Bundesarbeitsgericht Urteil, 28. Juni 2018 - 8 AZR 141/16

ECLI:ECLI:DE:BAG:2018:280618.U.8AZR141.16.0
bei uns veröffentlicht am28.06.2018

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 1. Oktober 2015 - 18 Sa 157/15 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 1. Oktober 2015 - 18 Sa 157/15 - in der Hauptsache wie folgt gefasst wird:

Die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 2. September 2014 - 4 Ca 2530/13 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte der Klägerin zum Schadensersatz verpflichtet ist.

2

Die Beklagte - und vormalige Beklagte zu 1. - war vom 1. August 2008 bis zum 30. April 2013 bei der Klägerin, die ein Krankenhaus betreibt, beschäftigt. Zuletzt - seit dem 1. April 2010 - war sie Leiterin der Buchhaltung. Gemäß § 2 des Arbeitsvertrags der Parteien vom 28. Mai 2008 gelten für das Dienstverhältnis die Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (im Folgenden AVR). In § 23 AVR heißt es:

        

㤠23 Ausschlussfrist

        

(1) Ansprüche aus dem Dienstverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit vom Mitarbeiter oder vom Dienstgeber schriftlich geltend gemacht werden, soweit die AVR nichts anderes bestimmt.

        

(2) Für denselben Sachverhalt reicht die einmalige Geltendmachung des Anspruchs aus, um die Ausschlussfrist auch für später fällig werdende Leistungen unwirksam zu machen.“

3

Auf der Grundlage zweier Verträge über freie Mitarbeit war auch der Ehemann der Beklagten, der vormalige Beklagte zu 2., zeitweise für die Klägerin im Bereich „Unterstützung bei allen anfallenden Arbeiten in der Buchhaltung und im Controlling“ tätig.

4

Die Organisationsstruktur der Klägerin basiert auf dem Prinzip der Funktionstrennung und der sog. Vier-Augen-Kontrolle. Die Abteilungen prüfen die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Belege und geben die geprüften Belege zur Buchung und Zahlung in die Buchhaltung. Von der Buchhaltung erstellte Zahlungsläufe sind vor der Überweisung der Verwaltungsleitung - vorrangig dem stellvertretenden Verwaltungsleiter - zur Prüfung vorzulegen. Das Vier-Augen-Prinzip ist zusätzlich bei den Banken und im EDV-Zahlungsverkehrsprogramm abgesichert. Es sind zwei elektronische Signaturen für einen Zahlungslauf erforderlich. Auch zwischen Debitoren- und Kreditorenbuchhaltern findet eine Funktionstrennung und Kontrolle statt. Zur Aushebelung der Sicherheitsmechanismen ist grundsätzlich ein Zusammenwirken von zwei Personen erforderlich.

5

Zwischen dem 12. Juni 2009 und dem 22. Januar 2013 veranlasste die Beklagte eine Vielzahl von Überweisungen an Freunde und Bekannte iHv. insgesamt 3.943.875,86 Euro, ohne dass es einen Rechtsgrund für diese Zahlungen gab. Sie führte die Überweisungen mit Hilfe eines Mitarbeiters aus, der teilweise unterzeichnete und dessen Kennung die Beklagte teilweise verwendete. Zum Zeitpunkt der jeweiligen Quartalsabschlüsse machte die Beklagte das maßgebliche Konto durch „Scheinbuchungen“ nachträglich „passend“. Zudem nahm sie einer Buchhalterin die Kontrolle der Kontoauszüge und der damit verbundenen Buchungen ab und betraute diese mit anderen Aufgaben.

6

Unter dem 18. April 2013 verfasste die Beklagte ein handschriftliches Schreiben, mit dem sie unrechtmäßige Überweisungen einräumte und wörtlich erklärte: „Ich werde wie versprochen das Geld schnellstmöglich zurück überweisen“.

7

Nachdem die Klägerin mit Schreiben vom 7. Mai 2013 erstmals schriftlich Schadensersatzansprüche iHv. 3.117.568,28 Euro für den Zeitraum vom 13. Oktober 2010 bis zum 14. September 2012 gegenüber der Beklagten geltend gemacht hatte, teilte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom 16. Mai 2013 ua. mit:

        

„Nach meinen Informationen hat meine Mandantin bereits einen erheblichen Teil zurückgezahlt. Weitere Beträge sind durch Maßnahmen der Staatsanwaltschaft zu Gunsten Ihrer Mandantin sicher gestellt.

        

Wegen des noch ‚offenen‘ Betrages ist meine Mandantin nach Kräften bemüht, hier eine wirtschaftlich vernünftige Lösung zu finden. Wirtschaftlich vernünftige Lösung bedeutet, dass gegebenenfalls nicht der gesamte Betrag zurückerstattet werden kann, auf der anderen Seite eine Privatinsolvenz meiner Mandantin aber auch für keine Seite einen Vorteil bringen könnte.

        

Bereits in den kurzen Gesprächen, die ich mit meiner Mandantin geführt habe, habe ich aber den Eindruck gewonnen, dass diese ernsthaft bemüht ist, hier einen auch für Ihre Mandantin vernünftigen Vorschlag zu präsentieren.

        

Dies benötigt allerdings noch einige Vorbereitungszeit. In diesem Zusammenhang kommt hinzu, dass ich als alleiniger Sachbearbeiter in dieser Angelegenheit vom 22.05.2013 bis zum 04.06.2013 in meinem Sommerurlaub weile. Eine weitere Rücksprache mit meiner Mandantin kann somit erst Anfang Juni 2013 erfolgen. Unabhängig davon halte ich es aber für sinnvoll gegebenenfalls eine gemeinsame Besprechung, gerne auch in Ihren Räumlichkeiten, zu führen, um hier den beschriebenen Lösungsweg näher vorzustellen.

        

Ich bitte daher um Rückmeldung, ob so verfahren werden kann, dass die Angelegenheit zunächst bis zum 14.06.2013 verfristet wird, damit ich eine abschließende Stellungnahme mit meiner Mandantin erarbeiten kann und wir sodann einen Gesprächstermin, zum Beispiel in Ihrer Kanzlei, koordinieren.“

8

Am 12. Juni 2013 fand ein Gespräch zwischen den Parteien über die Modalitäten einer Schadenswiedergutmachung statt. Zur Vorbereitung dieser Besprechung hatte die Klägerin der Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 7. Juni 2013 eine aktualisierte Forderungsaufstellung übermittelt, wonach sich der bis zu diesem Zeitpunkt ermittelte Schaden auf 3.684.091,74 Euro belief. Im Nachgang zu der Besprechung vom 12. Juni 2013 teilte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit Schreiben vom 24. Juni 2013 ua. mit:

        

„… und kann Ihnen zunächst mitteilen, dass ich noch zwei weitere Gespräche mit meiner Mandantin geführt habe. Diese ist nach wie vor bereit und willig den durch sie verursachten Schaden so gut es eben geht wieder gut zu machen. …

        

Insgesamt kann, wie bereits im Gespräch angeklungen, von Seiten meiner Mandantin aus, ein Betrag in Höhe von ca. 2.000.000,00 € (inklusive der bereits gepfändeten Beträge, sowie der bereits überwiesenen 190.000,00 €, siehe Beschuldigtenvernehmung) als Schadenswiedergutmachung angeboten werden. Der Restbetrag ist in den betreffenden vier Jahren schlicht und ergreifend verbraucht worden. …“

9

Mit ihrer am 19. Dezember 2013 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 9. Januar 2014 zugestellten Klage hat die Klägerin die Beklagte auf Zahlung von Schadensersatz iHv. insgesamt 3.943.875,86 Euro - dabei iHv. 1.122.137,40 Euro als Gesamtschuldnerin mit ihrem mitverklagten Ehemann und vormaligen Beklagten zu 2. - in Anspruch genommen.

10

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihre Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte seien nicht nach § 23 Abs. 1 AVR verfallen. Sie habe die Veruntreuungen erst am 18. April 2013 entdeckt und sei daraufhin in Ermittlungen eingetreten. Bis zu diesem Zeitpunkt habe sie keine Kenntnis von den Untreuehandlungen erlangen können, weil die Beklagte diese verschleiert habe. Es sei nicht möglich gewesen, anhand der Konten Differenzen festzustellen. Jährlich sei ein Zahlungsvolumen von mehr als 100 Mio. Euro mit einer sechs- bis siebenstelligen Zahl von Buchungen bewegt worden. Zudem seien ihre liquiden Mittel in den Jahren 2009 bis 2012 aufgrund einer erfolgreichen wirtschaftlichen Sanierung des Unternehmens trotz der Veruntreuungen kontinuierlich gestiegen. Es bestehe keine generelle anlasslose Pflicht zur Überwachung von Mitarbeitern. Vielmehr dürfe der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer zunächst grundsätzlich Vertrauen entgegenbringen. Sie habe zudem umfangreiche Sicherungsinstrumente eingebaut, die von der Beklagten mit massiver krimineller Energie unterlaufen worden seien. Die Beklagte könne sich nicht auf den Verfall der Schadensersatzansprüche berufen, da sie ihre Haftung außergerichtlich bereits eingeräumt und von Anfang an Regulierungsbereitschaft signalisiert habe. Damit habe sie die Schadensersatzforderung anerkannt.

11

Die Klägerin hat - soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse - beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.943.875,86 Euro - in Höhe eines Betrages von 1.122.137,40 Euro als Gesamtschuldnerin mit dem vormaligen Beklagten zu 2. - nebst Zinsen zu zahlen.

12

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, die Schadensersatzansprüche der Klägerin seien nach § 23 Abs. 1 AVR verfallen. Die verspätete Kenntnis der Klägerin von den Untreuehandlungen beruhe auf deren eigenem Verschulden. Diese habe es schuldhaft versäumt, sie, die Beklagte, zu kontrollieren. Die Klägerin habe aus dem täglich vorgelegten Finanzstatus unschwer den Abfluss von Beträgen in Höhe von annähernd vier Millionen Euro bemerken können. Auch der stellvertretende Verwaltungsleiter habe erkennen können, dass mehr Geld ausgegeben worden sei als von ihm abgezeichnet wurde. Im Rahmen der Erstellung des Jahresabschlusses 2010 habe der Sachbearbeiter einer externen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft darauf hingewiesen, dass erhöhte Forderungsabschreibungen aufgefallen seien. Infolgedessen hätte die Klägerin sich einen Überblick über die Gründe für ihre Kontenfehlbestände verschaffen müssen. Stattdessen habe sie durch ihren Verwaltungsleiter bestätigt, dass die Forderungsabschreibungen unbedenklich seien. Wie die kurze Zeitspanne zwischen der behaupteten Kenntniserlangung am 18. April 2013 und dem ersten Geltendmachungsschreiben der Klägerin vom 7. Mai 2013 belege, seien die Schadenspositionen auch unproblematisch zu ermitteln und zu addieren gewesen. Die von ihr (der Beklagten) vorgerichtlich erklärte Bereitschaft, den Schaden wiedergutzumachen, stehe dem Verfall nicht entgegen, da die Ansprüche zu diesem Zeitpunkt bereits verfallen gewesen seien.

13

Das Arbeitsgericht hat der gegen die Beklagte gerichteten Klage mit Teilurteil vom 2. September 2014 stattgegeben und diese verurteilt, an die Klägerin 3.943.875,86 Euro - in Höhe eines Betrages von 1.122.137,40 Euro als Gesamtschuldner mit dem vormaligen Beklagten zu 2. - nebst Zinsen zu zahlen. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten zurückgewiesen und das arbeitsgerichtliche Urteil aus Gründen der Klarstellung dahin gefasst, dass die Beklagte zur Zahlung verurteilt wurde, ohne dass eine gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten mit dem vormaligen Beklagten zu 2. Erwähnung fand. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Revision.

14

Durch Schlussurteil vom 29. September 2015 hat das Arbeitsgericht den vormaligen Beklagten zu 2. als Gesamtschuldner mit der Beklagten zur Zahlung von 1.122.137,40 Euro nebst Zinsen verurteilt. Seine hiergegen gerichtete Berufung hat das Landesarbeitsgericht durch - rechtskräftiges - Urteil vom 14. April 2016 zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Die von der Beklagten erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch. Die Revision ist auch in der Sache unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zu Recht zurückgewiesen. Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz iHv. 3.943.875,86 Euro abzüglich insgesamt gezahlter 109.875,06 Euro nebst der eingeklagten Zinsen. Aus § 23 Abs. 1 AVR folgt nichts Abweichendes. Einem etwaigen Verfall der Ansprüche der Klägerin nach § 23 Abs. 1 AVR steht der Grundsatz von Treu und Glauben(§ 242 BGB) entgegen.

16

A. Die von der Beklagten erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch.

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I. Die Rüge der Beklagten, das Landesarbeitsgericht hätte den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht zurückverweisen müssen, da letzteres im Kammertermin am 2. September 2014 nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen sei, weil ein Richter als Vorsitzender mitgewirkt habe, der planmäßig am Arbeitsgericht Dortmund tätig sei und es insoweit an einer ordnungsgemäßen Abordnung gefehlt habe, ist unbegründet.

18

Nach § 68 ArbGG ist die Zurückverweisung des Rechtsstreits wegen eines Mangels des Verfahrens des Arbeitsgerichts unzulässig. Dies gilt auch bei schwersten Verfahrensfehlern und Verfassungsverstößen einschließlich eines Verstoßes gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. § 68 ArbGG geht im Interesse der Beschleunigung arbeitsgerichtlicher Rechtsstreitigkeiten davon aus, dass das Verfahren regelmäßig in der Berufungsinstanz in einwandfreier Weise wiederholt werden kann(vgl. BAG 25. April 2006 - 3 AZR 78/05 - Rn. 41 mwN).

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Es kann vorliegend dahinstehen, wie bei nicht behebbaren Verfahrensmängeln zu entscheiden ist. Falls in dem Verfahren vor dem Arbeitsgericht das Gebot des gesetzlichen Richters verletzt war, ist dieser Mangel behoben worden, indem das ordnungsgemäß besetzte Landesarbeitsgericht über den Rechtsstreit entschieden hat. Die Verkürzung des ordnungsgemäßen Verfahrens auf eine Tatsacheninstanz ist bei Verfahrensmängeln zwangsläufige Folge des § 68 ArbGG, die allein eine Ausnahme vom grundsätzlichen Verbot der Zurückverweisung nicht rechtfertigen kann(BAG 25. April 2006 - 3 AZR 78/05 - Rn. 41).

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II. Die Beklagte kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, das Arbeitsgericht hätte vor dem Hintergrund, dass die Klägerin sie, die Beklagte, und ihren Ehemann, den vormaligen Beklagten zu 2., (teilweise) als Gesamtschuldner auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch genommen hatte, über die gegen sie gerichtete Klage nicht durch Teilurteil nach § 301 Abs. 1 ZPO entscheiden dürfen, weshalb das Landesarbeitsgericht entweder das arbeitsgerichtliche Teilurteil nach § 64 Abs. 6 ArbGG, § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 ZPO hätte aufheben und den Rechtsstreit insoweit zurückverweisen oder diesen insgesamt hätte an sich ziehen müssen.

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1. Gemäß § 301 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat das Gericht die Endentscheidung durch Teilurteil zu erlassen, wenn von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine oder nur ein Teil eines Anspruchs zur Endentscheidung reif ist. § 301 ZPO dient der Beschleunigung, soll aber auch die Einheitlichkeit und Widerspruchsfreiheit der Entscheidung in ein und demselben Rechtsstreit gewährleisten(BGH 24. Februar 2015 - VI ZR 279/14 - Rn. 7 mwN).

22

Ein Teilurteil nach § 301 ZPO darf auch bei grundsätzlicher Teilbarkeit des Streitgegenstandes deshalb nur ergehen, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen - auch infolge abweichender Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht - ausgeschlossen ist. Dabei ist eine Gefahr sich widersprechender Entscheidungen dann gegeben, wenn in einem Teilurteil eine Frage entschieden wird, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren über andere Ansprüche oder Anspruchsteile noch einmal stellt oder stellen kann. Das gilt auch insoweit, als es um die Möglichkeit einer unterschiedlichen Beurteilung von bloßen Urteilselementen geht, die weder in Rechtskraft erwachsen noch das Gericht nach § 318 ZPO für das weitere Verfahren binden(vgl. etwa BAG 29. Juni 2017 - 8 AZR 189/15 - Rn. 41 mwN, BAGE 159, 316). Eine solche Gefahr besteht namentlich bei einer Mehrheit selbständiger prozessualer Ansprüche, wenn zwischen diesen eine materiell-rechtliche Verzahnung besteht oder die Ansprüche prozessual in ein Abhängigkeitsverhältnis gestellt sind. Eine materiell-rechtliche Verzahnung kann allerdings nicht nur bei objektiver Häufung inhaltlich zusammenhängender Anträge, sondern auch bei Klagen gegen mehrere Personen auftreten. Ein Teilurteil über die Klage gegen einen von mehreren einfachen Streitgenossen ist daher in der Regel unzulässig, wenn die Möglichkeit besteht, dass es in demselben Rechtsstreit, auch im Instanzenzug, zu einander widersprechenden Entscheidungen kommt. Zwar muss gegenüber einfachen Streitgenossen grundsätzlich keine einheitliche Entscheidung getroffen werden. Eine Teilentscheidung ist aber nur zulässig, wenn sie unabhängig von der Entscheidung über den restlichen Verfahrensgegenstand ist. Dies ist etwa dann der Fall, wenn das Teilurteil nur auf Gründen beruht, die ausschließlich diesen Streitgenossen berühren (vgl. etwa BAG 4. Mai 2006 - 8 AZR 311/05 - Rn. 20 mwN; BGH 21. November 2017 - VI ZR 436/16 - Rn. 7 mwN; 20. Dezember 2016 - VI ZR 395/15 - Rn. 7 mwN; 24. Februar 2015 - VI ZR 279/14 - Rn. 7 mwN).

23

2. Es kann vorliegend dahinstehen, ob das Arbeitsgericht über die gegen die Beklagte gerichtete Klage wegen der Gefahr sich widersprechender Entscheidungen durch unzulässiges Teilurteil entschieden hat. Ein etwaiger Fehler des Arbeitsgerichts lässt sich mittlerweile nicht mehr beheben, weil das Arbeitsgericht die zunächst noch offen gebliebenen Ansprüche gegen den vormaligen Beklagten zu 2. zum Gegenstand eines Schlussurteils gemacht hat, das in Rechtskraft erwachsen ist. Damit ist die vollzogene Verfahrenstrennung endgültig geworden (vgl. OLG Koblenz 8. August 2012 - 5 U 116/12 - Rn. 10).

24

III. Entgegen der Auffassung der Revision ist das Urteil des Landesarbeitsgerichts nicht deshalb rechtsfehlerhaft und wegen eines Verstoßes gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu korrigieren, weil das Landesarbeitsgericht den Tenor des arbeitsgerichtlichen Urteils dahin klargestellt hat, dass es die Formulierung „in Höhe eines Betrages von 1.122.137,40 Euro als Gesamtschuldner mit dem Beklagten zu 2.“ aus dem Urteilstenor entfernt hat. Ebenso wenig hat das Landesarbeitsgericht durch die entsprechende Fassung des Tenors des arbeitsgerichtlichen Urteils gegen das Verschlechterungsverbot des § 528 ZPO verstoßen.

25

1. Nach § 308 Abs. 1 ZPO ist das Gericht nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Die Regelung ist Ausdruck der im Zivilprozess geltenden Dispositionsmaxime. Das Gericht darf nur über den geltend gemachten Anspruch und Streitgegenstand entscheiden. Die Antragsbindung besteht sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht (vgl. etwa BAG 19. Juli 2016 - 3 AZR 134/15 - Rn. 18, BAGE 155, 326). Gemäß § 528 ZPO unterliegen der Prüfung und Entscheidung des Berufungsgerichts nur die Berufungsanträge. Das Urteil des ersten Rechtszugs darf nur insoweit abgeändert werden, wie eine Abänderung beantragt ist. § 528 ZPO verbietet darüber hinaus, das Urteil zum Nachteil des Berufungsklägers abzuändern. Der Rechtsmittelführer soll davor bewahrt werden, dass er auf sein eigenes Rechtsmittel hin über die mit der angegriffenen Entscheidung vorhandene Beschwer hinaus weiter beeinträchtigt wird (vgl. etwa BGH 17. Juni 1994 - V ZR 34/92 - zu II 2 c der Gründe; 27. Oktober 1982 - VIb ZB 719/81 - zu B 2 a der Gründe, BGHZ 85, 180). Das Verschlechterungsverbot schützt die Vorteile aus einer angegriffenen Entscheidung, die den Besitzstand des Rechtsmittelklägers bilden und ihm ohne Fortführung des Verfahrens sicher gewesen wären, weil sie an anderer Stelle - vor allem wegen der Rechtskraftwirkungen - hätten beachtet werden müssen (vgl. etwa BAG 8. Dezember 2015 - 1 ABR 2/14 - Rn. 36, BAGE 153, 318).

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2. Danach hat das Landesarbeitsgericht weder gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO noch gegen das Verschlechterungsverbot des § 528 ZPO verstoßen.

27

a) Das Landesarbeitsgericht hat mit der Klarstellung des Tenors des arbeitsgerichtlichen Urteils dahin, dass es die Formulierung „in Höhe eines Betrages von 1.122.137,40 Euro als Gesamtschuldner mit dem Beklagten zu 2.“ aus dem Urteilstenor entfernt hat, nur die Konsequenzen aus dem Umstand gezogen, dass das Arbeitsgericht durch das angefochtene Teilurteil ausschließlich über den Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte erkannt sowie die Entscheidung über eine evtl. Haftung des vormaligen Beklagten zu 2. dem Schlussurteil vorbehalten und damit den einheitlichen Prozess in zwei getrennte Verfahren aufgespalten hat. Wird ein Gesamtschuldner allein verklagt, wird die Gesamtschuld nicht in den Urteilstenor aufgenommen (vgl. etwa Ermann/Böttcher BGB 15. Aufl. § 421 Rn. 31), ein einzeln verklagter Gesamtschuldner kann nicht verlangen, dass in die Urteilsformel die sich aus § 422 BGB ergebende Haftungsbeschränkung, nur als Gesamtschuldner neben einem anderen leistungsverpflichtet zu sein, aufgenommen wird(vgl. etwa BGH 17. Mai 1990 - III ZR 191/88 - zu II 5 der Gründe, BGHZ 111, 272; Bamberger/Roth/Gehrlein BGB 3. Aufl. Bd. 2 § 421 Rn. 13). Dass das Arbeitsgericht unter Umständen verkannt hat, dass die Voraussetzungen für den Erlass eines Teilurteils nicht vorlagen, ist insoweit - wie unter Rn. 23 ausgeführt - ohne Bedeutung. Der Beklagten wurde durch die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Klarstellung des Tenors des angefochtenen Teilurteils auch - im Innenverhältnis gegenüber ihrem Ehemann - kein etwaiger Ausgleichsanspruch gegen diesen nach § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB genommen. Die Verurteilung als Gesamtschuldner erzeugt im Innenverhältnis keine Rechtskraft (BeckOK BGB/Gehrlein Stand 15. Juni 2017 BGB § 421 Rn. 13; Palandt/Grüneberg 77. Aufl. § 421 BGB Rn. 13).

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b) Des ungeachtet hat der Senat, nachdem der vormalige Beklagte zu 2. rechtskräftig als Gesamtschuldner mit der Beklagten - und vormaligen Beklagten zu 1. - zur Zahlung von Schadensersatz iHv. 1.122.137,40 Euro verurteilt worden ist, das Urteil des Landesarbeitsgerichts aus Gründen der Klarstellung wie aus dem Tenor ersichtlich gefasst.

29

B. Die Revision ist auch in der Sache unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 3.943.875,86 Euro abzüglich insgesamt gezahlter 109.875,06 Euro nebst der eingeklagten Zinsen. Der Anspruch beruht auf § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB. Aus § 23 Abs. 1 AVR folgt nichts Abweichendes. Einem etwaigen Verfall der Ansprüche der Klägerin nach § 23 Abs. 1 AVR steht der Grundsatz von Treu und Glauben(§ 242 BGB) entgegen.

30

I. Die Beklagte hat durch die von ihr getätigten Überweisungen an Freunde und Bekannte - wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat - vorsätzlich gegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen. Hierdurch ist der Klägerin unstreitig ein Schaden in der von ihr geltend gemachten Höhe entstanden. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision nicht.

31

II. Die Klägerin muss sich - wie das Landesarbeitsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen hat - kein anspruchsminderndes Mitverschulden der Klägerin iSv. § 254 Abs. 1 BGB anrechnen lassen.

32

1. Die Frage des mitwirkenden Verschuldens gemäß § 254 Abs. 1 BGB muss von Amts wegen auch noch in der Revisionsinstanz geprüft werden. Die Verteilung der Verantwortlichkeit für einen entstandenen Schaden im Rahmen des § 254 BGB ist allerdings in erster Linie Sache tatrichterlicher Würdigung. Das Revisionsgericht kann nur prüfen, ob alle in Betracht kommenden Umstände vollständig und richtig berücksichtigt und ob der Abwägung rechtlich zulässige Erwägungen zugrunde gelegt worden sind (vgl. dazu etwa BAG 21. Mai 2015 - 8 AZR 116/14, 8 AZR 88 AZR 867/13 - Rn. 25 mwN; 18. Januar 2007 - 8 AZR 250/06  - Rn. 24; 19. März 1992 -  8 AZR 370/91  - zu II 3 a der Gründe; BGH 5. März 2002 - VI ZR 398/00 - zu II 4 der Gründe mwN).

33

2. Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält die Würdigung des Landesarbeitsgerichts stand.

34

Das Landesarbeitsgericht hat zunächst - zusammengefasst - angenommen, die Klägerin habe durch das Prinzip der Funktionstrennung und der Vier-Augen-Kontrolle die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen ergriffen und müsse sich auch nicht vorhalten lassen, die Beklagte nicht hinreichend kontrolliert zu haben, da sie keinen Anlass gehabt habe, an der Redlichkeit der Beklagten zu zweifeln, bevor deren Untreuehandlungen zu Tage getreten seien. Diese Ausführungen lassen weder erkennen, dass vom Landesarbeitsgericht nicht alle Umstände vollständig und richtig berücksichtigt noch dass der Abwägung rechtlich unzulässige Erwägungen zugrunde gelegt wurden.

35

Das Landesarbeitsgericht hat ferner angenommen, dass ein etwaiges fahrlässiges Mitverschulden der Klägerin jedenfalls hinter das Verschulden der Beklagten, die vorsätzlich gehandelt habe, zurücktrete. Auch diese Annahme begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken. Insoweit ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass bei der Abwägung nach § 254 Abs. 1 BGB ein fahrlässiger Verursachungsbeitrag des Geschädigten grundsätzlich hinter dem Vorwurf eines vorsätzlichen Verhaltens des Schädigers zurücktritt und dass dies in aller Regel gilt, wenn der Vorsatz des Schädigers - wie im vorliegenden Fall - die Schädigung selbst mitumfasst(BAG 18. Juni 1970 - 1 AZR 520/69 - zu 4 a der Gründe, BAGE 22, 375; 15. Dezember 1969 - 1 AZR 228/69 - zu 3 der Gründe; BGH 5. März 2002 - VI ZR 398/00 - zu II 4 der Gründe; 9. Oktober 1991 - VIII ZR 19/91 - zu II 2 b der Gründe). Etwas Abweichendes gilt allerdings, sofern ausnahmsweise besondere Umstände im Einzelfall Anlass zu einer abweichenden Wertung geben und eine Schadensteilung rechtfertigen (BGH 5. März 2002 - VI ZR 398/00 - aaO mwN). Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, solche besonderen Umstände seien in Anbetracht der kriminellen Energie, mit der die Beklagte gehandelt habe, nicht ersichtlich, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

36

III. Dem Schadensersatzanspruch der Klägerin steht die Ausschlussfrist nach § 23 Abs. 1 AVR nicht entgegen. Im vorliegenden Verfahren kann dahinstehen, ob es sich bei der Bezugnahmeklausel in § 2 des Arbeitsvertrags der Parteien vom 28. Mai 2008 um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelt und ob § 23 Abs. 1 AVR auch Ansprüche wegen einer vorsätzlichen Vertragsverletzung oder einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung erfasst(bejahend für eine nahezu wortgleiche andere, im sog. Dritten Weg beschlossene Arbeitsrechtsregelung BAG 26. September 2013 - 8 AZR 1013/12 - Rn. 30 mwN; anders für Ausschlussfristen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen BAG 20. Juni 2013 - 8 AZR 280/12 - Rn. 21). Ebenso offen bleiben kann, ob eine Regelung mit diesem Inhalt - wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat - wegen Verstoßes gegen § 202 Abs. 1 BGB gemäß § 134 BGB insgesamt nichtig wäre oder ob die Klägerin diese gleichwohl nach den Grundsätzen über die personale Teilunwirksamkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen(vgl. hierzu BAG 23. März 2017 - 6 AZR 705/15 - Rn. 35, BAGE 158, 349; 18. Dezember 2008 - 8 AZR 105/08 - Rn. 42; 27. Oktober 2005 - 8 AZR 3/05 - Rn. 16; BGH 5. April 2006 - VIII ZR 152/05 - Rn. 19) gegen sich gelten lassen müsste. Auch kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin ihre Ansprüche insgesamt innerhalb der sechsmonatigen Frist des § 23 Abs. 1 AVR ordnungsgemäß geltend gemacht hat. Einem etwaigen Verfall der Ansprüche der Klägerin steht der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) entgegen. Die Klägerin kann einem etwaigen Verfall ihrer Ansprüche nach der in § 23 Abs. 1 AVR bestimmten Ausschlussklausel mit dem durchgreifenden Einwand der unzulässigen Rechtsausübung begegnen.

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1. Zwar hat auch das Landesarbeitsgericht angenommen, die Ansprüche der Klägerin seien nicht nach § 23 Abs. 1 AVR verfallen, es hat dies aber damit begründet, dass die in dieser Bestimmung der AVR geregelte Ausschlussfrist nach §§ 134, 202 Abs. 1 BGB unwirksam sei. Aus diesem Grund hat es sich mit der Frage, ob einem etwaigen Verfall der Ansprüche der Klägerin der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB)entgegensteht, nicht befasst. Dies kann der Senat allerdings selbst entscheiden, da alle für die Beurteilung der unzulässigen Rechtsausübung maßgeblichen Tatsachen festgestellt sind und neuer Sachvortrag hierzu nicht zu erwarten ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).

38

2. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass dem aufgrund einer Ausschlussklausel grundsätzlich eintretenden Verfall von Ansprüchen der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB)entgegenstehen kann. Dies ist nicht nur dann anzunehmen, wenn der Schuldner den Gläubiger aktiv von der Einhaltung der Ausschlussfrist abhält (vgl. etwa BAG 28. September 2017 - 8 AZR 67/15 - Rn. 50; 6. September 2006 - 5 AZR 684/05 - Rn. 25, BAGE 119, 225), sondern auch dann, wenn der Schuldner dem Gläubiger die Geltendmachung des Anspruchs oder die Einhaltung der Frist durch ein positives Tun oder durch ein pflichtwidriges Unterlassen erschwert oder unmöglich gemacht hat oder wenn er an objektiven Maßstäben gemessen den Eindruck erweckt hat, der Gläubiger könne darauf vertrauen, dass der Anspruch auch ohne Wahrung einer geltenden Ausschlussfrist erfüllt werde ( BAG 18. August 2011 - 8 AZR 187/10 - Rn. 46; 10. Oktober 2002 - 8 AZR 8/02  - zu II 2 e aa der Gründe, BAGE 103, 71 ). Der Einwand, eine Frist für die Geltendmachung eines Anspruchs sei nicht gewahrt, greift generell in solchen Fällen nicht durch, in denen sich eine Partei damit in Widerspruch zu ihrem eigenen vorausgegangenen Verhalten setzt und für die andere Partei ein schützenswerter Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn sonstige besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen (vgl. etwa BAG 24. Mai 2018 - 6 AZR 308/17 - Rn. 45; 27. April 2017 - 6 AZR 367/16  - Rn. 31 ).

39

3. Danach kann die Klägerin der Ausschlussfrist des § 23 Abs. 1 AVR erfolgreich mit dem Einwand der unzulässigen Rechtsausübung begegnen. Dies folgt aus einer Gesamtwürdigung der besonderen Umstände des vorliegenden Falles. Die Beklagte verhält sich in mehrfacher Hinsicht treuwidrig, wenn sie den Verfall der Schadensersatzansprüche der Klägerin nach § 23 Abs. 1 AVR einwendet.

40

a) Zum einen hat die Beklagte die bei der Klägerin bestehenden Schutzmechanismen bewusst dadurch ausgeschaltet, dass sie sich die erforderliche zweite elektronische Signatur „besorgt“ und eine weitere Kontrolle verhindert hat, indem sie der Buchhalterin die Überprüfung der Kontoauszüge und der damit verbundenen Buchungen abgenommen hat. Durch diese Vertuschung ihrer Verfehlungen hat sie eine zeitnahe Aufdeckung ihrer mit hoher krimineller Energie vorsätzlich begangenen Vertragsverstöße verhindert und damit bewusst ein früheres Einschreiten der Klägerin und eine frühere Geltendmachung ihrer Schadensersatzansprüche vereitelt.

41

b) Es kommt hinzu, dass die Beklagte nach Aufdeckung der Straftaten mehrfach ihre Verantwortlichkeit dem Grunde nach eingeräumt und gezielt den Eindruck erweckt hat, sie wolle alles in ihrer Macht Stehende unternehmen, um den Schaden auszugleichen. So hat sie nach dem Aufdecken der Unregelmäßigkeiten am 18. April 2013 ein handschriftliches Schreiben verfasst, mit dem sie unrechtmäßige Überweisungen eingeräumt und Rückzahlungen zugesichert hat. Mit anwaltlichem Schreiben vom 16. Mai 2013 hat sie ferner erklärt, sie sei bemüht, im Hinblick auf die Rückzahlung des geltend gemachten Betrags „wirtschaftlich vernünftige Lösungen zu finden“. Und mit weiterem Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 24. Juni 2013 hat die Beklagte mitgeteilt, sie sei „nach wie vor bereit und willig den durch sie verursachten Schaden so gut es eben geht wieder gut zu machen“, und einen erheblichen Schadenswiedergutmachungsbetrag iHv. ca. 2 Mio. Euro angeboten. Unabhängig von der Frage, ob hierdurch nicht schon eine Hemmung der Ausschlussfrist in entsprechender Anwendung von § 203 Satz 1 BGB eingetreten ist, war dieses Verhalten jedenfalls geeignet, bei der Klägerin die Annahme zu begründen, die Beklagte werde die ihr gegenüber bestehenden Schadensersatzansprüche nicht in Abrede stellen und - auch ohne gesonderte Geltendmachung - alles tun, um diese zu erfüllen, zumindest aber bemüht sein, eine vergleichsweise Regelung zu finden. Danach hat die Beklagte den Eindruck erweckt, die Klägerin könne darauf vertrauen, dass ihr Schadensersatzanspruch auch ohne Wahrung einer geltenden Ausschlussfrist erfüllt werde.

42

4. Die Beklagte kann insoweit nicht mit Erfolg geltend machen, sich zur Schadenswiedergutmachung erst bereit erklärt zu haben, nachdem die sechsmonatige Ausschlussfrist des § 23 Abs. 1 AVR bereits abgelaufen gewesen sei. Dies ist nicht der Fall, da die Schadensersatzansprüche der Klägerin - entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten - nicht vor dem 18. April 2013 fällig geworden sind iSv. § 23 Abs. 1 AVR.

43

a) Der Begriff der Fälligkeit im Sinne einer Ausschluss- bzw. Verfallklausel ist unter Einbeziehung des Kenntnisstandes des Gläubigers und subjektiver Zurechnungsgesichtspunkte interessengerecht auszulegen. Das entspricht im Grundsatz der Wertung des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist ein Schadensersatzanspruch deshalb erst dann im Sinne einer Ausschlussfrist fällig, wenn der Schaden für den Gläubiger feststellbar ist und geltend gemacht werden kann. Feststellbar ist der Schaden, sobald der Gläubiger vom Schadensereignis Kenntnis erlangt oder bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt Kenntnis erlangt hätte. Schadensersatzforderungen können geltend gemacht werden, sobald der Gläubiger in der Lage ist, sich den erforderlichen Überblick ohne schuldhaftes Zögern zu verschaffen und er seine Forderungen wenigstens annähernd beziffern kann (vgl. etwa BAG 18. August 2011 - 8 AZR 187/10 - Rn. 43; 16. Mai 2007 - 8 AZR 709/06 - Rn. 54, BAGE 122, 304; 1. März 2006 - 5 AZR 511/05 - Rn. 14, BAGE 117, 165; 27. Oktober 2005 - 8 AZR 3/05 - Rn. 19; 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 - Rn. 28, BAGE 115, 19).

44

b) Ausgehend hiervon ist eine Fälligkeit der Schadensersatzansprüche jedenfalls nicht vor dem 18. April 2013 eingetreten.

45

Dass die Klägerin vor diesem Zeitpunkt eine positive Kenntnis von den Vertragspflichtverletzungen hatte, hat die Beklagte nicht behauptet. Entgegen der von ihr vertretenen Auffassung kann aber auch unter Zugrundelegung ihres Sachvorbringens keine vorherige fahrlässige Unkenntnis der Klägerin angenommen werden.

46

Insoweit hat die Beklagte geltend gemacht, die Klägerin habe aus dem täglich vorgelegten Finanzstatus unschwer den Abfluss von Beträgen in Höhe von annähernd vier Millionen Euro bemerken können. Auch der stellvertretende Verwaltungsleiter habe erkennen können, dass mehr Geld ausgegeben worden sei als von ihm abgezeichnet wurde. Im Rahmen der Erstellung des Jahresabschlusses 2010 habe der Sachbearbeiter einer externen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft darauf hingewiesen, dass erhöhte Forderungsabschreibungen aufgefallen seien. Dem sei die Klägerin nicht nachgegangen; stattdessen habe sie durch ihren Verwaltungsleiter bestätigt, dass die Forderungsabschreibungen unbedenklich seien.

47

Dieses Vorbringen der Beklagten lässt jedoch nicht den Schluss zu, dass die Klägerin bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB) vor dem 18. April 2013 Kenntnis von den Schadensereignissen hätte erlangen können. Die Klägerin musste nicht damit rechnen, dass die Beklagte ihre Vertragspflichten - wie geschehen - verletzen würde. Insoweit wirkt sich aus, dass die Klägerin Sicherheitsvorkehrungen dahin geschaffen hatte, dass für einen Zahlungslauf stets zwei elektronische Signaturen erforderlich waren und dass einer zweiten Person die Kontrolle der Kontoauszüge und der damit verbundenen Buchungen oblag. Damit hatte die Klägerin Maßnahmen getroffen, die eine Schädigung durch einen Arbeitnehmer allein - ausgehend von einem vertragsgemäßem Verhalten der übrigen Mitarbeiter - ausschloss. Diese Sicherheitsvorkehrungen hat die Beklagte mit hoher krimineller Energie außer Kraft gesetzt, indem sie sich die erforderliche zweite elektronische Signatur für den Zahlungslauf „besorgte“ und der zuständigen Buchhalterin die Aufgabe der Kontrolle der Kontoauszüge sowie der damit verbundenen Buchungen entzogen hat. Zudem hatte die Beklagte ihr Tun noch dadurch verschleiert, dass sie das maßgebliche Konto zum Zeitpunkt der jeweiligen Quartalsabschlüsse durch „Scheinbuchungen“ nachträglich „passend“ machte. Vor diesem Hintergrund kommt es auch nicht darauf an, ob ein Sachbearbeiter der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft - wie die Beklagte behauptet hat - für das Geschäftsjahr 2010 erhöhte Forderungsabschreibungen festgestellt hatte. Die Klägerin musste jedenfalls nicht damit rechnen, dass diese Abschreibungen ihren Grund darin hatten, dass die Beklagte - wie sie vorgetragen hat - von ihr veruntreute Beträge als Forderungsausfälle gebucht hatte.

        

    Schlewing    

        

    Vogelsang    

        

    Roloff    

        

        

        

    B. Stahl    

        

    Wein    

                 

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Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Wegen eines Mangels im Verfahren des Arbeitsgerichts ist die Zurückverweisung unzulässig.

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

Wegen eines Mangels im Verfahren des Arbeitsgerichts ist die Zurückverweisung unzulässig.

(1) Ist von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine oder ist nur ein Teil eines Anspruchs oder bei erhobener Widerklage nur die Klage oder die Widerklage zur Endentscheidung reif, so hat das Gericht sie durch Endurteil (Teilurteil) zu erlassen. Über einen Teil eines einheitlichen Anspruchs, der nach Grund und Höhe streitig ist, kann durch Teilurteil nur entschieden werden, wenn zugleich ein Grundurteil über den restlichen Teil des Anspruchs ergeht.

(2) Der Erlass eines Teilurteils kann unterbleiben, wenn es das Gericht nach Lage der Sache nicht für angemessen erachtet.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Das Berufungsgericht hat die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden.

(2) Das Berufungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges nur zurückverweisen,

1.
soweit das Verfahren im ersten Rechtszuge an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist,
2.
wenn durch das angefochtene Urteil ein Einspruch als unzulässig verworfen ist,
3.
wenn durch das angefochtene Urteil nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden ist,
4.
wenn im Falle eines nach Grund und Betrag streitigen Anspruchs durch das angefochtene Urteil über den Grund des Anspruchs vorab entschieden oder die Klage abgewiesen ist, es sei denn, dass der Streit über den Betrag des Anspruchs zur Entscheidung reif ist,
5.
wenn das angefochtene Urteil im Urkunden- oder Wechselprozess unter Vorbehalt der Rechte erlassen ist,
6.
wenn das angefochtene Urteil ein Versäumnisurteil ist oder
7.
wenn das angefochtene Urteil ein entgegen den Voraussetzungen des § 301 erlassenes Teilurteil ist
und eine Partei die Zurückverweisung beantragt. Im Fall der Nummer 3 hat das Berufungsgericht sämtliche Rügen zu erledigen. Im Fall der Nummer 7 bedarf es eines Antrags nicht.

(1) Ist von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine oder ist nur ein Teil eines Anspruchs oder bei erhobener Widerklage nur die Klage oder die Widerklage zur Endentscheidung reif, so hat das Gericht sie durch Endurteil (Teilurteil) zu erlassen. Über einen Teil eines einheitlichen Anspruchs, der nach Grund und Höhe streitig ist, kann durch Teilurteil nur entschieden werden, wenn zugleich ein Grundurteil über den restlichen Teil des Anspruchs ergeht.

(2) Der Erlass eines Teilurteils kann unterbleiben, wenn es das Gericht nach Lage der Sache nicht für angemessen erachtet.

Das Gericht ist an die Entscheidung, die in den von ihm erlassenen End- und Zwischenurteilen enthalten ist, gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 436/16
Verkündet am:
21. November 2017
Böhringer-Mangold
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Wird eine Amtshaftungsklage (hier: gegen einen beamteten Oberarzt einer Universitätsklinik
) wegen desselben Schadens mit der Klage gegen einen Dritten
(hier: die Universitätsklinik) verbunden und ist die Frage, ob diesen eine Ersatzpflicht
trifft, noch nicht entscheidungsreif, darf die Amtshaftungsklage nicht mit
dem Hinweis auf die noch nicht geklärte Ersatzpflicht des (einfachen) Streitgenossen
durch Teilurteil abgewiesen werden, weil die Entscheidung hierüber für
den durch Teilurteil entschiedenen Amtshaftungsanspruch präjudiziell ist (Bestätigung
Senatsurteil vom 17. Februar 2004 - VI ZR 39/03, VersR 2004, 785).
BGH, Urteil vom 21. November 2017 - VI ZR 436/16 - OLG Rostock
LG Rostock
ECLI:DE:BGH:2017:211117UVIZR436.16.0

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 21. November 2017 durch die Richterin von Pentz als Vorsitzende, den Richter Wellner, die Richterinnen Dr. Oehler, Dr. Roloff und den Richter Dr. Klein
für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 2. September 2016 und das Teilurteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Rostock vom 6. November 2013 aufgehoben, soweit über die Klage gegen den Beklagten zu 3 entschieden worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittelzüge, an das Landgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin nimmt die Beklagten zu 1 bis 5 auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung in Anspruch.
2
Die Klägerin wurde am 22. November 2004 im Hause der Beklagten zu 1, einer Universitätsklinik, durch den Beklagten zu 2 an der Bandscheibe operiert. Der Beklagte zu 3 und Revisionsbeklagte war aufsichtsführender beamteter Oberarzt der Anästhesie, die von den Beklagten zu 4 und 5 durchge- führt wurde. Während der Operation kam es bei der in Bauchlage gelagerten Klägerin zu einem Husten und einer Spontanbewegung, woraufhin der Beklagte zu 2 mit einem Wurzelhaken in die Duraöffnung geriet und diese erweiterte, so dass Liquor abfloss. Postoperativ entwickelte sich bei der Klägerin ein inkomplettes Cauda-Syndrom, u.a. mit Blasenlähmung.
3
Das Landgericht hat die Klage hinsichtlich der Beklagten zu 3 und 4 durch Teilurteil abgewiesen. Etwaige Ansprüche der Klägerin gegen diese seien jedenfalls verjährt. Die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit der vom Senat hinsichtlich des Beklagten zu 3 zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren gegen diesen weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

4
Das Berufungsgericht hat, soweit für das Revisionsverfahren noch erheblich , den erstinstanzlichen Erlass eines Teilurteils für zulässig gehalten, da die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen ausgeschlossen gewesen sei. In der Sache seien etwaige deliktische Ansprüche der Klägerin gegen den Beklagten zu 3 wegen behaupteter Behandlungsfehler bei Durchführung der Anästhesie sowie wegen eines vermeintlichen Verschuldens bei Auswahl und Überwachung der Beklagten zu 4 und 5 zwar nicht verjährt. Der Beklagte zu 3 könne sich insoweit aber als beamteter Oberarzt auf das Verweisungsprivileg des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB berufen. Eine anderweitige Ersatzmöglichkeit der Klägerin im Sinne dieser Vorschrift sei durch die - tatsächlich auch erfolgte - Inanspruchnahme der Beklagten zu 1, 4 und 5 gegeben.
5
Verjährt seien dagegen etwaige vertragliche und deliktische Ersatzansprüche der Klägerin gegen den Revisionsbeklagten wegen eines Verstoßes desselben gegen die von der Klägerin mit der liquidationsberechtigten Ärztin für anästhesiologische wahlärztliche Leistungen geschlossenen Wahlleistungsvereinbarung , nach welcher der Revisionsbeklagte als Individualvertreter mit der Erbringung der wahlärztlichen Leistung beauftragt gewesen sei.

II.

6
Diese Erwägungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Mit Erfolg wendet sich die Revision bereits dagegen, dass das Berufungsgericht die Abweisung der gegen den Beklagten zu 3 gerichteten Klage durch das Landgericht in einem Teilurteil für zulässig gehalten hat.
7
1. Ein Teilurteil darf auch bei grundsätzlicher Teilbarkeit des Streitgegenstandes nur ergehen, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen - auch infolge abweichender Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht - ausgeschlossen ist. Eine Gefahr sich widersprechender Entscheidungen ist namentlich dann gegeben, wenn in einem Teilurteil eine Frage entschieden wird, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren über andere Ansprüche oder Anspruchsteile noch einmal stellt oder stellen kann. Das gilt auch insoweit, als es um die Möglichkeit einer unterschiedlichen Beurteilung von bloßen Urteilselementen geht, die weder in Rechtskraft erwachsen noch das Gericht nach § 318 ZPO für das weitere Verfahren binden. Eine solche Gefahr besteht namentlich bei einer Mehrheit selbständiger prozessualer Ansprüche, wenn zwischen den prozessual selbständigen Ansprüchen eine materiell-rechtliche Verzahnung besteht oder die Ansprüche prozessual in ein Abhängigkeitsverhältnis gestellt sind (Senatsurteile vom 11. April 2017 - VI ZR 576/15, VersR 2017, 888 Rn. 10; vom 1. März 2016 - VI ZR 437/14, VersR 2016, 745 Rn. 30, insoweit in BGHZ 209, 157 nicht abgedruckt; vom 29. März 2011 - VI ZR 117/10, BGHZ 189, 79 Rn. 15; jeweils mwN). Eine materiell-rechtliche Verzahnung kann bei objektiver Häufung inhaltlich zusammenhängender Anträge, aber auch bei Klagen gegen mehrere Personen (subjektive Klagehäufung) auftreten (vgl. BGH, Urteil vom 28. November 2003 - V ZR 123/03, BGHZ 157, 133, 143). Ein Teilurteil über die Klage gegen einen von mehreren einfachen Streitgenossen ist daher in der Regel unzulässig, wenn die Möglichkeit besteht, dass es in demselben Rechtsstreit, auch im Instanzenzug, zu einander widersprechenden Entscheidungen kommt (vgl. Senatsurteile vom 24. Februar 2015 - VI ZR 279/14, VersR 2016, 271 Rn. 7; vom 25. November 2003 - VI ZR 8/03, VersR 2004, 645, 646; vom 12. Januar 1999 - VI ZR 77/98, VersR 1999, 734 f.). Zwar muss gegenüber einfachen Streitgenossen grundsätzlich keine einheitliche Entscheidung getroffen werden. Eine Teilentscheidung ist aber nur zulässig, wenn sie unabhängig von der Entscheidung über den restlichen Verfahrensgegenstand ist (Senatsurteil vom 24. Februar 2015 - VI ZR 279/14, VersR 2016, 271 Rn. 7; BGH, Urteil vom 13. Oktober 2008 - II ZR 112/07, NJW 2009, 230 Rn. 8). Dies ist etwa dann der Fall, wenn das Teilurteil nur auf Gründen beruht, die ausschließlich diesen Streitgenossen berühren (BeckOK ZPO/Dressler, Stand 15. September 2017, § 61 Rn. 12; vgl. zum Ganzen Senatsurteil vom 20. Dezember 2016 - VI ZR 395/15, VersR 2017, 495 Rn. 7).
8
2. Nach diesen Grundsätzen durfte das Berufungsgericht das Teilurteil des Landgerichts nicht mit der Erwägung bestätigen, der Beklagte zu 3 könne sich hinsichtlich seiner deliktischen Eigenhaftung auf das Verweisungsprivileg des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB berufen und die Klägerin müsse sich auf die anderweitigen Ersatzmöglichkeiten gegen die Beklagten zu 1, 4 und 5 verweisen lassen. Solange nämlich diese Ersatzmöglichkeit nicht endgültig geklärt ist, besteht die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen.
9
Eine Ersatzmöglichkeit gegen den Beklagten zu 4 scheidet bereits deshalb aus, weil das Berufungsgericht die Klageabweisung wegen Verjährung - rechtskräftig - bestätigt hat. Damit ist keine Aussage darüber getroffen, ob der Beklagte zu 4 ursprünglich ersatzpflichtig gewesen ist und ob die Klägerin eine - vorrangige - erfolgreiche Inanspruchnahme des Beklagten zu 4 lediglich schuldhaft versäumt hat, in welchem Fall sie sich auf den Wegfall der Ersatzmöglichkeit nicht berufen dürfte (BGH, Urteil vom 19. März 1992 - III ZR 117/90, VersR 1992, 698, 700; Staudinger/Wöstmann, BGB, 2013, § 839 Rn. 297 f.; Palandt/Sprau, BGB, 76. Aufl., § 839 Rn. 58). Sollte das Landgericht nach weiterer Beweisaufnahme auch eine Haftung der Beklagten zu 1 und 5 verneinen, bestünde keine anderweitige Ersatzmöglichkeit der Klägerin, so dass eine persönliche Haftung des Beklagten zu 3 aus § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht auszuschließen wäre. Das reicht aus, um ein Teilurteil unzulässig zu machen (vgl. Senatsurteil vom 17. Februar 2004 - VI ZR 39/03, VersR 2004, 785).
10
Ist ein Beamter wegen einer Amtspflichtverletzung nach § 839 BGB auf Leistung von Schadensersatz allein verklagt, so kann zwar, wenn eine anderweitige Ersatzmöglichkeit nicht auszuschließen ist, die Klage als (derzeit) unbegründet abgewiesen werden. Wird aber die Amtshaftungsklage - wie hier - wegen desselben Schadens mit der Klage gegen einen Dritten verbunden, und ist die Frage, ob diesen eine Ersatzpflicht trifft, noch nicht entscheidungsreif, dann darf die Amtshaftungsklage nicht mit dem Hinweis auf die noch nicht geklärte Ersatzpflicht des (einfachen) Streitgenossen durch Teilurteil abgewiesen werden , weil die Entscheidung hierüber für den durch Teilurteil entschiedenen Amtshaftungsanspruch präjudiziell ist (Senatsurteile vom 17. Februar 2004 - VI ZR 39/03, VersR 2004, 785 f.; vom 8. Dezember 1992 - VI ZR 349/91, BGHZ 120, 376, 380).

III.


11
Da etwaige deliktische Ansprüche der Klägerin gegen den Beklagten zu 3 auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht verjährt sind und das Verweisungsprivileg des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB wie ausgeführt eine Klagabweisung im Wege des Teilurteils nicht rechtfertigt, stellt dessen Erlass einen wesentlichen Verfahrensmangel dar. Angesichts der teilweise noch ausstehenden, teilweise vom Landgericht zwischenzeitlich weiterbetriebenen umfangreichen Beweisaufnahme wäre das Berufungsgericht im Streitfall auch nicht aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit befugt, den im ersten Rechtszug anhängig gebliebenen Teil des Rechtsstreits zur Beseitigung des Verfahrensfehlers an sich zu ziehen und darüber mitzuentscheiden (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 13. Juli 2011 - VIII ZR 342/09, NJW 2011, 2800 Rn. 33; vom 10. Oktober 1991 - III ZR 93/90, NJW 1992, 511, 512 unter IV. mwN). Das Berufungsgericht hätte das erstinstanzliche Urteil vielmehr aufheben und die Sache gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 ZPO an das Landgericht zurückverweisen müssen. Der Senat holt diese Entscheidung gemäß § 563 Abs. 3 ZPO im Umfang der Anfechtung durch die Revision nach (vgl. BGH, Urteile vom 11. Mai 2011 - VIII ZR 42/10, BGHZ 189, 356 Rn. 29; vom 4. Oktober 2000 - VIII ZR 109/99, NJW 2001, 155, 156; vom 12. Januar 1994 - XII ZR 167/92, NJW-RR 1994, 379, 381; vom 21. Februar 1992 - V ZR 253/90, NJW 1992, 1769, 1770 unter IV.; vom 29. Oktober 1986 - IVb ZR 88/85, NJW 1987, 441, 442 unter II.; vom 18. Dezember 1954 - II ZR 76/54, BGHZ 16, 71, 82).
12
Das Landgericht wird im Rahmen des weiteren erstinstanzlichen Verfahrens Gelegenheit haben, auch das übrige Vorbringen der Parteien im Revisionsrechtszug zu berücksichtigen. von Pentz Wellner Oehler Roloff Klein
Vorinstanzen:
LG Rostock, Entscheidung vom 06.11.2013 - 10 O 638/11 (2) -
OLG Rostock, Entscheidung vom 02.09.2016 - 5 U 156/13 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR279/14 Verkündet am:
24. Februar 2015
Beširović
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO § 301; EuGVVO Art. 6 Nr. 1
1. Ist eine Klage gegen mehrere einfache Streitgenossen erhoben worden und fehlt es
bezüglich eines von ihnen an der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte
, kann er durch Teilurteil aus dem Prozess entlassen werden.
2. Nach Art. 11 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember
2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von
Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (im Folgenden: EuGVVO) i.V.m. Art. 9
Abs. 1 Buchst. b EuGVVO kann der Geschädigte, der seinen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat
hat, vor dem Gericht seines Wohnsitzes eine Klage unmittelbar gegen den
Versicherer erheben, sofern eine solche unmittelbare Klage zulässig ist und der Versicherer
seinen Sitz im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates hat (Anschluss
an BGHZ 176, 276).
3. Art. 6 Nr. 1 EuGVVO eröffnet trotz Konnexität mit der Klage gegen den Versicherer
diesen Gerichtsstand am Wohnsitz des Klägers nicht für eine Klage gegen den Versicherten
oder Versicherungsnehmer, wenn dieser gemäß Art. 2 Abs. 1 EuGVVO
seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats als dem des Kläger
hat. Die durch den sogenannten "Ankerbeklagten" vermittelte internationale Zuständigkeit
nach Art. 6 Nr. 1 EuGVVO kann nur auf dessen Wohnsitzgerichtsstand (Art. 2
Abs. 1 EuGVVO) gestützt werden.
BGH, Urteil vom 24. Februar 2015 - VI ZR 279/14 - LG Dortmund
AG Dortmund
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 24. Februar 2015 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Wellner
und Stöhr, die Richterinnen von Pentz und Dr. Oehler

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund vom 18. Juni 2014 wird zurückgewiesen. Der Kläger hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger begehrt Ersatz materiellen Schadens aufgrund eines Verkehrsunfalls , der sich am 10. Dezember 2011 auf der Autobahn E 40 in Belgien ereignete. Der in Dortmund wohnhafte Kläger ist Halter und Fahrer des unfallbeteiligten PKW VW Transporter Kombi, die Beklagte zu 1 (im Folgenden Beklagte ) ist Fahrerin des ebenfalls unfallbeteiligten Kraftfahrzeuges und wohnt in Belgien. Ihr Kraftfahrzeug ist bei der an den Rechtsmittelverfahren nicht beteiligten Beklagten zu 2 haftpflichtversichert. Dieser Haftpflichtversicherer hat seinen Sitz in Belgien.
2
Kläger und Beklagte fuhren mit ihren Fahrzeugen auf der Autobahn Richtung Ostende, auf der mittleren Fahrspur fuhr der Kläger mit seinem Fahrzeug auf das Fahrzeug der Beklagten auf. Es ist streitig, ob ein zuvor erfolgter Spurwechsel der Beklagten seinen Abstand zu ihr derart verkürzte, dass das Auffahren nach einer Bremsung der Beklagten für den Kläger trotz einer Vollbremsung nicht zu vermeiden war.
3
Das Amtsgericht hat mit Zwischenurteil vom 15. August 2013 festgestellt, dass die Klage gegen die Beklagte mangels örtlicher Zuständigkeit des angerufenen Gerichts unzulässig sei. Das Landgericht hat mit Urteil vom 18. Juni 2014 die Berufung des Klägers gegen das Zwischenurteil mit der Klarstellung zurückgewiesen , dass es sich um ein Teilurteil handele, dessen Tenor laute, dass die Klage gegen die Beklagte abgewiesen werde, und hat die Revision zugelassen.
4
Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Begehren auf Verurteilung der Beklagten als Gesamtschuldnerin mit dem erstinstanzlich beklagten Haftpflichtversicherer in vollem Umfang weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

5
Das Berufungsgericht führt aus, dass es sich entgegen der Bezeichnung des amtsgerichtlichen Urteils bei der verkündeten Entscheidung um ein Endurteil in Form eines Teilurteils und nicht um ein Zwischenurteil handele. Stelle sich - wie im Streitfall - im Rahmen einer gemäß § 280 Abs. 1 ZPO abgesonderten Verhandlung über die Zulässigkeit einer Klage heraus, dass sie nicht zulässig sei, so sei sie durch Endurteil als unzulässig abzuweisen. Die fehlerhafte Bezeichnung des Urteils als Zwischenurteil hindere indes seine Bindungswirkung und die Statthaftigkeit der Berufung nicht. Die Klage sei unzulässig, da das angerufene Gericht international nicht zuständig sei. Für die gegen die Beklagte gerichtete Klage sei in Deutschland kein Gerichtsstand begründet. Der allgemeine Gerichtsstand der Beklagten liege gemäß Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil - und Handelssachen (Abl. L 12 vom 16. Januar 2001, S. 1, in der bis zum 9. Januar 2015 geltenden Fassung, im Folgenden EuGVVO) in Belgien, da dort ihr Wohnsitz sei. Besondere Gerichtsstände in der Bundesrepublik Deutschland seien nicht einschlägig. In Bezug auf die ebenfalls beklagte Haftpflichtversicherung greife zwar gemäß Art. 11 Abs. 2 i.V.m. Art. 9 Abs. 1 Buchst. b EuGVVO ein besonderer Gerichtsstand ein, demzufolge die Versicherung zulässigerweise in Deutschland verklagt werden könne. Die Norm finde jedoch auf die Beklagte als Fahrerin des unfallbeteiligten PKW keine Anwendung. Die inländischen Gerichte seien auch nicht wegen des engen Sachzusammenhangs mit der Klage gegen die Beklagte zu 2 gemäß Art. 6 Nr. 1 EuGVVO international zuständig. Die Voraussetzungen dieser Zuständigkeitsregelung seien nicht erfüllt. Die Norm setze nach ihrem Wortlaut voraus, dass der Wohnsitz eines der Beklagten an dem zu begründenden Gerichtsstand liegen müsse. Dies sei hier nicht der Fall. Die Beklagte wohne in Belgien, die Beklagte zu 2 habe ihren Sitz ebenfalls in Belgien. Es gebe keinen Anlass, die Norm entgegen ihrem eindeutigen Wortlaut auf andere Gerichtsstände als den allgemeinen Gerichtsstand des Wohnsitzes zu erstrecken.

II.

6
Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts , die Klage habe durch Teilurteil als unzulässig abgewiesen werden dürfen.
7
1. Gemäß § 301 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat das Gericht die Endentscheidung durch Teilurteil zu erlassen, wenn von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine oder nur ein Teil eines Anspruchs zur Endentscheidung reif ist. § 301 ZPO dient der Beschleunigung, soll aber auch die Einheitlichkeit und Widerspruchsfreiheit der Entscheidung in ein und demselben Rechtsstreit gewährleisten (vgl. Senatsurteil vom 12. Januar 1999 - VI ZR 77/98, VersR 1999, 734 f.). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf ein Teilurteil nur ergehen, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen ausgeschlossen ist; dabei ist auch die Möglichkeit einer abweichenden Entscheidung durch ein Rechtsmittelgericht zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil vom 29. März 2011 - VI ZR 117/10, BGHZ 189, 79 Rn. 15; BGH, Urteile vom 17. Januar 2012 - X ZR 59/11, BGHZ 193, 60 Rn. 8; vom 7. November 2006 - X ZR 149/04, MDR 2007, 539; Beschluss vom 7. Juli 2010 - XII ZR 158/09, ZIP 2010, 2410 Rn. 13). Eine solche Gefahr besteht in der Regel bei einer Mehrheit selbständiger prozessualer Ansprüche, wenn zwischen ihnen eine materiell-rechtliche Verzahnung besteht oder die Ansprüche prozessual in ein Abhängigkeitsverhältnis gestellt sind (vgl. Senatsurteil vom 29. März 2011 - VI ZR 117/10, BGHZ 189, 79 Rn. 16). Eine materiell-rechtliche Verzahnung kann bei subjektiver Klagehäufung, aber auch bei objektiver Häufung inhaltlich zusammenhängender Anträge auftreten (vgl. BGH, Urteil vom 28. November 2003 - V ZR 123/03, BGHZ 157, 133, 143). Ein Teilurteil über die Klage gegen einen von mehreren einfachen Streitgenossen ist daher in der Regel unzulässig, wenn die Möglichkeit besteht, dass es in demselben Rechtsstreit , auch im Instanzenzug, zu einander widersprechenden Entscheidungen kommt. Über ein Prozessrechtsverhältnis darf deshalb nicht vorab durch Teilurteil entschieden werden, wenn eine gemeinsame Beweisaufnahme in Betracht kommt (vgl. BGH, Urteile vom 17. Januar 2012 - X ZR 59/11, BGHZ 193, 60 Rn. 8; vom 19. Dezember 2002 - VII ZR 176/02, ZIP 2003, 594 f.). Zwar muss gegenüber einfachen Streitgenossen grundsätzlich keine einheitliche Entscheidung getroffen werden. Eine Teilentscheidung ist aber nur zulässig, wenn sie unabhängig von der Entscheidung über den restlichen Verfahrensgegenstand ist (BGH, Urteil vom 13. Oktober 2008 - II ZR 112/07, NJW 2009, 230 Rn. 8).
8
Eine materiell-rechtliche Verzahnung, die einem Teilurteil entgegenstehen kann, kommt bei der Klage gegen Versicherungsnehmer und Haftpflichtversicherer , die im Verhältnis untereinander einfache Streitgenossen sind (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 1974 - IV ZR 212/72, BGHZ 63, 51, 52 ff.), regelmäßig dann in Betracht, wenn um den Haftungsgrund gestritten wird. Eine solche Verzahnung hindert nicht stets den Erlass eines Teilurteils, insbesondere dann nicht, wenn die Klage wegen fehlender internationaler Zuständigkeit nicht gegen alle Streitgenossen zulässig ist. Dann besteht in aller Regel ein rechtlich anzuerkennendes Bedürfnis, den Streitgenossen, bezüglich dessen die Klage bereits unzulässig ist, durch Teilurteil aus dem Prozess zu entlassen (vgl. BGH, Urteil vom 27. September 2013 - V ZR 232/10, ZOV 2014, 16 Rn. 2, 8 ff.; Dressler in BeckOK ZPO, § 61 Rn. 11 [Stand 1. Januar 2013]; Rensen in Wieczorek/Schütze, ZPO, 3. Aufl. § 301 Rn. 31).
9
2. So verhält es sich im Streitfall, weil das Berufungsgericht die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die Klage gegen die Beklagte zu Recht verneint hat.
10
a) Die internationale Zuständigkeit richtet sich hier nach der schon zitierten Verordnung (EG) Nr. 44/2001 (EuGVVO), nachdem die Klage nach dem Inkrafttreten dieser Verordnung am 1. März 2002 erhoben (vgl. Art. 76, 66 Abs. 1 EuGVVO) und der sachliche und räumliche Geltungsbereich der Verordnung (vgl. Art. 1 Abs. 1 und 3 EuGVVO) im Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zu Belgien als Mitgliedstaat eröffnet ist. Die sie ersetzende Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO 2012, Abl. L. 351 vom 20. Dezember 2012, S. 1) gilt gemäß deren Art. 81 Satz 2, Art. 66 Abs. 1 erst für diejenigen Klagen, welche ab dem 10. Januar 2015 erhoben wurden.
11

b) Die Beklagte, die Unfallgegnerin des hier klagenden Geschädigten, hat ihren Wohnsitz in Belgien. Auch die mitverklagte Beklagte zu 2, ihr Haftpflichtversicherer , hat den Sitz in Belgien.
12
Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für die Klage gegen die Beklagte zu 2 gegeben sein kann. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 13. Dezember 2007 - C-463/06, Slg. 2007, I-11321 - FBTO/Odenbreit), der der erkennende Senat gefolgt ist, kann nach Art. 11 Abs. 2 EuGVVO i.V.m. Art. 9 Abs. 1 Buchst. b EuGVVO der Geschädigte , der seinen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat hat, vor dem Gericht seines Wohnsitzes eine Klage unmittelbar gegen den Versicherer erheben, sofern eine solche unmittelbare Klage zulässig ist und der Versicherer seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats hat (vgl. Senatsurteil vom 6. Mai 2008 - VI ZR 200/05, BGHZ 176, 276 Rn. 3, 5).
13
Für die Klage gegen die zu 1 beklagte Unfallgegnerin und Versicherungsnehmerin sind dagegen gemäß Art. 2 Abs. 1 EuGVVO grundsätzlich die Gerichte ihres Wohnsitzstaates, also die belgischen Gerichte, international zuständig. Nach Art. 3 Abs. 1 EuGVVO können Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, vor den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats nur gemäß den Vorschriften der Abschnitte 2 bis 7 des zweiten Kapitels der EuGVVO verklagt werden. Zu den Regelungen, die eine Klage vor dem Gericht eines anderen Mitgliedstaats zulassen, gehört auch Art. 6 Nr. 1 EuGVVO. Danach kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, wenn mehrere Personen zusammen verklagt werden, vor dem Gericht des Ortes, an dem einer der Beklagten seinen Wohnsitz hat, verklagt werden, sofern zwischen den Klagen eine so enge Beziehung gegeben ist, dass eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten erscheint, um zu vermeiden, dass in getrennten Verfahren widersprechende Entscheidungen ergehen könnten.
14
Entgegen der Auffassung der Revision ist das Berufungsgericht aber zu Recht davon ausgegangen, dass über diese Regelung des Mehrparteiengerichtsstandes (vgl. dazu Kropholler/v. Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl., Art. 6 EuGVO Rn. 4) bzw. des Gerichtsstands der Streitgenossenschaft (vgl. Geimer in derselbe/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl., Art. 6 Rn. 3) keine Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die Klage gegen die Beklagte begründet wird, selbst wenn die gemäß Art. 6 Nr. 1 EuGVVO erforderliche Konnexität beider Klagen gegeben sein sollte. Nach seinem Wortlaut setzt Art. 6 Nr. 1 EuGVVO voraus, dass mindestens einer der mehreren Beklagten seinen Wohnsitz am Ort des Gerichts hat. Das ist im Streitfall nicht gegeben. Eine allein mit der Konnexität begründete erweiternde Auslegung oder analoge Anwendung dahingehend, dass es für die Annexzuständigkeit genügt, dass ein Mitbeklagter oder Streitgenosse aufgrund einer anderen Gerichtsstandsregelung als der allgemeinen des Art. 2 Abs. 1 EuGVVO, nämlich einer Regelung eines besonderen Gerichtsstandes, seinen Gerichtsstand am Wohnsitzgericht des Klägers hat, kommt nicht in Betracht (allg. Ansicht, vgl. dazu grundsätzlich Kropholler/v. Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl., Art. 6 EuGVO Rn. 12; Geimer in Zöller, ZPO, 30. Aufl., Art. 6 EuGVO Rn. 2; Pfeiffer in Prütting/Gehrlein, ZPO, 6. Aufl., Art. 6 EUGVO Rn. 3; Wagner in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., Art. 6 EuGVVO Rn. 8, 15 f.; speziell für den Fall der Direktklage gegen den Haftpflichtversicherer am Wohnsitzgericht des Klägers Riedmeyer in Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung, 18. Aufl., AuslUnf Rn. 112; Riedmeyer, r+s Beil. 2011, 91, 94; Staudinger/Czaplinski, NJW 2009, 2249, 2253; Nugel, jurisPR -VerkR 13/2013 Anm. 3 zu AG Rosenheim, NZV 2013, 194). Die Zuständigkeit für die Klage gegen den sogenannten "Ankerbeklagten" muss sich auf dessen Wohnsitz stützen (vgl. Wagner, aaO, Rn. 15; Pfeiffer, aaO, Rn. 3).
15
Dies ergibt sich aus dem - schon angeführten - klaren Wortlaut von Art. 6 Nr. 1 EuGVVO und steht in Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Auslegung der Zuständigkeitsvorschriften. Danach sind die Vorschriften der genannten Verordnung autonom unter Berücksichtigung ihrer Systematik und ihrer Zielsetzungen auszulegen (EuGH, Urteil vom 13. Juli 2006 - C-103/05, Slg. 2006, I-06827 Rn. 29 - Reisch Montage). Ausgangspunkt dieser Auslegung sind die Erwägungsgründe der EuGVVO, die - soweit für den Streitfall von Bedeutung - wie folgt lauten: "(11) Die Zuständigkeitsvorschriften müssen in hohem Maße vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten, und diese Zuständigkeit muss stets gegeben sein außer in einigen genau festgelegten Fällen, in denen aufgrund des Streitgegenstands oder der Vertragsfreiheit der Parteien ein anderes Anknüpfungskriterium gerechtfertigt ist… (12) Der Gerichtsstand des Wohnsitzes des Beklagten muss durch alternative Gerichtsstände ergänzt werden, die entweder aufgrund der engen Verbindung zwischen Gericht und Rechtsstreit oder im Interesse einer geordneten Rechtspflege zuzulassen sind. (15) Im Interesse einer abgestimmten Rechtspflege müssen Parallelverfahren so weit wie möglich vermieden werden, damit nicht in zwei Mitgliedstaa- ten miteinander unvereinbare Entscheidungen ergehen …"
16
Sie gebieten, die besonderen Zuständigkeitsregelungen, zu denen auch Art. 6 EuGVVO gehört (vgl. Art. 3 Abs. 1 EuGVVO), eng auszulegen; eine Auslegung über die ausdrücklich in der Verordnung Nr. 44/2001 vorgesehenen Fälle hinaus ist unzulässig (vgl. EuGH, Urteil vom 13. Juli 2006 - C-103/05, Slg. 2006, I-06827 Rn. 23 - Reisch Montage; vom 11. Oktober 2007 - C-98/06, Slg. 2007, I-08319 Rn. 35 - Freeport; speziell zu Art. 6 Nr. 1 EuGH, Urteil vom 11. April 2013 - C-645/11, NJW 2013, 1661 Rn. 41 - Sapir u.a.; vom 22. Mai 2008 - C-462/06, Slg. 2008, I-03965 Rn. 28 - Glaxosmithkline; vom 1. Dezember 2011 - C-145/10, Slg. 2011, I-12533 Rn. 74 - Painer/Standard). Laut dem Erwägungsgrund Nr. 11 der EuGVVO müssen die Zuständigkeitsvorschriften in hohem Maße vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz der Beklagten richten (EuGH, Urteil vom 11. Oktober 2007 - C-98/06, Slg. 2007, I-08319 Rn. 36 - Freeport). Die in Art. 2 EuGVVO vorgesehene Zuständigkeit, d.h. die Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet der Beklagte seinen Wohnsitz hat, stellt den allgemeinen Grundsatz dar und besondere Zuständigkeitsregelungen in Abweichung von diesem Grundsatz sieht die Verordnung nur für abschließend aufgeführte Fälle vor (vgl. EuGH, Urteil vom 13. Juli 2006 - C-103/05, Slg. 2006, I-06827 Rn. 22 - Reisch Monta- ge). Der Charakter eines allgemeinen Grundsatzes in Art. 2 EuGVVO erklärt sich daraus, dass diese Zuständigkeitsregel dem Beklagten normalerweise die Verteidigung erleichtert. Infolgedessen können die von diesem allgemeinen Grundsatz abweichenden Zuständigkeitsregeln nicht zu einer Auslegung führen , die über die in dem Übereinkommen vorgesehenen Fälle hinausgeht (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Juni 1992 - C-26/91, Slg. 1992, I-3967 Rn.14 - Handte /TMCS zu der im Wesentlichen gleichlautenden Regelung in Art. 2 EuGVÜ).
17
Gemessen daran würde die Begründung des Mehrparteiengerichtsstandes des Art. 6 Nr. 1 EuGVVO über die besondere Zuständigkeit in Versicherungssachen gemäß Art. 11 Abs. 2, Art. 9 Abs. 1 Buchst. b EuGVVO dem Versicherten oder Versicherungsnehmer den Schutz nehmen, den diese Verordnung mit dem allgemeinen Grundsatz der Zuständigkeit des Wohnsitzgerichtes verbunden mit dem abschließenden Katalog der besonderen Zuständigkeiten gewähren will. Für den Versicherten bzw. Versicherungsnehmer wäre nicht zuverlässig vorhersehbar, welche Gerichte für eine gegen ihn gerichtete Klage international zuständig wären. Die Systematik der Verordnung würde beeinträchtigt , ließe man zu, dass eine Zuständigkeit nach Art. 11 Abs. 2, Art. 9 Abs. 1 Buchst. b EuGVVO, bei der es sich um eine besondere Zuständigkeit handelt, die auf abschließend aufgeführte Fälle beschränkt ist, als Grundlage für eine Zuständigkeit für andere Klagen dienen könnte (vgl. zu Art. 5 und Art. 6 Nr. 1 EuGVVO EuGH, Urteil vom 11. Oktober 2007 - C-98/06, Slg. 2007, I08319 Rn. 46 - Freeport). Die von der Revision geforderte erweiternde Auslegung bzw. analoge Anwendung würde ein Verlassen des abschließenden Kataloges der besonderen Zuständigkeiten bedeuten. Eine Regelungslücke der Verordnung ist insoweit nicht erkennbar. Mit dem deutlichen Hinweis auf den abschließenden Katalog der besonderen Zuständigkeiten hat der Europäische Gerichtshof auch klar gestellt, dass die in dem Erwägungsgrund Nr. 15 formulierte Zielsetzung, Parallelverfahren zur Verhinderung miteinander unvereinbarer Entscheidungen zu vermeiden, hinter dieser der Rechtssicherheit geschuldeten Regelung eines abschließenden Zuständigkeitskatalogs zurücktreten muss. Da die EuGVVO in Art. 27 und Art. 28 über die Möglichkeit der Ausset- zung einen Weg zur Vermeidung miteinander unvereinbarer Entscheidungen anbietet, ist dieser Zielsetzung anderweit Rechnung getragen.
18
Im Übrigen ist die Frage der Möglichkeit einer erweiternden Auslegung der Annexzuständigkeit des Art. 6 Nr. 1 EuGVVO lediglich wegen der Konnexität geklärt durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 27. Oktober 1998 (- C-51/97, Slg. 1998, I-06511 Rn. 44 ff. - Réunion Européenne) zu der im Wesentlichen gleichlautenden Vorschrift in Art. 6 EuGVÜ (vgl. auch EuGH, Urteil vom 11. Oktober 2007 - C-98/06, Slg. 2007, I-08319 Rn. 46 - Freeport zu Art. 6 Nr. 1 EuGVVO).
19
Dieses Urteil bezog sich auf eine Klage, die vor einem Gericht eines Mitgliedstaats (Frankreich) anhängig gemacht worden war, in dem keiner der drei Beklagten des Ausgangsverfahrens seinen Wohnsitz hatte, und bei der sich die Zuständigkeit des französischen Gerichts für den in Australien ansässigen Beklagten aus Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ (entspr. Art. 5 Nr. 3 EuGVVO bzw. Art. 7 Nr. 3 EuGVVO 2012) ableitete. Darin hat der Europäische Gerichtshof zu der Annexzuständigkeit gem. Art. 6 Nr. 1 EuGVÜ ausgeführt, dass das mit dem Übereinkommen angestrebte Ziel der Rechtssicherheit nicht erreicht würde, wenn der Umstand, dass sich das Gericht eines Vertragsstaats in Bezug auf einen der Beklagten, der seinen Wohnsitz nicht in einem Vertragsstaat hat, für zuständig erklärt hat, es ermöglichen würde, einen anderen Beklagten, der seinen Wohnsitz in einem Vertragsstaat hat, außerhalb der im Übereinkommen vorgesehenen Fälle vor diesem Gericht zu verklagen; denn hierdurch würde diesem der durch die Bestimmung des Übereinkommens gewährte Schutz genommen (vgl. EuGH, Urteil vom 27. Oktober 1998 - C-51/97, Slg. 1998, I-06511 Rn. 46 - Réunion Européenne).
20
Dass Art. 11 Abs. 3 EuGVVO es bei einer Direktklage gegen den Versicherer diesem über eine Streitverkündung rechtlich möglich macht, den Schädiger am Wohnsitzgericht des Geschädigten auf Regress zu verklagen, steht dem nicht entgegen. Die Regelung zeigt, dass eine generelle Erweiterung des besonderen Gerichtsstandes des Versicherungsnehmers (Art. 9 Abs. 1 Buchst. b EuGVVO) bei einer Direktklage gegen den Haftpflichtversicherer nicht geschaffen werden sollte.
21
c) Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht veranlasst (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - C-283/81, Slg. 1982, I-03415 Rn. 16 - CILFIT/Ministero delle Sanità; vom 11. September 2008 - C-428/06, Slg. 2008, I-06747 Rn. 42 - UGT-Rioja). Die Frage, ob aus der Zuständigkeit des Wohnsitzgerichts des Klägers für eine Direktklage gegen den Haftpflichtversicherer des Unfallgegners gemäß Art. 11 Abs. 2 i.V.m. Art. 9 Abs. 1 Buchst. b EuGVVO über Art. 6 Nr. 1 EuGVVO wegen der Konnexität die Zuständigkeit für den mitbeklagten Unfallgegner bzw. Versicherten oder Versicherungsnehmer begründet werden kann, obwohl keiner der Beklagten seinen Wohnsitz im Mitgliedstaat des Klägers hat, hat der Europäische Gerichtshof bereits geklärt. Die für die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit nach Art. 6 Nr. 1 EuGVVO richtige Auslegung ist aus den ausgeführten Gründen derart offenkundig, dass für vernünftige Zweifel kein Raum bleibt.
22
3. Die Revision ist deshalb zurückzuweisen. Galke Wellner Stöhr von Pentz Oehler
Vorinstanzen:
AG Dortmund, Entscheidung vom 15.08.2013 - 435 C 1661/13 -
LG Dortmund, Entscheidung vom 18.06.2014 - 4 S 110/13 -

(1) Das Gericht ist nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Dies gilt insbesondere von Früchten, Zinsen und anderen Nebenforderungen.

(2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch ohne Antrag zu erkennen.

Der Prüfung und Entscheidung des Berufungsgerichts unterliegen nur die Berufungsanträge. Das Urteil des ersten Rechtszuges darf nur insoweit abgeändert werden, als eine Abänderung beantragt ist.

(1) Das Gericht ist nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Dies gilt insbesondere von Früchten, Zinsen und anderen Nebenforderungen.

(2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch ohne Antrag zu erkennen.

Der Prüfung und Entscheidung des Berufungsgerichts unterliegen nur die Berufungsanträge. Das Urteil des ersten Rechtszuges darf nur insoweit abgeändert werden, als eine Abänderung beantragt ist.

(1) Das Gericht ist nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Dies gilt insbesondere von Früchten, Zinsen und anderen Nebenforderungen.

(2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch ohne Antrag zu erkennen.

Der Prüfung und Entscheidung des Berufungsgerichts unterliegen nur die Berufungsanträge. Das Urteil des ersten Rechtszuges darf nur insoweit abgeändert werden, als eine Abänderung beantragt ist.

(1) Die Erfüllung durch einen Gesamtschuldner wirkt auch für die übrigen Schuldner. Das Gleiche gilt von der Leistung an Erfüllungs statt, der Hinterlegung und der Aufrechnung.

(2) Eine Forderung, die einem Gesamtschuldner zusteht, kann nicht von den übrigen Schuldnern aufgerechnet werden.

(1) Die Gesamtschuldner sind im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Kann von einem Gesamtschuldner der auf ihn entfallende Beitrag nicht erlangt werden, so ist der Ausfall von den übrigen zur Ausgleichung verpflichteten Schuldnern zu tragen.

(2) Soweit ein Gesamtschuldner den Gläubiger befriedigt und von den übrigen Schuldnern Ausgleichung verlangen kann, geht die Forderung des Gläubigers gegen die übrigen Schuldner auf ihn über. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Gläubigers geltend gemacht werden.

Schulden mehrere eine Leistung in der Weise, dass jeder die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet, der Gläubiger aber die Leistung nur einmal zu fordern berechtigt ist (Gesamtschuldner), so kann der Gläubiger die Leistung nach seinem Belieben von jedem der Schuldner ganz oder zu einem Teil fordern. Bis zur Bewirkung der ganzen Leistung bleiben sämtliche Schuldner verpflichtet.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

(1) Die Verjährung kann bei Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtert werden.

(2) Die Verjährung kann durch Rechtsgeschäft nicht über eine Verjährungsfrist von 30 Jahren ab dem gesetzlichen Verjährungsbeginn hinaus erschwert werden.

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

(1) Die Verjährung kann bei Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtert werden.

(2) Die Verjährung kann durch Rechtsgeschäft nicht über eine Verjährungsfrist von 30 Jahren ab dem gesetzlichen Verjährungsbeginn hinaus erschwert werden.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Schweben zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, so ist die Verjährung gehemmt, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Die Verjährung tritt frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung ein.

(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem

1.
der Anspruch entstanden ist und
2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren

1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und
2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
Maßgeblich ist die früher endende Frist.

(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.

(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.

(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.

(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, zu entnehmen ist. Die Vorschriften der §§ 827 und 828 finden entsprechende Anwendung.

(2) Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.

(3) Die Haftung wegen Vorsatzes kann dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden.