Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 03. Nov. 2011 - 6 S 2904/11

bei uns veröffentlicht am03.11.2011

Tenor

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 12. Oktober 2011 - 1 K 3870/10 - wird unter Abänderung seines Ausspruchs zur vorläufigen Vollstreckbarkeit lediglich hinsichtlich der Verfahrenskosten gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von 4.500 EUR für vorläufig vollstreckbar erklärt.

Gründe

 
I.
Mit Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 12.10.2011 - 1 K 3870/10 -, der Antragstellerin am 28.10.2011 zugestellt, wurde diese verurteilt es zu unterlassen, näher bezeichnete Äußerungen in Veröffentlichungen, Presseerklärungen und auf ihrer Homepage zum Bahnprojekt Stuttgart 21 zu tätigen (Ziffer 1) und an Fassaden und sonstigen Flächen ihrer Gebäude kundzutun „Allerhöchste Eisenbahn! JA! Unsere Zukunft braucht die ICE-Strecke mit Stuttgart 21“ sowie auf ihren Internetseiten durch Banner oder sonstige entsprechende Gestaltungselemente zu verlautbaren „Allerhöchste Eisenbahn! JA zur Bahnstrecke und zu S21“ (Ziffer 2). Zugleich wurde das Urteil „insgesamt, nicht allein wegen der Kosten“ gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 4.500 EUR für vorläufig vollstreckbar erklärt und für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die unter Ziffern 1 und 2 ausgesprochenen Unterlassungsverpflichtungen ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 10.000 EUR angedroht. Der am 31.10.2011 beim Verwaltungsgerichtshof eingegangene Antrag auf Zulassung der Berufung (Az.: 2907/11) wurde bislang noch nicht begründet.
Bereits am 28.10.2011 hat die Antragstellerin beim Verwaltungsgerichtshof einen Antrag gemäß § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 718 Abs. 1 ZPO gestellt. Zur Begründung führt sie aus: Eine Vorabentscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit sei gemäß § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 718 Abs. 1 ZPO in entsprechender Anwendung auch im verwaltungsgerichtlichen Berufungszulassungsverfahren möglich. Urteile, die auf eine allgemeine Leistungsklage hin ergehen und einen Hoheitsträger zur Vornahme einer schlicht-hoheitlichen Maßnahme verurteilen, könnten in entsprechender Anwendung des § 167 Abs. 2 VwGO nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden. Zumindest müsse eine deutlich höhere Sicherheitsleistung festgesetzt werden. Die festgesetzte Sicherheitsleistung entspreche lediglich den Kosten, die die Antragstellerin den Antragsgegnern zu erstatten habe, wenn das Urteil rechtskräftig werde. Es müssten aber auch die Kosten für die Entfernung und das mögliche Wiederanbringen des Plakates sowie die Kosten für die Entfernung des Banners von ihrer Homepage und der untersagten Äußerungen aus sämtlichen Publikationen berücksichtigt werden. Auch ein immaterieller Schaden sei in Rechnung zu stellen.
Die Antragstellerin beantragt, nach § 718 Abs. 1 ZPO vorab über die vorläufige Vollstreckbarkeit zu entscheiden und diese dahingehend einzuschränken, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 12.10.2011 - 1 K 3870/10 - nur wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung vollstreckbar ist, hilfsweise, die Sicherheitsleistung für die vorläufige Vollstreckbarkeit auf 17.700 EUR festzusetzen.
Die Antragsgegner sind dem Antrag entgegengetreten. Dem Antrag fehle bereits das Rechtsschutzbedürfnis, nachdem die Antragstellerin bekundet habe, lediglich die Entscheidung in der Sache überprüfen lassen zu wollen, dem Urteil aber hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit Folge zu leisten. In der Sache könne § 167 Abs. 2 VwGO auf Leistungsklagen nicht entsprechend angewandt werden. Es müsse keine höhere Sicherheitsleistung festgesetzt werden, da der Antragstellerin überhaupt kein Schaden drohe.
Dem Senat liegen die Akten des Verwaltungsgerichts vor. Hierauf sowie auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen wird wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen.
II.
Auf den Antrag der Antragstellerin ist das Urteil des Verwaltungsgerichts gemäß § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 718 Abs. 1 ZPO in entsprechender Anwendung in seinem Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit wie aus dem Tenor ersichtlich abzuändern.
Über den gemäß § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 718 Abs. 1 ZPO statthaften und auch im Übrigen zulässigen Antrag kann der Senat im Beschlussweg ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Nach § 718 Abs. 1 ZPO ist in der Berufungsinstanz über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf Antrag vorab zu verhandeln und zu entscheiden. Diese Vorschrift bezieht sich nicht nur auf den Fall, dass das Berufungsgericht erstmalig über die vorläufige Vollstreckbarkeit entscheidet, sondern auch darauf, dass ein Beteiligter eine Entscheidung der ersten Instanz in der Hauptsache und wegen deren Ausspruchs zur vorläufigen Vollstreckbarkeit anficht (Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 67. Aufl., § 718 ZPO RdNr. 1). Im letzteren Fall soll durch die Vorschrift des § 718 Abs. 1 ZPO die Möglichkeit geschaffen werden, die Beteiligten vor den unter Umständen wirtschaftlich schwerwiegenden Auswirkungen einer fehlerhaften Vollstreckbarkeitsentscheidung in der erstinstanzlichen Entscheidung zu bewahren (Krüger, in: Münchener Kommentar zur ZPO, Band 2, 2. Aufl., § 718 ZPO RdNr. 1). Diese im Verwaltungsprozess gemäß § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO entsprechend anwendbare Vorschrift (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.08.1974 - VII B 60.74 -, Buchholz 310 § 167 VwGO Nr. 5) ist auch im Verfahren auf Zulassung der Berufung analog anzuwenden (Thür. OVG, Beschluss vom 06.03.2002 - 1 ZKO 743/01 -, NVwZ-RR 2002, 907; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 17.10.2007 - 2 P 237/07 -, NVwZ-RR 2008, 366). Denn anderenfalls entstünde eine Regelungslücke, die dem oben genannten Sinn des § 718 Abs. 1 ZPO widersprechen würde. Der eine Vorabentscheidung begehrende Beteiligte müsste bei einer fehlerhaften erstinstanzlichen Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit - je nach seiner Stellung als Vollstreckungsschuldner oder -gläubiger - entweder die Zwangsvollstreckung gegen sich hinnehmen oder mit der Zwangsvollstreckung zuwarten, bis über den Antrag auf Zulassung der Berufung entschieden ist, obwohl der Gesetzgeber dem Rechtsmittelgericht mit § 718 Abs. 1 ZPO erkennbar ein Mittel an die Hand gegeben hat, Fehler der ersten Instanz im Zusammenhang mit der Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit zu korrigieren. Die Befugnis des Senats, im Beschlussweg ohne mündliche Verhandlung über den Antrag der Antragstellerin zu entscheiden, folgt bei der gebotenen entsprechenden Anwendung des § 718 Abs. 1 ZPO im Stadium des Verfahrens auf Zulassung der Berufung daraus, dass in diesem Verfahren nur die prozessuale Handlungsmöglichkeit des Beschlusses zur Verfügung steht (Thür. OVG, Beschluss vom 06.03.2002; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 17.10.2007, jew. a.a.O.).
Die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen für den Antrag nach § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 718 Abs. 1 ZPO sind erfüllt. Die Antragstellerin hat einen wirksamen Antrag bei dem Senat gestellt und die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts beantragt. Entgegen der Ansicht der Antragsgegner hat die Antragstellerin auch durch ihr Verhalten - etwa bei dem von den Antragsgegnern näher dargestellten Gespräch am 28.10.2011 - nicht einen Verzicht auf die Möglichkeit der Antragstellung nach § 718 Abs. 1 ZPO zu erkennen gegeben, was gegebenenfalls dazu führen könnte, das Rechtsschutzbedürfnis für einen solchen Antrag in Frage zu stellen. Auch wenn die Vertreter der Antragstellerin erklärt haben sollten, das Urteil des Verwaltungsgerichts „umsetzen“ zu wollen, schließt dies die Inanspruchnahme von Rechtsmitteln gegen dieses Urteil und von anderweitigen gesetzlich vorgesehenen Korrekturmöglichkeiten nicht aus. In den Schreiben der Vertreter der Antragstellerin vom 24.10. und 26.10.2011 an den Vertreter des Antragsgegners wird insoweit lediglich ausdrücklich erklärt, dass selbstverständlich unverzüglich alles in die Wege geleitet werde, um das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen umzusetzen; dies gelte „allerdings nur solange, wie das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen Bestand habe und die Voraussetzungen für die Vollstreckbarkeit auch tatsächlich vorliegen“.
10 
Der von der Antragstellerin gestellte Antrag auf Vorabentscheidung ist auch begründet. Bei der Entscheidung über diesen Antrag ist nicht auf die Erfolgsaussichten des Antrags auf Zulassung der Berufung oder einer zugelassenen Berufung abzustellen. Prüfungsmaßstab für die Vorabentscheidung ist allein, ob die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zur vorläufigen Vollstreckbarkeit nach Maßgabe der §§ 167 ff. VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO der rechtlichen Nachprüfung standhält (Pietzner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, § 167 VwGO RdNr. 147).
11 
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (Beschluss vom 24.03.1999 - 9 S 3012/98 -, VBlBW 1999, 263) können nach § 167 Abs. 2 VwGO nicht bloß Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen lediglich wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden, sondern schließt § 167 Abs. 2 VwGO auch aus, Urteile auf allgemeine Leistungsklagen der vorliegenden Art über den Kostenausspruch hinaus für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Dem schließt sich der Senat für die Frage der Vollstreckbarkeit von Urteilen auf allgemeine Leistungsklagen an, die nicht die Verurteilung zu einer Geldleistung zum Gegenstand haben, sondern auf die Vornahme oder Unterlassung schlicht hoheitlichen Handelns erkennen (ebenso: Niedersächs. OVG, Urteil vom 18.01.2000 - 11 L 87/00 -, NVwZ 2000, 578; Teilurteil vom 30.08.1989 - 12 L 85/89 -, NVwZ 1990, 275; Pietzner, a.a.O., § 167 VwGO RdNr. 135; Bader, in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/v. Albedyll, VwGO, 5. Aufl. § 167 RdNr. 18; Wysk, VwGO, § 167 RdNr. 14; Wolfrum, NVwZ 1990, 236, 240; anderer Ansicht: Hess.VGH, Teilurteil vom 19.09.1989 - 2 S 576/89 -, NVwZ 1990, 272; differenzierend nach qualitativen Gesichtspunkten: Heckmann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 167 VwGO RdNr. 21; Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl., § 167 VwGO RdNr. 11).
12 
Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen: § 167 Abs. 1 VwGO verweist für die Frage der (vorläufigen) Vollstreckbarkeit auf die Vorschriften der §§ 708 ff. ZPO, die auch im Verwaltungsprozess entsprechend gelten, wenn sich aus der Verwaltungsgerichtsordnung nichts anderes ergibt. Durch diesen Vorbehalt soll die Berücksichtigung der Besonderheiten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und der darin zu beurteilenden Rechtsbeziehungen sichergestellt werden. Insoweit hat der Gesetzgeber in § 167 Abs. 2 VwGO ausdrücklich die vorläufige Vollstreckbarkeit von Urteilen, die auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen ergehen, geregelt und bestimmt, dass derartige Urteile nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden können. Hintergrund dieser Regelung ist, dass es dem Wesen staatlicher Verwaltung zuwiderläuft, wenn durch ein Urteil zu hoheitlichem Handeln angehalten werden soll, das noch nicht rechtskräftig ist und dessen Bestand mithin noch in Frage steht. In hoheitliche Verwaltung soll nur mit rechtskräftigen Entscheidungen eingegriffen werden, was den Grundsatz der Gewaltenteilung sichern soll. Bei Berücksichtigung dieses gesetzgeberischen Anliegens kann es aber nicht entscheidend darauf ankommen, ob das hoheitliche Verwaltungshandeln in der Form eines Verwaltungsaktes erfolgt, denn durch die Formenwahl erfährt dieses Handeln keine höhere Qualifikation (vgl. Wolfrum, a.a.O.). Vielmehr gelten diese Grundsätze gleichermaßen, wenn eine Behörde durch ein Leistungsurteil - wie hier - verpflichtet werden soll, die Ausübung einer hoheitlichen Tätigkeit zu unterlassen oder hoheitliche Maßnahmen vorzunehmen, so dass § 167 Abs. 2 VwGO insoweit auch auf Urteile, die auf allgemeine Leistungsklagen ergehen, entsprechend anzuwenden ist.
13 
Einer solchen Anwendung steht nicht entgegen, dass der Wortlaut des § 167 Abs. 2 VwGO die Leistungsklage nicht ausdrücklich erwähnt. Denn der Gesetzgeber ist beim Erlass des § 167 Abs. 2 VwGO davon ausgegangen, mit dieser Vorschrift alle verwaltungsgerichtlichen Urteile erfasst zu haben, die ein hoheitliches Handeln zum Gegenstand haben und ihrer Art nach vollstreckbar sind. Zum Zeitpunkt des Erlasses des § 167 Abs. 2 VwGO war die allgemeine Leistungsklage allenfalls als Geldleistungsklage geläufig, während die auf Vornahme oder Unterlassung schlicht hoheitlicher Handlungen gerichtete Leistungsklage erst später in das Blickfeld von Rechtsprechung und Schrifttum gelangte (vgl. dazu ausführlich: Pietzner, a.a.O., § 172 VwGO RdNr. 18).
14 
Mit dem Leistungsurteil des Verwaltungsgerichts ist der Antragstellerin ein Unterlassen schlicht hoheitlichen Handelns aufgegeben worden. Die Antragstellerin nimmt für sich in Anspruch, mit den nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts zu unterlassenden Äußerungen im Zusammenhang mit dem Bahnprojekt „Stuttgart 21/Neubaustrecke Wendlingen-Ulm“ ihr nach § 1 Abs. 1 IHKG obliegende Aufgaben wahrzunehmen. Solche Aufgaben verfolgt die Antragstellerin als Körperschaft des öffentlichen Rechts und damit als Trägerin öffentlicher Verwaltung; dies gilt auch für das schlichte Verwaltungshandeln (vgl. Frentzel/Jäkel/Junge, IHKG, 7. Aufl., § 3 IHKG RdNr. 7). Dementsprechend haben die Antragsgegner auf dem Verwaltungsrechtsweg im Wege der allgemeinen Leistungsklage ihren Unterlassungsanspruch - erstinstanzlich erfolgreich - geltend gemacht. Die Frage, ob die Antragstellerin mit ihren streitbefangenen Äußerungen die Grenzen der ihr obliegenden Aufgaben überschritten hat, ist, wie bereits oben zum Prüfungsmaßstab ausgeführt, für die Beurteilung der Frage der vorläufigen Vollstreckbarkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils unerheblich.
15 
Soweit die Antragsgegner für den Fall, dass das verwaltungsgerichtliche Urteil nur wegen der Kosten für vollstreckbar erklärt wird, meinen, die Antragstellerin könne trotz des entgegenstehenden Urteils des Verwaltungsgerichts in den nächsten Wochen sanktionslos ihre Äußerungen weiter tätigen, steht effektiver Rechtsschutz in Anbetracht der §§ 123, 168 Abs. 1 Nr. 2 VwGO nicht in Frage (vgl. auch VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 24.03.1999, a.a.O.).
16 
Einer Kostenentscheidung bedarf es im Verfahren nach § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 718 Abs. 1 ZPO nicht.
17 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 718 Abs. 2 ZPO).

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Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen,

1. insbesondere in Veröffentlichungen, Presseerklärungen und auf der Homepage folgende Äußerungen zu tätigen:

a. Ulm ist das Bollwerk für Stuttgart 21.

b. Ohne Stuttgart 21 endet die Neubaustrecke von Ulm kommend in Wendlingen sprichwörtlich auf dem Acker.

c. auf der Magistrale für Europa von Paris nach Budapest ….. sind alternative Linienführungen, beispielsweise über Frankfurt und Ingolstadt nach München, durchaus denkbar ….. Anstatt in das europäische Netz integriert zu werden, würden große Teile Baden-Württembergs somit abgehängt.

d. Es wäre ein Schildbürgerstreich, wenn Baden-Württemberg … auf das Geld von Bund und Bahn verzichten würde.

e. Ein Scheitern von Stuttgart 21 und der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm würde die parlamentarische Demokratie auf den Kopf stellen.

f. Zehntausende Bürgerinnen und Bürger sprechen sich mittlerweile lautstark dagegen aus, obwohl viele erkennbar nicht ausreichend informiert sind.

2. a. an Fassaden und sonstigen Flächen ihrer Gebäude kundzutun:

Allerhöchste Eisenbahn!

JA!

Unsere Zukunft braucht die ICE-Strecke mit Stuttgart 21

b) auf ihren Internetseiten durch Banner oder sonstige entsprechende Gestaltungselemente zu verlautbaren:

Allerhöchste Eisenbahn! JA zur Bahnstrecke und zu S21.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 4.500 Euro vorläufig vollstreckbar.

Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die unter Ziffern 1 und 2 ausgesprochenen Unterlassungsverpflichtungen wird der Beklagten ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 10.000,00 Euro angedroht.

Tatbestand

 
Die Kläger, Pflichtmitglieder bei der Beklagten, nehmen diese auf die Unterlassung von Äußerungen im Zusammenhang mit dem Bahnprojekt „Stuttgart 21/Neubaustrecke Wendlingen-Ulm“ in Anspruch.
In einer gemeinsamen Herbstveranstaltung der Beklagten mit der Augsburger IHK äußerte der Präsident der Beklagten - wiedergegeben u.a. in der „Neu-Ulmer Zeitung“ und der „Augsburger Allgemeinen“ - „Ulm ist das Bollwerk für Stuttgart 21“.
In einer Entschließung der Vollversammlung der Beklagten zum Bahnprojekt Stuttgart 21/Neubaustrecke Wendlingen-Ulm und in einer Stellungnahme der Beklagten im Rahmen ihrer Presse- und Öffentlichkeitsarbeit vom 17.09.2010 (Presse- und Öffentlichkeitsarbeit) „IHKs: Wir brauchen die unverzügliche und konsequente Umsetzung des Gesamtprojekts Stuttgart 21/Neubaustrecke Wendlingen-Ulm“, die auch in die Homepage der Beklagten eingestellt ist, sowie in einer Stellungnahme „Standortpolitik - Argumente für Stuttgart 21 - Warum unsere Firma für das Bahnprojekt ist“, ebenfalls über die Homepage der Beklagten abrufbar, findet sich jeweils die Wendung „… (Denn) ohne Stuttgart 21 endet die Neubaustrecke von Ulm kommend in Wendlingen sprichwörtlich auf dem Acker…“.
In der erwähnten Stellungnahme der Beklagten vom 17.09.2010 findet sich ferner die Wendung „Die Relation Stuttgart-Ulm ist ein wichtiges Teilstück auf der Magistrale für Europa von Paris nach Budapest. Auf dieser Achse sind alternative Linienführungen, beispielsweise über Frankfurt und Ingolstadt nach München, durchaus denkbar. Aus diesem Grund besteht die berechtigte Sorge, dass bei einem Scheitern von Stuttgart 21 auch die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm gestrichen werden könnte und alternative Routen gesucht werden. Anstatt in das europäische Netz integriert zu werden, würden große Teile Baden-Württembergs somit abgehängt.“
In der ebenfalls erwähnten Stellungnahme „Standortpolitik - Argumente für Stuttgart 21 - Warum unsere Firma für das Bahnprojekt ist“ ist ferner der Satz zu finden: „Und es wäre ein Schildbürgerstreich, wenn Baden-Württemberg, das viele Milliarden in den Länderfinanzausgleich einzahlt, auf das Geld von Bund und Bahn verzichten würde und damit auf ein für Baden-Württemberg zentrales Zukunftsprojekt.“
Unter der Rubrik „Standortpolitik“ findet sich eine Äußerung der Beklagten zu „Auswirkungen des Bahnprojekts Stuttgart 21/Neubaustrecke Wendlingen-Ulm auf die Erreichbarkeit und die Wirtschaft der einzelnen Kreise in Baden-Württemberg, in der u.a. ausgeführt ist „… ein Scheitern von Stuttgart 21 und der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm würde die parlamentarische Demokratie auf den Kopf stellen“.
In einem Beitrag auf der Homepage der Beklagten zu dem Thema „Argumente der Gegner“ „Sind die Gegenargumente korrekt?“ ist einleitend ausgeführt: „Umweltschützer, Bürgerinitiativen und Politiker der Grünen laufen Sturm gegen das Projekt. Zehntausende Bürgerinnen und Bürger sprechen sich mittlerweile lautstark dagegen aus, obwohl viele erkennbar nicht ausreichend informiert sind.“
Am Verwaltungsgebäude der Beklagten ist ein farbiges, ca. 100 m² großes Plakat angebracht, das u.a. die Worte „Allerhöchste Eisenbahn!“, das Bild des vorderen Teils eines ICE und darunter die Worte „JA!“ „Unsere Zukunft braucht die ICE-Strecke mit Stuttgart 21“, ferner den Hinweis „www.....de“ enthält.
Die Homepage und die Internetseite der Beklagten enthalten ein Banner (beschriftetes Werbebild), das wie das Plakat am Verwaltungsgebäude der Beklagten den vorderen Teil eines ICE enthält, ferner neben dem Logo der Beklagten die Worte „Allerhöchste Eisenbahn! JA zur Bahnstrecke und zu S 21“.
10 
Am 18.11.2010 forderte der Prozessbevollmächtigte der Kläger die Beklagte zur Abgabe von Unterlassungserklärungen im Zusammenhang u.a. mit den genannten Äußerungen der Beklagten auf.
11 
Die Beklagte lehnte die Abgabe von Unterlassungserklärungen mit Schriftsatz vom 29.11.2010 ab.
12 
Am 17.12.2010 haben die Kläger Klage erhoben. Hierzu wird u.a. ausgeführt: Es sei nicht ersichtlich, ob überhaupt und auf welche Weise die Vollversammlung der Beklagten das Gesamtinteresse aller Mitglieder ermittelt und wie sie deren divergierende Interessen sachgerecht gegeneinander abgewogen, ausgeglichen und damit ihre satzungsmäßige Aufgabe wahrgenommen habe. Nach den den Klägern zugänglichen Unterlagen und Einlassungen der Beklagten habe eine solche Abwägung und Ausgleichung nicht stattgefunden. Der Tiefbahnhof in Stuttgart wirke sich nicht auf die gewerbliche Wirtschaft im Bezirk der Beklagten aus. Auch hinsichtlich der Neubaustrecke Stuttgart-Wendlingen-Ulm seien konkrete positive verkehrs- oder arbeitsmarktpolitische Auswirkungen auf Ulm/Biberach/Alb-Donau nicht gegeben oder aber unabhängig von der Trassenführung im Wesentlichen auch bei anderen Varianten wie dem Konzept „K 21“ ebenso gegeben und von der Beklagten in eine Abwägung und Ausgleichung einzustellen. Auch dies unterbleibe. Folglich seien bereits die Entschließungen der Vollversammlung der Beklagten nicht von ihrer Aufgabe umfasst und verletzten den Anspruch der Kläger auf Tätigwerden der Beklagten innerhalb der gesetzlichen Grenzen, weil nur allgemeinpolitische Aussagen getroffen würden.
13 
Die Äußerung, „Ulm ist das Bollwerk für Stuttgart 21“ sei polemisch und allgemeinpolitisch. Sie verletze die Grundsätze höchstmöglicher Objektivität und solle emotionalisieren. Eine Abwägung enthalte sie bewusst nicht, sondern ziele nach der expliziten Einlassung des Präsidenten der Beklagten im Interview vom 03.12.2010 darauf ab, „die Projektgegner im Mark zu treffen“.
14 
Bei der Äußerung, „Ohne Stuttgart 21 endet die Neubaustrecke von Ulm kommend in Wendlingen sprichwörtlich auf dem Acker…“ handele es sich um reine Polemik und eine absolut unsachliche Aussage. Bei der Schaffung der Schnellbahntrasse 1988 entlang der Autobahn habe u.a. Prof. G. H. in keiner Weise an das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 (Durchgangs-Tiefbahnhof) gedacht, sondern die Strecke für den (damals wie heute) bestehenden (Kopf-)Bahnhof projektiert.
15 
Bei der Äußerung in dem Bericht der Beklagten vom 17.09.2010 „Auf der Magistrale für Europa von Paris nach Budapest … sind alternative Linienführungen, beispielsweise über Frankfurt und Ingolstadt nach München, durchaus denkbar … Anstatt in das europäische Netz integriert zu werden, würden große Teile Baden-Württembergs somit abgehängt“ sei keine Abwägung vorgenommen worden und werde einseitig verallgemeinert. Insbesondere müsste die Beklagte hier, um dem Gebot größtmöglicher Zurückhaltung und Objektivität zu entsprechen, mit ausführen, dass „diese alternativen Linienführungen auch die Umfahrung weiterer Zentren wie Straßburg, Stuttgart und Augsburg und damit einen Umweg von über 100 hm darstellen würde“.
16 
Die von der Beklagten verwendete Wendung „Es wäre ein Schildbürgerstreich, wenn Baden-Württemberg … auf das Geld von Bund und Bahn verzichten würde“ sei polemisch, allgemeinpolitisch, ohne Bezug zur Wirtschaft in der Region und solle Emotionen schüren. Was Baden-Württemberg tue und lasse entscheide das Volk, dessen Willen Politiker umsetzten. Die Beklagte sei daran kraft ihrer Aufgabe nicht beteiligt. Belange der gewerblichen Wirtschaft seien nicht betroffen.
17 
Bei der von der Beklagten in „Auswirkungen des Bahnprojekts auf die Erreichbarkeit und die Wirtschaft der einzelnen Kreise in Baden-Württemberg“ enthaltenen Wendung „Ein Scheitern von Stuttgart 21 und der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm würde die parlamentarische Demokratie auf den Kopf stellen“ gehe es eindeutig nicht um Auswirkungen auf die Wirtschaft der Region, sondern um eine allgemeinpolitische Thematik, ja Polemik. Eine IHK sei nicht berufen, Argumente zum Schutz der Demokratie zu veröffentlichen.
18 
Ebenso allgemeinpolitisch, polemisch, Bürgerinnen und Bürger diffamierend und falsch, vor allem ohne jeden Bezug zur Wirtschaft sei die in „Argumente der Gegner - sind die Gegenargumente korrekt?“ enthaltene Wendung „Zehntausende Bürgerinnen und Bürger sprechen sich mittlerweile lautstark dagegen aus, obwohl viele erkennbar nicht ausreichend informiert sind“.
19 
Die Befestigung des Plakats „Allerhöchste Eisenbahn! Ja! Unsere Zukunft braucht die ICE-Strecke mit Stuttgart 21“ unter Angabe der Internetseite der Beklagten an der Fassade deren Gebäudes verstoße gegen das Gebot der höchstmöglichen Objektivität und notwendigen Sachlichkeit sowie Zurückhaltung.
20 
Zuletzt stelle das von der Beklagten im Internet verwendete Banner ein Höchstmaß an „Nicht-Zurückhaltung“ und einseitiger Interessenwahrnehmung dar. Es sei keinerlei Abwägung vorgenommen worden und erkennbar, sondern emotionalisierte Konfliktaustragung. Zudem sei es nicht von der Entschließung der Vollversammlung der Beklagten gedeckt.
21 
Die Kläger beantragen:
22 
1. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, insbesondere in Veröffentlichungen, Presseerklärungen und auf der Homepage folgende Äußerungen zu tätigen:
23 
a. Ulm ist das Bollwerk für Stuttgart 21.
24 
b. Ohne Stuttgart 21 endet die Neubaustrecke von Ulm kommend in Wendlingen sprichwörtlich auf dem Acker.
25 
c. auf der Magistrale für Europa von Paris nach Budapest … sind alternative Linienführungen, beispielsweise über Frankfurt und Ingolstadt nach München, durchaus denkbar … Anstatt in das europäische Netz integriert zu werden, würden große Teile Baden-Württembergs somit abgehängt.
26 
d. Es wäre ein Schildbürgerstreich, wenn Baden-Württemberg … auf das Geld von Bund und Bahn verzichten würde.
27 
e. Ein Scheitern von Stuttgart 21 und der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm würde die parlamentarische Demokratie auf den Kopf stellen.
28 
f. Zehntausende Bürgerinnen und Bürger sprechen sich mittlerweile lautstark dagegen aus, obwohl viele erkennbar nicht ausreichend informiert sind.
29 
Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird der Beklagten ein Zwangsgeld in Höhe von bis zu EUR 10.000,00 angedroht.
30 
2. Die Beklagte wird des weiteren verurteilt, es zu unterlassen,
31 
a. an Fassaden und sonstigen Flächen ihrer Gebäude kundzutun:
32 
Allerhöchste Eisenbahn!
JA!     
Unsere Zukunft braucht die ICE-Strecke mit Stuttgart 21
33 
b. auf ihren Internetseiten durch Banner oder sonstige entsprechende Gestaltungselemente zu verlautbaren:
34 
Allerhöchste Eisenbahn! JA zur Bahnstrecke und zu S21
35 
Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird der Beklagten ein Zwangsgeld in Höhe von bis zu EUR 10.000,00 angedroht.
36 
Die Beklagte beantragt,
37 
die Klage abzuweisen.
38 
Hierzu wird u.a. ausgeführt: In einem Beschluss im schriftlichen Verfahren über die Entschließung zum Bahnprojekt Stuttgart 21/Neubaustrecke Wendlingen-Ulm hätten sich von den 55 Mitgliedern der Vollversammlung bis zur Rückmeldefrist am 14.09.2010 46 Mitglieder beteiligt und der Entschließung einstimmig zugestimmt. Die Vollversammlung der Beklagten fordere in der Entschließung u.a. die unverzügliche und konsequente Umsetzung des Gesamtprojekts Stuttgart 21/Neubaustrecke Wendlingen-Ulm. Präsident und Hauptgeschäftsführer würden gebeten, diese Forderung mit großem Nachdruck zu vertreten und durch entsprechende Aktivitäten wie Veranstaltungen, Pressearbeit etc. zu verbreiten. In der Entschließung werde dargelegt, welche Bedeutung das Gesamtprojekt für die Gewerbetreibenden des Bezirks der Beklagten habe und es werde u.a. auch auf alternative Konzepte zu Stuttgart 21 wie beispielsweise das von den Gegnern favorisierte Modell Kopfbahnhof 21 eingegangen. Die Entschließung enthalte von den Klägern beanstandete und in verkürzter Form wiedergegebene Äußerungen:
39 
„Stuttgart 21 und die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm sind als untrennbares Gesamtprojekt zu betrachten. Denn ohne Stuttgart 21 endet die Neubaustrecke von Ulm kommend in Wendlingen sprichwörtlich auf dem Acker. Erst durch die Tieferlegung und Drehung des Stuttgarter Hauptbahnhofes wird eine neue Trassenführung über die Fildern ermöglicht, welche in Wendlingen an die Neubaustrecke anschließt. Stuttgart 21 stellt somit auch mehr als die bloße Umgestaltung des Stuttgarter Hauptbahnhofes dar. Mit Stuttgart 21 wird der Flughafen Stuttgart in die Verbindungstrasse Ulm-Stuttgart integriert.
40 
Alternative Konzepte zu Stuttgart 21 wurden vielfach geprüft. Das von den Gegnern forcierte Modell Kopfbahnhof 21 …
41 
Die Relation Stuttgart-Ulm ist ein wichtiges Teilstück auf der Magistrale für Europa von Paris nach Budapest. Auf dieser Achse sind alternative Linienführungen, z.B. über Frankfurt und Ingolstadt nach München, durchaus denkbar. Aus diesem Grund besteht die berechtigte Sorge, dass bei einem Scheitern von Stuttgart 21 auch die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm gestrichen werden könnte und alternative Routen gesucht werden. Anstatt in das europäische Netz integriert zu werden, würden große Teile Baden-Württembergs somit abgehängt.“
42 
Das Bahnprojekt Stuttgart 21/Neubaustrecke Wendlingen-Ulm sei ferner Gegenstand der Sitzung der Vollversammlung der Beklagten am 14.10.2010 gewesen. Folgender Beschlussvorschlag sei nach Aussprache bzw. Diskussion einstimmig angenommen worden:
43 
„Die Verwirklichung des Gesamtprojekts Stuttgart 21 und der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm liegt nach Abwägung aller Interessen eindeutig im Gesamtinteresse der regionalen Wirtschaft der IHK-Region Ulm. Deshalb sollen weitere Maßnahmen unterstützt werden, die diesem Gesamtinteresse zur Durchsetzung verhelfen. Zur weiteren Begründung wird auf die Entschließung vom 14.09.2010 verwiesen, …
44 
Nach den vorliegenden Erkenntnissen hat ein Teil der Bevölkerung unzureichende Informationen über das Gesamtprojekt. Derzeitig mangelt es an deutlichen Signalen der Befürworter. Vor diesem Hintergrund sollten Aktivitäten wie Anzeigen, großflächige Bannerwerbung oder auch gesponserte Fernsehbeiträge im Regio TV initiiert werden.
45 
46 
Vor allem sollen Anzeigen und Flyer finanziert werden, die ein positives Bekenntnis zu diesem Gesamtprojekt artikulieren.“
47 
Aufgrund der Beschlüsse der Vollversammlung habe der Präsident der Beklagten in einer gemeinsamen Herbstveranstaltung mit der Augsburger IHK u.a. die Äußerung „Ulm ist das Bollwerk für Stuttgart 21“ getroffen. Auf der Grundlage der Beschlüsse der Vollversammlung habe das Hauptamt diverse Unterlagen zum Bahnprojekt Stuttgart 21/Neubaustrecke Wendlingen-Ulm auf der Homepage der Beklagten eingestellt. Dort finde sich zudem eine fünfseitige Begründung der aus Sicht der Wirtschaft des Bezirks der Beklagten für das Bahnprojekt sprechenden Argumente. In der Vollversammlung am 14.10.2010 sei angeregt worden, dass die Beklagte Argumentationshilfen für Mitgliedsunternehmen zur Verfügung stellen könne, um die Belegschaft für das Bahnprojekt zu gewinnen. Schließlich habe die Vollversammlung das Hauptamt der Beklagten mit dem in der Sitzung gefassten Beschluss ausdrücklich aufgefordert, Aktivitäten zur Unterstützung des Bahnprojekts zu initiieren. Auf der Grundlage der Beschlüsse der Vollversammlung seien das Plakat an der Fassade des Gebäudes der Beklagten und das Banner in ihrer Homepage angebracht bzw. eingestellt worden.
48 
Da das Gesamtprojekt Stuttgart 21/Neubaustrecke Wendlingen-Ulm einen der Kernbereiche der Tätigkeit der Beklagten betreffe, dürfe sie sich damit auseinandersetzen und sich dazu äußern. Die beiden Teilprojektive Stuttgart 21 und die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm seien untrennbar miteinander verknüpft. Das Gesamtprojekt betreffe die Verkehrsinfrastruktur, die unmittelbare nachvollziehbare positive Auswirkungen auf die gewerbliche Wirtschaft des Bezirks der Beklagten habe. Die Fahrzeit im Fernverkehr zwischen Stuttgart und Ulm reduziere sich von 54 auf 28 Minuten. Flughafen und Landesmesse würden an die Strecke nach Ulm angebunden und seien von Ulm in 24 statt bisher 91 Minuten erreichbar. Unmittelbare positive Auswirkungen auf die gewerbliche Wirtschaft des Bezirks der Beklagten ergäben sich ferner daraus, dass die Unternehmen im Bezirk von der mehrjährigen Bauphase mittelbar und unmittelbar profitieren könnten. Das Gesamtprojektiv schaffe ein Investitionsvolumen von ca. 7 Milliarden Euro. Über die Bauphase hinaus sei dauerhaft mit einer Steigerung der Wirtschaftskraft des Bezirks und weit darüber hinaus zu rechnen. Für Baden-Württemberg werde insgesamt von einem Brutto-Wertschöpfungseffekt von rund 440 - 530 Millionen Euro pro Jahr gerechnet. Damit bestehe die Chance, Arbeitsplätze im Bezirk zu schaffen. Das Projekt betreffe daher unmittelbar die Verkehrspolitik und die Arbeitsmarktpolitik, letztlich aber die gesamte regionale Infrastruktur und damit die Sicherung und Verbesserung des Wirtschaftsstandortes insgesamt im Bezirk der Beklagten. Die von den Klägern beanstandeten Äußerungen einschließlich Plakat und Banner bezögen sich sämtlich auf die Unterstützung des Gesamtprojekts. Es handele sich um einzelne Aspekte der aus der Sicht der Beklagten für das Gesamtprojekt sprechenden Gründe. Entgegen der Darstellungen der Kläger dürften die Äußerungen nicht aus dem Gesamtzusammenhang gerissen werden.
49 
Es könne der Beklagten nicht verwehrt sein, die für das Projekt sprechenden Argumente zusammenzustellen. Dies gelte auch für das beanstandete, dass ein Scheitern des Gesamtprojekts die parlamentarische Demokratie auf den Kopf stellen würde. Die Beklagte dürfe sich auch an Adressaten außerhalb ihres Bezirks wenden, um etwa auf wirtschaftspolitische Entscheidungen auf Landes- oder Bundesebene einzuwirken. Für die Wirtschaft sei es von grundlegender Bedeutung, dass in einem demokratischen Prozess beschlossene Vorhaben mit verbindlichen Finanzierungsvereinbarungen auch realisiert würden. Aus dem Gesamtzusammenhang der Äußerungen der Beklagten ergebe sich, dass gerade die Realisierung des Gesamtprojekts von elementarer Bedeutung für die gewerbliche Wirtschaft ihres Bezirks sei. Der Text auf dem Plakat am Gebäude der Beklagten fasse nur die aus ihrer Sicht für das Gesamtprojekt sprechenden Argumente zusammen und verweise zudem auf die Homepage mit einer Vielzahl von Dokumenten mit für und gegen das Gesamtprojekt sprechenden Argumenten. Dies gelte erst recht für das Banner auf der Homepage.
50 
Die Äußerungen der Beklagten wahrten die erforderliche Objektivität. Eine Äußerung genüge nicht erst dann dem höchstmöglichen Maß an Objektivität, wenn sie sämtliche für und gegen ein Vorhaben sprechenden Interessen und Rechtspositionen i.S. einer allgemeinpolitischen, dem Gemeinwohl verpflichteten Diskussion oder gar in Form eines Planfeststellungsbeschlusses nachvollziehe. Die Forderung, ein planfestgestelltes Vorhaben umzusetzen, wahre in jedem Fall die gebotene Objektivität. Eine Verpflichtung der Beklagten, die im Rahmen des sogenannten Schlichtungsverfahrens von den Gegnern des Bahnprojekts genannten Argumente einzubeziehen, bestehe nicht.
51 
Die Beklagte habe sich mit den gegen das Gesamtprojekt vorgebrachten Argumenten, insbesondere mit dem von den Gegnern des Bahnprojekts Stuttgart 21 favorisierten Modell Kopfbahnhof 21 sowohl in der im schriftlichen Verfahren beschlossenen Entschließung der Vollversammlung und dem Beschluss der Vollversammlung vom 14.10.2010 als auch in den in die Homepage der Beklagten eingestellten Dokumenten auseinandergesetzt. Habe die Beklagte festgestellt, dass die Realisierung eines Vorhabens im gesamtwirtschaftlichen Interesse der Gewerbetreibenden ihres Bezirks liege, müsse es ihr möglich sein, dieses Ergebnis auf einem Plakat bzw. einem Internetbanner zu vertreten.
52 
Ob eine Äußerung der Industrie- und Handelskammer das höchstmögliche Maß an Objektivität walten lasse, könne nur aus dem Kontext einer Forderung oder Äußerung beurteilt werden. Daher müsse insoweit auch die Begründung mit herangezogen werden. Letzteres gelte auch bei der Beurteilung des „Wie“ der Äußerung. Ob eine Aussage polemisch überspitzt oder auf emotionalisierte Konfliktaustragung angelegt sei, erschließe sich nicht nur aus der Äußerung selbst, die aus dem Gesamtzusammenhang gerissen sei, vielmehr müsse die Äußerung in ihrem Kontext bewertet werden. Nach diesem Maßstab seien die Äußerungen der Beklagten nicht zu beanstanden.
53 
Bei der von den Klägern beanstandeten Äußerung, Ulm sei das Bollwerk für Stuttgart 21, handele es sich um eine bildhafte Sprache, die nicht die erforderliche Objektivität vermissen lasse. Dasselbe gelte für die Äußerungen auf Plakat und Banner und auch bei den Begriffen „Auf dem Acker enden“, „Schildbürgerstreich“ und „Auf den Kopf stellen“ handele es sich um eine bildhafte, nicht zu beanstandende Sprache.
54 
Die von der Beklagten zum Ausdruck gebrachte Befürchtung, die Magistrale für Europa könne an Ulm vorbeigeführt werden, wahre die erforderliche Objektivität. Gleiches gelte für die Äußerung, ohne das Teilprojekt Stuttgart 21 würde die Neubaustrecke von Ulm kommend in Wendlingen sprichwörtlich auf dem Acker enden. Dies entspreche der Realität, da die Neubaustrecke in Wendlingen ohne das Teilprojekt Stuttgart 21 keinen direkten Anschluss an den Flughafen Stuttgart bzw. die Landesmesse sowie den Hauptbahnhof Stuttgart hätte. Gleiches gelte für die Äußerung, es wäre ein Schildbürgerstreich, wenn Baden-Württemberg auf das Geld von Bund und Bahn verzichten würde, da es in diesem Fall in Bahnprojekte in andere Bundesländer fließen würde. Auch dies entspreche der Realität. Letzteres gelte auch für die Aussage, dass ein Scheitern des Bahnprojekts Stuttgart 21/Neubaustrecke Wendlingen-Ulm die parlamentarische Demokratie auf den Kopf stellen würde.
55 
Unerfindlich sei, was an dem Satz „Zehntausende Bürgerinnen und Bürger sprechen sich mittlerweile lautstark dagegen aus, obwohl viele erkennbar nicht ausreichend informiert sind“, unzutreffend, polemisierend oder nicht objektiv sein solle. Die Aussage sei zutreffend.
56 
Nachdem die Vollversammlung der Beklagten im schriftlichen Verfahren im September 2010 und in der Sitzung am 14.10.2010 einstimmig beschlossen habe, das Bahnprojekt Stuttgart 21/Neubaustrecke Wendlingen-Ulm zu unterstützen, seien die Äußerungen der Beklagten unter Einhaltung des dafür vorgesehenen Verfahrens zustande gekommen. Der Auftrag der Vollversammlung sei durch Präsident und Hauptamt der Beklagten u.a. in Reden, Presseerklärungen, Dokumenten und dem Banner auf der Homepage sowie mittels des Plakats am Gebäude der Beklagten umgesetzt worden.
57 
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze und im Übrigen auf die der Kammer vorliegende Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
58 
Die Klage ist zulässig und begründet.
59 
Wird eine Industrie- und Handelskammer über die ihr zugewiesenen Aufgaben hinaus tätig, kann der einzelne Kammerzugehörige nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dem mit einer Unterlassungsklage entgegentreten (vgl. Urteil vom 21.07.1998 - 1 C 32.97 - BVerwGE 107, 169 <174 f.> m.w.N.; Urteil vom 19.09.2000 - 1 C 29/99 - BVerwGE 112, 69-78).
60 
Die Kläger haben einen Anspruch auf Unterlassung der von ihnen beanstandeten Äußerungen und Kundgaben der Beklagten, weil diese damit ihren gesetzlichen Aufgabenbereich überschreitet und folglich ohne die erforderliche Rechtsgrundlage in die durch Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz geschützte Position der Kläger eingreift.
61 
Prüfungsmaßstab für den Schutz gegen die Inanspruchnahme als Mitglied einer Zwangskorporation ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Art. 2 Abs. 1 GG (BVerwG, Urteil vom 23.06.2010 - 8 C 20/09 - BVerwGE 137, 171 ff. unter Hinweis auf BVerfG, Kammerbeschluss vom 07.12.2001 - 1 BvR 1806/98 - GewArch 2002, 111 ff. m.w.N.). Die Kläger haben als Pflichtmitglieder der Beklagten einen Anspruch darauf, dass die Beklagte bei ihrer Tätigkeit die ihr gesetzlich gesetzten Grenzen einhält. Denn die Pflichtzugehörigkeit zu dieser öffentlich-rechtlichen Körperschaft und der darin liegende Eingriff in das Grundrecht der Pflichtmitglieder aus Art. 2 Abs. 1 GG ggf. i.V.m. Art 19 Abs. 3 GG ist allein durch die - nach der maßgeblichen Einschätzung des Gesetzgebers - im öffentlichen Interesse liegende und deshalb notwendige Wahrnehmung dieser gesetzlichen Aufgaben gerechtfertigt (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.06.2010 a.a.O. unter Bezugnahme auf BVerfG, Beschluss vom 19.12.1962 - 1 BvR 541/57 - BVerfGE 15, 235 <242 f.>). Überschreitet eine Körperschaft, deren Errichtung am Maßstab des Art. 2 Abs. 1 GG zu messen ist und ihre verfassungsrechtliche Rechtfertigung im Wesentlichen in der Repräsentation der Interessen ihrer Mitglieder findet, ihren gesetzlichen Aufgabenbereich, greift sie ohne die erforderliche Rechtsgrundlage in dieses Grundrecht ein. Jeder der Körperschaft Zugehörige kann sich gegen eine derartige rechtswidrige Ausdehnung seiner Zwangsunterworfenheit wehren, ohne dass es darauf ankäme, ob er dadurch einen darüber hinausgehenden rechtlichen oder spürbaren faktischen Nachteil erleidet (BVerwG, Urteil vom 19.09.2000 a.a.O.).
62 
Ausgangspunkt der Prüfung, ob die Beklagte sich bei ihren Kundgaben und Äußerungen zum Bahnprojekt Stuttgart 21/Neubaustrecke Wendlingen - Ulm im Rahmen der ihr zugewiesenen Aufgaben gehalten hat, ist § 1 Abs. 1 IHKG. Danach haben die Kammern die Aufgabe, das Gesamtinteresse der ihnen zugehörigen Gewerbetreibenden ihres Bezirks wahrzunehmen, für die Förderung der gewerblichen Wirtschaft zu wirken und dabei die wirtschaftlichen Interessen einzelner Gewerbezweige oder Betriebe abwägend und ausgleichend zu berücksichtigen. Dabei obliegt es ihnen insbesondere, durch Vorschläge, Gutachten und Berichte die Behörden zu unterstützen und zu beraten sowie für die Wahrung von Anstand und Sitte des ehrbaren Kaufmanns zu wirken.
63 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich die Kammer anschließt, lässt sich diese Aufgabe als auf den Kammerbezirk bezogene Vertretung der Interessen der gewerblichen Wirtschaft im weitesten Sinn umschreiben. Da sehr viele öffentliche und staatliche Aufgaben die gewerbliche Wirtschaft berühren, ist diese Aufgabe kaum exakt eingrenzbar. Selbst dort, wo Belange der gewerblichen Wirtschaft nur am Rande berührt sind, ist es den Industrie- und Handelskammern grundsätzlich gestattet, das durch sie repräsentierte Gesamtinteresse zur Geltung zu bringen. Auch in diesen Randbereichen ist die Kompetenz der Industrie- und Handelskammer gegenüber dem Kernbereich nicht eingeschränkt. Abzugrenzen ist allerdings, was noch zum Randbereich einer zulässigen Betätigung der Industrie- und Handelskammern gehört und wo dieser Bereich verlassen wird, weil es sich um allgemeinpolitische Fragen handelt (BVerwG, Urteil vom 23.06.2010 a.a.O.; Urteil vom 19.09.2000 a.a.O. Rn. 24, 30).
64 
Belange der gewerblichen Wirtschaft werden nur dann wahrgenommen, wenn die Äußerung der Industrie- und Handelskammer sich auf einen Sachverhalt bezieht, der nachvollziehbare Auswirkungen auf die Wirtschaft im Bezirk der Industrie- und Handelskammer hat. Da eine Industrie- und Handelskammer jeweils nur die Interessen der ihr zugehörigen Gewerbetreibenden ihres Bezirks wahrnehmen darf, muss sich auch der Sachverhalt, zu dem sie sich äußert, auf die gewerbliche Wirtschaft im eigenen Bezirk konkret erkennbar auswirken. Das schließt aber nicht aus, dass sich die Kammer an Adressaten außerhalb dieses Bezirks wendet, um z.B. auf wirtschaftspolitische Entscheidungen auf Landes- oder Bundesebene einzuwirken (BVerwG, Urteil vom 23.06.2010 a.a.O. Rn. 31).
65 
Sämtliche von den Klägern angegriffenen Kundgaben und Äußerungen der Beklagten betreffen zwar - entgegen der schriftsätzlich dargelegten Auffassung der Kläger - deren Kompetenzbereich. Denn von dem Gesamtprojekt Stuttgart 21/Neubaustrecke Wendlingen - Ulm, auf die sich die Kundgaben und Äußerungen der Beklagten beziehen, ist die Verkehrspolitik betroffen. Diese wiederum hat im Hinblick auf die zeitlich erheblich verkürzte Anbindung des Bezirks der Beklagten an den Flughafen, die Landesmesse und Hauptbahnhof Stuttgart Auswirkungen auf die gewerbliche Wirtschaft auch im Bezirk der Beklagten.
66 
Ist thematisch der Kompetenzbereich der Beklagten eröffnet, und damit die Frage, ob sie sich zu dem Gesamtprojekt Stuttgart 21/Neubaustrecke Wendlingen - Ulm äußern darf, bejaht, ist jedoch bei der Form, die sie dabei zu wahren hat, sozusagen dem "Wie" der Äußerung, zu beachten, dass die Industrie- und Handelskammern als öffentlich-rechtliche Körperschaften öffentliche Aufgaben wahrnehmen. Daraus ergibt sich eine generelle Beschränkung ihrer Tätigkeit im Vergleich zu Interessenverbänden und politischen Parteien, weil die den Industrie- und Handelskammern übertragene Aufgabe der Vertretung der gewerblichen Wirtschaft gegenüber dem Staat keine reine Interessenvertretung darstellt. Die Industrie- und Handelskammern müssen stets auf das Gesamtinteresse der gewerblichen Wirtschaft ausgerichtet sein, dürfen die wirtschaftlichen Interessen einzelner Gewerbezweige oder Betriebe lediglich abwägend und ausgleichend berücksichtigen und müssen als öffentlich-rechtliche Selbstverwaltungskörperschaft das höchstmögliche Maß an Objektivität walten lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.06.2010 a.a.O. Rn. 32 unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 19.12.1962 - 1 BvR 541/57 - BVerfGE 15, 235 <241>).
67 
Das setzt voraus, dass die Äußerungen der Industrie- und Handelskammern sachlich sind und die notwendige Zurückhaltung wahren. Damit sind nicht nur Anforderungen an die Formulierung gestellt, was polemisch überspitzte oder auf emotionalisierte Konfliktaustragung angelegte Aussagen ausschließt; die notwendige Objektivität verlangt auch eine Argumentation mit sachbezogenen Kriterien und gegebenenfalls die Darstellung von Minderheitenpositionen. Da das Gesamtinteresse der gewerblichen Wirtschaft Bezugspunkt der Aufgabenwahrnehmung ist und dies eine Abwägung der wirtschaftlichen Interessen der einzelnen Gewerbezweige erfordert, muss eine Äußerung, die zu besonders umstrittenen Themen erfolgt, auch diese Abwägung erkennen lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.06.2010 a.a.O. Rn. 33). Dieses von den Industrie- und Handelskammern gemäß § 1 Abs. 1 IHKG wahrzunehmende Gesamtinteresse ihrer Mitglieder muss unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Interessen einzelner Gewerbezweige oder Betriebe abwägend und ausgleichend ermittelt werden. Es ist ein gewichtetes Ergebnis und damit weder eine Summe oder Potenzierung der Einzelinteressen noch ihr kleinster gemeinsamer Nenner (vgl. hierzu insges. BVerwG, Urteil vom 23.06.2010 a.a.O. Rn. 34).
68 
Erklärungen und Stellungnahmen der Industrie- und Handelskammern sind zudem nur dann zulässig, wenn sie unter Einhaltung des dafür vorgesehenen Verfahrens zustande gekommen sind. Denn die Pflichtmitgliedschaft der Gewerbetreibenden in der Industrie- und Handelskammer ist nur gerechtfertigt, wenn die Kammer das durch das vorgegebene Verfahren legitimierte Gesamtinteresse wahrnimmt. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 IHKG beschließt über die Angelegenheiten der Industrie- und Handelskammer die Vollversammlung, soweit nicht die Satzung etwas anderes bestimmt. Dabei kann, wie in § 3 Abs. 2 der Satzung der Beklagten geschehen, der Vollversammlung die Bestimmung der Richtlinien der Kammerarbeit und die Beschlussfassung über alle Fragen von grundsätzlicher Bedeutung vorbehalten bleiben und darauf basierend die Entscheidung über Einzelfragen delegiert werden. Eine grundsätzliche Festlegung muss aber auf jeden Fall durch die Vollversammlung erfolgen (vgl. hierzu insges. BVerwG, Urteil vom 23.06.2010 a.a.O. Rn. 35).
69 
Die von den Klägern angegriffenen Äußerungen und Kundgaben der Beklagten sind ungeachtet von Verfahrensfragen bereits deswegen rechtswidrig, weil sie als solche auch unter Berücksichtigung des Kontextes, in dem sie stehen, oder ihrer Begründung (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.06.2010 a.a.O. Rn. 40), nicht das höchstmögliche Maß an Objektivität und die notwendige Sachlichkeit wahren. Sie gehen über eine bildhafte Sprache hinaus. Die von den Klägern beanstandeten Äußerungen und Kundgaben mögen einer reinen Interessenvertretung zustehen, den als öffentlich-rechtliche Körperschaften organisierten Industrie- und Handelskammern wie der Beklagten aber nicht (wie BVerwG, Urteil vom 23.06.2010 a.a.O.).
70 
Im einzelnen gilt das Folgende:
71 
Die unter Ziffer 1 a des Klagantrags beanstandete Äußerung des Präsidenten der Beklagten, „Ulm ist das Bollwerk für Stuttgart 21“, ist schon für sich betrachtet polemisch überspitzt und auf emotionale Konfliktaustragung angelegt, ohne dass der Frage nachzugehen ist, wie es einzuschätzen wäre, dass diese Äußerung, wie von den Klägern unwidersprochen vorgetragen, auch im Zusammenhang mit der weiteren Aussage des Präsidenten gefallen sein soll „… das trifft ins Mark der Projektgegner“. Es handelt sich bei der Äußerung „Ulm ist das Bollwerk für Stuttgart 21“ nicht lediglich um eine bildhafte Sprache, wie die Beklagte meint. Nach Duden online hat ein Bollwerk u.a. die Bedeutung von Befestigung (früher) und Festung, Synonyme sind u.a. Bastei, Bastion, Befestigung, Befestigungsanlage, Befestigungswerk, Festung und Verteidigungsanlage. Die Verwendung eines Begriffs, der dem militärischen Sprachgebrauch entnommen ist, suggeriert aber die Bereitschaft zur Verteidigung des von der Beklagten befürworteten Projekts Stuttgart 21 durch ein Maß an Potenzial, das der Beklagten nach der gesetzlichen Aufgabenzuweisung jedoch nicht zukommt. Zudem wird der beschriebene Begriff „Bollwerk“ pauschal auf ganz Ulm erstreckt, ohne dass der Beklagten gesetzlich die Aufgabe zugewiesen ist, pauschal für die ganze Stadt oder ihre Bürger zu sprechen. Hinzu kommt, dass die Aussage apodiktisch eine Meinungsäußerung darstellt, ohne dabei eine Abwägung oder das Vorhandensein von Mindermeinungen erkennen zu lassen. Der Umstand, dass es sich um eine mündliche Äußerung gehandelt hat, ändert an dieser Einschätzung nichts. Die Anforderungen dafür zu verringern ist nicht möglich, weil die Kompetenzgrenzen der Beklagten für mündliche Äußerungen nicht weiter gezogen sind als sonst.
72 
Die unter Ziffer 1 b des Klageantrags angegriffene Äußerung „Ohne Stuttgart 21 endet die Neubaustrecke von Ulm kommend in Wendlingen sprichwörtlich auf dem Acker“ im Rahmen der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Beklagten, die sich auch in einer Äußerung zur „Standortpolitik“ wiederfindet, ist inhaltlich unzutreffend und damit unsachlich. Dabei ist nicht von Bedeutung, ob es ein mit der Äußerung in Bezug genommenes Sprichwort gibt. Durch die drastische Formulierung „auf dem Acker“ wird jedenfalls die Vorstellung hervorgerufen, dass die Neubaustrecke Wendlingen - Ulm ohne das Teilprojekt Stuttgart 21 nicht möglich und völlig nutzlos sei. Dies ist jedoch unzutreffend, weil für die Neubaustrecke auch ohne Anbindung an den Flughafen Stuttgart und die Landesmesse eine Einschleifung in die bisherige ICE-taugliche Trasse möglich ist. Auf eine direkte Anschlussmöglichkeit kommt es nicht an.
73 
Die beanstandete Äußerung „auf der Magistrale für Europa von Paris nach Budapest ….. sind alternative Linienführungen, beispielsweise über Frankfurt und Ingolstadt nach München, durchaus denkbar ….. Anstatt in das europäische Netz integriert zu werden, würden große Teile Baden-Württembergs somit abgehängt“ (Klageantrag 1 c) ist am Ende zu spekulativ und deswegen unsachlich, weil auch bei einer anderen Linienführung der Schnellbahntrasse nicht davon ausgegangen werden kann, dass große Teile Baden-Württembergs vom europäischen Schienennetz abgehängt werden. Die Äußerung, die entgegen der Auffassung der Beklagten nicht aus dem Zusammenhang gerissen entstellend verstanden werden kann, lässt damit auch das erforderliche Maß an Objektivität vermissen. Es ist nicht ersichtlich, dass bei einer Nichtverwirklichung der Neubaustrecke Wendlingen - Ulm die bisherige ICE - taugliche Bahnstrecke in Wegfall geriete.
74 
Die mit dem Klagantrag 1 d) angegriffene, in der Stellungnahme „Standortpolitik - Argumente für Stuttgart 21 - Warum unsere Firma für das Bahnprojekt ist“ enthaltene Wendung „Es wäre ein Schildbürgerstreich, wenn Baden-Württemberg … auf das Geld von Bund und Bahn verzichten würde“ wahrt nicht die der Beklagten obliegende Sachlichkeit. Denn der Begriff „Schildbürgerstreich“ hat eine abwertende Bedeutung. Mit ihm wird eine Handlung umschrieben, deren eigentlicher oder ursprünglicher Zweck in törichter Weise verfehlt wird (vgl. Duden online). „Die Schildbürger“ ist der Titel einer Sammlung von Streichen und Schwänken törichter Kleinbürger … (Meyers Großes Universallexikon). Der propagierte Verzicht des Landes Baden-Württemberg auf die für das Bahnprojekt bereitgestellten Finanzmittel von Bund und Bahn wird damit abwertend zumindest als töricht bezeichnet, was auch Relevanz für die Einschätzung der Gegner des Projekts hat. Der Kontext, in dem diese Äußerung steht, relativiert diese Einschätzung nicht. Dass die Kläger diese Äußerung der Beklagten aus dem Zusammenhang gerissen und dadurch entstellt haben, vermag die Kammer entgegen der Auffassung der Beklagten nicht festzustellen. Auch bezieht sich die angegriffene Äußerung auf ganz Baden-Württemberg und betrifft damit nicht mehr den Aufgabenbereich der Beklagten, nachdem keine Verknüpfung zu wirtschaftlichen Belangen speziell in ihrem Bezirk erkennbar ist.
75 
Die unter der Rubrik „Standortpolitik“ getätigte Äußerung der Beklagten zu „Auswirkungen des Bahnprojekts Stuttgart 21/Neubaustrecke Wendlingen-Ulm auf die Erreichbarkeit und die Wirtschaft der einzelnen Kreise in Baden-Württemberg, in der u.a. ausgeführt ist „… ein Scheitern von Stuttgart 21 und der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm würde die parlamentarische Demokratie auf den Kopf stellen“ (Klagantrag 1 e), ist polemisch überspitzt und unsachlich. Denn zum einen werden auch in der parlamentarischen Demokratie planfestgestellte und gerichtlich rechtskräftig überprüfte Vorhaben noch politisch in Frage gestellt. Dies zeigt die derzeitige landespolitische Situation in Baden-Württemberg, wo nach dem Beschluss des Landtags die Bürgerinnen und Bürger am 27. November in einer Volksabstimmung über ein „S21-Kündigungsgesetz“ entscheiden sollen. Zum anderen sind noch nicht für alle Abschnitte der Neubaustrecke Wendlingen - Ulm die Planfeststellungsverfahren abgeschlossen. Solange dies nicht der Fall ist und Beteiligungsrechte im Verfahren wahrgenommen werden können, erscheinen selbst bei einer von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung angesprochenen weitgehenden Determinierung der Linienführung der Bahntrasse auch politische Aktivitäten und Aktionen weder illegal, illegitim oder für eine parlamentarische Demokratie systemfremd. Auch hier relativiert der Kontext, in dem die Äußerung steht, die dargelegte Einschätzung nicht.
76 
Die in dem Beitrag auf der Homepage der Beklagten zu dem Thema „Argumente der Gegner“ „Sind die Gegenargumente korrekt?“ in der Einleitung u.a. enthaltene Äußerung „Zehntausende Bürgerinnen und Bürger sprechen sich mittlerweile lautstark dagegen aus, obwohl viele erkennbar nicht ausreichend informiert sind“ (Klagantrag 1 f) ist der Beklagten zu untersagen, weil sie zu apodiktisch und polemisch ist und den Projektgegnern zu undifferenziert mangelnde Sachkenntnis vorhält. Ferner ist sie auf emotionale Konfliktaustragung angelegt. Ob die Sachkenntnis der Bevölkerung durch das Schlichtungsverfahren gestiegen ist, ist unerheblich. Der Kontext, in dem die Äußerung steht, führt auch hier zu keiner anderen Einschätzung. Der der angegriffenen Äußerung vorausgehende Satz „Umweltschützer, Bürgerinitiativen und Politiker der Grünen laufen Sturm gegen das Projekt“ ist eher geeignet, auch diese Personen in die Nähe der nicht ausreichend Informierten zu rücken, als zu erklären oder zu relativieren. Aus dem Kontext, der zwar neben Kommentaren zu einzelnen umstrittenen Fragen auch Fakten nennt, folgt keine Relativierung der zu beanstandenden Aussage. Zwar mag es durchaus zutreffen, dass von den Projektgegnern eine erhebliche Anzahl nur eine lückenhafte Sachkenntnis über das Gesamtprojekt und deren Folgewirkungen besitzen. Bereits nicht gewiss ist aber, ob sich gerade solche Personen lautstark gegen das Projekt aussprechen. Jedenfalls wird ohne weiter zu differenzieren der Eindruck vermittelt, dass sich lautstark oder engagiert gegen das Gesamtprojekt einsetzende Personen dies ohne ausreichende Sachkenntnis tun. Obwohl naheliegend, ob dasselbe nicht auch für die Befürworter des Gesamtprojekts gilt, d.h. auch diese nicht über ausreichende Sachkenntnis verfügen, verhalten sich die Äußerungen der Beklagten hierzu jedoch nicht. Dies wäre aber im Hinblick auf das bei Äußerungen von der Beklagten zu beachtende höchstmögliche Maß an Objektivität geboten gewesen. Die Beklagte vermittelt daher mit ihrer Äußerung in unzulässiger Weise den Eindruck, die Haltung zu dem Gesamtprojekt beruhe bei den meisten engagierten Projektgegnern auf unzureichender Sachkenntnis, ohne dies im Kontext - bezogen auf diese Personen - zu erklären.
77 
Für das am Verwaltungsgebäude der Beklagten angebrachte farbige, ca. 100 m² große Plakat mit u.a. den Worten „Allerhöchste Eisenbahn!“ und „JA!“ „Unsere Zukunft braucht die ICE-Strecke mit Stuttgart 21“ sowie dem Hinweis „www.....de“ (Klagantrag 2 a) gilt in gleicher Weise wie für das in die Homepage (Startseite) bzw. die Internetseite der Beklagten eingestellte Banner, das wie das Plakat am Verwaltungsgebäude der Beklagten den vorderen Teil eines ICE zeigt, ferner neben dem Logo der Beklagten die Worte „Allerhöchste Eisenbahn! JA zur Bahnstrecke und zu S 21“ enthält, dass diese Kundgaben schon nach ihrer Form nicht die erforderliche Sachlichkeit und Zurückhaltung wahren, weil sie zu apodiktisch parteiergreifend für das Projekt sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.07.2010 a.a.O., Rn. 40). Die notwendige Differenzierung und Zurückhaltung sowie die Darstellung von Minderheitspositionen ist zu vermissen.
78 
Beim Plakat reicht dabei der Hinweis auf die Internetseite der Beklagten nicht aus, denn es ist nur die Startseite der Homepage der IHK Ulm angegeben, nicht direkt die Gegenüberstellung von Argumenten. Nach der Stellung auf dem Plakat wird auch nicht hinreichend deutlich, dass man die Gegenargumente auf dieser Homepage findet, denn die Internetadresse ist unter dem eindeutigen Statement für Stuttgart 21 positioniert, sodass ein Betrachter eher erwarten kann, die wiedergegebene Ansicht dort weiter ausgeführt zu finden. Zudem ist auf der Homepage nach der Darlegung der Beklagten zwar ein Dokument mit dem Titel „Gegenargumente zu Stuttgart 21 – sind diese Argumente korrekt?“ zu finden. Für eine objektive Information erscheint dies aber nicht ausreichend, weil schon der Dokumententitel eher auf eine kritische Auseinandersetzung mit den Gegenargumenten zu Stuttgart 21 hindeutet. Der Umstand, dass ein Plakat naturgemäß nur wenig Platz bietet und für die Darstellung unterschiedlicher Meinungen daher nicht geeignet ist, kann dabei keine Rolle spielen, denn sonst könnte der Grundrechtschutz der Pflichtmitglieder damit unterlaufen werden. Konsequenz ist daher nicht, dass der Maßstab für die Beurteilung der Äußerungen der Kammern bei einem Plakat herabgesetzt werden kann. Vielmehr ist es der Beklagten, wenn dieses Kommunikationsmittel ihrem Auftrag nicht gerecht wird, verwehrt, es einzusetzen (s. dazu auch VG Stuttgart, Urteil vom 17.04.2011 - 4 K 5039/10 - Juris).
79 
In gleicher Weise einseitig und undifferenziert ist das Bild auf der Homepage (Startseite) der Beklagten (Klagantrag 2 b). Zwar finden sich auf der Homepage auch die oben angesprochenen Hinweise auf Argumente der Gegner. Allerdings wird auch hier nicht bereits aus der Startseite sichtbar, dass es Gegenargumente gibt, sondern das Bild (Banner) wirkt zunächst plakativ so, als gebe es nur ein Ja für das das Projekt, sonst nichts.
80 
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO, jene über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils (insgesamt, nicht allein wegen der Kosten) gegen Sicherheitsleistung aus §§ 167 Abs. 1 VwGO, 709 ZPO. Bei der Höhe der Sicherheitsleistung ging die Kammer neben einer überschlägigen Berücksichtigung der vollstreckbaren gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten, allerdings ohne Heranziehung der Nr. 1008 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG, mangels anderer Anhaltspunkte davon aus, dass der Beklagten zur Umsetzung der durch das Urteil ausgesprochenen Unterlassungsverpflichtungen keine nennenswerten Kosten entstehen.
81 
Die Androhung des Ordnungsgeldes beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 890 Abs. 1 und 2 ZPO (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.01.1995 - 10 S 488/94 -, VBlBW 1995, 191). Die Kammer geht aufgrund der Regelung in § 172 VwGO, der für die dort genannten Fälle der Vollstreckung gegen eine Behörde die Festsetzung eines Zwangsgeldes bis 10.000,00 EUR ermöglicht, davon aus, dass auch für die Vollstreckung nach § 167 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 890 Abs. 1 und 2 ZPO die Androhung eines Ordnungsgeldes gleicher Höhe in der Regel ausreicht.

Gründe

 
58 
Die Klage ist zulässig und begründet.
59 
Wird eine Industrie- und Handelskammer über die ihr zugewiesenen Aufgaben hinaus tätig, kann der einzelne Kammerzugehörige nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dem mit einer Unterlassungsklage entgegentreten (vgl. Urteil vom 21.07.1998 - 1 C 32.97 - BVerwGE 107, 169 <174 f.> m.w.N.; Urteil vom 19.09.2000 - 1 C 29/99 - BVerwGE 112, 69-78).
60 
Die Kläger haben einen Anspruch auf Unterlassung der von ihnen beanstandeten Äußerungen und Kundgaben der Beklagten, weil diese damit ihren gesetzlichen Aufgabenbereich überschreitet und folglich ohne die erforderliche Rechtsgrundlage in die durch Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz geschützte Position der Kläger eingreift.
61 
Prüfungsmaßstab für den Schutz gegen die Inanspruchnahme als Mitglied einer Zwangskorporation ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Art. 2 Abs. 1 GG (BVerwG, Urteil vom 23.06.2010 - 8 C 20/09 - BVerwGE 137, 171 ff. unter Hinweis auf BVerfG, Kammerbeschluss vom 07.12.2001 - 1 BvR 1806/98 - GewArch 2002, 111 ff. m.w.N.). Die Kläger haben als Pflichtmitglieder der Beklagten einen Anspruch darauf, dass die Beklagte bei ihrer Tätigkeit die ihr gesetzlich gesetzten Grenzen einhält. Denn die Pflichtzugehörigkeit zu dieser öffentlich-rechtlichen Körperschaft und der darin liegende Eingriff in das Grundrecht der Pflichtmitglieder aus Art. 2 Abs. 1 GG ggf. i.V.m. Art 19 Abs. 3 GG ist allein durch die - nach der maßgeblichen Einschätzung des Gesetzgebers - im öffentlichen Interesse liegende und deshalb notwendige Wahrnehmung dieser gesetzlichen Aufgaben gerechtfertigt (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.06.2010 a.a.O. unter Bezugnahme auf BVerfG, Beschluss vom 19.12.1962 - 1 BvR 541/57 - BVerfGE 15, 235 <242 f.>). Überschreitet eine Körperschaft, deren Errichtung am Maßstab des Art. 2 Abs. 1 GG zu messen ist und ihre verfassungsrechtliche Rechtfertigung im Wesentlichen in der Repräsentation der Interessen ihrer Mitglieder findet, ihren gesetzlichen Aufgabenbereich, greift sie ohne die erforderliche Rechtsgrundlage in dieses Grundrecht ein. Jeder der Körperschaft Zugehörige kann sich gegen eine derartige rechtswidrige Ausdehnung seiner Zwangsunterworfenheit wehren, ohne dass es darauf ankäme, ob er dadurch einen darüber hinausgehenden rechtlichen oder spürbaren faktischen Nachteil erleidet (BVerwG, Urteil vom 19.09.2000 a.a.O.).
62 
Ausgangspunkt der Prüfung, ob die Beklagte sich bei ihren Kundgaben und Äußerungen zum Bahnprojekt Stuttgart 21/Neubaustrecke Wendlingen - Ulm im Rahmen der ihr zugewiesenen Aufgaben gehalten hat, ist § 1 Abs. 1 IHKG. Danach haben die Kammern die Aufgabe, das Gesamtinteresse der ihnen zugehörigen Gewerbetreibenden ihres Bezirks wahrzunehmen, für die Förderung der gewerblichen Wirtschaft zu wirken und dabei die wirtschaftlichen Interessen einzelner Gewerbezweige oder Betriebe abwägend und ausgleichend zu berücksichtigen. Dabei obliegt es ihnen insbesondere, durch Vorschläge, Gutachten und Berichte die Behörden zu unterstützen und zu beraten sowie für die Wahrung von Anstand und Sitte des ehrbaren Kaufmanns zu wirken.
63 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich die Kammer anschließt, lässt sich diese Aufgabe als auf den Kammerbezirk bezogene Vertretung der Interessen der gewerblichen Wirtschaft im weitesten Sinn umschreiben. Da sehr viele öffentliche und staatliche Aufgaben die gewerbliche Wirtschaft berühren, ist diese Aufgabe kaum exakt eingrenzbar. Selbst dort, wo Belange der gewerblichen Wirtschaft nur am Rande berührt sind, ist es den Industrie- und Handelskammern grundsätzlich gestattet, das durch sie repräsentierte Gesamtinteresse zur Geltung zu bringen. Auch in diesen Randbereichen ist die Kompetenz der Industrie- und Handelskammer gegenüber dem Kernbereich nicht eingeschränkt. Abzugrenzen ist allerdings, was noch zum Randbereich einer zulässigen Betätigung der Industrie- und Handelskammern gehört und wo dieser Bereich verlassen wird, weil es sich um allgemeinpolitische Fragen handelt (BVerwG, Urteil vom 23.06.2010 a.a.O.; Urteil vom 19.09.2000 a.a.O. Rn. 24, 30).
64 
Belange der gewerblichen Wirtschaft werden nur dann wahrgenommen, wenn die Äußerung der Industrie- und Handelskammer sich auf einen Sachverhalt bezieht, der nachvollziehbare Auswirkungen auf die Wirtschaft im Bezirk der Industrie- und Handelskammer hat. Da eine Industrie- und Handelskammer jeweils nur die Interessen der ihr zugehörigen Gewerbetreibenden ihres Bezirks wahrnehmen darf, muss sich auch der Sachverhalt, zu dem sie sich äußert, auf die gewerbliche Wirtschaft im eigenen Bezirk konkret erkennbar auswirken. Das schließt aber nicht aus, dass sich die Kammer an Adressaten außerhalb dieses Bezirks wendet, um z.B. auf wirtschaftspolitische Entscheidungen auf Landes- oder Bundesebene einzuwirken (BVerwG, Urteil vom 23.06.2010 a.a.O. Rn. 31).
65 
Sämtliche von den Klägern angegriffenen Kundgaben und Äußerungen der Beklagten betreffen zwar - entgegen der schriftsätzlich dargelegten Auffassung der Kläger - deren Kompetenzbereich. Denn von dem Gesamtprojekt Stuttgart 21/Neubaustrecke Wendlingen - Ulm, auf die sich die Kundgaben und Äußerungen der Beklagten beziehen, ist die Verkehrspolitik betroffen. Diese wiederum hat im Hinblick auf die zeitlich erheblich verkürzte Anbindung des Bezirks der Beklagten an den Flughafen, die Landesmesse und Hauptbahnhof Stuttgart Auswirkungen auf die gewerbliche Wirtschaft auch im Bezirk der Beklagten.
66 
Ist thematisch der Kompetenzbereich der Beklagten eröffnet, und damit die Frage, ob sie sich zu dem Gesamtprojekt Stuttgart 21/Neubaustrecke Wendlingen - Ulm äußern darf, bejaht, ist jedoch bei der Form, die sie dabei zu wahren hat, sozusagen dem "Wie" der Äußerung, zu beachten, dass die Industrie- und Handelskammern als öffentlich-rechtliche Körperschaften öffentliche Aufgaben wahrnehmen. Daraus ergibt sich eine generelle Beschränkung ihrer Tätigkeit im Vergleich zu Interessenverbänden und politischen Parteien, weil die den Industrie- und Handelskammern übertragene Aufgabe der Vertretung der gewerblichen Wirtschaft gegenüber dem Staat keine reine Interessenvertretung darstellt. Die Industrie- und Handelskammern müssen stets auf das Gesamtinteresse der gewerblichen Wirtschaft ausgerichtet sein, dürfen die wirtschaftlichen Interessen einzelner Gewerbezweige oder Betriebe lediglich abwägend und ausgleichend berücksichtigen und müssen als öffentlich-rechtliche Selbstverwaltungskörperschaft das höchstmögliche Maß an Objektivität walten lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.06.2010 a.a.O. Rn. 32 unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 19.12.1962 - 1 BvR 541/57 - BVerfGE 15, 235 <241>).
67 
Das setzt voraus, dass die Äußerungen der Industrie- und Handelskammern sachlich sind und die notwendige Zurückhaltung wahren. Damit sind nicht nur Anforderungen an die Formulierung gestellt, was polemisch überspitzte oder auf emotionalisierte Konfliktaustragung angelegte Aussagen ausschließt; die notwendige Objektivität verlangt auch eine Argumentation mit sachbezogenen Kriterien und gegebenenfalls die Darstellung von Minderheitenpositionen. Da das Gesamtinteresse der gewerblichen Wirtschaft Bezugspunkt der Aufgabenwahrnehmung ist und dies eine Abwägung der wirtschaftlichen Interessen der einzelnen Gewerbezweige erfordert, muss eine Äußerung, die zu besonders umstrittenen Themen erfolgt, auch diese Abwägung erkennen lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.06.2010 a.a.O. Rn. 33). Dieses von den Industrie- und Handelskammern gemäß § 1 Abs. 1 IHKG wahrzunehmende Gesamtinteresse ihrer Mitglieder muss unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Interessen einzelner Gewerbezweige oder Betriebe abwägend und ausgleichend ermittelt werden. Es ist ein gewichtetes Ergebnis und damit weder eine Summe oder Potenzierung der Einzelinteressen noch ihr kleinster gemeinsamer Nenner (vgl. hierzu insges. BVerwG, Urteil vom 23.06.2010 a.a.O. Rn. 34).
68 
Erklärungen und Stellungnahmen der Industrie- und Handelskammern sind zudem nur dann zulässig, wenn sie unter Einhaltung des dafür vorgesehenen Verfahrens zustande gekommen sind. Denn die Pflichtmitgliedschaft der Gewerbetreibenden in der Industrie- und Handelskammer ist nur gerechtfertigt, wenn die Kammer das durch das vorgegebene Verfahren legitimierte Gesamtinteresse wahrnimmt. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 IHKG beschließt über die Angelegenheiten der Industrie- und Handelskammer die Vollversammlung, soweit nicht die Satzung etwas anderes bestimmt. Dabei kann, wie in § 3 Abs. 2 der Satzung der Beklagten geschehen, der Vollversammlung die Bestimmung der Richtlinien der Kammerarbeit und die Beschlussfassung über alle Fragen von grundsätzlicher Bedeutung vorbehalten bleiben und darauf basierend die Entscheidung über Einzelfragen delegiert werden. Eine grundsätzliche Festlegung muss aber auf jeden Fall durch die Vollversammlung erfolgen (vgl. hierzu insges. BVerwG, Urteil vom 23.06.2010 a.a.O. Rn. 35).
69 
Die von den Klägern angegriffenen Äußerungen und Kundgaben der Beklagten sind ungeachtet von Verfahrensfragen bereits deswegen rechtswidrig, weil sie als solche auch unter Berücksichtigung des Kontextes, in dem sie stehen, oder ihrer Begründung (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.06.2010 a.a.O. Rn. 40), nicht das höchstmögliche Maß an Objektivität und die notwendige Sachlichkeit wahren. Sie gehen über eine bildhafte Sprache hinaus. Die von den Klägern beanstandeten Äußerungen und Kundgaben mögen einer reinen Interessenvertretung zustehen, den als öffentlich-rechtliche Körperschaften organisierten Industrie- und Handelskammern wie der Beklagten aber nicht (wie BVerwG, Urteil vom 23.06.2010 a.a.O.).
70 
Im einzelnen gilt das Folgende:
71 
Die unter Ziffer 1 a des Klagantrags beanstandete Äußerung des Präsidenten der Beklagten, „Ulm ist das Bollwerk für Stuttgart 21“, ist schon für sich betrachtet polemisch überspitzt und auf emotionale Konfliktaustragung angelegt, ohne dass der Frage nachzugehen ist, wie es einzuschätzen wäre, dass diese Äußerung, wie von den Klägern unwidersprochen vorgetragen, auch im Zusammenhang mit der weiteren Aussage des Präsidenten gefallen sein soll „… das trifft ins Mark der Projektgegner“. Es handelt sich bei der Äußerung „Ulm ist das Bollwerk für Stuttgart 21“ nicht lediglich um eine bildhafte Sprache, wie die Beklagte meint. Nach Duden online hat ein Bollwerk u.a. die Bedeutung von Befestigung (früher) und Festung, Synonyme sind u.a. Bastei, Bastion, Befestigung, Befestigungsanlage, Befestigungswerk, Festung und Verteidigungsanlage. Die Verwendung eines Begriffs, der dem militärischen Sprachgebrauch entnommen ist, suggeriert aber die Bereitschaft zur Verteidigung des von der Beklagten befürworteten Projekts Stuttgart 21 durch ein Maß an Potenzial, das der Beklagten nach der gesetzlichen Aufgabenzuweisung jedoch nicht zukommt. Zudem wird der beschriebene Begriff „Bollwerk“ pauschal auf ganz Ulm erstreckt, ohne dass der Beklagten gesetzlich die Aufgabe zugewiesen ist, pauschal für die ganze Stadt oder ihre Bürger zu sprechen. Hinzu kommt, dass die Aussage apodiktisch eine Meinungsäußerung darstellt, ohne dabei eine Abwägung oder das Vorhandensein von Mindermeinungen erkennen zu lassen. Der Umstand, dass es sich um eine mündliche Äußerung gehandelt hat, ändert an dieser Einschätzung nichts. Die Anforderungen dafür zu verringern ist nicht möglich, weil die Kompetenzgrenzen der Beklagten für mündliche Äußerungen nicht weiter gezogen sind als sonst.
72 
Die unter Ziffer 1 b des Klageantrags angegriffene Äußerung „Ohne Stuttgart 21 endet die Neubaustrecke von Ulm kommend in Wendlingen sprichwörtlich auf dem Acker“ im Rahmen der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Beklagten, die sich auch in einer Äußerung zur „Standortpolitik“ wiederfindet, ist inhaltlich unzutreffend und damit unsachlich. Dabei ist nicht von Bedeutung, ob es ein mit der Äußerung in Bezug genommenes Sprichwort gibt. Durch die drastische Formulierung „auf dem Acker“ wird jedenfalls die Vorstellung hervorgerufen, dass die Neubaustrecke Wendlingen - Ulm ohne das Teilprojekt Stuttgart 21 nicht möglich und völlig nutzlos sei. Dies ist jedoch unzutreffend, weil für die Neubaustrecke auch ohne Anbindung an den Flughafen Stuttgart und die Landesmesse eine Einschleifung in die bisherige ICE-taugliche Trasse möglich ist. Auf eine direkte Anschlussmöglichkeit kommt es nicht an.
73 
Die beanstandete Äußerung „auf der Magistrale für Europa von Paris nach Budapest ….. sind alternative Linienführungen, beispielsweise über Frankfurt und Ingolstadt nach München, durchaus denkbar ….. Anstatt in das europäische Netz integriert zu werden, würden große Teile Baden-Württembergs somit abgehängt“ (Klageantrag 1 c) ist am Ende zu spekulativ und deswegen unsachlich, weil auch bei einer anderen Linienführung der Schnellbahntrasse nicht davon ausgegangen werden kann, dass große Teile Baden-Württembergs vom europäischen Schienennetz abgehängt werden. Die Äußerung, die entgegen der Auffassung der Beklagten nicht aus dem Zusammenhang gerissen entstellend verstanden werden kann, lässt damit auch das erforderliche Maß an Objektivität vermissen. Es ist nicht ersichtlich, dass bei einer Nichtverwirklichung der Neubaustrecke Wendlingen - Ulm die bisherige ICE - taugliche Bahnstrecke in Wegfall geriete.
74 
Die mit dem Klagantrag 1 d) angegriffene, in der Stellungnahme „Standortpolitik - Argumente für Stuttgart 21 - Warum unsere Firma für das Bahnprojekt ist“ enthaltene Wendung „Es wäre ein Schildbürgerstreich, wenn Baden-Württemberg … auf das Geld von Bund und Bahn verzichten würde“ wahrt nicht die der Beklagten obliegende Sachlichkeit. Denn der Begriff „Schildbürgerstreich“ hat eine abwertende Bedeutung. Mit ihm wird eine Handlung umschrieben, deren eigentlicher oder ursprünglicher Zweck in törichter Weise verfehlt wird (vgl. Duden online). „Die Schildbürger“ ist der Titel einer Sammlung von Streichen und Schwänken törichter Kleinbürger … (Meyers Großes Universallexikon). Der propagierte Verzicht des Landes Baden-Württemberg auf die für das Bahnprojekt bereitgestellten Finanzmittel von Bund und Bahn wird damit abwertend zumindest als töricht bezeichnet, was auch Relevanz für die Einschätzung der Gegner des Projekts hat. Der Kontext, in dem diese Äußerung steht, relativiert diese Einschätzung nicht. Dass die Kläger diese Äußerung der Beklagten aus dem Zusammenhang gerissen und dadurch entstellt haben, vermag die Kammer entgegen der Auffassung der Beklagten nicht festzustellen. Auch bezieht sich die angegriffene Äußerung auf ganz Baden-Württemberg und betrifft damit nicht mehr den Aufgabenbereich der Beklagten, nachdem keine Verknüpfung zu wirtschaftlichen Belangen speziell in ihrem Bezirk erkennbar ist.
75 
Die unter der Rubrik „Standortpolitik“ getätigte Äußerung der Beklagten zu „Auswirkungen des Bahnprojekts Stuttgart 21/Neubaustrecke Wendlingen-Ulm auf die Erreichbarkeit und die Wirtschaft der einzelnen Kreise in Baden-Württemberg, in der u.a. ausgeführt ist „… ein Scheitern von Stuttgart 21 und der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm würde die parlamentarische Demokratie auf den Kopf stellen“ (Klagantrag 1 e), ist polemisch überspitzt und unsachlich. Denn zum einen werden auch in der parlamentarischen Demokratie planfestgestellte und gerichtlich rechtskräftig überprüfte Vorhaben noch politisch in Frage gestellt. Dies zeigt die derzeitige landespolitische Situation in Baden-Württemberg, wo nach dem Beschluss des Landtags die Bürgerinnen und Bürger am 27. November in einer Volksabstimmung über ein „S21-Kündigungsgesetz“ entscheiden sollen. Zum anderen sind noch nicht für alle Abschnitte der Neubaustrecke Wendlingen - Ulm die Planfeststellungsverfahren abgeschlossen. Solange dies nicht der Fall ist und Beteiligungsrechte im Verfahren wahrgenommen werden können, erscheinen selbst bei einer von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung angesprochenen weitgehenden Determinierung der Linienführung der Bahntrasse auch politische Aktivitäten und Aktionen weder illegal, illegitim oder für eine parlamentarische Demokratie systemfremd. Auch hier relativiert der Kontext, in dem die Äußerung steht, die dargelegte Einschätzung nicht.
76 
Die in dem Beitrag auf der Homepage der Beklagten zu dem Thema „Argumente der Gegner“ „Sind die Gegenargumente korrekt?“ in der Einleitung u.a. enthaltene Äußerung „Zehntausende Bürgerinnen und Bürger sprechen sich mittlerweile lautstark dagegen aus, obwohl viele erkennbar nicht ausreichend informiert sind“ (Klagantrag 1 f) ist der Beklagten zu untersagen, weil sie zu apodiktisch und polemisch ist und den Projektgegnern zu undifferenziert mangelnde Sachkenntnis vorhält. Ferner ist sie auf emotionale Konfliktaustragung angelegt. Ob die Sachkenntnis der Bevölkerung durch das Schlichtungsverfahren gestiegen ist, ist unerheblich. Der Kontext, in dem die Äußerung steht, führt auch hier zu keiner anderen Einschätzung. Der der angegriffenen Äußerung vorausgehende Satz „Umweltschützer, Bürgerinitiativen und Politiker der Grünen laufen Sturm gegen das Projekt“ ist eher geeignet, auch diese Personen in die Nähe der nicht ausreichend Informierten zu rücken, als zu erklären oder zu relativieren. Aus dem Kontext, der zwar neben Kommentaren zu einzelnen umstrittenen Fragen auch Fakten nennt, folgt keine Relativierung der zu beanstandenden Aussage. Zwar mag es durchaus zutreffen, dass von den Projektgegnern eine erhebliche Anzahl nur eine lückenhafte Sachkenntnis über das Gesamtprojekt und deren Folgewirkungen besitzen. Bereits nicht gewiss ist aber, ob sich gerade solche Personen lautstark gegen das Projekt aussprechen. Jedenfalls wird ohne weiter zu differenzieren der Eindruck vermittelt, dass sich lautstark oder engagiert gegen das Gesamtprojekt einsetzende Personen dies ohne ausreichende Sachkenntnis tun. Obwohl naheliegend, ob dasselbe nicht auch für die Befürworter des Gesamtprojekts gilt, d.h. auch diese nicht über ausreichende Sachkenntnis verfügen, verhalten sich die Äußerungen der Beklagten hierzu jedoch nicht. Dies wäre aber im Hinblick auf das bei Äußerungen von der Beklagten zu beachtende höchstmögliche Maß an Objektivität geboten gewesen. Die Beklagte vermittelt daher mit ihrer Äußerung in unzulässiger Weise den Eindruck, die Haltung zu dem Gesamtprojekt beruhe bei den meisten engagierten Projektgegnern auf unzureichender Sachkenntnis, ohne dies im Kontext - bezogen auf diese Personen - zu erklären.
77 
Für das am Verwaltungsgebäude der Beklagten angebrachte farbige, ca. 100 m² große Plakat mit u.a. den Worten „Allerhöchste Eisenbahn!“ und „JA!“ „Unsere Zukunft braucht die ICE-Strecke mit Stuttgart 21“ sowie dem Hinweis „www.....de“ (Klagantrag 2 a) gilt in gleicher Weise wie für das in die Homepage (Startseite) bzw. die Internetseite der Beklagten eingestellte Banner, das wie das Plakat am Verwaltungsgebäude der Beklagten den vorderen Teil eines ICE zeigt, ferner neben dem Logo der Beklagten die Worte „Allerhöchste Eisenbahn! JA zur Bahnstrecke und zu S 21“ enthält, dass diese Kundgaben schon nach ihrer Form nicht die erforderliche Sachlichkeit und Zurückhaltung wahren, weil sie zu apodiktisch parteiergreifend für das Projekt sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.07.2010 a.a.O., Rn. 40). Die notwendige Differenzierung und Zurückhaltung sowie die Darstellung von Minderheitspositionen ist zu vermissen.
78 
Beim Plakat reicht dabei der Hinweis auf die Internetseite der Beklagten nicht aus, denn es ist nur die Startseite der Homepage der IHK Ulm angegeben, nicht direkt die Gegenüberstellung von Argumenten. Nach der Stellung auf dem Plakat wird auch nicht hinreichend deutlich, dass man die Gegenargumente auf dieser Homepage findet, denn die Internetadresse ist unter dem eindeutigen Statement für Stuttgart 21 positioniert, sodass ein Betrachter eher erwarten kann, die wiedergegebene Ansicht dort weiter ausgeführt zu finden. Zudem ist auf der Homepage nach der Darlegung der Beklagten zwar ein Dokument mit dem Titel „Gegenargumente zu Stuttgart 21 – sind diese Argumente korrekt?“ zu finden. Für eine objektive Information erscheint dies aber nicht ausreichend, weil schon der Dokumententitel eher auf eine kritische Auseinandersetzung mit den Gegenargumenten zu Stuttgart 21 hindeutet. Der Umstand, dass ein Plakat naturgemäß nur wenig Platz bietet und für die Darstellung unterschiedlicher Meinungen daher nicht geeignet ist, kann dabei keine Rolle spielen, denn sonst könnte der Grundrechtschutz der Pflichtmitglieder damit unterlaufen werden. Konsequenz ist daher nicht, dass der Maßstab für die Beurteilung der Äußerungen der Kammern bei einem Plakat herabgesetzt werden kann. Vielmehr ist es der Beklagten, wenn dieses Kommunikationsmittel ihrem Auftrag nicht gerecht wird, verwehrt, es einzusetzen (s. dazu auch VG Stuttgart, Urteil vom 17.04.2011 - 4 K 5039/10 - Juris).
79 
In gleicher Weise einseitig und undifferenziert ist das Bild auf der Homepage (Startseite) der Beklagten (Klagantrag 2 b). Zwar finden sich auf der Homepage auch die oben angesprochenen Hinweise auf Argumente der Gegner. Allerdings wird auch hier nicht bereits aus der Startseite sichtbar, dass es Gegenargumente gibt, sondern das Bild (Banner) wirkt zunächst plakativ so, als gebe es nur ein Ja für das das Projekt, sonst nichts.
80 
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO, jene über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils (insgesamt, nicht allein wegen der Kosten) gegen Sicherheitsleistung aus §§ 167 Abs. 1 VwGO, 709 ZPO. Bei der Höhe der Sicherheitsleistung ging die Kammer neben einer überschlägigen Berücksichtigung der vollstreckbaren gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten, allerdings ohne Heranziehung der Nr. 1008 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG, mangels anderer Anhaltspunkte davon aus, dass der Beklagten zur Umsetzung der durch das Urteil ausgesprochenen Unterlassungsverpflichtungen keine nennenswerten Kosten entstehen.
81 
Die Androhung des Ordnungsgeldes beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 890 Abs. 1 und 2 ZPO (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.01.1995 - 10 S 488/94 -, VBlBW 1995, 191). Die Kammer geht aufgrund der Regelung in § 172 VwGO, der für die dort genannten Fälle der Vollstreckung gegen eine Behörde die Festsetzung eines Zwangsgeldes bis 10.000,00 EUR ermöglicht, davon aus, dass auch für die Vollstreckung nach § 167 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 890 Abs. 1 und 2 ZPO die Androhung eines Ordnungsgeldes gleicher Höhe in der Regel ausreicht.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) In der Berufungsinstanz ist über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf Antrag vorab zu entscheiden. Die Entscheidung kann ohne mündliche Verhandlung ergehen; § 128 Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.

(2) Eine Anfechtung der in der Berufungsinstanz über die vorläufige Vollstreckbarkeit erlassenen Entscheidung findet nicht statt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) In der Berufungsinstanz ist über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf Antrag vorab zu entscheiden. Die Entscheidung kann ohne mündliche Verhandlung ergehen; § 128 Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.

(2) Eine Anfechtung der in der Berufungsinstanz über die vorläufige Vollstreckbarkeit erlassenen Entscheidung findet nicht statt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) In der Berufungsinstanz ist über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf Antrag vorab zu entscheiden. Die Entscheidung kann ohne mündliche Verhandlung ergehen; § 128 Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.

(2) Eine Anfechtung der in der Berufungsinstanz über die vorläufige Vollstreckbarkeit erlassenen Entscheidung findet nicht statt.

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen,

1. insbesondere in Veröffentlichungen, Presseerklärungen und auf der Homepage folgende Äußerungen zu tätigen:

a. Ulm ist das Bollwerk für Stuttgart 21.

b. Ohne Stuttgart 21 endet die Neubaustrecke von Ulm kommend in Wendlingen sprichwörtlich auf dem Acker.

c. auf der Magistrale für Europa von Paris nach Budapest ….. sind alternative Linienführungen, beispielsweise über Frankfurt und Ingolstadt nach München, durchaus denkbar ….. Anstatt in das europäische Netz integriert zu werden, würden große Teile Baden-Württembergs somit abgehängt.

d. Es wäre ein Schildbürgerstreich, wenn Baden-Württemberg … auf das Geld von Bund und Bahn verzichten würde.

e. Ein Scheitern von Stuttgart 21 und der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm würde die parlamentarische Demokratie auf den Kopf stellen.

f. Zehntausende Bürgerinnen und Bürger sprechen sich mittlerweile lautstark dagegen aus, obwohl viele erkennbar nicht ausreichend informiert sind.

2. a. an Fassaden und sonstigen Flächen ihrer Gebäude kundzutun:

Allerhöchste Eisenbahn!

JA!

Unsere Zukunft braucht die ICE-Strecke mit Stuttgart 21

b) auf ihren Internetseiten durch Banner oder sonstige entsprechende Gestaltungselemente zu verlautbaren:

Allerhöchste Eisenbahn! JA zur Bahnstrecke und zu S21.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 4.500 Euro vorläufig vollstreckbar.

Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die unter Ziffern 1 und 2 ausgesprochenen Unterlassungsverpflichtungen wird der Beklagten ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 10.000,00 Euro angedroht.

Tatbestand

 
Die Kläger, Pflichtmitglieder bei der Beklagten, nehmen diese auf die Unterlassung von Äußerungen im Zusammenhang mit dem Bahnprojekt „Stuttgart 21/Neubaustrecke Wendlingen-Ulm“ in Anspruch.
In einer gemeinsamen Herbstveranstaltung der Beklagten mit der Augsburger IHK äußerte der Präsident der Beklagten - wiedergegeben u.a. in der „Neu-Ulmer Zeitung“ und der „Augsburger Allgemeinen“ - „Ulm ist das Bollwerk für Stuttgart 21“.
In einer Entschließung der Vollversammlung der Beklagten zum Bahnprojekt Stuttgart 21/Neubaustrecke Wendlingen-Ulm und in einer Stellungnahme der Beklagten im Rahmen ihrer Presse- und Öffentlichkeitsarbeit vom 17.09.2010 (Presse- und Öffentlichkeitsarbeit) „IHKs: Wir brauchen die unverzügliche und konsequente Umsetzung des Gesamtprojekts Stuttgart 21/Neubaustrecke Wendlingen-Ulm“, die auch in die Homepage der Beklagten eingestellt ist, sowie in einer Stellungnahme „Standortpolitik - Argumente für Stuttgart 21 - Warum unsere Firma für das Bahnprojekt ist“, ebenfalls über die Homepage der Beklagten abrufbar, findet sich jeweils die Wendung „… (Denn) ohne Stuttgart 21 endet die Neubaustrecke von Ulm kommend in Wendlingen sprichwörtlich auf dem Acker…“.
In der erwähnten Stellungnahme der Beklagten vom 17.09.2010 findet sich ferner die Wendung „Die Relation Stuttgart-Ulm ist ein wichtiges Teilstück auf der Magistrale für Europa von Paris nach Budapest. Auf dieser Achse sind alternative Linienführungen, beispielsweise über Frankfurt und Ingolstadt nach München, durchaus denkbar. Aus diesem Grund besteht die berechtigte Sorge, dass bei einem Scheitern von Stuttgart 21 auch die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm gestrichen werden könnte und alternative Routen gesucht werden. Anstatt in das europäische Netz integriert zu werden, würden große Teile Baden-Württembergs somit abgehängt.“
In der ebenfalls erwähnten Stellungnahme „Standortpolitik - Argumente für Stuttgart 21 - Warum unsere Firma für das Bahnprojekt ist“ ist ferner der Satz zu finden: „Und es wäre ein Schildbürgerstreich, wenn Baden-Württemberg, das viele Milliarden in den Länderfinanzausgleich einzahlt, auf das Geld von Bund und Bahn verzichten würde und damit auf ein für Baden-Württemberg zentrales Zukunftsprojekt.“
Unter der Rubrik „Standortpolitik“ findet sich eine Äußerung der Beklagten zu „Auswirkungen des Bahnprojekts Stuttgart 21/Neubaustrecke Wendlingen-Ulm auf die Erreichbarkeit und die Wirtschaft der einzelnen Kreise in Baden-Württemberg, in der u.a. ausgeführt ist „… ein Scheitern von Stuttgart 21 und der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm würde die parlamentarische Demokratie auf den Kopf stellen“.
In einem Beitrag auf der Homepage der Beklagten zu dem Thema „Argumente der Gegner“ „Sind die Gegenargumente korrekt?“ ist einleitend ausgeführt: „Umweltschützer, Bürgerinitiativen und Politiker der Grünen laufen Sturm gegen das Projekt. Zehntausende Bürgerinnen und Bürger sprechen sich mittlerweile lautstark dagegen aus, obwohl viele erkennbar nicht ausreichend informiert sind.“
Am Verwaltungsgebäude der Beklagten ist ein farbiges, ca. 100 m² großes Plakat angebracht, das u.a. die Worte „Allerhöchste Eisenbahn!“, das Bild des vorderen Teils eines ICE und darunter die Worte „JA!“ „Unsere Zukunft braucht die ICE-Strecke mit Stuttgart 21“, ferner den Hinweis „www.....de“ enthält.
Die Homepage und die Internetseite der Beklagten enthalten ein Banner (beschriftetes Werbebild), das wie das Plakat am Verwaltungsgebäude der Beklagten den vorderen Teil eines ICE enthält, ferner neben dem Logo der Beklagten die Worte „Allerhöchste Eisenbahn! JA zur Bahnstrecke und zu S 21“.
10 
Am 18.11.2010 forderte der Prozessbevollmächtigte der Kläger die Beklagte zur Abgabe von Unterlassungserklärungen im Zusammenhang u.a. mit den genannten Äußerungen der Beklagten auf.
11 
Die Beklagte lehnte die Abgabe von Unterlassungserklärungen mit Schriftsatz vom 29.11.2010 ab.
12 
Am 17.12.2010 haben die Kläger Klage erhoben. Hierzu wird u.a. ausgeführt: Es sei nicht ersichtlich, ob überhaupt und auf welche Weise die Vollversammlung der Beklagten das Gesamtinteresse aller Mitglieder ermittelt und wie sie deren divergierende Interessen sachgerecht gegeneinander abgewogen, ausgeglichen und damit ihre satzungsmäßige Aufgabe wahrgenommen habe. Nach den den Klägern zugänglichen Unterlagen und Einlassungen der Beklagten habe eine solche Abwägung und Ausgleichung nicht stattgefunden. Der Tiefbahnhof in Stuttgart wirke sich nicht auf die gewerbliche Wirtschaft im Bezirk der Beklagten aus. Auch hinsichtlich der Neubaustrecke Stuttgart-Wendlingen-Ulm seien konkrete positive verkehrs- oder arbeitsmarktpolitische Auswirkungen auf Ulm/Biberach/Alb-Donau nicht gegeben oder aber unabhängig von der Trassenführung im Wesentlichen auch bei anderen Varianten wie dem Konzept „K 21“ ebenso gegeben und von der Beklagten in eine Abwägung und Ausgleichung einzustellen. Auch dies unterbleibe. Folglich seien bereits die Entschließungen der Vollversammlung der Beklagten nicht von ihrer Aufgabe umfasst und verletzten den Anspruch der Kläger auf Tätigwerden der Beklagten innerhalb der gesetzlichen Grenzen, weil nur allgemeinpolitische Aussagen getroffen würden.
13 
Die Äußerung, „Ulm ist das Bollwerk für Stuttgart 21“ sei polemisch und allgemeinpolitisch. Sie verletze die Grundsätze höchstmöglicher Objektivität und solle emotionalisieren. Eine Abwägung enthalte sie bewusst nicht, sondern ziele nach der expliziten Einlassung des Präsidenten der Beklagten im Interview vom 03.12.2010 darauf ab, „die Projektgegner im Mark zu treffen“.
14 
Bei der Äußerung, „Ohne Stuttgart 21 endet die Neubaustrecke von Ulm kommend in Wendlingen sprichwörtlich auf dem Acker…“ handele es sich um reine Polemik und eine absolut unsachliche Aussage. Bei der Schaffung der Schnellbahntrasse 1988 entlang der Autobahn habe u.a. Prof. G. H. in keiner Weise an das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 (Durchgangs-Tiefbahnhof) gedacht, sondern die Strecke für den (damals wie heute) bestehenden (Kopf-)Bahnhof projektiert.
15 
Bei der Äußerung in dem Bericht der Beklagten vom 17.09.2010 „Auf der Magistrale für Europa von Paris nach Budapest … sind alternative Linienführungen, beispielsweise über Frankfurt und Ingolstadt nach München, durchaus denkbar … Anstatt in das europäische Netz integriert zu werden, würden große Teile Baden-Württembergs somit abgehängt“ sei keine Abwägung vorgenommen worden und werde einseitig verallgemeinert. Insbesondere müsste die Beklagte hier, um dem Gebot größtmöglicher Zurückhaltung und Objektivität zu entsprechen, mit ausführen, dass „diese alternativen Linienführungen auch die Umfahrung weiterer Zentren wie Straßburg, Stuttgart und Augsburg und damit einen Umweg von über 100 hm darstellen würde“.
16 
Die von der Beklagten verwendete Wendung „Es wäre ein Schildbürgerstreich, wenn Baden-Württemberg … auf das Geld von Bund und Bahn verzichten würde“ sei polemisch, allgemeinpolitisch, ohne Bezug zur Wirtschaft in der Region und solle Emotionen schüren. Was Baden-Württemberg tue und lasse entscheide das Volk, dessen Willen Politiker umsetzten. Die Beklagte sei daran kraft ihrer Aufgabe nicht beteiligt. Belange der gewerblichen Wirtschaft seien nicht betroffen.
17 
Bei der von der Beklagten in „Auswirkungen des Bahnprojekts auf die Erreichbarkeit und die Wirtschaft der einzelnen Kreise in Baden-Württemberg“ enthaltenen Wendung „Ein Scheitern von Stuttgart 21 und der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm würde die parlamentarische Demokratie auf den Kopf stellen“ gehe es eindeutig nicht um Auswirkungen auf die Wirtschaft der Region, sondern um eine allgemeinpolitische Thematik, ja Polemik. Eine IHK sei nicht berufen, Argumente zum Schutz der Demokratie zu veröffentlichen.
18 
Ebenso allgemeinpolitisch, polemisch, Bürgerinnen und Bürger diffamierend und falsch, vor allem ohne jeden Bezug zur Wirtschaft sei die in „Argumente der Gegner - sind die Gegenargumente korrekt?“ enthaltene Wendung „Zehntausende Bürgerinnen und Bürger sprechen sich mittlerweile lautstark dagegen aus, obwohl viele erkennbar nicht ausreichend informiert sind“.
19 
Die Befestigung des Plakats „Allerhöchste Eisenbahn! Ja! Unsere Zukunft braucht die ICE-Strecke mit Stuttgart 21“ unter Angabe der Internetseite der Beklagten an der Fassade deren Gebäudes verstoße gegen das Gebot der höchstmöglichen Objektivität und notwendigen Sachlichkeit sowie Zurückhaltung.
20 
Zuletzt stelle das von der Beklagten im Internet verwendete Banner ein Höchstmaß an „Nicht-Zurückhaltung“ und einseitiger Interessenwahrnehmung dar. Es sei keinerlei Abwägung vorgenommen worden und erkennbar, sondern emotionalisierte Konfliktaustragung. Zudem sei es nicht von der Entschließung der Vollversammlung der Beklagten gedeckt.
21 
Die Kläger beantragen:
22 
1. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, insbesondere in Veröffentlichungen, Presseerklärungen und auf der Homepage folgende Äußerungen zu tätigen:
23 
a. Ulm ist das Bollwerk für Stuttgart 21.
24 
b. Ohne Stuttgart 21 endet die Neubaustrecke von Ulm kommend in Wendlingen sprichwörtlich auf dem Acker.
25 
c. auf der Magistrale für Europa von Paris nach Budapest … sind alternative Linienführungen, beispielsweise über Frankfurt und Ingolstadt nach München, durchaus denkbar … Anstatt in das europäische Netz integriert zu werden, würden große Teile Baden-Württembergs somit abgehängt.
26 
d. Es wäre ein Schildbürgerstreich, wenn Baden-Württemberg … auf das Geld von Bund und Bahn verzichten würde.
27 
e. Ein Scheitern von Stuttgart 21 und der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm würde die parlamentarische Demokratie auf den Kopf stellen.
28 
f. Zehntausende Bürgerinnen und Bürger sprechen sich mittlerweile lautstark dagegen aus, obwohl viele erkennbar nicht ausreichend informiert sind.
29 
Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird der Beklagten ein Zwangsgeld in Höhe von bis zu EUR 10.000,00 angedroht.
30 
2. Die Beklagte wird des weiteren verurteilt, es zu unterlassen,
31 
a. an Fassaden und sonstigen Flächen ihrer Gebäude kundzutun:
32 
Allerhöchste Eisenbahn!
JA!     
Unsere Zukunft braucht die ICE-Strecke mit Stuttgart 21
33 
b. auf ihren Internetseiten durch Banner oder sonstige entsprechende Gestaltungselemente zu verlautbaren:
34 
Allerhöchste Eisenbahn! JA zur Bahnstrecke und zu S21
35 
Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird der Beklagten ein Zwangsgeld in Höhe von bis zu EUR 10.000,00 angedroht.
36 
Die Beklagte beantragt,
37 
die Klage abzuweisen.
38 
Hierzu wird u.a. ausgeführt: In einem Beschluss im schriftlichen Verfahren über die Entschließung zum Bahnprojekt Stuttgart 21/Neubaustrecke Wendlingen-Ulm hätten sich von den 55 Mitgliedern der Vollversammlung bis zur Rückmeldefrist am 14.09.2010 46 Mitglieder beteiligt und der Entschließung einstimmig zugestimmt. Die Vollversammlung der Beklagten fordere in der Entschließung u.a. die unverzügliche und konsequente Umsetzung des Gesamtprojekts Stuttgart 21/Neubaustrecke Wendlingen-Ulm. Präsident und Hauptgeschäftsführer würden gebeten, diese Forderung mit großem Nachdruck zu vertreten und durch entsprechende Aktivitäten wie Veranstaltungen, Pressearbeit etc. zu verbreiten. In der Entschließung werde dargelegt, welche Bedeutung das Gesamtprojekt für die Gewerbetreibenden des Bezirks der Beklagten habe und es werde u.a. auch auf alternative Konzepte zu Stuttgart 21 wie beispielsweise das von den Gegnern favorisierte Modell Kopfbahnhof 21 eingegangen. Die Entschließung enthalte von den Klägern beanstandete und in verkürzter Form wiedergegebene Äußerungen:
39 
„Stuttgart 21 und die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm sind als untrennbares Gesamtprojekt zu betrachten. Denn ohne Stuttgart 21 endet die Neubaustrecke von Ulm kommend in Wendlingen sprichwörtlich auf dem Acker. Erst durch die Tieferlegung und Drehung des Stuttgarter Hauptbahnhofes wird eine neue Trassenführung über die Fildern ermöglicht, welche in Wendlingen an die Neubaustrecke anschließt. Stuttgart 21 stellt somit auch mehr als die bloße Umgestaltung des Stuttgarter Hauptbahnhofes dar. Mit Stuttgart 21 wird der Flughafen Stuttgart in die Verbindungstrasse Ulm-Stuttgart integriert.
40 
Alternative Konzepte zu Stuttgart 21 wurden vielfach geprüft. Das von den Gegnern forcierte Modell Kopfbahnhof 21 …
41 
Die Relation Stuttgart-Ulm ist ein wichtiges Teilstück auf der Magistrale für Europa von Paris nach Budapest. Auf dieser Achse sind alternative Linienführungen, z.B. über Frankfurt und Ingolstadt nach München, durchaus denkbar. Aus diesem Grund besteht die berechtigte Sorge, dass bei einem Scheitern von Stuttgart 21 auch die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm gestrichen werden könnte und alternative Routen gesucht werden. Anstatt in das europäische Netz integriert zu werden, würden große Teile Baden-Württembergs somit abgehängt.“
42 
Das Bahnprojekt Stuttgart 21/Neubaustrecke Wendlingen-Ulm sei ferner Gegenstand der Sitzung der Vollversammlung der Beklagten am 14.10.2010 gewesen. Folgender Beschlussvorschlag sei nach Aussprache bzw. Diskussion einstimmig angenommen worden:
43 
„Die Verwirklichung des Gesamtprojekts Stuttgart 21 und der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm liegt nach Abwägung aller Interessen eindeutig im Gesamtinteresse der regionalen Wirtschaft der IHK-Region Ulm. Deshalb sollen weitere Maßnahmen unterstützt werden, die diesem Gesamtinteresse zur Durchsetzung verhelfen. Zur weiteren Begründung wird auf die Entschließung vom 14.09.2010 verwiesen, …
44 
Nach den vorliegenden Erkenntnissen hat ein Teil der Bevölkerung unzureichende Informationen über das Gesamtprojekt. Derzeitig mangelt es an deutlichen Signalen der Befürworter. Vor diesem Hintergrund sollten Aktivitäten wie Anzeigen, großflächige Bannerwerbung oder auch gesponserte Fernsehbeiträge im Regio TV initiiert werden.
45 
46 
Vor allem sollen Anzeigen und Flyer finanziert werden, die ein positives Bekenntnis zu diesem Gesamtprojekt artikulieren.“
47 
Aufgrund der Beschlüsse der Vollversammlung habe der Präsident der Beklagten in einer gemeinsamen Herbstveranstaltung mit der Augsburger IHK u.a. die Äußerung „Ulm ist das Bollwerk für Stuttgart 21“ getroffen. Auf der Grundlage der Beschlüsse der Vollversammlung habe das Hauptamt diverse Unterlagen zum Bahnprojekt Stuttgart 21/Neubaustrecke Wendlingen-Ulm auf der Homepage der Beklagten eingestellt. Dort finde sich zudem eine fünfseitige Begründung der aus Sicht der Wirtschaft des Bezirks der Beklagten für das Bahnprojekt sprechenden Argumente. In der Vollversammlung am 14.10.2010 sei angeregt worden, dass die Beklagte Argumentationshilfen für Mitgliedsunternehmen zur Verfügung stellen könne, um die Belegschaft für das Bahnprojekt zu gewinnen. Schließlich habe die Vollversammlung das Hauptamt der Beklagten mit dem in der Sitzung gefassten Beschluss ausdrücklich aufgefordert, Aktivitäten zur Unterstützung des Bahnprojekts zu initiieren. Auf der Grundlage der Beschlüsse der Vollversammlung seien das Plakat an der Fassade des Gebäudes der Beklagten und das Banner in ihrer Homepage angebracht bzw. eingestellt worden.
48 
Da das Gesamtprojekt Stuttgart 21/Neubaustrecke Wendlingen-Ulm einen der Kernbereiche der Tätigkeit der Beklagten betreffe, dürfe sie sich damit auseinandersetzen und sich dazu äußern. Die beiden Teilprojektive Stuttgart 21 und die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm seien untrennbar miteinander verknüpft. Das Gesamtprojekt betreffe die Verkehrsinfrastruktur, die unmittelbare nachvollziehbare positive Auswirkungen auf die gewerbliche Wirtschaft des Bezirks der Beklagten habe. Die Fahrzeit im Fernverkehr zwischen Stuttgart und Ulm reduziere sich von 54 auf 28 Minuten. Flughafen und Landesmesse würden an die Strecke nach Ulm angebunden und seien von Ulm in 24 statt bisher 91 Minuten erreichbar. Unmittelbare positive Auswirkungen auf die gewerbliche Wirtschaft des Bezirks der Beklagten ergäben sich ferner daraus, dass die Unternehmen im Bezirk von der mehrjährigen Bauphase mittelbar und unmittelbar profitieren könnten. Das Gesamtprojektiv schaffe ein Investitionsvolumen von ca. 7 Milliarden Euro. Über die Bauphase hinaus sei dauerhaft mit einer Steigerung der Wirtschaftskraft des Bezirks und weit darüber hinaus zu rechnen. Für Baden-Württemberg werde insgesamt von einem Brutto-Wertschöpfungseffekt von rund 440 - 530 Millionen Euro pro Jahr gerechnet. Damit bestehe die Chance, Arbeitsplätze im Bezirk zu schaffen. Das Projekt betreffe daher unmittelbar die Verkehrspolitik und die Arbeitsmarktpolitik, letztlich aber die gesamte regionale Infrastruktur und damit die Sicherung und Verbesserung des Wirtschaftsstandortes insgesamt im Bezirk der Beklagten. Die von den Klägern beanstandeten Äußerungen einschließlich Plakat und Banner bezögen sich sämtlich auf die Unterstützung des Gesamtprojekts. Es handele sich um einzelne Aspekte der aus der Sicht der Beklagten für das Gesamtprojekt sprechenden Gründe. Entgegen der Darstellungen der Kläger dürften die Äußerungen nicht aus dem Gesamtzusammenhang gerissen werden.
49 
Es könne der Beklagten nicht verwehrt sein, die für das Projekt sprechenden Argumente zusammenzustellen. Dies gelte auch für das beanstandete, dass ein Scheitern des Gesamtprojekts die parlamentarische Demokratie auf den Kopf stellen würde. Die Beklagte dürfe sich auch an Adressaten außerhalb ihres Bezirks wenden, um etwa auf wirtschaftspolitische Entscheidungen auf Landes- oder Bundesebene einzuwirken. Für die Wirtschaft sei es von grundlegender Bedeutung, dass in einem demokratischen Prozess beschlossene Vorhaben mit verbindlichen Finanzierungsvereinbarungen auch realisiert würden. Aus dem Gesamtzusammenhang der Äußerungen der Beklagten ergebe sich, dass gerade die Realisierung des Gesamtprojekts von elementarer Bedeutung für die gewerbliche Wirtschaft ihres Bezirks sei. Der Text auf dem Plakat am Gebäude der Beklagten fasse nur die aus ihrer Sicht für das Gesamtprojekt sprechenden Argumente zusammen und verweise zudem auf die Homepage mit einer Vielzahl von Dokumenten mit für und gegen das Gesamtprojekt sprechenden Argumenten. Dies gelte erst recht für das Banner auf der Homepage.
50 
Die Äußerungen der Beklagten wahrten die erforderliche Objektivität. Eine Äußerung genüge nicht erst dann dem höchstmöglichen Maß an Objektivität, wenn sie sämtliche für und gegen ein Vorhaben sprechenden Interessen und Rechtspositionen i.S. einer allgemeinpolitischen, dem Gemeinwohl verpflichteten Diskussion oder gar in Form eines Planfeststellungsbeschlusses nachvollziehe. Die Forderung, ein planfestgestelltes Vorhaben umzusetzen, wahre in jedem Fall die gebotene Objektivität. Eine Verpflichtung der Beklagten, die im Rahmen des sogenannten Schlichtungsverfahrens von den Gegnern des Bahnprojekts genannten Argumente einzubeziehen, bestehe nicht.
51 
Die Beklagte habe sich mit den gegen das Gesamtprojekt vorgebrachten Argumenten, insbesondere mit dem von den Gegnern des Bahnprojekts Stuttgart 21 favorisierten Modell Kopfbahnhof 21 sowohl in der im schriftlichen Verfahren beschlossenen Entschließung der Vollversammlung und dem Beschluss der Vollversammlung vom 14.10.2010 als auch in den in die Homepage der Beklagten eingestellten Dokumenten auseinandergesetzt. Habe die Beklagte festgestellt, dass die Realisierung eines Vorhabens im gesamtwirtschaftlichen Interesse der Gewerbetreibenden ihres Bezirks liege, müsse es ihr möglich sein, dieses Ergebnis auf einem Plakat bzw. einem Internetbanner zu vertreten.
52 
Ob eine Äußerung der Industrie- und Handelskammer das höchstmögliche Maß an Objektivität walten lasse, könne nur aus dem Kontext einer Forderung oder Äußerung beurteilt werden. Daher müsse insoweit auch die Begründung mit herangezogen werden. Letzteres gelte auch bei der Beurteilung des „Wie“ der Äußerung. Ob eine Aussage polemisch überspitzt oder auf emotionalisierte Konfliktaustragung angelegt sei, erschließe sich nicht nur aus der Äußerung selbst, die aus dem Gesamtzusammenhang gerissen sei, vielmehr müsse die Äußerung in ihrem Kontext bewertet werden. Nach diesem Maßstab seien die Äußerungen der Beklagten nicht zu beanstanden.
53 
Bei der von den Klägern beanstandeten Äußerung, Ulm sei das Bollwerk für Stuttgart 21, handele es sich um eine bildhafte Sprache, die nicht die erforderliche Objektivität vermissen lasse. Dasselbe gelte für die Äußerungen auf Plakat und Banner und auch bei den Begriffen „Auf dem Acker enden“, „Schildbürgerstreich“ und „Auf den Kopf stellen“ handele es sich um eine bildhafte, nicht zu beanstandende Sprache.
54 
Die von der Beklagten zum Ausdruck gebrachte Befürchtung, die Magistrale für Europa könne an Ulm vorbeigeführt werden, wahre die erforderliche Objektivität. Gleiches gelte für die Äußerung, ohne das Teilprojekt Stuttgart 21 würde die Neubaustrecke von Ulm kommend in Wendlingen sprichwörtlich auf dem Acker enden. Dies entspreche der Realität, da die Neubaustrecke in Wendlingen ohne das Teilprojekt Stuttgart 21 keinen direkten Anschluss an den Flughafen Stuttgart bzw. die Landesmesse sowie den Hauptbahnhof Stuttgart hätte. Gleiches gelte für die Äußerung, es wäre ein Schildbürgerstreich, wenn Baden-Württemberg auf das Geld von Bund und Bahn verzichten würde, da es in diesem Fall in Bahnprojekte in andere Bundesländer fließen würde. Auch dies entspreche der Realität. Letzteres gelte auch für die Aussage, dass ein Scheitern des Bahnprojekts Stuttgart 21/Neubaustrecke Wendlingen-Ulm die parlamentarische Demokratie auf den Kopf stellen würde.
55 
Unerfindlich sei, was an dem Satz „Zehntausende Bürgerinnen und Bürger sprechen sich mittlerweile lautstark dagegen aus, obwohl viele erkennbar nicht ausreichend informiert sind“, unzutreffend, polemisierend oder nicht objektiv sein solle. Die Aussage sei zutreffend.
56 
Nachdem die Vollversammlung der Beklagten im schriftlichen Verfahren im September 2010 und in der Sitzung am 14.10.2010 einstimmig beschlossen habe, das Bahnprojekt Stuttgart 21/Neubaustrecke Wendlingen-Ulm zu unterstützen, seien die Äußerungen der Beklagten unter Einhaltung des dafür vorgesehenen Verfahrens zustande gekommen. Der Auftrag der Vollversammlung sei durch Präsident und Hauptamt der Beklagten u.a. in Reden, Presseerklärungen, Dokumenten und dem Banner auf der Homepage sowie mittels des Plakats am Gebäude der Beklagten umgesetzt worden.
57 
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze und im Übrigen auf die der Kammer vorliegende Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
58 
Die Klage ist zulässig und begründet.
59 
Wird eine Industrie- und Handelskammer über die ihr zugewiesenen Aufgaben hinaus tätig, kann der einzelne Kammerzugehörige nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dem mit einer Unterlassungsklage entgegentreten (vgl. Urteil vom 21.07.1998 - 1 C 32.97 - BVerwGE 107, 169 <174 f.> m.w.N.; Urteil vom 19.09.2000 - 1 C 29/99 - BVerwGE 112, 69-78).
60 
Die Kläger haben einen Anspruch auf Unterlassung der von ihnen beanstandeten Äußerungen und Kundgaben der Beklagten, weil diese damit ihren gesetzlichen Aufgabenbereich überschreitet und folglich ohne die erforderliche Rechtsgrundlage in die durch Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz geschützte Position der Kläger eingreift.
61 
Prüfungsmaßstab für den Schutz gegen die Inanspruchnahme als Mitglied einer Zwangskorporation ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Art. 2 Abs. 1 GG (BVerwG, Urteil vom 23.06.2010 - 8 C 20/09 - BVerwGE 137, 171 ff. unter Hinweis auf BVerfG, Kammerbeschluss vom 07.12.2001 - 1 BvR 1806/98 - GewArch 2002, 111 ff. m.w.N.). Die Kläger haben als Pflichtmitglieder der Beklagten einen Anspruch darauf, dass die Beklagte bei ihrer Tätigkeit die ihr gesetzlich gesetzten Grenzen einhält. Denn die Pflichtzugehörigkeit zu dieser öffentlich-rechtlichen Körperschaft und der darin liegende Eingriff in das Grundrecht der Pflichtmitglieder aus Art. 2 Abs. 1 GG ggf. i.V.m. Art 19 Abs. 3 GG ist allein durch die - nach der maßgeblichen Einschätzung des Gesetzgebers - im öffentlichen Interesse liegende und deshalb notwendige Wahrnehmung dieser gesetzlichen Aufgaben gerechtfertigt (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.06.2010 a.a.O. unter Bezugnahme auf BVerfG, Beschluss vom 19.12.1962 - 1 BvR 541/57 - BVerfGE 15, 235 <242 f.>). Überschreitet eine Körperschaft, deren Errichtung am Maßstab des Art. 2 Abs. 1 GG zu messen ist und ihre verfassungsrechtliche Rechtfertigung im Wesentlichen in der Repräsentation der Interessen ihrer Mitglieder findet, ihren gesetzlichen Aufgabenbereich, greift sie ohne die erforderliche Rechtsgrundlage in dieses Grundrecht ein. Jeder der Körperschaft Zugehörige kann sich gegen eine derartige rechtswidrige Ausdehnung seiner Zwangsunterworfenheit wehren, ohne dass es darauf ankäme, ob er dadurch einen darüber hinausgehenden rechtlichen oder spürbaren faktischen Nachteil erleidet (BVerwG, Urteil vom 19.09.2000 a.a.O.).
62 
Ausgangspunkt der Prüfung, ob die Beklagte sich bei ihren Kundgaben und Äußerungen zum Bahnprojekt Stuttgart 21/Neubaustrecke Wendlingen - Ulm im Rahmen der ihr zugewiesenen Aufgaben gehalten hat, ist § 1 Abs. 1 IHKG. Danach haben die Kammern die Aufgabe, das Gesamtinteresse der ihnen zugehörigen Gewerbetreibenden ihres Bezirks wahrzunehmen, für die Förderung der gewerblichen Wirtschaft zu wirken und dabei die wirtschaftlichen Interessen einzelner Gewerbezweige oder Betriebe abwägend und ausgleichend zu berücksichtigen. Dabei obliegt es ihnen insbesondere, durch Vorschläge, Gutachten und Berichte die Behörden zu unterstützen und zu beraten sowie für die Wahrung von Anstand und Sitte des ehrbaren Kaufmanns zu wirken.
63 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich die Kammer anschließt, lässt sich diese Aufgabe als auf den Kammerbezirk bezogene Vertretung der Interessen der gewerblichen Wirtschaft im weitesten Sinn umschreiben. Da sehr viele öffentliche und staatliche Aufgaben die gewerbliche Wirtschaft berühren, ist diese Aufgabe kaum exakt eingrenzbar. Selbst dort, wo Belange der gewerblichen Wirtschaft nur am Rande berührt sind, ist es den Industrie- und Handelskammern grundsätzlich gestattet, das durch sie repräsentierte Gesamtinteresse zur Geltung zu bringen. Auch in diesen Randbereichen ist die Kompetenz der Industrie- und Handelskammer gegenüber dem Kernbereich nicht eingeschränkt. Abzugrenzen ist allerdings, was noch zum Randbereich einer zulässigen Betätigung der Industrie- und Handelskammern gehört und wo dieser Bereich verlassen wird, weil es sich um allgemeinpolitische Fragen handelt (BVerwG, Urteil vom 23.06.2010 a.a.O.; Urteil vom 19.09.2000 a.a.O. Rn. 24, 30).
64 
Belange der gewerblichen Wirtschaft werden nur dann wahrgenommen, wenn die Äußerung der Industrie- und Handelskammer sich auf einen Sachverhalt bezieht, der nachvollziehbare Auswirkungen auf die Wirtschaft im Bezirk der Industrie- und Handelskammer hat. Da eine Industrie- und Handelskammer jeweils nur die Interessen der ihr zugehörigen Gewerbetreibenden ihres Bezirks wahrnehmen darf, muss sich auch der Sachverhalt, zu dem sie sich äußert, auf die gewerbliche Wirtschaft im eigenen Bezirk konkret erkennbar auswirken. Das schließt aber nicht aus, dass sich die Kammer an Adressaten außerhalb dieses Bezirks wendet, um z.B. auf wirtschaftspolitische Entscheidungen auf Landes- oder Bundesebene einzuwirken (BVerwG, Urteil vom 23.06.2010 a.a.O. Rn. 31).
65 
Sämtliche von den Klägern angegriffenen Kundgaben und Äußerungen der Beklagten betreffen zwar - entgegen der schriftsätzlich dargelegten Auffassung der Kläger - deren Kompetenzbereich. Denn von dem Gesamtprojekt Stuttgart 21/Neubaustrecke Wendlingen - Ulm, auf die sich die Kundgaben und Äußerungen der Beklagten beziehen, ist die Verkehrspolitik betroffen. Diese wiederum hat im Hinblick auf die zeitlich erheblich verkürzte Anbindung des Bezirks der Beklagten an den Flughafen, die Landesmesse und Hauptbahnhof Stuttgart Auswirkungen auf die gewerbliche Wirtschaft auch im Bezirk der Beklagten.
66 
Ist thematisch der Kompetenzbereich der Beklagten eröffnet, und damit die Frage, ob sie sich zu dem Gesamtprojekt Stuttgart 21/Neubaustrecke Wendlingen - Ulm äußern darf, bejaht, ist jedoch bei der Form, die sie dabei zu wahren hat, sozusagen dem "Wie" der Äußerung, zu beachten, dass die Industrie- und Handelskammern als öffentlich-rechtliche Körperschaften öffentliche Aufgaben wahrnehmen. Daraus ergibt sich eine generelle Beschränkung ihrer Tätigkeit im Vergleich zu Interessenverbänden und politischen Parteien, weil die den Industrie- und Handelskammern übertragene Aufgabe der Vertretung der gewerblichen Wirtschaft gegenüber dem Staat keine reine Interessenvertretung darstellt. Die Industrie- und Handelskammern müssen stets auf das Gesamtinteresse der gewerblichen Wirtschaft ausgerichtet sein, dürfen die wirtschaftlichen Interessen einzelner Gewerbezweige oder Betriebe lediglich abwägend und ausgleichend berücksichtigen und müssen als öffentlich-rechtliche Selbstverwaltungskörperschaft das höchstmögliche Maß an Objektivität walten lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.06.2010 a.a.O. Rn. 32 unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 19.12.1962 - 1 BvR 541/57 - BVerfGE 15, 235 <241>).
67 
Das setzt voraus, dass die Äußerungen der Industrie- und Handelskammern sachlich sind und die notwendige Zurückhaltung wahren. Damit sind nicht nur Anforderungen an die Formulierung gestellt, was polemisch überspitzte oder auf emotionalisierte Konfliktaustragung angelegte Aussagen ausschließt; die notwendige Objektivität verlangt auch eine Argumentation mit sachbezogenen Kriterien und gegebenenfalls die Darstellung von Minderheitenpositionen. Da das Gesamtinteresse der gewerblichen Wirtschaft Bezugspunkt der Aufgabenwahrnehmung ist und dies eine Abwägung der wirtschaftlichen Interessen der einzelnen Gewerbezweige erfordert, muss eine Äußerung, die zu besonders umstrittenen Themen erfolgt, auch diese Abwägung erkennen lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.06.2010 a.a.O. Rn. 33). Dieses von den Industrie- und Handelskammern gemäß § 1 Abs. 1 IHKG wahrzunehmende Gesamtinteresse ihrer Mitglieder muss unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Interessen einzelner Gewerbezweige oder Betriebe abwägend und ausgleichend ermittelt werden. Es ist ein gewichtetes Ergebnis und damit weder eine Summe oder Potenzierung der Einzelinteressen noch ihr kleinster gemeinsamer Nenner (vgl. hierzu insges. BVerwG, Urteil vom 23.06.2010 a.a.O. Rn. 34).
68 
Erklärungen und Stellungnahmen der Industrie- und Handelskammern sind zudem nur dann zulässig, wenn sie unter Einhaltung des dafür vorgesehenen Verfahrens zustande gekommen sind. Denn die Pflichtmitgliedschaft der Gewerbetreibenden in der Industrie- und Handelskammer ist nur gerechtfertigt, wenn die Kammer das durch das vorgegebene Verfahren legitimierte Gesamtinteresse wahrnimmt. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 IHKG beschließt über die Angelegenheiten der Industrie- und Handelskammer die Vollversammlung, soweit nicht die Satzung etwas anderes bestimmt. Dabei kann, wie in § 3 Abs. 2 der Satzung der Beklagten geschehen, der Vollversammlung die Bestimmung der Richtlinien der Kammerarbeit und die Beschlussfassung über alle Fragen von grundsätzlicher Bedeutung vorbehalten bleiben und darauf basierend die Entscheidung über Einzelfragen delegiert werden. Eine grundsätzliche Festlegung muss aber auf jeden Fall durch die Vollversammlung erfolgen (vgl. hierzu insges. BVerwG, Urteil vom 23.06.2010 a.a.O. Rn. 35).
69 
Die von den Klägern angegriffenen Äußerungen und Kundgaben der Beklagten sind ungeachtet von Verfahrensfragen bereits deswegen rechtswidrig, weil sie als solche auch unter Berücksichtigung des Kontextes, in dem sie stehen, oder ihrer Begründung (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.06.2010 a.a.O. Rn. 40), nicht das höchstmögliche Maß an Objektivität und die notwendige Sachlichkeit wahren. Sie gehen über eine bildhafte Sprache hinaus. Die von den Klägern beanstandeten Äußerungen und Kundgaben mögen einer reinen Interessenvertretung zustehen, den als öffentlich-rechtliche Körperschaften organisierten Industrie- und Handelskammern wie der Beklagten aber nicht (wie BVerwG, Urteil vom 23.06.2010 a.a.O.).
70 
Im einzelnen gilt das Folgende:
71 
Die unter Ziffer 1 a des Klagantrags beanstandete Äußerung des Präsidenten der Beklagten, „Ulm ist das Bollwerk für Stuttgart 21“, ist schon für sich betrachtet polemisch überspitzt und auf emotionale Konfliktaustragung angelegt, ohne dass der Frage nachzugehen ist, wie es einzuschätzen wäre, dass diese Äußerung, wie von den Klägern unwidersprochen vorgetragen, auch im Zusammenhang mit der weiteren Aussage des Präsidenten gefallen sein soll „… das trifft ins Mark der Projektgegner“. Es handelt sich bei der Äußerung „Ulm ist das Bollwerk für Stuttgart 21“ nicht lediglich um eine bildhafte Sprache, wie die Beklagte meint. Nach Duden online hat ein Bollwerk u.a. die Bedeutung von Befestigung (früher) und Festung, Synonyme sind u.a. Bastei, Bastion, Befestigung, Befestigungsanlage, Befestigungswerk, Festung und Verteidigungsanlage. Die Verwendung eines Begriffs, der dem militärischen Sprachgebrauch entnommen ist, suggeriert aber die Bereitschaft zur Verteidigung des von der Beklagten befürworteten Projekts Stuttgart 21 durch ein Maß an Potenzial, das der Beklagten nach der gesetzlichen Aufgabenzuweisung jedoch nicht zukommt. Zudem wird der beschriebene Begriff „Bollwerk“ pauschal auf ganz Ulm erstreckt, ohne dass der Beklagten gesetzlich die Aufgabe zugewiesen ist, pauschal für die ganze Stadt oder ihre Bürger zu sprechen. Hinzu kommt, dass die Aussage apodiktisch eine Meinungsäußerung darstellt, ohne dabei eine Abwägung oder das Vorhandensein von Mindermeinungen erkennen zu lassen. Der Umstand, dass es sich um eine mündliche Äußerung gehandelt hat, ändert an dieser Einschätzung nichts. Die Anforderungen dafür zu verringern ist nicht möglich, weil die Kompetenzgrenzen der Beklagten für mündliche Äußerungen nicht weiter gezogen sind als sonst.
72 
Die unter Ziffer 1 b des Klageantrags angegriffene Äußerung „Ohne Stuttgart 21 endet die Neubaustrecke von Ulm kommend in Wendlingen sprichwörtlich auf dem Acker“ im Rahmen der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Beklagten, die sich auch in einer Äußerung zur „Standortpolitik“ wiederfindet, ist inhaltlich unzutreffend und damit unsachlich. Dabei ist nicht von Bedeutung, ob es ein mit der Äußerung in Bezug genommenes Sprichwort gibt. Durch die drastische Formulierung „auf dem Acker“ wird jedenfalls die Vorstellung hervorgerufen, dass die Neubaustrecke Wendlingen - Ulm ohne das Teilprojekt Stuttgart 21 nicht möglich und völlig nutzlos sei. Dies ist jedoch unzutreffend, weil für die Neubaustrecke auch ohne Anbindung an den Flughafen Stuttgart und die Landesmesse eine Einschleifung in die bisherige ICE-taugliche Trasse möglich ist. Auf eine direkte Anschlussmöglichkeit kommt es nicht an.
73 
Die beanstandete Äußerung „auf der Magistrale für Europa von Paris nach Budapest ….. sind alternative Linienführungen, beispielsweise über Frankfurt und Ingolstadt nach München, durchaus denkbar ….. Anstatt in das europäische Netz integriert zu werden, würden große Teile Baden-Württembergs somit abgehängt“ (Klageantrag 1 c) ist am Ende zu spekulativ und deswegen unsachlich, weil auch bei einer anderen Linienführung der Schnellbahntrasse nicht davon ausgegangen werden kann, dass große Teile Baden-Württembergs vom europäischen Schienennetz abgehängt werden. Die Äußerung, die entgegen der Auffassung der Beklagten nicht aus dem Zusammenhang gerissen entstellend verstanden werden kann, lässt damit auch das erforderliche Maß an Objektivität vermissen. Es ist nicht ersichtlich, dass bei einer Nichtverwirklichung der Neubaustrecke Wendlingen - Ulm die bisherige ICE - taugliche Bahnstrecke in Wegfall geriete.
74 
Die mit dem Klagantrag 1 d) angegriffene, in der Stellungnahme „Standortpolitik - Argumente für Stuttgart 21 - Warum unsere Firma für das Bahnprojekt ist“ enthaltene Wendung „Es wäre ein Schildbürgerstreich, wenn Baden-Württemberg … auf das Geld von Bund und Bahn verzichten würde“ wahrt nicht die der Beklagten obliegende Sachlichkeit. Denn der Begriff „Schildbürgerstreich“ hat eine abwertende Bedeutung. Mit ihm wird eine Handlung umschrieben, deren eigentlicher oder ursprünglicher Zweck in törichter Weise verfehlt wird (vgl. Duden online). „Die Schildbürger“ ist der Titel einer Sammlung von Streichen und Schwänken törichter Kleinbürger … (Meyers Großes Universallexikon). Der propagierte Verzicht des Landes Baden-Württemberg auf die für das Bahnprojekt bereitgestellten Finanzmittel von Bund und Bahn wird damit abwertend zumindest als töricht bezeichnet, was auch Relevanz für die Einschätzung der Gegner des Projekts hat. Der Kontext, in dem diese Äußerung steht, relativiert diese Einschätzung nicht. Dass die Kläger diese Äußerung der Beklagten aus dem Zusammenhang gerissen und dadurch entstellt haben, vermag die Kammer entgegen der Auffassung der Beklagten nicht festzustellen. Auch bezieht sich die angegriffene Äußerung auf ganz Baden-Württemberg und betrifft damit nicht mehr den Aufgabenbereich der Beklagten, nachdem keine Verknüpfung zu wirtschaftlichen Belangen speziell in ihrem Bezirk erkennbar ist.
75 
Die unter der Rubrik „Standortpolitik“ getätigte Äußerung der Beklagten zu „Auswirkungen des Bahnprojekts Stuttgart 21/Neubaustrecke Wendlingen-Ulm auf die Erreichbarkeit und die Wirtschaft der einzelnen Kreise in Baden-Württemberg, in der u.a. ausgeführt ist „… ein Scheitern von Stuttgart 21 und der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm würde die parlamentarische Demokratie auf den Kopf stellen“ (Klagantrag 1 e), ist polemisch überspitzt und unsachlich. Denn zum einen werden auch in der parlamentarischen Demokratie planfestgestellte und gerichtlich rechtskräftig überprüfte Vorhaben noch politisch in Frage gestellt. Dies zeigt die derzeitige landespolitische Situation in Baden-Württemberg, wo nach dem Beschluss des Landtags die Bürgerinnen und Bürger am 27. November in einer Volksabstimmung über ein „S21-Kündigungsgesetz“ entscheiden sollen. Zum anderen sind noch nicht für alle Abschnitte der Neubaustrecke Wendlingen - Ulm die Planfeststellungsverfahren abgeschlossen. Solange dies nicht der Fall ist und Beteiligungsrechte im Verfahren wahrgenommen werden können, erscheinen selbst bei einer von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung angesprochenen weitgehenden Determinierung der Linienführung der Bahntrasse auch politische Aktivitäten und Aktionen weder illegal, illegitim oder für eine parlamentarische Demokratie systemfremd. Auch hier relativiert der Kontext, in dem die Äußerung steht, die dargelegte Einschätzung nicht.
76 
Die in dem Beitrag auf der Homepage der Beklagten zu dem Thema „Argumente der Gegner“ „Sind die Gegenargumente korrekt?“ in der Einleitung u.a. enthaltene Äußerung „Zehntausende Bürgerinnen und Bürger sprechen sich mittlerweile lautstark dagegen aus, obwohl viele erkennbar nicht ausreichend informiert sind“ (Klagantrag 1 f) ist der Beklagten zu untersagen, weil sie zu apodiktisch und polemisch ist und den Projektgegnern zu undifferenziert mangelnde Sachkenntnis vorhält. Ferner ist sie auf emotionale Konfliktaustragung angelegt. Ob die Sachkenntnis der Bevölkerung durch das Schlichtungsverfahren gestiegen ist, ist unerheblich. Der Kontext, in dem die Äußerung steht, führt auch hier zu keiner anderen Einschätzung. Der der angegriffenen Äußerung vorausgehende Satz „Umweltschützer, Bürgerinitiativen und Politiker der Grünen laufen Sturm gegen das Projekt“ ist eher geeignet, auch diese Personen in die Nähe der nicht ausreichend Informierten zu rücken, als zu erklären oder zu relativieren. Aus dem Kontext, der zwar neben Kommentaren zu einzelnen umstrittenen Fragen auch Fakten nennt, folgt keine Relativierung der zu beanstandenden Aussage. Zwar mag es durchaus zutreffen, dass von den Projektgegnern eine erhebliche Anzahl nur eine lückenhafte Sachkenntnis über das Gesamtprojekt und deren Folgewirkungen besitzen. Bereits nicht gewiss ist aber, ob sich gerade solche Personen lautstark gegen das Projekt aussprechen. Jedenfalls wird ohne weiter zu differenzieren der Eindruck vermittelt, dass sich lautstark oder engagiert gegen das Gesamtprojekt einsetzende Personen dies ohne ausreichende Sachkenntnis tun. Obwohl naheliegend, ob dasselbe nicht auch für die Befürworter des Gesamtprojekts gilt, d.h. auch diese nicht über ausreichende Sachkenntnis verfügen, verhalten sich die Äußerungen der Beklagten hierzu jedoch nicht. Dies wäre aber im Hinblick auf das bei Äußerungen von der Beklagten zu beachtende höchstmögliche Maß an Objektivität geboten gewesen. Die Beklagte vermittelt daher mit ihrer Äußerung in unzulässiger Weise den Eindruck, die Haltung zu dem Gesamtprojekt beruhe bei den meisten engagierten Projektgegnern auf unzureichender Sachkenntnis, ohne dies im Kontext - bezogen auf diese Personen - zu erklären.
77 
Für das am Verwaltungsgebäude der Beklagten angebrachte farbige, ca. 100 m² große Plakat mit u.a. den Worten „Allerhöchste Eisenbahn!“ und „JA!“ „Unsere Zukunft braucht die ICE-Strecke mit Stuttgart 21“ sowie dem Hinweis „www.....de“ (Klagantrag 2 a) gilt in gleicher Weise wie für das in die Homepage (Startseite) bzw. die Internetseite der Beklagten eingestellte Banner, das wie das Plakat am Verwaltungsgebäude der Beklagten den vorderen Teil eines ICE zeigt, ferner neben dem Logo der Beklagten die Worte „Allerhöchste Eisenbahn! JA zur Bahnstrecke und zu S 21“ enthält, dass diese Kundgaben schon nach ihrer Form nicht die erforderliche Sachlichkeit und Zurückhaltung wahren, weil sie zu apodiktisch parteiergreifend für das Projekt sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.07.2010 a.a.O., Rn. 40). Die notwendige Differenzierung und Zurückhaltung sowie die Darstellung von Minderheitspositionen ist zu vermissen.
78 
Beim Plakat reicht dabei der Hinweis auf die Internetseite der Beklagten nicht aus, denn es ist nur die Startseite der Homepage der IHK Ulm angegeben, nicht direkt die Gegenüberstellung von Argumenten. Nach der Stellung auf dem Plakat wird auch nicht hinreichend deutlich, dass man die Gegenargumente auf dieser Homepage findet, denn die Internetadresse ist unter dem eindeutigen Statement für Stuttgart 21 positioniert, sodass ein Betrachter eher erwarten kann, die wiedergegebene Ansicht dort weiter ausgeführt zu finden. Zudem ist auf der Homepage nach der Darlegung der Beklagten zwar ein Dokument mit dem Titel „Gegenargumente zu Stuttgart 21 – sind diese Argumente korrekt?“ zu finden. Für eine objektive Information erscheint dies aber nicht ausreichend, weil schon der Dokumententitel eher auf eine kritische Auseinandersetzung mit den Gegenargumenten zu Stuttgart 21 hindeutet. Der Umstand, dass ein Plakat naturgemäß nur wenig Platz bietet und für die Darstellung unterschiedlicher Meinungen daher nicht geeignet ist, kann dabei keine Rolle spielen, denn sonst könnte der Grundrechtschutz der Pflichtmitglieder damit unterlaufen werden. Konsequenz ist daher nicht, dass der Maßstab für die Beurteilung der Äußerungen der Kammern bei einem Plakat herabgesetzt werden kann. Vielmehr ist es der Beklagten, wenn dieses Kommunikationsmittel ihrem Auftrag nicht gerecht wird, verwehrt, es einzusetzen (s. dazu auch VG Stuttgart, Urteil vom 17.04.2011 - 4 K 5039/10 - Juris).
79 
In gleicher Weise einseitig und undifferenziert ist das Bild auf der Homepage (Startseite) der Beklagten (Klagantrag 2 b). Zwar finden sich auf der Homepage auch die oben angesprochenen Hinweise auf Argumente der Gegner. Allerdings wird auch hier nicht bereits aus der Startseite sichtbar, dass es Gegenargumente gibt, sondern das Bild (Banner) wirkt zunächst plakativ so, als gebe es nur ein Ja für das das Projekt, sonst nichts.
80 
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO, jene über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils (insgesamt, nicht allein wegen der Kosten) gegen Sicherheitsleistung aus §§ 167 Abs. 1 VwGO, 709 ZPO. Bei der Höhe der Sicherheitsleistung ging die Kammer neben einer überschlägigen Berücksichtigung der vollstreckbaren gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten, allerdings ohne Heranziehung der Nr. 1008 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG, mangels anderer Anhaltspunkte davon aus, dass der Beklagten zur Umsetzung der durch das Urteil ausgesprochenen Unterlassungsverpflichtungen keine nennenswerten Kosten entstehen.
81 
Die Androhung des Ordnungsgeldes beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 890 Abs. 1 und 2 ZPO (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.01.1995 - 10 S 488/94 -, VBlBW 1995, 191). Die Kammer geht aufgrund der Regelung in § 172 VwGO, der für die dort genannten Fälle der Vollstreckung gegen eine Behörde die Festsetzung eines Zwangsgeldes bis 10.000,00 EUR ermöglicht, davon aus, dass auch für die Vollstreckung nach § 167 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 890 Abs. 1 und 2 ZPO die Androhung eines Ordnungsgeldes gleicher Höhe in der Regel ausreicht.

Gründe

 
58 
Die Klage ist zulässig und begründet.
59 
Wird eine Industrie- und Handelskammer über die ihr zugewiesenen Aufgaben hinaus tätig, kann der einzelne Kammerzugehörige nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dem mit einer Unterlassungsklage entgegentreten (vgl. Urteil vom 21.07.1998 - 1 C 32.97 - BVerwGE 107, 169 <174 f.> m.w.N.; Urteil vom 19.09.2000 - 1 C 29/99 - BVerwGE 112, 69-78).
60 
Die Kläger haben einen Anspruch auf Unterlassung der von ihnen beanstandeten Äußerungen und Kundgaben der Beklagten, weil diese damit ihren gesetzlichen Aufgabenbereich überschreitet und folglich ohne die erforderliche Rechtsgrundlage in die durch Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz geschützte Position der Kläger eingreift.
61 
Prüfungsmaßstab für den Schutz gegen die Inanspruchnahme als Mitglied einer Zwangskorporation ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Art. 2 Abs. 1 GG (BVerwG, Urteil vom 23.06.2010 - 8 C 20/09 - BVerwGE 137, 171 ff. unter Hinweis auf BVerfG, Kammerbeschluss vom 07.12.2001 - 1 BvR 1806/98 - GewArch 2002, 111 ff. m.w.N.). Die Kläger haben als Pflichtmitglieder der Beklagten einen Anspruch darauf, dass die Beklagte bei ihrer Tätigkeit die ihr gesetzlich gesetzten Grenzen einhält. Denn die Pflichtzugehörigkeit zu dieser öffentlich-rechtlichen Körperschaft und der darin liegende Eingriff in das Grundrecht der Pflichtmitglieder aus Art. 2 Abs. 1 GG ggf. i.V.m. Art 19 Abs. 3 GG ist allein durch die - nach der maßgeblichen Einschätzung des Gesetzgebers - im öffentlichen Interesse liegende und deshalb notwendige Wahrnehmung dieser gesetzlichen Aufgaben gerechtfertigt (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.06.2010 a.a.O. unter Bezugnahme auf BVerfG, Beschluss vom 19.12.1962 - 1 BvR 541/57 - BVerfGE 15, 235 <242 f.>). Überschreitet eine Körperschaft, deren Errichtung am Maßstab des Art. 2 Abs. 1 GG zu messen ist und ihre verfassungsrechtliche Rechtfertigung im Wesentlichen in der Repräsentation der Interessen ihrer Mitglieder findet, ihren gesetzlichen Aufgabenbereich, greift sie ohne die erforderliche Rechtsgrundlage in dieses Grundrecht ein. Jeder der Körperschaft Zugehörige kann sich gegen eine derartige rechtswidrige Ausdehnung seiner Zwangsunterworfenheit wehren, ohne dass es darauf ankäme, ob er dadurch einen darüber hinausgehenden rechtlichen oder spürbaren faktischen Nachteil erleidet (BVerwG, Urteil vom 19.09.2000 a.a.O.).
62 
Ausgangspunkt der Prüfung, ob die Beklagte sich bei ihren Kundgaben und Äußerungen zum Bahnprojekt Stuttgart 21/Neubaustrecke Wendlingen - Ulm im Rahmen der ihr zugewiesenen Aufgaben gehalten hat, ist § 1 Abs. 1 IHKG. Danach haben die Kammern die Aufgabe, das Gesamtinteresse der ihnen zugehörigen Gewerbetreibenden ihres Bezirks wahrzunehmen, für die Förderung der gewerblichen Wirtschaft zu wirken und dabei die wirtschaftlichen Interessen einzelner Gewerbezweige oder Betriebe abwägend und ausgleichend zu berücksichtigen. Dabei obliegt es ihnen insbesondere, durch Vorschläge, Gutachten und Berichte die Behörden zu unterstützen und zu beraten sowie für die Wahrung von Anstand und Sitte des ehrbaren Kaufmanns zu wirken.
63 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich die Kammer anschließt, lässt sich diese Aufgabe als auf den Kammerbezirk bezogene Vertretung der Interessen der gewerblichen Wirtschaft im weitesten Sinn umschreiben. Da sehr viele öffentliche und staatliche Aufgaben die gewerbliche Wirtschaft berühren, ist diese Aufgabe kaum exakt eingrenzbar. Selbst dort, wo Belange der gewerblichen Wirtschaft nur am Rande berührt sind, ist es den Industrie- und Handelskammern grundsätzlich gestattet, das durch sie repräsentierte Gesamtinteresse zur Geltung zu bringen. Auch in diesen Randbereichen ist die Kompetenz der Industrie- und Handelskammer gegenüber dem Kernbereich nicht eingeschränkt. Abzugrenzen ist allerdings, was noch zum Randbereich einer zulässigen Betätigung der Industrie- und Handelskammern gehört und wo dieser Bereich verlassen wird, weil es sich um allgemeinpolitische Fragen handelt (BVerwG, Urteil vom 23.06.2010 a.a.O.; Urteil vom 19.09.2000 a.a.O. Rn. 24, 30).
64 
Belange der gewerblichen Wirtschaft werden nur dann wahrgenommen, wenn die Äußerung der Industrie- und Handelskammer sich auf einen Sachverhalt bezieht, der nachvollziehbare Auswirkungen auf die Wirtschaft im Bezirk der Industrie- und Handelskammer hat. Da eine Industrie- und Handelskammer jeweils nur die Interessen der ihr zugehörigen Gewerbetreibenden ihres Bezirks wahrnehmen darf, muss sich auch der Sachverhalt, zu dem sie sich äußert, auf die gewerbliche Wirtschaft im eigenen Bezirk konkret erkennbar auswirken. Das schließt aber nicht aus, dass sich die Kammer an Adressaten außerhalb dieses Bezirks wendet, um z.B. auf wirtschaftspolitische Entscheidungen auf Landes- oder Bundesebene einzuwirken (BVerwG, Urteil vom 23.06.2010 a.a.O. Rn. 31).
65 
Sämtliche von den Klägern angegriffenen Kundgaben und Äußerungen der Beklagten betreffen zwar - entgegen der schriftsätzlich dargelegten Auffassung der Kläger - deren Kompetenzbereich. Denn von dem Gesamtprojekt Stuttgart 21/Neubaustrecke Wendlingen - Ulm, auf die sich die Kundgaben und Äußerungen der Beklagten beziehen, ist die Verkehrspolitik betroffen. Diese wiederum hat im Hinblick auf die zeitlich erheblich verkürzte Anbindung des Bezirks der Beklagten an den Flughafen, die Landesmesse und Hauptbahnhof Stuttgart Auswirkungen auf die gewerbliche Wirtschaft auch im Bezirk der Beklagten.
66 
Ist thematisch der Kompetenzbereich der Beklagten eröffnet, und damit die Frage, ob sie sich zu dem Gesamtprojekt Stuttgart 21/Neubaustrecke Wendlingen - Ulm äußern darf, bejaht, ist jedoch bei der Form, die sie dabei zu wahren hat, sozusagen dem "Wie" der Äußerung, zu beachten, dass die Industrie- und Handelskammern als öffentlich-rechtliche Körperschaften öffentliche Aufgaben wahrnehmen. Daraus ergibt sich eine generelle Beschränkung ihrer Tätigkeit im Vergleich zu Interessenverbänden und politischen Parteien, weil die den Industrie- und Handelskammern übertragene Aufgabe der Vertretung der gewerblichen Wirtschaft gegenüber dem Staat keine reine Interessenvertretung darstellt. Die Industrie- und Handelskammern müssen stets auf das Gesamtinteresse der gewerblichen Wirtschaft ausgerichtet sein, dürfen die wirtschaftlichen Interessen einzelner Gewerbezweige oder Betriebe lediglich abwägend und ausgleichend berücksichtigen und müssen als öffentlich-rechtliche Selbstverwaltungskörperschaft das höchstmögliche Maß an Objektivität walten lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.06.2010 a.a.O. Rn. 32 unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 19.12.1962 - 1 BvR 541/57 - BVerfGE 15, 235 <241>).
67 
Das setzt voraus, dass die Äußerungen der Industrie- und Handelskammern sachlich sind und die notwendige Zurückhaltung wahren. Damit sind nicht nur Anforderungen an die Formulierung gestellt, was polemisch überspitzte oder auf emotionalisierte Konfliktaustragung angelegte Aussagen ausschließt; die notwendige Objektivität verlangt auch eine Argumentation mit sachbezogenen Kriterien und gegebenenfalls die Darstellung von Minderheitenpositionen. Da das Gesamtinteresse der gewerblichen Wirtschaft Bezugspunkt der Aufgabenwahrnehmung ist und dies eine Abwägung der wirtschaftlichen Interessen der einzelnen Gewerbezweige erfordert, muss eine Äußerung, die zu besonders umstrittenen Themen erfolgt, auch diese Abwägung erkennen lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.06.2010 a.a.O. Rn. 33). Dieses von den Industrie- und Handelskammern gemäß § 1 Abs. 1 IHKG wahrzunehmende Gesamtinteresse ihrer Mitglieder muss unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Interessen einzelner Gewerbezweige oder Betriebe abwägend und ausgleichend ermittelt werden. Es ist ein gewichtetes Ergebnis und damit weder eine Summe oder Potenzierung der Einzelinteressen noch ihr kleinster gemeinsamer Nenner (vgl. hierzu insges. BVerwG, Urteil vom 23.06.2010 a.a.O. Rn. 34).
68 
Erklärungen und Stellungnahmen der Industrie- und Handelskammern sind zudem nur dann zulässig, wenn sie unter Einhaltung des dafür vorgesehenen Verfahrens zustande gekommen sind. Denn die Pflichtmitgliedschaft der Gewerbetreibenden in der Industrie- und Handelskammer ist nur gerechtfertigt, wenn die Kammer das durch das vorgegebene Verfahren legitimierte Gesamtinteresse wahrnimmt. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 IHKG beschließt über die Angelegenheiten der Industrie- und Handelskammer die Vollversammlung, soweit nicht die Satzung etwas anderes bestimmt. Dabei kann, wie in § 3 Abs. 2 der Satzung der Beklagten geschehen, der Vollversammlung die Bestimmung der Richtlinien der Kammerarbeit und die Beschlussfassung über alle Fragen von grundsätzlicher Bedeutung vorbehalten bleiben und darauf basierend die Entscheidung über Einzelfragen delegiert werden. Eine grundsätzliche Festlegung muss aber auf jeden Fall durch die Vollversammlung erfolgen (vgl. hierzu insges. BVerwG, Urteil vom 23.06.2010 a.a.O. Rn. 35).
69 
Die von den Klägern angegriffenen Äußerungen und Kundgaben der Beklagten sind ungeachtet von Verfahrensfragen bereits deswegen rechtswidrig, weil sie als solche auch unter Berücksichtigung des Kontextes, in dem sie stehen, oder ihrer Begründung (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.06.2010 a.a.O. Rn. 40), nicht das höchstmögliche Maß an Objektivität und die notwendige Sachlichkeit wahren. Sie gehen über eine bildhafte Sprache hinaus. Die von den Klägern beanstandeten Äußerungen und Kundgaben mögen einer reinen Interessenvertretung zustehen, den als öffentlich-rechtliche Körperschaften organisierten Industrie- und Handelskammern wie der Beklagten aber nicht (wie BVerwG, Urteil vom 23.06.2010 a.a.O.).
70 
Im einzelnen gilt das Folgende:
71 
Die unter Ziffer 1 a des Klagantrags beanstandete Äußerung des Präsidenten der Beklagten, „Ulm ist das Bollwerk für Stuttgart 21“, ist schon für sich betrachtet polemisch überspitzt und auf emotionale Konfliktaustragung angelegt, ohne dass der Frage nachzugehen ist, wie es einzuschätzen wäre, dass diese Äußerung, wie von den Klägern unwidersprochen vorgetragen, auch im Zusammenhang mit der weiteren Aussage des Präsidenten gefallen sein soll „… das trifft ins Mark der Projektgegner“. Es handelt sich bei der Äußerung „Ulm ist das Bollwerk für Stuttgart 21“ nicht lediglich um eine bildhafte Sprache, wie die Beklagte meint. Nach Duden online hat ein Bollwerk u.a. die Bedeutung von Befestigung (früher) und Festung, Synonyme sind u.a. Bastei, Bastion, Befestigung, Befestigungsanlage, Befestigungswerk, Festung und Verteidigungsanlage. Die Verwendung eines Begriffs, der dem militärischen Sprachgebrauch entnommen ist, suggeriert aber die Bereitschaft zur Verteidigung des von der Beklagten befürworteten Projekts Stuttgart 21 durch ein Maß an Potenzial, das der Beklagten nach der gesetzlichen Aufgabenzuweisung jedoch nicht zukommt. Zudem wird der beschriebene Begriff „Bollwerk“ pauschal auf ganz Ulm erstreckt, ohne dass der Beklagten gesetzlich die Aufgabe zugewiesen ist, pauschal für die ganze Stadt oder ihre Bürger zu sprechen. Hinzu kommt, dass die Aussage apodiktisch eine Meinungsäußerung darstellt, ohne dabei eine Abwägung oder das Vorhandensein von Mindermeinungen erkennen zu lassen. Der Umstand, dass es sich um eine mündliche Äußerung gehandelt hat, ändert an dieser Einschätzung nichts. Die Anforderungen dafür zu verringern ist nicht möglich, weil die Kompetenzgrenzen der Beklagten für mündliche Äußerungen nicht weiter gezogen sind als sonst.
72 
Die unter Ziffer 1 b des Klageantrags angegriffene Äußerung „Ohne Stuttgart 21 endet die Neubaustrecke von Ulm kommend in Wendlingen sprichwörtlich auf dem Acker“ im Rahmen der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Beklagten, die sich auch in einer Äußerung zur „Standortpolitik“ wiederfindet, ist inhaltlich unzutreffend und damit unsachlich. Dabei ist nicht von Bedeutung, ob es ein mit der Äußerung in Bezug genommenes Sprichwort gibt. Durch die drastische Formulierung „auf dem Acker“ wird jedenfalls die Vorstellung hervorgerufen, dass die Neubaustrecke Wendlingen - Ulm ohne das Teilprojekt Stuttgart 21 nicht möglich und völlig nutzlos sei. Dies ist jedoch unzutreffend, weil für die Neubaustrecke auch ohne Anbindung an den Flughafen Stuttgart und die Landesmesse eine Einschleifung in die bisherige ICE-taugliche Trasse möglich ist. Auf eine direkte Anschlussmöglichkeit kommt es nicht an.
73 
Die beanstandete Äußerung „auf der Magistrale für Europa von Paris nach Budapest ….. sind alternative Linienführungen, beispielsweise über Frankfurt und Ingolstadt nach München, durchaus denkbar ….. Anstatt in das europäische Netz integriert zu werden, würden große Teile Baden-Württembergs somit abgehängt“ (Klageantrag 1 c) ist am Ende zu spekulativ und deswegen unsachlich, weil auch bei einer anderen Linienführung der Schnellbahntrasse nicht davon ausgegangen werden kann, dass große Teile Baden-Württembergs vom europäischen Schienennetz abgehängt werden. Die Äußerung, die entgegen der Auffassung der Beklagten nicht aus dem Zusammenhang gerissen entstellend verstanden werden kann, lässt damit auch das erforderliche Maß an Objektivität vermissen. Es ist nicht ersichtlich, dass bei einer Nichtverwirklichung der Neubaustrecke Wendlingen - Ulm die bisherige ICE - taugliche Bahnstrecke in Wegfall geriete.
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Die mit dem Klagantrag 1 d) angegriffene, in der Stellungnahme „Standortpolitik - Argumente für Stuttgart 21 - Warum unsere Firma für das Bahnprojekt ist“ enthaltene Wendung „Es wäre ein Schildbürgerstreich, wenn Baden-Württemberg … auf das Geld von Bund und Bahn verzichten würde“ wahrt nicht die der Beklagten obliegende Sachlichkeit. Denn der Begriff „Schildbürgerstreich“ hat eine abwertende Bedeutung. Mit ihm wird eine Handlung umschrieben, deren eigentlicher oder ursprünglicher Zweck in törichter Weise verfehlt wird (vgl. Duden online). „Die Schildbürger“ ist der Titel einer Sammlung von Streichen und Schwänken törichter Kleinbürger … (Meyers Großes Universallexikon). Der propagierte Verzicht des Landes Baden-Württemberg auf die für das Bahnprojekt bereitgestellten Finanzmittel von Bund und Bahn wird damit abwertend zumindest als töricht bezeichnet, was auch Relevanz für die Einschätzung der Gegner des Projekts hat. Der Kontext, in dem diese Äußerung steht, relativiert diese Einschätzung nicht. Dass die Kläger diese Äußerung der Beklagten aus dem Zusammenhang gerissen und dadurch entstellt haben, vermag die Kammer entgegen der Auffassung der Beklagten nicht festzustellen. Auch bezieht sich die angegriffene Äußerung auf ganz Baden-Württemberg und betrifft damit nicht mehr den Aufgabenbereich der Beklagten, nachdem keine Verknüpfung zu wirtschaftlichen Belangen speziell in ihrem Bezirk erkennbar ist.
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Die unter der Rubrik „Standortpolitik“ getätigte Äußerung der Beklagten zu „Auswirkungen des Bahnprojekts Stuttgart 21/Neubaustrecke Wendlingen-Ulm auf die Erreichbarkeit und die Wirtschaft der einzelnen Kreise in Baden-Württemberg, in der u.a. ausgeführt ist „… ein Scheitern von Stuttgart 21 und der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm würde die parlamentarische Demokratie auf den Kopf stellen“ (Klagantrag 1 e), ist polemisch überspitzt und unsachlich. Denn zum einen werden auch in der parlamentarischen Demokratie planfestgestellte und gerichtlich rechtskräftig überprüfte Vorhaben noch politisch in Frage gestellt. Dies zeigt die derzeitige landespolitische Situation in Baden-Württemberg, wo nach dem Beschluss des Landtags die Bürgerinnen und Bürger am 27. November in einer Volksabstimmung über ein „S21-Kündigungsgesetz“ entscheiden sollen. Zum anderen sind noch nicht für alle Abschnitte der Neubaustrecke Wendlingen - Ulm die Planfeststellungsverfahren abgeschlossen. Solange dies nicht der Fall ist und Beteiligungsrechte im Verfahren wahrgenommen werden können, erscheinen selbst bei einer von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung angesprochenen weitgehenden Determinierung der Linienführung der Bahntrasse auch politische Aktivitäten und Aktionen weder illegal, illegitim oder für eine parlamentarische Demokratie systemfremd. Auch hier relativiert der Kontext, in dem die Äußerung steht, die dargelegte Einschätzung nicht.
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Die in dem Beitrag auf der Homepage der Beklagten zu dem Thema „Argumente der Gegner“ „Sind die Gegenargumente korrekt?“ in der Einleitung u.a. enthaltene Äußerung „Zehntausende Bürgerinnen und Bürger sprechen sich mittlerweile lautstark dagegen aus, obwohl viele erkennbar nicht ausreichend informiert sind“ (Klagantrag 1 f) ist der Beklagten zu untersagen, weil sie zu apodiktisch und polemisch ist und den Projektgegnern zu undifferenziert mangelnde Sachkenntnis vorhält. Ferner ist sie auf emotionale Konfliktaustragung angelegt. Ob die Sachkenntnis der Bevölkerung durch das Schlichtungsverfahren gestiegen ist, ist unerheblich. Der Kontext, in dem die Äußerung steht, führt auch hier zu keiner anderen Einschätzung. Der der angegriffenen Äußerung vorausgehende Satz „Umweltschützer, Bürgerinitiativen und Politiker der Grünen laufen Sturm gegen das Projekt“ ist eher geeignet, auch diese Personen in die Nähe der nicht ausreichend Informierten zu rücken, als zu erklären oder zu relativieren. Aus dem Kontext, der zwar neben Kommentaren zu einzelnen umstrittenen Fragen auch Fakten nennt, folgt keine Relativierung der zu beanstandenden Aussage. Zwar mag es durchaus zutreffen, dass von den Projektgegnern eine erhebliche Anzahl nur eine lückenhafte Sachkenntnis über das Gesamtprojekt und deren Folgewirkungen besitzen. Bereits nicht gewiss ist aber, ob sich gerade solche Personen lautstark gegen das Projekt aussprechen. Jedenfalls wird ohne weiter zu differenzieren der Eindruck vermittelt, dass sich lautstark oder engagiert gegen das Gesamtprojekt einsetzende Personen dies ohne ausreichende Sachkenntnis tun. Obwohl naheliegend, ob dasselbe nicht auch für die Befürworter des Gesamtprojekts gilt, d.h. auch diese nicht über ausreichende Sachkenntnis verfügen, verhalten sich die Äußerungen der Beklagten hierzu jedoch nicht. Dies wäre aber im Hinblick auf das bei Äußerungen von der Beklagten zu beachtende höchstmögliche Maß an Objektivität geboten gewesen. Die Beklagte vermittelt daher mit ihrer Äußerung in unzulässiger Weise den Eindruck, die Haltung zu dem Gesamtprojekt beruhe bei den meisten engagierten Projektgegnern auf unzureichender Sachkenntnis, ohne dies im Kontext - bezogen auf diese Personen - zu erklären.
77 
Für das am Verwaltungsgebäude der Beklagten angebrachte farbige, ca. 100 m² große Plakat mit u.a. den Worten „Allerhöchste Eisenbahn!“ und „JA!“ „Unsere Zukunft braucht die ICE-Strecke mit Stuttgart 21“ sowie dem Hinweis „www.....de“ (Klagantrag 2 a) gilt in gleicher Weise wie für das in die Homepage (Startseite) bzw. die Internetseite der Beklagten eingestellte Banner, das wie das Plakat am Verwaltungsgebäude der Beklagten den vorderen Teil eines ICE zeigt, ferner neben dem Logo der Beklagten die Worte „Allerhöchste Eisenbahn! JA zur Bahnstrecke und zu S 21“ enthält, dass diese Kundgaben schon nach ihrer Form nicht die erforderliche Sachlichkeit und Zurückhaltung wahren, weil sie zu apodiktisch parteiergreifend für das Projekt sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.07.2010 a.a.O., Rn. 40). Die notwendige Differenzierung und Zurückhaltung sowie die Darstellung von Minderheitspositionen ist zu vermissen.
78 
Beim Plakat reicht dabei der Hinweis auf die Internetseite der Beklagten nicht aus, denn es ist nur die Startseite der Homepage der IHK Ulm angegeben, nicht direkt die Gegenüberstellung von Argumenten. Nach der Stellung auf dem Plakat wird auch nicht hinreichend deutlich, dass man die Gegenargumente auf dieser Homepage findet, denn die Internetadresse ist unter dem eindeutigen Statement für Stuttgart 21 positioniert, sodass ein Betrachter eher erwarten kann, die wiedergegebene Ansicht dort weiter ausgeführt zu finden. Zudem ist auf der Homepage nach der Darlegung der Beklagten zwar ein Dokument mit dem Titel „Gegenargumente zu Stuttgart 21 – sind diese Argumente korrekt?“ zu finden. Für eine objektive Information erscheint dies aber nicht ausreichend, weil schon der Dokumententitel eher auf eine kritische Auseinandersetzung mit den Gegenargumenten zu Stuttgart 21 hindeutet. Der Umstand, dass ein Plakat naturgemäß nur wenig Platz bietet und für die Darstellung unterschiedlicher Meinungen daher nicht geeignet ist, kann dabei keine Rolle spielen, denn sonst könnte der Grundrechtschutz der Pflichtmitglieder damit unterlaufen werden. Konsequenz ist daher nicht, dass der Maßstab für die Beurteilung der Äußerungen der Kammern bei einem Plakat herabgesetzt werden kann. Vielmehr ist es der Beklagten, wenn dieses Kommunikationsmittel ihrem Auftrag nicht gerecht wird, verwehrt, es einzusetzen (s. dazu auch VG Stuttgart, Urteil vom 17.04.2011 - 4 K 5039/10 - Juris).
79 
In gleicher Weise einseitig und undifferenziert ist das Bild auf der Homepage (Startseite) der Beklagten (Klagantrag 2 b). Zwar finden sich auf der Homepage auch die oben angesprochenen Hinweise auf Argumente der Gegner. Allerdings wird auch hier nicht bereits aus der Startseite sichtbar, dass es Gegenargumente gibt, sondern das Bild (Banner) wirkt zunächst plakativ so, als gebe es nur ein Ja für das das Projekt, sonst nichts.
80 
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO, jene über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils (insgesamt, nicht allein wegen der Kosten) gegen Sicherheitsleistung aus §§ 167 Abs. 1 VwGO, 709 ZPO. Bei der Höhe der Sicherheitsleistung ging die Kammer neben einer überschlägigen Berücksichtigung der vollstreckbaren gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten, allerdings ohne Heranziehung der Nr. 1008 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG, mangels anderer Anhaltspunkte davon aus, dass der Beklagten zur Umsetzung der durch das Urteil ausgesprochenen Unterlassungsverpflichtungen keine nennenswerten Kosten entstehen.
81 
Die Androhung des Ordnungsgeldes beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 890 Abs. 1 und 2 ZPO (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.01.1995 - 10 S 488/94 -, VBlBW 1995, 191). Die Kammer geht aufgrund der Regelung in § 172 VwGO, der für die dort genannten Fälle der Vollstreckung gegen eine Behörde die Festsetzung eines Zwangsgeldes bis 10.000,00 EUR ermöglicht, davon aus, dass auch für die Vollstreckung nach § 167 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 890 Abs. 1 und 2 ZPO die Androhung eines Ordnungsgeldes gleicher Höhe in der Regel ausreicht.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) In der Berufungsinstanz ist über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf Antrag vorab zu entscheiden. Die Entscheidung kann ohne mündliche Verhandlung ergehen; § 128 Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.

(2) Eine Anfechtung der in der Berufungsinstanz über die vorläufige Vollstreckbarkeit erlassenen Entscheidung findet nicht statt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) In der Berufungsinstanz ist über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf Antrag vorab zu entscheiden. Die Entscheidung kann ohne mündliche Verhandlung ergehen; § 128 Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.

(2) Eine Anfechtung der in der Berufungsinstanz über die vorläufige Vollstreckbarkeit erlassenen Entscheidung findet nicht statt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) In der Berufungsinstanz ist über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf Antrag vorab zu entscheiden. Die Entscheidung kann ohne mündliche Verhandlung ergehen; § 128 Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.

(2) Eine Anfechtung der in der Berufungsinstanz über die vorläufige Vollstreckbarkeit erlassenen Entscheidung findet nicht statt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) In der Berufungsinstanz ist über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf Antrag vorab zu entscheiden. Die Entscheidung kann ohne mündliche Verhandlung ergehen; § 128 Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.

(2) Eine Anfechtung der in der Berufungsinstanz über die vorläufige Vollstreckbarkeit erlassenen Entscheidung findet nicht statt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Kommt die Behörde in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 und des § 123 der ihr im Urteil oder in der einstweiligen Anordnung auferlegten Verpflichtung nicht nach, so kann das Gericht des ersten Rechtszugs auf Antrag unter Fristsetzung gegen sie ein Zwangsgeld bis zehntausend Euro durch Beschluß androhen, nach fruchtlosem Fristablauf festsetzen und von Amts wegen vollstrecken. Das Zwangsgeld kann wiederholt angedroht, festgesetzt und vollstreckt werden.

(1) Die Industrie- und Handelskammern haben, soweit nicht die Zuständigkeit der Organisationen des Handwerks nach Maßgabe der Handwerksordnung oder die Zuständigkeit der Kammern der freien Berufe in Bezug auf die Berufspflichten ihrer Mitglieder gegeben ist, die Aufgaben:

1.
das Gesamtinteresse der ihnen zugehörigen Gewerbetreibenden ihres Bezirks, einschließlich der Gesamtverantwortung der gewerblichen Wirtschaft, die auch Ziele einer nachhaltigen Entwicklung umfassen kann, auf regionaler, nationaler, europäischer und internationaler Ebene wahrzunehmen,
2.
für die Förderung der gewerblichen Wirtschaft ihres Bezirks zu wirken,
3.
für die Wahrung von Anstand und Sitte der ehrbaren Kaufleute, einschließlich deren sozialer und gesellschaftlicher Verantwortung, zu wirken
und dabei stets die wirtschaftlichen Interessen einzelner Gewerbezweige oder Betriebe abwägend und ausgleichend zu berücksichtigen. Im Rahmen ihrer Aufgaben haben die Industrie- und Handelskammern insbesondere
1.
durch Vorschläge, Gutachten und Berichte die Behörden zu unterstützen und zu beraten,
2.
das Recht, zu den im Gesamtinteresse der ihnen zugehörigen Gewerbetreibenden liegenden wirtschaftspolitischen Angelegenheiten ihres Bezirks in behördlichen oder gerichtlichen Verfahren sowie gegenüber der Öffentlichkeit Stellung zu nehmen.
Bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben haben die Industrie- und Handelskammern den angemessenen Minderheitenschutz zu gewährleisten,
1.
indem im Rahmen der Kommunikation auf abweichende Positionen hingewiesen wird und
2.
abweichende Stellungnahmen in zumutbarer Form öffentlich zugänglich gemacht werden.

(2) Die Industrie- und Handelskammern können Anlagen und Einrichtungen, die der Förderung der gewerblichen Wirtschaft oder einzelner Gewerbezweige dienen, begründen, unterhalten und unterstützen sowie Maßnahmen zur Förderung und Durchführung der kaufmännischen und gewerblichen Berufsbildung unter Beachtung der geltenden Rechtsvorschriften, insbesondere des Berufsbildungsgesetzes, treffen.

(2a) Die Industrie- und Handelskammern können allein oder zusammen mit anderen Kammern für die gewerbliche Wirtschaft Maßnahmen zur Förderung der außergerichtlichen Streitbeilegung treffen, insbesondere Schiedsgerichte und andere Einrichtungen der alternativen Konfliktlösung begründen, unterhalten und unterstützen. § 111 Absatz 2 des Arbeitsgerichtsgesetzes bleibt unberührt. Die Industrie- und Handelskammern können zudem die ihnen zugehörigen Gewerbetreibenden ihres Bezirks zu Fragen der Früherkennung von Unternehmenskrisen und deren Bewältigung beraten.

(3) Den Industrie- und Handelskammern obliegt die Ausstellung von Ursprungszeugnissen und anderen dem Wirtschaftsverkehr dienenden Bescheinigungen, soweit nicht Rechtsvorschriften diese Aufgaben anderen Stellen zuweisen.

(3a) Die Länder können durch Gesetz den Industrie- und Handelskammern die Aufgaben einer einheitlichen Stelle im Sinne des Verwaltungsverfahrensgesetzes übertragen. Das Gesetz regelt, welche Aufgabenbereiche von der Zuweisung erfasst sind. Dabei kann das Gesetz vorsehen, dass die Industrie- und Handelskammern auch für nicht Kammerzugehörige tätig werden. Das Gesetz regelt auch die Aufsicht.

(3b) Die Länder können den Industrie- und Handelskammern durch Gesetz ermöglichen, sich an Einrichtungen zu beteiligen, die die Aufgaben einer einheitlichen Stelle im Sinne des Verwaltungsverfahrensgesetzes erfüllen.

(4) Weitere Aufgaben können den Industrie- und Handelskammern durch Gesetz oder Rechtsverordnung übertragen werden.

(5) Nicht zu den Aufgaben nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 gehören die grundrechtlich geschützten Aufgabenbereiche der Vereinigungen im Sinne des Artikels 9 Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes, insbesondere die Aufgabenbereiche der Tarifpartner sowie die arbeitsgerichtliche Vertretung von Unternehmen. Zudem sind Stellungnahmen ausgeschlossen zu sozial- und arbeitsmarktpolitischen Fragen, soweit diese in der ausschließlichen Entscheidungszuständigkeit der Gremien der sozialen Selbstverwaltung liegen.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Vollstreckt wird

1.
aus rechtskräftigen und aus vorläufig vollstreckbaren gerichtlichen Entscheidungen,
2.
aus einstweiligen Anordnungen,
3.
aus gerichtlichen Vergleichen,
4.
aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen,
5.
aus den für vollstreckbar erklärten Schiedssprüchen öffentlich-rechtlicher Schiedsgerichte, sofern die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit rechtskräftig oder für vorläufig vollstreckbar erklärt ist.

(2) Für die Vollstreckung können den Beteiligten auf ihren Antrag Ausfertigungen des Urteils ohne Tatbestand und ohne Entscheidungsgründe erteilt werden, deren Zustellung in den Wirkungen der Zustellung eines vollständigen Urteils gleichsteht.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) In der Berufungsinstanz ist über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf Antrag vorab zu entscheiden. Die Entscheidung kann ohne mündliche Verhandlung ergehen; § 128 Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.

(2) Eine Anfechtung der in der Berufungsinstanz über die vorläufige Vollstreckbarkeit erlassenen Entscheidung findet nicht statt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) In der Berufungsinstanz ist über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf Antrag vorab zu entscheiden. Die Entscheidung kann ohne mündliche Verhandlung ergehen; § 128 Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.

(2) Eine Anfechtung der in der Berufungsinstanz über die vorläufige Vollstreckbarkeit erlassenen Entscheidung findet nicht statt.