vorgehend
Sozialgericht München, S 27 R 1744/14, 19.02.2016
nachgehend
Bundessozialgericht, B 5 R 112/18 B, 08.10.2018

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 19. Februar 2016 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist ein Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1966 geborene Klägerin hat den Beruf der Erzieherin erlernt und zuletzt seit Dezember 2012 als Teamassistentin in Teilzeit gearbeitet. Seit dem 29.04.2013 war sie in dieser Tätigkeit arbeitsunfähig erkrankt und ihr ist noch in der Probezeit gekündigt worden. Vom 01.03.2016 bis 14.06.2016 war sie erneut versicherungspflichtig beschäftigt und anschließend bis 28.08.2016 arbeitslos gemeldet ohne Leistungsbezug.

Am 24.06.2013 stellte die Klägerin Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung. Sie gab an, an Fibromyalgie, Depressionen, Angstzuständen und einer Wirbelsäulenversteifung zu leiden und legte u.a. Berichte der Dr. S. Klinik für psychosomatische Medizin und Psychotherapie vom 11.01.2010 sowie des Klinikums M-Stadt vom 24.05.2013 vor. Im Auftrag der Beklagten wurde sie am 19.08.2013 durch den Neurologen und Psychiater Dr. Sch. untersucht, der u.a. eine depressive Störung und eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren diagnostizierte und die medizinischen Voraussetzungen einer Rehabilitationshandlung, nicht aber die einer quantitativen Leistungsminderung feststellte. Am 09.10.2013 erfolgte eine Untersuchung durch den Chirurgen Dr. S., der ebenfalls zur Feststellung eines noch 6-stündigen Leistungsvermögens gelangte. Mit Bescheid vom 28.10.2013 lehnte die Beklagte den Antrag ab.

Mit ihrem Widerspruch legte die Klägerin Stellungnahmen ihrer behandelnden Ärzte G. und J. vor. Darin wird ausgeführt, dass sich seit 2009 bei hoher Leistungsbereitschaft der Klägerin eine abnehmende Belastbarkeit und zunehmend eine therapieresistente depressive Entwicklung gezeigt habe. Trotz zwischenzeitlich erreichter Stabilisierung bestehe eine große Anfälligkeit zu Dekompensation. Vom 13.02.2014 bis 10.03.2014 befand sich die Klägerin zur stationären psychosomatischen Reha im A. Klinikum I. (S-Stadt). Im Entlassungsbericht vom 28.03.2014 wurde das Leistungsvermögen sowohl bezüglich der letzten Tätigkeit als auch bezüglich des allgemeinen Arbeitsmarktes mit mindestens 6 Stunden täglich angegeben. Mit Widerspruchsbescheid vom 12.08.2014 wurde daraufhin der Widerspruch zurückgewiesen.

Am 12.09.2014 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht München erhoben. Sie hat u.a. Atteste des behandelnden Psychotherapeuten Dr. N., der Nervenfachärztin C., das nach Aktenlage erstellte Gutachten der Agentur für Arbeit vom 15.07.2014 sowie die Beurteilung ihres letzten Arbeitgebers zu den zur Kündigung führenden Gründen vom 23.05.2014 vorgelegt und erklärt, dass neben dem Fibromyalgie-Syndrom mit dauerhaften erheblichen Schmerzen auch die Migränesymptomatik sowie die degenerative Wirbelsäulenveränderung außer Acht gelassen worden seien.

Das Sozialgericht hat Befundberichte der behandelnden Hausärztin H., des Neurologen Dr. A. und des Orthopäden B. angefordert. Es hat anschließend den Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie Dr. P. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt worden. Dr. P. hat in seinem Gutachten vom 23.05.2015 als Diagnosen festgestellt:

– Wirbelsäulenabhängige Beschwerden mit Cervicalsyndrom leichten sowie Lumbalsyndrom leichten bis mittleren Schweregrades bei Z.n. lumbaler Bandscheibenoperation, keine neurologischen Ausfälle und kein Nachweis von Nervenwurzelreizzeichen

– Migräne

– Depressive Verstimmung leichten Grades, multifaktorielle Genese mit depressiven Reaktionen bei Anpassungs- und Belastungsstörungen, dysthyme Störungen sowie unterlagernden rezidivierenden depressiven Störungen wechselnden Schweregrades, überlagernd Somatisierungsstörungen und beginnende somatoforme Schmerzstörungen. Beginnende tendenzielle Instrumentalisierung des Beschwerdebildes.

Die Klägerin könne noch vollschichtig leichte Arbeiten im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen, überwiegend sitzend, ohne Heben und Tragen von Lasten, ohne Arbeiten in Zwangshaltung der Wirbelsäule, ohne Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten oder in Zwangshaltungen an Maschinen verrichten. Vermieden werden müssten außerdem Arbeiten unter Zeitdruck, unter besonderer psychischer Belastung, oder Nachtarbeiten.

Da die Klägerin ist diesen Feststellungen entgegengetreten, da erneut sowohl die Fibromyalgie als auch die Schmerzen unberücksichtigt geblieben seien. Sie hat außerdem angegeben, inzwischen wieder in orthopädischer Behandlung zu sein. Das Sozialgericht hat daraufhin bei der orthopädischen Gemeinschaftspraxis A., Dr. N. einen aktuellen Befundbericht angefordert und Dr. P. um ergänzende Stellungnahme gebeten. Dr. P. hat in seiner Stellungnahme vom 25.09.2015 zu den von der Klägerin erhobenen Vorwürfen Stellung genommen und u.a. darauf hingewiesen, dass es nicht entscheidend darauf ankomme, ob eine Fibromyalgie bestehe, sondern welche funktionellen Beeinträchtigungen bestehen würden. Anschließend ist der Facharzt für Chirurgie, Unfallchirurgie und Orthopädie Dr. R. mit der Erstellung eines Gutachtens auf orthopädischem Gebiet beauftragt worden. Dr. R. hat in seinem Gutachten vom 21.11.2015 als Gesundheitsstörungen festgestellt:

– Rezidivierendes HWSSyndrom ohne sensomotorische Ausfälle mit aktuell rechts betonter zervikobrachialer Ausstrahlung bei degenerativen Veränderungen C4-C6 sowie TH1/TH2 mit Osteochondrosen, Retrospondylosen und gemäßigter diskogener Bedrängung der Neuroforamina

– Rezidivierendes LWSSyndrom ohne sensomotorische Ausfälle bei Z.n. Laminektomie und dorsoventraler Versteifung L5/L6

– Z.n. operativ behandeltem Carpaltunnelsyndrom beidseits mit verbliebener Pelzigkeit linker Daumen radial polar.

Die Klägerin könne noch leichte Arbeiten mit häufigem Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Vermieden werden müssten das Heben und Tragen von Lasten, häufiges Bücken, Arbeiten in Zwangshaltungen unter beengten räumlichen Verhältnissen, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten. Leichte Tätigkeiten an einem Büroarbeitsplatz oder in einem ähnlichen Arbeitsbereich mit der Möglichkeit des Wechsels zwischen sitzender und stehender Position sowie gelegentlichem Laufen seien grundsätzlich ohne Einschränkungen auszuführen.

Die Klägerin hat hierzu in einer umfangreichen Erklärung ausgeführt, dass sie aufgrund ihrer psychischen Vorbelastung auch mit Hilfe langjähriger Psychotherapie nicht mehr in der Lage sei, einer Tätigkeit nachzugehen. Hinzu komme die Fibromyalgie mit massiver Einschränkung der Lebensqualität und Leistungsfähigkeit. Unabhängig davon sei sie auch orthopädisch durch eine angeborene Steilstellung des Schenkelhalses beeinträchtigt. Da dem Gutachten Dr. P. eine gewisse Voreingenommenheit zum Thema Fibromyalgie zu entnehmen sei, hat sie weiterführende Veröffentlichungen zum Thema Fibromyalgie vorgelegt und an ihrer Auffassung festgehalten, dass sie nicht ausreichend und zutreffend begutachtet worden sei.

Mit Urteil vom 19.02.2016 hat das Sozialgericht unter Berufung auf das Ergebnis der Beweisaufnahme die Klage abgewiesen. Letztlich könne dahinstehen, ob das Beschwerdebild der Klägerin als Fibromyalgie oder als somatoforme Schmerzstörung bezeichnet werde. Entscheidend sei das sozialmedizinische Leistungsvermögen, das der Klägerin trotz ihrer Erkrankungen verbleibe. Neurologisch sei abgesehen von Muskelverspannungen ein regelrechter Befund erhoben worden. Die an der Hals- und Lendenwirbelsäule festgestellten degenerativen Veränderungen führten bei freier Beweglichkeit der Halswirbelsäule (HWS) und belastungsstabiler Situation an der Lendenwirbelsäule (LWS) nur zu qualitativen Einschränkungen. Eine depressive Erkrankung liege nicht vor, auch keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen. Die Mehrzahl der Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erfordere keine der Klägerin nicht mehr möglichen Arbeiten.

Am 24.03.2016 hat die Klägerin Berufung eingelegt. Bei der aus ihrer Sicht nicht zutreffend bewerteten Fibromyalgieerkrankung handle es sich gerade nicht nur um eine somatoforme Schmerzstörung, sondern um ein komplexes Krankheitsbild mit zahlreichen weiteren Symptomen, das unter einem eigenen Diagnoseschlüssel aufgeführt werde. Sie hat den Bericht des Universitätsklinikums W-Stadt vom 28.04.2016 vorgelegt, in dem der Verdacht auf ein Fibromyalgie-Syndrom geäußert worden ist.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 13.06.2016 zu Berufung Stellung genommen und erklärt, dass nach wie vor kein wissenschaftlicher Konsens über Ursachen und Entstehung des in der Schulmedizin umstrittenen Fibromyalgie-Syndroms bestehe, was aber im Rentenverfahren keine Rolle spiele, da es für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit im Wesentlichen darauf ankomme, ob das Schmerzsyndrom bereits die Lebensführung übernommen habe. Konkret sei hierzu von einem nervenärztlichen Gutachter anhand des klinischen Befundes, der Vorbefunde und der Anamnese herauszuarbeiten, inwieweit krankheitsbedingte, arbeitsrelevante, psychologische Funktionen wie Konzentration, Reaktionsschnelligkeit, Ausdauer, Zuverlässigkeit, abstraktes Denkvermögen, perspektivisches Handeln, Umstellungsfähigkeit, Kritikfähigkeit, Anpassungsfähigkeit, Teamfähigkeit etc. neben somatischen Funktionen beeinflusst würden.

Der Senat hat auf Antrag der Klägerin Dr. L., Facharzt für Orthopädie, Physikalische und Rehabilitative Medizin, Sozialmedizin und Chirotherapie, gemäß § 109 SGG mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dr. L. hat mit freiem orthopädischen Gutachten vom 03.08.2016 festgestellt, dass bei der Klägerin ein ausgeprägtes generalisiertes Fibromyalgie-Syndrom mit allen dazugehörigen typischen Erscheinungsformen vorliegen würde, insbesondere der muskulären Dauerleistungseinbußen, der chronischen Müdigkeit und der chronischen Schmerzerkrankung im Stadium Gerbershagen III, wie dies bereits eindeutig durch diverse Vorbefunde bestätigt worden sei. Die Klägerin könne aufgrund dieser Einschränkungen nur noch leichte Arbeiten unter 3 Stunden täglich verrichten, wobei weitere Einschränkungen zu berücksichtigen seien. So könnten auch die noch zumutbaren Arbeiten nur mit zusätzlichen unüblichen Pausen von jeweils 10 Minuten, die alle 10-15 Minuten einzuhalten wären, verrichtet werden. Die Pausen dienten dazu, die entstandene Muskelschmerzhaftigkeit abklingen zu lassen. Einschränkungen der Wegefähigkeit bestünden keine. Zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit sei die Durchführung von Heilmaßnahmen in einer psychosomatisch orientierten Klinik angezeigt.

Nachdem sich die Beklagte diesen Feststellungen nicht angeschlossen hat, hat der Senat einen aktuellen Befundbericht der behandelnden und Psychotherapie C. vom 06.03.2017 angefordert und anschließend Dr. B. mit der Erstellung eines nervenärztlichen Gutachtens von Amts wegen beauftragt. Dr. B. hat mit Gutachten vom 29.03.2017 als Gesundheitsstörungen der Klägerin festgestellt:

1. Chronifizierte Schmerzstörung mit körperlichen und psychischen Faktoren bei

– degenerativem LWS-Syndrom ohne nervenwurzelbezogenes sensibles oder motorisches Defizit, aktuell auch ohne Nervenwurzelreizerscheinungen,

– degenerativem HWS-Syndrom ohne nervenwurzelbezogenes sensibles oder motorisches Defizit, aktuell auch ohne Nervenwurzelreizerscheinungen,

– habitueller Hüftdysplasie links,

– anhaltender somatoforme Schmerzstörung

2. Einfache Migräne

3. Mischsymptomatik bestehend aus einer rezidivierenden depressiven Störung wechselnder Ausprägung (aktuell remittiert) und einer Angststörung mit zum Teil phobischer Prägung.

Die Klägerin könne leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten, die möglichst wechselweise im Gehen, Stehen und Sitzen zu verrichten seien, im Umfang von mindestens 6 Stunden täglich verrichten. Das Heben und Tragen schwerer Lasten, Tätigkeiten, die häufiges Bücken erforderten, Tätigkeiten unter Zeitdruck bzw. in einem hektischen Arbeitsumfeld sowie Nachtschichttätigkeiten sollten der Klägerin nicht mehr zugemutet werden. Zusätzliche Arbeitspausen seien nicht erforderlich, auch nicht die Durchführung stationärer Heilmaßnahmen.

Die Klägerin ist mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 22.05.2017 dem Gutachten entgegengetreten. Sie hat die fachärztliche Stellungnahme der und Psychotherapie Dr. C. vom 11.05.2017 sowie den Befund des Diplom-Psychologen Dr. N. vom 05.05.2017 vorgelegt und u.a. ausgeführt, dass auf die von diesen und anderen Ärzten festgestellten Krankheiten im Gutachten nicht eingegangen worden sei, so die Diagnosen einer gegenwärtig mittel- bis schwergradigen depressiven Störung sowie einer posttraumatischen Belastungsstörung, die von Dr. N. und Dr. C. bereits mit Attesten vom 06.03.2016 und 12.12.2016 als gesichert diagnostiziert worden seien. Auch fehlten Ausführungen zu den gesundheitlichen Umständen, die zur Auflösung der letzten Arbeitsverhältnisse geführt hätten. Bereits mit Attesten vom Januar 2014 hätten die behandelnde Ärzte G. und Dr. J. beschrieben, dass die Klägerin schon reduzierten Anforderungen nicht mehr gewachsen sei. Die Feststellung eines quantitativ nicht eingeschränkten Leistungsvermögens sei von Dr. B. ebenso wenig begründet worden wie die Aussage, dass die Umstellungsfähigkeit nicht eingeschränkt sei, was im Widerspruch zum Entlassungsbericht vom 06.05.2014 stehe. Tatsächlich hätten die gesundheitlichen Beschwerden immer dann zugenommen, wenn es zu Veränderungen in ihrem Lebensumfeld gekommen sei. Insofern stellten die Aussagen von Dr. B. lediglich eine Momentaufnahme dar. Dabei sei möglicherweise auch hinsichtlich des als relativ umfangreich beschriebenen Aktivitätenspektrums ein falsches Bild entstanden. Tatsächlich sei sie nicht einmal mehr in der Lage, eine Strecke von 500 m in weniger als 20 Minuten zurückzulegen. Ihre emotionale Betroffenheit sei nur abgemildert wiedergegeben worden. Dies gelte auch für die Beziehung zum Stiefvater, die lediglich als schwieriger Kontakt wiedergegeben worden sei, tatsächlich aber mit erheblichen psychischen Belastungen bis hin zu Morddrohungen und versuchten Einbrüchen verbunden gewesen sei. Während Aussagen aus anderen ärztlichen Berichten oder Gutachten zu ihrem Nachteil ungefiltert übernommen worden seien, sei die Diagnoseerstellung durch die Uniklinik W-Stadt mit der Bemerkung einer „Fragebogen-Diagnostik“ abgewertet worden, obwohl dort im Rahmen der durchgeführten Untersuchungen viele beschädigte und zerstörte Nervenfasern identifiziert worden, was der eindeutige Beweis für die Diagnose der Fibromyalgie sei. Daneben bestünden Unrichtigkeiten, so hinsichtlich des Beginns der Konzentrationsstörungen und der wöchentlichen Arbeitszeit während der Tätigkeit für die Onlineredaktion der OVB 24 GmbH, die sie erneut krankheitsbedingt wieder verloren habe. Auch seien jegliche Versuche, das Gewicht zu reduzieren, in der Vergangenheit gescheitert. Die Ausübung von Sport sei ihr nicht mehr möglich und die pharmakologische Geschichte hinsichtlich der Jahre 2011/2012 sei unkorrekt wiedergegeben worden. Es werde beantragt, gemäß § 106 SGG, hilfsweise gemäß § 109 SGG, ein psychologisches Gutachten einzuholen, zumal die Neutralität des Gutachters zu hinterfragen sei, wenn er ihr eine erhebliche Klagsamkeit unterstelle und sich zu ihrem Körperschmuck und ihrer Tätowierung äußere. Mit Schreiben vom 22.06.2017 hat die Klägerin die für die gesetzliche Krankenkasse erstellte ärztliche Stellungnahme des Schmerzzentrums I. vom 08.06.2017 vorgelegt, wo sie sich zur Kontrolle vorgestellt habe. Darin wird auf die Medikation eingegangen, zuletzt Duloxetin 60 mg, was wie andere Medikamente entweder keine Wirkung zeige oder nicht vertragen werde. Daher werde der Vorschlag einer Canabinoid-Testung unterstützt.

Dr. B. hat mit ergänzender Stellungnahme vom 26.07.2017 zu den Einwendungen der Klägerin und den neu vorgelegten Befundberichten Stellung genommen. Die von Dr. C. festgehaltenen Diagnosen würden im Wesentlichen den bereits gestellten entsprechen. Lediglich die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung und einer Fibromyalgie sei von ihm nicht gestellt worden. Die Klägerin habe im Rahmen der Untersuchung aber auch kein Trauma beschrieben, welches geeignet wäre, eine posttraumatische Belastungsstörung hervorzurufen. Allerdings sei die Diagnose in den Attesten von Dr. C. und Dr. N. auch nicht nachvollziehbar entsprechend den ICDKriterien begründet worden. Soweit Dr. C. auf dramatische Erlebnisse in der Kindheit hingewiesen habe, möglicherweise das schwierige Verhältnis der Klägerin zu ihrem Vater oder die mehrmonatige Unterbringung bei einem Onkel und dessen Ehefrau, sei auch er in seinem Gutachten darauf eingegangen. Abgesehen davon, dass eine posttraumatische Belastungsstörung zum Zeitpunkt seiner Untersuchung noch nicht bekannt gewesen sei, sei aber ein belastendes Ereignis, das geeignet wäre, eine solche posttraumatische Belastungsstörung hervorzurufen, weiterhin nicht erkennbar. Hinsichtlich der Diagnose eines Fibromyalgie-Syndroms handle sich nach seiner Auffassung um eine spezielle Ausgestaltung einer Somatisierungsstörung bzw. einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung. Allerdings hätten sich hinsichtlich der letztlich entscheidenden funktionellen Einschränkungen im Rahmen seiner Untersuchung keine entsprechenden Einschränkungen gezeigt. Das Bewegungsverhalten der Klägerin sei weitgehend ungestört gewesen, auch eine über das normale Maß wesentlich hinausgehende Drucküberempfindlichkeit habe nicht festgestellt werden können. Eine mittelgradige bis schwere depressive Episode entsprechend der ICD Kodierung habe er ebenfalls nicht feststellen können. Die Klägerin habe zwar mit erheblicher Eindringlichkeit über ihre Beschwerden berichtet und sich insoweit auch als erheblich betroffen dargestellt, sei jedoch während des weitaus überwiegenden Zeitraums der Untersuchung in einer indifferenten Gestimmtheit und affektiv schwingungsfähig gewesen. Eine von Dr. C. beschriebene Antriebsminderung habe die Klägerin bei der Beschreibung ihrer Tagesaktivitäten zumindest nicht zum Ausdruck gebracht, wobei sie angegeben habe, morgens eine Stunde mit dem Hund spazieren zu gehen und dabei 2-3 km zurückzulegen. Vorbefunde zu filtern sei nicht üblich. Das direkte Abfragen (weiterer) funktioneller Beeinträchtigungen sei wegen der Suggestivwirkung nicht ratsam. Jedenfalls habe die Klägerin ausreichend Zeit gehabt, ihre Einschränkungen darzulegen, was sie auch getan habe. Die Formulierung zur Fibromyalgie-Diagnostik beziehe sich auf den Befundbericht vom 28.04.2016 und die darin getroffenen Feststellungen. Gesundheitliche Einschränkungen, die einer Steigerung der sportlichen Aktivitäten oder einer Verrichtung leichter Tätigkeiten im Sinne einer fehlenden Umstellungsfähigkeit entgegenstehen würden, seien nicht erkennbar.

Mit Schriftsatz vom 04.09.2017 hat die Klägerin daran festgehalten, dass ausschließlich Dr. L. das komplexe Krankheitsbild der Fibromyalgie ausreichend erfasst habe, und gerügt, dass ihr alleine durch die Chronologie die Möglichkeit abgeschnitten werde, nachfolgend noch einen Antrag nach § 109 SGG zu stellen. Sie hat beantragt, das Gutachten des Dr. B. mit ergänzender Stellungnahme dem Gutachter nach § 109 SGG zur Stellungnahme und Bewertung vorzulegen, anschließend Termin zur mündlichen Verhandlung zu bestimmen und zu diesem die beiden Sachverständigen zu laden, damit eine Erläuterung des Gutachtens im Hinblick auf die beiden sich widersprechenden Ergebnisse erfolgen könne. Schließlich stelle sich die Frage, ob nicht ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen sei, um bestehende Widersprüchlichkeiten auszuräumen (BSG, Urteil vom 29.05.2015 - B 13 R 129/15 B). Die Klägerin sei aufgrund der am schwerwiegendsten anzusehenden Diagnose der Fibromyalgie Probandin einer an der Uniklinik W-Stadt durchgeführten Fibromyalgie-Studie. Dabei seien auch krankhafte Veränderungen des untersuchten Gewebes an für Fibromyalgie-Erkrankungen typischen Fasern erkennbar gewesen. Daher sei die Einordnung der Diagnose gerade nicht unerheblich, was auch das BSG in der Vergangenheit bereits festgestellt habe. Tatsächlich sei die Fibromyalgie durch weit verbreitete Lokalisation in der Muskulatur nicht nur von Schmerzen geprägt, sondern auch von psychischen Beeinträchtigungen wie Übermüdung durch Schlafstörungen, Wetterfühligkeit, Ängstlichkeit, Depression, Müdigkeit, Konzentrationsstörungen und Empfindlichkeit gegenüber Licht, Lärm und Kälte. Schließlich habe Dr. B. auch die medikamentöse Schmerztherapie nicht korrekt erfasst und als unbedeutend/gelegentlich abgetan, obwohl die Leberwerte der Klägerin bereits durch die mehrmals wöchentliche Einnahme von Iboprofen 800 mg bis zu dreimal täglich erheblich belastet seien. Es werde außerdem beantragt, eine fachkundige Stellungnahme der Verantwortlichen Ärztin der Universitätsklinik W-Stadt einzuholen, um Fragen zum Inhalt der Studie und gegebenenfalls auch zur Abgrenzung der Fibromyalgie von der somatoforme Schmerzstörung oder anderen psychisch bedingten Schmerzsymptomen zu beantworten und für den Fall, dass das Gericht dem nicht nachkomme, die sachkundigen Zeuginnen PD Dr. Ü. und/oder Prof. Dr. S. über die Universitätsklinik W-Stadt zu der Anerkennung der Fibromyalgie als eigenständiger Krankheitsdiagnose und der bei Fibromyalgie-Erkrankungen auftretenden gesundheitlichen Beschwerden sowie deren Auswirkungen auf die körperliche Leistungsfähigkeit der Betroffenen zu laden.

Der Senat ist dem Antrag, gemäß § 109 SGG Dr. L. um ergänzende Stellungnahme zu bitten, nachgekommen. Mit ergänzender Stellungnahme vom 09.10.2017 hat Dr. L. an seiner Einschätzung festgehalten. Im Vordergrund des Streitverfahrens stehe als Dreh-und Angelpunkt die Bewertung einer Fibromyalgie, wobei trotz 2 Millionen FibromyalgieBetroffener nur wenige Gerichtsgutachter offensichtlich eigene Erfahrung gesammelt hätten. Im Vordergrund der Fibromyalgie stehe der großflächige chronische Schmerz im muskulutalen System, der in der Alltagsdiagnostik nicht zu messen sei, allenfalls in aufwändigen Untersuchungen mit Messung der Substanz P, die sich bei allen chronischen Schmerzpatientin in erhöhter Form finde. Die fehlende Objektivierbarkeit von Schmerzen führe immer wieder dazu, den Schmerz zu negieren, so auch im Gutachten Dr. B.. Dabei komme den Tender Points nicht mehr die Bedeutung zu, die ihnen früher zugesprochen worden sei. Entscheidend seien die Auswirkungen der chronischen Schmerzen auf die Dauerleistung der Muskulatur. Allerdings würden sich Fragen zu muskulären Dauerleistung im Alltag, dem Schlafverhalten, der Tagesmüdigkeit und chronischen Erschöpfung im Gutachten Dr. B. nicht finden. Stattdessen sei auf das formale Denken abgestellt worden.

Mit weiterer ergänzender Stellungnahme 14.12.2017 hat Dr. B. ausgeführt, dass sich die Diagnosen eines Fibromyalgie-Syndroms und einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung keinesfalls widersprechen würden, da die Fibromyalgie lediglich eine spezielle Ausgestaltung der somatoformen Schmerzstörung darstelle, wobei beiden Fällen keine nachvollziehbaren körperlichen Ursachen zu Grunde liegen würden. Angesichts der bei der Untersuchung festgestellten Einschränkungen und der Anamneseerhebung mit einem relativ umfangreichen täglichen Aktivitätenspektrum sei nicht nachvollziehbar, warum die Klägerin nicht in der Lage sein sollte, einer körperlich leichten Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig nachzugehen.

Mit Schriftsatz vom 13.03.2018 hat die Bevollmächtigte der Klägerin erneut beantragt, im Termin zur mündlichen Verhandlung beide Sachverständigen zur Erläuterung ihrer jeweiligen Gutachten anzuhören und diese hierfür persönlich zu laden. Die Feststellungen von Dr. B. stünden in eklatantem Widerspruch zu denen von Dr. L., der als für das die Leistungsfähigkeit der Klägerin prägende Krankheitsbild der Fibromyalgie renommierter Gutachter anerkannt sei, während die Äußerungen von Dr. B. deutlich machten, dass er die Auswirkungen der Fibromyalgie im Alltag der Klägerin nicht einschätzen könne bzw. nicht bereit sei, diese in ihrem tatsächlichen Ausmaß anzuerkennen. Dabei maße er sich an, aus beiläufig erhobenen Informationen nach diversen Aktivitäten einen Rückschluss auf die Frage der Erwerbsminderung zu ziehen, wobei er es versäumt habe, konkret zu erheben, in welchem zeitlichen Umfang diese Aktivitäten von der Klägerin überhaupt ausgeübt würden. Mit ihren täglichen Spazierrunden mit dem Hund folge die Klägerin den Empfehlungen der behandelnden Ärzte, wobei sie anders als möglicherweise im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses das Tempo selbst bestimmen könne. Sie hat außerdem auf ihren Antrag auf ergänzende Begutachtung nach § 109 SGG hingewiesen, wobei zunächst eine psychologische Begutachtung durchgeführt werden sollte und beantragt, gemäß § 109 SGG ein schmerztherapeutisches Sachverständigengutachten durch Dr. K. zu erholen. Bei widersprechenden Gutachten habe das Gericht zu überprüfen, welche gutachterlichen Aussagen überzeugend erscheinen und welche nicht, ob und inwieweit gegebenenfalls das eine Gutachten aus dem Argument des anderen Gutachtens widerlegt werden könne bzw. ob sich anhand der erstatteten Gutachten bereits eine endgültige und widerspruchsfrei Beantwortung der Gutachtensfrage ergebe. Erst wenn das nicht der Fall sei, müsse ein weiteres Gutachten eingeholt werden. Nach aktuellem Kenntnisstand liege der Schwerpunkt der Beschwerden der Klägerin auf den stetigen Schmerzen, die von Dr. B. negiert worden seien. Es könne nicht angehen, dass der Klägerin aufgrund eines mangelhaften Gutachtens nach § 106 SGG die zustehende Erwerbsminderungsrente versagt werde. Selbst wenn man die Ausführungen von Dr. L. im Hinblick auf seine Schwerpunktsetzung im Bereich der Orthopädie trotz entsprechender Fachkunde nicht für geeignet ansähe, müsse daher noch eine Aufklärung der Schmerzsymptomatik erfolgen. Schließlich dürfe nicht vergessen werden, dass die Klägerin nicht nur an der streitigen Diagnose einer Fibromyalgie mit all ihren Begleiterscheinungen leide, sondern dass noch weitere, im Einzelnen aufgeführte Krankheitsbilder bestünden, die von mehreren unabhängigen Medizinern auch im Rahmen des hier geführten Verfahrens diagnostiziert worden seien.

In der mündlichen Verhandlung am 21.03.2018 hat die Prozessbevollmächtigte ihren Antrag auf

1. die Einholung eines schmerztherapeutischen Sachverständigengutachten durch Dr. K. nach § 109 SGG sowie

2. die Anhörung der Sachverständigen Dr. L. und Dr. B. zur Erläuterung ihrer jeweiligen Gutachten in einem Termin zur mündlichen Verhandlung wiederholt.

In der Sache hat sie den Antrag gestellt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 19. Februar 2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28.Oktober 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. August 2014 zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der vom Senat beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid vom 28.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.08.2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) bzw. Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI zu. Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß §§ 43 Abs. 1, 240 SGB VI besteht schon deshalb nicht, weil die Klägerin nicht vor dem 02. Januar 1961 geboren ist.

1. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.

Versicherte haben gemäß § 43 Abs. 1, Abs. 2 SGB VI bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie

  • 1.voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind,

  • 2.in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und

  • 3.vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Die Voraussetzungen des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI können bei der Klägerin zur Überzeugung des Senats nicht festgestellt werden.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass die objektive Beweislast für das Vorliegen einer Erwerbsminderung auf Seiten der Klägerin liegt. Objektive Beweislast bedeutet, dass jeder Beteiligte die Beweislast für diejenigen Tatsachen trägt, welche die von ihm geltend gemachte Rechtsfolge begründen (Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage, § 103 Rn. 19a). Dies gilt für das Vorhandensein positiver wie für das Fehlen negativer Tatbestandsmerkmale. Bezogen auf die hier streitige Rente wegen Erwerbsminderung bedeutet dies, dass Zweifel am Eintritt des Versicherungsfalles zu Lasten der Klägerin gehen (vgl. BSG, Urteil vom 28.08.1991 - 13/5 RJ 47/90).

Allerdings kann die Klägerin nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme weiterhin mindestens 6 Stunden täglich Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten. Der Senat schließt sich insoweit den übereinstimmenden Feststellungen von Amts wegen eingeholten Gutachten der Sachverständigen Dr. P., Dr. R. und Dr. B. an. Dem Gutachten von Dr. L. lassen sich zur Überzeugung des Senats ebenfalls keine Einschränkungen entnehmen, die geeignet wären, einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung zu begründen.

Die Klägerin leidet danach an gewissen Einschränkungen auf orthopädischem Fachgebiet, die im sozialgerichtlichen Verfahren insbesondere von Dr. R. mit Gutachten vom 21.11.2015 untersucht und gewürdigt worden sind. Danach bestehen ein rezidivierendes HWS-Syndrom sowie - nach einer operativen Versteifung im Bereich L5/L6 - ein rezidivierendes LWS-Syndrom, jeweils ohne sensormotorische Ausfälle. Die Klägerin leidet außerdem nach einem operativ behandelten Karpaltunnelsyndrom beidseits an einer verbleibenden Pelzigkeit des linken Daumens. Die damit in Verbindungen stehenden funktionellen Einschränkungen sind aber vergleichsweise gering und begründen keine zeitliche Limitierung des Leistungsvermögens.

Die Klägerin hat bei der Untersuchung durch Dr. R. ein sicheres, raumgreifendes und hinkfreies Gangbild demonstriert und konnte sich rasch und selbstständig entkleiden, wobei keine auffälligen Einschränkungen in den Bewegungsabläufen aufgefallen sind. Auch das Aufrichten und Hinlegen im Bauch- und Rückenlage auf die Untersuchungsliege erfolgte zügig und ohne maßgeblich auffällige Beeinträchtigungen. Lediglich im unteren Bereich der LWS hat Dr. R. eine Bewegungseinschränkung festgestellt, die übrigen Abschnitte waren in alle Bewegungseinrichtungen frei beweglich, so auch im Bereich der HWS. Die Klägerin konnte sowohl den Schürzen- als auch den Nackengriff beidseits sicher zeigen und auch in die tiefe Hocke gehen. Die Ansatzpunkte der Rückenmuskulatur am Hinterhaupt waren diskret druckschmerzhaft und insgesamt hat Dr. R. im Bereich der Wirbelsäule einen mäßigen Klopf-, Druck-, Erschütterungs- und Stauchungsschmerz festgestellt, allerdings keine hiermit in Verbindung zu bringenden Verspannungen. Die Situation im Bereich der Versteifung wird als stabil beschrieben. Dr. R. hat aufgrund der angegebenen Hüftgelenksdysplasie auch die Hüftbeweglichkeit überprüft und als altersentsprechend eingeordnet. Er hat weder pathologische Gelenksgeräusche noch sonstige Reizerscheinungen oder eine Schmerzhaftigkeit festgestellt. Lediglich die Oberschenkelmuskulatur war rechts diskret schwächer zu messen als auf der linken Seite. Die Kniegelenke waren frei beweglich bei fester Führung durch die Kreuz- und Seitenbänder.

Dass nachfolgend eine Verschlechterung auf orthopädischem Gebiet eingetreten wäre, wird von der Klägerin nicht vorgetragen. Auch Dr. L. und anschließend Dr. B. haben nur eine allenfalls endgradig eingeschränkte Beweglichkeit der HWS bei degenerativen Veränderungen und Druckschmerzen und Bewegungseinschränkungen im Bereich der LWS festgestellt. Die oberen Extremitäten waren frei beweglich und auch im Bereich der BWS haben sich keine schwerwiegenden Funktionsstörungen gezeigt. Die Hüftgelenke wie auch die oberen und unteren Gliedmaßen waren in alle Richtungen frei beweglich. Der Finger-Boden-Abstand ist mit 5 cm dokumentiert. Die Klägerin hat ein normales Schritttempo demonstriert, Zehen- und Fersengang waren ebenso möglich wie der Einbeinstand und die Hocke. Auch Dr. L. hat bei diesem Befund ausdrücklich von einer völlig normalen orthopädischen Funktionalität gesprochen.

Praktisch uneingeschränkt ist nach übereinstimmender Feststellung der Gutachter auch die Funktionsfähigkeit beider Hände nach operativer Behandlung des Karpaltunnelsyndroms. Auch im Bereich des linken Daumens haben keine über die operationsbedingten Sensibilitätsstörungen hinausgehenden Ausfallerscheinungen festgestellt werden können. Die Narben an den Handgelenken waren reizlos und kaum noch erkennbar. Die feinmotorischen und Grifffunktionen gelangen ebenso wie eine vollständige Streckung der Langfinger und ein vollständiger und kräftiger Faustschluss. Auch die Durchblutungsverhältnisse beider Beine waren ungeachtet des leichten Umfangsunterschiedes von 1 cm regelrecht. Neurologische Auffälligkeiten sind, abgesehen von der leichten Sensibilitätsstörung im Daumenbereich, ebenfalls bei keiner Begutachtung zu Tage getreten.

Nachvollziehbar sind bei diesem Befund die Einschränkungen auf orthopädischem Gebiet nicht geeignet, die von der Klägerin beklagten Beschwerden und Schmerzen zu erklären oder eine zeitliche Limitierung des Leistungsvermögens zu begründen. Fest steht allerdings, dass die Klägerin aufgrund der Aufbraucherscheinungen nur noch leichte Arbeiten mit häufigem Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen verrichten kann. Auch das Heben und Tragen von Lasten, häufiges Bücken, Arbeiten in Zwangshaltungen, unter beengten räumlichen Verhältnissen oder auf Leitern und Gerüsten können der Klägerin nicht mehr zugemutet werden.

Entsprechend steht auch im Vordergrund des Beschwerdebildes der Klägerin die Schmerzerkrankung, von Dr. P. beschrieben als Somatisierungsstörung bzw. beginnende somatoforme Schmerzstörung und von Dr. B. als chronifizierte Schmerzstörung mit körperlichen und psychischen Faktoren bei degenerativen Veränderungen und anhaltender somatoforme Schmerzstörung. Nach Dr. L. handelt es sich um ein ausgeprägtes generalisiertes Fibromyalgie-Syndrom mit allen dazugehörigen typischen Erscheinungsformen, insbesondere der muskulären Dauerleistungseinbuße, der chronischen Müdigkeit und der chronischen Schmerzerkrankung im Stadium Gerbershagen III.

Entscheidend ist aber, was das Sozialgericht zutreffend festgestellt hat, nicht die Diagnose, sondern die Frage, welche Leistungseinschränkungen hieraus resultieren. Auch das Bundessozialgericht (BSG) hat gerade im Zusammenhang mit dem Vorliegen einer Fibromyalgie-Erkrankung immer wieder darauf hingewiesen, dass es nicht genügt, sich mit der Frage des Vorliegens einer Fibromyalgie-Erkrankung auseinanderzusetzen, sondern dass konkrete Leistungseinschränkungen festzustellen sind (vgl. etwa Beschluss vom 26.01.2017 - B 13 R 337/16 B -). Insoweit kommt es darauf an, ob unter Berücksichtigung der üblichen Anforderungen der Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ein Versicherter trotz vorliegender Erkrankungen noch mindestens 6 Stunden täglich tätig sein kann, wenn auch unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen. Ob ein derartiges Leistungsvermögen noch besteht oder nicht, ist aber nicht anhand der subjektiven Überzeugung des Versicherten festzustellen, sondern durch ärztliche Sachverständige, die die objektiv vorliegenden, aus den gesundheitlichen Erkrankungen folgenden Funktionseinschränkungen für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes festzustellen und subjektive Angaben und Überzeugungen des Versicherten in diesen objektiv festzustellenden Rahmen einzuordnen haben.

Diesen Ansprüchen genügen im Ergebnis die von Amts wegen eingeholten Gutachten, zuletzt von Dr. B., nicht aber das Gutachten von Dr. L., der seine Einschätzung eines praktisch aufgehobenen Leistungsvermögens ausschließlich auf die Diagnose einer Fibromyalgie-Erkrankung stützt, in deren Bild er die subjektiven Angaben der Klägerin im Ergebnis als schlüssig einordnet.

Fest steht, dass die Klägerin nach eigenen Angaben seit Jahren an einer Schmerzerkrankung leidet; 2013 wurde erstmals eine Fibromyalgie diagnostiziert. Jedenfalls im Entlassungsbericht der A. Klinik vom 28.03.2014 ist diese Diagnose übernommen worden und um die Diagnose einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren ergänzt worden. Als subjektive Funktionseinschränkungen sind darin schnelles Ermüden und Einschränkungen aufgrund von Rücken- und Armschmerzen angegeben worden, aber keine konkrete Bezugnahme auf zeitliche Einschränkungen. Der Klägerin ist neben der Fortsetzung einer ambulanten Psychotherapie eine Gewichtsreduktion empfohlen worden. Dies deckt sich mit dem Feststellungen der Klinik der Universität M-Stadt vom 31.01.2014, wo der Klägerin ausgehend von der Verdachtsdiagnose Fibromyalgie-Syndrom eine Mischung aus Bewegung, psychotherapeutischer und einer medikamentösen Schmerzbehandlung empfohlen worden ist. Im Bericht des Schmerzzentrums I. vom 09.10.2014 wird der Schmerz entsprechend der Angaben der Klägerin als in den Beinen brennend, in der Schulter stechend und bei Stress und Müdigkeit zunehmend beschrieben. Im Rahmen der körperlichen Untersuchung konnte der angegebene Schmerz aber nur zum Teil reproduziert werden. Der Klägerin wurde anschließend eine stationäre multimodale Schmerztherapie empfohlen.

Gegenüber Dr. P. hat die Klägerin angegeben, dass sie überall Schmerzen habe mit schwankender Intensität, darunter auch verschiedene Arten von Kopfschmerz. Im Rahmen der Untersuchung war aber lediglich die lumbale Operationsnarbe nach Angabe druckschmerzhaft. Konstant reproduzierbare Druckpunkte wie bei einer Fibromyalgie waren nicht festzustellen. Auch Dr. B. konnte keine nennenswerten Druckdolenzen im Bereich der Körperoberfläche feststellen. Dr. L. hat die Schmerzschilderung der Klägerin wörtlich im Gutachten aufgeführt. Danach hat die Klägerin über im Prinzip permanente Schmerzen wechselnder Lokalisation geklagt, die insbesondere bei längerer Beanspruchung der Muskulatur zunehmen würden. Auch sei der Nachtschlaf durch Schmerzen beeinträchtigt. Im Rahmen seiner Untersuchung hat er verschiedene Schmerzbeobachtungen festgehalten, so deutlich schmerzhafte Druckpunkte (Tenderpoints) am rechten Schultergelenk, am rechten Ellenbogengelenk und am linken Handgelenk, Triggerpunke im lateralen Bizepsbauch mit der Erzeugung ausstrahlender Schmerzen und Druckschmerzen im Bereich der HWS sowie ein Bewegungsschmerz im Bereich der Iliosacralfugen. Auch die gesamte Rückenstreckermuskulatur war nach seinen Angaben druckschmerzhaft. Er hat diese Schmerzen als fibromyalgietypisch eingeordnet und entsprechend die Diagnose einer Fibromyalgie-Erkrankung gestellt. Allerdings hat er sich in der Folge darauf beschränkt, das Beschwerdebild der Klägerin mit dem typischen Beschwerdebild einer Fibromyalgie-Erkrankung zu vergleichen und eingeräumt, dass weder der Schmerzpegel noch eine fehlende Dauerleistungsfähigkeit im Rahmen einer Untersuchung überprüft werden könnten und auch den Tenderpoints nach inzwischen gefestigter Auffassung keine relevante Bedeutung mehr zukomme.

Das bedeutet, dass alle Gutachter, auch Dr. P. und Dr. B., sich mit den Schmerzangaben der Klägerin auseinandergesetzt und diese auch in ihre Untersuchung einbezogen haben, weswegen bei ausreichender Befundlage auch weitere Ermittlungen entbehrlich sind. Eine rentenrechtliche relevante Einschränkung kann hieraus allerdings nicht festgestellt werden. Die Begutachtung von Schmerzen ist grundsätzlich eine interdisziplinäre Aufgabe, die sowohl die Kompetenz zur Beurteilung körperlicher als auch psychischer Störungen erfordert. Entsprechend sind vorliegend Gutachten sowohl auf orthopädischem Gebiet als auch auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet eingeholt worden. Vom Senat wird auch nicht verkannt, dass chronischer Schmerz, auch wenn er nicht mit einer körperlichen Erkrankung in Verbindung gebracht werden kann, zu einem eigenständigen Dauerleiden und unter Umständen auch zu einer rentenrechtlichen relevanten Leistungseinschränkung führen kann. Allerdings handelt es sich stets um ein subjektives Phänomen, bei dem hinsichtlich des Schmerzempfindens zahlreiche weitere Faktoren der aktuellen Lebenssituation sowie biographische Einflüsse eine Rolle spielen, weswegen im Rahmen einer leitliniengerechten Begutachtung solche Faktoren zwingend zu ermitteln sind. Dazu gehören neben der Biographie auch der Tagesablauf und die Erfassung außerberuflicher Aktivitäten sowie die Intensität und die Ergebnisse bisheriger Behandlungsversuche (Müller in Francke/Gagel/Bieresborn, Der Sachverständigenbeweis im Sozialrecht, 2. Aufl., S. 376). Anschließend sind die Angaben einer strengen Konsistenzprüfung zu unterziehen. Dazu sind nicht nur Widersprüche in den Angaben zu hinterfragen, sondern auch die Beobachtungen in der Untersuchungssituation, dazu gehört auch die Art und Weise, in der Beschwerden geschildert werden, mit einzubeziehen.

Diesen Anforderungen sind die Gutachter Dr. B. und Dr. P. gerecht geworden, indem sie einerseits die Beschwerdeschilderung der Klägerin erhoben haben, andererseits aber auch erhaltene Aktivitäten abgefragt haben. Sie haben überprüft, inwieweit danach die Angaben der Klägerin als konsistent angesehen werden können. Schließlich haben sie eine abschließende Wertung auch unter Berücksichtigung des psychopathologischen Befunds und der Vorbefunde abgegeben. Insoweit ist es auch nicht zu beanstanden, sondern geradezu zwingend, dass Dr. B. überprüft hat, ob und inwieweit die Klägerin tatsächlich in ihrer Konzentration und Aufmerksamkeit beeinträchtigt ist. Zum einen ist die Angabe einer eingeschränkten Konzentration, die in der Vergangenheit auch zu Fehlern und dem Verlust des Arbeitsplatzes geführt habe, von der Klägerin selbst gemacht worden. Zum anderen ist dies im Rahmen einer Konsistenzprüfung ein weiterer wichtiger Aspekt. Wäre die Klägerin tatsächlich durch dauerhafte Schmerzen und Schlaflosigkeit derart beeinträchtigt, dass sie nicht mehr in der Lage wäre, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, müsste sich dies auch im psychischen Befund und ihrem Konzentrationsvermögen niederschlagen, zumal dieses nach der Feststellung von Dr. L. schon aufgrund seiner Diagnose einer Fibromyalgie-Erkrankung erheblich eingeschränkt sein müsste. Tatsächlich hat aber keiner der Gutachter, auch nicht Dr. L., einen Befund erhoben, der diesen Schluss zulassen würde. Auch im Rahmen der 3-stündigen Exploration bei Dr. B., der gezielte Testungen durchgeführt hat, sind entsprechende Einschränkungen nicht zu Tage getreten. Insoweit kommt auch dem von Dr. B. erhobenen Tagesablauf Bedeutung zu, der gerade nicht den Eindruck erweckt, dass die Klägerin schmerzbedingt derart eingeschränkt wäre, dass sie nicht mehr berufstätig sein könnte. Die Klägerin führt einen Haushalt mit ihrem Mann und mehreren Haustieren, die sie versorgt. Sie geht regelmäßig mit den Hunden spazieren, pflegt jedenfalls telefonisch noch einen Freundeskreis und hat Hobbies wie Malen und Lesen. Dabei ist unerheblich, dass sie in der mündlichen Verhandlung diese Angaben insofern relativiert und dem Eindruck eines danach ungestörten Alltags einschränkend entgegengetreten ist, indem sie angegeben hat, dass ihr diese Tätigkeiten schmerzbedingt nicht immer möglich wären. Entscheidend ist, was Dr. B. betont hat, das erhaltene Spektrum an Aktivitäten, das gegen die Annahme spricht, der Alltag der Klägerin wäre von den Schmerzen bestimmt und dominiert. Auch der psychische Befund war jeweils unauffällig. Die Klägerin wirkte bis auf eine außerordentliche Klagsamkeit hinsichtlich der angegebenen Schmerzen und der Schlafstörungen ausgeglichen. Die affektive Schwingungsfähigkeit war ungestört.

Demgegenüber hat Dr. L. die Feststellung des seiner Meinung nach nur noch unter dreistündigen Leistungsvermögens der Klägerin im Wesentlichen mit der subjektiven Beschwerdeschilderung der Klägerin und der von ihm mithilfe der Tenderpoints gestellten Diagnose einer Fibromyalgie und deren typischen Erscheinungsformen begründet, wobei er in seiner ergänzenden Stellungnahme selbst eingeräumt hat, dass den Tenderpoints nicht mehr die Bedeutung zukomme, die man ihnen in der Vergangenheit gegeben habe. Zur Untermauerung dieser Feststellung hat er weiter ausgeführt, dass im Gegensatz zu den übrigen Gutachter nur er über die Qualifikation verfüge, das Krankheitsbild der Fibromyalgie, die eine eigenständige Erkrankung darstelle, und deren Auswirkungen auf das Leistungsvermögen zu beurteilen. Weder im Rahmen seines Gutachtens noch in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 09.10.2017 hat er aber diese Leistungseinschränkungen bezogen auf den Fall der Klägerin konkret beschrieben, noch hat er die Beschwerden der Klägerin einer Konsistenzprüfung unterzogen, was angesichts des von ihm selbst eingeräumten weitgehend unauffälligen Befundes während der Untersuchung angezeigt und im Sinne einer leitliniengerechten Begutachtung auch zwingend erforderlich gewesen wäre. Soweit Dr. L. kritisiert, dass Dr. B. sich nicht mit der Frage der Auswirkungen der chronischen Schmerzen auf die Dauerleistung der Muskulatur und der Tagesmüdigkeit und chronischen Erschöpfung auseinandergesetzt habe und stattdessen auf das formale Denken der Klägerin beim Lösen verschiedener Aufgaben abgestellt habe, bleibt festzustellen, dass Dr. L. nicht einmal den Versuch unternommen hat, die Angaben der Klägerin zu ihrem unzureichenden Schlafverhalten und den Auswirkungen auf ihre Leistungsfähigkeit im Alltag einer Objektivierung oder Konsistenzprüfung zu unterziehen. Soweit Dr. L. darüber hinaus einen ungewöhnlichen Pausenbedarf festgestellt hat, ist auch dieser im Gutachten nur mit der von ihm gestellten Diagnose und damit üblicherweise verbundenen Symptomen, nicht aber mit konkret von ihm festgestellten Leistungseinschränkungen der Klägerin begründet worden.

Eine seelische Störung von Krankheitswert, die die Klägerin noch an der Ausübung leidensgerechter Tätigkeiten hindern würde, liegt ebenfalls nicht vor. Die Klägerin leidet an einer rezidivierenden depressiven Störung wechselnden Ausmaßes. Vom Gutachter im Rentenverfahren Dr. Sch. ist eine mittelgradige Episode beschrieben worden, so auch im Entlassungsbericht der A. Klinik vom März 2014 und dem Arztbrief des Schmerzzentrums I. vom 09.10.2014. Eine schwere depressive Episode ist mit Befundbericht vom 10.06.2014 von der behandelnden Psychiaterin C. mitgeteilt worden. Zuletzt hat Dr. C., bei der die Klägerin seit Januar 2017 in Behandlung ist, mit Befundbericht vom 11.05.2017 erneut eine mittelgradige depressive Episode beschrieben, nachdem es offensichtlich im Jahr 2016 und wieder im April 2017 vorübergehend zu einer krisenhaften Verschlechterung gekommen war. Als verbleibende Symptome hat sie eine depressive Verstimmung mit dauerhafter Erschöpfung, Antriebsminderung, sozialem Rückzug, Schlafstörungen und Grübelneigung im Sinne einer Dysthymie beschrieben und hinsichtlich der Einbrüche in der Vergangenheit Bezug genommen auf traumatische Erfahrungen in der Kindheit, Überlastungserfahrungen und Schmerzbelastung bei Fibromyalgieschüben. Bei Dr. P. im Mai 2015 wirkte die Klägerin nur leicht depressiv verstimmt. Dr. B. hat im Zeitpunkt seiner Untersuchung im Februar 2017, also nach der ersten von Dr. C. beschriebenen Krise, keine wirkliche depressive Symptomatik festgestellt und auch - unter Bezugnahme auf das erhaltene Aktivitätenspektrum, nicht den Umfang - nachvollziehbar eine Antriebsminderung ausgeschlossen. Allerdings hat auch Dr. C. ungeachtet der Diagnose einer gegenwärtig mittelgradigen Episode keine Einschränkungen beschrieben hat, die über eine depressive Verstimmung im Sinne einer Dysthymie hinausgehen würden. Eine seit vielen Jahren bestehende Angststörung phobischer Ausprägung im Zusammenhang mit Trennungssituationen besteht zwar noch, ist aber nach den Feststellungen von Dr. B. derzeit nur gering ausgeprägt. Auch ist die Klägerin von allen Gutachtern zu ihrer Kindheit und dem Verhältnis zu ihrer Familie befragt worden, ohne dass dabei ein Trauma, zumal im Sinne einer posttraumatischen Belastungsstörung zutage getreten wäre. Dass die Klägerin in ihrer Kindheit negative Erfahrungen gemacht hat, die sie prägen (etwa im Sinne der von Dr. B. beschriebenen Trennungsängste) bedeutet nicht zwangsläufig, dass deswegen eine seelische Erkrankung relevanten Ausmaßes vorliegen würde. Tatsächlich kann eine solche auch mit den aktuellen Befunden der behandelnden Ärzte derzeit nicht festgestellt werden.

Schließlich ist bei dem Krankheitsbild der Klägerin ungeachtet der Bezeichnung zu berücksichtigen, dass für die Feststellung einer hierauf gestützten Erwerbsminderung feststehen muss, dass alle Behandlungsmöglichkeiten bereits ausgeschöpft sind. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts werden psychische Erkrankungen erst dann rentenrechtlich relevant, wenn trotz adäquater Behandlung (medikamentös, therapeutisch, ambulant und stationär) davon auszugehen ist, dass ein Versicherter die psychischen Einschränkungen dauerhaft nicht überwinden kann - weder aus eigener Kraft, noch mit ärztlicher oder therapeutischer Hilfe (BSG, Urteil vom 12.09.1990 - 5 RJ 88/89 -; BSG, Urteil vom 29.02.2006 - B 13 RJ 31/05 R -). Nichts anderes gilt ungeachtet der Diagnose und ihrer systematischen Einordnung für die Schmerzerkrankung der Klägerin. So ergibt sich aus allen vorgelegten Befundberichten, darunter zuletzt die ärztliche Stellungnahme der Schmerzzentrums I., dass auch die schmerztherapeutischen Behandlungsmöglichkeiten noch nicht ausgeschöpft sind, und auch die behandelnde Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie C. hat mit Attest vom 11.05.2017 geschildert, dass sich die Klägerin sich nach einer krisenhaften Verschlechterung im November 2016 unter Fortführung der antidepressive Medikation wieder stabilisieren konnte und ein weiteres suizidales Stimmungstief im April 2017 durch intensive psychotherapeutische und psychiatrische Behandlung habe gebessert werden können. Eine konsequente schmerztherapeutische Behandlung, zu der nach den Empfehlungen der Universitätsklinik München bei einer Fibromyalgie-Erkrankung neben einer medikamentösen Behandlung auch eine konsequente Psychotherapie sowie regelmäßiger Bewegung gehören würde, ist bisher nicht beschrieben worden. Aufgrund welcher Einschränkungen der Klägerin, die ja selbst angibt, regelmäßig mit ihren Hunden spazieren zu gehen, drüber hinaus nicht auch gezielte körperliche physiotherapeutische Maßnahmen möglich sein sollten, wie sie von den behandelnden Ärzten seit Jahren empfohlen wurden, ist nicht erkennbar.

Eine Beschränkung der Wegefähigkeit auf eine Gehstrecke von unter 500m ist von keinem Gutachter, auch nicht von Dr. L. festgestellt worden. Dem widersprechen auch die eigenen Angaben der Klägerin, die mit ihren Hunden regelmäßig größere Strecken spazieren geht, mag sie dabei auch Pausen einlegen.

2. Der Senat ist bei der vorliegenden Befund- und Gutachtenslage nicht gehalten, von Amts wegen erneut in die Beweisaufnahme einzutreten. Insbesondere ist es ungeachtet der im Ergebnis nicht als ausreichend und verwertbar angesehenen Feststellungen von Dr. L. nicht erforderlich, ein weiteres Gutachten bei einem auf das Vorliegen von Fibromyalgie-Erkrankungen spezialisierten Gutachter in Auftrag zu geben. Entscheidend für die Qualifikation eines Gutachters ist im Zusammenhang mit der Beurteilung von Schmerzstörungen nicht, ob er von Haus aus Internist, Rheumatologe, Orthopäde, Neurologe oder Psychiater ist. Entscheidend ist ob der Gutachter im Ergebnis in der Lage ist Schmerzerlebnis, Schmerzverhalten und Schmerzverarbeitung des Versicherten zu erfassen und zu bewerten (BSG, Beschluss vom 09.04.2003 - B 5 RJ 80/02 B). Diesen Anforderungen genügen die von Amts wegen eingeholten Gutachten und auch Dr. L. verfügt als Orthopäde und aufgrund seiner langjährigen Erfahrung und Expertise mit dem Krankheitsbild der Fibromyalgie über die Kompetenz, deren Auswirkungen zu beurteilen. Allerdings hat er keine Feststellungen getroffen, die es erlauben würden, auch im Fall der Klägerin auf entsprechende Leistungseinschränkungen zu schließen.

Da es für die Beurteilung des rentenrechtlich relevanten Leistungsvermögens der Klägerin außerdem weder auf die Diagnoseerstellung als solche noch auf die Klassifizierung nach ICD-10 sondern ausschließlich auf die bei der Klägerin vorliegenden Leistungseinschränkungen ankommt, ist der Senat ist auch nicht gehalten, dem Antrag der Klägerin auf Einholung fachkundiger Stellungnahmen zur Anerkennung der Fibromyalgie als eigenständiger Krankheitsdiagnose sowie der bei Fibromyalgie-Erkrankungen üblicherweise auftretenden gesundheitlichen Beschwerden sowie deren Auswirkungen auf die körperliche Leistungsfähigkeit der Betroffenen nachzukommen. Nach den Unterlagen, die von der Klägerin über die an der Universitätsklinik W-Stadt durchgeführte Studie vorgelegt worden sind, hat diese Studie ausschließlich die Untersuchung eines Zusammenhangs zwischen geschädigten Nervenzellen und einer Fibromyalgie-Erkrankung im Sinne neuer Diagnosemethoden zum Gegenstand, nicht aber die Erfassung konkreter Einschränkungen der Probanden. Welche Erkenntnisse hieraus bezogen auf das im vorliegenden Verfahren streitige Leistungsvermögen der Klägerin gewonnen werden sollen, ist nicht ersichtlich. Dies hat die Klägerin auch in der mündlichen Verhandlung nicht dargelegt. Für die Beurteilung des Leistungsvermögens der Klägerin kommt es aber auch nicht entscheidend darauf an, ob abstrakt ein bestimmter Prozentsatz von Patienten vermeintlich unter den gleichen Symptomen leidet wie die Klägerin oder wie hoch dieser Prozentsatz ist oder ob nach neuesten medizinisch-wissenschaftlichen Studien neue Wirkungszusammenhänge gesehen werden und ob sich hierzu in der medizinischen Fachliteratur bereits mehrheitliche Ansichten gebildet haben (Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 22.11.2017 - L 19 R 365/14 -, juris).

3. Da aufklärungsbedürftige Widersprüche zwischen den Gutachten von Dr. B. und Dr. L. nicht bestehen, ist auch dem Antrag auf Anhörung beider Gutachter nicht nachzukommen.

Zwar kann ein Antrag auf mündliche Erläuterung des Sachverständigengutachtens nicht allein deshalb abgelehnt werden, weil das schriftliche Gutachten dem Gericht überzeugend und nicht weiter erörterungsbedürftig erscheint (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 17.01.2012 - 1 BvR 2728/10 -, juris). Einem Beteiligten steht im Rahmen des verfassungsrechtlich verbürgten Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG, Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz) das Recht zu, dem Sachverständigen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die er zur Aufklärung der Sache für dienlich erachtet (BSG, Beschluss vom 12.12.2006 - B 13 R 427/06 B - juris Rn. 7). Allerdings muss der Antrag rechtzeitig gestellt werden und darf nicht rechtsmissbräuchlich sein; vgl. auch BVerfG NJW 1998, 2273; BGH NJW 1998, 162, 163 alle mwN). Schließlich verlangt auch Art. 103 Abs. 1 GG nicht, einem rechtzeitigen und nicht missbräuchlichen Antrag auf Anhörung der Sachverständigen ausnahmslos Folge zu leisten. Die mündliche Anhörung des Sachverständigen ist zwar die nächstliegende, aber nicht die einzig mögliche Behandlung eines derartigen Antrags (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 03.02.1998, a.a.O.; vgl. BGH, Urteil vom 10.12.1991 - VI ZR 234/90 -, NJW 1992, S. 1459 f.). Eine Form für die Befragung ist gesetzlich nicht vorgeschrieben, sodass sie sowohl mündlich als auch schriftlich erfolgen kann (BSG, Beschluss vom 05.02.2009 - B 13 R 561/08 B -, juris). Einwendungen in diesem Sinn sind dem Gericht außerdem rechtzeitig mitzuteilen (vgl. § 411 Abs. 4 ZPO).

Die Voraussetzungen für eine mündliche Anhörung der Sachverständigen sind danach nicht erfüllt. Die Einwendungen der Klägerin gegen das Gutachten von Dr. B. in den Schriftsätzen vom 22.05.2017 und 04.09.2017 sind bereits mit den ergänzenden Stellungnahmen von Dr. B. vom 26.07.2017 und 14.12.2017 beantwortet worden. Diesen Feststellungen ist die Klägerin anschließend nicht mit Einwendungen entgegengetreten, die eine neuerliche Befragung oder gar mündliche Anhörung erforderlich gemacht hätten. Zum einen bezieht sich ihre Kritik nicht auf die von Dr. B. erhobenen Angaben und den Befund, denen sie lediglich relativierend entgegengetreten ist, sondern im Kern auf die ihrer Meinung nach unrichtige Schlussfolgerung eines danach nicht erheblich eingeschränkten Leistungsvermögens. Auch soweit sie zuletzt noch gerügt hat, dass Dr. B. die medikamentöse Schmerztherapie nicht korrekt erfasst und als unbedeutend/gelegentlich abgetan habe, ist sie auch insofern nicht den tatsächlich aufgrund der Angaben der Klägerin wiedergegebenen Ausführungen zur Medikation entgegengetreten (Ibuprofen 800 mg 2 x wöchentlich), sondern lediglich der Bewertung dieser Einnahme durch Dr. B. als gelegentlich. Die Feststellung, dass dieses Medikament von ihr nur „gelegentlich“ genommen wurde, beruht also auf den Angaben der Klägerin. Soweit Dr. B. auf bestehende Verbesserungsmöglichkeiten durch geeignete Medikation hingewiesen hat, betrifft dies die Frage einer möglichen Verbesserung des derzeitigen Zustandes, nicht aber die Beurteilung der Leistungsfähigkeit, die unter Berücksichtigung der derzeitigen Medikation erfolgt ist.

Auch unterscheiden sich die von Amts wegen eingeholten Gutachten, insbesondere das Gutachten von Dr. B., und das Gutachten von Dr. L. nicht in den erhobenen Befunden. Diese unterscheiden sich allenfalls dadurch, dass Dr. L. gegenüber der Gutachten von Amts wegen bei seiner Untersuchung eine etwas stärkere Druck- und auch Bewegungsschmerzhaftigkeit festgestellt hat. Der entscheidende Unterschied liegt aber in den hieraus gezogenen Schlüssen, die zu würdigen Aufgabe des Senats ist. So hat Dr. L. die Auffassung vertreten, bei der Klägerin zweifelsfrei eine Fibromyalgie-Erkrankung im Sinne einer körperlich manifesten Erkrankung nachgewiesen zu haben, woraus sich seiner Meinung nach bestimmte, auch im Fall der Klägerin vorliegende Symptome ergeben würden, die der Ausübung einer Berufstätigkeit entgegenstehen würden. An dieser Auffassung, die der Senat aus rechtlichen Gründen nicht teilt, hat er auch mit seiner ergänzenden Stellungnahme vom 09.10.2017 ausdrücklich festgehalten

Dr. B. hat dagegen wie die übrigen Gutachter von Amts wegen untersucht, inwieweit sich hieraus objektivierbare Leistungseinschränkungen ergeben, allerdings ohne entsprechende Leistungseinschränkungen feststellen zu können.

Die Klägerin hat auch im Termin nicht dargelegt, welche konkreten Fragen ergänzend aus ihrer Sicht noch an einen der Sachverständigen zu stellen wären.

4. Der erst mit Schriftsatz vom 13.03.2018 und damit verspätet gestellte Antrag nach § 109 SGG steht einer Entscheidung in der Sache ebenfalls nicht entgegen.

Gemäß § 109 Abs. 1 SGG ist im sozialgerichtlichen Verfahren auf Antrag des Versicherten ein bestimmter Arzt gutachtlich zu hören. Die Anhörung kann von der Einzahlung eines Kostenvorschusses abhängig gemacht werden (§ 109 Abs. 1 Satz 2 SGG). Der Antrag kann abgelehnt werden, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist (§ 109 Abs. 2 SGG). Grobe Nachlässigkeit ist das Versäumen jeder prozessualen Sorgfalt. Sie liegt regelmäßig dann vor, wenn der Versicherte oder sein Bevollmächtigter den Antrag auf gutachtliche Anhörung eines bestimmten Arztes nach § 109 SGG nicht in angemessener Frist stellt, obwohl er erkennt oder erkennen muss, dass die von Amts wegen durchzuführende Beweisaufnahme beendet ist (BSG, Urteil vom 24.03.1961, Az.: 10 RV 303/5). Das war vorliegend der Fall. Der Klägerin ist mit Schriftsatz vom 04.01.2018 die ergänzende Stellungnahme von Dr. B. übersandt und mitgeteilt worden, dass weitere Ermittlungen von Amts wegen nicht vorgesehen sind. Der rechtskundigen Bevollmächtigten der Klägerin musste danach bewusst sein, dass ein Antrag gemäß § 109 SGG nur innerhalb angemessener Frist, i.d.R. von einem Monat, möglich ist (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, 12. Aufl., § 109 SGG, Rn. 11). Das BSG hat eine Frist von sechs Wochen sogar als unnötig lang angesehen (Beschluss vom 10.12.1958 - 4 RJ 143/58 -). Ein formgerechter Antrag nach § 109 SGG mit Benennung eines Arztes ist aber erst im Schriftsatz vom 13.03.2018 und damit verspätet gestellt worden. Der Senat ist daher nicht gehalten, diesem Antrag nachzukommen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt im Sinne des Erfolgsprinzips den Ausgang des Verfahrens.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).

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Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 21. März 2018 - L 13 R 211/16 zitiert 10 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 43 Rente wegen Erwerbsminderung


(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise erwerbsgemindert sind,2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 109


(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschieß

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 62


Vor jeder Entscheidung ist den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren; die Anhörung kann schriftlich oder elektronisch geschehen.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 411 Schriftliches Gutachten


(1) Wird schriftliche Begutachtung angeordnet, setzt das Gericht dem Sachverständigen eine Frist, innerhalb derer er das von ihm unterschriebene Gutachten zu übermitteln hat. (2) Versäumt ein zur Erstattung des Gutachtens verpflichteter Sachverst

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 106


(1) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende Angaben tatsächlicher Art ergänzt sowie alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlich

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(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

(1) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende Angaben tatsächlicher Art ergänzt sowie alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(2) Der Vorsitzende hat bereits vor der mündlichen Verhandlung alle Maßnahmen zu treffen, die notwendig sind, um den Rechtsstreit möglichst in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen.

(3) Zu diesem Zweck kann er insbesondere

1.
um Mitteilung von Urkunden sowie um Übermittlung elektronischer Dokumente ersuchen,
2.
Krankenpapiere, Aufzeichnungen, Krankengeschichten, Sektions- und Untersuchungsbefunde sowie Röntgenbilder beiziehen,
3.
Auskünfte jeder Art einholen,
4.
Zeugen und Sachverständige in geeigneten Fällen vernehmen oder, auch eidlich, durch den ersuchten Richter vernehmen lassen,
5.
die Einnahme des Augenscheins sowie die Begutachtung durch Sachverständige anordnen und ausführen,
6.
andere beiladen,
7.
einen Termin anberaumen, das persönliche Erscheinen der Beteiligten hierzu anordnen und den Sachverhalt mit diesen erörtern.

(4) Für die Beweisaufnahme gelten die §§ 116, 118 und 119 entsprechend.

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

(1) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende Angaben tatsächlicher Art ergänzt sowie alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(2) Der Vorsitzende hat bereits vor der mündlichen Verhandlung alle Maßnahmen zu treffen, die notwendig sind, um den Rechtsstreit möglichst in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen.

(3) Zu diesem Zweck kann er insbesondere

1.
um Mitteilung von Urkunden sowie um Übermittlung elektronischer Dokumente ersuchen,
2.
Krankenpapiere, Aufzeichnungen, Krankengeschichten, Sektions- und Untersuchungsbefunde sowie Röntgenbilder beiziehen,
3.
Auskünfte jeder Art einholen,
4.
Zeugen und Sachverständige in geeigneten Fällen vernehmen oder, auch eidlich, durch den ersuchten Richter vernehmen lassen,
5.
die Einnahme des Augenscheins sowie die Begutachtung durch Sachverständige anordnen und ausführen,
6.
andere beiladen,
7.
einen Termin anberaumen, das persönliche Erscheinen der Beteiligten hierzu anordnen und den Sachverhalt mit diesen erörtern.

(4) Für die Beweisaufnahme gelten die §§ 116, 118 und 119 entsprechend.

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie

1.
teilweise erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

(2) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie

1.
voll erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind auch
1.
Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und
2.
Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.

(3) Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

(4) Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung verlängert sich um folgende Zeiten, die nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind:

1.
Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit,
2.
Berücksichtigungszeiten,
3.
Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach Nummer 1 oder 2 liegt,
4.
Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung.

(5) Eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit ist nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist.

(6) Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren und seitdem ununterbrochen voll erwerbsgemindert sind, haben Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie die Wartezeit von 20 Jahren erfüllt haben.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 31. August 2016 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Das Thüringer LSG hat mit Urteil vom 31.8.2016 einen Anspruch des Klägers auf Rente wegen Erwerbsminderung verneint. Der Kläger sei nach den Gutachten der Sachverständigen Dr. S. vom 31.10.2011 und Dr. G. vom 7.5.2012 noch in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Dem nach § 109 SGG eingeholten Gutachten des Dr. W. vom 18.12.2012, nach dem das Leistungsvermögen des Klägers auf unter drei Stunden täglich herabgesunken sei, werde nicht gefolgt.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision im zuvor benannten Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde an das BSG. Er rügt Verfahrensfehler (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG)in Gestalt einer unterlassenen Amtsermittlung, weil das LSG trotz ausdrücklichem Hinweis in der Berufungsbegründung kein "Obergutachten" eingeholt habe. Den Ausführungen des Berufungsgerichts könne zudem nicht gefolgt werden. Es habe seine Entscheidung nicht auf die Erstgutachten stützen dürfen. Ferner macht er eine Divergenz geltend (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG), weil das Urteil des LSG im Widerspruch zu Entscheidungen des BSG stehe, die von einer Fibromyalgie als möglicher leistungseinschränkenden Erkrankung ausgegangen seien.

3

II. Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Seine Beschwerdebegründung vom 6.1.2017 genügt nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht ordnungsgemäß dargetan sind (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG).

4

1. Um eine Divergenz iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG in einer den Anforderungen des § 160a Abs 2 S 3 SGG genügenden Weise zu bezeichnen, muss die Beschwerdebegründung ua einen Widerspruch tragender abstrakter Rechtssätze in der Entscheidung des LSG einerseits und einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG andererseits aufzeigen(BSG SozR 1500 § 160a Nr 67 S 89). Diesen Anforderungen wird der Kläger in der Beschwerdebegründung nicht gerecht.

5

Er führt zwar die Entscheidung des BSG vom 9.4.2003 (B 5 RJ 36/02 R) an. Er arbeitet jedoch keinen abstrakten Rechtssatz aus dieser Entscheidung heraus, gegenüber dem sich das LSG in Widerspruch gesetzt haben könnte. Vielmehr behauptet er nur, dass das Berufungsgericht, in dem es der Einschätzung des Dr. W. nicht gefolgt sei, gegen die benannte Entscheidung verstoße. Soweit er zudem den Beschluss des BSG vom 9.4.2003 (B 5 RJ 80/02 B) benennt, gilt nichts anderes. Denn auch insoweit behauptet er nur, dass das LSG sich in Widerspruch zum BSG setze, wenn es die Existenz der Erkrankung der Fibromyalgie ablehne. Damit legt er jedoch nicht dar, dass das LSG einen abstrakten Rechtssatz gebildet habe, der sich von einem abstrakten Rechtssatz aus einer Entscheidung des BSG absetze. Sein Vortrag geht daher über eine unbeachtliche Subsumtionsrüge nicht hinaus.

6

2. Auch einen Verfahrensfehler des LSG hat der Kläger in der Beschwerdebegründung nicht ordnungsgemäß dargetan. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit der Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

7

Soweit der Kläger einen Mangel der tatrichterlichen Sachaufklärung nach § 103 SGG rügt, fehlt es bereits an einer Bezeichnung eines prozessordnungsgerechten Beweisantrags(iS von § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG iVm § 118 Abs 1 S 1 SGG, § 403 ZPO). Der Beweisantrag im Rentenstreitverfahren muss sich möglichst präzise mit den Folgen dauerhafter Gesundheitsbeeinträchtigungen auf das verbliebene berufliche Leistungsvermögen befassen. Je mehr Aussagen von Sachverständigen zum Beweisthema bereits vorliegen, desto genauer muss der Beweisantragsteller von ihm behauptete Unterschiede zum Gegenstand des Beweisthemas machen (vgl Senatsbeschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 6). Das Verlangen nach einer weiteren Begutachtung des Leistungsvermögens genügt deshalb nicht, wenn - wie der Kläger selbst vorträgt - im Verlaufe des Verfahrens schon Gutachten zu den Auswirkungen einer bestimmten Gesundheitsstörung eingeholt worden sind. Der Kläger bringt insoweit nur vor, dass er in der Berufungsbegründung vom 16.9.2015 auf die Existenz der Erkrankung der Fibromyalgie hingewiesen habe.

8

Ungeachtet dessen hat der im Berufungsverfahren bereits anwaltlich vertretene Kläger auch nicht dargetan, dass er einen Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zu Protokoll aufrechterhalten oder das Gericht ihn in seinem Urteil wiedergegeben hat (s hierzu BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN). Ebenso wenig ist der Beschwerdebegründung zu entnehmen, warum auf der Grundlage der maßgeblichen Rechtsauffassung des LSG die benannten Tatumstände weiter klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen und weshalb das voraussichtliche Ergebnis der unterbliebenen Beweisaufnahme durch Einholung eines "Obergutachtens" dazu geführt hätte, dass das Berufungsgericht zu einer für den Kläger günstigeren Entscheidung hätte gelangen können. Der Kläger beschränkt sich darauf, eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht zu behaupten, vernachlässigt aber Darlegungen, inwieweit das angefochtene Urteil des LSG darauf beruhen kann. Soweit der Kläger ausführt, das LSG habe sich nicht auf die Gutachten der Dres. S. und G. stützen und auf deren Grundlage seine Erkrankung an einer Fibromyalgie negieren dürfen, sondern hätte weiteren Beweis durch ein "Obergutachten" einholen müssen, rügt er letztlich die Beweiswürdigung des LSG. Diese Rüge kann jedoch, wie ausdrücklich in § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG normiert, nicht zur Zulassung der Revision vor dem BSG führen. Mit seiner Forderung nach einem "Obergutachten" verkennt der Kläger zudem, dass es solcherart unterschiedliche Wertigkeiten von Gutachten nicht gibt, mit denen von vornherein ein Gutachten über ein anderes gestellt werden könnte. Vielmehr ist es gerade Aufgabe des Gerichts, jedes Gutachten in Bezug auf seine Überzeugungskraft bei der Beurteilung tatbestandlicher Voraussetzungen einer gesetzlichen Regelung selbst zu bewerten (vgl Senatsbeschluss vom 8.3.2016 - B 13 R 317/15 B - Juris RdNr 7).

9

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

10

Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

11

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

Tenor

I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 11.04.2014 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente aufgrund ihres Antrags vom 04.05.2009 hat.

Die 1955 geborene Klägerin hat eine Ausbildung zur Industriekauffrau aufgenommen (01.08.1970 bis 28.06.1973), die Prüfung aber nicht abgelegt. Bis 30.11.2007 war die Klägerin mit Unterbrechungen in verschiedenen Beschäftigungen als kaufmännische Angestellte, Verkäuferin und Bürokraft versicherungspflichtig tätig, wobei parallel dazu zeitweise auch geringfügige, nicht versicherungspflichtige Tätigkeiten im Versicherungsverlauf vermerkt sind. Anschließend bezog sie Krankengeld bzw. Arbeitslosengeld.

Am 04.05.2009 beantragte sie bei der Beklagten die Gewährung von Erwerbsminderungsrente wegen Schlaflosigkeit, Erschöpfung und Herzrasen. Die Beklagte holte ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Dr. L. ein, der am 08.09.2009 zu dem Ergebnis gelangte, dass die Klägerin sowohl ihre letzte Tätigkeit als Industriekauffrau als auch Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens sechs Stunden täglich unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen verrichten könne. Die Beklagte lehnte daraufhin mit streitgegenständlichem Bescheid vom 14.01.2010 eine Rentengewährung ab. Der hiergegen am 15.02.2010 eingelegte Widerspruch wurde nach Beiziehung ärztlicher Unterlagen, insbesondere der Hausärztin Dr. C. und eines Entlassungsberichts über eine stationäre Behandlung im Bezirksklinikum O. in der Zeit vom 20.04.2010 bis 04.05.2010, mit Widerspruchsbescheid vom 12.11.2010 als unbegründet zurückgewiesen.

Zur Begründung der hiergegen am 01.12.2010 zum Sozialgericht Bayreuth (SG) erhobenen Klage hat der damalige Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 17.01.2011 darauf hingewiesen, dass die Beklagte die gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin nur unzureichend berücksichtigt habe. Die behandelnde Hausärztin Dr. C. habe die Durchführung eines Klageverfahrens angeregt, da sie mit der Klägerin die Meinung vertrete, dass Erwerbsminderung vorliege. Sie lasse auf die massiven Gesundheitsstörungen verweisen, insbesondere seitens des Fibromyalgiesyndroms, der Wirbelsäule, der Angststörung, der Depressionen, der psychovegetativen Erschöpfung, der Vergesslichkeit, des Asthma bronchiale, der multiplen Allergien, der Hypertonie und des Schlafapnoesyndroms.

Das SG hat medizinische Unterlagen vom Schlaflabor FAZ C-Stadt, des Bezirksklinikums O. über den stationären Aufenthalt vom 20.04.2010 bis 04.05.2010 sowie Befundberichte der behandelnden Ärzte Dr. H., Facharzt für Orthopädie, Dr. R., Facharzt für Orthopädie, der Dipl. med. L. (Neurologin), des Arztes für Allgemeinmedizin K. und der Dipl.-Psych. R. beigezogen. Ferner hat es Auskünfte der aktuellen Krankenkasse der Klägerin, der DAK E-Stadt, der Agentur für Arbeit E-Stadt und des Zentrum Bayern Familie und Soziales - ZBFS - eingeholt.

Sodann hat das SG ein nervenärztliches Terminsgutachten von Dr. M. eingeholt, die am 03.05.2011 zu folgenden Diagnosen gelangt ist:

1. Angst und depressive Störung gemischt mit Somatisierung

2. Panikstörung

3. Schlafapnoesyndrom (übernommene Diagnose)

Die Klägerin könne noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im Wechselrhythmus ohne besondere Stressbelastung, ohne Schicht- und Akkordtätigkeit mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit einer Industriekauffrau sei weiterhin vollschichtig möglich. Es habe sich keine Veränderung gegenüber dem Vorgutachten ergeben.

Der anschließende Erörterungstermin wurde ohne Ergebnis vertagt. Mit Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 28.07.2011 wurde eine persönliche Stellungnahme der Klägerin übersandt, wonach aufgrund einer Untersuchung in der Privatpraxis Dr. F., Facharzt für Innere Medizin - Naturheilverfahren - vom 15.07.2011 eine deutliche Funktionsstörung der Mitochondrien nachgewiesen worden sei. Eine wissenschaftliche Arbeit der Universität Oxford über den Zusammenhang zwischen CFS (chronisches Erschöpfungssyndrom) und Störung der Mitochondrienfunktion und der Erkrankung werde hergestellt bzw. nachgewiesen. In 50% der Fälle von chronischer Erschöpfung litten die Patienten so wie die Klägerin auch unter Fibromyalgien. Der medizinische Sachverhalt sei nicht ausreichend geklärt.

Mit Schreiben vom 07.09.2011 hat der damalige Prozessbevollmächtigte die Vertretung niedergelegt. Mit Schreiben ebenfalls vom 07.09.2011 hat sich der jetzige Prozessbevollmächtigte der Klägerin angezeigt und darauf hingewiesen, dass die Klägerin unter anderem an einem chronischen Erschöpfungssyndrom und Fibromyalgie leide. Beide Erkrankungen seien organischer Natur, würden aber sehr häufig psychiatrisiert. Meistens werde dann noch Aggravation oder gar Simulation des Antragstellers unterstellt.

Nach Ladung zu einem Erörterungstermin am 05.04.2012 übersandte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 28.03.2012 umfangreiche ärztliche Unterlagen, unter anderem einen Bericht von Dr. F. vom 22.08.2011 und den Bericht der Spezialklinik N. - Akutklinik zur Behandlung von Allergien, Haut- und Umwelterkrankungen GmbH & Co KG - über den stationären Aufenthalt der Klägerin vom 02.11.2011 bis 22.11.2011. Der Erörterungstermin vom 05.04.2012 wurde daraufhin aufgehoben.

Das SG hat sodann nochmals medizinische Unterlagen von Dr. C., Dr. F. und der Spezialklinik N. beigezogen. Sodann hat das SG ein internistisches und sozialmedizinisches Gutachten von Dr. G. eingeholt, der am 10.12.2012 zu folgenden Diagnosen gelangt ist:

1. Ausgeprägte somatoforme Störungen mit wechselnder Schmerzsymptomatik

2. Chronischer Erschöpfungszustand bei depressiver Symptomatik

3. Chronisch obstruktives Schlafapnoesyndrom

4. Grenzwerthypertonie

5. Kombinierte Fettstoffwechselstörung ohne derzeitige klinische Auswirkungen

6. Degeneratives Lendenwirbelsyndrom ohne stärkere funktionelle Beeinträchtigung

7. Fingergelenkspolyarthrosen ohne stärkere Funktionsbeeinträchtigung.

Im Vergleich zu den vorangegangenen Gutachten habe sich keine wesentliche objektivierbare Änderung ergeben, insbesondere auch keine darstellbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes und des Leistungsvermögens. Die Klägerin könne sowohl Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes als auch ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Industriekauffrau noch mindestens sechs Stunden täglich unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen verrichten. Möglich seien leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung oder auch länger im Sitzen sowie in geschlossenen Räumen. Auszuschließen seien jedoch vor allem übermäßige nervliche Belastungen (übermäßiger Zeitdruck, Termindruck, Wechselschicht, Nachtschicht, hohe Verantwortung und Konzen-trationsfähigkeit), erhöhte Unfallgefährdungen, Zwangshaltungen sowie schweres Heben und Tragen. Die Wegefähigkeit der Klägerin sei gegeben. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben würden nicht empfohlen. Empfehlenswert sei jedoch eine Intensivierung der ambulanten Behandlungsmaßnahmen. Eine Besserung der qualitativen Leistungseinschränkungen sei eher unwahrscheinlich.

Auf Antrag der Klägerin hat das SG sodann nach § 109 Sozialgerichtsgesetz - SGG - ein neurologisches Gutachten von Dr. G. eingeholt, der am 26.07.2013 zu dem Ergebnis gelangt ist, dass bei der Klägerin ein mittelschwer bis schwer ausgeprägtes chronisches Fatigue-Syndrom bestehe, das zu einer deutlichen Beeinträchtigung der körperlichen und geistigen Belastungsfähigkeit führe. Eine wesentliche von der Krankheit unabhängige depressive Symptomatik habe bei der gutachterlichen Untersuchung nicht festgestellt werden können, desgleichen spiele die anamnestisch genannte arterielle Hypertonie sowie die zur Zeit akut vorhandene Wirbelsäulensymptomatik mit Bandscheibenvorfall L5/S1 rechts bezüglich der Erwerbsfähigkeit der Klägerin zur Zeit keine Rolle. Die bei der Klägerin festgestellte Fibromyalgie-Symptomatik, die oft simultan mit einem chronischen Fatigue-Syndrom zusammen auftrete, sei zurzeit nicht wesentlich ausgeprägt, da die typischen Fibromyalgie-Druckpunkte zurzeit nicht reaktiv seien. Im Vordergrund stehe vielmehr im Beschwerdebild die ausgeprägte Kraftlosigkeit und Schwäche, die glaubhaft auch bei geringer körperlicher Aktivität so stark auftrete, dass eine mehrstündige Arbeitstätigkeit auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr möglich sei. Eine Operation der Lendenwirbelsäule sollte durchgeführt werden, diese habe aber gegenwärtig auf die Beurteilung der Erwerbsfähigkeit durch die LWS-Symptomatik keine Auswirkungen, weil die Klägerin hierdurch nicht wesentlich beeinträchtigt sei. Die Klägerin sei aufgrund des chronischen Fatigue-Syndroms nur noch weniger als drei Stunden täglich einsatzfähig. Dies gelte auch bei überwiegend sitzender Tätigkeit. Durch zusätzliche Pausen könne die Belastungsfähigkeit der Klägerin nicht wesentlich gesteigert werden. Sie sei wegen der abnormen Ermüdbarkeit auch nicht mehr in der Lage, viermal täglich 500 Meter als Arbeitsweg zurückzulegen. Die Tätigkeit einer Industriekauffrau sei der Klägerin ebenfalls nicht mehr möglich. Ein Wiedereintritt der Klägerin in das Erwerbsleben sei nicht zu erwarten. Rehabilitationsmaßnahmen würden bei diesem Krankheitsbild nach allgemeiner Erfahrung keinen Erfolg haben.

Zu dem Gutachten von Dr. G. hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 20.08.2013 eine prüfärztliche Stellungnahme von Dr. G. vom 12.08.2013 übersandt, die auf den Entlassungsbericht der S. Klinik Bad S. über den stationären Aufenthalt der Klägerin vom 09.07.2013 bis 30.07.2013 nach der durchgeführten Operation der Lendenwirbelsäule hingewiesen hat. Aus dem Entlassungsbericht ist sowohl für die Tätigkeit als kaufmännische Angestellte als auch für den allgemeinen Arbeitsmarkt ein Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr zu entnehmen. Festgehalten ist hierin, dass die Klägerin „EU-Rente beantragt habe und die Wiederaufnahme einer beruflichen Tätigkeit nicht mehr vorgesehen“ sei. Eine Leistungsbeeinträchtigung bestehe für ca. drei bis vier Monate postoperativ. In dieser Zeit seien planmäßige Rumpfbewegungen nach dem Prinzip der Rückenschule zumutbar. Einschränkungen wurden lediglich für den Bewegungs- und Haltungsapparat aufgrund der durchgeführten Operation gesehen, hingegen keine Beeinträchtigungen der geistig-psychischen Belastbarkeit der Klägerin.

Mit Schriftsatz vom 15.01.2014 übersandte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin einen Arztbericht der behandelnden Hausärztin und Internistin Dr. C. vom 03.12.2013, wonach die Klägerin allenfalls täglich maximal 1 1/2 Stunden tätig sein könne. Auch die Rehabilitation in Bad S. habe zu keiner Stabilisierung geführt.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG sodann mit Gerichtsbescheid vom 11.04.2014 die Klage als unbegründet abgewiesen. Zur Überzeugung des Gerichts stehe aufgrund der eingeholten Sachverständigengutachten von Dr. M. und Dr. G. sowie des im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachtens von Dr. L. fest, dass die Klägerin trotz ihrer gesundheitlichen Einschränkungen auf internistischem, orthopädischem und neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet noch in der Lage sei, mindestens sechs Stunden täglich unter Beachtung qualitativer Einschränkungen tätig zu sein. Sie sei damit nicht erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Den Feststellungen von Dr. G. könne in keinster Weise gefolgt werden. Zum einen lasse er insbesondere bei der Erhebung des psychischen Befundes anamnestische Angaben der Klägerin zu temporären Beschwerden mit einfließen, zum anderen bleibe er untermauernde Befunde, z. B. bezüglich der Konzentrations- und Wortfindungsstörungen bzw. bezüglich der fehlenden Wegefähigkeit, schuldig. Auch sei die von ihm angenommene Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens der Klägerin angesichts der von der Klägerin geschilderten erheblichen Aktivitäten im täglichen Leben und angesichts der auch von ihm gewonnenen Leistungsdaten in keinster Weise nachzuvollziehen, zumal noch Behandlungsoptionen zur Verbesserung der subjektiven Befindlichkeit und der bestehenden Symptomatik bestünden. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI. Nach den übereinstimmenden Feststellungen des Sachverständigen Dr. M., Dr. G. und Dr. L., die für das Gericht schlüssig und nachvollziehbar seien, könne die Klägerin trotz der bei ihr bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen Tätigkeiten aus dem Berufskreis als Industriekauffrau noch mehr als sechs Stunden täglich verrichten. Es könne deshalb dahingestellt bleiben, ob die Klägerin angesichts der Tatsache, dass sie die Ausbildung zur Industriekauffrau nicht abgeschlossen habe und zuletzt nach ihren eigenen Angaben als Verkäuferin, kaufmännische Angestellte bzw. Bürokraft tätig gewesen sei, in die Gruppe der Facharbeiter einzuordnen sei und überhaupt Berufsschutz genieße.

Zur Begründung der hiergegen am 25.04.2014 beim Bayer. Landessozialgericht eingelegten Berufung trägt der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 07.07.2015 vor, dass die Entscheidung des SG nicht nachvollziehbar sei. Sowohl die behandelnden Ärzte der Klägerin als auch der Gutachter Dr. G. in seinem Gutachten vom 26.07.2013 gingen von einer Erwerbsfähigkeit von unter drei Stunden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aus. Gleichwohl sei die Zahlung der vollen Erwerbsminderungsrente abgelehnt worden. Es sei auch erforderlich, dass eine Gewichtung stattfinde. Diejenigen „ärztlichen Aussagen, die vom gründlichen Fachwissen, welches sich bezogen auf die vorhandenen Erkrankungen auch auf einem neueren wissenschaftlichen Stand befänden, müssten eine größere Gewichtung“ haben. Alles andere widerspreche rechtsstaatlichen Grundsätzen. Bereits in der Klagebegründung für das SG sei darauf eingegangen worden, dass den Berichten der behandelnden Ärzte der Klägerin, die sich mit den vorhandenen Erkrankungen auf neuerem wissenschaftlichen Stand auskennen würden, bisher kaum Bedeutung zugemessen worden sei. Ein weiteres Problem sei, dass die Klägerin an Erkrankungen leide, die in verschiedenen Fachbereichen der Medizin zu suchen seien (Multimorbidität) und eine Gesamtschau der gesundheitlichen Einschränkungen bisher nur durch die behandelnden Ärzte der Klägerin und den Gutachter Dr. G. von der KWA-Klinik in Bad G. stattgefunden hätte. Alle anderen Gutachter hätten nur in ihrem Fachgebiet begutachtet, hätten also nur einen Teil des Gesamtkrankheitsbildes erfasst. Dies dürfte kaum rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechen. Jeder Teil für sich gesehen erscheine dem Gutachter noch irgendwie funktionabel, aber die Wechselwirkungen mit den anderen Einschränkungen würden außen vor gelassen. Die Gutachten, die im bisherigen Gesamtverfahren erstellt worden seien, seien nicht nur unvollständig, sondern befänden sich auch nicht auf einem neueren (einen neuesten wissenschaftlichen Stand könne man nicht verlangen) wissenschaftlichen Stand. Der Gutachter L. beispielsweise erkenne bei seiner Begutachtung am 08.09.2009 nicht, dass bereits alle Therapien, welche er zur Besserung des Gesundheitszustandes der Klägerin in seinem Gutachten vorschlage, bereits von der Klägerin ohne Erfolg erprobt worden seien. Bei der Begutachtung durch Dr. M. hätten laut Blatt 113 ff. der SG-Akte nur vier Berichte vorgelegen. Wo die anderen Berichte abgeblieben seien oder ob die Gutachterin nur lediglich diese vier Berichte für erwähnenswert gehalten habe, bleibe unklar. Das SG habe sich nicht veranlasst gesehen, hierzu Stellung zu nehmen, ebenso wenig die Beklagte. Dr. M. sei in ihrem Gutachten auch nicht auf die Haupterkrankungen der Klägerin Fibromyalgie und CFS eingegangen, bezeichnend sei dies für das Gesamtverfahren, das auf unvollständiger Sachaufklärung basiere. Ausführliche Erklärungen zur Fibromyalgie und zum CFS fänden sich in der Klagebegründung vom 28.03.2012. Als Anlage zur Klagebegründung seien ebenfalls zahlreiche Arztberichte beigefügt gewesen, die den schlechten Gesundheitszustand der Klägerin ausführlich beschrieben hätten und aus denen man dann die Einschränkungen herausarbeiten könnte, was nicht geschehen sei. Auch seien dem SG verschiedene Gutachter benannt worden, die sich mit den Krankheitsbildern der Klägerin auskennen würden. Leider sei das SG nicht auf seine Vorschläge für qualifizierte Gutachter eingegangen. Stattdessen sei Dr. G. beauftragt worden, ein weiteres Gutachten zu erstellen. Es sei genau das geschehen, was vorher schon als möglich erachtet worden sei. Er habe das CFS, welches eine organische Multisystemerkrankung des Gehirns sei, in die psychogene Erkrankung Neurasthenie umdiagnostiziert und diese Neurasthenie in seinem Gutachten auf Seite 21 unter Punkt 1.2 dann als chronischen Erschöpfungszustand bezeichnet. Dies sei falsch, denn in der ICD-10 sei unter F48.0 die Neurasthenie verschlüsselt, deren Folge eine vermehrte Müdigkeit nach geistigen Anstrengungen sein könne. Bei der Klägerin liege aber eine schnelle und erhöhte Erschöpfung nach geistigen und körperlichen Anstrengungen vor, weshalb die behandelnden Ärzte zutreffend die chronische Erschöpfung mit G 93.3 diagnostiziert hätten (z. B. Spezialklinik N. vom 22.11.2011). Das Gericht möge die Angaben zu ICD-10 im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht überprüfen. Die Umdiagnostizierung sei von Dr. G. nicht begründet worden. Zur Ergänzung der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 07.07.2015, Blatt 34 bis 40 LSG-Akte verwiesen.

Mit Schriftsatz vom 16.10.2015 wurde noch eine Kopie der Bescheinigung über den Grad der Behinderung (GdB), ausgestellt vom ZBFS - Region Oberfranken - vom 09.11.2011, übersandt, aus der sich ein GdB von 40 ergab.

Auf Nachfrage des Senats hat die Klägerin angegeben, dass sie nur noch bei ihrer Hausärztin Dr. C. laufend in Behandlung sei. Andere Fachärzte brauche sie nicht mehr aufzusuchen. Erfahrungsgemäß erhalte sie dort nicht die richtige Behandlung bzw. sie werde als Kassenpatient nicht angenommen, auch wenn sie sich als Selbstzahler ordere. Ferner sei sie in Behandlung des Zahnarztes Dr. D. und sie habe auch Kontakt zu Prof. Dr. K. gesucht.

Der Senat hat Befundberichte der Internistin Dr. C., des Zahnarztes Dr. D., des Neurologen Dr. E. sowie von Dr. F. beigezogen.

Der Facharzt für Neurologie Dr. E. berichtet in seinem Befundbericht vom 07.09.2016 von einer somatoformen Störung, einem Ausschluss Morbus Menière und Ausschluss ZNS-Läsion. Als psychischer Befund ist festgehalten, dass die Klägerin bewusstseinsklar sei, zu allen Qualitäten orientiert. Subjektive Auffassungs-, Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörung. Formal geordnet, jedoch auf die gegenwärtige Situation eingeengt. Kein depressives Syndrom, keine akute Eigen- oder Fremdgefährdung. Der neurologische Befund sei unauffällig.

Der Zahnarzt Dr. D. beschreibt in seinem Befundbericht vom 10.10.2016 eine mitochondriale Störung, die in der Folge zu den beschriebenen Symptomen wie Müdigkeit und Energielosigkeit führe. Ebenso sei festgestellt worden, dass eine Störung im Bereich der Hypophysensteuerung vorliege, die in der Folge zu hormonellen Schwankungen und Schlaflosigkeit führe, da die Hypophyse das übergeordnete Steuerungssystem aller im Körper ablaufenden hormonellen Steuerungsebnen sei. Die Folge einer hypophysen Fehlfunktion seien daher die von der Patientin beschriebenen Probleme wie Temperaturmissempfinden, hormonelles Schwitzen und Energielosigkeit. Die Prognose solcher weitreichenden Störungen sei in aller Regel ungünstig.

Die behandelnde Hausärztin und Internistin Dr. C. verweist in ihrem Befundbericht vom 14.09.2016 auf eine beigefügte Epikrise vom 14.09.2014. Bei der Klägerin bestünden danach vordergründig psychosomatische Funktionsstörungen mit chronischer Erschöpfung, Angstzuständen und reaktiver Depression. Besonders belastend seien für die Klägerin aber auch die körperlichen Beschwerden in Form des Fibromyalgiesyndroms, Arthrosen der Gelenke und des Bandscheibenschadens der LWS mit chronischen Schmerzen und Bewegungseinschränkungen. Sie sei kaum noch belastbar und bereits nach kurzen Tätigkeiten erschöpft. Der Versuch einer Therapie des schwerwiegenden Schlafapnoesyndroms, welches mit als Ursache für die Tagessymptomatik angesehen werde, habe abgebrochen werden müssen, da die Klägerin eine Intoleranzreaktion gezeigt habe. Die bestehende Muskel- und Gelenkproblematik trage wesentlich dazu bei, dass die Klägerin eine Depression entwickelt habe, welche wiederum die körperlichen Beschwerden sowie auch die Schlafprobleme weiterhin triggere. Aus hausärztlicher Sicht sei die Klägerin nach wie vor als arbeitsunfähig anzusehen.

Der Facharzt für Innere Medizin und Naturheilverfahren Dr. F. berichtet in seinem Befundbericht vom 12.02.2017, dass die Klägerin lediglich vom 16.05.2011 bis 11.01.2012 dort in ambulanter Behandlung gewesen sei. Beigefügt waren die an das SG bereits übersandten Abschluss- und Laborkontrollberichte.

Zu den Berichten hat die Beklagte durch Prüfarzt Dr. S. am 06.03.2017 Stellung genommen. Darin wird darauf hingewiesen, dass die von der Hausärztin aufgelisteten Diagnosen in erster Linie Symptombeschreibungen seien, die sich weitgehend nicht verifizieren ließen. Unter anderem werde ein Asthma bronchiale beschrieben, ohne dass ein typischer beweisender Atemtest vorgelegt werde. Im Rahmen von zwei Spirometrien sei kein Hinweis auf eine signifikante Gasaustauschstörung sowie kein Hinweis für eine Limitierung der Atemmechanik beschrieben worden. Der festgestellte Bluthochdruck lasse sich überhaupt nicht nachvollziehen. Im Zeitraum zwischen dem 07.05.2015 und 10.08.2016 seien acht Werte dokumentiert, die ohne antihypertensive Therapie bis auf einen leicht erhöhten diastolischen Wert am 07.05.2015 normwertig seien. Der Bericht des behandelnden Zahnarztes wiederhole die angegebene subjektive Symptomatik der Klägerin und versteige sich in Spekulationen über Fehlfunktionen der Hypophyse. Beweisende Hormonspiegel seien dem Schriftstück des Zahnarztes nicht beigefügt. Die weiteren Berichte eines Internisten, der die Klägerin vom 16.05.2011 bis 11.01.2012 behandelt habe, sowie der nervenärztliche Bericht seien bereits bei der Begutachtung durch das SG mitberücksichtigt gewesen.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat zur prüfärztlichen Stellungnahme der Beklagten mit Schriftsatz vom 19.05.2017 erwidert und darauf hingewiesen, dass die Beklagte den „Hauptbeschwerdenverursacher“, die Erschöpfungserkrankung CFS-G93.3 nicht erwähnt habe. Der Zahnarzt Dr. D. habe im Übrigen viele Zusatzausbildungen absolviert und kenne sich sehr wohl zu den Themen aus, die er in seinem Attest beschrieben habe. Es werde im Übrigen auf ein Verfahren mit dem Az. S 11 R 4017/15 beim Sozialgericht Regensburg aufmerksam gemacht. Der Senat solle sich mit dem dortigen Richter in Verbindung setzen und sich dort erkundigen. Das CFS-G93.3 sollte nun endlich nach Jahrzehnten, während der internationale Forschungsergebnisse durch deutsche Behörden usw. ignoriert worden seien, als das angenommen werden, was es sei, nämlich eine chronische neuroimmunologische Multisystemerkrankung, die mit schweren körperlichen Einschränkungen einhergehe. Sie sei charakterisiert durch eine lähmende körperliche und geistige Erschöpfung sowie zahlreiche weitere Symptome. Weltweit sei dieser Sachverhalt völlig klar, nur im deutschsprachigen Bereich in Mitteleuropa verstehe man das nicht.

Mit Schriftsatz vom 21.11.2017 weist der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nochmals darauf hin, dass neueste medizinische Erkenntnisse dahingehend bestünden, dass es nicht nur ein psychisches, sondern auch ein körperliches Erschöpfungssyndrom gebe, das dazu führe, dass schon bei geringsten körperlichen Anstrengungen Kraftlosigkeit eintrete, die nicht willentlich zu überwinden sei. In Kombination mit einer - wie bei der Klägerin vorliegenden - mitochondrialen Störung komme es auch zu einer Schädigung des Gehirns. Das körperliche Erschöpfungssyndrom, das unter der ICD-10 Klassifizierung G 93.3 zu erfassen sei, sei durch die von Dr. C. durchgeführte Spiroergometrie (vom 14.09.2015) nachgewiesen. Es gebe für die Betroffenen kaum Hilfe, es existiere nur ein bislang in Deutschland noch nicht zugelassenes Medikament, was auch noch erhebliche Nebenwirkungen habe, aber eben auch zu einem Verschwinden der Beschwerden führe. Dieses Medikament „Rituximab“ sei kein „Psychopharmakum“ (gemeint ist Psychopharmakon). Da es aber wirksam sei bei CFS - G93.3-Kranken, sei damit belegt, dass es sich um eine körperliche Erkrankung handele. Im Übrigen sei es nicht zutreffend, dass die Klägerin von Dr. C. nicht an einen Fachpsychologen überwiesen worden sei. Sie sei vielmehr zu Dr. E., E-Stadt, dann zu Dr. H., B-Stadt und später zu Dr. E., E-Stadt überwiesen worden. Im Laufe der Zeit habe sich herausgestellt, dass auch von dort nicht habe geholfen werden können und dass die Hausärztin Dr. C. an ihrer Behandlung nichts ändern müsse. Cymbalta nehme die Klägerin nach wie vor ein und egal was die Beklagte in ihrer Stellungnahme vom 06.03.2017 geschrieben habe, es helfe der Klägerin wenigstens etwas.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 11.04.2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14.01.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.11.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin auf ihren Antrag vom 04.05.2009 hin Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung und weiter hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 11.04.2014 zurückzuweisen.

Bezüglich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Rentenakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG).

Sie ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht mit Gerichtsbescheid vom 11.04.2014 die Klage als unbegründet abgewiesen. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 14.01.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.11.2010 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Ein Nachweis einer dauerhaften quantitativen Leistungsminderung ist durch die Klägerin bislang nicht geführt worden.

Gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie

  • 1.teilweise erwerbsgemindert sind,

  • 2.in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Tätigkeit oder Beschäftigung haben und

  • 3.vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes für mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass der Nachweis einer quantitativen Leistungsminderung in Folge der gesundheitlichen Einschränkungen durch die Klägerin nicht geführt wurde. Vielmehr ist aufgrund der vorliegenden Sachverständigengutachten und der vom Senat eingeholten ärztlichen Befundberichte davon auszugehen, dass die Klägerin noch in der Lage ist, sowohl ihre zuletzt versicherungspflichtig ausgeübte Tätigkeit im kaufmännischen Bereich als auch Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Der Senat stützt seine Überzeugung auf die im sozialgerichtlichen Verfahren eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten von Dr. G. auf internistisch/sozialmedizinischem Fachgebiet und von Dr. M. auf neurologisch/psychiatrischem Fachgebiet sowie die vom Senat eingeholten ärztlichen Befundberichten, die im wesentlichen einen unveränderten Befund bei der Klägerin beschreiben. Das Leistungsvermögen der Klägerin ist in qualitativer Hinsicht eingeschränkt. Es sind Einschränkungen hinsichtlich der Schwere der auszuübenden Tätigkeiten zu beachten. So sind der Klägerin nur noch leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung oder überwiegend im Sitzen zumutbar. Nicht möglich sind Tätigkeiten in Zwangshaltungen, insbesondere aber auch nicht nervlich übermäßig belastende Tätigkeiten wie Tätigkeiten mit übermäßigem Zeitdruck, Termindruck, Schichtarbeit, Tätigkeiten an unfallgefährdeten Arbeitsplätzen.

Entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin kommt es für die Beurteilung des rentenrechtlich relevanten Leistungsvermögens der Klägerin weder auf die Diagnoseerstellung als solche an noch auf die Klassifizierung nach ICD-10. Ein Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Erwerbsminderungsrente hängt nicht davon ab, ob der Diagnoseschlüssel F48.0 (Neurasthenie) oder G93.3 (chronisches Müdigkeitssyndrom) für die Erkrankung der Klägerin zutreffend ist oder nicht. Es kommt auch nicht darauf an, ob abstrakt ein bestimmter Prozentsatz von Patienten vermeintlich unter den gleichen Symptomen leidet wie die Klägerin oder wie hoch dieser Prozentsatz ist oder ob nach neuesten medizinisch-wissenschaftlichen Studien neue Wirkungszusammenhänge gesehen werden und ob sich hierzu in der medizinischen Fachliteratur bereits mehrheitliche Ansichten gebildet haben. Entscheidend ist vielmehr, ob unter Berücksichtigung der üblichen Anforderungen der Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ein Versicherter trotz vorliegender Erkrankungen noch mindestens 6 Stunden täglich tätig sein kann, wenn auch unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen. Ob ein derartiges Leistungsvermögen beim Versicherten noch besteht oder nicht, ist nicht anhand der subjektiven Überzeugung des Versicherten festzustellen, sondern durch ärztliche Sachverständige, die die objektiv vorliegenden, aus den gesundheitlichen Erkrankungen folgenden Funktionseinschränkungen für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes festzustellen und subjektive Angaben und Überzeugungen des Versicherten in diesen objektiv festzustellenden Rahmen einzuordnen haben. Anhaltspunkte dafür, dass die tätig gewordenen Sachverständigen dieser Aufgabe nicht gerecht geworden sein könnten, bestehen für den Senat nicht.

Der Leistungseinschätzung von Dr. G. folgt der Senat aus den vergleichbaren Gründen wie das SG nicht. Eine Objektivierung der von der Klägerin geschilderten subjektiven Symptomatik ist dort nicht erfolgt, die von ihm angenommene zeitliche Leistungseinschränkung der Klägerin wird nicht, auch nicht im Verhältnis zu den anderen Gutachtern, dargelegt.

Der Senat sieht im Übrigen auch Widersprüche zwischen dem Gutachten von Dr. G. und den eingeholten ärztlichen Befundberichten. Dr. G. verweist darauf, dass die Fibromyalgie, unter der die Klägerin leide, derzeit keine Bedeutung habe, weil keiner der typischen Fibromyalgie-Druckpunkte auf entsprechende Berührung reagiere. Auch eine depressive Symptomatik der Klägerin wird von ihm eindeutig ausgeschlossen. Dies bestätigt wiederum Dr. E. in seinem Befundbericht vom 07.09.2016. Demgegenüber gibt die behandelnde Hausärztin und Internistin Dr. C. gegenüber dem Senat an, dass insbesondere die somatische Erkrankung Fibromyalgiesyndrom, die Erkrankung der Wirbelsäule sowie die zahlreichen Arthrosen der Klägerin zur Entwicklung einer Depression geführt hätten, die sich wiederum gegenseitig triggerten. Die Klägerin nimmt nach Angaben ihres Prozessbevollmächtigten das Medikament Cymbalta ein, was ihr tatsächlich ein bisschen helfe. Cymbalta ist zur Behandlung von depressiven Erkrankungen, generalisierten Angststörungen und Schmerzen bei diabetischer Polyneuropathie zugelassen. Das vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin benannte Medikament „Rituximab“ gilt hingegen als Wirkstoff zur gezielten Krebstherapie bei Leukämie und Lymphomen und Autoimmunerkrankungen wie rheumatoider Arthritis und ist in Deutschland bislang nicht zugelassen. Teilweise werden erhebliche Nebenwirkungen aufgelistet. Dieses Medikament erhält die Klägerin nicht und eine stationäre Behandlung, in der gegebenenfalls dieses Medikament zum Einsatz kommen könnte, hat bislang nicht stattgefunden. Gleichzeitig wurde mit Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 21.11.2017 darauf hingewiesen, dass die Behandlung, die die Klägerin von ihrer Hausärztin Dr. C. erhalte, nicht zu ändern sei, nachdem eine psychische Komponente der Erkrankung habe ausgeschlossen werden können. Diese Argumentation ist bereits in sich widersprüchlich.

Auch die Reha-Klinik Bad S., in der sich die Klägerin zur Anschlussrehabilitation nach ihrer Wirbelsäulenoperation im Bereich L5/S1 befunden hatte, hatte zwar als Nebendiagnosen eine Fibromyalgie sowie ein Asthma bronchiale als auch diverse Allergien angegeben, aber eben gerade kein chronisches Erschöpfungssyndrom, obwohl dies doch - wie vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin geltend gemacht - im Mittelpunkt der Beschwerden der Klägerin steht und während eines vierwöchigen stationären Aufenthalts offenbar von der Reha-Klinik nicht bemerkt wurde. Leistungseinschränkungen wurden von der Klinik nur im Bereich des Bewegungs- und Haltungsapparates gemacht und angeregt, eine ergonomische Ausgestaltung des Arbeitsplatzes anzustreben. Selbst Schichtarbeit wurde als für die Klägerin zumutbar erachtet.

Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 22.11.2017 nochmals auf die seiner Meinung nach richtige Interpretation von Spiroergometrie-Untersuchungen von Dr. C. im September 2015 hinweist, sind diese Ergebnisse vom Senat durchaus beachtet worden. Hierzu hat bereits der Prüfarzt der Beklagten, Dr. S., in seiner Stellungnahme vom 06.03.2017 zutreffend ausgeführt, dass hieraus eine quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens der Klägerin nicht abgeleitet werden kann. Es hat sich gerade keine signifikante Gasaustauschstörung ergeben und auch kein Hinweis für eine Limitierung der Atemmechanik. Die Beurteilungen vom 20. und 21.07.2015 weisen auch darauf hin, dass unter Belastung ein normaler Sauerstoffpuls festgestellt und eine Optimierung der Bluthochdruckmedikation angeraten wurde.

Im Übrigen ist aus den vorliegenden Sachverständigengutachten durchaus auch ersichtlich, dass die Leistungsfähigkeit der Klägerin nicht so massiv eingeschränkt ist wie sie selbst vorträgt. Vielmehr ist ihren eigenen Angaben gegenüber den Sachverständigen durchaus zu entnehmen, dass sie in der Lage ist, ihren Tagesablauf zu strukturieren, insbesondere dabei auch die Pflegeleistungen und die Betreuung ihrer dementen Mutter zu erbringen und hierbei offensichtlich erhebliche körperliche und psychische Belastungen verkraften zu können. Die Klägerin hatte im Jahr 2008 ihre berufliche Tätigkeit nicht aus zwingenden gesundheitlichen Gründen aufgegeben, sondern zunächst eine berufliche Neuorientierung vornehmen wollen, um ihre berufliche Tätigkeit mit der Pflegebedürftigkeit ihrer Mutter in Einklang zu bringen, die ca. 50 km von ihr entfernt wohnte. Im Jahr 2009 hat die Klägerin jegliche berufliche Tätigkeit aufgegeben, um ihre Mutter zu pflegen. Die Klägerin hat gegenüber den gerichtlichen Sachverständigen angegeben, entweder zehn Tage am Stück bei ihren Eltern die Pflegetätigkeit zu verrichten und anschließend fünf Tage zu Hause zu bleiben bzw. bei Frau Dr. M., sich fünf Tage bei den Eltern zu befinden und anschließend zwei Tage zu Hause zu sein. Sie sei als Pflegeperson eingetragen. Der Sozialdienst komme nicht. Die Mutter sei in Pflegestufe II eingruppiert. Zwischenzeitlich ist die Mutter verstorben. Aus dem von der Beklagten angeforderten aktuellen Versicherungsverlauf vom 21.11.2017 ergibt sich, dass der Klägerin Pflichtbeitragszeiten wegen Pflege seit dem 01.02.2010 durchgehend bis zum 21.05.2016 (Tod der Mutter) zuerkannt sind, was nach § 3 S. 1 Nr. 1a SGB VI einen nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch - SGB XI - anzuerkennenden Pflegeumfang von mindestens 14 Wochenstunden (§§ 19, 44 SGB XI) voraussetzt. Dem in den Akten vorliegenden Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen - MDK - vom 08.03.2010 ist zu entnehmen, dass bereits damals für die Mutter der Klägerin die Pflegestufe II zuerkannt war und keineswegs - wie von ihr in der mündlichen Verhandlung geschildert - lediglich eine leichte Demenz vorgelegen hätte, die lediglich eine „Begleitung“ der Mutter erfordert hätte. Die Klägerin hat gegenüber den ärztlichen Sachverständigen vielmehr angegeben, dort den Haushalt zu führen, einzukaufen, zu kochen, Wäsche zu machen, zu putzen, den Garten zu betreuen und dabei sowohl ihre Mutter als auch ihren Vater, der am 01.02.1929 geboren und als weitere Pflegeperson im MDK-Gutachten mit jeweils - wie die Klägerin - 28 Wochenstunden Pflegeleistung aufgeführt war, aktivierend zu betreuen. Dies setzt zur Überzeugung des Senats durchaus voraus, dass der Klägerin eine Strukturierung dieses Tagesablaufs möglich gewesen und zumindest ein Leistungsvermögen vorhanden war, das eine leichte Tätigkeit unter üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich zugelassen hat.

Vergleichbare Schilderungen, eben die Pflege der Mutter an vier bis fünf Tage pro Woche und ein erhebliches Aktivitätsniveau sind im Gutachten von Dr. G. festgehalten, der sich mit den gestellten Diagnosen durchaus kritisch auseinandersetzt und unter anderem auch den chronischen Erschöpfungszustand bei depressiver Symptomatik als Diagnose benennt. Gleichwohl weist Dr. G. ausdrücklich darauf hin, dass es entscheidend auf das Restleistungsvermögen der Klägerin ankomme und aufgrund des durchschnittlichen Tagesablaufs, den die Klägerin geschildert habe, sei durchaus eine erhebliche Aktivität im täglichen Leben anzunehmen. Bei zumutbarer Willensanstrengung und mit zusätzlicher ärztlicher Hilfe, unter anderem einer antidepressiven Behandlung und einer ambulanten Psychotherapie, sei es der Klägerin möglich, noch mindestens sechs Stunden täglich tätig zu sein. Dr. G. beschreibt die Klägerin als 57-jährige normalgewichtige Frau in äußerlich gutem Allgemeinzustand und Körperzustand. Als psychischen Befund beschreibt er, dass die Klägerin keine gedanklichen Störungen habe, jedoch unübersehbare Somatisierungstendenzen vorlägen, eine leicht depressive Stimmungslage mit Antriebsstörung und erheblicher psychovegetativer Labilität.

Das SG hat sich in seinem Gerichtsbescheid vom 11.04.2014 sehr ausführlich mit der Gutachtenslage auseinandergesetzt. Es hat zunächst für jedes medizinische Fachgebiet die vorhandenen gesundheitlichen Einschränkungen dargelegt und festgestellt, dass diese jeweils lediglich zu qualitativen Leistungseinschränkungen führen. Es hat aber auch in der Gesamtschau dargelegt, dass eine quantitative Leistungsminderung noch nicht vorliegt. Im Hinblick auf das Gutachten von Dr. G. hat das SG zutreffend darauf hingewiesen, dass er bei der Erhebung des psychischen Befundes wesentlich die Angaben der Klägerin zugrunde gelegt hat, insbesondere auch temporäre Beschwerden mit hat einfließen lassen. Zum anderen fehlt es tatsächlich an entsprechenden objektivierbaren Untersuchungen und Testungen der Klägerin, so dass deren Angaben relativ unkritisch übernommen wurden. In seinem Gutachten ist unter anderem von der Klägerin auch darauf hingewiesen worden, dass sie angeblich bereits als Kind im Alter von neun Jahren Erschöpfungssymptome gehabt habe, die sich im Laufe der Pubertät und dann wieder nach der Geburt ihrer zweiten Tochter verschlimmert hätten. Sie hätte sich nur mit vielen Besuchen bei Heilpraktikern und Ärzten soweit aufrechterhalten können, dass sie ihrer Arbeitstätigkeit habe nachgehen und den Haushalt so einigermaßen habe führen können. Diese Angaben der Klägerin stehen aber im Widerspruch zu den Begutachtungen, den Angaben der Krankenkasse über die dort gemeldeten Diagnosen und im Endeffekt stehen sie auch in Widerspruch zu den fehlenden Behandlungen des psychosomatischen Schmerzgeschehens. Sie stehen aber auch insbesondere in Widerspruch zu den eigenen Angaben der Klägerin im Hinblick auf die Versicherungspflicht als Pflegeperson und den Angaben gegenüber dem MDK.

Aufgrund der vorliegenden Sachverständigengutachten ist ferner darauf hinzuweisen, dass eine leitliniengerechte Behandlung des Schmerzgeschehens bislang nicht erfolgt ist und weitere Behandlungsoptionen aufgezeigt wurden, die die Klägerin wohl aber nicht ergreifen möchte. Behandlungsvorschläge werden mit Hinweis auf frühere negative Erfahrungen abgelehnt. Einerseits fühlt sich die Klägerin fit genug zum Fahrradfahren, andererseits wird der Vorschlag Reha-Sport aber abgelehnt, weil sie dies früher schon einmal ohne Erfolg versucht habe. Die verordnete Schlafmaske, die von Dr. C. als notwendig zur Bekämpfung von Tagesmüdigkeit erachtet wird, wird von der Klägerin nicht vertragen. Ob andere Maskenbeatmung oder eine sonstige Behandlung versucht wurde, lässt sich den Befunden nicht entnehmen. Der Hinweis der ärztlichen Sachverständigen auf Durchführung einer leitliniengerechten Behandlung des Schmerzgeschehens wird aufgrund der vorübergehend wahrgenommenen nervenärztlichen Behandlung dauerhaft abgelehnt, obwohl die Klägerin einen erheblichen Leidensdruck geltend macht. Die gerichtlichen Sachverständigen haben insoweit auch Inkonsistenzen zwischen der Beschwerdeschilderung der Klägerin und den ergriffenen Behandlungsmaßnahmen dargelegt.

Der Senat sieht aufgrund der eingeholten ärztlichen Befundberichte und der oben aufgezeigten Gründe auch keine Veranlassung, ein weiteres Gutachten von Amts wegen nach § 106 SGG einzuholen. Auf den Vorschlag des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, dass der Senat sich bei einem anderen Gericht erkundigen möge, „wie mit dem CFS umzugehen sei“, braucht nicht weiter eingegangen zu werden.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI, weil ihr nach den Gutachten von Dr. M. und Dr. G. eine Tätigkeit aus dem Berufskreis als kaufmännische Angestellte bzw. Bürokraft noch mindestens 6 Stunden täglich unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen zumutbar ist. Im Übrigen kommt ihr kein Berufsschutz als Facharbeiterin nach dem Mehrstufenschema des Bundessozialgerichts zu (BSGE 55, 45, 46 f.).

Nach alledem war die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 11.04.2014 als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Nrn. 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.

Tenor

1. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Rostock vom 9. Juli 2010 - 5 U 219/09 - sowie das Urteil des Landgerichts Rostock vom 14. Oktober 2009 - 10 O 315/07 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem grundrechtsgleichen Recht aus Artikel 103 Absatz 1 des Grundgesetzes. Die Entscheidungen werden aufgehoben. Der ebenfalls angegriffene Beschluss des Oberlandesgerichts Rostock vom 1. September 2010 - 5 U 219/09 - wird damit gegenstandslos. Die Sache wird an das Landgericht Rostock zurückverwiesen.

2. ...

3. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 7.000 € (in Worten: siebentausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist eine Streitigkeit aus dem Arzthaftungsrecht.

2

1. Der Beschwerdeführer hatte sich durch die Beklagten des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Beklagte) an der Bandscheibe operieren lassen. Nach der Operation wurde festgestellt, dass hierbei offenbar ein Bauchmuskelnerv durchtrennt worden war. Der Beschwerdeführer machte hierauf vor dem Landgericht einen Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 10.000 € geltend.

3

Das Landgericht holte ein Sachverständigengutachten ein. Der Beschwerdeführer beantragte nach Vorlage des Gutachtens, den Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung des Gutachtens zu laden; die Frage, ob die Durchtrennung eines bestimmten Nervs für die Operation notwendig gewesen sei, habe der Sachverständige nicht beantwortet. Das Landgericht kam dem Antrag nicht nach und wies die Klage nach mündlicher Verhandlung ab. Zur Begründung führte es insoweit aus, dass das Recht auf mündliche Anhörung des Sachverständigen nicht grenzenlos gelte. Zwar müsse die Partei keine konkreten Fragen formulieren; nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Hinweis auf BGHZ 24, 9 <14 f.>) sei genügend, aber auch erforderlich, dass die Partei allgemein die Richtung angebe, in die eine weitere Aufklärung herbeigeführt werden solle. Das habe der Beschwerdeführer nicht beachtet.

4

Hiergegen legte der Beschwerdeführer Berufung ein, die das Oberlandesgericht nach vorherigem Hinweis mit Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückwies. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, dass die Durchtrennung der Nervenfasern ausweislich des durch das Landgericht eingeholten Sachverständigengutachtens in einzelnen Fällen aufgrund anatomischer Varianten nicht vermeidbar und damit nicht schuldhaft erfolgt sei. Der Einwand des Beschwerdeführers, der Sachverständige habe sich nicht mit der Frage beschäftigt, ob bei ihm anatomische Besonderheiten vorgelegen hätten, und habe nicht erörtert, ob es nicht naheliegender sei, dass der Operateur den Nerv aufgrund Unachtsamkeit oder Nachlässigkeit durchtrennt habe, mache das Gutachten nicht unvollständig oder gar unbrauchbar. Der Sachverständige habe nicht feststellen können, ob letztlich anatomische Varianten oder eine geringe Resistenz gegenüber Manipulation und Zug zu der Nervenschädigung geführt hätten, dies aber als naheliegende und wahrscheinliche Möglichkeit angesehen.

5

Eine hiergegen erhobene Anhörungsrüge wies das Oberlandesgericht zurück. Zur Begründung führte es aus, dass alle Argumente des Beschwerdeführers berücksichtigt worden seien. Es stelle keinen Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs dar, dass der Senat gemäß § 522 Abs. 2 ZPO von einer mündlichen Verhandlung abgesehen und daher den Sachverständigen nicht angehört habe. Zwar sei richtig, dass die Bindung des Berufungsgerichts an die im ersten Rechtszug festgestellten Tatsachen gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO grundsätzlich entfalle, wenn das Erstgericht dem Antrag einer Partei auf Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen nicht entsprochen habe; auch müsse das Berufungsgericht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Hinweis auf BGH, Beschluss vom 10. Mai 2005 - VI ZR 245/04 -, MDR 2005, S. 1308) in einem solchen Fall dem im zweiten Rechtszug wiederholten Antrag grundsätzlich stattgeben. Im konkreten Fall gelte dies jedoch nicht. Denn trotz des Verfahrensfehlers des Landgerichts bestünden hier keine konkreten Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers könne ausgeschlossen werden, dass eine andere Entscheidung gerechtfertigt wäre. Jegliche Zweifel würden durch die gut nachvollziehbaren Bewertungen des Sachverständigen ausgeräumt.

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2. Gegen die genannten Entscheidungen hat der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde erhoben. Er rügt eine Verletzung seines Rechts auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei einem Antrag einer Partei auf Ladung des Sachverständigen zur Erläuterung seines schriftlichen Gutachtens grundsätzlich zu entsprechen. Dem seien aber weder Landgericht noch Oberlandesgericht nachgekommen. Das Oberlandesgericht habe den Verfahrensfehler des Landgerichts zwar gesehen, diesen aber für unbeachtlich gehalten. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass das Oberlandesgericht nach Anhörung des Sachverständigen zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre.

7

3. Die Verfassungsbeschwerde wurde dem Justizministerium Mecklenburg-Vorpommern sowie den Beklagten zugestellt. Es wurden keine Stellungnahmen abgegeben.

8

4. Die Akte des Ausgangsverfahrens lag der Kammer vor.

II.

9

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des grundrechtsgleichen Rechts des Beschwerdeführers aus Art. 103 Abs. 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG liegen vor. Das Bundesverfassungsgericht hat die hier maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden. Die Verfassungsbeschwerde ist danach offensichtlich begründet.

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1. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem grundrechtsgleichen Recht auf rechtliches Gehör, Art. 103 Abs. 1 GG.

11

a) Art. 103 Abs. 1 GG gebietet, dass sowohl die gesetzliche Ausgestaltung des Verfahrensrechts als auch das gerichtliche Verfahren im Einzelfall ein Maß an rechtlichem Gehör eröffnet, das dem Erfordernis eines wirkungsvollen Rechtsschutzes auch in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten gerecht wird und den Beteiligten die Möglichkeit gibt, sich im Prozess mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten zu behaupten (vgl. BVerfGE 55, 1 <6>; 60, 305 <310>; 74, 228 <233>). Insbesondere haben die Beteiligten einen Anspruch darauf, sich vor Erlass der gerichtlichen Entscheidung zu dem zugrundeliegenden Sachverhalt zu äußern. Dem entspricht die Verpflichtung der Gerichte, Anträge und Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (BVerfGE 67, 39 <41>; 86, 133 <146>).

12

aa) Die nähere Ausgestaltung des rechtlichen Gehörs ist den Verfahrensordnungen überlassen, die im Umfang ihrer Gewährleistungen auch über das von Verfassungs wegen garantierte Maß hinausgehen können. Nicht jeder Verstoß gegen Vorschriften des Verfahrensrechts ist daher zugleich auch eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG. Die Schwelle einer solchen Verfassungsverletzung wird vielmehr erst erreicht, wenn die Gerichte bei der Auslegung oder Anwendung des Verfahrensrechts die Bedeutung und Tragweite des Grundrechts auf rechtliches Gehör verkannt haben (vgl. BVerfGE 60, 305 <310 f.>). Verletzungen einfachrechtlicher Verfahrensvorschriften sind somit im Einzelfall daraufhin zu überprüfen, ob unter Berücksichtigung des Wirkungszusammenhangs aller einschlägigen Normen der betroffenen Verfahrensordnung durch sie das unabdingbare Mindestmaß des verfassungsrechtlich gewährleisteten rechtlichen Gehörs verletzt worden ist (vgl. BVerfGE 60, 305 <311>).

13

bb) Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst grundsätzlich auch die Anhörung gerichtlicher Sachverständiger (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 3. Februar 1998 - 1 BvR 909/94 -, NJW 1998, S. 2273).

14

(1) Nach § 402 ZPO in Verbindung mit § 397 ZPO sind die Parteien berechtigt, dem Sachverständigen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die sie zur Aufklärung der Sache für dienlich erachten. Der Bundesgerichtshof hat daraus in ständiger Rechtsprechung die Pflicht der Gerichte abgeleitet, dem Antrag einer Partei auf mündliche Befragung gerichtlicher Sachverständiger nachzukommen (vgl. BGHZ 6, 398 <400 f.>; BGH, Urteil vom 21. Oktober 1986 - VI ZR 15/85 -, NJW-RR 1987, S. 339 <340>; BGH, Urteil vom 17. Dezember 1996 - VI ZR 50/96 -, NJW 1997, S. 802 <802 f.>). Auf die Frage, ob das Gericht selbst das Sachverständigengutachten für erklärungsbedürftig hält, komme es nicht an. Es gehöre zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs, dass die Parteien den Sachverständigen Fragen stellen, ihnen Bedenken vortragen und sie um eine nähere Erläuterung von Zweifelspunkten bitten können (BGH, Urteil vom 21. Oktober 1986, a.a.O.). Ein Antrag auf Anhörung des Sachverständigen könne allerdings dann abgelehnt werden, wenn er verspätet oder rechtsmissbräuchlich gestellt wurde (BGHZ 35, 370 <371>; BGH, Urteile vom 21. Oktober 1986, a.a.O., und vom 17. Dezember 1996, a.a.O.). Habe das Erstgericht einem Antrag auf mündliche Anhörung des Sachverständigen verfahrensfehlerhaft nicht entsprochen, müsse das Berufungsgericht dem in zweiter Instanz wiederholten Antrag stattgeben (BGH, Beschlüsse vom 10. Mai 2005 - VI ZR 245/04 -, juris, und vom 14. Juli 2009 - VIII ZR 295/08 -, NJW-RR 2009, S. 1361 <1362>).

15

(2) Beachtet ein Gericht diese verfahrensrechtlichen Anforderungen nicht, so liegt darin jedenfalls dann ein Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Anspruch auf rechtliches Gehör, wenn es einen Antrag auf Erläuterung des Sachverständigengutachtens völlig übergeht oder ihm allein deshalb nicht nachkommt, weil das Gutachten ihm überzeugend und nicht weiter erörterungsbedürftig erscheint. Dagegen verlangt Art. 103 Abs. 1 GG nicht, einem rechtzeitigen und nicht missbräuchlichen Antrag auf Anhörung der Sachverständigen ausnahmslos Folge zu leisten. Die mündliche Anhörung des Sachverständigen ist zwar die nächstliegende, aber nicht die einzig mögliche Behandlung eines derartigen Antrags (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 3. Februar 1998, a.a.O.; vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 1991 - VI ZR 234/90 -, NJW 1992, S. 1459 f.).

16

b) Einer Prüfung anhand dieser Maßstäbe halten die angegriffenen Entscheidungen nicht stand.

17

aa) Zwar hat sich das Oberlandesgericht sowohl mit dem Antrag des Beschwerdeführers auf Anhörung des Sachverständigen als auch mit der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eingehend auseinander gesetzt. Letzten Endes ist es dem Antrag jedoch allein deshalb nicht nachgekommen, weil es davon ausging, dass auch bei einer Anhörung die "eindeutigen und auch für die Parteien und das Gericht gut nachvollziehbaren Bewertungen" des Sachverständigen nicht in Frage gestellt worden wären; dies gelte umso mehr, als es sich um eine "für Arzthaftungssachen relativ einfache" Beweisfrage gehandelt habe. Damit hat sich das Oberlandesgericht allein darauf gestützt, dass ihm das Gutachten überzeugend und nicht weiter erörterungsbedürftig erschien.

18

bb) Die Entscheidung des Landgerichts leidet unter dem gleichen Mangel.

19

(1) So wird in der Urteilsbegründung ausgeführt, dass eine Ladung des Sachverständigen zum Termin nicht erforderlich gewesen sei, da "das Gutachten in sich schlüssig und nachvollziehbar" gewesen sei. Dabei verkennt das Landgericht ebenfalls, dass ein Antrag auf Erläuterung des Sachverständigengutachtens in Anbetracht des Rechts auf rechtliches Gehör nicht allein deshalb abgelehnt werden kann, weil ein Gutachten dem Gericht überzeugend und nicht weiter erörterungsbedürftig erscheint.

20

(2) Darüber hinaus geht die Einschätzung des Landgerichts fehl, eine Anhörung des Sachverständigen sei auch deshalb nicht erforderlich gewesen, weil der Beschwerdeführer nicht einmal allgemein angegeben habe, in welche Richtung er durch Fragen eine weitere Aufklärung herbeizuführen wünsche. Tatsächlich hat der Beschwerdeführer vorgetragen, dass der Sachverständige die Frage, ob die Durchtrennung eines Nervs für die Operation erforderlich gewesen sei, nicht beantwortet habe; hieraus lässt sich ohne Weiteres erkennen, dass der Beschwerdeführer in dieser Richtung noch tatsächlichen Aufklärungsbedarf sah. Mithin hat das Landgericht entweder den genannten Vortrag des Beschwerdeführers nicht zur Kenntnis genommen oder nicht erwogen, oder es hat die Voraussetzungen, unter denen einem Antrag auf Anhörung des Sachverständigen nachgekommen werden muss, angesichts der zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs in erheblichem Maße überspannt. In jedem Fall offenbart sich in der Vorgehensweise des Landgerichts eine grundsätzliche Verkennung der Bedeutung und Tragweite des Grundrechts auf rechtliches Gehör.

21

2. Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auch auf dem Grundrechtsverstoß. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es dem Beschwerdeführer in einer mündlichen Anhörung gelungen wäre, das Sachverständigengutachten in Frage zu stellen und damit auch die Überzeugung der Gerichte von dessen Richtigkeit zu erschüttern.

III.

22

Das Urteil des Landgerichts und der die Berufung zurückweisende Beschluss des Oberlandesgerichts sind hiernach gemäß § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben; die Sache ist an das Landgericht zurückzuverweisen. Der die Anhörungsrüge zurückweisende Beschluss des Oberlandesgerichts wird damit gegenstandslos.

23

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG. Der nach § 37 Abs. 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG festzusetzende Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit beträgt 7.000 €. Der Streitwert des Ausgangsverfahrens wurde um 30 % vermindert, da der Ausgangsstreit durch das Verfassungsbeschwerdeverfahren nicht endgültig beigelegt werden kann und die Rechtssache nur Probleme von unterdurchschnittlichem Schwierigkeitsgrad aufwarf (vgl. BVerfGE 79, 365 <371>).

Vor jeder Entscheidung ist den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren; die Anhörung kann schriftlich oder elektronisch geschehen.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Wird schriftliche Begutachtung angeordnet, setzt das Gericht dem Sachverständigen eine Frist, innerhalb derer er das von ihm unterschriebene Gutachten zu übermitteln hat.

(2) Versäumt ein zur Erstattung des Gutachtens verpflichteter Sachverständiger die Frist, so soll gegen ihn ein Ordnungsgeld festgesetzt werden. Das Ordnungsgeld muss vorher unter Setzung einer Nachfrist angedroht werden. Im Falle wiederholter Fristversäumnis kann das Ordnungsgeld in der gleichen Weise noch einmal festgesetzt werden. Das einzelne Ordnungsgeld darf 3 000 Euro nicht übersteigen. § 409 Abs. 2 gilt entsprechend.

(3) Das Gericht kann das Erscheinen des Sachverständigen anordnen, damit er das schriftliche Gutachten erläutere. Das Gericht kann auch eine schriftliche Erläuterung oder Ergänzung des Gutachtens anordnen.

(4) Die Parteien haben dem Gericht innerhalb eines angemessenen Zeitraums ihre Einwendungen gegen das Gutachten, die Begutachtung betreffende Anträge und Ergänzungsfragen zu dem schriftlichen Gutachten mitzuteilen. Das Gericht kann ihnen hierfür eine Frist setzen; § 296 Abs. 1, 4 gilt entsprechend.

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.