12.5.2016 - 5 A 4509/15 - juris Rn. 19; VG Augsburg, U.v. 1.3.2016 - Au 6 K 15.30772 - juris Rn. 15 ff.).

Demgegenüber bleibt fraglich, ob hinsichtlich der Feststellungen im streitgegenständlichen Bescheid, dass keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und / oder Abs. 7 AufenthG (Nr. 4 des Bescheids vom 18. Oktober 2016) vorliegen, sowie hinsichtlich der Abschiebungsandrohung (Nr. 5 des Bescheids) allein wegen der Rücknahme des Asylantrags das Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag auf Zulassung der Berufung erlischt. Denn aus § 32 Satz 1 AsylG könnte abzuleiten sein, dass von einer Asylantragsrücknahme auch bereits getroffene Entscheidungen nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 AsylG unberührt bleiben (vgl. die Argumentation bei VG Oldenburg, U.v. 12.5.2016 - 5 A 4509/15 - juris Rn. 21 ff.; VG Augsburg, U.v. 1.3.2016 - Au 6 K 15.30772 - juris Rn. 19, 23). Diese Rechtsfragen bedürfen vorliegend keiner abschließenden Klärung. Ebenfalls kann dahingestellt bleiben, ob das Rechtsschutzbedürfnis für den Zulassungsantrag im Ganzen deshalb entfallen ist, weil die Kläger womöglich zwischenzeitlich aus der Bundesrepublik Deutschland ausgereist sind und ihr Aufenthaltsort deshalb unbekannt ist (vgl. BayVGH, B.v. 2.8.2005 - 6 ZB 04.30509 - juris Rn. 2). Denn der Antrag auf Zulassung der Berufung ist jedenfalls abzulehnen, weil es an der hinreichend substanziierten Darlegung eines Berufungszulassungsgrundes fehlt.

2. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) ist in Bezug auf das von der Asylantragsrücknahme womöglich nicht betroffene hilfsweise Klagebegehren, die Beklagte unter Aufhebung von Nr. 4 bis Nr. 6 des Bescheids vom 18. Oktober 2016 zu verpflichten, zugunsten der Kläger ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 und / oder Abs. 7 AufenthG festzustellen, von den Klägern nicht in einer Weise dargetan worden, die den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügt.

Einer Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zu, wenn für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Tatsachen- oder Rechtsfrage von Bedeutung ist, deren noch ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Dementsprechend verlangt die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG, dass eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist. Ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. BayVGH, B.v. 7.11.2016 - 15 ZB 16.30425 - juris Rn. 3 m.w.N.).

Diesen Anforderungen wird das Vorbringen der Kläger nicht gerecht. Die Kläger tragen im Rahmen ihrer Zulassungsbegründung vor, sie seien ossetische Volkszugehörige mit georgischer und südossetischer Staatsangehörigkeit. Sie hätten Angehörige, die Militärs mit hohem Rang gewesen seien und im Augustkrieg 2008 auf südossetischer Seite gegen Georgien gekämpft hätten. Aufgrund ihrer exponierten Bedeutung im Krieg gegen Georgien würden diese Personen als nationale Feinde angesehen. Insbesondere mit Bekanntwerden der Verwandtschaftsbeziehungen der Klägerin zu 2 zu ihren populären Brüdern seien die Anfeindungen der Georgier gegen sie noch gewachsen. Die Klägerin zu 2 habe sich seitdem nur noch selten und allenfalls in Begleitung ihres Sohnes oder ihres Ehemannes auf die Straße getraut. Sie wäre im Falle von Übergriffen völlig ungeschützt gewesen, da die Polizei nicht zu Hilfe gekommen wäre. Folgende nationale Grundhaltung sei die Ursache für die Gefahr, die den Klägern drohe: Der Verlust ehemaliger georgischer Gebiete, insbesondere in Abchasien und Südossetien, werde als nationales Trauma empfunden. Für Georgier sei es nicht hinnehmbar, dass diese ganz klar zu Georgien gehörenden Regionen plötzlich abgespaltet würden und zu Russland gehören sollen bzw. in eine Pseudo-Unabhängigkeit von Russlands Gnaden überführt würden. Die Schutzbedürftigkeit des Staates sei in der Konstellation der Kläger als Angehörige von exponierten nationalen Feinden besonders herausgefordert. Die Kläger hätten sich zur Flucht entschieden, weil sie eine Schutzbereitschaft nicht gewährleistet gesehen hätten und die Realisierung der Gefahr von Übergriffen nicht hätten abwarten wollen.

a) Der im Zulassungsantrag aufgeworfenen Frage,

„ob die georgische Polizei keine Gewähr dafür bietet, zurückkehrenden Georgiern ossetischer Volkszugehörigkeit mit Verwandtschaft zu hochrangigen südossetischen Militärs den erforderlichen Schutz vor Übergriffen von Dritten zu bieten“, ist keine grundsätzliche Bedeutung beizumessen.

Die Entscheidungserheblichkeit dieser Frage würde voraussetzen, dass eine am Maßstab von § 60 Abs. 5 und / oder Abs. 7 AsylG relevante Bedrohungslage durch Dritte überhaupt besteht. Das ist bereits auf Basis des eigenen Vortrags der Kläger mehr als fraglich, jedenfalls von den Klägern nicht hinreichend substanziiert dargelegt worden. Das Verwaltungsgericht hat insofern ausgeführt, dass der Vorfall, bei dem der ältere Sohn der Kläger zu 1 und 2 attackiert worden sei, bereits im Jahr 2011 stattgefunden habe, dass die Kläger selbst von diesem nicht betroffen gewesen seien und dass sie für den Zeitraum bis zur Ausreise (September 2016) nur über verbale Anfeindungen, schlechte wirtschaftliche Bedingungen, eine Sachbeschädigung am Auto und Schmierereien an der Wohnungstür berichtet hätten. Hiergegen erheben die Kläger keine konkreten Einwendungen und erfüllen schon deswegen nicht die Begründungsanforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 13.6.2016 - 13a ZB 16.30062 - juris Rn. 5). Es ist daher nicht ersichtlich, dass mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine von Dritten ausgehende Bedrohungslage gegenüber den Klägern i.S. von § 60 Abs. 5 und / oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegt und die Kläger insofern eines besonderen polizeilichen Schutzes überhaupt bedürften.

Im Übrigen hält das Verwaltungsgericht den Klägern - unabhängig von der jedenfalls teilweise angezweifelten Glaubhaftigkeit ihres Vortrags - entgegen, nicht versucht zu haben, sich zum Schutz vor Übergriffen an staatliche Behörden zu wenden. Das Gericht berücksichtigt dabei, dass georgische Behörden oftmals „sehr zögerlich“ vorgingen, verweist aber darauf, dass für den Fall, dass eine Hinwendung der Kläger an die Polizei nutzlos gewesen wäre, die Beschwerde beim sog. Ombudsmann zur Verfügung stehe, wenn z.B. vermutet werde, dass sich in dem Verhalten einer Behörde eine Diskriminierung aufgrund der Volkszugehörigkeit widerspiegele (Urteil Seite 8, im Zusammenhang mit § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG vgl. Urteil Seite 9). Das Gericht nimmt insofern auf Seite 2 des vom Auswärtigen Amt erstellten „Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien (Stand: Oktober 2016)“ vom 10. November 2016 Bezug, wonach - auch im Zusammenhang mit vereinzelten gewalttätigen Handlungen gegen Minderheiten - die Behörde des Ombudsmannes „äußerst aktiv“ sei, Einzelfälle aufgreife und Missstände aller Art regelmäßig öffentlich angreife (Urteil Seite 6). Darüber hinaus hat das Verwaltungsgericht auf inländische Fluchtalternativen verwiesen (Urteil Seite 8; zur Bedeutung im Rahmen von § 60 Abs. 5 und / oder Abs. 7 AsylG vgl. z.B. BayVGH, B.v. 30.7.2015 - 13a ZB 15.30031 - juris Rn. 9); die Kläger hätten nicht versucht, in einen anderen Landesteil zu ziehen, obwohl ihnen dies möglich gewesen wäre und obwohl sie hierdurch einer Konfrontation mit den Flüchtlingen entgangen wären. Insofern liege keine mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bestehende landesweite Rückkehrgefährdung vor. Mit diesen Erwägungen hat sich die Zulassungsbegründung nicht hinreichend auseinandergesetzt. Soweit aber über die Einschaltung des vom Verwaltungsgericht thematisierten Ombutsmanns ein hinreichendes Schutzniveau gewährleistet wird und keine landesweite Rückkehrgefährdung vorliegt, die Kläger also den befürchteten Übergriffen hierdurch ausweichen können, spielt die als grundsätzlich aufgeworfene Frage, ob aufgrund der von ihnen angegebenen Verwandtschaftsbeziehungen über die georgische Polizei hinreichender Schutz vor Übergriffen von Dritten geboten wird, für Ansprüche auf Feststellung von Abschiebungsverboten gem. § 60 Abs. 5 und / oder Abs. 7 AsylG keine entscheidungserheblich Rolle.

b) Auch die weitere mit der Zulassungsbegründung aufgeworfene Frage,

„ob es für eine Familie mit südossetischer Herkunft mit Verwandtschaft zu öffentlich exponierten feindlichen Militärs im Falle ihrer Rückkehr nach Georgien möglich ist, Unterkunft und Arbeit zu finden, um sich den Lebensunterhalt zu sichern“,

führt nicht zur Berufungszulassung gem. § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG. Auch insofern ist der Vortrag der Kläger zu unsubstanziiert.

aa) Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die einen Ausländer im Falle der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, kann ein Ausländer Abschiebungsschutz nach Maßgabe von § 60 Abs. 5 und / oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ganz ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Hierbei gelten im Einzelnen folgende Grundsätze (zusammenfassend vgl. BayVGH, U.v. 23.3.2017 - 20 B 15.30110 - juris Rn. 34 ff.):

Im Falle besonders schlechter humanitärer Verhältnisse ist ausnahmsweise in extremen Ausnahmesituationen von einem Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 5 auszugehen, wenn im Herkunftsstaat derart schlechte, nicht (überwiegend) auf Handlungen staatlicher oder nichtstaatlicher Akteure zurückzuführende humanitäre Bedingungen bestehen, die als unmenschliche Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK zu qualifizieren sind (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 = juris Rn. 34 ff.; BayVGH, B.v. 11.12.2014 - 13a ZB 14.30400 - juris Rn. 7; U.v. 12.2.2015 - 13a B 14.30309 - juris Rn. 12; U.v. 23.3.2017 a.a.O. Rn. 35; VGH BW, U.v. 24.7.2013 - A 11 S 697/13 - juris Rn. 79 ff.).

Gem. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll ferner von der Abschiebung abgesehen werden, wenn für den Ausländer im Zielstaat eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Maßgebend ist insoweit allein das Bestehen einer konkreten, individuellen - zielstaatsbezogenen - Gefahr für die genannten Rechtsgüter, ohne Rücksicht darauf, von wem die Gefahr ausgeht und auf welchen Ursachen sie beruht. Diese Gefahr muss dem Einzelnen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen, wobei im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal der „konkreten“ Gefahr für „diesen“ Ausländer als zusätzliches Erfordernis eine einfallbezogene, individuell bestimmte und erhebliche Gefahrensituation hinzutreten muss, die überdies landesweit droht. Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die einen Ausländer im Falle der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, kann ein Ausländer Abschiebungsschutz in verfassungskonformer bzw. entsprechender Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ganz ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG (= § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a.F.) Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Eine Abschiebung wäre in diesen Fällen allenfalls auszusetzen, wenn der Ausländer ansonsten gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde (also im Falle einer schlechten Lebensmittelversorgung, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde, vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2001 - 1 C 5.01 - BVerwGE 115, 1 = juris Rn. 11 ff.; U.v. 29.6.2010 - 10 C 10.09 - BVerwGE 137, 226 = juris Rn. 13 ff., insbes. Rn. 15; U.v. 29.9.2011 - 10 C 24.10 - NVwZ 2012, 451 = juris Rn. 19 ff.; BayVGH, U.v. 23.3.2017 - 20 B 15.30110 - juris Rn. 36).

bb) Die Kläger, die ihren Vortrag nicht auf diese, im Rahmen von § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG relevanten Fragen ausgerichtet haben, erfüllen auch insofern nicht die Begründungsanforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG. Es versteht sich nicht von selbst, dass die Kläger im Falle einer Rückkehr in eine extreme Notlage im vorgenannten Sinn in ganz Georgien fallen werden. In der Begründung des angefochtenen Bescheids vom 18. Oktober 2016, auf den das Verwaltungsgericht verwiesen hat und die damit zum Gegenstand der Entscheidungsgründe des Verwaltungsgerichts wurde, heißt es, dass eine allgemeine extreme Gefahrenlage in Georgien nicht vorliege und dass sich eine solche insbesondere nicht aus der allgemeinen wirtschaftlichen Situation im Land ergebe. Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln sei dort insgesamt gewährleistet, wozu die humanitäre Hilfe der internationalen Geberorganisationen und Geldzahlungen von Verwandten aus dem Ausland beitrügen (vgl. insofern auch den Lagebericht des Auswärtigen Amts für Georgien vom 10. November 2016, Stand Oktober 2016, Seiten 2 f., 12 f.). Damit, dass sie eine extreme Notlage über die vorgenannten Möglichkeiten nicht abwenden könnten, setzen sich die Kläger aber im Zulassungsverfahren nicht auseinander. Im Übrigen haben die Kläger keine konkreten Einwände gegen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts erhoben, der Kläger zu 1 habe nach seinem eigenen Vortrag bis 2014 Aufträge aus selbständiger Arbeit erhalten, obwohl die Probleme mit den Flüchtlingen bereits im Jahr 2011 begonnen hätten. Da nach dem Vortrag der Kläger offenbar vor 2011 keinerlei Probleme bestanden hatten und der Kläger zu 1 bis 2014 für seinen Kfz-Handel private Aufträge erhalten hatte, wären die behaupteten Probleme, keine Arbeit und keine Unterkunft zu finden, jedenfalls durch Umzug - etwa in einen anderen Landesteil oder in einen anderen Stadtbezirk von Tiflis, wo man sie nicht persönlich kennt und daher von den behaupteten Verwandtschaftsbeziehungen zu den genannten Militärs nichts weiß - zu vermeiden.

3. Der zulässige Antrag, den Klägern Prozesskostenhilfe zu gewähren (§ 166 VwGO, § 114 Satz 1 ZPO) und ihnen den von ihnen bevollmächtigen Rechtsanwalt beizuordnen (§ 121 ZPO), ist nicht begründet. Die Absicht der Kläger, die Zulassung der Berufung zu erreichen, hat aus den vorgenannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 RVG.

5. Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).

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Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


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(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

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Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3 Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft


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(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen G

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Im Falle der Antragsrücknahme oder des Verzichts gemäß § 14a Abs. 3 stellt das Bundesamt in seiner Entscheidung fest, dass das Asylverfahren eingestellt ist und ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegt.

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bei uns veröffentlicht am 02.11.2017

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung wird abgelehnt. III. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gr

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 20. Sept. 2018 - 15 ZB 18.32223

bei uns veröffentlicht am 20.09.2018

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gründe I. Die Kläger - ein nach eigenen Angaben palästinensischer Volks

Referenzen

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen.

(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Verwaltungsgericht vertretungsbefugt nur

1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen,
2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht,
3.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Abgabenangelegenheiten,
3a.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie, wenn und soweit diese Hilfsprogramme eine Einbeziehung der Genannten als prüfende Dritte vorsehen,
4.
berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
5.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
6.
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder in Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten,
7.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 und 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen sind, handeln durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter.

(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.

(4) Vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht oder einem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur die in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 als Bevollmächtigte zugelassen, jedoch nur in Angelegenheiten, die Rechtsverhältnisse im Sinne des § 52 Nr. 4 betreffen, in Personalvertretungsangelegenheiten und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen, einschließlich Prüfungsangelegenheiten. Die in Satz 5 genannten Bevollmächtigten müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Vor dem Oberverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Sätze 3, 5 und 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.

(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten.

(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.

Tenor

I.

Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 16. Dezember 2015 wird in Nr. 6 aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II.

Von den Kosten des Verfahrens trägt der Kläger 9/10, die Beklagte 1/10.

III.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen den Bescheid der Beklagten vom 16. Dezember 2015 und begehrt die Aufhebung des angeordneten Einreise- und Aufenthaltsverbotes.

Der Kläger ist albanischer Staatsangehöriger. Er reiste am 23. Juli 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 28. September 2015 einen Asylantrag.

Bei der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 23. November 2015 gab der Kläger im Wesentlichen an, er sei arbeitslos und seine Familie befinde sich derzeit in einer schlechten wirtschaftlichen Lage.

Mit Bescheid vom 16. Dezember 2015 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) und den Antrag auf Asylanerkennung (Nr. 2) als offensichtlich unbegründet ab. Der subsidiäre Schutzstatus wurde nicht zuerkannt (Nr. 3) und zugleich festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Nr. 4). Die Abschiebung nach Albanien wurde angedroht (Nr. 5). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG wurde angeordnet und auf zehn Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (Nr. 6). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot gem. § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 7). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger aus einem sicheren Herkunftsstaat stamme. Es werde ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG angeordnet; die Befristung auf zehn Monate sei angemessen. Für das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG sei eine Befristung auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung angemessen.

Am 22. Dezember 2015 ließ der Kläger hiergegen Klage erheben; er beantragt,

den Bescheid des Bundesamtes vom 16. Dezember 2015 aufzuheben, hilfsweise, festzustellen, dass der Bescheid vom 16. Dezember 2015 rechtswidrig war.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei sich der Aussichtslosigkeit seines Antrags bewusst gewesen und habe freiwillig ausreisen wollen, um einen ablehnenden Bescheid mit der Folge der Einreisesperre zu verhindern. Er habe am 14. Dezember 2015 bei der Ausländerbehörde vorgesprochen, um den Asylantrag zurückzunehmen. Dies sei ihm mit dem Hinweis, dass seine Personaldokumente nicht im Original vorlägen, verweigert worden, obwohl er darauf hingewiesen habe, dass er die Dokumente bei der Registrierung abgegeben habe. Der streitgegenständliche Bescheid hätte nicht ergehen dürfen, da der Kläger dem Bundesamt mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 2. Dezember 2015 mitgeteilt habe, dass er beabsichtige, freiwillig auszureisen. Ergänzend wurde ein Schreiben der Bevollmächtigten des Klägers vom 23. Dezember 2015 an das Bundesamt vorgelegt, mit dem der Asylantrag zurückgenommen wurde. Mit Schriftsatz der Klägerbevollmächtigten vom 4. Februar 2016 wurde vorgetragen, dass der Kläger am 21. Januar 2016 freiwillig ausgereist sei, so dass das Einreise- und Aufenthaltsverbot auch deshalb aufzuheben sei. Die Beklagte habe das Ermessen gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG nicht ausgeübt.

Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt; sie legte am 19. Januar 2016 das vorgenannte Schreiben der Bevollmächtigten vom 23. Dezember 2015 vor.

Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 22. Januar 2016 der Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen (§ 76 Abs. 1 AsylVfG).

Nach der Rücknahme des Antrages auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wurde dieses Verfahren mit Beschluss vom 22. Januar 2016 eingestellt (Az. Au 6 S 15.30773).

Mit der Ladung übersandte das Gericht eine aktuelle Erkenntnismittelliste. Die Regierung von ... als Vertreterin des öffentlichen Interesses hat auf jegliche Zustellungen mit Ausnahme der Endentscheidung verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte.

Gründe

Die Klage ist hinsichtlich des erlassenen Einreise- und Aufenthaltsverbotes in Nr. 6 des streitgegenständlichen Bescheides begründet, da dieses im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO; § 77 Abs. 1 des Asylgesetzes - AsylG).

1. Die Klage ist (jedenfalls) hinsichtlich Nr. 4 bis 6 des Bescheides des Bundesamtes vom 16. Dezember 2015 zulässig, insbesondere wurde sie fristgerecht erhoben.

a) Die Frage, ob gegen Nr. 1 bis 3 des Bescheides eine isolierte Anfechtung grundsätzlich statthaft bzw. zielführend ist, kann hier dahinstehen, da der Kläger seinen Asylantrag - vor Bestandskraft der Sachentscheidung der Beklagten - zurückgenommen hat, so dass zur Verfolgung seines Rechtsschutzzieles keine Verpflichtung des Bundesamtes erforderlich ist.

Der Klage fehlt infolgedessen insoweit bereits das Rechtsschutzbedürfnis. Letztlich kann dies aber - auch mit Blick auf den möglichen Rechtsschein, der durch die Ablehnung des Asylantrages gesetzt wurde - ebenfalls dahinstehen. Denn die Klage ist hinsichtlich der begehrten Aufhebung in Nr. 6 jedenfalls begründet (s. nachfolgend unter Nr. 3).

Lediglich klarstellend wird daher festgehalten, dass aufgrund der Rücknahme des Asylantrages vorliegend davon auszugehen ist, dass die Sachentscheidung der Beklagten in Nr. 1 bis 3 des streitgegenständlichen Bescheides gegenstandslos geworden ist (vgl. Bergmann in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, Kommentar, 10. Aufl. 2013, § 32 AsylG Rn. 7; Heusch in Beck‘scher Online-Kommentar Ausländerrecht, Stand: 1.11.2015, § 32 AsylG Rn. 19; Wolff in Hofmann/Hoffmann, HK-AuslR, 1. Aufl. 2008, § 32 AsylG Rn. 3). Die zwischenzeitlich gegenüber dem Bundesamt erfolgte Rücknahme des Asylantrags findet Berücksichtigung, da gemäß § 77 Abs. 1 AsylG die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich und eine Rücknahme bis zum Eintritt der Bestandskraft der Sachentscheidung des Bundesamtes möglich ist (vgl. Bergmann in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, Kommentar, § 32 AsylG Rn. 2; Heusch in Beck‘scher Online-Kommentar Ausländerrecht, § 32 AsylG Rn. 8; Wolff in Hofmann/Hoffmann, HK-AuslR, § 32 AsylG Rn. 3). Für die Zulässigkeit der Rücknahme des Asylantrages nach der Sachentscheidung durch das Bundesamt, aber vor deren Bestandskraft, spricht bereits der Wortlaut des § 38 Abs. 2 AsylG, der auf die Rücknahme des „Asylantrages vor der Entscheidung des Bundesamtes“ abstellt, während § 38 Abs. 3 AsylG allgemein an die Rücknahme des Asylantrages anknüpft. Auch nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes ist eine wirksame Rücknahme des Asylantrages während des gerichtlichen Verfahrens möglich (vgl. BayVGH, U. v. 10.9.1991 - 19 BZ 90.30695 - BayVBl 1992, 21 zu § 7 AsylVfG a. F., danach führt die wirksame Rücknahme eines Asylantrages während des gerichtlichen Verfahrens zur Rechtswidrigkeit des Anerkennungsbescheides, lässt seine Wirksamkeit aber unberührt). Schließlich folgt grundsätzlich die Befugnis, einen bereits gestellten Asylantrag vor Bestandskraft der behördlichen Sachentscheidung zurückzunehmen, aus dem Recht zur Antragstellung. Denn die Entscheidung stellt einen mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakt dar und die Rücknahme ist - wie dargelegt -aufgrund des Asylgesetzes gerade nicht generell ausgeschlossen, wenngleich hinsichtlich der Folgen der Rücknahme zu differenzieren ist (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl. 2014, § 43 Rn. 41a; § 22 Rn. 80, 85 und 90 f.).

b) Hinsichtlich Nr. 7 des angefochtenen Bescheides fehlt dem Kläger ebenfalls das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, denn er ist durch die Befristung nicht beschwert. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot für den Fall einer Abschiebung ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz (§ 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes - AufenthG in der seit 24.10.2015 geltenden Fassung). Die getroffene behördliche Regelung bezieht sich allein auf dessen zeitliche Befristung, weil im Falle der Abschiebung das gesetzliche Einreise-/Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG unbefristet gelten würde. Der Kläger wäre dann insoweit schlechter gestellt.

2. Die Klage ist unbegründet, soweit der Kläger die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG begehrt. Die Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4 des Bescheides), und die daran anknüpfende Abschiebungsandrohung (Nr. 5 des Bescheides) - die rechtlich nicht zu beanstanden ist - bleiben von der Rücknahme unberührt. Auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Bescheids wird in vollem Umfang verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG) und ergänzend ausgeführt:

a) Es kann dahinstehen, ob insoweit eine Verpflichtung des Bundesamts durch das Verwaltungsgericht überhaupt möglich wäre, denn der Kläger hat den insoweit versagenden Teil des angefochtenen Bescheids des Bundesamts (Nr. 4) nur mit einem Anfechtungsantrag angegriffen, nicht mit einem zielführenden weitergehenden Verpflichtungsantrag. Eine Klageerweiterung in offener Klagefrist ist nicht erfolgt; mittlerweile ist die Klagefrist abgelaufen. Ob insoweit eine gegenteilige Verpflichtung der Beklagten dennoch möglich wäre, kann offen bleiben, da die Klage in diesem Umfang jedenfalls unbegründet ist (§ 113 Abs. 5 VwGO).

b) Der Kläger hat in der Sache keinen Anspruch auf die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG. Auf den Bescheid des Bundesamts wird insoweit Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG) und ergänzend zu § 60 Abs. 7 AufenthG ausgeführt:

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gefahren in diesem Staat, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, welcher der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, werden bei Entscheidungen nach § 60a Abs. 1 AufenthG berücksichtigt (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). Allgemeine Gefahren können nur dann Schutz vor Abschiebung begründen, wenn der Aus-länder einer extremen Gefahrenlage dergestalt ausgesetzt wäre, dass er im Fall seiner Abschiebung dorthin gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwerster Verletzung ausgeliefert würde und diese Gefahren alsbald nach seiner Rückkehr und landesweit drohen würden (vgl. BVerwG, U. v. 8.9.2011 - 10 C 14/10 - BVerwGE 140, 319 Rn. 23). Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger Gefahr liefen, in Albanien auf derart schlechte humanitäre Bedingungen zu stoßen, dass die Abschiebung eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen würde, gibt es nach der Auskunftslage nicht (s. hierzu Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien vom 10.6.2015, Stand: Mai 2015, S. 12 ff.). Weshalb es dem Kläger deshalb nicht gelingen sollte, jedenfalls das Existenzminimum bei einer Rückkehr zu sichern, ist nicht ersichtlich.

Die auf § 34 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG gestützte Abschiebungsandrohung, die auch im Falle der Rücknahme des Asylantrags bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG zu erlassen ist (vgl. § 32 Satz 1 Halbsatz 2 AsylG; BVerwG, U. v. 17.8.2010 - 10 C 18/09 - InfAuslR 2010, 464), ist rechtmäßig. Gegen die Ausreisefrist von einer Woche bestehen vorliegend ebenfalls keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

3. Die Klage ist jedoch hinsichtlich des erlassenen Einreise- und Aufenthaltsverbotes in Nr. 6 des streitgegenständlichen Bescheides begründet.

Das seitens des Bundesamtes angeordnete Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hängt vom Eintritt der Bestandskraft der asylrechtlichen Statusentscheidung ab; dies ergibt sich bereits unmittelbar aus der gesetzlichen Regelung des § 11 Abs. 7 Satz 2 AufenthG, danach wird das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam (vgl. Oberhäuser in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 11 AufenthG, Rn. 110; Maor in Heusch in Beck‘scher Online-Kommentar Ausländerrecht, § 11 AfunethG Rn. 68 ff.).

Die Bestandskraft setzt die Wirksamkeit eines Verwaltungsaktes voraussetzt; aufgrund der vorgenannten Gegenstandslosigkeit ist aber von einer Erledigung auf andere Weise und demnach einem Ende der Wirksamkeit der Verwaltungsakte in Nr. 1 bis 3 des angefochtenen Bescheides auszugehen (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl. 2014, § 22 Rn. 91 m. w. N.; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG; 8. Aufl. 2014, § 43 Rn. 170; Müller in Huck/Müller, VwVfG, 1. Aufl. 2011, § 43 Rn. 5 und 23). Das angefochtene Einreise- und Aufenthaltsverbotes in Nr. 6 des Bescheides des Bundesamtes vom 16. Dezember 2015 ist demnach rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt.

Zwar ist, wie dargelegt (s.o. Nr. 1 a), hinsichtlich der Folgen der Rücknahme zu differenzieren, jedoch führt dies insoweit auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG (vgl. BVerwG, U. v. 16.12.2008 - 1 C 37/07 - BVerwGE 132, 382 danach entfällt die gemäß § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG eingetretene Sperrwirkung nicht durch nachträgliche Rücknahme des Asylantrages) zu keinem anderen rechtlichen Ergebnis. Denn dieser Entscheidung lag eine andere Sachverhaltskonstellation zugrunde. Zudem knüpft die Sperre des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG nur daran an, dass das Bundesamt den Asylantrag nach § 30 Abs. 3 AsylG als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat, setzt also nicht, wie § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG, tatbestandlich nicht die unanfechtbare Ablehnung oder Rücknahme des Asylantrages voraus. Zudem folgt die vorgenannte Begrenzung der Folgen der Rücknahme aus dem gesetzlichen Zweck des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG, den Missbrauch im Asylverfahren zu sanktionieren.

4. Kosten: § 155 Abs. 1 VwGO; Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).

5. Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Im Falle der Antragsrücknahme oder des Verzichts gemäß § 14a Abs. 3 stellt das Bundesamt in seiner Entscheidung fest, dass das Asylverfahren eingestellt ist und ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegt.

(1) Ein Ausländer, der nicht oder nicht mehr verpflichtet ist, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, und dessen Lebensunterhalt nicht gesichert ist (§ 2 Absatz 3 des Aufenthaltsgesetzes), wird verpflichtet, an dem in der Verteilentscheidung nach § 50 Absatz 4 genannten Ort seinen gewöhnlichen Aufenthalt zu nehmen (Wohnsitzauflage). Findet eine länderübergreifende Verteilung gemäß § 51 statt, dann ergeht die Wohnsitzauflage im Hinblick auf den sich danach ergebenden Aufenthaltsort. Der Ausländer kann den in der Wohnsitzauflage genannten Ort ohne Erlaubnis vorübergehend verlassen.

(2) Ein Ausländer, der nicht oder nicht mehr verpflichtet ist, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, und dessen Lebensunterhalt nicht gesichert ist (§ 2 Absatz 3 des Aufenthaltsgesetzes), kann verpflichtet werden,

1.
in einer bestimmten Gemeinde, in einer bestimmten Wohnung oder Unterkunft zu wohnen,
2.
in eine bestimmte Gemeinde, Wohnung oder Unterkunft umzuziehen oder
3.
in dem Bezirk einer anderen Ausländerbehörde desselben Landes seinen gewöhnlichen Aufenthalt und Wohnung oder Unterkunft zu nehmen.
Eine Anhörung des Ausländers ist erforderlich in den Fällen des Satzes 1 Nummer 2, wenn er sich länger als sechs Monate in der Gemeinde, Wohnung oder Unterkunft aufgehalten hat. Die Anhörung gilt als erfolgt, wenn der Ausländer oder sein anwaltlicher Vertreter Gelegenheit hatte, sich innerhalb von zwei Wochen zu der vorgesehenen Unterbringung zu äußern. Eine Anhörung unterbleibt, wenn ihr ein zwingendes öffentliches Interesse entgegensteht.

(3) Zuständig für Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 1 ist die nach § 50 zuständige Landesbehörde. Die Wohnsitzauflage soll mit der Zuweisungsentscheidung nach § 50 verbunden werden. Zuständig für Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 2 ist die nach § 51 Absatz 2 Satz 2 zuständige Landesbehörde. Die Wohnsitzauflage soll mit der Verteilungsentscheidung nach § 51 Absatz 2 Satz 2 verbunden werden. Zuständig für Maßnahmen nach Absatz 2 ist die Ausländerbehörde, in deren Bezirk die Gemeinde oder die zu beziehende Wohnung oder Unterkunft liegt.

Tenor

I.

Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 16. Dezember 2015 wird in Nr. 6 aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II.

Von den Kosten des Verfahrens trägt der Kläger 9/10, die Beklagte 1/10.

III.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen den Bescheid der Beklagten vom 16. Dezember 2015 und begehrt die Aufhebung des angeordneten Einreise- und Aufenthaltsverbotes.

Der Kläger ist albanischer Staatsangehöriger. Er reiste am 23. Juli 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 28. September 2015 einen Asylantrag.

Bei der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 23. November 2015 gab der Kläger im Wesentlichen an, er sei arbeitslos und seine Familie befinde sich derzeit in einer schlechten wirtschaftlichen Lage.

Mit Bescheid vom 16. Dezember 2015 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) und den Antrag auf Asylanerkennung (Nr. 2) als offensichtlich unbegründet ab. Der subsidiäre Schutzstatus wurde nicht zuerkannt (Nr. 3) und zugleich festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Nr. 4). Die Abschiebung nach Albanien wurde angedroht (Nr. 5). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG wurde angeordnet und auf zehn Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (Nr. 6). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot gem. § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 7). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger aus einem sicheren Herkunftsstaat stamme. Es werde ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG angeordnet; die Befristung auf zehn Monate sei angemessen. Für das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG sei eine Befristung auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung angemessen.

Am 22. Dezember 2015 ließ der Kläger hiergegen Klage erheben; er beantragt,

den Bescheid des Bundesamtes vom 16. Dezember 2015 aufzuheben, hilfsweise, festzustellen, dass der Bescheid vom 16. Dezember 2015 rechtswidrig war.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei sich der Aussichtslosigkeit seines Antrags bewusst gewesen und habe freiwillig ausreisen wollen, um einen ablehnenden Bescheid mit der Folge der Einreisesperre zu verhindern. Er habe am 14. Dezember 2015 bei der Ausländerbehörde vorgesprochen, um den Asylantrag zurückzunehmen. Dies sei ihm mit dem Hinweis, dass seine Personaldokumente nicht im Original vorlägen, verweigert worden, obwohl er darauf hingewiesen habe, dass er die Dokumente bei der Registrierung abgegeben habe. Der streitgegenständliche Bescheid hätte nicht ergehen dürfen, da der Kläger dem Bundesamt mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 2. Dezember 2015 mitgeteilt habe, dass er beabsichtige, freiwillig auszureisen. Ergänzend wurde ein Schreiben der Bevollmächtigten des Klägers vom 23. Dezember 2015 an das Bundesamt vorgelegt, mit dem der Asylantrag zurückgenommen wurde. Mit Schriftsatz der Klägerbevollmächtigten vom 4. Februar 2016 wurde vorgetragen, dass der Kläger am 21. Januar 2016 freiwillig ausgereist sei, so dass das Einreise- und Aufenthaltsverbot auch deshalb aufzuheben sei. Die Beklagte habe das Ermessen gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG nicht ausgeübt.

Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt; sie legte am 19. Januar 2016 das vorgenannte Schreiben der Bevollmächtigten vom 23. Dezember 2015 vor.

Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 22. Januar 2016 der Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen (§ 76 Abs. 1 AsylVfG).

Nach der Rücknahme des Antrages auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wurde dieses Verfahren mit Beschluss vom 22. Januar 2016 eingestellt (Az. Au 6 S 15.30773).

Mit der Ladung übersandte das Gericht eine aktuelle Erkenntnismittelliste. Die Regierung von ... als Vertreterin des öffentlichen Interesses hat auf jegliche Zustellungen mit Ausnahme der Endentscheidung verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte.

Gründe

Die Klage ist hinsichtlich des erlassenen Einreise- und Aufenthaltsverbotes in Nr. 6 des streitgegenständlichen Bescheides begründet, da dieses im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO; § 77 Abs. 1 des Asylgesetzes - AsylG).

1. Die Klage ist (jedenfalls) hinsichtlich Nr. 4 bis 6 des Bescheides des Bundesamtes vom 16. Dezember 2015 zulässig, insbesondere wurde sie fristgerecht erhoben.

a) Die Frage, ob gegen Nr. 1 bis 3 des Bescheides eine isolierte Anfechtung grundsätzlich statthaft bzw. zielführend ist, kann hier dahinstehen, da der Kläger seinen Asylantrag - vor Bestandskraft der Sachentscheidung der Beklagten - zurückgenommen hat, so dass zur Verfolgung seines Rechtsschutzzieles keine Verpflichtung des Bundesamtes erforderlich ist.

Der Klage fehlt infolgedessen insoweit bereits das Rechtsschutzbedürfnis. Letztlich kann dies aber - auch mit Blick auf den möglichen Rechtsschein, der durch die Ablehnung des Asylantrages gesetzt wurde - ebenfalls dahinstehen. Denn die Klage ist hinsichtlich der begehrten Aufhebung in Nr. 6 jedenfalls begründet (s. nachfolgend unter Nr. 3).

Lediglich klarstellend wird daher festgehalten, dass aufgrund der Rücknahme des Asylantrages vorliegend davon auszugehen ist, dass die Sachentscheidung der Beklagten in Nr. 1 bis 3 des streitgegenständlichen Bescheides gegenstandslos geworden ist (vgl. Bergmann in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, Kommentar, 10. Aufl. 2013, § 32 AsylG Rn. 7; Heusch in Beck‘scher Online-Kommentar Ausländerrecht, Stand: 1.11.2015, § 32 AsylG Rn. 19; Wolff in Hofmann/Hoffmann, HK-AuslR, 1. Aufl. 2008, § 32 AsylG Rn. 3). Die zwischenzeitlich gegenüber dem Bundesamt erfolgte Rücknahme des Asylantrags findet Berücksichtigung, da gemäß § 77 Abs. 1 AsylG die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich und eine Rücknahme bis zum Eintritt der Bestandskraft der Sachentscheidung des Bundesamtes möglich ist (vgl. Bergmann in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, Kommentar, § 32 AsylG Rn. 2; Heusch in Beck‘scher Online-Kommentar Ausländerrecht, § 32 AsylG Rn. 8; Wolff in Hofmann/Hoffmann, HK-AuslR, § 32 AsylG Rn. 3). Für die Zulässigkeit der Rücknahme des Asylantrages nach der Sachentscheidung durch das Bundesamt, aber vor deren Bestandskraft, spricht bereits der Wortlaut des § 38 Abs. 2 AsylG, der auf die Rücknahme des „Asylantrages vor der Entscheidung des Bundesamtes“ abstellt, während § 38 Abs. 3 AsylG allgemein an die Rücknahme des Asylantrages anknüpft. Auch nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes ist eine wirksame Rücknahme des Asylantrages während des gerichtlichen Verfahrens möglich (vgl. BayVGH, U. v. 10.9.1991 - 19 BZ 90.30695 - BayVBl 1992, 21 zu § 7 AsylVfG a. F., danach führt die wirksame Rücknahme eines Asylantrages während des gerichtlichen Verfahrens zur Rechtswidrigkeit des Anerkennungsbescheides, lässt seine Wirksamkeit aber unberührt). Schließlich folgt grundsätzlich die Befugnis, einen bereits gestellten Asylantrag vor Bestandskraft der behördlichen Sachentscheidung zurückzunehmen, aus dem Recht zur Antragstellung. Denn die Entscheidung stellt einen mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakt dar und die Rücknahme ist - wie dargelegt -aufgrund des Asylgesetzes gerade nicht generell ausgeschlossen, wenngleich hinsichtlich der Folgen der Rücknahme zu differenzieren ist (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl. 2014, § 43 Rn. 41a; § 22 Rn. 80, 85 und 90 f.).

b) Hinsichtlich Nr. 7 des angefochtenen Bescheides fehlt dem Kläger ebenfalls das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, denn er ist durch die Befristung nicht beschwert. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot für den Fall einer Abschiebung ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz (§ 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes - AufenthG in der seit 24.10.2015 geltenden Fassung). Die getroffene behördliche Regelung bezieht sich allein auf dessen zeitliche Befristung, weil im Falle der Abschiebung das gesetzliche Einreise-/Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG unbefristet gelten würde. Der Kläger wäre dann insoweit schlechter gestellt.

2. Die Klage ist unbegründet, soweit der Kläger die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG begehrt. Die Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4 des Bescheides), und die daran anknüpfende Abschiebungsandrohung (Nr. 5 des Bescheides) - die rechtlich nicht zu beanstanden ist - bleiben von der Rücknahme unberührt. Auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Bescheids wird in vollem Umfang verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG) und ergänzend ausgeführt:

a) Es kann dahinstehen, ob insoweit eine Verpflichtung des Bundesamts durch das Verwaltungsgericht überhaupt möglich wäre, denn der Kläger hat den insoweit versagenden Teil des angefochtenen Bescheids des Bundesamts (Nr. 4) nur mit einem Anfechtungsantrag angegriffen, nicht mit einem zielführenden weitergehenden Verpflichtungsantrag. Eine Klageerweiterung in offener Klagefrist ist nicht erfolgt; mittlerweile ist die Klagefrist abgelaufen. Ob insoweit eine gegenteilige Verpflichtung der Beklagten dennoch möglich wäre, kann offen bleiben, da die Klage in diesem Umfang jedenfalls unbegründet ist (§ 113 Abs. 5 VwGO).

b) Der Kläger hat in der Sache keinen Anspruch auf die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG. Auf den Bescheid des Bundesamts wird insoweit Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG) und ergänzend zu § 60 Abs. 7 AufenthG ausgeführt:

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gefahren in diesem Staat, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, welcher der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, werden bei Entscheidungen nach § 60a Abs. 1 AufenthG berücksichtigt (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). Allgemeine Gefahren können nur dann Schutz vor Abschiebung begründen, wenn der Aus-länder einer extremen Gefahrenlage dergestalt ausgesetzt wäre, dass er im Fall seiner Abschiebung dorthin gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwerster Verletzung ausgeliefert würde und diese Gefahren alsbald nach seiner Rückkehr und landesweit drohen würden (vgl. BVerwG, U. v. 8.9.2011 - 10 C 14/10 - BVerwGE 140, 319 Rn. 23). Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger Gefahr liefen, in Albanien auf derart schlechte humanitäre Bedingungen zu stoßen, dass die Abschiebung eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen würde, gibt es nach der Auskunftslage nicht (s. hierzu Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien vom 10.6.2015, Stand: Mai 2015, S. 12 ff.). Weshalb es dem Kläger deshalb nicht gelingen sollte, jedenfalls das Existenzminimum bei einer Rückkehr zu sichern, ist nicht ersichtlich.

Die auf § 34 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG gestützte Abschiebungsandrohung, die auch im Falle der Rücknahme des Asylantrags bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG zu erlassen ist (vgl. § 32 Satz 1 Halbsatz 2 AsylG; BVerwG, U. v. 17.8.2010 - 10 C 18/09 - InfAuslR 2010, 464), ist rechtmäßig. Gegen die Ausreisefrist von einer Woche bestehen vorliegend ebenfalls keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

3. Die Klage ist jedoch hinsichtlich des erlassenen Einreise- und Aufenthaltsverbotes in Nr. 6 des streitgegenständlichen Bescheides begründet.

Das seitens des Bundesamtes angeordnete Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hängt vom Eintritt der Bestandskraft der asylrechtlichen Statusentscheidung ab; dies ergibt sich bereits unmittelbar aus der gesetzlichen Regelung des § 11 Abs. 7 Satz 2 AufenthG, danach wird das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam (vgl. Oberhäuser in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 11 AufenthG, Rn. 110; Maor in Heusch in Beck‘scher Online-Kommentar Ausländerrecht, § 11 AfunethG Rn. 68 ff.).

Die Bestandskraft setzt die Wirksamkeit eines Verwaltungsaktes voraussetzt; aufgrund der vorgenannten Gegenstandslosigkeit ist aber von einer Erledigung auf andere Weise und demnach einem Ende der Wirksamkeit der Verwaltungsakte in Nr. 1 bis 3 des angefochtenen Bescheides auszugehen (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl. 2014, § 22 Rn. 91 m. w. N.; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG; 8. Aufl. 2014, § 43 Rn. 170; Müller in Huck/Müller, VwVfG, 1. Aufl. 2011, § 43 Rn. 5 und 23). Das angefochtene Einreise- und Aufenthaltsverbotes in Nr. 6 des Bescheides des Bundesamtes vom 16. Dezember 2015 ist demnach rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt.

Zwar ist, wie dargelegt (s.o. Nr. 1 a), hinsichtlich der Folgen der Rücknahme zu differenzieren, jedoch führt dies insoweit auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG (vgl. BVerwG, U. v. 16.12.2008 - 1 C 37/07 - BVerwGE 132, 382 danach entfällt die gemäß § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG eingetretene Sperrwirkung nicht durch nachträgliche Rücknahme des Asylantrages) zu keinem anderen rechtlichen Ergebnis. Denn dieser Entscheidung lag eine andere Sachverhaltskonstellation zugrunde. Zudem knüpft die Sperre des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG nur daran an, dass das Bundesamt den Asylantrag nach § 30 Abs. 3 AsylG als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat, setzt also nicht, wie § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG, tatbestandlich nicht die unanfechtbare Ablehnung oder Rücknahme des Asylantrages voraus. Zudem folgt die vorgenannte Begrenzung der Folgen der Rücknahme aus dem gesetzlichen Zweck des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG, den Missbrauch im Asylverfahren zu sanktionieren.

4. Kosten: § 155 Abs. 1 VwGO; Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).

5. Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

(1) Das Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das die Klage in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgewiesen wird, ist unanfechtbar. Das gilt auch, wenn nur das Klagebegehren gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet, das Klagebegehren im Übrigen hingegen als unzulässig oder unbegründet abgewiesen worden ist.

(2) In den übrigen Fällen steht den Beteiligten die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zu, wenn sie von dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(3) Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.

(4) Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss, der keiner Begründung bedarf. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) § 134 der Verwaltungsgerichtsordnung findet keine Anwendung, wenn das Urteil des Verwaltungsgerichts nach Absatz 1 unanfechtbar ist.

(7) Ein Rechtsbehelf nach § 84 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids zu erheben.

(8) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 132 Absatz 1 und § 137 Absatz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung auch zu, wenn das Oberverwaltungsgericht

1.
in der Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat von deren Beurteilung durch ein anderes Oberverwaltungsgericht oder durch das Bundesverwaltungsgericht abweicht und
2.
die Revision deswegen zugelassen hat.
Eine Nichtzulassungsbeschwerde kann auf diesen Zulassungsgrund nicht gestützt werden. Die Revision ist beschränkt auf die Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat. In dem hierfür erforderlichen Umfang ist das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 137 Absatz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden. Das Bundesverwaltungsgericht berücksichtigt für die Beurteilung der allgemeinen Lage diejenigen herkunfts- oder zielstaatsbezogenen Erkenntnisse, die von den in Satz 1 Nummer 1 genannten Gerichten verwertet worden sind, die ihm zum Zeitpunkt seiner mündlichen Verhandlung oder Entscheidung (§ 77 Absatz 1) von den Beteiligten vorgelegt oder die von ihm beigezogen oder erhoben worden sind. Die Anschlussrevision ist ausgeschlossen.

(8a) Das Bundesministerium des Innern und für Heimat evaluiert im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz die Revision nach Absatz 8 drei Jahre nach Inkrafttreten.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung wird abgelehnt.

III.

Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gründe

Die Anträge haben keinen Erfolg.

1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unzulässig. Die allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache haben die Kläger nicht in einer Weise dargetan, die den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügt.

Einer Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zu, wenn für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Rechtsfrage von Bedeutung ist, deren noch ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (vgl. BVerwG, U. v. 2.10.2010 - 9 B 13/10 - juris Rn. 10 m. w. N. zur entsprechenden Bestimmung des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Dementsprechend verlangt die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG, dass eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist. Ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. BVerwG, B. v. 27.6.2013 - 10 B 11/13 - juris Rn. 2).

Diesen Anforderungen wird das Vorbringen der Kläger nicht gerecht. Die im Zulassungsantrag aufgeworfene Frage,

„ob Kindern, die unter Verstoß gegen die Vorgaben der chinesischen Familienpolitik geboren wurden, die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist“,

ist keiner grundsätzlichen Klärung zugänglich, weil sie nicht hinreichend konkret gefasst ist und sich in dieser Allgemeinheit somit in einem Berufungsverfahren in entscheidungserheblicher Weise nicht stellen würde (vgl. BVerwG, B. v. 2.9.2010 - 9 B 13/10 - juris Rn. 10 ff.; B. v. 20.7.2016 - 9 B 64/15 - juris Rn. 3; B. v. 21.9.2016 - 6 B 14/16 - juris Rn. 7 ff.). Inwieweit einem Kind, das unter Verstoß gegen die Vorgaben der chinesischen Familienpolitik geboren wurde, die Flüchtlingseigenschaft im Sinn des § 3 AsylG zuzuerkennen ist, lässt sich nicht ohne Weiteres abstrakt beantworten. Die Antwort auf diese Frage ist vielmehr von einer Vielzahl von Einzelumständen und Faktoren - insbesondere im Hinblick auf die finanziellen Verhältnisse der Eltern, auf den Ort, an dem sie sich nach ihrer Rückkehr niederlassen, sowie darauf, ob die Eltern selber aus Ein-Kind-Familien stammen, ob sie einer nationalen Minderheit angehören, aus welcher Provinz sie stammen, welches Geschlecht das erste Kind hat, etc. - abhängig, so dass die Frage einer generellen Klärung nicht zugänglich ist (vgl. BayVGH, B. v. 9.9.2013 - 2 ZB 13.30255 - juris Rn. 8; OVG NRW, B. v. 14.12.2012 - 15 A 2649/12.A m. w. N. zur Lage vor Beendigung der Ein-Kind-Politik Ende Oktober 2015).

Auch soweit die Kläger die aufgeworfene Frage auf nichteheliche, zweitgeborene Kinder beschränken wollten, wäre sie einer allgemeinen Klärung nicht zugänglich. Das Verwaltungsgericht hat unter Bezugnahme auf den Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 20. November 2015 bereits darauf hingewiesen, dass die staatliche Familienplanungspolitik in China eine regional unterschiedliche Ausgestaltung und Durchführung erfährt und Besonderheiten für Rückkehrer aus dem Ausland bestehen (vgl. Urteilsabdruck Rn. 21 f.; vgl. etwa auch VG Freiburg, U. v. 12.3.2014 - A 6 K 1868/12 - juris Rn. 25). Hiergegen haben die Kläger im Zulassungsantrag keine Einwendungen geltend gemacht.

Ebenso wenig kann der mit Schriftsatz vom 20. Oktober 2016 gegebene Hinweis auf das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 14. September 2016 Az. A 11 S 1125/16 dem Zulassungsantrag zum Erfolg verhelfen, zumal sich diese Entscheidung betreffend ein Deutschland geborenes viertes Kind eines aus der Provinz Fujian stammenden Paares zu der hier nicht bezeichneten (Teil-)Frage verhält (vgl. dazu BayVGH, B. v. 21.8.2014 - 13a ZB 14.30032 - juris Rn. 5), ob die von der chinesischen Ein-Kind-Politik (bzw. jetzt Zwei-Kind-Politik) nachteilig betroffenen Kinder flüchtlingsrechtlich eine soziale Gruppe im Sinn des § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG darstellen, auch wenn im Hinblick auf die Möglichkeit einer Zahlung von Bußgeldern im Einzelfall, die zu einer Aufnahme in das Haushaltsregister führen kann, nicht alle Mitglieder tatsächlich verfolgt werden.

2. Der Antrag, den Klägern Prozesskostenhilfe zu gewähren (§ 166 VwGO, § 114 Satz 1 ZPO) und ihnen den von ihnen bevollmächtigen Rechtsanwalt beizuordnen (§ 121 ZPO), ist zwar zulässig (§ 166 VwGO, § 117 Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 78 Abs. 4 Satz 2 AsylG), aber nicht begründet. Die Absicht der Kläger, die Zulassung der Berufung zu erreichen, hat aus den unter Nr. 1 genannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 RVG.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).

(1) Das Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das die Klage in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgewiesen wird, ist unanfechtbar. Das gilt auch, wenn nur das Klagebegehren gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet, das Klagebegehren im Übrigen hingegen als unzulässig oder unbegründet abgewiesen worden ist.

(2) In den übrigen Fällen steht den Beteiligten die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zu, wenn sie von dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(3) Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.

(4) Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss, der keiner Begründung bedarf. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) § 134 der Verwaltungsgerichtsordnung findet keine Anwendung, wenn das Urteil des Verwaltungsgerichts nach Absatz 1 unanfechtbar ist.

(7) Ein Rechtsbehelf nach § 84 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids zu erheben.

(8) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 132 Absatz 1 und § 137 Absatz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung auch zu, wenn das Oberverwaltungsgericht

1.
in der Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat von deren Beurteilung durch ein anderes Oberverwaltungsgericht oder durch das Bundesverwaltungsgericht abweicht und
2.
die Revision deswegen zugelassen hat.
Eine Nichtzulassungsbeschwerde kann auf diesen Zulassungsgrund nicht gestützt werden. Die Revision ist beschränkt auf die Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat. In dem hierfür erforderlichen Umfang ist das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 137 Absatz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden. Das Bundesverwaltungsgericht berücksichtigt für die Beurteilung der allgemeinen Lage diejenigen herkunfts- oder zielstaatsbezogenen Erkenntnisse, die von den in Satz 1 Nummer 1 genannten Gerichten verwertet worden sind, die ihm zum Zeitpunkt seiner mündlichen Verhandlung oder Entscheidung (§ 77 Absatz 1) von den Beteiligten vorgelegt oder die von ihm beigezogen oder erhoben worden sind. Die Anschlussrevision ist ausgeschlossen.

(8a) Das Bundesministerium des Innern und für Heimat evaluiert im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz die Revision nach Absatz 8 drei Jahre nach Inkrafttreten.

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 23. Dezember 2015 ist unbegründet, weil die Voraussetzungen des § 78 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 3 AsylG i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO nicht vorliegen.

Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) kommt im vorliegenden Fall nicht zum Tragen. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36). Wenn ein Urteil nebeneinander auf mehrere je selbstständig tragende Begründungen (kumulativ) gestützt ist, kann ein Rechtsmittel nur dann zugelassen werden, wenn im Hinblick auf jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund geltend gemacht wird und gegeben ist (BVerwG, B. v. 17.12.2010 - 9 B 60.10 - BayVBl 2011, 352). Die Gründe für die Zulassung sind in dem Antrag substantiiert darzulegen.

Der Kläger hält für klärungsbedürftig „ zum einen die Frage der Blutrache aufgrund einer Ehrverletzung, insbesondere deren Trag- und Reichweite; zum anderen eine Neubewertung der zumutbaren inländischen Fluchtalternative in Kabul für männliche jüngere afghanische Staatsangehörige und eine etwaige Gefährdung und das hieraus resultierende Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, zumindest für diese Personen, die keinerlei verwandtschaftliche Unterstützung in Afghanistan mehr haben und auch keinerlei Bezug zu Kabul.“ Er macht geltend, dass durch das Scheitern der Eheverabredung eine Ehrverletzung der Familie der „Verlobten“ vorgelegen habe. Die familiär bezogene Ehrverletzung habe nicht einfach durch Tötung seines Bruders gesühnt werden können, sondern erfordere nach paschtunischer Tradition die Auslöschung der Familie. Das Verwaltungsgericht habe indes lediglich auf die Tötung des Bruders als Akt der Blutrache abgestellt. Die Reichweite und Handhabung der Blutrache nach traditionellem paschtunischem Recht habe grundsätzliche Bedeutung, weil diesbezüglich bisher kaum Erkenntnisse vorlägen. Die Klärung der Frage würde deshalb eine Fortentwicklung des Asylrechts darstellen. Zur Lage jugendlicher Rückkehrer in Afghanistan gebe es zwei aktuelle Erkenntnismaterialien (amnesty international bzw. Adam Nader - jeweils 2016).

Das Verwaltungsgericht hat es in dem angefochtenen Urteil ausdrücklich dahingestellt sein lassen, ob die Verfolgungsgeschichte des Klägers - Verabredung einer Eheschließung, die Weigerung seines Bruders, die Ehe einzugehen, dessen Tötung und die Furcht vor weiteren Racheakten - glaubhaft ist (UA S. 8). Denn selbst wenn man den Kläger für glaubwürdig hielte, würde es an einer für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erforderlichen asylrelevanten Verfolgung im Sinn von § 3 Abs. 1 AsylG fehlen. Bei Wahrunterstellung des klägerischen Vortrags bestünde nicht die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Sippengefährdung, weil durch die Tötung des Bruders durch einen Familienangehörigen des betroffenen Mädchens das Verbrechen gesühnt und der Ehrenkonflikt beendet wäre. Im Übrigen stünde dem [aus der Provinz Balkh stammenden] Kläger eine inländische Fluchtalternative im Sinn von § 3e AsylG zur Verfügung. In Kabul wäre er nicht durch Nachstellungen seitens der gegnerischen Familie gefährdet und würde wegen seines Lebensunterhalts auch nicht in eine extreme Gefahrenlage geraten. Da der Kläger im Fall der Abschiebung nicht etwa dem baldigen Hungertod ausgeliefert werden würde, bestehe kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (in entsprechender Anwendung).

Der diesbezügliche Vortrag des Klägers entspricht nicht den Begründungsanforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG. Der Hinweis allein, dass noch keine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts/Verwaltungsgerichtshofs vorliegt, reicht ohne Auseinandersetzung mit dem Erkenntnismaterial zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit nicht aus. Erforderlich ist vielmehr über den ergebnisbezogenen Hinweis, dass der Bewertung der Verfolgungslage zu der als klärungsbedürftig bezeichneten Tatsachenfrage durch das Verwaltungsgericht nicht gefolgt werden kann, hinaus, dass in Auseinandersetzung mit den vom Verwaltungsgericht herangezogenen Erkenntnismitteln dargetan wird, aus welchen Gründen dieser Bewertung nicht zu folgen ist. Es ist im Einzelnen unter Bezeichnung konkreter Erkenntnismittel - etwa gegensätzliche Auskünfte, Presseberichte, andere Gerichtsentscheidungen oder anderweitige Erkenntnisse - anzugeben, welche Anhaltspunkte für eine andere Tatsacheneinschätzung bestehen (Berlit in GK-AsylG, Stand April 2016, § 78 Rn. 610; ebenso: Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 72; Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 124a Rn. 214). Die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass durch die Tötung des Missetäters die Tat gesühnt und der Ehrkonflikt grundsätzlich beendet ist, entspricht den Erkenntnissen des UNHCR, die ins Verfahren eingeführt und im Urteil zitiert sind (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 6.8.2013 - HCR/EG/AFG/13/01 - III. A. 12). Nach dem Paschtunwali müsse sich die Rache grundsätzlich gegen den Missetäter selbst richten, unter bestimmten Umständen könne aber auch dessen Bruder oder ein anderer Verwandter aus der väterlichen Linie zum Ziel der Rache werden. Gemäß der dort in Fußnote 445 angeführten (norwegischen) Landinfo, Afghanistan: Blood Feuds, Traditional Law (Paschtunwali) and Traditional Conflict Resolution, 1. November 2011 richtet sich die Blutrache primär gegen den Missetäter („perpetrator“) selbst, kann stattdessen („alternative“) aber auch an einem Bruder oder einem anderen Familienmitglied der männlichen Linie geübt werden (a. a. O. S. 10). Hieraus ergibt sich, dass die Einschätzung des Verwaltungsgerichts auf maßgeblichen Erkenntnisquellen fußt und plausibel ist, ohne dass der Zulassungsantrag dies in Frage stellt. Die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob außer dem (getöteten) Missetäter noch sonstige Familienangehörige von Blutrache bedroht sein könnten, hängt nach den Erkenntnissen des UNHCR (a. a. O. S. 80) von den Umständen des Einzelfalls ab, lässt sich also nicht allgemeingültig klären (vgl. Happ in Eyermann a. a. O. § 124 Rn. 38).

Da somit bezüglich der einen tragenden Begründung ein Zulassungsgrund nicht gegeben ist, kommt es darauf, ob bezüglich der anderen (Fluchtalternative) ein solcher gegeben ist, nicht mehr an.

Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ergibt sich auch nicht aus der Einschätzung der Existenzbedingungen junger alleinstehender Männer bei einer Abschiebung nach Kabul. In der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist geklärt, dass für aus dem europäischen Ausland zurückkehrende afghanische Staatsangehörige angesichts der aktuellen Auskunftslage im Allgemeinen derzeit nicht von einer extremen Gefahrenlage auszugehen ist, die zu einem Abschiebungsverbot in entsprechender Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG oder nach § 60 Abs. 5 AufenthG führen würde (BayVGH, U. v. 12.2.2015 - 13a B 14.30309 - juris; U. v. 21.11.2014 - 13a B 14.30107 - juris; U. v. 30.1.2014 - 13a B 13.30279 - juris; U. v. 24.10.2013 - 13a B 13.30031 - juris = KommunalPraxisBY 2014, 62 -LS-). Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, dass ein arbeitsfähiger, gesunder Mann regelmäßig auch ohne familiären Rückhalt und ohne nennenswertes Vermögen im Fall einer zwangsweisen Rückführung in sein Heimatland Afghanistan in der Lage wäre, durch Gelegenheitsarbeiten in seiner Heimatregion oder in Kabul ein kleines Einkommen zu erzielen und damit wenigstens ein Leben am Rande des Existenzminimums zu bestreiten. An dieser Auffassung hat der Verwaltungsgerichtshof auch unter Berücksichtigung der aktuellen Auskünfte von UNHCR, Auswärtigem Amt und Schweizerischer Flüchtlingshilfe festgehalten (zuletzt U. v. 12.2.2015 - 13a B 14.30309 - a. a. O.; B. v. 23.10.2015 - 13a ZB 15.30201 - juris). Die vom Kläger angeführten Erkenntnismittel schaffen keine neue Auskunftslage im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur sog. Extremgefahr, so dass eine Neubewertung der kritischen Versorgungssituation von Rückkehrern nicht veranlasst ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist im Einzelfall Ausländern ausnahmsweise Schutz vor der Durchführung der Abschiebung in verfassungskonformer Handhabung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zuzusprechen, wenn die Abschiebung wegen einer extremen Gefahrenlage im Zielstaat Verfassungsrecht verletzen würde. Das ist der Fall, wenn der Ausländer gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde (st. Rspr. des BVerwG; vgl. nur BVerwGE 99, 324; 102, 249; 108, 77; 114, 379; 137, 226). Eine solche existenzielle Gefährdung lässt sich weder dem Amnesty International Report 2015/2016 - The State oft he World’s Human Rights - Afghanistan noch dem Aufsatz von Adam Naber, Afghanistan: Gründe der Flucht und Sorgen jugendlicher Rückkehrer, Asylmagazin 1-2/2016, S. 4 ff. entnehmen. Amnesty International berichtet davon, dass Ende 2015 noch immer tausende Menschen in überbelegten Lagern und Behelfsunterkünften bei mangelnden sanitären Einrichtungen lebten. Es ist aber nicht die Rede davon, dass etwa das Existenzminimum unterschritten wäre. Nader berichtet u. a. davon, dass junge zurückkehrende Männer im Durchschnitt ca. neun Monate lang nach einer Arbeit suchen und sich in Kabul vielfach auf eigene Faust durchschlagen, weil sie dort keine Familie haben oder sich nicht in deren Obhut begeben wollen. Außerdem ist vom Tagelöhnerdasein mit temporärer Minimalgrundsicherung und von absoluter Armut die Rede. Den Schluss, dass Rückkehrer im Allgemeinen einer unmittelbar drohenden extremen Gefahrensituation für Leib oder Leben ausgesetzt wären, kann man hieraus aber nicht ziehen.

Auch der Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels liegt nicht vor (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO). In diesem Zusammenhang macht der Kläger eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend. Er rügt, das Verwaltungsgericht habe sich lediglich mit der individuellen Ehrverletzung hinsichtlich des Verhaltens des Bruders beschäftigt, die familiäre Ehrverletzung aber nicht erwähnt. Außerdem habe das Verwaltungsgericht drei Urteile des Verwaltungsgerichts Ansbach zitiert, die weder in der vorab übersandten Erkenntnismittelliste noch in der mündlichen Verhandlung zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden seien.

Das rechtliche Gehör als prozessuales Grundrecht (Art. 103 Abs. 1 GG) sichert den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können, insbesondere dass sie mit ihren Ausführungen und Anträgen gehört werden (BVerfG, B. v. 30.4.2003 - 1 PBvU 1/02 - BVerfGE 107, 395/409 = NJW 2003, 1924). Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG kann allerdings nur dann festgestellt werden, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist (BVerfG, B. v. 29.10.2015 - 2 BvR 1493/11 - NVwZ 2016, 238 zu BVerfGE 47, 182). Das angefochtene Urteil zeigt, dass das Verwaltungsgericht das Vorbringen zwar erwogen, aber von seinem Standpunkt aus als unwesentlich beurteilt hat (BVerfG, B. v. 24.2.2009 - 1 BvR 188/09 - NVwZ 2009, 580; B. v. 25.2.1994 - 2 BvR 50/93 - NJW 1994, 2279; B. v. 19.5.1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133/146). Der Tatbestand enthält u. a. die Aussage des Klägers, dass der Onkel des betroffenen Mädchens als mutmaßlicher Mörder seines Bruders auch die restlichen Angehörigen bedroht habe. In den Entscheidungsgründen hat sich das Verwaltungsgericht mit der Wahrscheinlichkeit einer Sippenhaftgefährdung sachlich auseinandergesetzt (UA S. 3, 9). Mit der hier zum Ausdruck gebrachten Kritik an der tatrichterlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung kann die Annahme eines Verstoßes gegen das rechtliche Gehör aber grundsätzlich nicht begründet werden (BVerfG, E. v. 19.7.1967 - 2 BvR 639/66 - BVerfGE 22, 267/273; BVerwG, B. v. 30.7.2014 - 5 B 25.14 - juris; B. v. 15.5.2014 - 9 B 14.14 - juris Rn. 8).

Es liegt wegen der Bezugnahme auf andere erstinstanzliche Urteile auch keine unzulässige Überraschungsentscheidung vor. Eine solche ist gegeben, wenn das Gericht in seiner Entscheidung auf einen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt abstellt, der weder im Verwaltungsverfahren noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erörtert wurde, auch unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen als fernliegend anzusehen war und damit dem Rechtsstreit eine unerwartete Wendung gab (BVerwG, B. v. 27.7.2015 - 9 B 33.15 - NJW 2015, 3386; BVerwG, B. v. 19.7.2010 - 6 B 20.10 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 54 = NVwZ 2011, 372). Das Gericht darf nur solche Tatsachen verwerten, zu denen sich die Verfahrensbeteiligten vorher äußern konnten (BVerfG, B. v. 19.12.2013 - 1 BvR 859/13 - juris zu BVerfGE 101, 106). Im Asylverfahren dürfen bei Wahrung des rechtlichen Gehörs nur solche Tatsachen und Beweisergebnisse - einschließlich Presseberichten und Behördenauskünften - verwertet werden, die von einem Verfahrensbeteiligten oder dem Gericht im Einzelnen bezeichnet zum Gegenstand des Verfahrens gemacht wurden (BVerfG, B. v. 18.6.1985 - 2 BvR 414/84 - BVerfGE 70, 180/189 = NJW 1986, 371). Die Erkenntnismittel müssen ordnungsgemäß ins Verfahren eingeführt sein (BVerwG, U. v. 29.12.1983 - 9 C 68.83 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 142; U. v. 8.2.1983 - 9 C 847.82 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 132). Es verstößt aber nicht gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn ein Gericht andere Entscheidungen (ohne vorherigen Hinweis) nur als bestätigenden Beleg dafür heranzieht, dass andere Gerichte ein bestimmtes Problem tatrichterlich in ähnlicher Weise gewürdigt haben (BVerwG, B. v. 19.3.2014 - 10 B 6.14 - NVwZ 2014, 1039 = BayVBl 2014, 508).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Das Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das die Klage in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgewiesen wird, ist unanfechtbar. Das gilt auch, wenn nur das Klagebegehren gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet, das Klagebegehren im Übrigen hingegen als unzulässig oder unbegründet abgewiesen worden ist.

(2) In den übrigen Fällen steht den Beteiligten die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zu, wenn sie von dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(3) Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.

(4) Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss, der keiner Begründung bedarf. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) § 134 der Verwaltungsgerichtsordnung findet keine Anwendung, wenn das Urteil des Verwaltungsgerichts nach Absatz 1 unanfechtbar ist.

(7) Ein Rechtsbehelf nach § 84 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids zu erheben.

(8) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 132 Absatz 1 und § 137 Absatz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung auch zu, wenn das Oberverwaltungsgericht

1.
in der Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat von deren Beurteilung durch ein anderes Oberverwaltungsgericht oder durch das Bundesverwaltungsgericht abweicht und
2.
die Revision deswegen zugelassen hat.
Eine Nichtzulassungsbeschwerde kann auf diesen Zulassungsgrund nicht gestützt werden. Die Revision ist beschränkt auf die Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat. In dem hierfür erforderlichen Umfang ist das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 137 Absatz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden. Das Bundesverwaltungsgericht berücksichtigt für die Beurteilung der allgemeinen Lage diejenigen herkunfts- oder zielstaatsbezogenen Erkenntnisse, die von den in Satz 1 Nummer 1 genannten Gerichten verwertet worden sind, die ihm zum Zeitpunkt seiner mündlichen Verhandlung oder Entscheidung (§ 77 Absatz 1) von den Beteiligten vorgelegt oder die von ihm beigezogen oder erhoben worden sind. Die Anschlussrevision ist ausgeschlossen.

(8a) Das Bundesministerium des Innern und für Heimat evaluiert im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz die Revision nach Absatz 8 drei Jahre nach Inkrafttreten.

Tenor

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 15. September 2014 wird geändert. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung gegen die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Verpflichtung, dem Kläger subsidiären Schutz zuzuerkennen.

Der Kläger, nach eigenen Angaben ein am 5. Oktober 1994 in Mogadischu geborener somalischer Staatsangehöriger, reiste am 12. August 2012 in das Bundesgebiet ein und stellte hier am 12. September 2012 einen Asylantrag.

In der persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 22. Mai 2013 gab der Kläger im Wesentlichen an, er gehöre dem Clan Abgal, Sub-Clan Wacaysleh an. Seine Religion sei der Islam. Seine letzte Anschrift im Herkunftsland sei Mogadischu gewesen, Stadtteil M* … Straße J* … Dort habe er bis zu seiner Ausreise gelebt. In Mogadischu lebten noch seine Mutter und seine Großmutter mütterlicherseits. Er habe keine Geschwister, sein Vater sei im Jahr 2010 verstorben. Er habe in Somalia 8 Jahre lang die Schule besucht und danach an einem Stand auf dem Markt Fleisch verkauft. Er habe keinen Wehrdienst geleistet.

Am 1. November 2011 habe er Mogadischu verlassen und sei 6 Tage lang mit verschiedenen PKWs nach Addis Abeba (Äthiopien) gefahren. Dort habe er sich 9 Monate lang aufgehalten. Während dieser Zeit habe er seine nach religiösem Ritus getraute Ehefrau kennengelernt. Da er nach der Heirat nach Deutschland weitergereist sei, sei seine Frau zu ihrer Schwester nach Nairobi in Kenia gegangen, nach dem Tod der Schwester jedoch in ihre Heimatstadt G* … zurückgekehrt. Dort sei am 18. Mai 2013 auch der gemeinsame Sohn geboren worden, der bei der Ehefrau des Klägers lebe. Von Addis Abeba sei der Kläger direkt nach Frankfurt am Main geflogen. Ein somalischer Mann habe ihn als sein Kind ausgegeben und mitgenommen. Vom Flughafen aus sei er mit dem Zug nach München gefahren. Die Ausreise habe er mit 10 Millionen somalischer Schillinge bezahlt, die als Erlös aus dem Verkauf eines geerbten Grundstücks stammten.

Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Kläger an, sein Vater sei von einer Al-Shabaab-Miliz umgebracht worden, weil er sich geweigert habe, für sie zu kämpfen. Der Kläger habe dann den Job des Vaters auf dem Markt übernommen. Zu dieser Zeit hätten die Al-Shabaab-Milizen versucht, eine Menge junger Leute zu rekrutieren. Sie seien deshalb auch auf den Kläger zugekommen und hätten ihn gefragt, ob er mit ihnen kämpfen wolle. Weil er sich geweigert habe, seien sie wiederholt gekommen, hätten ihn beschimpft und bedroht. Seine Mutter habe ihm geraten, auf keinen Fall mitzugehen. Letztendlich hätten sie ihn dann mitgenommen und eingesperrt. Nach 3 Tagen habe ihm ein Junge mitgeteilt, dass er zum Tode verurteilt worden sei. Während der Gefangenschaft sei er geschlagen, beschimpft und schikaniert worden. In der Nacht, nachdem er von dem Todesurteil erfahren habe, habe sich eine Möglichkeit geboten, zu fliehen. Er sei über eine Mauer gesprungen. Ein Junge aus seiner Nachbarschaft, der für die Al-Shabaab gearbeitet habe, habe ihm dabei geholfen. Der Junge habe ihn aus dem Zimmer geholt, so als ob er ihn zur Toilette bringen würde. Dann sei er über diese Mauer geflohen. Es habe zwar noch weitere Bewachung in dem Lager gegeben, die Wachleute seien aber in Schichten eingeteilt gewesen und zum Zeitpunkt seiner Flucht habe dieser Junge Schicht gehabt. Das Lager habe sich in einem Stadtteil von Mogadischu, Deyniile, befunden. Auf die Frage, welche Gründe es gebe, jetzt nicht nach Mogadischu zurückzukehren, gab der Kläger an, dass die Al-Shabaab nach wie vor noch Leute umbringe. Wie die Situation in G* … sei, wo seine Frau und sein Sohn lebten, wisse er nicht. Er sei selbst nie dort gewesen. Seine Frau habe er in Äthiopien kennengelernt.

Mit Bescheid vom 25. September 2013 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter (Ziff. 1. des Bescheides) sowie auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziff. 2.) ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen (Ziff. 3.) und forderte den Kläger unter Fristsetzung zur Ausreise auf; für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde die Abschiebung nach Somalia bzw. in einen anderen zur Aufnahme bereiten oder verpflichteten Staat angedroht (Ziff. 4.). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe eine asyl- bzw. flüchtlingsschutzrechtlich relevante Betroffenheit nicht glaubhaft machen können. Sein diesbezügliches Vorbringen sei ungereimt bzw. nicht nachvollziehbar. Auch ergäben sich selbst bei einer Wahrunterstellung des Vorbringens zur angeblichen Zwangsrekrutierung keine relevanten Umstände, die die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft rechtfertigten. Die Zwangsrekrutierungen erfolgten wahllos und ungeachtet der Identität des Einzelnen. Eine drohende Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe habe der Kläger nicht glaubhaft gemacht. Angesichts der im Gebiet der Hauptstadt Mogadischu herrschenden Situation drohten ihm bei Rückkehr keine erheblichen individuellen Gefahren. Die bewaffneten Auseinandersetzungen erreichten nicht mehr allgemein für alle Personen in der Region ein derartiges Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit, dass Angehörige der Zivilbevölkerung in Folge der Gefahrverdichtung einer erheblichen individuellen und willkürlichen Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt seien. Den Angaben des Klägers sei auch nicht zu entnehmen, dass für ihn aus individuellen Umständen eine Gefahrenlage bestehe, weil er aufgrund seiner persönlichen Situation spezifisch betroffen sei. Ein individuelles Verfolgungsschicksal habe er nicht glaubhaft machen können. Auch andere Umstände, nach denen sich für ihn die Gefahr verdichten könnte, seien nicht ersichtlich. Für das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 bzw. 7 Satz 1 AufenthG fehle es sowohl an einem glaubhaften Vortrag des Klägers als auch an anderweitigen Erkenntnissen.

Gegen diesen ihm am 10. Oktober 2013 zugestellten Bescheid (Bl. 88 der Bundesamtsakte) ließ der Kläger am 22. Oktober 2013 beim Verwaltungsgericht Regensburg Klage erheben.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht gab der Kläger im Wesentlichen an, die Al-Shabaab habe gewollt, dass sein Vater mit ihnen zusammenarbeite, dieser habe sich jedoch geweigert. Eines Abends während des Abendessens seien sie gekommen und hätten seinen Vater erschossen. Der Kläger sei damals noch zur Schule gegangen. Wegen des Todes seines Vaters habe er sich dann aber Arbeit suchen müssen. Es sei dann ein Mann von Al-Shabaab gekommen und habe ihn aufgefordert, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Er habe ihn dann in ein Gefangenenlager der Al-Shabaab mitgenommen. Dort sei er 3 Tage lang festgehalten worden. Er sei dort gemeinsam mit vielen anderen Männern gewesen. Eines Abends habe ein Mann aus der Nachbarschaft Wache gehabt. Er habe den Kläger gerufen und ihm mitgeteilt, dass er zum Tod verurteilt worden sei. Der Mann habe ihm auch gesagt, dass er ihm helfen werde. Eines Nachts sei der Mann zu ihm gekommen und habe ihn aufgefordert, mit ihm zur Toilette zu gehen. An einer Stelle sei die Mauer niedrig gewesen und der Mann habe den Kläger aufgefordert, darüber zu springen. Er sei dann zurück zu seiner Mutter gegangen, die ihm geraten habe, sich zu verstecken. In dem Gefängnis seien sie immer in einem Raum eingesperrt gewesen. Selbst bei den Toilettengängen seien sie bewacht worden. An dem Abend seiner Flucht habe der Mann aus der Nachbarschaft zwar nicht alleine Dienst gehabt, die anderen Wachen hätten jedoch geschlafen.

Den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter nahm der Kläger in der mündlichen Verhandlung zurück.

Mit Urteil vom 15. September 2014 hob das Verwaltungsgericht Regensburg den Bescheid der Beklagten vom 25. September 2013 in Ziff. 3. und 4. auf und verpflichtete die Beklagte, dem Kläger subsidiären Schutz zu gewähren. Im Übrigen wies es die Klage ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, es bestehe kein Anspruch des Klägers auf Anerkennung als Flüchtling, weil die geschilderte Vorverfolgung nicht glaubhaft sei. Der Kläger habe jedoch Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 4 AsylVfG. In Süd- und Zentralsomalia herrsche ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt, aufgrund dessen ihm eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt drohe. Zu berücksichtigen sei dabei die sog. Beweiserleichterung, weil es keinerlei Anhaltspunkte gebe, dass der Kläger nicht wie angegeben aus Süd- oder Zentralsomalia komme und seine Heimat aus anderen Gründen als wegen der instabilen Verhältnisse verlassen habe. Entsprechend der Auskunftslage habe es spätestens seit etwa dem Jahr 2007 der Praxis der Beklagten entsprochen, zumindest Abschiebungsschutz wegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts oder drohender Menschenrechtsverletzungen zu gewähren. Eine quantitative Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos sei nicht möglich. Bestätigt worden sei diese Entscheidungspraxis durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 28. Juni 2011 (Az. 8319/07, Sufi und Elmi). Eine maßgebliche Änderung der Situation in Süd- und Zentralsomalia liege nicht vor. Es gebe keine belastbaren Zahlen, in welchem Umfang andere Aktivitäten der Al-Shabaab bzw. anderer regierungsfeindlicher Gruppierungen sowie willkürliche Akte der auf der Seite der Regierung stehenden Einheiten weiterhin Todes- und Verletzungsopfer in der Zivilbevölkerung forderten. Zwar habe der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einer Entscheidung vom 5. September 2013 (Az. 886/11) entschieden, dass nicht mehr angenommen werden könne, es bestehe für Jedermann in Mogadischu das ernsthafte Risiko einer Verletzung des Art. 3 EMRK. Schon in einer abweichenden Meinung (dissenting opinion) hierzu sei jedoch ausgeführt worden, dass der Gerichtshof seine eigenen Vorgaben in der Entscheidung vom 28. Juni 2011 nicht ausreichend berücksichtigt habe. Insbesondere beruhe die Einschätzung des Rückgangs ziviler Opfer nicht auf belastbaren Zahlen. Es sei die Zahl der Rückkehrer vor dem Hintergrund der weiterhin extrem hohen Zahl der Vertriebenen überbewertet und die fehlende gesicherte Lebensgrundlage missachtet worden sowie die Unberechenbarkeit der Situation nach 20 Jahren Bürgerkrieg nicht hinreichend berücksichtigt worden. Die angenommene positive Entwicklung habe sich weder bestätigt noch fortgesetzt. Eine quantitative Ermittlung des bestehenden Verletzungsrisikos sei auch nicht annäherungsweise möglich. Fest stehe, dass Al-Shabaab in einigen Landesteilen weiterhin die Macht habe und in Mogadischu noch präsent sei. Keine sicheren Rückschlüsse ließen die vorliegenden Erkenntnisquellen darauf zu, in welchem Umfang es auch in den „befreiten“ Städten noch zu den von der Mehrheit der männlichen Asylbewerber geschilderten Zwangsrekrutierungen komme. Zusätzlich zu dieser generellen Einschätzung könne sich der Kläger auf gefahrerhöhende persönliche Umstände berufen. Als Rückkehrer nach jahrelanger Abwesenheit sei er auf den Schutz eines Clans besonders angewiesen. Er gehöre zwar nicht zu einer Minderheit, es sei aber fraglich, ob es ihm überhaupt gelingen werde, wieder seine Stammfamilie und über diese die Verbindung zu seinem Clan zu finden. Dazu bestehe das Risiko, dass er schon deshalb als Feind der Al Shabaab und anderer militanter muslimischer Gruppen angesehen werde, weil er sich während der Auseinandersetzungen durch die Ausreise einer Parteinahme entzogen habe und nach der offiziellen Machtübernahme durch die Regierung zurückkomme.

Nach Zulassung der Berufung mit Beschluss des Senats vom 11. Mai 2015 (Az. 20 ZB 14.30469) beantragte die Beklagte unter dem 8. Juni 2015,

unter Änderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung die Klage abzuweisen, soweit ihr stattgegeben wurde.

Zur Begründung wurde zunächst auf den Zulassungsantrag Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, tragfähige Gründe für die Zuerkennung des unionsrechtlichen subsidiären Schutzstatus seien weiterhin nicht feststellbar. Auch zeige sich weiterhin nichts Durchgreifendes für einen Anspruch auf das nationale ausländerrechtliche Abschiebungsverbot. Es fehle an einer tragfähigen Grundlage für einen Anspruch auf den unionsrechtlichen subsidiären Schutzstatus nach den Anspruchsgrundlagen des § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG. Zwar werde die Sicherheits- und Versorgungslage nach wie vor als fragil beschrieben. Unabhängig davon, ob und in welchen Teilen des Landes gegenwärtig von einem bewaffneten Konflikt auszugehen wäre, erreiche dessen Intensität jedenfalls nicht den erforderlichen besonders hohen Grad, um eine konkrete individuelle Bedrohung jeder Zivilperson bereits infolge des Aufenthalts in Somalia bejahen zu können. Auch für die Zeit der vom Kläger genannten Ausreise aus Somalia beschrieben die Quellen ein insoweit durchaus vergleichbares Bild. Individuelle besondere gefahrerhöhende Umstände seien nicht erkennbar. Insbesondere ließen sich die vom Verwaltungsgericht herangezogenen Erwägungen hierzu nicht als ausreichende Aspekte werten. Denn soweit es die Situation als Rückkehrer und daran vermeintlich anknüpfende Verdächtigungen betreffe, erhöhe dies nicht das Risiko willkürlicher Betroffenheit, sondern könne allein Einfluss auf das Risiko einer gezielten Rechtsgutsverletzung haben. Eine gerichtlich für erforderlich erachtete besondere Angewiesenheit auf den Schutz durch einen Clan möge sich auf die Chancen bei der Wiedereingliederung in die Lebenswirklichkeit Somalias bzw. auf den Grad der zu überwindenden Schwierigkeiten auswirken, um sich das nötige Auskommen zu erwirtschaften. Inwiefern aber Schutz vor willkürlicher Gewalteinwirkung vermittelt werden sollte, bleibe nicht naheliegend. Belastbare Anhaltspunkte für besondere in der Person des Klägers erfüllte Umstände, die ein nationales Abschiebungsverbot begründen sollten, zeigten sich ebenfalls nicht. Soweit es andererseits die Folgen der allgemeinen Verhältnisse anbelange, handele es sich um Gefährdungslagen, die zugleich der dortigen Bevölkerung bzw. einer Bevölkerungsgruppe allgemein drohten. Sie könnten daher nur im Fall einer Schutzlücke die Überwindung der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG rechtfertigen. Auch für eine alsbald nach der Rückkehr drohende Extremgefahr ließen sich aber bislang keine ausreichenden Anhaltspunkte feststellen.

Der Kläger beantragte,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung wurde auf den bisherigen Vortrag verwiesen und ergänzend ausgeführt, in Somalia herrsche ein Bürgerkrieg, der insbesondere in den Grenzregionen und den Einflusssphären der um die Macht kämpfenden Milizen sowie durch marodierende bewaffnete kriminelle Banden zu permanenten Gefährdungen der dort ansässigen Zivilbevölkerung führe. Diese sei schweren Menschenrechtsverletzungen sowohl durch Kampfhandlungen der streitenden Milizen als auch durch die „Justiz“ der jeweils obsiegenden Partei ausgesetzt. Inländische Fluchtalternativen seien nicht ersichtlich. In Anbetracht der Intensität des bewaffneten Konfliktes bestehe eine konkrete individuelle Bedrohung jeder Zivilperson bereits aufgrund ihres dortigen Aufenthaltes.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der vorgelegten Behördenakten verwiesen, wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung auf die Niederschrift vom 23. März 2017.

Gründe

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist nach der unanfechtbar gewordenen Ablehnung der Asyl- und Flüchtlingsanerkennung nur noch die Frage, ob dem Kläger der subsidiäre Schutzstatus nach § 4 AsylG, hilfsweise ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG zusteht.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.

Dem Kläger steht weder auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus noch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes hinsichtlich Somalias ein Rechtsanspruch zu. Auch die Abschiebungsandrohung ist deshalb nicht zu beanstanden. Der Bescheid der Beklagten vom 25. September 2013 ist daher, soweit er Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO). Aus diesen Gründen war das Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern und die Klage abzuweisen.

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus, weil die Voraussetzungen des § 4 AsylG nicht vorliegen. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG gelten als ernsthafter Schaden die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) sowie eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3).

a) Nach den in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen stellt sich die allgemeine Situation in Somalia aktuell im Wesentlichen wie folgt dar: Somalia ist spätestens seit Beginn des Bürgerkriegs 1991 ohne flächendeckende effektive Staatsgewalt. Die Autorität der Zentralregierung wird vom nach Unabhängigkeit strebenden „Somaliland“ im Nordwesten sowie von der die Regierung aktiv bekämpfenden, radikal-islamistischen Al-Shabaab-Miliz in Frage gestellt. Das Land zerfällt faktisch in drei Teile, nämlich das südliche und mittlere Somalia, die Unabhängigkeit beanspruchende „Republik Somaliland“ im Nordwesten und die autonome Region Puntland im Nordosten. In Puntland gibt es eine vergleichsweise stabile Regierung; die Region ist von gewaltsamen Auseinandersetzungen deutlich weniger betroffen als Süd-/Zentralsomalia. In „Somaliland“ wurde im somaliaweiten Vergleich das bislang größte Maß an Sicherheit, Stabilität und Entwicklung erreicht. In Süd- bzw. Zentralsomalia mit der Hauptstadt Mogadischu kämpfen die somalischen Sicherheitskräfte mit Unterstützung der Militärmission der Afrikanischen Union AMISOM gegen die Al-Shabaab-Miliz. Die Gebiete befinden sich teilweise unter der Kontrolle der Regierung, teilweise unter der Kontrolle der Al-Shabaab-Miliz oder anderer Milizen. Die meisten größeren Städte sind schon seit längerer Zeit in der Hand der Regierung, in den ländlichen Gebieten herrscht oft noch die Al-Shabaab. In den „befreiten“ Gebieten finden keine direkten kämpferischen Auseinandersetzungen mehr statt. Die Al-Shabaab verübt jedoch immer wieder Sprengstoffattentate auf bestimmte Objekte und Personen, bei denen auch Unbeteiligte verletzt oder getötet werden (siehe Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia vom 1. Januar 2017 - Stand: November 2016, S. 4 f.; Österreichisches Bundesasylamt, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Somalia - vom 25. April 2016, S. 13 ff. und Analyse der Staatendokumentation - Somalia - Sicherheitslage, 12. Oktober 2015, S. 32; siehe auch EGMR, U.v. 10.9.2015 - Nr. 4601/14 [R.H./Schweden] - NVwZ 2016, 1785; U.v. 5.9.2013 - Nr. 886/11, [K.A.B. ./. Schweden] - Rn. 87 ff.; BayVGH, U.v. 17.3.2016 - 20 B 13.30233 - juris und U.v. 17.3.2016 - 20 B 13.30233 - juris; OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 16.12.2015 - 10 A 10689/15 - juris = Asylmagazin 2016, 29).

b) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes auf der Grundlage des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG, weil er eine individuelle Gefahr der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung durch die Al-Shabaab nicht glaubhaft gemacht hat. Auch in der informatorischen Anhörung des Klägers durch den Senat in der mündlichen Verhandlung sind die vorhandenen Zweifel an der Glaubwürdigkeit des vorgetragenen Geschehens nicht entkräftet worden. Der Kläger hat seinen diesbezüglichen Vortrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat sowohl im Vergleich zur mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht als auch im Vergleich zur Anhörung beim Bundesamt erheblich gesteigert und bestehende Widersprüche nicht aufgelöst. So hat der Kläger erstmals gegenüber dem Senat einen Freund erwähnt, der mit ihm zusammen in dem Gefangenenlager der Al-Shabaab interniert gewesen sei. Auch hat er vorher nicht berichtet, dass dort auch Frauen eingesperrt worden seien. Zudem erscheint der vorgetragene Geschehensablauf nicht glaubhaft. Denn es ist nicht plausibel, dass der Kläger von Al-Shabaab zunächst gefangen genommen und zum Tode verurteilt worden, dann aber mit der Hilfe eines Bewachers geflohen sein soll. Gerade wenn ein solches Gefangenenlager unzureichend gegen Fluchtversuche gesichert worden wäre, wie der Kläger vorgetragen hat, erscheint es umso weniger nachvollziehbar, dass ein zum Tode verurteilter Gefangener nicht strenger bewacht worden sein soll. Diese Unschlüssigkeit hat der Kläger trotz gezielter Nachfrage nicht erklären können. Noch stärker spricht aber gegen die Glaubwürdigkeit des Klägers, dass er trotz Nachfrage keinen plausiblen Grund dafür genannt hat, dass der Bewacher nach seinem Vortrag ein hohes persönliches Risiko der Bestrafung hätte eingehen sollen, um dem Kläger die Flucht zu ermöglichen. Alleine der Umstand, dass dieser Bewacher ein ehemaliger Nachbar gewesen sein soll, vermag dies nicht überzeugend zu erklären. Anstatt hierfür eine plausible Erklärung zu liefern, hat der Kläger seinen Vortrag weiter gesteigert, indem er erstmals vor dem Senat behauptet hat, dieser Bewacher sei ein Anführer gewesen. Selbst dieser Umstand könnte aber nicht plausibilisieren, dass ein Anführer einen zum Tode verurteilten Gefangenen hätte laufen lassen.

c) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG. Es ist bereits fraglich, ob in der für die Beurteilung maßgeblichen Herkunftsregion des Klägers, der Hauptstadt Mogadischu, noch ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt herrscht. Vom Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ist auszugehen, wenn die regulären Streitkräfte eines Staates auf eine oder mehrere bewaffnete Gruppen treffen oder wenn zwei oder mehrere bewaffnete Gruppen aufeinandertreffen, ohne dass dieser Konflikt als bewaffneter Konflikt im Sinne des humanitären Völkerrechts eingestuft zu werden braucht und ohne dass die Intensität der bewaffneten Auseinandersetzungen, der Organisationsgrad der vorhandenen bewaffneten Streitkräfte oder die Dauer des Konflikts Gegenstand einer anderen Beurteilung als der des im betreffenden Gebiet herrschenden Grades an Gewalt ist (EuGH, U.v. 30.1.2014 - C-285/12 [Diakité] - NVwZ 2014, 573 = juris, Leitsatz 1 und Rn. 28; BayVGH, U.v. 7.4.2016 - 20 B 14.30101 - juris Rn. 20). Mogadischu gehört zu den von der Herrschaft der Al-Shabaab befreiten Gebieten, die zwar vielleicht noch nicht „befriedet“ sind, jedoch definitiv nicht mehr im Kriegszustand stehen (Österreichisches Bundesasylamt, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Somalia - vom 25. April 2016, S. 22; OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 16.12.2015 - 10 A 10689/15 - juris Rn. 35). Es erscheint unwahrscheinlich, dass Al-Shabaab die Kontrolle über Mogadischu wiedergewinnen könnte (Österreichisches Bundesasylamt a.a.O.). Dieser Einschätzung steht nicht entgegen, dass in Mogadischu - wie in anderen „befreiten“ Gebieten - die Al-Shabaab nach wie vor Attentate auf bestimmte Objekte und Personen verübt, bei denen auch Unbeteiligte verletzt oder gar getötet werden, und auch direkte Kampfhandlungen stattfinden (vgl. Österreichisches Bundesasylamt, Analyse der Staatendokumentation - Somalia, Lagekarten zur Sicherheitslage v. 12.10.2015, S. 22 ff.; dies., Länderinformationsblatt v. 25.4.2016, S. 22). Die Al-Shaban vollzieht dort nunmehr eine asymmetrische Kriegsführung, die insbesondere gezielte Attentate, den Einsatz von unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen und überfallartige Angriffe (sog. „hit and run“) umfasst (vgl. OVG Rheinland-Pfalz a.a.O., m.w.N.; Österr. Bundesasylamt, Länderinformationsblatt v. 25.4.2016, S. 22; dies., Lagekarten zur Sicherheitslage v. 12.10.2015, S. 22 ff.). Der erreichte Zustand wird daher in nahezu allen Berichten als fragil oder unbeständig beschrieben (vgl. z.B. Auswärtiges Amt, Lagebericht Somalia, Stand Oktober 2015, S. 4; Österreichisches Bundesasylamt, Länderinformationsblatt v. 25.4.2016, S. 17; EASO [European Asylum Support Office], Country of Origin Information Report, Somalia - Security Situation, Februar 2016, S. 51 ff.). Hierauf kommt es jedoch nicht entscheidend an. Denn jedenfalls ist der Kläger aufgrund der beschriebenen Konfliktlage als Zivilperson keiner ernsthaften, individuellen Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt.

Für die Annahme einer ernsthaften individuellen Bedrohung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG genügt es nicht, dass der innerstaatliche bewaffnete Konflikt zu permanenten Gefährdungen der Bevölkerung führt (BVerwG, U.v. 13.2.2014 - 10 C 6.13 - juris Rn. 24). Die von einem bewaffneten Konflikt ausgehende allgemeine Gefahr kann sich jedoch individuell verdichten. Eine ernsthafte individuelle Bedrohung für Leib oder Leben kann in erster Linie auf gefahrerhöhenden persönlichen Umständen beruhen. Dies sind solche Umstände, die den Ausländer von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen als andere. Möglich sind aber auch solche persönlichen Umstände, aufgrund derer der Ausländer als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte - etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit - ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht schon die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt (BVerwG, U.v. 27.4.2010 - 10 C 4.09 - juris Rn. 33; U.v. 17.11.2010 - 10 C 13.10 - juris Rn. 18). Im Ausnahmefall kann eine ernsthafte individuelle Bedrohung von Leib oder Leben aber auch durch eine allgemeine Gefahr hervorgerufen sein, die sich in besonderer Weise zugespitzt hat. Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes „allgemein“ ausgesetzt ist, stellen normalerweise zwar keine individuelle Bedrohung dar. Eine Ausnahme davon gilt aber bei besonderer Verdichtung der Gefahr, die unabhängig von individuellen gefahrerhöhenden Umständen zu deren Individualisierung führt. Davon ist auszugehen, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, U.v. 17.2.2009 - C-465/07 [Elgafaji] - juris Rn. 35, 39; U.v. 30.1.2014 - C-285/12 [Diakité] - juris Rn. 30; BVerwG, U.v. 27.4.2010 - 10 C 4.09 - juris Rn. 32; U.v. 17.11.2011 - 10 C 13.10 - juris Rn. 19).

Unabhängig davon, ob die individuelle Bedrohungssituation auf persönliche Umstände oder ausnahmsweise auf die allgemeine Lage im Herkunftsland zurückgeht, sind Feststellungen über das Niveau willkürlicher Gewalt in dem jeweiligen Gebiet zu treffen. Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich; liegen gefahrerhöhende persönliche Umstände vor, genügt auch ein geringeres Niveau willkürlicher Gewalt. In beiden Konstellationen ist eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die dort von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen verübt werden, notwendig (BVerwG, U.v. 27.4.2010 - 10 C 4.09 - juris Rn. 33). Es bedarf zudem einer wertenden Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung unter Berücksichtigung der medizinischen Versorgungslage (BVerwG, U.v. 27.4.2010 - 10 C 4.09 - juris Rn. 33; U.v. 13.2.2014 - 10 C 6.13 - juris Rn. 24). Das Bundesverwaltungsgericht sieht ein Risiko von 1:800, in dem betreffenden Gebiet verletzt oder getötet zu werden, als so weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt an, dass auch eine wertende Gesamtbetrachtung am Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG nichts zu ändern vermag (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 - 10 C 13.10 - juris Rn. 22 f.; U.v. 17.11.2011 - 10 C 11/10 - juris Rn. 20 f. [Risiko von 1:1000]).

Für die Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweiten Konflikt auf den tatsächlichen Zielort des Ausländers bei einer Rückkehr abzustellen. Für die Frage, welche Region als Zielort seiner Rückkehr anzusehen ist, kommt es weder darauf an, für welche Region sich ein unbeteiligter Betrachter vernünftigerweise entscheiden würde, noch darauf, in welche Region der betroffene Ausländer aus seinem subjektiven Blickwinkel strebt. Zielort der Abschiebung ist in der Regel seine Herkunftsregion, in die er typischerweise zurückkehren wird (BVerwG, U.v. 14.7.2009 - 10 C 9.08 - juris Rn. 17 unter Hinweis auf EuGH, U.v. 17.2.2009 - C-465/07 [Elgafaji]; zum Ganzen OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 16.12.2015 - 10 A 10689/15 - juris = Asylmagazin 2016, 29). Im Falle des Klägers ist daher auf Mogadischu als Herkunftsregion abzustellen.

d) Gemessen an den vorgenannten Kriterien fehlt es jedoch an einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Klägers bei einer Rückkehr nach Mogadischu.

Gefahrerhöhende persönliche Umstände, die ihn wegen persönlicher Merkmale einem besonderen Sicherheitsrisiko aussetzen könnten, sind nicht ersichtlich und wurden vom Kläger auch nicht vorgetragen. Der Kläger gehört keiner Risikogruppe an. Gefahrerhöhende Umstände ergeben sich auch nicht bereits aus seiner Situation als Rückkehrer nach einem Auslandsaufenthalt. Zwar sieht die Al-Shabaab Rückkehrer aus westlichen Ländern möglicherweise als Spione der Regierungstruppen an (EASO Country of Origin Information Report - South and Central Somalia - Country Overview, August 2014, S. 106); da sie aber in den unter der Kontrolle der Regierung stehenden Gebieten nicht mehr frei agieren kann und angesichts der Zahl von rückkehrenden Personen - v.a. auch Binnenvertriebenen (vgl. EASO Country of Origin Information Report - South and Central Somalia - Country Overview, August 2014, S. 117; Österreichisches Bundesasylamt, Analyse der Staatendokumentation - Somalia - Sicherheitslage, 12.10.2015, S. 23) - ergibt sich daraus nicht für jeden Rückkehrer ohne weiteres eine ernsthafte Bedrohung. Im Übrigen ist der Rückzug der formalen Präsenz der Al-Shabaab aus Mogadischu nach den vorliegenden Erkenntnismitteln dauerhaft. Es gibt in der Stadt daher kein Risiko mehr, von Al-Shabaab zwangsrekrutiert zu werden (Österreichisches Bundesasylamt, Länderinformationsblatt v. 25.4.2016, S. 22; EGMR, U.v. 10.9.2015 - Nr. 4601/14 [R.H./Schweden] - NVwZ 2016, 1785). Zwar hat der Kläger vorgetragen, sich vor seiner Ausreise in der Gefangenschaft der Al-Shabaab befunden und sich dieser durch Flucht entzogen zu haben, weshalb er der Al-Shabaab bereits einmal besonders aufgefallen sei (vgl. hierzu BayVGH, U.v. 7.4.2016 - 20 B 14.30101 - juris Rn. 30; OVG Rheinland-Pfalz U.v. 16.12.2015 - 10 A 10689/15 - juris = Asylmagazin 2016, 29). Dieses Vorbringen des Klägers ist jedoch nicht glaubhaft, wie bereits ausgeführt wurde (siehe oben zu b)). Zudem gehört der Kläger nicht einem Minderheiten-, sondern einem Mehrheitsclan, den Hawiye-Abgal, an (vgl. ACCORD, Clans in Somalia, Bericht zum Vortrag von Dr. Joakim Gundel v. 15.5.2009, S. 12, 14; EASO Länderüberblick Südu. Zentralsomalia, August 2014, S. 15, 21, 45 ff.). Auch unter diesem Aspekt kann also kein gefahrerhöhender persönlicher Umstand in der Person des Klägers angenommen werden.

e) Auch die allgemeine Lage ist nicht so gefährlich, dass sie sich unabhängig von persönlichen Merkmalen gegenüber jeder Zivilperson individualisiert. Die erforderliche Gefahrendichte ist in Mogadischu nicht gegeben. Eine genaue Bewertung der Gefahrendichte aufgrund einer quantitativen Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos durch Gegenüberstellung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen und der Akte willkürlicher Gewalt, erscheint jedoch kaum verlässlich möglich. Die Zahl der Zivilpersonen, die Opfer willkürlicher Gewalt geworden sind, kann kaum annäherungsweise verlässlich geschätzt werden, weil belastbare Zahlen nicht vorhanden sind. Dies betrifft etwa die Frage, ob in den insoweit verfügbaren Aufstellungen die Zählung der „Zivilpersonen“ auch solche Opfer umfasst, die den besonderen Risikogruppen (Politiker, Regierungsmitarbeiter etc.) angehören. Ebenso wird in den Berichten über Vorfälle meist lediglich über die Zahl der Getöteten, nicht aber auch über die der Verletzten berichtet (OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 16.12.2015 - 10 A 10689/15 - juris = Asylmagazin 2016, 29).

Die Gesamtbevölkerung von Mogadischu wird auf vermutlich über einer Million Einwohner einschließlich einer großen Anzahl Binnenvertriebener geschätzt (EASO Länderüberblick Südu. Zentralsomalia, August 2014, S. 16). Setzt man zu dieser Einwohnerzahl die sich aus der Aufstellung von ACCORD (Kurzübersicht über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED, 4.2.2016) ergebende Zahl der im Jahr 2015 in der gesamten Region Banaadir verzeichneten 370 Vorfälle mit 411 Toten - jedoch bezogen auf alle Konfliktvorfälle, d.h. nicht nur Gewaltvorfälle gegen Zivilpersonen - würde sich unter Zugrundelegung dieser Zahlenwerte ein Tötungsrisiko von etwa 1:2433 (0,0411%) ergeben, wobei eine Berechnung des Verletzungsrisikos mangels einer entsprechenden verfügbaren Auflistung nicht möglich erscheint. Die Aufstellung für das erste Quartal des Jahres 2016 (ACLED, 3.5.2016) mit 66 Vorfällen in der Region Banaadir und 80 Toten zeigt im Vergleich zu den beiden vorhergehenden Quartalen des Jahres 2015 (3/2015 und 4/2015) mit 82 Vorfällen und 79 Toten (4/2015, ACLED 4.2.2016) bzw. 80 Vorfälle und 75 Toten (3/2015, ACLED 4.2.2016) eine leicht rückläufige Tendenz bei der Zahl der Vorfälle bei gleich bleibender bzw. leicht gesteigerter Zahl der Todesopfer, welches ein Indiz für die in anderen Erkenntnismitteln festgestellte Änderung der Strategie der Al-Shabaab darstellt (siehe dazu unten), aber nicht zur Feststellung einer Verdichtung der allgemein bestehenden Gefahrenlage zu einer individuellen Gefahr für jede dort lebende Einzelperson führt.

Auch ungeachtet einer quantitativen Bewertung ergibt sich unter Zugrundelegung der in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen (v.a. Österreichisches Bundesasylamt, Länderinformationsblatt v. 25.4.2016, S. 22 ff. m.w.N.; EASO Security Situation Report, Februar 2016, S. 50 ff.) in Mogadischu keine solche Gefahrendichte, dass jedermann alleine aufgrund seiner Anwesenheit dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, Opfer willkürlicher Gewalt zu werden. In den Berichten ist regelmäßig von „Verbesserungen“ die Rede, auch wenn dies angesichts der früheren extremen Situation nicht damit gleichgesetzt werden kann, dass keine wesentliche Gefahr für die Zivilbevölkerung mehr gegeben wäre. Mogadischu bleibt weiterhin unter der Kontrolle von Regierung und AMISOM. Der Rückzug der formalen Präsenz der Al-Shabaab ist dauerhaft. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass Al-Shabaab wieder die Kontrolle über die Stadt erlangt. Es gibt in der Stadt daher kein Risiko mehr, von Al-Shabaab zwangsrekrutiert zu werden (Österreichisches Bundesasylamt, Länderinformationsblatt v. 25.4.2016, S. 22; EGMR, U.v. 10.9.2015 - Nr. 4601/14 [R.H./Schweden] - NVwZ 2016, 1785). Es gibt in Mogadischu keine Clanmilizen und keine Clangewalt, auch wenn einzelne Clans angeblich noch in der Lage sein sollen, Angriffe führen zu können. Die Stadt ist somit generell sicher, auch wenn sie von Al-Shabaab bedroht wird. Die größte Gefahr geht heute von terroristischen Aktivitäten der Al-Shabaab aus. Die Hauptziele dafür sind die Regierung und die internationale Gemeinde. Die Stadtbewohner sind normalerweise nur dann von Anschlägen betroffen, wenn sie sich „zur falschen Zeit am falschen Ort“ befinden. Jeder Einwohner kann sein persönliches Risiko weiter minimieren, indem er Gebiete oder Einrichtungen meidet, die klar als Ziel der Al-Shabaab erkennbar sind, wie vor allem Hotels, Restaurants, Regierungseinrichtungen und -konvois, Stellungen und Stützpunkte von Regierungskräften und AMISOM. Die Halbjahre 2/2014 und 1/2015 lassen bei sicherheitsrelevanten Zwischenfällen einen Abwärtstrend erkennen, wenngleich noch wöchentlich Angriffe stattfinden. Der Artillerie- und Mörserbeschuss ist drastisch zurückgegangen. In den ersten drei Quartalen 2015 kam es zu vier Feuergefechten auf die Bezirke Wardhiigleey, Xamar Weyne, Hodan, Dayniile und das Küstengebiet von W* …M* … dem Heimatbezirk des Klägers. Insgesamt scheint es für Al-Shabaab einerseits sehr schwierig geworden zu sein, Artillerie entsprechend einzusetzen. Andererseits scheint die Strategie von Al-Shabaab derzeit auch das Geringhalten von Kollateralschäden zu beinhalten. Handgranatenanschläge sind fast gänzlich aus der Strategie der Al-Shabaab ausgeschieden. Im Zeitraum Q1/2013 - Q1/2014 betrug die durchschnittliche Anzahl an Handgranatenanschlägen pro Quartal noch 86; in den Quartalen 2/2014 - 3/2015 ist diese Zahl auf unter 15 eingebrochen. Auch die Zahlen an gezielten Attentaten und Sprengstoffanschlägen sind - vor allem im Jahr 2015 - rückläufig. Im Zeitraum Q1/2013 - Q4/2014 betrug die durchschnittliche Anzahl an gezielten Attentaten 52; an Sprengstoffanschlägen 27. Vergleichsweise fallen die Zahlen in den ersten drei Quartalen 2015 geringer aus (46 und 19). Insgesamt sind die Zahlen terroristischer Aktivitäten seit einer Spitze im Q3/2013 nachhaltig eingebrochen und liegen im Jahr 2015 bei nur noch einem Drittel der Zahl. Hingegen scheint die Strategie der Al-Shabaab zunehmend bewaffnete Zusammenstöße als bevorzugtes Mittel zu umfassen. Betrug die Zahl der Scharmützel in den Quartalen des Jahres 2013 noch durchschnittlich 22, so stieg die Zahl im Jahr 2014 auf 36, im Jahr 2015 sogar weiter auf 44. Bei der Zusammenfassung terroristischer Aktivitäten (Artillerie- und Mörserbeschuss; gezielte Attentate; Sprengstoff- und Handgranatenanschläge) im ersten Halbjahr 2015 zeigt sich, dass mehrere Bezirke massiv betroffen sind. Dies gilt u.a. auch für den Heimatbezirk des Klägers, W* …M* … (vgl. Österreichisches Bundesasylamt a.a.O.). Mithin sind in Mogadischu die Zahlen an terroristischen Aktivitäten und auch die Gesamtzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen innerhalb der vergangenen vier Quartale zurückgegangen. Gleichzeitig bleibt aber die Zahl bewaffneter Auseinandersetzungen mit Al-Shabaab konstant hoch. Während terroristische Aktivitäten relativ flächendeckend über das Stadtgebiet verstreut vorkommen, konzentrieren sich bewaffnete Zusammenstöße in einer kleinen, übersichtlichen Anzahl an Bezirken. Insgesamt wird jedenfalls deutlich, dass Al-Shabaab in der Lage ist, fast im gesamten Stadtgebiet von Mogadischu terroristische Taten zu begehen. Die Zahl der Angriffe ging insgesamt zurück und diese richten sich vor allem gegen Repräsentanten der somalischen Regierung und ihre Unterstützer. Es ist zu erkennen, dass Al-Shabaab nach wie vor in der Lage ist, über die Peripherie in Randbezirke von Mogadischu einzudringen. Insgesamt ist jedenfalls feststellbar, dass Al-Shabaab in den von AMISOM/SNA kontrollierten Teilen der somalischen Hauptstadt mangels permanent anwesender, sichtbarer Kampfeinheiten nur geringer Einfluss zugesprochen werden kann, wenngleich die Anwesenheit verdeckter Elemente und die Durchführung terroristischer Aktivitäten das Leben der Bewohner beeinflussen (vgl. auch die Karte im Lagebericht des Österr. Bundesasylamtes a.a.O., S. 24). Bei wertender Betrachtung ergibt sich somit, dass die Gefahr für jede Einzelperson, in Mogadischu bei einem Anschlag oder Angriff getötet oder verletzt zu werden, in einigen Stadtteilen höher, in anderen niedriger liegt. Anschläge und bewaffnete Auseinandersetzungen haben in bestimmten Bezirken ihren Schwerpunkt. Gleichzeitig sind die Angriffe zielgerichtet auf bestimmte Personen und Objekte bezogen, weshalb unbeteiligte Zivilpersonen eher zufällig und auch von den Akteuren eher ungewollt Opfer werden. Dieses Risiko kann jedoch verringert werden, indem gefährdete Orte und Objekte gemieden werden. Dem höheren Anschlagsrisiko in einzelnen Stadtteilen können Betroffene durch Ausweichen in sicherere Stadtteile entkommen. Die Situation in Mogadischu ist somit nicht derart unsicher, dass jede dort anwesende Person einer erheblichen und individuellen Gefährdung an Leib oder Leben ausgesetzt wäre (im Ergebnis ebenso EGMR, U.v. 10.9.2015 - Nr. 4601/14 [R.H./Schweden] - NVwZ 2016, 1785; OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 16.12.2015 - 10 A 10689/15 - juris Rn. 45).

f) Der Kläger kann sich hier nicht auf einen vor der Ausreise erlittenen oder unmittelbar drohenden ernsthaften Schaden berufen, da sein diesbezüglicher Vortrag, wie bereits ausgeführt, nicht glaubwürdig ist. Ein ernsthafter Schaden könnte ihm bei seiner Ausreise aus Somalia im November 2011 aufgrund der damaligen bewaffneten Auseinandersetzungen zwar unmittelbar gedroht haben, wofür insbesondere die Einschätzung der Lage in Mogadischu im Jahr 2011 durch den EGMR (U.v. 28.6.2011 - Nr. 8319/07 [Sufi u. Elmi/Vereinigtes Königreich] - NVwZ 2012, 681) spricht. Ob die Gefährdung der Zivilbevölkerung durch diese Auseinandersetzungen das für die Annahme der Gefahr eines ernsthaften Schadens i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG erforderliche Ausmaß erreicht hat, kann aber letztendlich dahingestellt bleiben. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bezieht sich die Schadensvermutung des Art. 4 Abs. 4 der sog. Qualifikationsrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 - Qualifikationsrichtlinie, QRL - ABl. Nr. L 337 S. 9) zum einen nicht auf das Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes oder auf ein hohes Niveau willkürlicher Gewalt gegenüber der Zivilbevölkerung. Zum anderen setzt sie einen inneren Zusammenhang zwischen dem früher unmittelbar drohenden Schaden und dem befürchteten künftigen Schaden voraus (BVerwG, U.v. 27.4.2010 - 10 C 4.09 - juris Rn. 31). Letzterer fehlt hier jedenfalls aufgrund der seit 2011 in Mogadischu, wie bereits ausgeführt, erheblich verbesserten Sicherheitslage.

2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG, weil es auch dafür an den Voraussetzungen fehlt. Individuelle Abschiebungshindernisse wurden vom Kläger nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich. Relevant sind daher vorliegend nur solche Abschiebungsverbote, die sich für den Kläger aus einer Verdichtung der aus der ungünstigen Versorgungslage resultierenden allgemeinen Gefahrenlage zu einer extremen Gefahrensituation in seiner Person ergeben könnten.

a) Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unzulässig ist. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hat der Kläger jedoch nicht geltend gemacht, noch ist ein solches ersichtlich. Dies ergibt sich insbesondere nicht aus der nach den eingeführten Erkenntnismitteln unzureichenden Versorgungslage in Somalia. Einschlägig ist hier das Verbot der Folter und der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung des Art. 3 EMRK. Denn die Abschiebung durch einen Konventionsstaat kann dessen Verantwortlichkeit auch dann begründen, wenn es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass der Betroffene dadurch tatsächlich Gefahr läuft, im Aufnahmeland einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden (EGMR, U.v. 12.1.2016 - Nr. 13442/08 [A.G.R./Niederlande] - NVwZ 2017, 293; U.v. 5.9.2013 - Nr. 886/11 [K.A.B./Schweden] - Rn. 68; U.v. 28.2.2008 - Nr. 37201/06 [Saadi/Italien] - NVwZ 2008, 1330 Rn. 125; ebenso BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - juris Rn. 23 m.w.N.). Allerdings folgt aus der EMRK kein Recht auf Verbleib in einem Konventionsstaat, um dort weiter medizinische, soziale oder andere Hilfe und Unterstützung zu erhalten. Der Umstand, dass im Falle einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, reicht allein nicht aus, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen. Anderes kann nur in besonderen Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe der Aufenthaltsbeendigung zwingend entgegenstehen, wobei solche humanitären Gründe auch in einer völlig unzureichenden Versorgungslage begründet sein können (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - juris Rn. 23 ff. unter Verweis auf EGMR, U.v. 28.5.2008 - Nr. 26565/05 [N./Vereinigtes Königreich] - NVwZ 2008, 1334 Rn. 42; U.v. 28.6.2011 - Nr. 8319/07 [Sufi u. Elmi/Vereinigtes Königreich] - NVwZ 2012, 681; ebenso BayVGH, U.v. 21.11.2014 - 13a B 14.30284 - juris Rn. 17 f.). In Bezug auf Somalia, insbesondere Mogadischu geht der EGMR jedoch nunmehr in gefestigter Rechtsprechung - und in Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung (EGMR, U.v. 28.6.2011 - Nr. 8319/07 [Sufi u. Elmi/Vereinigtes Königreich] a.a.O.) - davon aus, dass die allgemeine Lage dort nicht so ernst ist, dass eine Abschiebung ohne Weiteres eine Verletzung des Art. 3 EMRK wäre (EGMR, U.v. 10.9.2015 - Nr. 4601/14 [R.H./Schweden] - NVwZ 2016, 1785; U.v. 5.9.2013 - Nr. 886/11 [K.A.B./Schweden] - Rn. 85 ff.). Auf Mogadischu ist hier abzustellen, weil dort die Abschiebung endet (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - juris Rn. 26), denn die Hauptstadt kann mit Linienflügen direkt angeflogen werden, ohne dass die Gefahr bestünde, dass der Kläger in einem anderen, weniger sicheren Landesteil Somalias landen würde oder diesen durchreisen müsste (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia vom 1. Januar 2017 - Stand: November 2016 - S. 16; EGMR, U.v. 10.9.2015 a.a.O.). Der Senat schließt sich in Anbetracht der im Folgenden (siehe b)) noch näher darzulegenden Erkenntnisse über die Versorgungslage in Mogadischu der Einschätzung des EGMR an.

b) Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist ebenfalls nicht ersichtlich. Ein solches Abschiebungsverbot ergibt sich für den Kläger nicht angesichts der allgemeinen schlechten Versorgungslage in Somalia. Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG sind Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Mangels einer derartigen Abschiebestopp-Anordnung ist die nach den eingeführten Erkenntnisquellen bestehende unzureichende Versorgungslage in Somalia eine allgemeine Gefahr, die aufgrund der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG grundsätzlich nicht rechtfertigen kann. Diese Sperrwirkung kann nur dann im Wege einer verfassungskonformen Auslegung eingeschränkt werden, wenn für den Schutzsuchenden ansonsten eine verfassungswidrige Schutzlücke besteht (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 - 10 C 43.07 - juris Rn. 32 m.w.N.). Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die den Kläger in Somalia erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, kann er Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab. Die drohenden Gefahren müssen nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Die Gefahren müssen dem Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Nach diesem hohen Wahrscheinlichkeitsgrad muss eine Abschiebung dann ausgesetzt werden, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde“ (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2001 - 1 C 5.01 - BVerwGE 115, 1 m.w.N. = juris). Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. zu alldem BVerwG, U.v. 29.9.2011 - 10 C 24.10 - BVerwGE 137, 226 = juris).

Nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes ist in Süd- und Zentralsomalia die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln nach wie vor nicht gewährleistet; es gibt keinen sozialen Wohnraum oder Sozialhilfe und keine Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer (Auswärtiges Amt, Lagebericht, Stand: November 2016 - S. 16). Wenngleich die somalische Wirtschaft ständig wächst und eine Anzahl von somalischen Flüchtlingen bereit ist, freiwillig zurückzukehren bzw. viele schon zurückgekehrt sind (vgl. Österreichisches Bundesasylamt, Länderinformationsblatt Somalia v. 25.4.2016, S. 82 ff. m.w.N.; EASO Informationsbericht - Süd- und Zentralsomalia, Länderüberblick, August 2014, S. 36 ff.), ist doch in allen Städten Süd- und Zentralsomalias für den Großteil der Bevölkerung der Zugang zur sozialen Grundversorgung beschränkt. Clan und Familie, einbezogen die weitere Familie, sind nach wie vor die wichtigsten Faktoren bezüglich der Akzeptanz, der Sicherheit und dem Zugang zu Grundbedürfnissen wie Wohnung und Essen (Auswärtiges Amt, Lagebericht a.a.O.). Überdies sind einige Regionen Somalias derzeit von einer Dürrekatastrophe betroffen (vgl. Österreichisches Bundesasylamt, Kurzinformation der Staatendokumentation, Somalia - Dürre hält weiterhin an, 19.1.2017; UN Security Council, Report of the Secretary-General on Somalia, 9.1.2017, S. 12).

In Mogadischu stellt sich jedoch im Vergleich zu anderen Regionen Somalias die wirtschaftliche Situation günstiger dar, wenngleich zuverlässige Daten zur Wirtschaft unmöglich zu erhalten bzw. zu verifizieren sind (vgl. hierzu und zum Folgenden Österreichisches Bundesasylamt, Länderinformationsblatt Somalia, 25.4.2016, S. 82 ff.; EASO Informationsbericht - Süd- und Zentralsomalia, Länderüberblick, August 2014, S. 15 ff.). Etwa 20% der Bevölkerung von Mogadischu erhalten humanitäre Unterstützung in Form von Nahrungsmittelhilfe und anderen Leistungen von humanitären Organisationen. Die Männer dieser Bevölkerungsgruppen arbeiten oft im Transportwesen, am Hafen und als Bauarbeiter; Frauen arbeiten als Hausangestellte. Eine weitere Einkommensquelle ist der Kleinhandel, vor allem mit landwirtschaftlichen Produkten. Für Arbeitslose gibt es seitens der Regierung keinerlei Unterstützung. Arbeitslose Jugendliche werden in erster Linie von der Familie in Somalia und von Verwandten im Ausland versorgt. Dabei kann angenommen werden, dass es in Mogadischu viel mehr Arbeitsmöglichkeiten gibt, als an anderen Orten Somalias. Der ökonomische Wiederaufbau verlangt sowohl nach erfahrenen, ausgebildeten Arbeitskräften, als auch nach jungen Menschen ohne Bildung und Arbeitserfahrung, insbesondere im Baugewerbe, aber auch in zahlreichen anderen Wirtschaftszweigen. Mit der steigenden Kaufkraft der Bevölkerung steigt auch die Nachfrage nach Dienstleistungen, z.B. nach Reinigungskräften oder anderer Hausarbeit. Mit der zunehmenden Sicherheit in Mogadischu sind auch aus anderen Teilen des Landes unausgebildete Arbeitskräfte auf der Suche nach Arbeit in die Hauptstadt gekommen. Dementsprechend sind unqualifizierte Arbeitskräfte, deren physische Kraft benötigt wird, vor allem in der kontinuierlich wachsenden Bauwirtschaft und als Hafenarbeiter, in Mogadischu zahlreich verfügbar. Dabei werden jedoch junge Bewerber bevorzugt. Der Mangel an Fachkräften ist so groß, dass in manchen Bereichen auf Gastarbeiter zurückgegriffen wird. Weil freie Stellen oft nicht breit beworben werden und die Arbeitgeber den Clan und die Verwandtschaft eher berücksichtigen als erworbene Fähigkeiten, haben Bewerber ohne gute Verbindungen oder aus Minderheiten sowie Frauen, Witwen und Migranten ohne Familien schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Arbeitssuchende greifen deshalb auf ihre privaten Netzwerke zurück. Vor allem junge, nicht ausgebildete Männer sind auf die Arbeit als Tagelöhner angewiesen. Der militärische Erfolg gegen Al-Shabaab in Mogadischu hat dazu geführt, dass viele Somali aus der Diaspora zurückgekehrt sind. Die Rückkehrer haben investiert und gleichzeitig eine wachsende Nachfrage geschaffen. Außerdem traten neue Investoren aus dem Ausland in den Vordergrund. Heute ist Mogadischu vom Wiederaufbau, ökonomischer Wiedererholung und Optimismus gekennzeichnet.

Unter Zugrundelegung dieser Umstände ist für den Kläger nicht ersichtlich, dass er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage bzw. unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wäre. Der Kläger ist ein junger Mann, der einem Mehrheitsclan angehört (Hawiye-Abgal). Seine Mutter lebt noch in Mogadischu. Auch ist nicht ersichtlich, dass die (Groß-)Familie und der Clan des Klägers diesem im Falle seiner Rückkehr keine Unterstützung gewähren können und wollen. Der Kläger hat zwar in der mündlichen Verhandlung auf die Frage nach Unterstützung durch seinen Clan angegeben, man helfe sich in Somalia nicht gegenseitig. Dies erscheint aber vor dem Hintergrund der zitierten Erkenntnisquellen, welche den Clan und die Familie als die zentralen Bezugspunkt der somalischen Gesellschaft nennen, nicht glaubhaft. Von der derzeitigen Dürrekatastrophe in ländlichen Gebieten Somalias ist der Kläger in Mogadischu nicht betroffen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe nicht vorliegen.

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 5. September 2014 ist unbegründet, weil die geltend gemachten Voraussetzungen des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG nicht vorliegen.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinn von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargestellte Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung der Vorinstanz von Bedeutung war, auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich wäre, bisher höchstrichterlich oder - bei tatsächlichen Fragen oder nicht revisiblen Rechtsfragen - durch die Rechtsprechung des Berufungsgerichts nicht geklärt, aber klärungsbedürftig und über den zu entscheidenden Fall hinaus bedeutsam ist (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 124 Rn. 36).

Der Kläger hält für klärungsbedürftig, „ob durch den Abzug der Schutztruppen das Aufkommen der Talibankräfte im Rahmen einer realistischen Prognose als anhaltende Kampfhandlungen bewaffneter Truppen im Sinne von Art. 1 Nr. 1 ZP II zu qualifizieren sind.“ Durch den Abzug der ausländischen Truppen in Afghanistan bis Dezember 2014 verändere sich die Lage grundsätzlich und es sei eine Prognose erforderlich, die sich nicht lediglich an der bisherigen Situation orientiere.

Die Frage zielt ersichtlich auf die Frage, ob in Afghanistan oder einem Teil davon ein bewaffneter Konflikt vorliegt, und damit eine Voraussetzung für einen nun (unter anderem) in § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG (früher § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a. F.) geregelten subsidiären Schutz gegeben ist. Dies wurde vom Verwaltungsgericht jedoch offen gelassen, weil die Gefahrendichte die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung geforderte kritische Schwelle nicht erreiche (UA S. 12). Die Frage war damit für das Verwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich. Im Übrigen ist nunmehr geklärt, dass Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG dahin auszulegen ist, dass für die Anwendung dieser Bestimmung vom Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts auszugehen ist, wenn die regulären Streitkräfte eines Staates auf eine oder mehrere bewaffnete Gruppen treffen oder wenn zwei oder mehrere bewaffnete Gruppen aufeinandertreffen, ohne dass dieser Konflikt als bewaffneter Konflikt, der keinen internationalen Charakter aufweist, im Sinne des humanitären Völkerrechts eingestuft zu werden braucht und ohne dass die Intensität der bewaffneten Auseinandersetzungen, der Organisationsgrad der vorhandenen bewaffneten Streitkräfte oder die Dauer des Konflikts Gegenstand einer anderen Beurteilung als der des im betreffenden Gebiet herrschenden Grads an Gewalt ist (EuGH, U. v. 30.1.2014 - Diakité, C-285/12 - juris). Das humanitäre Völkerrecht stellt damit keine Interpretationsleitlinie für das Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts dar.

Ebenfalls keiner grundsätzlichen Bedeutung kommt der Frage zu, ob „dem Kläger der Anspruch auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG zuzusprechen ist, weil für ihn als langjährig im Iran lebender Rückkehrer kein Arbeitsplatz zur Verfügung steht, der ein wenigstens am Rande des Existenzminimums erzielbares Einkommen erzielen würde.“

In der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist geklärt, dass für aus dem europäischen Ausland zurückkehrende afghanische Staatsangehörige angesichts der aktuellen Auskunftslage im Allgemeinen derzeit nicht von einer extremen Gefahrenlage auszugehen ist, die zu einem Abschiebungsverbot in entsprechender Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde (BayVGH, U. v. 3.2.2011 - 13a B 10.30394 - juris; U. v. 8.12.2011 - 13a B 11.30276 - EzAR-NF 69 Nr. 11 = AuAS 2012, 35 -LS-; U. v. 20.1.2012 - 13a B 11.30425 - juris; U. v. 22.3.2013 - 13a B 12.30044 - juris; U. v. 24.10.2013 - 13a B 13.30031 - juris; U. v. 30.1.2014 - 13a B 13.30279 - juris). Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, dass ein arbeitsfähiger, gesunder Mann regelmäßig auch ohne nennenswertes Vermögen im Fall einer zwangsweisen Rückführung in sein Heimatland Afghanistan in der Lage wäre, durch Gelegenheitsarbeiten in seiner Heimatregion oder in Kabul ein kleines Einkommen zu erzielen und damit wenigstens ein Leben am Rande des Existenzminimums zu bestreiten. Dies gilt auch bei Afghanen, die im Ausland geboren sind und die sich niemals oder nur kurz in Afghanistan aufgehalten haben, jedenfalls dann, wenn sie eine der Landessprachen beherrschen. Ein spezielles „Vertrautsein mit den afghanischen Verhältnissen“ ist nicht erforderlich (BayVGH, U. v. 24.10.2013 a. a. O. Rn. 22; B. v. 26.5.2014 - 13a ZB 13.30337 - juris). Hier ist der Kläger zwar in Iran geboren, hat aber den größeren Teil seines Lebens in Afghanistan verbracht und dort auch fünf Jahre die Schule besucht. Für eine verlässliche Prognose, dass sich die Gefahrenlage im Jahre 2015 entscheidend verändern würde, fehlen ausreichende Anhaltspunkte.

Auch in Hinblick auf § 60 Abs. 5 AufenthG ergibt sich nichts anderes. Zwar können schlechte humanitäre Bedingungen im Abschiebezielstaat in begründeten Ausnahmefällen in Bezug auf Art. 3 EMRK ein Abschiebungsverbot begründen. In Afghanistan ist die Lage jedoch nicht so ernst, dass eine Abschiebung ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK wäre (BVerwG, U. v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - NVwZ 2013, 1167 unter Verweis auf EGMR, U. v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413; U. v. 28.6.2011 - Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 - NVwZ 2012, 681; U. v. 13.10.2011 - Husseini/Schweden, Nr. 10611/09 - NJOZ 2012, 952).

Im Übrigen hängt es wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab, wann allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen; es entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung (BVerwG, U. v. 29.6.2010 - 10 C 10.09 - BVerwGE 137, 226 = NVwZ-RR 2011, 48). Dies gilt im Grundsatz auch für das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.

Tenor

I.

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 25. März 2014 wird die Klage abgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der am 31. Dezember 1993 in Herat geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger schiitischen Glaubens und Hazara. Er reiste auf dem Landweg vom Iran über die Türkei, Griechenland, Italien und Österreich am 25. März 2012 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 11. April 2012 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) Asylantrag.

Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 11. Juli 2012 gab der Kläger an, er spreche Dari, außerdem Farsi und ein wenig Englisch. Seit seinem zweiten Lebensjahr habe er mit seiner Familie im Iran gelebt. Die Familie stamme aus der Provinz Herat, Gebiet Guzara. Seine Eltern hätten sich zwar über Afghanistan unterhalten, aber er habe mit ihnen nicht darüber gesprochen. Sie seien wegen der schlechten Sicherheitslage, insbesondere für Hazara, geflohen. In Afghanistan habe er keine Verwandten. Er habe im Iran, in Bodjnord, fünf Jahre die Schule besucht und anschließend sowohl in Restaurants gearbeitet als auch Motorräder in Stand gesetzt. Er habe immer drei bis vier Monate in Teheran gearbeitet und sei dann wieder zur Familie zurückgekehrt. Wann er aus dem Iran ausgereist sei, wisse er nicht. Er sei seit über zweieinhalb Jahren unterwegs. Eineinhalb Jahre sei er in der Türkei gewesen, neun bis zehn Monate in Griechenland. Die Fahrt habe er mit seinem Verdienst in Teheran finanziert. In Griechenland habe er nicht gearbeitet, in der Türkei als Spüler in Restaurants. Den Iran habe er verlassen, weil die Afghanen dort unterdrückt würden. Die Familie habe auch keine offiziellen Dokumente und sei nicht einmal sozialversichert. Er habe eine Schwester mit elfeinhalb Jahren und einen Bruder mit ca. zehn Jahren.

Mit Bescheid des Bundesamts vom 5. September 2013 wurde der Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter abgelehnt (1.), festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (2.) sowie Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG a. F. (3.) nicht vorliegen und dem Kläger die Abschiebung nach Afghanistan angedroht (4.). Zur Begründung ist ausgeführt, wegen der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara liege keine Verfolgung vor. Ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt in Herat bestehe nicht. Auch die Voraussetzungen von nationalen Abschiebungsverboten lägen nicht vor, insbesondere bestehe keine extreme Gefahrenlage nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Da der Kläger nach seinen Angaben bereits nach Beendigung der Schule in Restaurants gearbeitet und Motorräder repariert habe, könne er auch ohne den Rückhalt seiner Familie das erforderliche Einkommen erzielen.

Mit der hiergegen gerichteten Klage an das Verwaltungsgericht München verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. In der mündlichen Verhandlung am 25. März 2014 erklärte der Kläger, Bodjnord sei etwa 17 bis 18 Stunden mit dem Bus von Teheran entfernt, wo er gearbeitet habe. In Deutschland habe er keine Schule besucht und keine Berufsausbildung gemacht. Derzeit arbeite er in einem Restaurant. Mit Urteil vom 25. März 2014 wurde der Bescheid des Bundesamts vom 5. September 2013 antragsgemäß in Nr. 3 insoweit aufgehoben, als festgestellt wurde, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG nicht vorliegt. Zudem wurde er in Nr. 4 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegen. Die allgemeine Gefahr in Afghanistan habe sich in der Person des Klägers trotz seiner Volljährigkeit ausnahmsweise zu einer extremen Gefahr verdichtet. Aufgrund der besonderen Umstände kommt das Verwaltungsgericht zum Schluss, dass der Kläger, der bereits im Alter von zwei Jahren sein Herkunftsland dauerhaft mit seiner Familie verlassen habe, mit den Verhältnissen in Afghanistan nicht vertraut sei und zudem über keine Berufsausbildung verfüge, nicht dazu in der Lage wäre, die hohen Anforderungen so bewältigen zu können, dass er sich ohne die Hilfe eines aufnahmebereiten Familienverbands wenigstens ein Existenzminimum erwirtschaften könnte. Allein aufgrund seiner langjährigen Abwesenheit sei davon auszugehen, dass ihm die aktuellen Lebensumstände in Afghanistan fremd seien. Er sei mit den Gepflogenheiten der afghanischen Gesellschaft nicht vertraut, zumal dort während seiner Abwesenheit entscheidende Umbrüche und Veränderungen stattgefunden hätten. Erschwerend wirke sich die fehlende Berufsausbildung aus.

Auf Antrag der Beklagten hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 25. August 2014 die Berufung zugelassen wegen Divergenz zur Rechtsprechung des Senats zur extremen Gefahrenlage in den Fällen, in denen der betreffende Ausländer Afghanistan bereits im Kleinkindalter verlassen hat (BayVGH, U. v. 24.10.2013 - 13a B 13.30031 - juris). Unter Bezugnahme auf die Ausführungen im Zulassungsantrag und die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs führt die Beklagte aus, dass bei alleinstehenden, arbeitsfähigen und gesunden männlichen afghanischen Rückkehrern in aller Regel kein Abschiebungsschutz in Betracht käme, zumal Mittel der Rückkehrförderung in Anspruch genommen werden könnten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 25. März 2014 vollumfänglich abzuweisen.

Der Kläger geht davon aus, dass er gemessen an seiner persönlichen Situation ausnahmsweise alsbald nach der Rückkehr in eine extreme Gefahrenlage geraten würde. Er beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig und begründet (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 128 Satz 1 VwGO). Das Bundesamt ist nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylVfG) nicht verpflichtet festzustellen, dass für den Kläger ein national begründetes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht. Beim national begründeten Abschiebungsverbot handelt es sich um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand, weshalb alle entsprechenden Anspruchsgrundlagen zu prüfen sind (BVerwG, U. v. 8.9.2011 - 10 C 14.10 - BVerwGE 140, 319 Rn. 16 und 17). Allerdings sind weder die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 noch diejenigen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt.

Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention unzulässig (EMRK) ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Vorgängerregelung in § 53 Abs. 4 AuslG(U. v. 11.11.1997 - 9 C 13.96 - BVerwGE 105, 322) umfasst der Verweis auf die EMRK lediglich Abschiebungshindernisse, die in Gefahren begründet liegen, welche dem Ausländer im Zielstaat der Abschiebung drohen („zielstaatsbezogene“ Abschiebungshindernisse). Dabei sind alle Verbürgungen der EMRK in den Blick zu nehmen, aus denen sich ein Abschiebungsverbot ergeben kann. Schlechte humanitäre Bedingungen im Abschiebezielstaat können jedoch nur in besonderen Ausnahmefällen in Bezug auf Art. 3 EMRK ein Abschiebungsverbot begründen. In Afghanistan ist die Lage jedoch nicht so ernst, dass eine Abschiebung ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK wäre (BVerwG, U. v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - NVwZ 2013, 1167 unter Verweis auf EGMR, U. v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413; U. v. 28.6.2011 - Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 - NVwZ 2012, 681; U. v. 13.10.2011 - Husseini/Schweden, Nr. 10611/09 - NJOZ 2012, 952). Besondere Umstände, die vorliegend eine andere Beurteilung gebieten würden, hat der Kläger nicht vorgetragen und sind auch nicht erkennbar.

Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegt ebenfalls nicht vor. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG sind die Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde anordnen, dass die Abschiebung für längstens sechs Monate ausgesetzt wird.

Auf eine individuelle erhebliche konkrete Gefahr i. S. v. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hat sich der Kläger, der sich nach seinen Angaben ab seinem zweiten Lebensjahr nicht mehr in Afghanistan aufgehalten hat, nicht berufen. Vielmehr trägt er vor, dass seine Eltern Afghanistan wegen der damaligen schlechten Sicherheitslage - eine allgemeine Gefahr im Sinn des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG - verlassen hätten. Diese kann auch dann nicht als Abschiebungshindernis unmittelbar nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG berücksichtigt werden, wenn sie durch Umstände in der Person oder in den Lebensverhältnissen des Ausländers begründet oder verstärkt wird, aber nur eine typische Auswirkung der allgemeinen Gefahrenlage ist (BVerwG, U. v. 8.12.1998 - 9 C 4.98 - BVerwGE 108, 77). Dann greift grundsätzlich die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG. Eine Abschiebestoppanordnung besteht jedoch für die Personengruppe, der der Kläger angehört, nicht (mehr). Das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr hat durch die Verwaltungsvorschriften zum Ausländerrecht (BayVVAuslR) mit Rundschreiben vom 3. März 2014, Az. IA2-2081.13-15 bezüglich der Rückführungen nach Afghanistan verfügt, dass nach wie vor alleinstehende männliche afghanische Staatsangehörige, die volljährig sind, vorrangig zurückzuführen sind (s. BayVVAuslR Nr. C.3.2).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist jedoch im Einzelfall Ausländern, die zwar einer gefährdeten Gruppe im Sinn des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG angehören, für welche aber ein Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 AufenthG oder eine andere Regelung, die vergleichbaren Schutz gewährleistet, nicht besteht, ausnahmsweise Schutz vor der Durchführung der Abschiebung in verfassungskonformer Handhabung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zuzusprechen, wenn die Abschiebung wegen einer extremen Gefahrenlage im Zielstaat Verfassungsrecht verletzen würde. Das ist der Fall, wenn der Ausländer gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde (st. Rspr. des BVerwG; vgl. nur BVerwGE 99, 324; 102, 249; 108, 77; 114, 379; 137, 226). Diese Grundsätze über die Sperrwirkung bei allgemeinen Gefahren und die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise verfassungskonforme Anwendung in den Fällen, in denen dem Betroffenen im Abschiebezielstaat eine extrem zugespitzte Gefahr droht, sind auch für die Rechtslage nach dem Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes maßgeblich (BVerwG, B. v. 23.8.2006 - 1 B 60.06 - Buchholz 402.242 § 60 Abs. 2 ff. AufenthG Nr. 19).

Im Hinblick auf die unzureichende Versorgungslage hat sich die allgemeine Gefahr in Afghanistan für den Kläger nicht derart zu einer extremen Gefahr verdichtet, dass eine entsprechende Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG geboten wäre. Wann allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Die Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Das Erfordernis des unmittelbaren - zeitlichen - Zusammenhangs zwischen Abschiebung und drohender Rechtsgutverletzung setzt zudem für die Annahme einer extremen Gefahrensituation wegen der allgemeinen Versorgungslage voraus, dass der Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr in sein Heimatland in eine lebensgefährliche Situation gerät, aus der er sich weder allein noch mit erreichbarer Hilfe anderer befreien kann (Bergmann in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, § 60 AufenthG Rn. 54). Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. BVerwG, U. v. 29.6.2010 - 10 C 10.09 - BVerwGE 137, 226).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ergibt sich aus den Erkenntnismitteln nicht, dass ein alleinstehender arbeitsfähiger männlicher afghanischer Rückkehrer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach einer Rückkehr in eine derartige extreme Gefahrenlage geraten würde, die eine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich als unzumutbar erscheinen ließe. Zwar ist die Versorgungslage in Afghanistan schlecht, jedoch ist im Wege einer Gesamtgefahrenschau nicht anzunehmen, dass bei einer Rückführung nach Afghanistan alsbald der sichere Tod drohen würde oder alsbald schwere Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten wären (seit U. v. 3.2.2011 - 13a B 10.30394 - juris; zuletzt U. v. 30.1.2014 - 13a B 13.30279 - juris). Der Betroffene wäre selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt in der Lage, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren. Der Senat hat sich dabei im Urteil vom 30. Januar 2014 (a. a. O.) u. a. auf die Lageberichte des Auswärtigen Amtes (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand: 4. Juni 2013) gestützt sowie auf die Stellungnahmen von Dr. Danesch vom 7. Oktober 2010 an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof, von Dr. Karin Lutze (stellvertretende Geschäftsführerin der AGEF - Arbeitsgruppe Entwicklung und Fachkräfte im Bereich der Migration und der Entwicklungszusammenarbeit i.L.) vom 8. Juni 2011 an das OVG Rheinland-Pfalz (zum dortigen Verfahren 6 A 11048/10.OVG) und von ACCORD (Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation) vom 1. Juni 2012. Nach den dortigen Erkenntnissen geht der Senat davon aus, dass trotz großer Schwierigkeiten grundsätzlich auch für Rückkehrer durchaus Perspektiven im Hinblick auf die Sicherung des Lebensunterhalts bestehen und jedenfalls der Tod oder schwerste Gesundheitsgefährdungen alsbald nach der Rückkehr nicht zu befürchten sind.

Aus den aktuellen Erkenntnismitteln ergibt sich nichts anderes. Der Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 31. März 2014 (Stand: Februar 2014, S. 19 ff. - Lagebericht 2014) stellt zum einen fest, dass sich Afghanistans Bewertung im Human Development Index kontinuierlich verbessert habe. Auch wenn Afghanistan weiterhin einen sehr niedrigen Rang belege und der Entwicklungsbedarf noch beträchtlich sei, habe es sich einerseits in fast allen Bereichen positiv entwickelt. Die afghanische Wirtschaft wachse, wenn auch nach einer starken Dekade vergleichsweise schwach. Andererseits würden Investitionen aufgrund der politischen Unsicherheit weitgehend zurückgehalten. Allerdings könne nach dem Wahljahr 2014 mit einer Normalisierung des durch die starke Präsenz internationaler Truppen aufgeblähten Preis- und Lohnniveaus zu rechnen sein. Eine weitere Abwertung der afghanischen Währung könnte zu einer gestärkten regionalen Wettbewerbsfähigkeit afghanischer Produkte führen. Negativ würde sich jedoch zum anderen eine zunehmende Unsicherheit und Destabilisierung des Landes auswirken. Die Schaffung von Arbeitsplätzen sei auch bei einer stabilen Entwicklung der Wirtschaft eine zentrale Herausforderung. Für größere Impulse mangle es bisher an Infrastruktur und förderlichen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen und einer umfassenden politischen Strategie. Da die Schaffung von Perspektiven auch zu Sicherheit und Stabilität beitrage, sei die Unterstützung der Privatwirtschaft einer der Schlüsselbereiche der bilateralen Zusammenarbeit. Im Übrigen greift der Lagebericht 2014 mit Ausnahme der medizinischen Versorgung keine Einzelaspekte auf, sondern stellt nur die generelle Situation für Rückkehrer und die allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dar. Es wird darauf verwiesen, dass es an grundlegender Infrastruktur fehle und die Grundversorgung - wie schon bisher - für große Teile der Bevölkerung eine große Herausforderung sei. Die medizinische Versorgung habe sich in den letzten zehn Jahren erheblich verbessert, falle allerdings im regionalen Vergleich weiterhin drastisch zurück. Nach wie vor seien die Verfügbarkeit von Medikamenten und die Ausstattung von Kliniken landesweit unzureichend.

Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (Afghanistan: Update, die aktuelle Sicherheitslage vom 5.10.2014, S. 18 ff. - SFH) führt aus, dass 36% der Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebten. Besonders die ländliche Bevölkerung sei den starken klimatischen Schwankungen hilflos ausgeliefert. Die Zahl der Arbeitslosen werde weiter ansteigen. 73,6% aller Arbeitstätigen gehörten zu den working poor, die pro Tag zwei US$ oder weniger verdienten. Die Analphabetenrate sei weiterhin hoch und die Anzahl der gut qualifizierten Fachkräfte sehr tief.

Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 6.8.2013, S. 9 [UNHCR-Richtlinien] und Darstellung allgemeiner Aspekte hinsichtlich der Situation in Afghanistan - Erkenntnisse u. a. aus den UNHCR-Richtlinien 2013 vom August 2014 [UNHCR-2014]) geht davon aus, dass es für eine Neuansiedlung grundsätzlich bedeutender Unterstützung durch die (erweiterte) Familie, die Gemeinschaft oder den Stamm bedarf. Die einzige Ausnahme seien alleinstehende leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter ohne festgestellten Schutzbedarf, die unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semiurbanen Umgebungen leben könnten, die die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der Grundversorgung böten, und die unter tatsächlicher staatlicher Kontrolle ständen.

Zusammenfassend lassen sich damit aus diesen Berichten keine für die Beurteilung der Gefahrenlage relevanten Änderungen entnehmen. Aufgrund der in den Auskünften geschilderten Rahmenbedingungen sind insbesondere Rückkehrer aus dem Westen in einer vergleichsweise guten Position. Allein schon durch Sprachkenntnisse sind ihre Chancen, einen Arbeitsplatz zu erhalten, gegenüber den Flüchtlingen, die in die Nachbarländer geflüchtet sind, wesentlich höher. Hinzu kommt, dass eine extreme Gefahrenlage zwar auch dann besteht, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. BVerwG, U. v. 29.6.2010 - 10 C 10.09 - BVerwGE 137, 226), jedoch Mangelernährung, unzureichende Wohnverhältnisse und eine schwierige Arbeitssuche nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit „alsbald“ zu einer extremen Gefahr führen. Diese muss zwar nicht sofort, also noch am Tag der Ankunft eintreten. Erforderlich ist allerdings eine hinreichende zeitliche Nähe zwischen Rückkehr und unausweichlichem lebensbedrohenden Zustand. Die Gefahr muss sich alsbald nach der Rückkehr realisieren. Dies ist aus den genannten Erkenntnismitteln nicht ersichtlich. Nach der Beurteilung des Auswärtigen Amts in der Auskunft vom 2. Juli 2013 an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof (um Verfahren 8 A 2344/11.A) dürfte es unwahrscheinlich sein, dass besonders in der Hauptstadt Kabul Personen verhungern oder verdursten. Im Urteil vom 4. September 2014 (8 A 2434/11.A - juris) teilt der Hessische Verwaltungsgerichtshof die vorliegende Einschätzung (ebenso OVG NW, U. v. 27.1.2015 - 13 A 1201/12.A - juris). Demgegenüber stellt der Kläger lediglich die Vermutung auf, dass sich die Situation für Rückkehrer verschlechtert habe. Konkrete Anzeichen, die auf eine Verschlechterung hinweisen würden, benennt er nicht. Er beschränkt sich vielmehr auf Annahmen, ohne dass sich diese auf signifikante Veränderungen stützen würden.

Bei dieser Ausgangslage bedurfte es auch nicht der Einholung einer neuen Auskunft.

Die vorhandenen Auskünfte ergeben einen ausreichenden Einblick in die tatsächliche Lage in Afghanistan. Im Hinblick auf den teilweisen Abzug der internationalen Truppen ergibt sich nichts anderes. Anhaltspunkte, dass sich bei der Versorgungs- und Sicherheitslage im jetzt maßgeblichen Zeitpunkt erhebliche Veränderungen ergeben hätten, sind weder ersichtlich noch vorgetragen. Ob in Zukunft Verschlechterungen eintreten werden, lässt sich derzeit nicht beurteilen.

Es ist auch nicht anzunehmen, dass der Kläger als Angehöriger der Minderheit der Hazara keine Chance hätte, sich als Tagelöhner oder Gelegenheitsarbeiter zu verdingen. Die vorliegenden Gutachten und Berichte enthalten keine entsprechenden Hinweise. Der Umstand, dass der Kläger seit seinem zweiten Lebensjahr mit seiner Familie im Iran gelebt hat, steht der Annahme, er könne sich in Kabul auf sich allein gestellt notfalls „durchschlagen“, ebenfalls nicht entgegen. Hierzu hat der Verwaltungsgerichtshof bereits im Urteil vom 24. Oktober 2013 (13a B 13.30031 - juris) ausgeführt, dass eine Rückkehr nach Afghanistan grundsätzlich nicht am fehlenden vorherigen Aufenthalt im Heimatland scheitere. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Betroffene den größten Teil seines Lebens in einer islamisch geprägten Umgebung verbracht hat und eine der beiden Landessprachen spricht. Ein spezielles „Vertrautsein mit den afghanischen Verhältnissen“ mag die Sicherung des Lebensunterhalts vereinfachen. Anhaltspunkte, dass dies erforderlich sein könnte, sind jedoch nicht ersichtlich. Damit liegt die für eine verfassungskonforme Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erforderliche hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger alsbald existenzbedrohenden Mangellagen ausgesetzt wäre, nicht vor. Der Kläger ist im Iran, einer islamisch geprägten Umgebung, aufgewachsen und spricht Farsi sowie die hiermit sehr eng verwandte Landessprache Afghanistans Dari. Zudem hebt er sich bereits dadurch von der Masse der Arbeit suchenden Analphabeten ab, dass er im Iran fünf Jahre lang die Schule besucht hat. In Teheran hat er anschließend sowohl in Restaurants gearbeitet als auch Motorräder in Stand gesetzt. Damit konnte er nicht nur seinen Lebensunterhalt erwirtschaften, sondern auch die Ausreise sowie seinen neun- bis zehnmonatigen Aufenthalt in Griechenland, wo er nach seinen Angaben nicht gearbeitet hat, finanzieren. Während seines eineinhalb jährigen Aufenthalts in der Türkei hat er - ohne Kenntnis der Landessprache - als Spüler in Restaurants gearbeitet. Ebenso ist er derzeit in Deutschland in einem Gasthof als Küchenhilfe beschäftigt. In der mündlichen Verhandlung hat er zudem relativ gut Deutsch gesprochen. Mit diesen Erfahrungen und Kenntnissen ist davon auszugehen, dass der Kläger selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt im Falle einer zwangsweisen Rückkehr nach Afghanistan in der Lage wäre, durch Gelegenheitsarbeiten, etwa in Kabul, wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren. Das entspricht auch der Auffassung des UNHCR, wonach bei alleinstehenden leistungsfähigen Männern eine Ausnahme vom Erfordernis der externen Unterstützung in Betracht komme (UNHCR-2014).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 15. September 2014 wird geändert. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung gegen die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Verpflichtung, dem Kläger subsidiären Schutz zuzuerkennen.

Der Kläger, nach eigenen Angaben ein am 5. Oktober 1994 in Mogadischu geborener somalischer Staatsangehöriger, reiste am 12. August 2012 in das Bundesgebiet ein und stellte hier am 12. September 2012 einen Asylantrag.

In der persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 22. Mai 2013 gab der Kläger im Wesentlichen an, er gehöre dem Clan Abgal, Sub-Clan Wacaysleh an. Seine Religion sei der Islam. Seine letzte Anschrift im Herkunftsland sei Mogadischu gewesen, Stadtteil M* … Straße J* … Dort habe er bis zu seiner Ausreise gelebt. In Mogadischu lebten noch seine Mutter und seine Großmutter mütterlicherseits. Er habe keine Geschwister, sein Vater sei im Jahr 2010 verstorben. Er habe in Somalia 8 Jahre lang die Schule besucht und danach an einem Stand auf dem Markt Fleisch verkauft. Er habe keinen Wehrdienst geleistet.

Am 1. November 2011 habe er Mogadischu verlassen und sei 6 Tage lang mit verschiedenen PKWs nach Addis Abeba (Äthiopien) gefahren. Dort habe er sich 9 Monate lang aufgehalten. Während dieser Zeit habe er seine nach religiösem Ritus getraute Ehefrau kennengelernt. Da er nach der Heirat nach Deutschland weitergereist sei, sei seine Frau zu ihrer Schwester nach Nairobi in Kenia gegangen, nach dem Tod der Schwester jedoch in ihre Heimatstadt G* … zurückgekehrt. Dort sei am 18. Mai 2013 auch der gemeinsame Sohn geboren worden, der bei der Ehefrau des Klägers lebe. Von Addis Abeba sei der Kläger direkt nach Frankfurt am Main geflogen. Ein somalischer Mann habe ihn als sein Kind ausgegeben und mitgenommen. Vom Flughafen aus sei er mit dem Zug nach München gefahren. Die Ausreise habe er mit 10 Millionen somalischer Schillinge bezahlt, die als Erlös aus dem Verkauf eines geerbten Grundstücks stammten.

Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Kläger an, sein Vater sei von einer Al-Shabaab-Miliz umgebracht worden, weil er sich geweigert habe, für sie zu kämpfen. Der Kläger habe dann den Job des Vaters auf dem Markt übernommen. Zu dieser Zeit hätten die Al-Shabaab-Milizen versucht, eine Menge junger Leute zu rekrutieren. Sie seien deshalb auch auf den Kläger zugekommen und hätten ihn gefragt, ob er mit ihnen kämpfen wolle. Weil er sich geweigert habe, seien sie wiederholt gekommen, hätten ihn beschimpft und bedroht. Seine Mutter habe ihm geraten, auf keinen Fall mitzugehen. Letztendlich hätten sie ihn dann mitgenommen und eingesperrt. Nach 3 Tagen habe ihm ein Junge mitgeteilt, dass er zum Tode verurteilt worden sei. Während der Gefangenschaft sei er geschlagen, beschimpft und schikaniert worden. In der Nacht, nachdem er von dem Todesurteil erfahren habe, habe sich eine Möglichkeit geboten, zu fliehen. Er sei über eine Mauer gesprungen. Ein Junge aus seiner Nachbarschaft, der für die Al-Shabaab gearbeitet habe, habe ihm dabei geholfen. Der Junge habe ihn aus dem Zimmer geholt, so als ob er ihn zur Toilette bringen würde. Dann sei er über diese Mauer geflohen. Es habe zwar noch weitere Bewachung in dem Lager gegeben, die Wachleute seien aber in Schichten eingeteilt gewesen und zum Zeitpunkt seiner Flucht habe dieser Junge Schicht gehabt. Das Lager habe sich in einem Stadtteil von Mogadischu, Deyniile, befunden. Auf die Frage, welche Gründe es gebe, jetzt nicht nach Mogadischu zurückzukehren, gab der Kläger an, dass die Al-Shabaab nach wie vor noch Leute umbringe. Wie die Situation in G* … sei, wo seine Frau und sein Sohn lebten, wisse er nicht. Er sei selbst nie dort gewesen. Seine Frau habe er in Äthiopien kennengelernt.

Mit Bescheid vom 25. September 2013 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter (Ziff. 1. des Bescheides) sowie auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziff. 2.) ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen (Ziff. 3.) und forderte den Kläger unter Fristsetzung zur Ausreise auf; für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde die Abschiebung nach Somalia bzw. in einen anderen zur Aufnahme bereiten oder verpflichteten Staat angedroht (Ziff. 4.). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe eine asyl- bzw. flüchtlingsschutzrechtlich relevante Betroffenheit nicht glaubhaft machen können. Sein diesbezügliches Vorbringen sei ungereimt bzw. nicht nachvollziehbar. Auch ergäben sich selbst bei einer Wahrunterstellung des Vorbringens zur angeblichen Zwangsrekrutierung keine relevanten Umstände, die die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft rechtfertigten. Die Zwangsrekrutierungen erfolgten wahllos und ungeachtet der Identität des Einzelnen. Eine drohende Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe habe der Kläger nicht glaubhaft gemacht. Angesichts der im Gebiet der Hauptstadt Mogadischu herrschenden Situation drohten ihm bei Rückkehr keine erheblichen individuellen Gefahren. Die bewaffneten Auseinandersetzungen erreichten nicht mehr allgemein für alle Personen in der Region ein derartiges Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit, dass Angehörige der Zivilbevölkerung in Folge der Gefahrverdichtung einer erheblichen individuellen und willkürlichen Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt seien. Den Angaben des Klägers sei auch nicht zu entnehmen, dass für ihn aus individuellen Umständen eine Gefahrenlage bestehe, weil er aufgrund seiner persönlichen Situation spezifisch betroffen sei. Ein individuelles Verfolgungsschicksal habe er nicht glaubhaft machen können. Auch andere Umstände, nach denen sich für ihn die Gefahr verdichten könnte, seien nicht ersichtlich. Für das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 bzw. 7 Satz 1 AufenthG fehle es sowohl an einem glaubhaften Vortrag des Klägers als auch an anderweitigen Erkenntnissen.

Gegen diesen ihm am 10. Oktober 2013 zugestellten Bescheid (Bl. 88 der Bundesamtsakte) ließ der Kläger am 22. Oktober 2013 beim Verwaltungsgericht Regensburg Klage erheben.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht gab der Kläger im Wesentlichen an, die Al-Shabaab habe gewollt, dass sein Vater mit ihnen zusammenarbeite, dieser habe sich jedoch geweigert. Eines Abends während des Abendessens seien sie gekommen und hätten seinen Vater erschossen. Der Kläger sei damals noch zur Schule gegangen. Wegen des Todes seines Vaters habe er sich dann aber Arbeit suchen müssen. Es sei dann ein Mann von Al-Shabaab gekommen und habe ihn aufgefordert, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Er habe ihn dann in ein Gefangenenlager der Al-Shabaab mitgenommen. Dort sei er 3 Tage lang festgehalten worden. Er sei dort gemeinsam mit vielen anderen Männern gewesen. Eines Abends habe ein Mann aus der Nachbarschaft Wache gehabt. Er habe den Kläger gerufen und ihm mitgeteilt, dass er zum Tod verurteilt worden sei. Der Mann habe ihm auch gesagt, dass er ihm helfen werde. Eines Nachts sei der Mann zu ihm gekommen und habe ihn aufgefordert, mit ihm zur Toilette zu gehen. An einer Stelle sei die Mauer niedrig gewesen und der Mann habe den Kläger aufgefordert, darüber zu springen. Er sei dann zurück zu seiner Mutter gegangen, die ihm geraten habe, sich zu verstecken. In dem Gefängnis seien sie immer in einem Raum eingesperrt gewesen. Selbst bei den Toilettengängen seien sie bewacht worden. An dem Abend seiner Flucht habe der Mann aus der Nachbarschaft zwar nicht alleine Dienst gehabt, die anderen Wachen hätten jedoch geschlafen.

Den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter nahm der Kläger in der mündlichen Verhandlung zurück.

Mit Urteil vom 15. September 2014 hob das Verwaltungsgericht Regensburg den Bescheid der Beklagten vom 25. September 2013 in Ziff. 3. und 4. auf und verpflichtete die Beklagte, dem Kläger subsidiären Schutz zu gewähren. Im Übrigen wies es die Klage ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, es bestehe kein Anspruch des Klägers auf Anerkennung als Flüchtling, weil die geschilderte Vorverfolgung nicht glaubhaft sei. Der Kläger habe jedoch Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 4 AsylVfG. In Süd- und Zentralsomalia herrsche ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt, aufgrund dessen ihm eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt drohe. Zu berücksichtigen sei dabei die sog. Beweiserleichterung, weil es keinerlei Anhaltspunkte gebe, dass der Kläger nicht wie angegeben aus Süd- oder Zentralsomalia komme und seine Heimat aus anderen Gründen als wegen der instabilen Verhältnisse verlassen habe. Entsprechend der Auskunftslage habe es spätestens seit etwa dem Jahr 2007 der Praxis der Beklagten entsprochen, zumindest Abschiebungsschutz wegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts oder drohender Menschenrechtsverletzungen zu gewähren. Eine quantitative Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos sei nicht möglich. Bestätigt worden sei diese Entscheidungspraxis durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 28. Juni 2011 (Az. 8319/07, Sufi und Elmi). Eine maßgebliche Änderung der Situation in Süd- und Zentralsomalia liege nicht vor. Es gebe keine belastbaren Zahlen, in welchem Umfang andere Aktivitäten der Al-Shabaab bzw. anderer regierungsfeindlicher Gruppierungen sowie willkürliche Akte der auf der Seite der Regierung stehenden Einheiten weiterhin Todes- und Verletzungsopfer in der Zivilbevölkerung forderten. Zwar habe der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einer Entscheidung vom 5. September 2013 (Az. 886/11) entschieden, dass nicht mehr angenommen werden könne, es bestehe für Jedermann in Mogadischu das ernsthafte Risiko einer Verletzung des Art. 3 EMRK. Schon in einer abweichenden Meinung (dissenting opinion) hierzu sei jedoch ausgeführt worden, dass der Gerichtshof seine eigenen Vorgaben in der Entscheidung vom 28. Juni 2011 nicht ausreichend berücksichtigt habe. Insbesondere beruhe die Einschätzung des Rückgangs ziviler Opfer nicht auf belastbaren Zahlen. Es sei die Zahl der Rückkehrer vor dem Hintergrund der weiterhin extrem hohen Zahl der Vertriebenen überbewertet und die fehlende gesicherte Lebensgrundlage missachtet worden sowie die Unberechenbarkeit der Situation nach 20 Jahren Bürgerkrieg nicht hinreichend berücksichtigt worden. Die angenommene positive Entwicklung habe sich weder bestätigt noch fortgesetzt. Eine quantitative Ermittlung des bestehenden Verletzungsrisikos sei auch nicht annäherungsweise möglich. Fest stehe, dass Al-Shabaab in einigen Landesteilen weiterhin die Macht habe und in Mogadischu noch präsent sei. Keine sicheren Rückschlüsse ließen die vorliegenden Erkenntnisquellen darauf zu, in welchem Umfang es auch in den „befreiten“ Städten noch zu den von der Mehrheit der männlichen Asylbewerber geschilderten Zwangsrekrutierungen komme. Zusätzlich zu dieser generellen Einschätzung könne sich der Kläger auf gefahrerhöhende persönliche Umstände berufen. Als Rückkehrer nach jahrelanger Abwesenheit sei er auf den Schutz eines Clans besonders angewiesen. Er gehöre zwar nicht zu einer Minderheit, es sei aber fraglich, ob es ihm überhaupt gelingen werde, wieder seine Stammfamilie und über diese die Verbindung zu seinem Clan zu finden. Dazu bestehe das Risiko, dass er schon deshalb als Feind der Al Shabaab und anderer militanter muslimischer Gruppen angesehen werde, weil er sich während der Auseinandersetzungen durch die Ausreise einer Parteinahme entzogen habe und nach der offiziellen Machtübernahme durch die Regierung zurückkomme.

Nach Zulassung der Berufung mit Beschluss des Senats vom 11. Mai 2015 (Az. 20 ZB 14.30469) beantragte die Beklagte unter dem 8. Juni 2015,

unter Änderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung die Klage abzuweisen, soweit ihr stattgegeben wurde.

Zur Begründung wurde zunächst auf den Zulassungsantrag Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, tragfähige Gründe für die Zuerkennung des unionsrechtlichen subsidiären Schutzstatus seien weiterhin nicht feststellbar. Auch zeige sich weiterhin nichts Durchgreifendes für einen Anspruch auf das nationale ausländerrechtliche Abschiebungsverbot. Es fehle an einer tragfähigen Grundlage für einen Anspruch auf den unionsrechtlichen subsidiären Schutzstatus nach den Anspruchsgrundlagen des § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG. Zwar werde die Sicherheits- und Versorgungslage nach wie vor als fragil beschrieben. Unabhängig davon, ob und in welchen Teilen des Landes gegenwärtig von einem bewaffneten Konflikt auszugehen wäre, erreiche dessen Intensität jedenfalls nicht den erforderlichen besonders hohen Grad, um eine konkrete individuelle Bedrohung jeder Zivilperson bereits infolge des Aufenthalts in Somalia bejahen zu können. Auch für die Zeit der vom Kläger genannten Ausreise aus Somalia beschrieben die Quellen ein insoweit durchaus vergleichbares Bild. Individuelle besondere gefahrerhöhende Umstände seien nicht erkennbar. Insbesondere ließen sich die vom Verwaltungsgericht herangezogenen Erwägungen hierzu nicht als ausreichende Aspekte werten. Denn soweit es die Situation als Rückkehrer und daran vermeintlich anknüpfende Verdächtigungen betreffe, erhöhe dies nicht das Risiko willkürlicher Betroffenheit, sondern könne allein Einfluss auf das Risiko einer gezielten Rechtsgutsverletzung haben. Eine gerichtlich für erforderlich erachtete besondere Angewiesenheit auf den Schutz durch einen Clan möge sich auf die Chancen bei der Wiedereingliederung in die Lebenswirklichkeit Somalias bzw. auf den Grad der zu überwindenden Schwierigkeiten auswirken, um sich das nötige Auskommen zu erwirtschaften. Inwiefern aber Schutz vor willkürlicher Gewalteinwirkung vermittelt werden sollte, bleibe nicht naheliegend. Belastbare Anhaltspunkte für besondere in der Person des Klägers erfüllte Umstände, die ein nationales Abschiebungsverbot begründen sollten, zeigten sich ebenfalls nicht. Soweit es andererseits die Folgen der allgemeinen Verhältnisse anbelange, handele es sich um Gefährdungslagen, die zugleich der dortigen Bevölkerung bzw. einer Bevölkerungsgruppe allgemein drohten. Sie könnten daher nur im Fall einer Schutzlücke die Überwindung der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG rechtfertigen. Auch für eine alsbald nach der Rückkehr drohende Extremgefahr ließen sich aber bislang keine ausreichenden Anhaltspunkte feststellen.

Der Kläger beantragte,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung wurde auf den bisherigen Vortrag verwiesen und ergänzend ausgeführt, in Somalia herrsche ein Bürgerkrieg, der insbesondere in den Grenzregionen und den Einflusssphären der um die Macht kämpfenden Milizen sowie durch marodierende bewaffnete kriminelle Banden zu permanenten Gefährdungen der dort ansässigen Zivilbevölkerung führe. Diese sei schweren Menschenrechtsverletzungen sowohl durch Kampfhandlungen der streitenden Milizen als auch durch die „Justiz“ der jeweils obsiegenden Partei ausgesetzt. Inländische Fluchtalternativen seien nicht ersichtlich. In Anbetracht der Intensität des bewaffneten Konfliktes bestehe eine konkrete individuelle Bedrohung jeder Zivilperson bereits aufgrund ihres dortigen Aufenthaltes.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der vorgelegten Behördenakten verwiesen, wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung auf die Niederschrift vom 23. März 2017.

Gründe

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist nach der unanfechtbar gewordenen Ablehnung der Asyl- und Flüchtlingsanerkennung nur noch die Frage, ob dem Kläger der subsidiäre Schutzstatus nach § 4 AsylG, hilfsweise ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG zusteht.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.

Dem Kläger steht weder auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus noch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes hinsichtlich Somalias ein Rechtsanspruch zu. Auch die Abschiebungsandrohung ist deshalb nicht zu beanstanden. Der Bescheid der Beklagten vom 25. September 2013 ist daher, soweit er Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO). Aus diesen Gründen war das Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern und die Klage abzuweisen.

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus, weil die Voraussetzungen des § 4 AsylG nicht vorliegen. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG gelten als ernsthafter Schaden die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) sowie eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3).

a) Nach den in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen stellt sich die allgemeine Situation in Somalia aktuell im Wesentlichen wie folgt dar: Somalia ist spätestens seit Beginn des Bürgerkriegs 1991 ohne flächendeckende effektive Staatsgewalt. Die Autorität der Zentralregierung wird vom nach Unabhängigkeit strebenden „Somaliland“ im Nordwesten sowie von der die Regierung aktiv bekämpfenden, radikal-islamistischen Al-Shabaab-Miliz in Frage gestellt. Das Land zerfällt faktisch in drei Teile, nämlich das südliche und mittlere Somalia, die Unabhängigkeit beanspruchende „Republik Somaliland“ im Nordwesten und die autonome Region Puntland im Nordosten. In Puntland gibt es eine vergleichsweise stabile Regierung; die Region ist von gewaltsamen Auseinandersetzungen deutlich weniger betroffen als Süd-/Zentralsomalia. In „Somaliland“ wurde im somaliaweiten Vergleich das bislang größte Maß an Sicherheit, Stabilität und Entwicklung erreicht. In Süd- bzw. Zentralsomalia mit der Hauptstadt Mogadischu kämpfen die somalischen Sicherheitskräfte mit Unterstützung der Militärmission der Afrikanischen Union AMISOM gegen die Al-Shabaab-Miliz. Die Gebiete befinden sich teilweise unter der Kontrolle der Regierung, teilweise unter der Kontrolle der Al-Shabaab-Miliz oder anderer Milizen. Die meisten größeren Städte sind schon seit längerer Zeit in der Hand der Regierung, in den ländlichen Gebieten herrscht oft noch die Al-Shabaab. In den „befreiten“ Gebieten finden keine direkten kämpferischen Auseinandersetzungen mehr statt. Die Al-Shabaab verübt jedoch immer wieder Sprengstoffattentate auf bestimmte Objekte und Personen, bei denen auch Unbeteiligte verletzt oder getötet werden (siehe Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia vom 1. Januar 2017 - Stand: November 2016, S. 4 f.; Österreichisches Bundesasylamt, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Somalia - vom 25. April 2016, S. 13 ff. und Analyse der Staatendokumentation - Somalia - Sicherheitslage, 12. Oktober 2015, S. 32; siehe auch EGMR, U.v. 10.9.2015 - Nr. 4601/14 [R.H./Schweden] - NVwZ 2016, 1785; U.v. 5.9.2013 - Nr. 886/11, [K.A.B. ./. Schweden] - Rn. 87 ff.; BayVGH, U.v. 17.3.2016 - 20 B 13.30233 - juris und U.v. 17.3.2016 - 20 B 13.30233 - juris; OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 16.12.2015 - 10 A 10689/15 - juris = Asylmagazin 2016, 29).

b) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes auf der Grundlage des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG, weil er eine individuelle Gefahr der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung durch die Al-Shabaab nicht glaubhaft gemacht hat. Auch in der informatorischen Anhörung des Klägers durch den Senat in der mündlichen Verhandlung sind die vorhandenen Zweifel an der Glaubwürdigkeit des vorgetragenen Geschehens nicht entkräftet worden. Der Kläger hat seinen diesbezüglichen Vortrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat sowohl im Vergleich zur mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht als auch im Vergleich zur Anhörung beim Bundesamt erheblich gesteigert und bestehende Widersprüche nicht aufgelöst. So hat der Kläger erstmals gegenüber dem Senat einen Freund erwähnt, der mit ihm zusammen in dem Gefangenenlager der Al-Shabaab interniert gewesen sei. Auch hat er vorher nicht berichtet, dass dort auch Frauen eingesperrt worden seien. Zudem erscheint der vorgetragene Geschehensablauf nicht glaubhaft. Denn es ist nicht plausibel, dass der Kläger von Al-Shabaab zunächst gefangen genommen und zum Tode verurteilt worden, dann aber mit der Hilfe eines Bewachers geflohen sein soll. Gerade wenn ein solches Gefangenenlager unzureichend gegen Fluchtversuche gesichert worden wäre, wie der Kläger vorgetragen hat, erscheint es umso weniger nachvollziehbar, dass ein zum Tode verurteilter Gefangener nicht strenger bewacht worden sein soll. Diese Unschlüssigkeit hat der Kläger trotz gezielter Nachfrage nicht erklären können. Noch stärker spricht aber gegen die Glaubwürdigkeit des Klägers, dass er trotz Nachfrage keinen plausiblen Grund dafür genannt hat, dass der Bewacher nach seinem Vortrag ein hohes persönliches Risiko der Bestrafung hätte eingehen sollen, um dem Kläger die Flucht zu ermöglichen. Alleine der Umstand, dass dieser Bewacher ein ehemaliger Nachbar gewesen sein soll, vermag dies nicht überzeugend zu erklären. Anstatt hierfür eine plausible Erklärung zu liefern, hat der Kläger seinen Vortrag weiter gesteigert, indem er erstmals vor dem Senat behauptet hat, dieser Bewacher sei ein Anführer gewesen. Selbst dieser Umstand könnte aber nicht plausibilisieren, dass ein Anführer einen zum Tode verurteilten Gefangenen hätte laufen lassen.

c) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG. Es ist bereits fraglich, ob in der für die Beurteilung maßgeblichen Herkunftsregion des Klägers, der Hauptstadt Mogadischu, noch ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt herrscht. Vom Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ist auszugehen, wenn die regulären Streitkräfte eines Staates auf eine oder mehrere bewaffnete Gruppen treffen oder wenn zwei oder mehrere bewaffnete Gruppen aufeinandertreffen, ohne dass dieser Konflikt als bewaffneter Konflikt im Sinne des humanitären Völkerrechts eingestuft zu werden braucht und ohne dass die Intensität der bewaffneten Auseinandersetzungen, der Organisationsgrad der vorhandenen bewaffneten Streitkräfte oder die Dauer des Konflikts Gegenstand einer anderen Beurteilung als der des im betreffenden Gebiet herrschenden Grades an Gewalt ist (EuGH, U.v. 30.1.2014 - C-285/12 [Diakité] - NVwZ 2014, 573 = juris, Leitsatz 1 und Rn. 28; BayVGH, U.v. 7.4.2016 - 20 B 14.30101 - juris Rn. 20). Mogadischu gehört zu den von der Herrschaft der Al-Shabaab befreiten Gebieten, die zwar vielleicht noch nicht „befriedet“ sind, jedoch definitiv nicht mehr im Kriegszustand stehen (Österreichisches Bundesasylamt, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Somalia - vom 25. April 2016, S. 22; OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 16.12.2015 - 10 A 10689/15 - juris Rn. 35). Es erscheint unwahrscheinlich, dass Al-Shabaab die Kontrolle über Mogadischu wiedergewinnen könnte (Österreichisches Bundesasylamt a.a.O.). Dieser Einschätzung steht nicht entgegen, dass in Mogadischu - wie in anderen „befreiten“ Gebieten - die Al-Shabaab nach wie vor Attentate auf bestimmte Objekte und Personen verübt, bei denen auch Unbeteiligte verletzt oder gar getötet werden, und auch direkte Kampfhandlungen stattfinden (vgl. Österreichisches Bundesasylamt, Analyse der Staatendokumentation - Somalia, Lagekarten zur Sicherheitslage v. 12.10.2015, S. 22 ff.; dies., Länderinformationsblatt v. 25.4.2016, S. 22). Die Al-Shaban vollzieht dort nunmehr eine asymmetrische Kriegsführung, die insbesondere gezielte Attentate, den Einsatz von unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen und überfallartige Angriffe (sog. „hit and run“) umfasst (vgl. OVG Rheinland-Pfalz a.a.O., m.w.N.; Österr. Bundesasylamt, Länderinformationsblatt v. 25.4.2016, S. 22; dies., Lagekarten zur Sicherheitslage v. 12.10.2015, S. 22 ff.). Der erreichte Zustand wird daher in nahezu allen Berichten als fragil oder unbeständig beschrieben (vgl. z.B. Auswärtiges Amt, Lagebericht Somalia, Stand Oktober 2015, S. 4; Österreichisches Bundesasylamt, Länderinformationsblatt v. 25.4.2016, S. 17; EASO [European Asylum Support Office], Country of Origin Information Report, Somalia - Security Situation, Februar 2016, S. 51 ff.). Hierauf kommt es jedoch nicht entscheidend an. Denn jedenfalls ist der Kläger aufgrund der beschriebenen Konfliktlage als Zivilperson keiner ernsthaften, individuellen Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt.

Für die Annahme einer ernsthaften individuellen Bedrohung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG genügt es nicht, dass der innerstaatliche bewaffnete Konflikt zu permanenten Gefährdungen der Bevölkerung führt (BVerwG, U.v. 13.2.2014 - 10 C 6.13 - juris Rn. 24). Die von einem bewaffneten Konflikt ausgehende allgemeine Gefahr kann sich jedoch individuell verdichten. Eine ernsthafte individuelle Bedrohung für Leib oder Leben kann in erster Linie auf gefahrerhöhenden persönlichen Umständen beruhen. Dies sind solche Umstände, die den Ausländer von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen als andere. Möglich sind aber auch solche persönlichen Umstände, aufgrund derer der Ausländer als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte - etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit - ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht schon die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt (BVerwG, U.v. 27.4.2010 - 10 C 4.09 - juris Rn. 33; U.v. 17.11.2010 - 10 C 13.10 - juris Rn. 18). Im Ausnahmefall kann eine ernsthafte individuelle Bedrohung von Leib oder Leben aber auch durch eine allgemeine Gefahr hervorgerufen sein, die sich in besonderer Weise zugespitzt hat. Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes „allgemein“ ausgesetzt ist, stellen normalerweise zwar keine individuelle Bedrohung dar. Eine Ausnahme davon gilt aber bei besonderer Verdichtung der Gefahr, die unabhängig von individuellen gefahrerhöhenden Umständen zu deren Individualisierung führt. Davon ist auszugehen, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, U.v. 17.2.2009 - C-465/07 [Elgafaji] - juris Rn. 35, 39; U.v. 30.1.2014 - C-285/12 [Diakité] - juris Rn. 30; BVerwG, U.v. 27.4.2010 - 10 C 4.09 - juris Rn. 32; U.v. 17.11.2011 - 10 C 13.10 - juris Rn. 19).

Unabhängig davon, ob die individuelle Bedrohungssituation auf persönliche Umstände oder ausnahmsweise auf die allgemeine Lage im Herkunftsland zurückgeht, sind Feststellungen über das Niveau willkürlicher Gewalt in dem jeweiligen Gebiet zu treffen. Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich; liegen gefahrerhöhende persönliche Umstände vor, genügt auch ein geringeres Niveau willkürlicher Gewalt. In beiden Konstellationen ist eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die dort von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen verübt werden, notwendig (BVerwG, U.v. 27.4.2010 - 10 C 4.09 - juris Rn. 33). Es bedarf zudem einer wertenden Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung unter Berücksichtigung der medizinischen Versorgungslage (BVerwG, U.v. 27.4.2010 - 10 C 4.09 - juris Rn. 33; U.v. 13.2.2014 - 10 C 6.13 - juris Rn. 24). Das Bundesverwaltungsgericht sieht ein Risiko von 1:800, in dem betreffenden Gebiet verletzt oder getötet zu werden, als so weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt an, dass auch eine wertende Gesamtbetrachtung am Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG nichts zu ändern vermag (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 - 10 C 13.10 - juris Rn. 22 f.; U.v. 17.11.2011 - 10 C 11/10 - juris Rn. 20 f. [Risiko von 1:1000]).

Für die Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweiten Konflikt auf den tatsächlichen Zielort des Ausländers bei einer Rückkehr abzustellen. Für die Frage, welche Region als Zielort seiner Rückkehr anzusehen ist, kommt es weder darauf an, für welche Region sich ein unbeteiligter Betrachter vernünftigerweise entscheiden würde, noch darauf, in welche Region der betroffene Ausländer aus seinem subjektiven Blickwinkel strebt. Zielort der Abschiebung ist in der Regel seine Herkunftsregion, in die er typischerweise zurückkehren wird (BVerwG, U.v. 14.7.2009 - 10 C 9.08 - juris Rn. 17 unter Hinweis auf EuGH, U.v. 17.2.2009 - C-465/07 [Elgafaji]; zum Ganzen OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 16.12.2015 - 10 A 10689/15 - juris = Asylmagazin 2016, 29). Im Falle des Klägers ist daher auf Mogadischu als Herkunftsregion abzustellen.

d) Gemessen an den vorgenannten Kriterien fehlt es jedoch an einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Klägers bei einer Rückkehr nach Mogadischu.

Gefahrerhöhende persönliche Umstände, die ihn wegen persönlicher Merkmale einem besonderen Sicherheitsrisiko aussetzen könnten, sind nicht ersichtlich und wurden vom Kläger auch nicht vorgetragen. Der Kläger gehört keiner Risikogruppe an. Gefahrerhöhende Umstände ergeben sich auch nicht bereits aus seiner Situation als Rückkehrer nach einem Auslandsaufenthalt. Zwar sieht die Al-Shabaab Rückkehrer aus westlichen Ländern möglicherweise als Spione der Regierungstruppen an (EASO Country of Origin Information Report - South and Central Somalia - Country Overview, August 2014, S. 106); da sie aber in den unter der Kontrolle der Regierung stehenden Gebieten nicht mehr frei agieren kann und angesichts der Zahl von rückkehrenden Personen - v.a. auch Binnenvertriebenen (vgl. EASO Country of Origin Information Report - South and Central Somalia - Country Overview, August 2014, S. 117; Österreichisches Bundesasylamt, Analyse der Staatendokumentation - Somalia - Sicherheitslage, 12.10.2015, S. 23) - ergibt sich daraus nicht für jeden Rückkehrer ohne weiteres eine ernsthafte Bedrohung. Im Übrigen ist der Rückzug der formalen Präsenz der Al-Shabaab aus Mogadischu nach den vorliegenden Erkenntnismitteln dauerhaft. Es gibt in der Stadt daher kein Risiko mehr, von Al-Shabaab zwangsrekrutiert zu werden (Österreichisches Bundesasylamt, Länderinformationsblatt v. 25.4.2016, S. 22; EGMR, U.v. 10.9.2015 - Nr. 4601/14 [R.H./Schweden] - NVwZ 2016, 1785). Zwar hat der Kläger vorgetragen, sich vor seiner Ausreise in der Gefangenschaft der Al-Shabaab befunden und sich dieser durch Flucht entzogen zu haben, weshalb er der Al-Shabaab bereits einmal besonders aufgefallen sei (vgl. hierzu BayVGH, U.v. 7.4.2016 - 20 B 14.30101 - juris Rn. 30; OVG Rheinland-Pfalz U.v. 16.12.2015 - 10 A 10689/15 - juris = Asylmagazin 2016, 29). Dieses Vorbringen des Klägers ist jedoch nicht glaubhaft, wie bereits ausgeführt wurde (siehe oben zu b)). Zudem gehört der Kläger nicht einem Minderheiten-, sondern einem Mehrheitsclan, den Hawiye-Abgal, an (vgl. ACCORD, Clans in Somalia, Bericht zum Vortrag von Dr. Joakim Gundel v. 15.5.2009, S. 12, 14; EASO Länderüberblick Südu. Zentralsomalia, August 2014, S. 15, 21, 45 ff.). Auch unter diesem Aspekt kann also kein gefahrerhöhender persönlicher Umstand in der Person des Klägers angenommen werden.

e) Auch die allgemeine Lage ist nicht so gefährlich, dass sie sich unabhängig von persönlichen Merkmalen gegenüber jeder Zivilperson individualisiert. Die erforderliche Gefahrendichte ist in Mogadischu nicht gegeben. Eine genaue Bewertung der Gefahrendichte aufgrund einer quantitativen Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos durch Gegenüberstellung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen und der Akte willkürlicher Gewalt, erscheint jedoch kaum verlässlich möglich. Die Zahl der Zivilpersonen, die Opfer willkürlicher Gewalt geworden sind, kann kaum annäherungsweise verlässlich geschätzt werden, weil belastbare Zahlen nicht vorhanden sind. Dies betrifft etwa die Frage, ob in den insoweit verfügbaren Aufstellungen die Zählung der „Zivilpersonen“ auch solche Opfer umfasst, die den besonderen Risikogruppen (Politiker, Regierungsmitarbeiter etc.) angehören. Ebenso wird in den Berichten über Vorfälle meist lediglich über die Zahl der Getöteten, nicht aber auch über die der Verletzten berichtet (OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 16.12.2015 - 10 A 10689/15 - juris = Asylmagazin 2016, 29).

Die Gesamtbevölkerung von Mogadischu wird auf vermutlich über einer Million Einwohner einschließlich einer großen Anzahl Binnenvertriebener geschätzt (EASO Länderüberblick Südu. Zentralsomalia, August 2014, S. 16). Setzt man zu dieser Einwohnerzahl die sich aus der Aufstellung von ACCORD (Kurzübersicht über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED, 4.2.2016) ergebende Zahl der im Jahr 2015 in der gesamten Region Banaadir verzeichneten 370 Vorfälle mit 411 Toten - jedoch bezogen auf alle Konfliktvorfälle, d.h. nicht nur Gewaltvorfälle gegen Zivilpersonen - würde sich unter Zugrundelegung dieser Zahlenwerte ein Tötungsrisiko von etwa 1:2433 (0,0411%) ergeben, wobei eine Berechnung des Verletzungsrisikos mangels einer entsprechenden verfügbaren Auflistung nicht möglich erscheint. Die Aufstellung für das erste Quartal des Jahres 2016 (ACLED, 3.5.2016) mit 66 Vorfällen in der Region Banaadir und 80 Toten zeigt im Vergleich zu den beiden vorhergehenden Quartalen des Jahres 2015 (3/2015 und 4/2015) mit 82 Vorfällen und 79 Toten (4/2015, ACLED 4.2.2016) bzw. 80 Vorfälle und 75 Toten (3/2015, ACLED 4.2.2016) eine leicht rückläufige Tendenz bei der Zahl der Vorfälle bei gleich bleibender bzw. leicht gesteigerter Zahl der Todesopfer, welches ein Indiz für die in anderen Erkenntnismitteln festgestellte Änderung der Strategie der Al-Shabaab darstellt (siehe dazu unten), aber nicht zur Feststellung einer Verdichtung der allgemein bestehenden Gefahrenlage zu einer individuellen Gefahr für jede dort lebende Einzelperson führt.

Auch ungeachtet einer quantitativen Bewertung ergibt sich unter Zugrundelegung der in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen (v.a. Österreichisches Bundesasylamt, Länderinformationsblatt v. 25.4.2016, S. 22 ff. m.w.N.; EASO Security Situation Report, Februar 2016, S. 50 ff.) in Mogadischu keine solche Gefahrendichte, dass jedermann alleine aufgrund seiner Anwesenheit dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, Opfer willkürlicher Gewalt zu werden. In den Berichten ist regelmäßig von „Verbesserungen“ die Rede, auch wenn dies angesichts der früheren extremen Situation nicht damit gleichgesetzt werden kann, dass keine wesentliche Gefahr für die Zivilbevölkerung mehr gegeben wäre. Mogadischu bleibt weiterhin unter der Kontrolle von Regierung und AMISOM. Der Rückzug der formalen Präsenz der Al-Shabaab ist dauerhaft. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass Al-Shabaab wieder die Kontrolle über die Stadt erlangt. Es gibt in der Stadt daher kein Risiko mehr, von Al-Shabaab zwangsrekrutiert zu werden (Österreichisches Bundesasylamt, Länderinformationsblatt v. 25.4.2016, S. 22; EGMR, U.v. 10.9.2015 - Nr. 4601/14 [R.H./Schweden] - NVwZ 2016, 1785). Es gibt in Mogadischu keine Clanmilizen und keine Clangewalt, auch wenn einzelne Clans angeblich noch in der Lage sein sollen, Angriffe führen zu können. Die Stadt ist somit generell sicher, auch wenn sie von Al-Shabaab bedroht wird. Die größte Gefahr geht heute von terroristischen Aktivitäten der Al-Shabaab aus. Die Hauptziele dafür sind die Regierung und die internationale Gemeinde. Die Stadtbewohner sind normalerweise nur dann von Anschlägen betroffen, wenn sie sich „zur falschen Zeit am falschen Ort“ befinden. Jeder Einwohner kann sein persönliches Risiko weiter minimieren, indem er Gebiete oder Einrichtungen meidet, die klar als Ziel der Al-Shabaab erkennbar sind, wie vor allem Hotels, Restaurants, Regierungseinrichtungen und -konvois, Stellungen und Stützpunkte von Regierungskräften und AMISOM. Die Halbjahre 2/2014 und 1/2015 lassen bei sicherheitsrelevanten Zwischenfällen einen Abwärtstrend erkennen, wenngleich noch wöchentlich Angriffe stattfinden. Der Artillerie- und Mörserbeschuss ist drastisch zurückgegangen. In den ersten drei Quartalen 2015 kam es zu vier Feuergefechten auf die Bezirke Wardhiigleey, Xamar Weyne, Hodan, Dayniile und das Küstengebiet von W* …M* … dem Heimatbezirk des Klägers. Insgesamt scheint es für Al-Shabaab einerseits sehr schwierig geworden zu sein, Artillerie entsprechend einzusetzen. Andererseits scheint die Strategie von Al-Shabaab derzeit auch das Geringhalten von Kollateralschäden zu beinhalten. Handgranatenanschläge sind fast gänzlich aus der Strategie der Al-Shabaab ausgeschieden. Im Zeitraum Q1/2013 - Q1/2014 betrug die durchschnittliche Anzahl an Handgranatenanschlägen pro Quartal noch 86; in den Quartalen 2/2014 - 3/2015 ist diese Zahl auf unter 15 eingebrochen. Auch die Zahlen an gezielten Attentaten und Sprengstoffanschlägen sind - vor allem im Jahr 2015 - rückläufig. Im Zeitraum Q1/2013 - Q4/2014 betrug die durchschnittliche Anzahl an gezielten Attentaten 52; an Sprengstoffanschlägen 27. Vergleichsweise fallen die Zahlen in den ersten drei Quartalen 2015 geringer aus (46 und 19). Insgesamt sind die Zahlen terroristischer Aktivitäten seit einer Spitze im Q3/2013 nachhaltig eingebrochen und liegen im Jahr 2015 bei nur noch einem Drittel der Zahl. Hingegen scheint die Strategie der Al-Shabaab zunehmend bewaffnete Zusammenstöße als bevorzugtes Mittel zu umfassen. Betrug die Zahl der Scharmützel in den Quartalen des Jahres 2013 noch durchschnittlich 22, so stieg die Zahl im Jahr 2014 auf 36, im Jahr 2015 sogar weiter auf 44. Bei der Zusammenfassung terroristischer Aktivitäten (Artillerie- und Mörserbeschuss; gezielte Attentate; Sprengstoff- und Handgranatenanschläge) im ersten Halbjahr 2015 zeigt sich, dass mehrere Bezirke massiv betroffen sind. Dies gilt u.a. auch für den Heimatbezirk des Klägers, W* …M* … (vgl. Österreichisches Bundesasylamt a.a.O.). Mithin sind in Mogadischu die Zahlen an terroristischen Aktivitäten und auch die Gesamtzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen innerhalb der vergangenen vier Quartale zurückgegangen. Gleichzeitig bleibt aber die Zahl bewaffneter Auseinandersetzungen mit Al-Shabaab konstant hoch. Während terroristische Aktivitäten relativ flächendeckend über das Stadtgebiet verstreut vorkommen, konzentrieren sich bewaffnete Zusammenstöße in einer kleinen, übersichtlichen Anzahl an Bezirken. Insgesamt wird jedenfalls deutlich, dass Al-Shabaab in der Lage ist, fast im gesamten Stadtgebiet von Mogadischu terroristische Taten zu begehen. Die Zahl der Angriffe ging insgesamt zurück und diese richten sich vor allem gegen Repräsentanten der somalischen Regierung und ihre Unterstützer. Es ist zu erkennen, dass Al-Shabaab nach wie vor in der Lage ist, über die Peripherie in Randbezirke von Mogadischu einzudringen. Insgesamt ist jedenfalls feststellbar, dass Al-Shabaab in den von AMISOM/SNA kontrollierten Teilen der somalischen Hauptstadt mangels permanent anwesender, sichtbarer Kampfeinheiten nur geringer Einfluss zugesprochen werden kann, wenngleich die Anwesenheit verdeckter Elemente und die Durchführung terroristischer Aktivitäten das Leben der Bewohner beeinflussen (vgl. auch die Karte im Lagebericht des Österr. Bundesasylamtes a.a.O., S. 24). Bei wertender Betrachtung ergibt sich somit, dass die Gefahr für jede Einzelperson, in Mogadischu bei einem Anschlag oder Angriff getötet oder verletzt zu werden, in einigen Stadtteilen höher, in anderen niedriger liegt. Anschläge und bewaffnete Auseinandersetzungen haben in bestimmten Bezirken ihren Schwerpunkt. Gleichzeitig sind die Angriffe zielgerichtet auf bestimmte Personen und Objekte bezogen, weshalb unbeteiligte Zivilpersonen eher zufällig und auch von den Akteuren eher ungewollt Opfer werden. Dieses Risiko kann jedoch verringert werden, indem gefährdete Orte und Objekte gemieden werden. Dem höheren Anschlagsrisiko in einzelnen Stadtteilen können Betroffene durch Ausweichen in sicherere Stadtteile entkommen. Die Situation in Mogadischu ist somit nicht derart unsicher, dass jede dort anwesende Person einer erheblichen und individuellen Gefährdung an Leib oder Leben ausgesetzt wäre (im Ergebnis ebenso EGMR, U.v. 10.9.2015 - Nr. 4601/14 [R.H./Schweden] - NVwZ 2016, 1785; OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 16.12.2015 - 10 A 10689/15 - juris Rn. 45).

f) Der Kläger kann sich hier nicht auf einen vor der Ausreise erlittenen oder unmittelbar drohenden ernsthaften Schaden berufen, da sein diesbezüglicher Vortrag, wie bereits ausgeführt, nicht glaubwürdig ist. Ein ernsthafter Schaden könnte ihm bei seiner Ausreise aus Somalia im November 2011 aufgrund der damaligen bewaffneten Auseinandersetzungen zwar unmittelbar gedroht haben, wofür insbesondere die Einschätzung der Lage in Mogadischu im Jahr 2011 durch den EGMR (U.v. 28.6.2011 - Nr. 8319/07 [Sufi u. Elmi/Vereinigtes Königreich] - NVwZ 2012, 681) spricht. Ob die Gefährdung der Zivilbevölkerung durch diese Auseinandersetzungen das für die Annahme der Gefahr eines ernsthaften Schadens i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG erforderliche Ausmaß erreicht hat, kann aber letztendlich dahingestellt bleiben. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bezieht sich die Schadensvermutung des Art. 4 Abs. 4 der sog. Qualifikationsrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 - Qualifikationsrichtlinie, QRL - ABl. Nr. L 337 S. 9) zum einen nicht auf das Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes oder auf ein hohes Niveau willkürlicher Gewalt gegenüber der Zivilbevölkerung. Zum anderen setzt sie einen inneren Zusammenhang zwischen dem früher unmittelbar drohenden Schaden und dem befürchteten künftigen Schaden voraus (BVerwG, U.v. 27.4.2010 - 10 C 4.09 - juris Rn. 31). Letzterer fehlt hier jedenfalls aufgrund der seit 2011 in Mogadischu, wie bereits ausgeführt, erheblich verbesserten Sicherheitslage.

2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG, weil es auch dafür an den Voraussetzungen fehlt. Individuelle Abschiebungshindernisse wurden vom Kläger nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich. Relevant sind daher vorliegend nur solche Abschiebungsverbote, die sich für den Kläger aus einer Verdichtung der aus der ungünstigen Versorgungslage resultierenden allgemeinen Gefahrenlage zu einer extremen Gefahrensituation in seiner Person ergeben könnten.

a) Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unzulässig ist. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hat der Kläger jedoch nicht geltend gemacht, noch ist ein solches ersichtlich. Dies ergibt sich insbesondere nicht aus der nach den eingeführten Erkenntnismitteln unzureichenden Versorgungslage in Somalia. Einschlägig ist hier das Verbot der Folter und der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung des Art. 3 EMRK. Denn die Abschiebung durch einen Konventionsstaat kann dessen Verantwortlichkeit auch dann begründen, wenn es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass der Betroffene dadurch tatsächlich Gefahr läuft, im Aufnahmeland einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden (EGMR, U.v. 12.1.2016 - Nr. 13442/08 [A.G.R./Niederlande] - NVwZ 2017, 293; U.v. 5.9.2013 - Nr. 886/11 [K.A.B./Schweden] - Rn. 68; U.v. 28.2.2008 - Nr. 37201/06 [Saadi/Italien] - NVwZ 2008, 1330 Rn. 125; ebenso BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - juris Rn. 23 m.w.N.). Allerdings folgt aus der EMRK kein Recht auf Verbleib in einem Konventionsstaat, um dort weiter medizinische, soziale oder andere Hilfe und Unterstützung zu erhalten. Der Umstand, dass im Falle einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, reicht allein nicht aus, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen. Anderes kann nur in besonderen Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe der Aufenthaltsbeendigung zwingend entgegenstehen, wobei solche humanitären Gründe auch in einer völlig unzureichenden Versorgungslage begründet sein können (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - juris Rn. 23 ff. unter Verweis auf EGMR, U.v. 28.5.2008 - Nr. 26565/05 [N./Vereinigtes Königreich] - NVwZ 2008, 1334 Rn. 42; U.v. 28.6.2011 - Nr. 8319/07 [Sufi u. Elmi/Vereinigtes Königreich] - NVwZ 2012, 681; ebenso BayVGH, U.v. 21.11.2014 - 13a B 14.30284 - juris Rn. 17 f.). In Bezug auf Somalia, insbesondere Mogadischu geht der EGMR jedoch nunmehr in gefestigter Rechtsprechung - und in Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung (EGMR, U.v. 28.6.2011 - Nr. 8319/07 [Sufi u. Elmi/Vereinigtes Königreich] a.a.O.) - davon aus, dass die allgemeine Lage dort nicht so ernst ist, dass eine Abschiebung ohne Weiteres eine Verletzung des Art. 3 EMRK wäre (EGMR, U.v. 10.9.2015 - Nr. 4601/14 [R.H./Schweden] - NVwZ 2016, 1785; U.v. 5.9.2013 - Nr. 886/11 [K.A.B./Schweden] - Rn. 85 ff.). Auf Mogadischu ist hier abzustellen, weil dort die Abschiebung endet (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - juris Rn. 26), denn die Hauptstadt kann mit Linienflügen direkt angeflogen werden, ohne dass die Gefahr bestünde, dass der Kläger in einem anderen, weniger sicheren Landesteil Somalias landen würde oder diesen durchreisen müsste (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia vom 1. Januar 2017 - Stand: November 2016 - S. 16; EGMR, U.v. 10.9.2015 a.a.O.). Der Senat schließt sich in Anbetracht der im Folgenden (siehe b)) noch näher darzulegenden Erkenntnisse über die Versorgungslage in Mogadischu der Einschätzung des EGMR an.

b) Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist ebenfalls nicht ersichtlich. Ein solches Abschiebungsverbot ergibt sich für den Kläger nicht angesichts der allgemeinen schlechten Versorgungslage in Somalia. Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG sind Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Mangels einer derartigen Abschiebestopp-Anordnung ist die nach den eingeführten Erkenntnisquellen bestehende unzureichende Versorgungslage in Somalia eine allgemeine Gefahr, die aufgrund der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG grundsätzlich nicht rechtfertigen kann. Diese Sperrwirkung kann nur dann im Wege einer verfassungskonformen Auslegung eingeschränkt werden, wenn für den Schutzsuchenden ansonsten eine verfassungswidrige Schutzlücke besteht (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 - 10 C 43.07 - juris Rn. 32 m.w.N.). Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die den Kläger in Somalia erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, kann er Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab. Die drohenden Gefahren müssen nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Die Gefahren müssen dem Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Nach diesem hohen Wahrscheinlichkeitsgrad muss eine Abschiebung dann ausgesetzt werden, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde“ (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2001 - 1 C 5.01 - BVerwGE 115, 1 m.w.N. = juris). Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. zu alldem BVerwG, U.v. 29.9.2011 - 10 C 24.10 - BVerwGE 137, 226 = juris).

Nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes ist in Süd- und Zentralsomalia die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln nach wie vor nicht gewährleistet; es gibt keinen sozialen Wohnraum oder Sozialhilfe und keine Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer (Auswärtiges Amt, Lagebericht, Stand: November 2016 - S. 16). Wenngleich die somalische Wirtschaft ständig wächst und eine Anzahl von somalischen Flüchtlingen bereit ist, freiwillig zurückzukehren bzw. viele schon zurückgekehrt sind (vgl. Österreichisches Bundesasylamt, Länderinformationsblatt Somalia v. 25.4.2016, S. 82 ff. m.w.N.; EASO Informationsbericht - Süd- und Zentralsomalia, Länderüberblick, August 2014, S. 36 ff.), ist doch in allen Städten Süd- und Zentralsomalias für den Großteil der Bevölkerung der Zugang zur sozialen Grundversorgung beschränkt. Clan und Familie, einbezogen die weitere Familie, sind nach wie vor die wichtigsten Faktoren bezüglich der Akzeptanz, der Sicherheit und dem Zugang zu Grundbedürfnissen wie Wohnung und Essen (Auswärtiges Amt, Lagebericht a.a.O.). Überdies sind einige Regionen Somalias derzeit von einer Dürrekatastrophe betroffen (vgl. Österreichisches Bundesasylamt, Kurzinformation der Staatendokumentation, Somalia - Dürre hält weiterhin an, 19.1.2017; UN Security Council, Report of the Secretary-General on Somalia, 9.1.2017, S. 12).

In Mogadischu stellt sich jedoch im Vergleich zu anderen Regionen Somalias die wirtschaftliche Situation günstiger dar, wenngleich zuverlässige Daten zur Wirtschaft unmöglich zu erhalten bzw. zu verifizieren sind (vgl. hierzu und zum Folgenden Österreichisches Bundesasylamt, Länderinformationsblatt Somalia, 25.4.2016, S. 82 ff.; EASO Informationsbericht - Süd- und Zentralsomalia, Länderüberblick, August 2014, S. 15 ff.). Etwa 20% der Bevölkerung von Mogadischu erhalten humanitäre Unterstützung in Form von Nahrungsmittelhilfe und anderen Leistungen von humanitären Organisationen. Die Männer dieser Bevölkerungsgruppen arbeiten oft im Transportwesen, am Hafen und als Bauarbeiter; Frauen arbeiten als Hausangestellte. Eine weitere Einkommensquelle ist der Kleinhandel, vor allem mit landwirtschaftlichen Produkten. Für Arbeitslose gibt es seitens der Regierung keinerlei Unterstützung. Arbeitslose Jugendliche werden in erster Linie von der Familie in Somalia und von Verwandten im Ausland versorgt. Dabei kann angenommen werden, dass es in Mogadischu viel mehr Arbeitsmöglichkeiten gibt, als an anderen Orten Somalias. Der ökonomische Wiederaufbau verlangt sowohl nach erfahrenen, ausgebildeten Arbeitskräften, als auch nach jungen Menschen ohne Bildung und Arbeitserfahrung, insbesondere im Baugewerbe, aber auch in zahlreichen anderen Wirtschaftszweigen. Mit der steigenden Kaufkraft der Bevölkerung steigt auch die Nachfrage nach Dienstleistungen, z.B. nach Reinigungskräften oder anderer Hausarbeit. Mit der zunehmenden Sicherheit in Mogadischu sind auch aus anderen Teilen des Landes unausgebildete Arbeitskräfte auf der Suche nach Arbeit in die Hauptstadt gekommen. Dementsprechend sind unqualifizierte Arbeitskräfte, deren physische Kraft benötigt wird, vor allem in der kontinuierlich wachsenden Bauwirtschaft und als Hafenarbeiter, in Mogadischu zahlreich verfügbar. Dabei werden jedoch junge Bewerber bevorzugt. Der Mangel an Fachkräften ist so groß, dass in manchen Bereichen auf Gastarbeiter zurückgegriffen wird. Weil freie Stellen oft nicht breit beworben werden und die Arbeitgeber den Clan und die Verwandtschaft eher berücksichtigen als erworbene Fähigkeiten, haben Bewerber ohne gute Verbindungen oder aus Minderheiten sowie Frauen, Witwen und Migranten ohne Familien schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Arbeitssuchende greifen deshalb auf ihre privaten Netzwerke zurück. Vor allem junge, nicht ausgebildete Männer sind auf die Arbeit als Tagelöhner angewiesen. Der militärische Erfolg gegen Al-Shabaab in Mogadischu hat dazu geführt, dass viele Somali aus der Diaspora zurückgekehrt sind. Die Rückkehrer haben investiert und gleichzeitig eine wachsende Nachfrage geschaffen. Außerdem traten neue Investoren aus dem Ausland in den Vordergrund. Heute ist Mogadischu vom Wiederaufbau, ökonomischer Wiedererholung und Optimismus gekennzeichnet.

Unter Zugrundelegung dieser Umstände ist für den Kläger nicht ersichtlich, dass er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage bzw. unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wäre. Der Kläger ist ein junger Mann, der einem Mehrheitsclan angehört (Hawiye-Abgal). Seine Mutter lebt noch in Mogadischu. Auch ist nicht ersichtlich, dass die (Groß-)Familie und der Clan des Klägers diesem im Falle seiner Rückkehr keine Unterstützung gewähren können und wollen. Der Kläger hat zwar in der mündlichen Verhandlung auf die Frage nach Unterstützung durch seinen Clan angegeben, man helfe sich in Somalia nicht gegenseitig. Dies erscheint aber vor dem Hintergrund der zitierten Erkenntnisquellen, welche den Clan und die Familie als die zentralen Bezugspunkt der somalischen Gesellschaft nennen, nicht glaubhaft. Von der derzeitigen Dürrekatastrophe in ländlichen Gebieten Somalias ist der Kläger in Mogadischu nicht betroffen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe nicht vorliegen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Das Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das die Klage in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgewiesen wird, ist unanfechtbar. Das gilt auch, wenn nur das Klagebegehren gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet, das Klagebegehren im Übrigen hingegen als unzulässig oder unbegründet abgewiesen worden ist.

(2) In den übrigen Fällen steht den Beteiligten die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zu, wenn sie von dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(3) Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.

(4) Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss, der keiner Begründung bedarf. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) § 134 der Verwaltungsgerichtsordnung findet keine Anwendung, wenn das Urteil des Verwaltungsgerichts nach Absatz 1 unanfechtbar ist.

(7) Ein Rechtsbehelf nach § 84 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids zu erheben.

(8) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 132 Absatz 1 und § 137 Absatz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung auch zu, wenn das Oberverwaltungsgericht

1.
in der Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat von deren Beurteilung durch ein anderes Oberverwaltungsgericht oder durch das Bundesverwaltungsgericht abweicht und
2.
die Revision deswegen zugelassen hat.
Eine Nichtzulassungsbeschwerde kann auf diesen Zulassungsgrund nicht gestützt werden. Die Revision ist beschränkt auf die Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat. In dem hierfür erforderlichen Umfang ist das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 137 Absatz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden. Das Bundesverwaltungsgericht berücksichtigt für die Beurteilung der allgemeinen Lage diejenigen herkunfts- oder zielstaatsbezogenen Erkenntnisse, die von den in Satz 1 Nummer 1 genannten Gerichten verwertet worden sind, die ihm zum Zeitpunkt seiner mündlichen Verhandlung oder Entscheidung (§ 77 Absatz 1) von den Beteiligten vorgelegt oder die von ihm beigezogen oder erhoben worden sind. Die Anschlussrevision ist ausgeschlossen.

(8a) Das Bundesministerium des Innern und für Heimat evaluiert im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz die Revision nach Absatz 8 drei Jahre nach Inkrafttreten.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.

(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Ist eine Vertretung durch Anwälte vorgeschrieben, wird der Partei ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet.

(2) Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist.

(3) Ein nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt kann nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen.

(4) Wenn besondere Umstände dies erfordern, kann der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl zur Wahrnehmung eines Termins zur Beweisaufnahme vor dem ersuchten Richter oder zur Vermittlung des Verkehrs mit dem Prozessbevollmächtigten beigeordnet werden.

(5) Findet die Partei keinen zur Vertretung bereiten Anwalt, ordnet der Vorsitzende ihr auf Antrag einen Rechtsanwalt bei.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so gilt § 100 der Zivilprozeßordnung entsprechend. Kann das streitige Rechtsverhältnis dem kostenpflichtigen Teil gegenüber nur einheitlich entschieden werden, so können die Kosten den mehreren Personen als Gesamtschuldnern auferlegt werden.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

(1) In Klageverfahren nach dem Asylgesetz beträgt der Gegenstandswert 5 000 Euro, in den Fällen des § 77 Absatz 4 Satz 1 des Asylgesetzes 10 000 Euro, in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes 2 500 Euro. Sind mehrere natürliche Personen an demselben Verfahren beteiligt, erhöht sich der Wert für jede weitere Person in Klageverfahren um 1 000 Euro und in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes um 500 Euro.

(2) Ist der nach Absatz 1 bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig, kann das Gericht einen höheren oder einen niedrigeren Wert festsetzen.

(1) Das Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das die Klage in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgewiesen wird, ist unanfechtbar. Das gilt auch, wenn nur das Klagebegehren gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet, das Klagebegehren im Übrigen hingegen als unzulässig oder unbegründet abgewiesen worden ist.

(2) In den übrigen Fällen steht den Beteiligten die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zu, wenn sie von dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(3) Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.

(4) Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss, der keiner Begründung bedarf. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) § 134 der Verwaltungsgerichtsordnung findet keine Anwendung, wenn das Urteil des Verwaltungsgerichts nach Absatz 1 unanfechtbar ist.

(7) Ein Rechtsbehelf nach § 84 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids zu erheben.

(8) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 132 Absatz 1 und § 137 Absatz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung auch zu, wenn das Oberverwaltungsgericht

1.
in der Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat von deren Beurteilung durch ein anderes Oberverwaltungsgericht oder durch das Bundesverwaltungsgericht abweicht und
2.
die Revision deswegen zugelassen hat.
Eine Nichtzulassungsbeschwerde kann auf diesen Zulassungsgrund nicht gestützt werden. Die Revision ist beschränkt auf die Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat. In dem hierfür erforderlichen Umfang ist das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 137 Absatz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden. Das Bundesverwaltungsgericht berücksichtigt für die Beurteilung der allgemeinen Lage diejenigen herkunfts- oder zielstaatsbezogenen Erkenntnisse, die von den in Satz 1 Nummer 1 genannten Gerichten verwertet worden sind, die ihm zum Zeitpunkt seiner mündlichen Verhandlung oder Entscheidung (§ 77 Absatz 1) von den Beteiligten vorgelegt oder die von ihm beigezogen oder erhoben worden sind. Die Anschlussrevision ist ausgeschlossen.

(8a) Das Bundesministerium des Innern und für Heimat evaluiert im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz die Revision nach Absatz 8 drei Jahre nach Inkrafttreten.