VGH: Keine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aus Furcht vor Einzug zum Militärdienst
Damit Mitlitärdienstentziehern aus Syrien die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt werden kann, muss das Gericht eine Verfolgung aufgrund Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe feststellen. Die Richter des Verwaltungsgerichtshofs haben mit drei Urteilen vom 04.05.2021 entschieden, dass Flüchtlinge die aus Furcht vor dem Einzug zum Militärdienst in die syrische Armee oder zu Milizen ihr Heimatland verlassen, nicht bereits aus diesem Grund einen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft haben.
Dirk Streifler - Streifler&Kollegen - Rechtsanwälte Berlin
Was ist passiert?
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gewährt nur sehr wenigen Asylbewerbern Asyl. Asyl erhält, wer in seinem Heimatstaat politisch verfolgt wird. Demgegenüber steht Flüchtlingsschutz Personen zu, die in ihrer Heimat wegen Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit oder politischer Überzeugung verfolgt werden und keine Möglichkeit haben in einem anderen Landesteil auszuweichen. Die Kläger, drei Männer flüchteten aus ihrem Heimatstaat jedoch nicht aufgrund von Verfolgung aus den eben genannten Gründen, sondern aus Furcht vor dem Einzug zum Militärdienst der syrischen Armee oder den Milizen. So gewährte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) den drei Klägern zunächst nur einen subsidiären Schutz. Diesen Schutz erhalten Personen, die zwar nicht verfolgt werden, denen jedoch eine Gefahr durch Folter oder Krieg droht. Da weder Gründe für Asyl noch für einen Flüchtlingsstatus nach der Genver Konvention ersichtlich sind, diesen Personen bei Rückführung in ihren Staat Lebensgefahr droht, greift dieser sogenannte subsidiäre Schutz, dessen Voraussetzungen in § 4 Asylgesetz (AsylG) und § 60 Absatz 2 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) normiert sind. In einem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart wurde den Männern der weitgehendere Flüchtlingsschutz gem. § 3 Absatz 1 AsylG zugesprochen. Hiergegen richteten sich die erfolgreichen Berufungen der Bundesrepublik Deutschland, die durch das BAMP vertreten wurde.
Folgendes geht aus drei Urteilen des Verwaltungsgerichtshofs vom 04.05.2021 hervor:
Der 4. Senat des Verwaltungsgerichtshofs übernahm in seinem Urteil die rechtlichen Vorgaben eines Urteils des Europäischen Gerichts vom 19.11.2020 in der Rechtssache C-238/19. Der Europäische Gerichtshof hat in einem vergleichbaren Fall entschieden, dass für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bei Militärdienstentziehern weitere besondere, individuellen gefahrerhöhende Umstände feststellbar sein müssen. Dementsprechend muss das Gericht durch eine Einzelfallprüfung eine Verfolgung des Klägers aufgrund Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe feststellen, wobei diese Feststellung auf entsprechende Erkenntnisquellen gestützt sein müsse. Liegen keine gefahrerhöhenden Umstände vor, sei nach Ansicht der Richter eine Verfolgung unwahrscheinlich. Der EuGH spricht von einer „starken Vermutung“ einer politischen Verfolgung bei tatsächlich anzunehmender Wehrdienstverweigerung, die auf Grundlage aktueller Erkenntnismittel widerlegt werden müsse.
In keinem der drei Fälle wurde eine Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen.
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Rechtsanwalt
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(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
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aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.