Bundesarbeitsgericht Urteil, 16. Apr. 2015 - 6 AZR 242/14
Gericht
Tenor
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1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 14. Januar 2014 - 7 Sa 398/12 - aufgehoben.
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2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Würzburg - Kammer Schweinfurt - vom 4. Juli 2012 - 9 Ca 1347/11 - abgeändert, soweit die Beklagte in den Ziff. 3 und 4 des Tenors zur Leistung einer persönlichen Zulage gemäß § 14 TVöD-AT verurteilt und in Ziff. 5 des Tenors die Feststellung einer solchen Leistungspflicht getroffen wurde. Die Klage wird insoweit abgewiesen.
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3. Die Kosten der ersten und zweiten Instanz werden gegeneinander aufgehoben. Die Kosten der Revision hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten noch über einen Anspruch des Klägers auf Zahlung einer persönlichen Zulage nach § 14 TVöD-AT wegen vorübergehender Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit.
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Der Kläger ist staatlich geprüfter Elektrotechniker und seit dem 1. Januar 1991 bei der Beklagten beschäftigt. Seit dem 1. Oktober 2005 richtet sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vom 13. September 2005 (TVöD) und dem Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten des Bundes in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts vom 13. September 2005 (TVÜ-Bund).
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Die Beschäftigungsdienststelle des Klägers ist das Bundeswehr-Dienstleistungszentrum (BwDLZ) H. Nach dessen Geschäftsverteilungsplan ist sein Behördenleiter in allgemeiner dienstlicher Hinsicht der Vorgesetzte der Arbeitnehmer des BwDLZ und regelt sowohl deren Personaleinsatz als auch die Urlaubs- und Abwesenheitsvertretung. Demgegenüber waren die Wehrbereichsverwaltungen (WBV) bis zum 30. Juni 2013 gemäß Ziff. 3.2.2 des Erlasses des Bundesministeriums der Verteidigung vom 9. September 1996 (VMBl. 1996 S. 382 ff.) die sog. personalbearbeitenden Dienststellen für die Angestellten der Vergütungsgruppe Vb bis Ia BAT. Die Beklagte informierte den nach der Entgeltgruppe 9 TVöD vergüteten Kläger in einem Schreiben vom 6. August 2010 darüber, dass die WBV Süd die für ihn zuständige personalbearbeitende Dienststelle sei.
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Im Zuständigkeitsbereich des BwDLZ H sind für vier Bereiche Technische Betriebsgruppen (TBG) eingerichtet (Elektro, Heizung/Sanitär, Bauhauptgewerke sowie Schlosser/Metall). Der Kläger ist Leiter der TBG Elektro. Sein Vorgesetzter ist der Leiter des Technischen Gebäudemanagements (Leiter TGM). Dieser Dienstposten wird von einem Beamten der Besoldungsgruppe A 12 BBesG eingenommen. Ihm unterstehen alle Technischen Betriebsgruppen. Nach dem Geschäftsverteilungsplan des BwDLZ H ist der Kläger sein ständiger Vertreter. Dem entspricht die mit Wirkung ab dem 1. April 2011 geltende Tätigkeitsdarstellung für den Dienstposten des Klägers - Teil I - vom 24. Januar 2011, wonach der Kläger mit der „Wahrnehmung von Zusatzaufgaben, als ständiger Vertreter des Leiter TGM“ betraut ist.
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Der Leiter TGM war vom 1. April 2011 bis zum 18. Juli 2011 wegen eines Auslandseinsatzes bzw. einer Wehrübung abwesend. Der für das sog. Facility-Management zuständige Bereichsleiter der Beschäftigungsdienststelle teilte der WBV Süd mit Schreiben vom 3. Mai 2011 mit, dass der Kläger während der Abwesenheit des Leiters TGM als dessen Vertreter nach § 14 TVöD-AT vorübergehend eine höherwertige Tätigkeit wahrnehmen solle. § 14 TVöD-AT lautet in der vom 1. Januar 2010 bis zum 28. Februar 2014 geltenden Fassung des Änderungstarifvertrags Nr. 6 vom 8. Dezember 2010 auszugsweise wie folgt:
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„§ 14 Vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit
(1) Wird der/dem Beschäftigten vorübergehend eine andere Tätigkeit übertragen, die den Tätigkeitsmerkmalen einer höheren als ihrer/seiner Eingruppierung entspricht, und hat sie/er diese mindestens einen Monat ausgeübt, erhält sie/er für die Dauer der Ausübung eine persönliche Zulage rückwirkend ab dem ersten Tag der Übertragung der Tätigkeit.
…
(3) 1Die persönliche Zulage bemisst sich für Beschäftigte, die in eine der Entgeltgruppen 9 bis 14 eingruppiert sind, aus dem Unterschiedsbetrag zu dem Tabellenentgelt, das sich für die/den Beschäftigte/n bei dauerhafter Übertragung nach § 17 Abs. 4 Satz 1 bis 3 ergeben hätte. …“
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Nach der Niederschriftserklärung Nr. 6 Ziff. 2 zu § 14 Abs. 1 TVöD-AT ist die vertretungsweise Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit ein Unterfall der vorübergehenden Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit.
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Die WBV Süd richtete unter dem 6. Juni 2011 folgendes Schreiben an den Kläger:
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„…
auf Grund des Auslandseinsatzes des aktuellen Dienstposteninhabers sollen Ihnen gem. Bezug 1. vom 1. April 2011 bis 18. Juli 2011 vorübergehend die Tätigkeiten des Leiters Technisches Gebäudemanagement übertragen werden. Dieser Dienstposten ist mit Besoldungsgruppe A 12 bewertet, welche grundsätzlich der VergGr III BAT (EG 11/12) entspricht.
Gem. Ihrer Tätigkeitsdarstellung sind Sie in Ihrer Funktion als Meister in die VergGr V b, FallGr 2, Teil II, Q zur Anlage 1 a BAT eingruppiert.
Die Ihnen vorübergehend übertragenen Tätigkeitsmerkmale müssen gem. § 14 Abs. 1 TVöD einer höheren als Ihrer eigenen Eingruppierung entsprechen, um für die Dauer der Ausübung eine persönliche Zulage zu erhalten. Um Ihnen die Tätigkeiten der höheren VergGr übertragen zu können, müssen weiterhin die subjektiven Merkmale der jeweiligen VergGr erfüllt sein. Daraus folgt, dass andere Tätigkeiten nur dann den Tätigkeitsmerkmalen einer höheren VergGr entsprechen, wenn auch die Voraussetzungen in der Person des Arbeitnehmers erfüllt sind. Die Eingruppierungen in die VergGr IV b bis III, Teil I zur Anlage 1 a BAT (E 10 - 12 TVöD) verlangen jedoch nach Nr. 2 der Vorbemerkungen ein abgeschlossenes technisches Studium.
Da Sie diese subjektive Voraussetzung nicht erfüllen, können Sie nicht in eine höhere VergGr/Entgeltgruppe als V b/E 9 eingruppiert werden.
Aus diesen Gründen kann ich Ihnen leider keine Zulage nach § 14 Abs. 1 TVöD gewähren.
…“
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Vom 23. Januar 2012 bis zum 6. Juli 2012 war der Leiter TGM im Urlaub bzw. wiederum im Auslandseinsatz. Der Leiter des Facility-Managements beantragte abermals die Genehmigung der Übernahme einer höherwertigen Tätigkeit durch den Kläger nach § 14 Abs. 1 TVöD-AT wegen der Vertretung des Leiters TGM. Mit Schreiben vom 23. März 2012 wandte sich die WBV Süd an die Beschäftigungsdienststelle und lehnte die Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit auf den Kläger abermals ab, da dieser über kein abgeschlossenes technisches Studium verfüge. Das Schreiben endete mit folgendem Satz: „Ich bitte das BwDLZ H, die Tätigkeiten so auf alle Mitarbeiter zu verteilen, dass im Bereich des Facility-Managements keine höherwertigen Tätigkeiten ausgeübt werden“. Daraufhin sandte der Leiter des BwDLZ H am 24. April 2012 eine E-Mail an die WBV Süd. Diese lautet auszugsweise wie folgt:
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„Mit o.a. Bezug 2 wurde BwDLZ H gebeten, die Aufgaben im Rahmen der Vertretung des Leiters TGM so auf die Mitarbeiter im Bereich Facility Management zu verteilen, dass keine höherwertigen Tätigkeiten ausgeübt werden.
Für die Umsetzung dieser Vorgaben wurde zunächst durch den Teilbereich Personal und Interne Dienste die Tätigkeitsdarstellung für ‚die vertretungsweise Übertragung von Aufgaben‘ vom 14.03.2011 angefordert.
Nach erster eigener Bewertung bzw. nach Rücksprache mit ZA 3 (…) entsprechen die in dieser Tätigkeitsdarstellung aufgelisteten Aufgaben insgesamt keiner höheren Entgeltgruppe.
Höherwertige Tätigkeiten werden aufgrund dieser Tätigkeitsbeschreibung nicht von Herrn G als Vertreter des Leiters TGM wahrgenommen.
Somit ist eine Aufteilung einzelner Tätigkeiten auf die Mitarbeiter im Bereich Facility Management auf Grundlage der zu bewertenden Tätigkeitsdarstellung meines Erachtens nicht erforderlich.
…“
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Zwischen den Parteien blieb umstritten, ob der Kläger den Leiter TGM in den beiden Abwesenheitszeiträumen umfassend oder nur teilweise vertreten hat. Die Beklagte leistete keine persönliche Zulage nach § 14 TVöD-AT.
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Mit seiner am 29. Dezember 2011 erhobenen und mit Schriftsatz vom 24. Juni 2012 erweiterten Klage hat der Kläger die Leistung einer Zulage nach § 14 TVöD-AT für die beiden streitgegenständlichen Zeiträume verlangt. Bezüglich beider Vertretungsperioden sei ihm die Tätigkeit mündlich durch den Leiter des BwDLZ H übertragen worden. Da dieser ausweislich des Geschäftsverteilungsplans für die Regelung der Abwesenheitsvertretungen zuständig sei, müsse die Beklagte sich dessen Erklärungen zurechnen lassen. Es sei ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden. Hinsichtlich der Zeit vom 1. April 2011 bis zum 18. Juli 2011 sei ihm die Vertretung als höherwertige Tätigkeit zudem mit Schreiben vom 6. Juni 2011 durch die WBV Süd übertragen worden.
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Er habe den Leiter TGM bis auf eine Personalentscheidung umfassend vertreten. Dies habe über 70 % seiner Arbeitszeit in Anspruch genommen. Er selbst sei durch einen Vorhandwerker vertreten worden. Wegen früherer Vertretungen sei er fachlich qualifiziert, die Leitung der verschiedenen Technischen Betriebsgruppen zu übernehmen. Zudem sei er der ständige Vertreter des Leiters TGM. Er erfülle auch die Voraussetzungen für eine Eingruppierung entsprechend der des Leiters TGM (VergGr. III BAT). Zwar habe er kein technisches Studium abgeschlossen. Er verfüge aber über gleichwertige Fähigkeiten und langjährige Erfahrung.
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Die Höhe der zu leistenden Zulage belaufe sich auf 507,14 Euro brutto monatlich. Für die Vertretung vom 1. April 2011 bis zum 18. Juli 2011 seien folglich 1.744,99 Euro brutto zu zahlen. Die Forderung für die Vertretung vom 23. Januar 2012 bis zum 4. Juli 2012 betrage 2.789,27 Euro brutto. Hinsichtlich der noch über den 4. Juli 2012 - dem Tag der Verhandlung vor dem Arbeitsgericht - andauernden Vertretung sei festzustellen, dass die Beklagte zur Leistung der Zulage verpflichtet ist. Der Kläger hat daher vor dem Arbeitsgericht beantragt zu erkennen:
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1.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.774,99 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. August 2011 zu zahlen.
2.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 2.789,27 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Klageerweiterung zu zahlen.
3.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für die noch über den 4. Juli 2012 andauernde Vertretung des Leiters Technisches Gebäudemanagement die persönliche Vertreterzulage gemäß § 14 TVöD-AT zu gewähren.
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Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Es habe bezüglich beider Vertretungszeiträume keine wirksame Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit stattgefunden. Eine solche hätte nur die WBV Süd anordnen können. Diese habe aber deutlich gemacht, dass dem Kläger schon mangels Erfüllung der subjektiven Merkmale der höheren Vergütungsgruppe keine solche Zulage gezahlt werden könne. Zudem habe der Kläger den Leiter TGM nicht vollständig vertreten.
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Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Forderung der persönlichen Zulage nach § 14 TVöD-AT wird von den Ziff. 3 bis 5 des Tenors seines Urteils erfasst. Die Ziff. 1 und 2 des Tenors beziehen sich auf den weiteren Streit bzgl. der zutreffenden Eingruppierung des Klägers seit dem 1. Januar 2005 und einer nach § 9 Abs. 2 TVÜ-Bund ab dem 1. November 2010 verlangten Besitzstandszulage. Hierüber hat das Landesarbeitsgericht mit rechtskräftigem Teilurteil vom 23. Juli 2013 materiell zu Gunsten des Klägers entschieden. Hinsichtlich der Zulage nach § 14 TVöD-AT hat das Landesarbeitsgericht mit seinem Schlussurteil vom 14. Januar 2014 die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt die Beklagte bezogen auf diesen Streitgegenstand noch ihr Ziel der Klageabweisung.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung einer persönlichen Zulage nach § 14 Abs. 1 TVöD-AT für die beiden streitgegenständlichen Zeiträume der Vertretung des Leiters TGM. Folglich war das Urteil des Landesarbeitsgerichts gemäß § 562 Abs. 1 ZPO aufzuheben und das erstinstanzliche Urteil auf die Berufung der Beklagten entsprechend abzuändern.
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I. Die Klage ist zulässig.
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1. Der Feststellungantrag bedarf allerdings der Auslegung. Der Kläger hat die Feststellung der Verpflichtung zur Leistung der streitgegenständlichen Zulage „für die noch über den 4. Juli 2012 andauernde Vertretung“ des Leiters TGM verlangt. Diese Antragstellung ist ersichtlich dem Umstand geschuldet, dass das Arbeitsgericht am 4. Juli 2012 die mündliche Verhandlung durchgeführt hat und die Vertretung zu diesem Zeitpunkt noch andauerte. Die Zahlungsansprüche bis zum 4. Juli 2012 wurden mit einem entsprechenden Leistungsantrag geltend gemacht. Nach dem gesamten Vorbringen des Klägers soll sich der Feststellungantrag nur auf die Dauer der (zweiten) Vertretung, das heißt bis einschließlich 6. Juli 2012, beziehen.
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2. Mit dieser zeitlichen Beschränkung ist der Antrag zulässig. Er ist hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist ebenso wie der verlangte Gegenwartsbezug gegeben. Der Kläger erstrebt damit gegenwärtige rechtliche Vorteile in Form eines höheren Entgelts aus einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum (vgl. BAG 27. März 2014 - 6 AZR 571/12 - Rn. 10; 13. November 2014 - 6 AZR 1055/12 - Rn. 27).
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II. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat dem Grunde nach keinen Anspruch auf die streitbefangene persönliche Zulage nach § 14 Abs. 1 TVöD-AT.
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1. Wird einem Beschäftigten nur vorübergehend eine höherwertige Tätigkeit übertragen, liegt keine Höhergruppierung vor (BAG 26. Juli 2012 - 6 AZR 701/10 - Rn. 19). Der Beschäftigte bleibt vielmehr der Entgeltgruppe zugehörig, in die er eingruppiert ist (BAG 3. Juli 2014 - 6 AZR 1067/12 - Rn. 18). Die persönliche Zulage nach § 14 TVöD-AT berücksichtigt jedoch die mit der Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit verbundene besondere Arbeitsschwierigkeit(vgl. BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 462/10 - Rn. 11). Sie dient als Ausgleich dafür, dass der öffentliche Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechts berechtigt ist, dem Beschäftigten vorübergehend eine höherwertige Tätigkeit zuzuweisen (zu § 14 TV-L BAG 27. Juli 2011 - 10 AZR 484/10 - Rn. 20). Dies war bereits der Zweck der Vorgängerbestimmung des § 24 BAT(BAG 11. September 2003 - 6 AZR 424/02 - zu I 1 c der Gründe, BAGE 107, 286; 17. April 2002 - 4 AZR 174/01 - zu II 3 d der Gründe, BAGE 101, 91). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 24 BAT, die für § 14 TVöD-AT herangezogen werden kann, ist die vorübergehende Übertragung einer höher bewerteten Tätigkeit an den Regeln zu messen, die der Arbeitgeber bei der Ausübung seines arbeitsvertraglichen Leistungsbestimmungsrechts (Direktionsrechts) nach § 106 GewO grundsätzlich einzuhalten hat. In einem ersten Schritt muss es billigem Ermessen entsprechen, dem Arbeitnehmer die höher bewertete Tätigkeit überhaupt zu übertragen. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob es billigem Ermessen entspricht, diese Tätigkeit nur vorübergehend zu übertragen (sog. „doppelte Billigkeitsprüfung“, vgl. BAG 4. Juli 2012 - 4 AZR 759/10 - Rn. 17 f.; zu § 24 BAT vgl. BAG 17. April 2002 - 4 AZR 174/01 - zu II 3 c der Gründe, aaO).
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2. Für den Fall der Vertretung hat das Bundesarbeitsgericht zu § 24 Abs. 2 BAT entschieden, dass grundsätzlich keine Übertragung einer „anderen Tätigkeit“ iSd. Tarifnorm vorliegt, wenn der Angestellte arbeitsvertraglich zum ständigen Vertreter des Dienstposteninhabers bestellt ist. Die ständige Vertretung umfasst die Gesamtheit der Dienstaufgaben des Vertretenen bei dessen An- und Abwesenheit. Die Vertretung in Fällen von Urlaub oder sonstiger Abwesenheit gehört damit auf Dauer zu den arbeitsvertraglich auszuübenden Tätigkeiten des ständigen Vertreters. Sie ist deshalb in die tarifliche Bewertung seiner Tätigkeit bei der Eingruppierung mit einzubeziehen (BAG 21. Oktober 1998 - 10 AZR 224/98 - zu II 1 der Gründe). Auf den zeitlichen Umfang der vertretungsweisen Tätigkeit kommt es dabei nicht an (BAG 29. September 1982 - 4 AZR 1161/79 - zu III der Gründe). Auch bei einem Abwesenheitsvertreter stellt die Vertretung keine „andere Tätigkeit“ dar. Dies gilt selbst dann, wenn die Abwesenheitsvertretung für einen vorübergehenden Zeitraum zeitlich überwiegt (BAG 24. März 1993 - 10 AZR 416/91 - zu II 2 b der Gründe; vgl. auch 25. Februar 1987 - 4 AZR 217/86 -). Diese Grundsätze gelten auch für die Nachfolgeregelung des § 14 Abs. 1 TVöD-AT(vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 14 Stand September 2006 Rn. 37; BeckOK TVöD/Kutzki Stand 1. September 2014 TVöD-AT § 14 Rn. 7; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand Dezember 2007 § 14 Rn. 16; Schaub/Treber ArbR-HdB 15. Aufl. § 183 Rn. 92).
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3. Hiervon ausgehend wurde dem Kläger in keinem der beiden streitgegenständlichen Zeiträume eine „andere Tätigkeit“ übertragen. Nach seinem eigenen Vortrag und der von ihm vorgelegten Tätigkeitsdarstellung für seinen Dienstposten vom 24. Januar 2011 fungiert er jedenfalls seit dem 1. April 2011 als ständiger Vertreter des Leiters TGM. Das Landesarbeitsgericht hat dies mit Bezugnahme auf den Geschäftsverteilungsplan der Beschäftigungsdienststelle festgestellt. Die Wahrnehmung der Vertretung stellte folglich seine „eigene Tätigkeit“ und keine „andere Tätigkeit“ iSd. § 14 Abs. 1 TVöD-AT dar. Dies gilt jedenfalls bei der hier vorliegenden Vertretungsdauer von ca. dreieinhalb bzw. fünfeinhalb Monaten. Dabei handelt es sich um begrenzte Zeiträume, welche auch bei zeitlich überwiegender Beanspruchung mit Vertretungsaufgaben die Vertretung nicht als eine „andere Tätigkeit“ erscheinen lassen.
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4. Die Beklagte hat den Aufgabenkreis des Klägers im Rahmen der Vertretung des Leiters TGM auch nicht durch Ausübung ihres Direktionsrechts erweitert und dem Kläger dadurch vorübergehend eine höherwertige Tätigkeit iSd. § 14 Abs. 1 TVöD-AT übertragen. Den Schreiben der zuständigen WBV Süd vom 6. Juni 2011 und 23. März 2012 ist vielmehr zu entnehmen, dass dem Kläger gerade keine höherwertige Tätigkeit vorübergehend übertragen werden sollte. Die Revision rügt zu Recht eine fehlerhafte Auslegung dieser Erklärungen durch das Landesarbeitsgericht. Auf eine Weisung des Leiters seiner Beschäftigungsdienststelle kann sich der Kläger nicht berufen.
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a) Das Weisungs- bzw. Direktionsrecht nach § 106 GewO ist als Leistungsbestimmungsrecht iSd. § 315 BGB ein Gestaltungsrecht. Es wird demzufolge durch Gestaltungserklärung ausgeübt. Bei dieser handelt es sich um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung (AR/Kolbe 7. Aufl. § 106 GewO Rn. 6; HWK/Lembke 6. Aufl. § 106 GewO Rn. 6). Die Ausübung des Direktionsrechts erfolgt durch den zuständigen, weisungsbefugten Vorgesetzten (Burger in Burger TVöD/TV-L 2. Aufl. § 6 Rn. 61). Die Zuständigkeit des Vorgesetzten richtet sich nach dem Aufbau der Verwaltung bzw. des Betriebs und nach den Dienstvorschriften bzw. dem Geschäftsverteilungsplan (Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TVöD Stand Oktober 2007 Teil II/1 Vorbemerkungen vor § 3 Rn. 56). Im Fall des Klägers war die WBV Süd bis zum 30. Juni 2013 als personalbearbeitende Dienststelle für die Entscheidung bezüglich der vorübergehenden Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit unstreitig zuständig.
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b) Die WBV Süd hat dem Kläger weder für die Zeit vom 1. April 2011 bis zum 18. Juli 2011 noch vom 23. Januar 2012 bis zum 6. Juli 2012 eine höherwertige Tätigkeit übertragen.
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aa) Bezüglich der Vertretung vom 1. April 2011 bis zum 18. Juli 2011 hat die WBV Süd mit Schreiben vom 6. Juni 2011 die Zahlung einer Zulage nach § 14 Abs. 1 TVöD-AT wegen Nichterfüllung der Eingruppierungsmerkmale der höheren Vergütungsgruppe unmissverständlich abgelehnt („… kann ich Ihnen leider keine Zulage nach § 14 Abs. 1 TVöD gewähren.“). Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kann dem Schreiben nicht entnommen werden, dass die WBV Süd dem Kläger vorübergehend eine höherwertige Tätigkeit ohne Leistung einer Zulage nach § 14 Abs. 1 TVöD-AT übertragen wollte oder sich mit der Übernahme einer solchen Tätigkeit zumindest einverstanden erklärte. Entsprechend der Vorgabe des § 14 Abs. 1 TVöD-AT ging die WBV Süd vielmehr davon aus, dass die vorübergehende Übertragung einer solchen Tätigkeit den Anspruch auf die persönliche Zulage zwingend auslöst. Dies kommt im dritten Absatz des Schreibens deutlich zum Ausdruck. Dort wird angeführt, dass die subjektiven Merkmale der höheren Vergütungsgruppe erfüllt sein müssen, um dem Kläger „die Tätigkeiten der höheren Vergütungsgruppe übertragen zu können“. Die WBV Süd stellte damit klar, dass die Übertragung der Tätigkeit nicht unabhängig von den Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 TVöD-AT erfolgen kann. Dies verkennt das Landesarbeitsgericht.
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bb) Hinsichtlich der Vertretung vom 23. Januar 2012 bis zum 6. Juli 2012 hat die WBV Süd gegenüber dem Kläger schon keine Willenserklärung abgegeben, aus welcher die vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit geschlossen werden könnte. Das Schreiben vom 23. März 2012 richtete sich an die Beschäftigungsdienststelle. Zudem machte die WBV Süd in diesem Schreiben deutlich, dass dem Kläger keine höherwertige Tätigkeit vorübergehend übertragen wird. Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, dass nach der Reaktion des Leiters der Beschäftigungsdienststelle mit E-Mail vom 24. April 2012 eine stillschweigende Billigung der Vertretung durch die WBV Süd erfolgt sei. Daraus kann aber keine Zustimmung zu einer vorübergehenden Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit abgeleitet werden. Die WBV Süd hatte der Beschäftigungsdienststelle eine klare Anordnung bezüglich der weiteren Verfahrensweise gegeben. Deren Leiter teilte der WBV Süd daraufhin per E-Mail vom 24. April 2012 mit, dass dieser Weisung unproblematisch entsprochen werden könne. Insbesondere führte er an, dass höherwertige Tätigkeiten durch den Kläger als Vertreter des Leiters TGM nicht wahrgenommen würden. Eine Reaktion der WBV Süd war auf diese - aus ihrer Sicht positive und abschließende - Stellungnahme nicht veranlasst. Die Billigung der Vertretung als höherwertige Tätigkeit kann nicht angenommen werden, da der Leiter der Beschäftigungsdienststelle der WBV Süd gerade das Gegenteil mitgeteilt hatte.
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c) Ein Anspruch auf Zahlung einer persönlichen Zulage nach § 14 Abs. 1 TVöD-AT bestünde auch dann nicht, wenn der Leiter der Beschäftigungsdienststelle den Kläger entsprechend dessen Vortrag mit den streitgegenständlichen Vertretungen betraut hätte.
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aa) Dem Vortrag des Klägers ist schon nicht zu entnehmen, dass er aus solchen Weisungen auf die Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit habe schließen können. Nach seinem eigenen Vortrag ist der Leiter der Beschäftigungsdienststelle für die Regelung der Abwesenheitsvertretungen zuständig. Da er (der Kläger) der ständige Vertreter des Leiters TGM ist, kann die bloße Beauftragung mit der Vertretung aus Sicht des Klägers nicht als vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit angesehen werden.
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bb) Selbst wenn der Leiter der Beschäftigungsdienststelle dem Kläger die Vertretungen als höherwertige Tätigkeiten übertragen hätte, müsste die Beklagte sich diese Erklärungen nicht zurechnen lassen. Zwar finden die Grundsätze der Duldungs- und Anscheinsvollmacht auch bei Willenserklärungen Anwendung, mit denen Tätigkeiten übertragen werden (vgl. BAG 24. August 2011 - 4 AZR 565/09 - Rn. 24). Wenn Arbeitgeber bestimmte leitende Mitarbeiter aus der objektivierbaren und berechtigten Sicht der Arbeitnehmer mit Vertretungsmacht ausstatten, müssen sie sich das demnach vertragsrechtlich zurechnen lassen. Eine solche Zurechnung setzt aber voraus, dass der Arbeitnehmer auf das Vorliegen einer Bevollmächtigung bzw. die Billigung des Handelns des Vertreters vertrauen darf (vgl. Palandt/Ellenberger BGB 74. Aufl. § 172 Rn. 9, 11). Ein solcher Vertrauenstatbestand ist hier nicht erkennbar. Die Beklagte hatte den Kläger unbestritten bereits mit Schreiben vom 6. August 2010 darüber informiert, dass die WBV Süd die personalbearbeitende Stelle sei. Dem Kläger war deshalb bewusst, dass die WBV Süd für die Entscheidung bezüglich der vorübergehenden Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit zuständig war. Dies wurde ihm nochmals durch das Schreiben der WBV Süd vom 6. Juni 2011 vor Augen geführt.
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III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
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Fischermeier
Biebl
Krumbiegel
Klapproth
Uwe Zabel
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Annotations
(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift).
(2) Die Klageschrift muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts; - 2.
die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag.
(3) Die Klageschrift soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen; - 2.
die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht; - 3.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(4) Außerdem sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden.
(5) Die Klageschrift sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, sind bei dem Gericht schriftlich unter Beifügung der für ihre Zustellung oder Mitteilung erforderlichen Zahl von Abschriften einzureichen. Einer Beifügung von Abschriften bedarf es nicht, soweit die Klageschrift elektronisch eingereicht wird.
(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.
(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.
Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.
(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.
(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.
(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)