Bayerisches Landessozialgericht Endurteil, 20. Juli 2016 - L 15 RF 24/16

bei uns veröffentlicht am20.07.2016

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I.

Die Gegenvorstellung gegen den Beschluss vom 17. Juni 2016, Az.: L 15 RF 20/16, wird als unzulässig verworfen.

II.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

Mit Beschluss vom 17.06.2016, Az.: L 15 RF 20/16, stellte der Senat fest, dass dem Antragsteller wegen des Gerichtstermins am 30.10.2014 keine Entschädigung zustehe. Begründet wurde dies damit, dass der Antragsteller seinen Entschädigungsanspruch nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) an Frau A. abgetreten habe und daher nicht mehr Inhaber des Entschädigungsanspruchs sei.

Mit Telefax vom 11.07.2016 hat der Antragsteller unter anderem Gegenvorstellung gegen den Beschluss vom 17.06.2016 erhoben. Er trägt vor, dass er als mittellose Partei für die Anreise zum Gericht ein Darlehen aufnehmen habe müssen, das mit der gerichtlichen Reiseentschädigung zurückgezahlt werden solle. In einem solchen Fall habe er als mittellose Partei Anspruch auf Entschädigung aus § 257 Bürgerliches Gesetzbuch Buch (BGB), wobei der Anspruch hier in der Freistellung von der Verpflichtung gegenüber der Darlehensgeberin bestehe. Unter Anführung von Kommentarliteratur vertritt er die Ansicht, dass er selbst, dem die Kosten entstanden seien, den Anspruch auf Kostenersatz in Form der Befreiung von der Verbindlichkeit habe. Er sieht

„auch die Rechtsweggarantie des Art. 19 (4) GG unterlaufen, da der mittellose Kläger, der die Reisekosten durch Eingehung einer Verbindlichkeit erlitten hat, dann keinerlei Möglichkeit hätte, diese per eigener Rechtsmitteleinlegung (= Kostenersatz durch die Gerichtskasse an A. und damit Befreiung von der Verbindlichkeit) wieder loszuwerden.“

Er wäre, wenn er den Entschädigungsanspruch nach der Abtretung nicht mehr selbst geltend machen könnte, darauf angewiesen,

„dass die hochbetagte Zeugin A. ein Rechtsmittel im fernen München einlegt - und der Kläger selbst auf der für die Anreise eingegangenen Verbindlichkeiten sitzen bliebe, also für immer überschuldet bliebe, wenn diese sich nicht entschließen würde, selbst auch noch Antrag auf gerichtliche Festsetzung zu stellen.“

Beigezogen worden sind die Akten zum Verfahren mit dem Aktenzeichen L 15 RF 20/16.

II.

Die Gegenvorstellung ist unzulässig, da dem Vorbringen des Antragstellers kein Vortrag zu entnehmen ist, der eine Überprüfung des angegriffenen Beschlusses vom 17.06.2016 mittels der Gegenvorstellung eröffnen würde.

Zur Frage, ob eine Gegenvorstellung nach Einführung der Anhörungsrüge überhaupt noch statthaft ist (verneinend: vgl. Bundesfinanzhof - BFH -,Beschluss vom 29.04.2008, Az.: I B 35-41/08, I B 35/08, I B 36/08, I B 37/08, I B 38/08, I B 39/08, I B 40/08, I B 41/08; Bundesverwaltungsgericht, Beschlüsse vom 05.07.2012, Az.: 5 B 24/12, 5 B 24/12, 5 PKH 5/12, und vom 24.05.2013, Az.: 5 B 36/13, 5 B 36/13 (5 B 29/13); Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen, Beschluss vom 28.08.2014, Az.: Vf. 58-IV-14 (HS), Vf. 59-IV-14 (e.A.); Hartmann, Kostengesetze, 46. Aufl. 2016, § 4 a JVEG, Rdnr. 62; bejahend: BFH, Beschluss vom 01.07.2009, Az.: V S 10/07; eine offensichtliche Unzulässigkeit verneinend: Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluss vom 25.11.2008, Az.: 1 BvR 848/07), hat sich das Bundessozialgericht (BSG) im Beschluss vom 10.07.2013, Az.: B 5 R 185/13 B, wie folgt geäußert:

„Es kann dahinstehen, ob Gegenvorstellungen im sozialgerichtlichen Verfahren nach Einführung der Anhörungsrüge (§ 178a SGG) überhaupt noch statthaft sind (bejahend BVerfG Beschlüsse vom 25.11.2008 - 1 BvR 848/07 - BVerfGE 122, 190, 199 f, 201 f und der 3. Kammer des 2. Senats - 2 BvR 2674/10 - NJW 2012, 1065 sowie BSG SozR 4-1500 § 178a Nr. 3 RdNr. 4; offen lassend BSG Beschluss vom 24.7.2006 - B 1 KR 6/06 BH - Juris RdNr. 1) und der Senat befugt sein könnte, seinen unanfechtbaren Beschluss vom 18.4.2013 ohne gegenläufige gesetzliche Grundlage (vgl. dazu BFH Beschluss vom 1.7.2009 - V S 10/07 - BFHE 225, 310; Neumann, jurisPR-BVerwG 9/2009 Anm 4 unter D.) im Verfahren der Gegenvorstellung mit dem Ziel aufzuheben, die formelle und materielle Rechtskraft (§ 141 Abs. 1 SGG) des angefochtenen Urteils vom 11.6.2012 rückwirkend wieder zu beseitigen, die gemäß § 160a Abs. 4 S 3 SGG kraft Gesetzes mit der Ablehnung der Beschwerde durch das BSG zugunsten der Beklagten eingetreten ist (zur Abänderungsbefugnis als Voraussetzung einer Gegenvorstellung vgl. BVerfG Beschluss vom 25.11.2008 - 1 BvR 848/07 - BVerfGE 122, 190 = NJW 2009, 829, 830 RdNr. 36; BGH Beschlüsse vom 2.2.2004 - II ZR 294/01 - NJW-RR 2004, 574 und vom 24.6.1980 - KZR 12/79 - NJW 1981, 55; BAG Beschluss vom 10.10.2012 - 5 AZN 991/12 (A) - NZA 2013, 167, 168 RdNr. 3; BFH Beschlüsse vom 6.12.2011 - IX S 19/11 - BFH/NV 2012, 438 und vom 28.5.2010 - III S 11/10 - BFH/NV 2010, 1651).

Denn selbst nach dem Recht, das vor Einführung der Anhörungsrüge galt, konnte eine unanfechtbare Entscheidung auf einen außerordentlichen Rechtsbehelf nur geändert werden, wenn diese Entscheidung offensichtlich dem Gesetz widersprach oder grobes prozessuales Unrecht enthielt (vgl. BVerfG SozR 1500 § 62 Nr. 16; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr. 24 und Beschluss vom 24.7.2006, a. a. O.).“

Diese zur Gegenvorstellung im sozialgerichtlichen Verfahren mit Blick auf die im Sozialgerichtsgesetz (SGG) (dort § 178 a) eingeführte Anhörungsrüge getätigten Ausführungen des BSG sind in gleicher Weise auf die Gegenvorstellung in einem kostenrechtlichen Verfahren nach dem JVEG, das in § 4 a JVEG die Anhörungsrüge eröffnet, übertragbar.

Selbst wenn man davon ausgeht, dass durch die Einführung der Anhörungsrüge nicht per se der (außerordentliche) Rechtsbehelf der Gegenvorstellung ausgeschlossen wäre, also eine Gegenvorstellung an sich als statthaft angesehen würde, wäre eine - unterstellte - Abänderungsbefugnis unanfechtbarer Beschlüsse jedenfalls auf Ausnahmefälle beschränkt, in denen „anders nicht zu beseitigendes grobes prozessuales Unrecht“ (vgl. BVerfG, Urteil vom 12.01.1983, Az.: 2 BvR 964/82, und Beschluss vom 08.07.1986, Az.: 2 BvR 152/83; BSG, Beschluss vom 16.02.2001, Az.: B 2 U 52/01 B) im Weg der fachgerichtlichen Kontrolle beseitigt werden soll. Allein mit einer „einfachen“ sachlich-rechtlichen Unrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung kann eine Gegenvorstellung hingegen nicht begründet werden (vgl. BSG, Beschluss vom 10.03.1998, Az.: B 8 KN 4/98 B). Dementsprechend setzt nach der Rechtsprechung des BSG eine statthafte Gegenvorstellung - in Anlehnung an das Darlegungserfordernis im Rahmen der Anhörungsrüge - die Bezeichnung einer Verletzung von Verfahrensgrundrechten oder des Willkürverbots voraus (vgl. BSG, Beschluss vom 25.02.2010, Az.: B 11 AL 22/09 C), wobei die Verletzung von Verfahrensgrundrechten eine andere als die Verletzung rechtlichen Gehörs sein muss (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 19.03.2009, Az.: 12 C 08.3413; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07.05.2014, Az.: L 2 AS 11/14 B).

Bereits an einer solchen Darlegung fehlt es im vorliegenden Fall, so dass die Gegenvorstellung als unstatthaft und damit unzulässig zu verwerfen ist (vgl. BSG, Beschluss vom 10.03.1998, Az.: B 8 KN 4/98 B). Worin ein anders nicht zu beseitigendes grobes prozessuales Unrecht liegen sollte, hat der Antragsteller nicht dargelegt - ein solches ist im Übrigen auch nicht ersichtlich. Der Antragsteller vertritt lediglich eine andere, zudem völlig haltlose Rechtsauffassung als der Senat.

Lediglich zum besseren Verständnis für den Antragsteller, ohne dass dies noch Entscheidungsrelevanz hätte, weist der Senat darauf hin, dass der Antragsteller offenbar ein völlig falsches Bild von den Rechtsfolgen einer Abtretung hat. Insofern kann nur auf § 398 Satz 2 BGB hingewiesen werden, der wie folgt lautet:

„Mit dem Abschluss des Vertrags tritt der neue Gläubiger an die Stelle des bisherigen Gläubigers.“

Der Antragsteller muss die mit der Abtretung verbundenen Rechtsfolgen, die auch einschließen, dass er den abgetretenen Entschädigungsanspruch nicht mehr selbst geltend machen kann, zur Kenntnis nehmen.

Ebenso lediglich zur Information des Antragstellers weist der Senat den Antragsteller darauf hin, dass der Senat über einen „Anspruch auf Entschädigung ... [gemäß] § 257 BGB“ (vgl. Schreiben des Antragstellers vom 11.07.2016) mangels Zuständigkeit nicht entscheiden könnte; eine Entscheidungskompetenz des Senats besteht lediglich für die nach dem JVEG zu gewährende Entschädigung. Für eine Entscheidung über etwaige zivilrechtliche Ansprüche wäre die Zivilgerichtsbarkeit zuständig; ohne einen Verweisungsantrag des Antragstellers spricht der Senat angesichts der unklaren Zielsetzung des Antragstellers aber keine entsprechende Verweisung aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 4 a Abs. 6 JVEG.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bayerisches Landessozialgericht Endurteil, 20. Juli 2016 - L 15 RF 24/16

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bayerisches Landessozialgericht Endurteil, 20. Juli 2016 - L 15 RF 24/16

Referenzen - Gesetze

Bayerisches Landessozialgericht Endurteil, 20. Juli 2016 - L 15 RF 24/16 zitiert 10 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160a


(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 398 Abtretung


Eine Forderung kann von dem Gläubiger durch Vertrag mit einem anderen auf diesen übertragen werden (Abtretung). Mit dem Abschluss des Vertrags tritt der neue Gläubiger an die Stelle des bisherigen Gläubigers.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 178a


(1) Auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten ist das Verfahren fortzuführen, wenn 1. ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und2. das Gericht den Anspruch dieses

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 257 Befreiungsanspruch


Wer berechtigt ist, Ersatz für Aufwendungen zu verlangen, die er für einen bestimmten Zweck macht, kann, wenn er für diesen Zweck eine Verbindlichkeit eingeht, Befreiung von der Verbindlichkeit verlangen. Ist die Verbindlichkeit noch nicht fällig, so

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 141


(1) Rechtskräftige Urteile binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist, 1. die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger,2. im Falle des § 75 Absatz 2a die Personen und im Falle des § 75 Absatz 2b die Versicherungsträger, die einen An

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bayerisches Landessozialgericht Endurteil, 20. Juli 2016 - L 15 RF 24/16 zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).

Bayerisches Landessozialgericht Endurteil, 20. Juli 2016 - L 15 RF 24/16 zitiert 5 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Feb. 2004 - II ZR 294/01

bei uns veröffentlicht am 02.02.2004

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS II ZR 294/01 vom 2. Februar 2004 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 554 b a.F. Ein Nichtannahmebeschluß des Bundesgerichtshofs gemäß § 554 b ZPO a.F. ist einer Gegenvorstellung nicht

Landessozialgericht NRW Beschluss, 07. Mai 2014 - L 2 AS 11/14 B

bei uns veröffentlicht am 07.05.2014

Tenor Die Anhörungsrüge bzw. Gegenvorstellung der Beschwerdeführerin vom 20.12.2013 gegen den Beschluss des Senats vom 19.12.2013 wird als unzulässig verworfen. Kosten sind nicht zu erstatten. 1Gründe: 2Der Senat legt die am 20.12.2013 bei dem Land

Bundessozialgericht Beschluss, 10. Juli 2013 - B 5 R 185/13 B

bei uns veröffentlicht am 10.07.2013

Tenor Die Gegenvorstellung des Klägers gegen den Senatsbeschluss vom 18. April 2013 (B 5 R 395/12 B) wird als unzulässig verworfen.

Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 25. Okt. 2011 - 2 BvR 2674/10

bei uns veröffentlicht am 25.10.2011

Tenor Der Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 7. April 2011 wird aufgehoben. Der B

Bundessozialgericht Beschluss, 25. Feb. 2010 - B 11 AL 22/09 C

bei uns veröffentlicht am 25.02.2010

Tatbestand 1 Der Senat hat die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts (LSG) vom 15. Dezember 2008
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bayerisches Landessozialgericht Endurteil, 20. Juli 2016 - L 15 RF 24/16.

Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 11. Nov. 2016 - L 15 RF 26/16

bei uns veröffentlicht am 11.11.2016

Tenor Die Entschädigung wegen des Erscheinens des Herrn A. beim Gerichtstermin am 30.10.2014 wird auf 218,50 EUR festgesetzt. Gründe I. Die Antragstellerin begehrt aus abgetretenem Recht eine Entschädigung nach

Bayerischer Verfassungsgerichtshof Entscheidung, 12. Apr. 2017 - Vf. 5-VI-16

bei uns veröffentlicht am 12.04.2017

Tenor 1. Die Verfassungsbeschwerde wird abgewiesen. 2. Der Beschwerdeführerin wird eine Gebühr von 750 € auferlegt. Gründe I. Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen – den Verw

Referenzen

Wer berechtigt ist, Ersatz für Aufwendungen zu verlangen, die er für einen bestimmten Zweck macht, kann, wenn er für diesen Zweck eine Verbindlichkeit eingeht, Befreiung von der Verbindlichkeit verlangen. Ist die Verbindlichkeit noch nicht fällig, so kann ihm der Ersatzpflichtige, statt ihn zu befreien, Sicherheit leisten.

Tenor

Die Gegenvorstellung des Klägers gegen den Senatsbeschluss vom 18. April 2013 (B 5 R 395/12 B) wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Verfahren der Gegenvorstellung keine Kosten zu erstatten.

Gründe

1

Der Senat hat die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 11.6.2012 mit Beschluss vom 18.4.2013 als unzulässig verworfen. Mit seiner Gegenvorstellung vom 13.5.2013 begehrt der Kläger, den Senatsbeschluss aufzuheben und die Revision gegen das vorbezeichnete Urteil des LSG zuzulassen.

2

Es kann dahinstehen, ob Gegenvorstellungen im sozialgerichtlichen Verfahren nach Einführung der Anhörungsrüge (§ 178a SGG) überhaupt noch statthaft sind (bejahend BVerfG Beschlüsse vom 25.11.2008 - 1 BvR 848/07 - BVerfGE 122, 190, 199 f, 201 f und der 3. Kammer des 2. Senats - 2 BvR 2674/10 - NJW 2012, 1065 sowie BSG SozR 4-1500 § 178a Nr 3 RdNr 4; offenlassend BSG Beschluss vom 24.7.2006 - B 1 KR 6/06 BH - Juris RdNr 1) und der Senat befugt sein könnte, seinen unanfechtbaren Beschluss vom 18.4.2013 ohne gegenläufige gesetzliche Grundlage (vgl dazu BFH Beschluss vom 1.7.2009 - V S 10/07 - BFHE 225, 310; Neumann, jurisPR-BVerwG 9/2009 Anm 4 unter D.) im Verfahren der Gegenvorstellung mit dem Ziel aufzuheben, die formelle und materielle Rechtskraft (§ 141 Abs 1 SGG) des angefochtenen Urteils vom 11.6.2012 rückwirkend wieder zu beseitigen, die gemäß § 160a Abs 4 S 3 SGG kraft Gesetzes mit der Ablehnung der Beschwerde durch das BSG zugunsten der Beklagten eingetreten ist(zur Abänderungsbefugnis als Voraussetzung einer Gegenvorstellung vgl BVerfG Beschluss vom 25.11.2008 - 1 BvR 848/07 - BVerfGE 122, 190 = NJW 2009, 829, 830 RdNr 36; BGH Beschlüsse vom 2.2.2004 - II ZR 294/01 - NJW-RR 2004, 574 und vom 24.6.1980 - KZR 12/79 - NJW 1981, 55; BAG Beschluss vom 10.10.2012 - 5 AZN 991/12 (A) - NZA 2013, 167, 168 RdNr 3; BFH Beschlüsse vom 6.12.2011 - IX S 19/11 - BFH/NV 2012, 438 und vom 28.5.2010 - III S 11/10 - BFH/NV 2010, 1651).

3

Denn selbst nach dem Recht, das vor Einführung der Anhörungsrüge galt, konnte eine unanfechtbare Entscheidung auf einen außerordentlichen Rechtsbehelf nur geändert werden, wenn diese Entscheidung offensichtlich dem Gesetz widersprach oder grobes prozessuales Unrecht enthielt (vgl BVerfG SozR 1500 § 62 Nr 16; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 24 und Beschluss vom 24.7.2006, aaO). Das jetzige Vorbringen im Schriftsatz vom 7.5.2013 bietet für einen solchen Sachverhalt keinen Anhalt. Der Kläger legt weiterhin nicht dar, warum die Rechtsfolge des § 71 (nicht: § 75) Abs 6 SGG iVm § 53 ZPO im Berufungsverfahren nicht eingetreten sein könnte, obwohl sich seine Betreuerin mit Schriftsatz vom 10.6.2012 aktiv am Verfahren beteiligt hat. Nach diesen Vorschriften steht - auch im sozialgerichtlichen Verfahren - ein Prozessfähiger einem Prozessunfähigen gleich, wenn er im jeweiligen Rechtsstreit durch einen Betreuer (§ 1896 BGB) oder Pfleger vertreten wird. In seinem Aufgabenkreis vertritt der Betreuer den Betreuten gerichtlich und außergerichtlich (§ 1902 BGB), erlangt also die Stellung eines gesetzlichen Vertreters (OLG Karlsruhe Urteil vom 14.10.1998 - 6 U 120/97 - NJW-RR 1999, 1699). Folglich erlischt die Prozessfähigkeit des Betreuten, sobald der Betreuer in den Prozess eintritt (vgl BFH Beschluss vom 21.10.1982 - IV R 113/82 - BFHE 137, 3 und bereits RG Beschluss vom 1.10.1902 - V 191/02 - RGZ 223, 224); die Prozessführung liegt dann allein in den Händen des Betreuers, auch wenn der Betreute - mangels Einwilligungsvorbehalts - an sich voll geschäftsfähig und damit nach § 71 Abs 1 SGG prozessfähig ist(vgl BGH Urteil vom 24.6.1987 - IVb ZR 5/86 - NJW 1988, 49, 51; OLG Hamm Beschluss vom 22.3.1996 - 12 UF 451/95 - FamRZ 1997, 301, 302). Hat sich die Betreuerin aber aktiv am Prozessgeschehen beteiligt und ist durch den damit verbundenen Eintritt in das Verfahren die Prozessfähigkeit des Klägers erloschen, kommt es nicht mehr darauf an, ob er "ausdrücklich erklärt [hat], dass er sich im Berufungsverfahren selbst vertrete". Einen eventuellen "Dissens zwischen Betreutem und Betreuer" regelt § 71 Abs 6 SGG iVm § 53 ZPO in der Weise, dass nur Prozesshandlungen des Betreuers wirksam sind, so dass einander widersprechende Prozesserklärungen - im Interesse eines sachgemäßen Prozessverlaufs(vgl BGH Urteil vom 24.6.1987 - IVb ZR 5/86 - NJW 1988, 49, 51; OLG Hamm Beschluss vom 22.3.1996 - 12 UF 451/95 - FamRZ 1997, 301, 302) - ausgeschlossen sind (vgl BFH Beschluss vom 21.10.1982 - IV R 113/82 - BFHE 137, 3). Eine Klärung "durch das Betreuungsgericht" kommt damit von vornherein nicht in Betracht. Es ist daher nicht erkennbar, dass dem Kläger durch den Senatsbeschluss vom 18.4.2013 grobes prozessuales Unrecht widerfahren sein könnte. Auch legt der Kläger keine rechtlich bedeutsamen Umstände dar, die die erste PKH-Ablehnungsentscheidung des LSG als sachgrundlosen Willkürakt erscheinen lassen und den angegriffenen Senatsbeschluss im dargestellten Sinne als offenkundig unrichtig oder grob prozessrechtswidrig erschüttern könnten. Keinesfalls kommt es darauf an, ob "der Kläger davon ausgeht, dass das LSG eben gerade keine substantiierte Grundlage für seine Einschätzung hatte". Stattdessen ist allein maßgebend, ob die Entscheidung des LSG - wie der Senat im angefochtenen Beschluss betont hat - "unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist".

4

Dieser Beschluss ergeht in entsprechender Anwendung des § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter.

5

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.

(1) Auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten ist das Verfahren fortzuführen, wenn

1.
ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und
2.
das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung findet die Rüge nicht statt.

(2) Die Rüge ist innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.

(3) Den übrigen Beteiligten ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(4) Ist die Rüge nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Form oder Frist erhoben, so ist sie als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.

(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies aufgrund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können. Für den Ausspruch des Gerichts ist § 343 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden.

(6) § 175 Satz 3 ist entsprechend anzuwenden.

Tenor

Der Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 7. April 2011 wird aufgehoben.

Der Beschluss des Landgerichts Darmstadt vom 14. Oktober 2010 - 3 Qs 629/10 - und der Beschluss des Amtsgerichts Darmstadt vom 27. Oktober 2009 - 25 Gs - 121 Js 48519/09 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 13 Absatz 1 des Grundgesetzes. Die Beschlüsse werden aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Darmstadt zurückverwiesen.

...

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen eine strafprozessuale Durchsuchungsanordnung für die Wohnräume des Beschwerdeführers.

I.

2

1. Der Beschwerdeführer ist Waffensammler. Mit Bescheid vom 23. März 2009 widerrief die zuständige Waffenbehörde die waffenrechtliche Erlaubnis des Beschwerdeführers wegen fehlender Zuverlässigkeit. Dem Beschwerdeführer wurde aufgegeben, die Erlaubnisurkunden unverzüglich, spätestens am 31. August 2009, zurückzugeben und die eingetragenen Waffen der Waffenbehörde zu übergeben oder nachweislich unbrauchbar zu machen. Anderenfalls erfolge eine Einziehung und Verwertung der Waffen und der Munition. Der Beschwerdeführer legte am 26. April 2009 Widerspruch ein und erhob sodann Anfechtungsklage. Darüber hinaus stellte er gemäß § 80 Abs. 5 VwGO einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs. Für den Zeitraum bis zur Entscheidung über den Antrag im vorläufigen Rechtsschutzverfahren sah die Behörde von der Vollziehung des Widerrufsbescheids ab.

3

2. In der Zeit vom 31. März 2009 bis zum 18. August 2009 erwarb der Beschwerdeführer unter Verwendung der ihm belassenen Sammler-Waffen-besitzkarten zehn und veräußerte vier Schusswaffen. Er zeigte den jeweiligen Erwerb beziehungsweise Verkauf der Behörde an. Die Waffenbehörde trug jeweils den gemeldeten Waffenerwerb beziehungsweise -verkauf in die Sammler-Waffenbesitzkarte ein. Am 29. September 2009 erstattete die Waffenbehörde Strafanzeige gegen den Beschwerdeführer wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz und fügte die jeweiligen Erwerbs- und Verkaufsanzeigen des Beschwerdeführers bei. Mit Verfügung vom 21. Oktober 2009 beantragte die Staatsanwaltschaft die Durchsuchung der Wohnung des Beschwerdeführers.

4

3. Mit dem angegriffenen Beschluss vom 27. Oktober 2009 ordnete das Amtsgericht die Durchsuchung der Wohnung des Beschwerdeführers wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Waffengesetz (§ 52 Abs. 1 Nr. 2b und c, Abs. 3 Nr. 2a WaffG) an. Es sei zu erwarten, dass die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln führen werde, nämlich erlaubnispflichtigen Waffen, Munition beziehungsweise Sprengstoffen, die der Beschwerdeführer mutmaßlich in Besitz habe. Des Weiteren diene die Durchsuchung der Sicherstellung von Kaufunterlagen über den mutmaßlichen Erwerb beziehungsweise Verkauf von Waffen in der Zeit nach dem Widerruf.

5

4. Die Durchsuchung fand am 1. und 2. Dezember 2009 statt.

6

5. Gegen den Durchsuchungsbeschluss legte der Beschwerdeführer am 23. August 2010 Beschwerde ein. Es hätte einer Durchsuchung nicht bedurft, da die Waffenbehörde rechtswidrig die Eintragung in der Waffenbesitzkarte vorgenommen habe und der Besitz der Waffen in den Akten der Waffenbehörde eingetragen sei. Die Behörde habe dem Beschwerdeführer rechtswidrig den Waffenerwerb ermöglicht. Die Behörde habe auch nur die von ihr eingetragenen Waffen auffinden können.

7

6. Das Verwaltungsgericht lehnte am 27. August 2010 den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ab und wies auch die Klage des Beschwerdeführers ab.

8

7. Mit dem angegriffenen Beschluss vom 14. Oktober 2010, dem Beschwerdeführer zugegangen am 22. Oktober 2010, verwarf das Landgericht die Beschwerde. Der angefochtene Beschluss genüge den gesetzlichen Anforderungen. Aufgrund der Strafanzeige der Behörde hätten zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorgelegen, dass der Beschwerdeführer sich eines Verstoßes gegen § 52 Abs. 1 Nr. 2 b und c, Abs. 3 Nr. 2 a WaffG schuldig gemacht habe. Das Beschwerdevorbringen rechtfertige keine andere Entscheidung. Die Durchsuchungsmaßnahmen hätten nicht nur dem Auffinden und Sicherstellen von Waffen als Beweismittel, sondern auch der Sicherstellung der aufgefundenen Waffen zur Einziehung im Strafverfahren gemäß § 54 WaffG sowie der Sicherstellung von Kaufunterlagen über den Erwerb beziehungsweise Verkauf von Waffen in der Zeit nach Widerruf der Waffenbesitzkarten gedient.

9

8. Am 17. April 2011 erhob die Staatsanwaltschaft gegen den Beschwerdeführer Anklage beim Schöffengericht wegen mehrerer Verstöße gegen das Waffengesetz.

II.

10

1. Der Beschwerdeführer rügt mit der Verfassungsbeschwerde die Verletzung von Art. 13 Abs. 1 GG. Er wendet sich gegen die Annahme eines für die Durchsuchung ausreichenden Verdachtsgrads und macht in diesem Zusammenhang geltend, dass der Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis noch nicht bestandskräftig gewesen sei und die Verwaltungsbehörde sich bereit erklärt habe, mit der Vollziehung bis zu einer Entscheidung im Eilverfahren zuzuwarten. Dies sei Staatsanwaltschaft und Polizei bekannt gewesen. Der Beschwerdeführer habe im Vertrauen auf den Ausgang des Eilverfahrens beim Verwaltungsgericht noch weiterhin Gebrauch von seiner Waffenbesitzkarte gemacht.

11

Ferner sei die Durchsuchungsmaßnahme nicht zur Beweiserhebung geeignet gewesen. Die Beweismittel seien der Behörde nicht nur in der Sache bekannt, sondern von dem Beschwerdeführer bereits selbst zugänglich gemacht worden. Die Durchsuchung habe nichts Neues zu Tage fördern können, da der Beschwerdeführer jeden Waffenerwerb der zuständigen Behörde vollständig und beweiskräftig gemeldet habe. Der Durchsuchungsantrag hätte darlegen müssen, dass trotz der freiwilligen Herausgabe gerade der zusätzliche Grundrechtseingriff in Form der Anordnung einer Durchsuchung geboten und verhältnismäßig ist, um Beweise zu sichern. In dem vorliegenden Fall sei die Besonderheit zu berücksichtigen, dass aufgrund der § 10 Abs. 1a, § 23, § 34 Abs. 2 WaffG der Waffenverkehr lückenlos dokumentiert und urkundlich erfasst sei. Der Beschwerdeführer habe die Meldevorschriften genau eingehalten. Ein Verdacht, er hätte weitere Waffenankäufe unbekannt und ohne Meldung an die Behörde getätigt, habe zu keinem Zeitpunkt bestanden.

12

Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass die Behörde alle Erwerbsmeldungen und den nachfolgenden Waffenbesitz durch die Eintragung in der jeweils vorgelegten Sammler-Waffenbesitzkarte legalisiert habe. Zu keinem Zeitpunkt habe sie den Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass der Erwerb aus ihrer Sicht nicht statthaft sei.

13

Die Sicherstellung zum Zwecke der Einziehung sei keine tragfähige Erwägung, da es keinerlei Hinweise gegeben habe, dass der Beschwerdeführer in der Vergangenheit versucht habe, Waffen vor Behörden zu verbergen. Zudem habe der Beschwerdeführer keine Möglichkeit gehabt, die Waffen heimlich wegzuschaffen oder zu veräußern, da der Verkaufsweg durch die Meldepflichten von Käufer und Verkäufer stets dokumentiert sei. Als milderes Mittel habe der Beschwerdeführer zunächst zur freiwilligen Herausgabe aufgefordert werden müssen.

14

2. Die Original-Verfassungsbeschwerde ging beim Bundesverfassungsgericht am 23. November 2010 ein. Ein vorangegangener Eingang der Verfassungsbeschwerde per Telefax - wie in der Verfassungsbeschwerde angegeben - wurde nach Prüfung des Faxbuches nicht festgestellt. Die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts nahm die Verfassungsbeschwerde mit Beschluss vom 7. April 2011 nicht zur Entscheidung an, weil diese nicht innerhalb der Beschwerdefrist eingelegt worden sei. Der Beschwerdeführer beantragte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Glaubhaftmachung übersandte der Beschwerdeführer eine Ablichtung seines Faxausgangsbuches vom 22. Novem-ber 2010. Im Rahmen einer Prüfung des Faxjournals des Bundesverfassungsgerichts wurde sodann festgestellt, dass von dem Bevollmächtigten des Beschwerdeführers am 22. November 2010 um 17.36 Uhr ein 33-seitiges - nicht mehr auffindbares - Telefax bei Gericht eingegangen war.

III.

15

Die Hessische Staatskanzlei hat über die Wiedergabe des Sachverhalts hinaus keine Stellungnahme abgegeben. Dem Bundesverfassungsgericht haben die Akten 121 Js 48519/09 der Staatsanwaltschaft Darmstadt vorgelegen.

B.

16

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt ist (§ 93b i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine stattgebende Entscheidung der Kammer sind gegeben. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen zu Art. 13 Absatz 1 GG hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG.

I.

17

1. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Der Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers ist als Gegenvorstellung gegen den Nichtannahmebeschluss vom 7. April 2011 auszulegen (vgl. BVerfGE 19, 88 <91>), die unter den vorliegenden besonderen Umständen auch begründet ist. Wenn nämlich die Rechtskraft einer Entscheidung aufgrund eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen unverschuldeter Versäumung der Einlegungs- und Begründungsfrist durchbrochen werden kann (vgl. § 93 Abs. 2 BVerfGG), so muss dies erst recht möglich sein, wenn das Gericht seine bisherige Entscheidung in der unzutreffenden Annahme einer Fristversäumung getroffen hat, die tatsächlich nicht vorliegt, und der Beschwerdeführer aus diesem Grunde eine Überprüfung begehrt.

18

2. Dementsprechend ist der Kammerbeschlusses vom 7. April 2011 aufzuheben.

II.

19

Die Verfassungsbeschwerde ist auch begründet. Die Beschlüsse des Amts- und des Landgerichts verletzen den Beschwerdeführer in seinem Recht aus Art. 13 Abs. 1 GG.

20

1.a) Art. 13 Abs. 1 GG garantiert die Unverletzlichkeit der Wohnung. Sinn der Garantie ist die Abschirmung der Privatsphäre in räumlicher Hinsicht. Damit wird dem Einzelnen zur freien Entfaltung der Persönlichkeit ein elementarer Lebensraum gewährleistet. In seinen Wohnräumen hat er das Recht, in Ruhe gelassen zu werden (vgl. BVerfGE 27, 1 <6>; 51, 97 <107>). In diese grundrechtlich geschützte Lebenssphäre greift eine Durchsuchung schwerwiegend ein (vgl. BVerfGE 96, 27 <40>; 103, 142 <150 f.>).

21

b) Das Gewicht des Eingriffs verlangt als Durchsuchungsvoraussetzung Verdachtsgründe, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen. Ein Verstoß gegen diese Anforderung liegt vor, wenn sich sachlich zureichende plausible Gründe für eine Durchsuchung nicht mehr finden lassen (vgl. BVerfGE 44, 353 <371 f.>; 59, 95 <97>). Es ist zu verlangen, dass ein dem Beschuldigten angelastetes Verhalten geschildert wird, das den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt. Die wesentlichen Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes, die die Strafbarkeit des zu subsumierenden Verhaltens kennzeichnen, müssen berücksichtigt werden (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 7. September 2006 - 2 BvR 1219/05 -, NJW 2007, S. 1443, und vom 5. Mai 2008 - 2 BvR 1801/06 -, NJW 2008, S. 2422 <2423>).

22

c) Die Durchsuchung bedarf vor allem einer Rechtfertigung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie muss im Blick auf den bei der Anordnung verfolgten gesetzlichen Zweck erfolgversprechend sein. Ferner muss gerade diese Zwangsmaßnahme zur Ermittlung und Verfolgung der vorgeworfenen Tat erforderlich sein; das ist nicht der Fall, wenn andere, weniger einschneidende Mittel zur Verfügung stehen. Schließlich muss der jeweilige Eingriff in angemessenem Verhältnis zu der Schwere der Tat und der Stärke des Tatverdachts stehen (vgl. BVerfGE 96, 44 <51>).

23

2. Weder die Begründung des Durchsuchungsbeschlusses noch die Beschwerdeentscheidung lassen erkennen, dass die von Verfassungs wegen zu fordernden Voraussetzungen einer Wohnungsdurchsuchung gegeben waren.

24

Es ist nicht ersichtlich, dass die Fachgerichte in nachvollziehbarer Weise vom Vorliegen des subjektiven Tatbestandes des Verstoßes gegen das Waffengesetz ausgegangen sind. Zum objektiven Tatbestand gehört unter anderem das Erwerben, Besitzen oder Führen von Schusswaffen ohne die erforderliche Erlaubnis. Der Vorsatz des Täters muss sich mithin auf das Fehlen der erforderlichen Erlaubnis erstrecken. Im vorliegenden Fall hätte für Amtsgericht und Landgericht Anlass bestanden, sich mit dieser Frage auseinanderzusetzen. Die Ordnungsbehörde hat trotz des Entzugs der waffenrechtlichen Erlaubnis Erwerbs- und Veräußerungsanzeigen des Beschwerdeführers entgegengenommen und eine Vielzahl von neu erworbenen Waffen auf dessen Waffenbesitzkarte eingetragen. Angesichts des Umstandes, dass der Beschwerdeführer verpflichtet war, diese Waffenbesitzkarten unverzüglich, spätestens bis zum 31. August 2009, zurückzugeben, erscheint es nicht nachvollziehbar, dass die Behörde den Beschwerdeführer nicht nur nicht darauf hingewiesen hat, dass er nunmehr keine Waffen mehr erwerben darf, sondern diese auch noch eingetragen hat. Es erscheint daher nicht fernliegend, dass der Beschwerdeführer bis zum Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens von einer weiterbestehenden Erlaubnis ausgegangen sein könnte. Dazu hätten sich die Fachgerichte jedenfalls verhalten müssen.

25

3. Ob das in den angegriffenen Beschlüssen geschilderte Verhalten des Beschwerdeführers einen anderen als den dort angegebenen Tatbestand erfüllt, braucht nicht näher geprüft zu werden. Durchsuchungsbeschlüsse nach Art. 13 Abs. 2 GG, § 105 StPO müssen den gesetzlichen Tatbestand, auf dessen Verwirklichung sich der Verdacht richtet, selbst benennen. Nur wenn der zur Kontrolle des Eingriffs berufene Richter sich den in Frage kommenden Straftatbestand vergegenwärtigt, kann die Verhältnismäßigkeit vollständig geprüft werden, weil die Zumutbarkeit des Eingriffs auch von der Schwere der vorgeworfenen Tat abhängt, für die die Strafdrohung von wesentlicher Bedeutung ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 7. September 2006 - 2 BvR 1219/05 -, NJW 2007, S. 1443-1444). Vorliegend haben die Fachgerichte den Verdacht eines vorsätzlichen Verstoßes gegen das Waffengesetz für gegebenen erachtet. Soweit - im Hinblick auf Zweifel am subjektiven Tatbestand - auch eine fahrlässige Tatbegehung (§ 52 Abs. 4 WaffG) in Betracht käme, würde es jedenfalls an der erforderlichen gerichtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung fehlen. Denn bei einem vorsätzlichen Verstoß sieht § 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b WaffG eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, bei der fahrlässigen Begehung jedoch lediglich eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe als Strafdrohung vor.

III.

26

Die Entscheidung über die Aufhebung und Zurückverweisung beruht auf § 95 Abs. 2 BVerfGG.

IV.

27

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

(1) Rechtskräftige Urteile binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist,

1.
die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger,
2.
im Falle des § 75 Absatz 2a die Personen und im Falle des § 75 Absatz 2b die Versicherungsträger, die einen Antrag auf Beiladung nicht oder nicht fristgemäß gestellt haben.

(2) Hat der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend gemacht, so ist die Entscheidung, daß die Gegenforderung nicht besteht, bis zur Höhe des Betrags der Rechtskraft fähig, für den die Aufrechnung geltend gemacht worden ist.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZR 294/01
vom
2. Februar 2004
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO § 554 b a.F.
Ein Nichtannahmebeschluß des Bundesgerichtshofs gemäß § 554 b ZPO a.F.
ist einer Gegenvorstellung nicht zugänglich.
BGH, Beschluß vom 2. Februar 2004 - II ZR 294/01 - OLG Rostock
LG Rostock
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 2. Februar 2004 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die Richter Prof. Dr. Goette,
Kraemer, Dr. Graf und Dr. Strohn

beschlossen:
Die Gegenvorstellung der Klägerin gegen den Senatsbeschluß vom 27. Oktober 2003 wird zurückgewiesen.

Gründe:


I. Die Klägerin hat mit ihrer Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) die Einwendung der Erfüllung des rechtskräftig titulierten Anspruchs der beklagten GmbH auf Einzahlung einer Stammeinlage von 637.500,00 DM geltend gemacht. Nachdem die Parteien in erster Instanz den Rechtsstreit in Höhe eines Teilbetrages von 175.000,00 DM (nebst Zinsen) für erledigt erklärt hatten, hat das Landgericht durch Urteil vom 30. Juni 1999 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 9. November 1999 die Zwangsvollstreckung aus dem angegriffenen Titel in Höhe der restlichen 462.500,00 DM (nebst Zinsen) für unzulässig erklärt und über die Kosten des für erledigt erklärten Teils der Klage gemäß § 91 a ZPO entschieden. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht den noch streitigen Erfüllungseinwand der Klägerin nur in Höhe von 348.905,92 DM für durchgreifend erachtet, gleichwohl aber die
Zwangsvollstreckung in Höhe von insgesamt 523.905,92 DM für unzulässig erklärt , wobei es zur "Klarstellung" den für erledigt erklärten Teil der Klage in Höhe von 175.000,00 DM einbezogen hat, weil insoweit eine weitere Vollstreckung nicht erfolgen könne. Mit ihrer Revision hat die Klägerin die Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung aus dem Titel auch in Höhe des noch verbliebenen Teilbetrages von 113.594,08 DM erstrebt. Der Senat hat durch Beschluß vom 27. Oktober 2003 die Revision nicht angenommen (§ 554 b ZPO a.F.), weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung habe und der Klägerin durch das zweitinstanzliche Urteil bereits mehr zugesprochen worden sei, als ihr nach dem Prozeßverlauf habe zuerkannt werden dürfen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit einer "Gegenvorstellung".
II. Die Gegenvorstellung bleibt erfolglos.
1. Erfolg kann die Gegenvorstellung der Klägerin schon deshalb nicht haben, weil das angefochtene Urteil mit dem Nichtannahmebeschluß des Senats vom 27. Oktober 2003 rechtskräftig geworden ist und eine Überprüfung des Senatsbeschlusses mit dem Ziel seiner Änderung darauf hinausliefe, die Rechtskraft des angefochtenen Urteils rückwirkend zu beseitigen. Das ist nicht zulässig (vgl. BGH, Beschl. v. 24. Juni 1980 - KZR 12/79, NJW 1981, 55). Die Behauptung der Klägerin, der Senatsbeschluß verstoße gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2, Art. 2, 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 GG, ändert daran nichts. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht im Beschluß vom 30. April 2003 (1 PBvU 1/02, NJW 2003, 1924) dem Gesetzgeber aufgegeben, bis zum 31. Dezember 2004 eine umfassende (§ 321 a ZPO n.F. vergleichbare) Regelung zur Korrektur nicht rechtsmittelfähiger, gegen Verfahrensgrundrechte verstoßender Entscheidungen durch das betreffende Fachgericht zu schaffen. Bis dahin verbleibt es aber bei der gegenwärtigen Rechtslage (BVerfG aaO). Danach scheidet eine ent-
sprechende Anwendung der §§ 321 a, 705 i.V.m. § 555 Abs. 1 n.F. ZPO (vgl. dagegen zu § 544 Abs. 5 Satz 3 ZPO n.F., Sen.Beschl. v. 19. Januar 2004 - II ZR 108/02, zur Veröffentlichung bestimmt) hier schon deshalb aus, weil diese Neuregelungen für das vorliegende Revisionsverfahren gemäß § 26 Nr. 7 EGZPO keine Geltung haben. Zudem wahrt die Gegenvorstellung der Klägerin die von dem Bundesverfassungsgericht (aaO, in Anlehnung an § 321 a ZPO n.F.) vorgegebene Frist von zwei Wochen (im Ergebnis ebenso BGH, Beschl. v. 26. April 2001 - IX ZB 25/01, NJW 2001, 2262 f.; BGHZ 150, 133, 137) nicht.
2. Wie allein zur Verdeutlichung der Begründung des Senatsbeschlusses vom 27. Oktober 2003 anzufügen ist, verkennt die Klägerin ebenso wie das Berufungsgericht , daß durch die erstinstanzliche Teilerledigungserklärung (§ 91 a ZPO) nicht die Vollstreckbarkeit des in einem anderen Rechtsstreit erwirkten Titels, sondern die Rechtshängigkeit der Vollstreckungsgegenklage in Höhe von 175.000,00 DM beseitigt worden ist (vgl. BGHZ 106, 359, 366; Zöller/ Vollkommer, ZPO 24. Aufl. § 91 a Rdn. 9, 22). Darauf beruht das erstinstanzliche Urteil in seiner berichtigten Fassung, indem es die Zwangsvollstreckung nur in Höhe von 462.500,00 DM nebst Zinsen für unzulässig erklärt. Auch in den Gründen des Berichtigungsbeschlusses ist ausgeführt, die Klage sei nach der Teilerledigterklärung "in Höhe von restlichen 462.500,00 DM begründet". Soweit das Landgericht anschließend weiter ausführt, die Zwangsvollstreckung aus dem Vollstreckungstitel sei "aufgrund der von der Klägerin vorgenommenen Zahlungen ... in einer Gesamthöhe von 637.500,00 DM nebst 77.789,30 DM Zinsen (unter Einbeziehung der teilweisen Erledigung der Hauptsache in Höhe von 175.000,00 DM) unzulässig", konnte und wollte es dem im Rahmen des nach der Teilerledigterklärung "verbleibenden Hilfsantrags" auf Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung in Höhe von (restlichen) 462.500,00 DM ersichtlich nicht Rechnung tragen, weshalb es auch sein ursprünglich anderslautendes
Urteil entsprechend berichtigt hat. Auf die Berufung der Beklagten hätte daher das Berufungsgericht schon im Hinblick auf § 536 ZPO a.F. die Zwangsvollstreckung aus dem Titel nicht (auch nicht "klarstellend") zum Nachteil der Beklagten in einem über das erstinstanzliche Urteil hinausgehenden Umfang (von 523.905,92 DM) für unzulässig erklären dürfen. Erst recht konnte daher das mit der Revision verfolgte Begehren der Klägerin, die Zwangsvollstreckung aus dem Titel in noch weitergehendem Umfang (nämlich in Höhe der restlichen 113.594,08 DM) für unzulässig zu erklären, keinen Erfolg haben, weil die sich aus § 536 ZPO a.F. (jetzt § 528 ZPO n.F.) ergebende Bindung auch von dem Revisionsgericht von Amts wegen zu beachten ist (BGHZ 36, 316, 319). Das gilt - entgegen der Ansicht der Klägerin - auch bei Prüfung der Erfolgsaussicht der Revision im Rahmen der Entscheidung gemäß § 554 b ZPO a.F..
Daß das Berufungsgericht den Erfüllungseinwand der Klägerin wegen ihrer unstreitigen Teilzahlungen Nr. 1 bis 11 gemäß § 767 Abs. 2 ZPO als präkludiert angesehen hat, schließt nicht aus, daß sich die Klägerin gegen eine weitere Vollstreckung der - nach den tatbestandlichen Feststellungen des Berufungsgerichts offenbar insgesamt befriedigten - Beklagten aus dem noch verbliebenen Titel mit einer Klage auf dessen Herausgabe zur Wehr setzen kann (vgl. BGH, Urt. v. 21. Januar 1994 - V ZR 238/92, NJW 1994, 1161 f.), worüber
aber hier mangels eines entsprechenden Antrags nicht zu entscheiden war und ist.
Röhricht Goette Kraemer
Graf Strohn

Tatbestand

1

Der Senat hat die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts (LSG) vom 15. Dezember 2008 mit Beschluss vom 19. November 2009 - B 11 AL 76/09 B - als unzulässig verworfen. Gegen diesen seinem Prozessbevollmächtigten am 1. Dezember 2009 zugestellten Beschluss hat dieser mit einem am selben Tage beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangenen Schriftsatz vom 15. Dezember 2009 Anhörungsrüge und Gegenvorstellung erhoben.

2

Daneben hat der Kläger selbst mit einem von ihm verfassten und unterzeichneten Schreiben ebenfalls vom 15. Dezember 2009 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für eine Gehörsrüge, hilfsweise eine Gegenvorstellung beantragt. In diesem Schreiben lehnt der Kläger die beteiligten Richter - Dr. W., Dr. L., Dr. R - wegen Vorbefassung ab.

Entscheidungsgründe

3

Der Senat kann trotz der Erklärung des Klägers, er lehne die beteiligten Richter ab, in der aus dem Rubrum ersichtlichen Besetzung entscheiden (dazu 1.). Der Antrag auf Bewilligung von PKH (dazu 2.) bleibt ebenso ohne Erfolg wie die Anhörungsrüge (dazu 3.) und die Gegenvorstellung (dazu 4.).

4

1. Der Senat kann trotz der vom Kläger erklärten Ablehnung der am Ausgangsbeschluss beteiligten Richter in der üblichen, nach dem Geschäftsverteilungsplan des BSG vorgeschriebenen Besetzung entscheiden. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob das Vorbringen des Klägers in seinem eigenen Schreiben vom 15. Dezember 2009 bereits deswegen unbeachtlich ist, weil es nicht von einem zugelassenen Prozessbevollmächtigten herrührt (§ 73 Abs 4 SGG). Denn die Ablehnungsgesuche sind jedenfalls offensichtlich unzulässig und damit unbeachtlich.

5

Die vom Kläger geäußerte Auffassung, bei der Entscheidung über eine Anhörungsrüge sei der iudex a quo wegen Vorbefassung "stets als befangen" anzusehen, ist unzutreffend; vielmehr ist es gerade der Sinn der Anhörungsrüge, dem iudex a quo die Möglichkeit der Selbstkorrektur einzuräumen (vgl ua Beschluss des BSG vom 20. Oktober 2009, B 7 AL 10/09 C, mit Hinweis auf Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 28. Mai 2009, 5 PKH 6/09, NVwZ-RR 2009, 662 f). Da der Kläger überdies keine konkreten Gründe für eine Besorgnis der Befangenheit eines der abgelehnten Richter anführt (vgl § 60 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz iVm § 42 Abs 2 Zivilprozessordnung), sondern im Wesentlichen nur inhaltliche Einwendungen gegen den Ausgangsbeschluss unter teilweiser Wiederholung seines dem Senat bereits bekannten Vorbringens erhebt, sind seine Ablehnungsgesuche auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) bereits deshalb rechtsmissbräuchlich (vgl ua Beschluss des BVerfG vom 12. Juli 2006, 2 BvR 513/06, veröffentlicht in juris; Beschluss des Senats vom 19. Januar 2010, B 11 AL 13/09 C, mwN). Dass kein konkreter Befangenheitsgrund geltend gemacht werden kann, ergibt sich schließlich daraus, dass der vom Kläger für die Anhörungsrüge und die Gegenvorstellung beauftragte Prozessbevollmächtigte davon abgesehen hat, ein Ablehnungsgesuch anzubringen.

6

2. Dem Kläger steht auch keine PKH für eine Anhörungsrüge bzw eine Gegenvorstellung zu, da seine Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a SGG, § 114 ZPO).

7

Voraussetzung für den Erfolg einer Anhörungsrüge ist insbesondere, dass das Gericht in der angegriffenen Entscheidung den Anspruch des Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat (§ 178a Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG). Anhaltspunkte für eine solche Verletzung ergeben sich indes weder aus dem Vortrag des Prozessbevollmächtigen des Klägers in dessen Schriftsatz vom 15. Dezember 2009 noch aus den Ausführungen des Klägers in seinem eigenen Schreiben vom selben Datum. Diesem Vorbringen ist nur zu entnehmen, dass der Kläger den Ausgangsbeschluss vom 19. November 2009 für inhaltlich unrichtig hält. Dagegen werden keine konkreten Gesichtspunkte aufgezeigt, die darauf hindeuten könnten, das BSG habe entweder nicht hinreichend Gelegenheit zur Äußerung gegeben oder habe irgendein Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen. Anhaltspunkte für eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör sind auch sonst nicht zu erkennen.

8

Eine Gegenvorstellung (zur Statthaftigkeit auch nach Einführung der Anhörungsrüge vgl BVerfG, Beschluss vom 25. November 2008, 1 BvR 848/07, BVerfGE 122, 190 = NJW 2009, 829) hätte nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn dem Gericht eine Verletzung von Verfahrensgrundrechten oder des Willkürverbots vorgehalten werden könnte (vgl ua BSG SozR 4-1500 § 178a Nr 3, Nr 5). Im vorliegenden Fall zeigen die vom Kläger vorgebrachten Gründe keine schwerwiegende Rechtsverletzung auf, insbesondere nicht die Verletzung von Verfahrensgrundrechten oder des Willkürverbots. Von einer Missachtung von Verfahrensgrundrechten oder des Willkürverbots kann auch unabhängig vom Vortrag des Klägers keine Rede sein, da der angegriffene Beschluss vom 19. November 2009 eingehend mit Hinweisen auf die einschlägige Rechtsprechung begründet worden ist.

9

3. Die vom Prozessbevollmächtigten erhobene Anhörungsrüge ist unzulässig.

10

Zulässigkeitsvoraussetzung der Anhörungsrüge ist nach § 178a Abs 2 Satz 5 SGG iVm § 178a Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG die nachvollziehbare Darlegung, dass das BSG den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Daran fehlt es.

11

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers trägt im Schriftsatz vom 15. Dezember 2009 lediglich vor, nach Auffassung des Klägers sei es diesem nicht abzuverlangen, zu der Besorgnis der Befangenheit im Hinblick auf die am Beschluss des Hessischen LSG mitwirkenden Richter Gründe näher darzulegen; ausreichend sei, dass ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus nach vernünftigen Erwägungen Bedenken gegen die Unparteilichkeit des Richters haben könne. Damit macht der Kläger lediglich geltend, er stimme der Auffassung des BSG, das die Nichtzulassungsbeschwerde wegen Fehlens einer den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG genügenden Begründung als unzulässig verworfen hat, nicht zu. Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör folgt jedoch von vornherein nicht der Anspruch, dass das Gericht der Argumentation des Klägers folgt.

12

4. Auch die vom Prozessbevollmächtigten erhobene Gegenvorstellung ist unzulässig.

13

Wie unter 2. bereits ausgeführt setzt nach der Rechtsprechung des BSG eine zulässige Gegenvorstellung die Bezeichnung einer Verletzung von Verfahrensgrundrechten oder des Willkürverbots voraus (ua BSG SozR 4-1500 § 178a Nr 5). Anhaltspunkte für solche Verletzung liegen aber nach den Ausführungen des Prozessbevollmächtigten nicht vor. Vorsorglich wird im Übrigen darauf hingewiesen, dass der Senat nach nochmaliger Überprüfung an seiner Entscheidung vom 19. November 2009 in vollem Umfang festhält.

14

5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 178a Abs 4 Satz 3 SGG).

15

6. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Tenor

Die Anhörungsrüge bzw. Gegenvorstellung der Beschwerdeführerin vom 20.12.2013 gegen den Beschluss des Senats vom 19.12.2013 wird als unzulässig verworfen. Kosten sind nicht zu erstatten.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Eine Forderung kann von dem Gläubiger durch Vertrag mit einem anderen auf diesen übertragen werden (Abtretung). Mit dem Abschluss des Vertrags tritt der neue Gläubiger an die Stelle des bisherigen Gläubigers.