Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 05. Okt. 2006 - 2 S 1256/06

bei uns veröffentlicht am05.10.2006

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 21. März 2006 - 11 K 4971/04 - teilweise geändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

 
I.
Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung seines Antrags durch die Beklagte, von dem in den Jahren 2001 und 2002 für seinen Metzgereibetrieb bezogenen Frischwasser 25 % bzw. 20 % als nicht eingeleitete Abwassermenge abzusetzen.
Der Kläger betreibt auf seinem auch zu Wohnzwecken genutzten Grundstück im Gebiet der Beklagten eine Metzgerei. Mit Schreiben vom 5.4.2002 beantragte er, bei der Bemessung der Gebühr von der Abwassermenge, die jährlich auf den Betrieb entfalle, eine Wassermenge von 25 % abzusetzen. Diesen auch für das Folgejahr wiederholten Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheiden vom 24.5.2002 und 29.4.2003 ab. Den hiergegen jeweils eingelegten Widerspruch des Klägers wies das Landratsamt Rems-Murr-Kreis durch Widerspruchsbescheid vom 8.5.2003 zurück.
Am 22.5.2003 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben und unter Hinweis auf verschiedene, von ihm im Verfahren vorgelegte Stellungnahmen vorgetragen, er habe - wie satzungsrechtlich gefordert - die auf seinen Betrieb entfallenden Absatzmengen nachgewiesen.
Dem Antrag des Klägers, die Bescheide der Beklagten vom 24.5.2002 und vom 9.4.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheids des Landratsamts Rems-Murr-Kreis vom 8.5.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, bei der Berechnung der Abwassergebühr für die Jahre 2001 und 2002 jeweils eine Wassermenge von 140 m³ abzusetzen, ist die Beklagte entgegengetreten. Sie hat die Ansicht vertreten, der Kläger habe den geforderten Nachweis über nicht eingeleitete Wassermengen nicht erbracht, da die vorgelegten Gutachten zu pauschal seien. Auch fehle es an Anhaltspunkten für einen pauschalen Abzug solcher Wassermengen bei Betrieben wie dem des Klägers.
Durch Urteil vom 21.3.2006 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet, dem Kläger bei der Bemessung seiner Abwassergebühr für das Jahr 2001 die Absetzung einer Wassermenge von 42 m³ und für das Jahr 2002 die Absetzung einer Wassermenge von 42,8 m³ zu gewähren; soweit die Bescheide der Beklagten vom 24.5.2002 und vom 9.4.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts Rems-Murr-Kreis vom 8.5.2003 dem entgegenstehen, hat sie das Verwaltungsgericht aufgehoben und im Übrigen die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat es im Wesentlichen dargelegt, dass ein Nachholen des Nachweises nicht eingeleiteter Wassermengen nach Ablauf der satzungsrechtlich vorgesehenen Antragsfrist zulässig sei. Dieser Nachweis verbiete zwar eine Schätzung, für seine Erfüllung dürfe jedoch - entsprechend den Anforderungen an den Gebührenmaßstab - ein „Wirklichkeitsmaßstab“ nicht gefordert werden. Bestimme eine satzungsrechtliche Regelung - wie hier - zur Inanspruchnahme einer Vergünstigungsregelung einen „Nachweis“, so sei dieser demnach erbracht, wenn der Abgabenschuldner konkrete Umstände dartun könne, die aller Wahrscheinlichkeit nach und nach menschlichem Ermessen dazu führten, dass der normative Ermäßigungstatbestand einer solchen Vergünstigungsregelung erfüllt sei. In diesem Sinne nachgewiesen sei die im Tenor bezeichnete Wassermenge. Sie ergebe sich unter Berücksichtigung der im Betrieb des Klägers bei der Wurstherstellung verarbeiteten Frischfleischmenge, die nach einem für Fleischerfachgeschäfte erstellten Gutachten eines Fachinstituts für Fleischforschung als Berechnungsgrundlage dienen könne. Nachgewiesen im dargestellten Sinn sei auch die Wassermenge, die im Rahmen der Wurstherstellung durch den verwendeten Wasserdampfkochschrank verdunste. Zwar sei diese Menge im Rahmen einer Ablesung für den Zeitraum April 2004 bis April 2005 festgestellt worden; sie sei nach dem „Wahrscheinlichkeitsmaßstab“ aber auch für die streitigen Jahre zugrunde zu legen. Auch die im Rahmen der Nassreinigung der Produktionsflächen verdunsteten Mengen seien nachgewiesen. Denn insoweit bestehe ein Gutachten für einen dritten Metzgereibetrieb. Nicht nachgewiesen seien indes die vom Kläger im Übrigen angeführten Wassermengen zur Fertigung von Sülzen, Suppen und Soßen und für die Schinkenproduktion. Insoweit fehle es an einer nachvollziehbaren Angabe zu Mengen und Produktionsverfahren. Entgegen der Ansicht der Beklagten seien die nachgewiesenen und daher abzusetzenden Wassermengen nicht mehr um die in § 40 Abs. 1 S. 2 der Satzung der Beklagten festgelegte, von einer Absetzung auszunehmenden Menge von 20 m³ pro Jahr zu verringern. Es führe zu einem von dem Grundsatz der Verwaltungspraktikabilität nicht mehr geforderten Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot, versage man dem Kläger trotz des Nachweises nicht eingeleiteter Wassermengen deren uneingeschränkte Absetzung. Auch trete eine eigentlich der Vorgabe des Bundesverwaltungsgerichts widersprechende Anhebung der Bagatellgrenze für die Absetzung ein. Nicht zuletzt sei mit der Beschränkung der abzusetzenden Wassermenge auch eine Ungleichbehandlung des Betroffenen gegenüber den anderen Gebührenschuldnern verbunden.
Gegen das ihr am 13.4.2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 12.5. 2006 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie im Wesentlichen darauf abhebt, dass der nach der Satzung über die öffentliche Abwasserbeseitigung vom 10.11.1999 i.d.F. vom 7.12.2000 - AbwS - erforderliche Antrag des Klägers nicht rechtzeitig gestellt sei. Denn in ihm sei die abzusetzende Menge nicht innerhalb der Frist des § 40 Abs. 4 AbwS bezeichnet worden. Die Bestimmung stelle jedoch eine auch die Begründung umfassende Ausschlussfrist dar. Auch wenn man dem nicht folge, müsse die Klage abgewiesen werden. Denn der satzungsrechtlich geforderte Nachweis über nicht eingeleitete Abwassermengen sei vom Kläger nicht geführt. Aus der Berechnung vom 28.4.2005 über Wassermengen, die nicht als Abwasser eingeleitet worden seien, lasse sich der geforderte Nachweis nicht herleiten. So sei dort eine Nassreinigungsfläche mit 273 m² zugrunde gelegt, während der Kläger selbst im Schriftsatz vom 11.3.2004 die Fläche der „Wurstküche“ mit 50 m² angebe. Der von ihm betriebene Dampfkochschrank verbrauche nach Angaben des Klägers 4,8 m³, während eine konkrete Messung 25 m³ Wasserverbrauch ergeben habe. Diese Feststellung sei jedoch 2005 erfolgt und könne auf die Jahre 2001 und 2002, um die es hier gehe, nicht übertragen werden. Auch sei ein Nachweis darüber nicht erbracht, welche der nachweislich bezogenen Fleischmengen im Betrieb des Klägers zu Wurst verarbeitet worden seien. Die Zahlen in der vorgelegten Berechnung vom 28.4.2005 seien insoweit deutlich anders als die zuvor vom Kläger angegebenen. Zur Klimaanlage habe der Kläger entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nur ein Gutachten zu einem Drittgerät vorgelegt. Nicht vorgetragen oder erkennbar sei, warum dieses Fremdgutachten auf das vom Kläger verwendete Gerät übertragbar sei. Dass im Übrigen die satzungsrechtlich festgelegte Grenze für eine Absetzung von Wassermengen hier nicht zu beachten sei, widerspreche entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts dem Gleichbehandlungsgebot.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 21.3.2006 -11 K 4971/04 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
10 
Der Kläger beantragt,
11 
die Berufung zurückzuweisen.
12 
Er verteidigt die angefochtene gerichtliche Entscheidung und hebt hervor, dass er seiner Nachweispflicht im Einzelnen nachgekommen und insbesondere der Ansicht des Verwaltungsgerichts zu folgen sei, eine Anwendung der satzungsrechtlichen Bagatellgrenze komme nicht in Betracht.
13 
Dem Senat liegen die angefallenen Akten der Beklagten und die des Verwaltungsgerichts vor. Auf sie und auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.
II.
14 
Der Senat entscheidet über die Berufung durch Beschluss nach § 130a VwGO, da er das Rechtsmittel einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Beide Beteiligte sind dazu gehört worden (§ 130a Satz 2, § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
15 
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und auch begründet. Das Verwaltungsgericht hätte der zulässigen Verpflichtungsklage des Klägers auch nicht teilweise stattgeben dürfen. Denn die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 24.5.2002 und vom 9.4.2003 (in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 8.5.2003), mit denen eine Absetzung von Wassermengen bei der Abwassergebührenbemessung abgelehnt worden ist, sind rechtmäßig und verletzen daher den Kläger nicht in seinen Rechten Zwar folgt dies nicht bereits daraus, dass der Kläger die Nachweisfrist nicht eingehalten hätte (dazu 1.). Indes hat der Kläger materiell-rechtlich keinen Anspruch auf Absetzung der von ihm geltend gemachten Wassermengen bei der Berechnung der Abwassergebühr für die jeweiligen Jahre (dazu unten 2.; zum Ganzen vgl. § 113 Abs. 5 VwGO).
16 
1. Ein Anspruch auf Absetzung von Wassermengen scheitert entgegen der Ansicht der Beklagten nicht bereits daran, dass der Kläger die hierfür satzungsrechtlich vorgesehene Antragsfrist versäumt haben könnte.
17 
Nach § 40 Abs. 1 der Satzung über die öffentliche Abwasserbeseitigung vom 10.11.1999 i.d.F. vom 7.12.2000 - AbwS - werden Wassermengen, die nachweislich nicht in die öffentliche Abwasseranlage eingeleitet wurden, auf Antrag des Gebührenschuldners bei der Bemessung der Abwassergebühr abgesetzt; von der Absetzung ausgenommen ist eine Wassermenge von 20 m³/Jahr. Nach Abs. 4 dieser Bestimmung sind Anträge auf Absetzung nicht eingeleiteter Wassermengen bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe des Gebührenbescheids zu stellen. Diese Antragsfrist ist als Ausschlussfrist zu sehen (vgl. auch Senat, Urteil vom 22.8.1988 - 2 S 424/87 -, BWGZ 1989, 88, 89). Indes umfasst dieses Verständnis der Frist nicht zugleich auch die Forderung, innerhalb der genannten Frist müsse die absetzbare Wassermenge auch (genau) bezeichnet sein (davon geht ohne nähere Darlegung der Senat im genannten Urteil vom 22.8.1988, a.a.O. S. 89 aus). Diese Forderung ist - wie das Verwaltungsgericht zutreffend betont - in der Satzung nicht angelegt, die lediglich den Antrag an die in § 40 Abs. 4 normativ festgelegte Monatsfrist bindet. Sie ergibt sich auch nicht aus dem allgemeinem Verwaltungsverfahrensrecht (dazu Senat, Urteil vom 14.11.2005 - 2 S 1884/03 -; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. A., § 22 RdNr. 35, je m.w.N.). Eine über die genannte Wirkung hinausgehende „formelle Präklusion“, die sich auf die Begründung des Antrags beziehen könnte, müsste insbesondere gesetzlich festgelegt und auch verfassungsrechtlich zu rechtfertigen sein (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 31 RdNr. 6 ff, m.w.N.). Für eine satzungsrechtliche oder sonstige normative Festlegung finden sich keine Anhaltspunkte, insbesondere bietet der Wortlaut der satzungsrechtlichen Bestimmung hierfür keinen Ansatz. Auch deren entsprechende Auslegung scheidet aus.
18 
Insbesondere die verfassungsrechtliche Rechtfertigung einer Präklusion würde auch - ohne dass dies hier abschließend zu entscheiden ist - die Frage nach der Abgabengerechtigkeit (Art. 3 Abs. 1 GG) aufwerfen. Ferner ist nicht festzustellen, dass die Forderung einer Monatsfrist auch für die Antragsbegründung von der Sache her geboten sein könnte. Zwar wird, wie § 40 Abs. 2 AbwS für landwirtschaftliche Betriebe verdeutlicht, im Regelfall der Mengennachweis durch einen Wasserzähler und damit „fristgerecht“ erbracht werden können. Die Satzung sieht aber auch eine „Ermittlung“ nach Tiereinheiten vor (§ 40 Abs. 3 AbwS), mithin also eine Festlegung der Abwassermenge auf Grund von gesicherten Erfahrungswerten. Jedenfalls mit Blick auf diese satzungsrechtliche Festlegung ist der Rückgriff auf solche Umstände erforderlich, die sich in dem dem Veranlagungszeitraum vorangegangenen Zeitraum ergeben haben und bei denen es in der Natur der Sache liegt, dass zwar die genannte Monatsfrist für den Antrag auf Absetzung selbst, nicht jedoch auch für dessen Begründung eingehalten werden kann. Nicht streitig ist im Übrigen, dass der Kläger seinen Absetzungsantrag jeweils innerhalb der Monatsfrist gestellt hat.
19 
2. Der Anspruch auf eine Absetzung von Wassermengen, wie er hier noch Gegenstand des Verfahrens ist, ist entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts aus Rechtsgründen nicht gegeben.
20 
Nach § 39 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung der Beklagten gilt in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum als angefallene Abwassermenge die dem Grundstück aus der öffentlichen Wasserversorgung zugeführte Wassermenge. Dass nachweisbar nicht der Abwassereinrichtung zugeleitete Mengen an Frischwasser bei der Bemessung der Abwassergebühr abgesetzt werden dürfen, ist in der Rechtsprechung und in der Literatur allgemein anerkannt (vgl. dazu Schulte/Wiesemann in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, 2005, § 6 RdNrn. 382 ff.; Queitsch, KStZ 2006, 81, je m.w.N.) und wird hier auch durch die o. a. satzungsrechtliche Regelung des § 40 Abs. 1 der Satzung bestätigt. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass ein Zusammenhang, der sich bei dem der Abwassergebühr zugrunde gelegten Frischwassermaßstab und der eingeleiteten Abwassermenge ergibt, dann nicht mehr besteht, wenn erhebliche Mengen an Abwasser nachweislich nicht in die Entsorgungseinrichtung eingeleitet werden. Im Rahmen der Gebührenbemessung für die Abwasserentsorgung dürfen daher Abwassermengen zumindest in den Fällen abgesetzt werden, in denen eine gewisse Bagatellgrenze überschritten wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.4.1967 - VII C 15.65 -, BVerwGE 26, 317; Beschluss vom 28.3.1995 - 8 N 3.93 -, BWGZ 1995, 511; ferner Senat, Urteil vom 10.7.1979 - II 1096/78 -, KStZ 1980, 93 auch zur Frage, ob eine sachlich unbillige Härte bei Nichterreichen einer satzungsrechtlich festgelegten Bagatellgrenze gegeben ist).
21 
Der Satzungsgeber darf eine solche Absetzung von nicht eingeleiteten Wassermengen von einem Nachweis abhängig machen und diesen Nachweis dem Nutzer (Gebührenschuldner) auferlegen (zur Zulässigkeit einer entsprechenden Regelung s. BVerwG, Urteil vom 14.4.1967 - VII C 15.65 - , a.a.O.; Beschluss vom 28.3.1995, a.a.O.; Senat, Urteil vom 24.7.2003 - 2 S 2700/01 -BWGZ 2003, 810; ferner Schulte/Wiesemann, a.a.O., RdNr. 387 m.w.N.; Queitsch, a.a.O., 81 m.w.N. in FN 4). Ob dabei - wie das Verwaltungsgericht dies vertritt - die Anforderung an die Nachweispflicht mit dem für die Bemessung der Gebühr nach dem Frischwasserverbrauch maßgeblichen Wahrscheinlichkeitsmaßstab in Beziehung zu setzen ist, wäre allenfalls dann zu erwägen, wenn von einer - hier nicht eröffneten - Schätzungsbefugnis des Betroffenen oder der Gemeinde ausgegangen werden könnte. Dies kann hier indes offen bleiben. Berücksichtigt man, dass die Frage nach dem Maßstab für eine Gebühr nicht gleichzusetzen ist mit der nach der Verbrauchsmenge, für die dem Nutzer durch den geforderten Nachweis eine Art "Beweislast" (dazu Queitsch a.a.O., m.w.N. in FN 4) zugeordnet wird, ist ein inhaltlicher Zusammenhang, wie ihn das Verwaltungsgericht bejaht, nicht ohne weiteres vorhanden. Vielmehr ist aus der satzungsrechtlichen Vorgabe, dass der Nachweis über eine Abzugsmenge erfolgen muss, auf einen Wirklichkeitsmaßstab zu schließen, d.h. nachzuweisen ist die tatsächlich nicht eingeleitete Frischwassermenge. Ist - und dies wie dargelegt in zulässiger Weise - satzungsrechtlich und damit normativ eine Nachweispflicht festgelegt, ergeben sich die Anforderungen an deren Erfüllung aus ihrem Charakter als Beweislastregel, ihrer satzungsrechtlichen Normierung und letztlich auch aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Demnach fordert der Nachweis - soweit nicht ohnehin technische Messeinrichtungen satzungsrechtlich vorgegeben sind - das Ausschöpfen aller dem Betroffenen zumutbaren Darlegungs- und Substantiierungsmöglichkeiten. Eine eigene Ermittlung der Abzugsmenge durch die Gemeinde ist regelmäßig nicht geboten; sie darf bei Fehlen des Nachweises von der dem Grundstück zugeführten Frischwassermenge ausgehen. Zu rechtfertigen ist dies mit Blick darauf, dass die nachzuweisenden Umstände auf eine besondere, einzelfallbezogene Befreiung von der Gebühr abzielen und sie ihre Grundlagen ausschließlich im Bereich des Betroffenen finden.
22 
Regelmäßig wird dieser Nachweis mittels eines gesonderten Wasserzählers ermöglicht, wie es die Satzung der Beklagten auch in ihrem § 40 Abs. 2 vorsieht. Anerkannt ist allerdings auch, den Nachweis - wie dargelegt - durch geeignete Unterlagen zu führen, die der Gemeinde eine nachvollziehbare Grundlage zur Bestimmung der nicht eingeleiteten Abwassermenge verschaffen können. Der Nachweis ist schließlich auch anhand allgemeiner Erfahrungswerte zulässig (dazu Schulte/Wiesemann, a.a.O., RdNr. 385; Queitsch a.a.O., S. 82; Bleile, Praxishandbuch Kommunales Gebührenrecht in Bad.-Württ., 11.00, Erl. 1.2.2.7, S. 9 ff., je m.w.N.). Die hier in Rede stehenden Abzugsmengen für die streitigen Jahre sind vom Kläger nicht durch ein Zählwerk gemessen und nachgewiesen worden. Entgegen seiner Ansicht können auch die von ihm unterbreiteten Unterlagen nicht als "Nachweis" durch Rückgriff auf allgemeine Erfahrungswerte beurteilt werden.
23 
Solche Erfahrungswerte haben sich zwar bei einzelnen Benutzergruppen bzw. Betriebsarten infolge langjähriger Erfahrung in Form von Durchschnittswerten oder Rahmenwerten herausgebildet. Sie kommen dann, wenn sie sich auf genau nachprüfbare Berechnungsgrundlagen stützen, als Nachweisgrundlage in Betracht. Fehlt es allerdings an derartigen genauen Berechnungsgrundlagen und liegen lediglich allgemeine Durchschnitts- oder Rahmenwerte vor, sind sie als alleinige Nachweisgrundlage nicht ausreichend (vgl. Bleile a.a.O.; vgl. auch Gössl, BWGZ 1992, 701). Für Metzgereibetriebe wie den des Klägers fehlt es an solchen allgemeinen Erfahrungswerten zu produktions- bzw. betriebsbezogenen Mengen nicht eingeleiteten Abwassers. Einer Bildung derartiger Erfahrungsgrundlagen stand und steht namentlich entgegen, dass verallgemeinerungsfähige Werte wegen der unterschiedlichen Produktionsverhältnisse in den jeweiligen Einzelbetrieben nicht zu ermitteln sind (dazu Gössl, a.a.O.; Queitsch, a.a.O., S. 84; Bleile, a.a.O., je m.w.N.). Welcher Wasseranteil verarbeitet und daher nicht als Abwasser eingeleitet ist, richtet sich nach der jeweiligen konkreten Rezeptur für eine Wurstsorte, mithin nach individuellen, von Betrieb zu Betrieb und von Produkt zu Produkt unterschiedlichen Vorgaben (Einzelheiten bei Queitsch, a.a.O. S. 84; vgl. auch Bleile, a.a.O. S. 11).
24 
Anerkannt ist indes auch, dass bei Fehlen solcher verallgemeinerungsfähiger Erfahrungswerte die Möglichkeit eröffnet ist, die dem betroffenen Betrieb zuzuordnenden Absatzmengen einzelfallbezogen festzustellen. Sind Messeinrichtungen - wie hier - für den Betrieb nicht vorhanden oder unzureichend, ist der satzungsrechtlich geforderte Nachweis durch eine dann betriebsbezogene Ermittlung zu erbringen, wie etwa durch ein Einzelgutachten, das nachvollziehbare Rückschlüsse auf die dem konkreten Betrieb zuzuordnenden Werte erlaubt und daher als Grundlage (Nachweis) für die Feststellung nicht eingeleiteter Abwassermengen ausreicht (vgl. nur Bleile a.a.O.). Mit dem Verwaltungsgericht ist daher davon auszugehen, dass der satzungsrechtlich geforderte „Nachweis“ - soweit Messeinrichtungen oder Erfahrungswerte fehlen - eine Darlegung schlüssiger Umstände erfordert, aus denen sich die Menge nicht eingeleiteten Wassers für den konkreten Betrieb ermitteln lässt. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts, das von einem Wahrscheinlichkeitsmaßstab ausgeht, statt die mit dem Nachweis geforderten tatsächlich festgestellten Mengen nicht eingeleiteten Wassers zugrunde zu legen, ist allerdings eine solche schlüssige Darlegung und damit der geforderte Nachweis durch den Kläger für den noch streitigen Mengenanteil hier nicht erfolgt.
25 
(a) Das Verwaltungsgericht hat eine Teilmenge an Frischwasser für nachgewiesen gehalten, die 12,5 % der Menge der vom Kläger in den streitigen Jahren bezogenen Menge an Frischfleisch entspricht, da diese Menge bei der üblichen Wurstherstellung Verwendung finde. Es hat dabei zugrunde gelegt, dass der Kläger eine Stellungnahme des Instituts für Fleischforschung, Fleischtechnologie und Qualitätssicherung vom 3.3.2005 vorgelegt hat, die die Annahme der anteiligen Menge an Frischwasser bei der Wurstherstellung belegt. Dass dies den geforderten Nachweis im obigen Sinn nicht darstellt, macht die Beklagte zutreffend geltend. Denn die Angaben des Instituts sind nicht betriebsbezogen ermittelt; es fehlt ein Zusammenhang mit den Besonderheiten des klägerischen Betriebs, auf die es aber entscheidend ankommen muss. Als "Nachweis" scheiden die Angaben des Fachinstituts aber auch deshalb aus, weil sie nicht in Einklang zu bringen sind mit denen des Klägers. Abgesehen von unterschiedlichen Angaben zum Anteil des Frischfleischs hat der Kläger auch einen erheblich höheren Anteil des bei der Wurstherstellung verarbeiteten Frischwassers pro kg Magerfleisch angegeben, als nach der Stellungnahme belegt werden soll. Das Verwaltungsgericht hat für die abweichenden Angaben des Klägers daher auch zu Recht dargelegt, dass sie als Grundlage eines Nachweises gerade nicht in Betracht kommen. Macht aber der Betroffene selbst Angaben, die erheblich von denen abweichen, auf die er sich als allgemeine Erfahrungswerte stützen will, nimmt er letzteren die Tauglichkeit, sie als allgemein maßgebliche Werte heranzuziehen. Auch das Verwaltungsgericht legt nicht dar, warum es sich bei den Angaben in der Stellungnahme vom 3.3.2005 um für den Betriebstyp allgemein anerkannte Erfahrungswerte handelt, obwohl sich die betriebstypischen Abläufe von Betrieb zu Betrieb notwendigerweise unterscheiden. Dass sich im Übrigen die vom Verwaltungsgericht festgestellten „Rundungsunschärfen“ verbieten, folgt aus dem für den Nachweis geforderten Wirklichkeitsmaßstab.
26 
(b) Als nachgewiesen hat das Verwaltungsgericht ferner eine Wassermenge von 25 m³ pro Jahr angesehen, die einem Verbrauch beim Betrieb des Wasserdampfkochschrankes entspräche. Diese Verbrauchsmenge ist zwar durch einen Wasserzähler festgehalten, der jedoch im Zeitraum zwischen 20.4.2004 und 20.4.2005 abgelesen worden ist. Hinsichtlich dieses Ablesezeitraums macht die Beklagte geltend, der festgestellte Verbrauch sei auf die Werte in den streitigen Jahre 2001 und 2002 nicht übertragbar. Dem ist zu folgen. Nimmt man in Blick, dass nach dem vom Kläger vorgelegten „Gutachten“ des Fleischerverbands Bayern vom 28.4.2005 eine für den Dampfkochschrank maßgebliche nicht eingeleitete Wassermenge von lediglich 4,8 m³ anzusetzen wäre, verliert auch die Feststellung für 2005 an Maßgeblichkeit und daher ihre Eignung, die für die vergangenen Jahre maßgeblichen Werte als nachgewiesen anzusehen. Auch insoweit gilt, dass der Nachweispflicht wegen der nicht nachvollziehbaren "Abweichung" der Angaben nicht nachgekommen ist. Auch wenn ein Messergebnis tatsächlich vorliegt, muss es deshalb an Aussagekraft verlieren, zumal auch unterschiedliche Erfassungszeiträume in Rede stehen, und daher auch unklar bleiben muss, ob überhaupt gleiche Produktions- und Mengenverhältnisse in den jeweiligen Jahren festgestellt werden können. Die Beklagte hat dem Messergebnis im Übrigen Rechnung getragen, wenn sie für den genannten „Messzeitraum“ eine Absetzung ausdrücklich anerkennt.
27 
(c) Das Verwaltungsgericht hat ferner die Verdunstungsmenge von 11,2 m³ als („gerade noch“) nachgewiesene nicht eingeleitete Abwassermenge beurteilt. Auch diese Menge ist einem Gutachten entnommen, das für einen Fremdbetrieb erstellt worden ist und daher bereits dem Grunde nach nicht ohne Darlegung einer Vergleichbarkeit herangezogen werden darf. Allerdings beruht die Annahme des Verwaltungsgerichts auch auf Angaben aus einem Arbeitsblatt der Arbeitsmappe des Heizungsingenieurs. Deren Übertragung auf „ca. 80 m²“, die im klägerischen Betrieb die Fläche der klimatisierten Produktionsräume darstellen sollen, sieht das Verwaltungsgericht als gerechtfertigt an. Dieser Annahme ist nicht zu folgen. Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass nur ein Gutachten zu einem Drittgerät vorgelegt worden ist und der Kläger auch nicht vorgetragen habe, warum dieses Fremdgutachten auf die von ihm verwendete Klimaanlage übertragbar sei. Es kommt hinzu, dass das Verwaltungsgericht selbst das „Gutachten“ als im Übrigen unbrauchbar eingestuft und es lediglich hinsichtlich der Verdunstungsmenge als „nachvollziehbar berechnet“ angesehen hat. Zwar mag die Berechnungsweise methodisch vertretbar sein, indes fehlt ihr hier aber der konkrete Bezug zu den besonderen Gegebenheiten im Betrieb des Klägers und damit letztendlich die Möglichkeit, Grundlage des Nachweises insoweit nicht eingeleiteter Wassermengen zu sein (vgl. im Übrigen auch die grundsätzlichen Bedenken gegen den Abzug von Verdunstungsmengen bei Queitsch, a.a.O. S 85).
28 
(d) Das Verwaltungsgericht hat im Übrigen zutreffend dargelegt, dass die weiter unterbreiteten Angaben des Klägers als Nachweis nicht eingeleiteter Abwassermengen ungeeignet sind. Darauf kann verwiesen werden. Ist daher nach allem die Annahme gerechtfertigt, dass der nach § 40 Abs. 1 AbwS geforderte Nachweis der nicht eingeleiteten Wassermenge für die Jahre 2001 und 2002 nicht erbracht ist, erübrigt es sich, auf die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts einzugehen, eine Absetzung nicht eingeleiteter Frischwassermengen müsse aus Gründen der Gleichbehandlung ohne Berücksichtigung der satzungsrechtlich nach Abs. 1 Satz 2 dieser Bestimmung von der Absetzung ausgenommenen Menge von 20 m³/Jahr erfolgen.
29 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
30 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
31 
Beschluss
vom 5. Oktober 2006
32 
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 252,76 EUR festgesetzt (vgl. § 52 Abs. 3 GKG, § 5 ZPO; Wert der vom Verwaltungsgericht anerkannten Absatzmengen für die Jahre 2001 und 2002 in Höhe von 84,8 m² x 3,05 bzw. 2,91 EUR).
33 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

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Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 16. März 2017 - 1 K 2131/15

bei uns veröffentlicht am 16.03.2017

Tenor Soweit die Klage zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt.Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.Die Klägerinnen tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner. Tatbestand   1 Die Klägerinnen wenden sich gegen die Erhebung

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Tenor

Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger bei der Bemessung seiner Abwassergebühr für das Jahr 2001 die Absetzung einer Wassermenge von 42,0 m³ und für das Jahr 2002 die Absetzung einer Wassermenge von 42,8 m³ zu gewähren.

Soweit die Bescheide der Beklagten vom 24. Mai 2002 und vom 09. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts Rems-Murr-Kreis vom 08. Mai 2003 dem entgegenstehen, werden diese aufgehoben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens trägt der Kläger 70 %, die Beklagte 30 %.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Absetzung von Wassermengen bei der Berechnung seiner Abwassergebühren für die Jahre 2001 und 2002.
Der Kläger ist Eigentümer eines Grundstücks im Gemeindegebiet der Beklagten. Das Grundstück ist mit einem Wohnhaus bebaut sowie mit Gewerberäumen, in denen der Kläger eine Metzgerei betreibt. Das Grundstück ist an die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung der Beklagten angeschlossen. Eine separate Wasserzähluhr für die auf dem Grundstück befindlichen Wohnungen bzw. für den dortigen Metzgereibetrieb ist nicht vorhanden.
Auf der Grundlage ihrer Satzung über die öffentliche Abwasserbeseitigung - AbwS - vom 10.11.1999 i.d.F. v. 07.12.2000, die als Gebührenmaßstab die anfallende Abwassermenge vorsieht, wobei sich diese wiederum nach der dem Grundstück zugeführten Frischwassermenge richtet, veranlagte die Beklagte den Kläger für das Kalenderjahr 2001 bei einer dem Grundstück zugeführten Frischwassermenge von 933 m³ zur Abwassergebühr.
Mit Schreiben vom 05.04.2002 beantragte der Kläger daraufhin bei der Beklagten, bei der Bemessung der Abwassergebühr von der Abwassermenge, die auf seinen Metzgereibetrieb entfällt, eine Wassermenge in Höhe von 25 % gemäß § 40 Abs. 1 AbwS abzusetzen, da diese Wassermenge nachweislich nicht in die öffentliche Abwasseranlage eingeleitet werde. Zur Begründung führte er aus, in einer Metzgerei werde das insgesamt bezogene Frischwasser nur zu einem Teil an das Abwassersystem abgegeben, da eine beträchtliche Wassermenge entweder als Prozesswasser oder als atmosphärisches Wasser abgehe. Dies gelte insbesondere für die Wurstbereitung. Ein beträchtlicher Teil des bezogenen Frischwassers gehe auch in Form von Scherben-Eis oder in die Fertigung von Sülzen, Saucen, Suppen usw. ein. Auch für andere handwerkliche und landwirtschaftliche Betriebe sehe die Abwassersatzung Absetzungsmengen vor. Eine pauschale Abzugsmenge von 25 % vom Frischwasserbezug zur Messung der Abwassermenge sei für Metzgereien hinreichend belegt und anerkannt. Der Kläger legte hierzu verschiedene Stellungnahmen, Gutachten bzw. gutachterliche Stellungnahmen über die Höhe betriebs- bzw. produktionsbedingter Wasserverluste bei Metzgereibetrieben vor.
Diesen Antrag des Klägers lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 24.05.2002 ab. Zur Begründung ist ausgeführt, der von § 40 Abs. 1 AbwS geforderte Nachweis der nicht eingeleiteten Abwassermenge sei nicht erbracht. Die vorgelegten gutachterlichen Stellungnahmen beträfen nicht den Betrieb des Klägers. Ein Mustergutachten für Metzgereien im allgemeinen gebe es aber nicht. Eine pauschalierte Abwassermenge könne daher nicht abgesetzt werden.
Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein. Zur Begründung trägt er vor, die Beklagte habe keinerlei Ermittlungen des relevanten Sachverhalts vorgenommen. Wenn keine Feststellung möglich sei, wie hoch der prozentuale Anteil bei von Metzgereien bezogenem Frischwasser sei, der nicht in die Abwasserkanalisation eingeleitet werde, so müsse zumindest geprüft werden, ob es Anhaltspunkte dafür gebe, welcher quantitative Anteil in der Regel im Minimum nicht in die Kanalisation gelange. Dem Antrag hätte dann mit diesem Wert zumindest stattgegeben werden müssen. Nach den vorgelegten Unterlagen sei aber bei einem üblichen Fleischereibetrieb mit üblicher Produktion jedenfalls von 20 % des Frischwassers auszugehen, das nicht in die Kanalisation gelange. Ein einzelbetriebliches Gutachten insoweit zu verlangen, widerspreche dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Mit Datum vom 17.03.2003 veranlagte die Beklagte den Kläger für das Kalenderjahr 2002 auf der Basis einer bezogenen Frischwassermenge von 935 m³ zur Abwassergebühr. Daraufhin beantragte der Kläger erneut unter dem 02.04.2003 die Absetzung von Wassermengen bei der Bemessung der Abwassergebühr und bezog sich hierbei auf seinen Antrag vom Vorjahr. Auch diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 07.04.2003 ab. Zur Begründung ist ebenfalls auf den Bescheid des Vorjahres Bezug genommen. Auch insoweit legte der Kläger Widerspruch ein. Zur weiteren Begründung legte der Kläger das Ergebnis einer Umfrage des Städtetages Baden-Württemberg unter seinen Mitgliedern aus dem Jahre 1998 vor, inwieweit dort pauschale Absetzungsmengen bei der Berechnung der Abwassergebühr vorgenommen werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.05.2003 schließlich wies das Landratsamt Rems-Murr-Kreis die Widersprüche des Klägers insgesamt zurück. Zur Begründung heißt es dort u.a., bei der öffentlichen Abwasserbeseitigung ließen sich Abwassermengen und unterschiedlicher Verschmutzungsgrad des Abwassers nur mit einem unverhältnismäßigen Kostenaufwand exakt ermitteln. Es könne daher auf keinen „Wirklichkeitsmaßstab“ zurückgegriffen werden, vielmehr müsse bei der Gebührenbemessung ein „Wahrscheinlichkeitsmaßstab“ zu Grunde gelegt werden. Die gemessene Frischwassermenge sei daher in Bezug auf die eingeleitete Schmutzwassermenge als sachgerechter Gebührenmaßstab anerkannt. Hiervon lasse § 40 Abs. 1 AbwS der Beklagten insoweit eine Ausnahme zu, als nachweislich nicht in die öffentlichen Abwasseranlagen eingeleitete Wassermengen abgesetzt werden könnten. Diese nicht eingeleitete Wassermenge lasse sich ebenfalls exakt nur feststellen, wenn sie durch eine eigene Messeinrichtung festgestellt werden könne. Da solches auf Grund der außerordentlich hohen Kosten im Regelfall nicht zumutbar sei, könne der Nachweis der nicht eingeleiteten Wassermenge auch durch ein entsprechendes Fachgutachten erbracht werden. Könne der Nachweis auch so nicht erbracht werden, so könne die Gemeinde gemäß § 162 AO diese Wassermenge schätzen. Voraussetzung sei aber, dass der Gebührenschuldner die Schätzungsgrundlagen hierzu beschaffe. Die vom Kläger im Verfahren vorgelegten Gutachten und Stellungnahmen könnten als Nachweis nicht anerkannt werden, da sie nicht auf die konkreten Verhältnisse seines Betriebs zu beziehen seien. Aber auch Mustergutachten, in denen für bestimmte Produktionsabläufe - wie hier bei Metzgereibetrieben - die produktionsbedingten Wasserverluste exemplarisch aufgeschlüsselt und dargestellt seien, gebe es für Metzgereien nicht. Anders als bei Bäckereien und Brauereien, für die solche Mustergutachten existierten, könne eine solche pauschale Absetzung für den Metzgereibetrieb des Klägers daher nicht erfolgen. Aber auch ein ausdrücklicher Nachweis über die konkret-individuellen Verhältnisse im Betrieb des Klägers sei nicht erbracht worden. Ohne einen solchen Nachweis sei eine Absetzung, auch eine teilweise Absetzung, aber nicht möglich.
Der Kläger hat am 22.05.2003 das Verwaltungsgericht angerufen. Zur Begründung ist ausgeführt, die von der Widerspruchsbehörde angemahnten Schätzungsgrundlagen zur Ermöglichung einer Schätzung der nicht eingeleiteten Wassermenge gemäß § 164 AO durch die Beklagte seien vom Kläger durchaus dargestellt worden. Die Anforderungen an die Darlegungslast für eine Mindestschätzung seien hier in unzulässiger Weise überzogen. Ausgehend von den vorgelegten Stellungnahmen und Gutachten sei jedenfalls eine Abzugsmenge von 15 bis 20 % hinreichend belegt.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide vom 24. Mai 2002 und vom 09. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts Rems-Murr-Kreis vom 08. Mai 2003 zu verpflichten, zur Berechnung der Abwassergebühr für die Jahre 2001 und 2002 jeweils eine Wassermenge von 140 m³ (20 % der für den Metzgereibetrieb bezogenen Frischwassermenge) abzusetzen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung trägt sie zunächst vor, der Kläger habe die Nachweispflicht in § 40 Abs. 1 AbwS nicht erfüllt. Die vom Kläger vorgelegten Gutachten beträfen nicht seinen Betrieb. Anhaltspunkte für eine pauschale Absetzung etwa von 25 % des Frischwasserverbrauchs bei der Berechnung der Abwassergebühren gebe es aber nicht. Die vorgelegten Gutachten seien viel zu pauschal gehalten. Schließlich sei noch nicht einmal geklärt, welche Frischwassermenge für den Metzgereibetrieb und welche für die beiden im Gebäude befindlichen Wohnungen entfielen, da insoweit keine separate Wasseruhr vorhanden sei.
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Die Kammer hat mit Beschluss vom 19.02.2004 gemäß § 6 Abs. 1 VwGO den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
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Zur Vorbereitung der zunächst durchgeführten mündlichen Verhandlung vom 18.03.2004 ergänzte der Kläger sein Vorbringen dahingehend, dass ein Gutachten, das auf die Spezifika seines Betriebes eingehe, angesichts des dafür anzunehmenden Kostenaufwandes in keiner Relation stünde zu den Beträgen, die sich infolge der Reduzierung der Abwassergebühren ergäben, weshalb eine solche Forderung unzumutbar sei. Die richtige Absetzungsmenge müsste daher in Anwendung von § 287 ZPO durch das Gericht geschätzt werden. Das von der Beklagten aufgeworfene Problem in Bezug auf die fehlende separate Wasseruhr für die Wohnungen bzw. den Metzgereibetrieb sei ein „Scheinargument“. Gehe man von den üblichen Verbrauchszahlen der in den Wohnungen lebenden Personen aus, ergebe sich, dass der gewerbliche Verbrauch pro Jahr bei 700 m³ liege, von denen eine Absetzung in der Höhe von 20 % beantragt sei. Ergänzend trug der Kläger nun erstmals Produktionsdaten sowie Beschreibungen von ihm praktizierter Produktionsabläufe vor. Danach würden bezogen auf das Kalenderjahr 2002 6,308 m³ Frischwasser allein bei der Wurstproduktion in diese hineinverarbeitet. Ein bei der Wurstproduktion eingesetzter Wasserdampfkochschrank benötige jährlich weitere 55,08 m³ Wasser. Bei der Schinkenproduktion würde jährlich 3,825 m³ Wasser für die Lake benötigt, die in Form von Dampf zu großen Teilen abgegeben würde und nicht in die Kanalisation gelange. Zudem gebe es noch eine Vielzahl von kleineren Verbrauchern aus denen Wasserdampf in die Atmosphäre entweiche. Dasselbe gelte für große Mengen Heißwasser, die für Reinigungszwecke täglich verwendet würden. Zur weiteren Darlegung seiner Position verwies der Kläger schließlich darauf, dass mit Hilfe des Landesinnungsverbands Baden-Württemberg des Fleischereihandwerks eine große Zahl von Metzgereibetrieben im Land von ihren jeweiligen Gemeinden entsprechende Absetzungen von Wassermengen bei der Berechnung der Abwassergebühr erreicht hätten. Beispielhaft legte der Kläger hierzu noch einen Schriftwechsel eines Metzgereibetriebes aus Oberndorf/Neckar mit der dortigen Gemeindeverwaltung sowie ein von eben diesem Metzgereibetrieb im Rahmen dieser Verhandlungen vorgelegtes Gutachten vor.
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Die Beklagte wiederum ergänzte ihr Vorbringen insoweit dahingehend, dass die nunmehr erbrachten Angaben noch kein Nachweis im Sinne von § 40 Abs. 1 AbwS seien. Technische Angaben etwa über den vom Kläger erwähnten Wasserdampfkochschrank fehlten. Nach ihren eigenen Ermittlungen benötige ein solches Gerät wesentlich weniger Frischwasser. Aber selbst unter Zugrundelegung der nunmehr gemachten klägerischen Angaben, ergäben sich bei Weitem nicht die begehrten Absetzungsmengen von 20 % des bezogenen Frischwassers. Im Übrigen habe der Kläger für das ebenfalls streitige Veranlagungsjahr 2001 noch überhaupt keine Angaben gemacht.
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Nach Durchführung einer ersten mündlichen Verhandlung schlug das Verwaltungsgericht den Beteiligten mit Beschluss vom 22.03.2004 im Wege des Vergleichs ein Rechenmodell für die abzusetzende Wassermenge bei der Berechnung der Abwassergebühr vor. Der Vergleich kam nicht zu Stande. Die Beteiligten beantragten zunächst das Ruhen des Verfahrens, was mit Beschluss vom 08.06.2004 auch angeordnet wurde.
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Die Beklagte rief am 16.12.2004 das Verfahren wieder an. Sie rügt insoweit nach wie vor, der Kläger habe die entsprechenden Nachweise nicht erbracht. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg sei es gerade nicht unzumutbar, den mit der Nachweisführungspflicht belegten Abgabengebührenschuldner zu konkreten Nachweisen zu verpflichten. Etwaige Gutachterkosten müsse der Kläger daher tragen. Zwischenzeitlich erfolgte Messungen am Wasserdampfkochschrank des Klägers nach Einbau eines separaten Zwischenzählers im April 2004 ließen den Rückschluss auf einen Verbrauch i.H.v. 29 m³/jährlich durch dieses Gerät zu. Ob die nun erfolgte Messung auf die hier streitigen Veranlagungsjahre 2001 und 2002 rückbezogen werden könne, sei schon fraglich. Die in die Wurst hineinverarbeitete Menge von 6 m³ sei zwar ebenfalls bisher nicht konkret nachgewiesen, könne aber unter Umständen zumindest als möglich angesehen werden. Hinsichtlich weiterer Absetzungen hingegen lägen überhaupt noch keine nachgewiesenen Angaben vor. Nachdem nun aber im Falle der Absetzung von Frischwassermengen bei der Berechnung der Abwassergebühr gemäß § 40 Abs. 1 AbwS in jedem Fall eine Mindestmenge von 20 m³ bei der Absetzung ausgenommen sei, könne der Klage nicht stattgegeben werden.
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Der Kläger legte daraufhin Unterlagen über die von ihm in den Jahren 2001 und 2002 bezogenen Fleischmengen vor. Zugleich legte er eine Stellungnahme des Instituts für Fleischforschung vor, über die durchschnittliche Wurstbereitung, die Rezeptur und den Frischwasserverbrauch im deutschen Metzgereihandwerk. Zuletzt schließlich legte der Kläger eine gutachtliche Stellungnahme des Fleischerverbandes Bayern vor, die nach den vom Kläger gemachten Vorgaben unter Berücksichtigung der Produktion sowie der zu reinigenden Flächen und Betriebsabläufe eine jährliche Absetzungsmenge von 87,076 m³ Wasser errechnete.
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Die Beklagte entgegnete insoweit, nach wie vor seien die konkreten Mengen der Wurstproduktion nicht nachgewiesen. Der Nachweis der bezogenen Frischfleischmengen genüge insoweit nicht. Im Übrigen habe der Kläger auch - wenn auch in geringerem Umfang - Wurstwaren zugekauft. Hinsichtlich des Wasserdampfkochschrankes habe eine Jahresablesung des nunmehr eingebauten separaten Wasserzwischenzählers einen Verbrauch von 25 m³ ergeben. Allerdings lasse diese Ablesung eigentlich keine Rückschlüsse auf andere Verbrauchszeiträume zu. Im Übrigen sei sowohl der Anwendung der vom Kläger ins Spiel gebrachten gerichtlichen Schätzungsbefugnis nach § 287 ZPO als auch der Anwendung der von der Widerspruchsbehörde angenommenen gemeindlichen Schätzungsbefugnis nach § 162 AO zu widersprechen. Vielmehr seien die angegriffenen Bescheide schon deshalb rechtmäßig, weil der Kläger im Verwaltungsverfahren selbst keinen Nachweis im Sinne von § 40 Abs. 1 AbwS geführt habe und ein solcher im gerichtlichen Verfahren nicht mehr nachgeholt werden könne.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die eingereichten Schriftsätze, die Gerichtsakten, die vom Kläger vorgelegten Unterlagen sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
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Der Einzelrichter hat die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass die Entscheidungsfindung wegen einer aktuellen Überlastung der Kammer vier Wochen in Anspruch nehmen werde. Die Beteiligten haben insoweit keine Einwände erhoben.

Entscheidungsgründe

 
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Das Gericht konnte vorliegend gemäß § 6 Abs. 1 VwGO durch den Einzelrichter entscheiden. Im Zeitpunkt des Übertragungsbeschlusses, dem 19.02.2004, als Ladung zur ersten mündlichen Verhandlung erging, stellte sich der Rechtsstreit für die Kammer als nicht von grundsätzlicher Bedeutung und ohne besondere Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art dar, nachdem der Kläger zu diesem Zeitpunkt seiner Nachweispflicht nach § 40 Abs. 1 AbwS noch nicht genügt haben dürfte. Maßgebliche Unterlagen wurden erst hernach vorgelegt. Damit trat insoweit zwar möglicherweise eine wesentlich veränderte Prozesslage i.S.v. § 6 Abs. 3 VwGO ein. Diese Vorschrift verpflichtet den Einzelrichter aber nicht zur Rückübertragung, sondern räumt ihm, anders als § 6 Abs. 1 Satz 1 VwGO für die Übertragung selbst („soll übertragen“), ein nicht intendiertes Ermessen („kann zurückübertragen“) ein. Wenn der Einzelrichter aber bei grundsätzlicher Bedeutung nicht zurückübertragen muss, sondern kann, lässt das Gesetz die Entscheidung des Einzelrichters selbst in Fällen von grundsätzlicher Bedeutung zu (BVerwG, Urt. v. 29.07.2004 - 5 C 65/03 -, NVwZ 2005, 98-99).
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Die zulässige Klage ist in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang begründet. Insoweit sind die angegriffenen Bescheide rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, so dass sie vom Gericht unter Ausspruch einer entsprechenden Verpflichtung aufgehoben werden mussten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Dagegen ist die Weigerung der Beklagten, weitergehende Absetzungsmengen zu gewähren, nicht zu beanstanden. Insoweit musste die Klage abgewiesen werden.
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I. 1. Zu Unrecht beruft sich die Beklagte darauf, die angegriffenen Bescheide seien schon deshalb rechtmäßig, weil der Kläger im Verwaltungsverfahren selbst keinen Nachweis im Sinne von § 40 Abs. 1 AbwS geführt habe und daher die Ablehnung seiner Absetzungsanträge nicht zu beanstanden sei. Ein solcher Nachweis könne im gerichtlichen Verfahren nicht mehr nachgeholt werden.
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Zutreffend ist daran allein, dass gemäß § 40 Abs. 4 AbwS Anträge auf Absetzung nicht eingeleiteter Wassermengen fristgebunden sind. Sie sind bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe des Gebührenbescheids zu stellen. Diese Antragsfrist wurde vom Kläger jeweils eingehalten. ist Diese Frist nach § 40 Abs. 4 AbwS ist als verfahrensmäßige Ausschlussfrist ausgestaltet, d. h., der Abgabengebührenschuldner verliert seinen Anspruch auf Absetzung von Abwassermengen, wenn er seinen dahingehenden Antrag nicht innerhalb dieser Frist stellt. Die Frist ist jedoch nicht zugleich „Nachweis-Frist“, wonach der in § 40 Abs. 1 AbwS verlangte Nachweis nicht in die öffentlichen Abwasseranlagen eingeleiteter Wassermengen ebenfalls innerhalb dieser Frist geführt werden müsste. Zwar soll eine solche Frist für den Absetzungsantrag sicherstellen, dass die Menge des nicht in die öffentlichen Abwasseranlagen eingeleiteten Wassers so früh wie möglich überprüft und festgestellt werden kann, um spätere Beweisschwierigkeiten zu vermeiden (VG Dessau, Urt. vom 12.08.2005 - 1 A 329/04 -, unter Hinweis auf ein geheimnisvolles Urteil eines VG D-Stadt vom 30.06.2004 - 4 A 75/02 -, zit. nach ). Diesem Erfordernis ist aber durch die Festlegung einer Antragsfrist ausreichend Rechnung getragen. Einer Beschränkung der Nachweisführungsmöglichkeit allein auf das Verwaltungsverfahren unter Ausschluss eines sich anschließenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bedarf es insoweit nicht. Solches bedürfte auch einer eindeutigen satzungsmäßigen Regelung. Es bleibt daher hier bei der auch sonst im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bestehenden Möglichkeit, im Falle eines Verpflichtungsbegehrens - wie vorliegend - die erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen noch bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung „nachzubessern“, wobei die Beklagte dadurch ausreichend geschützt ist, dass sie auf solche nachgeschobenen Nachweise durch Abgabe einer prozessualen Erledigungserklärung reagieren kann mit der dann gemäß § 161 Abs. 2 VwGO eintretenden Folge einer Kostentragungspflicht des bis dahin mit seinem Nachweis säumigen Abgabengebührenschuldners.
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2. Umgekehrt geht aber auch der Kläger fehl, wenn er sich mit Blick auf die ihm obliegenden Nachweispflicht nach § 40 Abs. 1 AbwS darauf beruft, das Gericht könne gemäß § 173 Satz 1 VwGO, § 287 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO die entsprechende Wassermengen, die nicht in die öffentlichen Wasseranlagen eingeleitet wurden, schätzen. § 40 Abs. 1 AbwS bestimmt als materiell-rechtliche Vorschrift, dass nur die Wassermengen bei der Bemessung der Abwassergebühr abzusetzen sind, die nachweislich nicht in die öffentlichen Abwasseranlagen eingeleitet wurden. Eine solche Nachweispflicht schließt die Anwendung einer Schätzungsregelung aber im Regelfall aus. Den Befürchtungen des Klägers insoweit, es liege ansonsten ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vor, da der Nachweis entsprechender Wassermengen höhere Kosten verursachen könnte, als durch die Reduzierung der Abwassergebühr je wieder einzusparen wäre, ist dadurch Rechnung zu tragen, dass der Begriff „Nachweis“ i.S.v. § 40 Abs. 1 AbwS eine spezifisch abwassergebührenrechtliche Auslegung (dazu sogleich) finden muss. Einer gerichtlichen Schätzungsbefugnis bedarf es aber nicht.
29 
Aus demselben Grund scheidet im Übrigen auch eine Anwendung von § 162 AO, wie es die Widerspruchsbehörde hier angenommen hat, zur Begründung einer gemeindlichen Schätzungsbefugnis ebenfalls aus.
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3. Bleibt es damit grundsätzlich bei der dem Abgabengebührenschuldner auferlegten Nachweispflicht, so ist jedoch zunächst festzustellen, dass an die Erfüllung eines solchen Nachweises keine überzogenen Anforderungen angelegt werden dürfen, insbesondere nicht die Anforderung eines gleichsam unwiderleglichen technisch-physikalischen Beweises. Dies ergibt sich aus Folgendem:
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a) Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Rechtsprechung bereits vielfach zu den Vorgaben Stellung genommen, die sich aus dem Äquivalenzprinzip und dem Gleichheitssatz für die Ausgestaltung von Abwassergebühren ergeben. Beide Grundsätze fordern in Verbindung miteinander, dass die Benutzungsgebühr im Allgemeinen nach dem Umfang der Benutzung bemessen wird, sodass bei etwa gleicher Inanspruchnahme der gemeindlichen Einrichtung etwa gleich hohe Gebühren und bei unterschiedlicher Benutzung diesen Unterschieden in etwa angemessene Gebühren bezahlt werden. Die nach Art. 3 Abs. 1 GG anzustrebende Belastungsgleichheit gewährleistet insoweit zugleich ein angemessenes Verhältnis zwischen dem Wert der Leistung und der Gebührenhöhe (BVerwG, Beschl. v. 19.09.2005 - 10 BN 2/05 -, zit nach ; Beschl. vom 5.11. 2001 - 9 B 50.01 -, Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 95 S. 17).
32 
Unbestritten ist ferner, dass im Rahmen dessen bei der Bemessung der Gebührenhöhe der Abwassergebühr ein sog. „Wahrscheinlichkeitsmaßstab“ angelegt werden darf, da ein sog „Wirklichkeitsmaßstab“, der die exakte Abwassermenge nach Volumen (und gegebenenfalls die Schmutzmenge nach Beschaffenheit) erfassen müsste, bei der Abwassergebühr einen hohen Aufwand erfordern würde (vgl. Scholz in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: Sept. 2005, § 6 Rdnr. 588).
33 
Bei der Ausgestaltung dieses „Wahrscheinlichkeitsmaßstabes“ kommt dem Ortsgesetzgeber darüber hinaus zu Gute, dass nicht gefordert werden kann, dass der insoweit wahrscheinlichste Maßstab angewendet wird (BVerwG, Urt. vom 26.10.1977 - BVerwG 7 C 4.76 -, Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 37 S. 39; Beschl. vom 25. 03.1985 - 8 B 11.84 -, NVwZ 1985, 496). Führt ein Maßstab im Allgemeinen zu einer gleichmäßigen Belastung der Beitragspflichtigen, so stellen Mehrbelastungen in Ausnahmefällen seine Rechtmäßigkeit nicht notwendig in Frage. Denn Durchbrechungen des Gleichheitssatzes durch Typisierungen und Pauschalierungen können - insbesondere bei der Regelung von Massenerscheinungen - durch Erwägungen der Verwaltungsvereinfachung und -praktikabilität gerechtfertigt sein, solange die durch jede typisierende Regelung entstehende Ungerechtigkeit noch in einem angemessenen Verhältnis zu den erhebungstechnischen Vorteilen der Typisierung steht und die Zahl der Ausnahmen gering ist (BVerwG, Beschl. v. 19.09.2005 - 10 BN 2/05 -, .a.a.O. und Beschl. vom 28.03.1995 - 8 N 3.93 -, NVwZ-RR 1995, 594 = Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 75 S. 36).
34 
In diesem Sinne ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn die Abwassermenge als Grundlage der Abwassergebühr nach der von der Beklagten in Kraft gesetzten Satzung - gegen die Bedenken in formeller oder materieller Hinsicht weder vorgetragen noch ersichtlich sind - nach dem sog. „Frischwassermaßstab“, also der Menge des dem Grundstück zugeführten Frischwassers, bemessen wird.
35 
b) Gelten diese Grundsätze zunächst für die Bemessung des Gebührenmaßstabes auf der Ebene der Gebührenerhebung, so erfordert das dem Rechtsstaatsprinzip innewohnende „Prinzip der Waffengleichheit“ umgekehrt aber auch bei den den Abgabenschuldner begünstigenden Regelungen - wie hier derjenigen des § 40 Abs. 1 AbwS - ihre entsprechende Berücksichtigung. Legt eine Gemeinde - zulässigerweise - bei der Erhebung einer Benutzungsgebühr einen „Wahrscheinlichkeitsmaßstab“ zugrunde, so darf sie bei der Ausgestaltung von Ausnahme- bzw. Ermäßigungstatbeständen nicht die Erfüllung eines „Wirklichkeitsmaßstabes“ verlangen. Bestimmt eine satzungsrechtliche Regelung - wie hier - zur Inanspruchnahme einer Abgabenvergünstigung einen „Nachweis“, so ist dieser demnach erbracht, wenn der Abgabenschuldner konkrete Umstände dartun kann, die aller Wahrscheinlichkeit nach und nach menschlichem Ermessen dazu führen, dass der normative Ermäßigungstatbestand einer solchen Vergünstigungsregelung erfüllt ist. Ein physikalisch-technischer Beweis oder ein Beweis im prozessualen Sinne ist dagegen nicht zu verlangen.
36 
Ein so verstandener „Nachweis“ im Sinne von § 40 Abs. 1 AbwS kann auf unterschiedliche Weise geführt werden. Möglich sind einzelbetriebliche Messungen, ggf. i.V.m. „Umrechnungen“, wobei letztere wiederum allgemeingültigen Wahrscheinlichkeitserwägungen genügen müssen. Möglich sind auch einzelfallbezogene betriebliche Gutachten mit konkret-individuellen Aussagen zum hier interessierenden Fragenkreis. Möglich sind aber auch die Anwendung fachlich allgemein anerkannter Aussagen naturwissenschaftlicher Art mit Blick auf einzelfallbezogene konkret-individuelle Betriebsgegebenheiten. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass ein Nachweis im Sinne von § 40 Abs. 1 AbwS aus verschiedenen Einzelnachweisen, die unterschiedlichen Nachweissträngen im dargestellten Sinn folgen, zusammengesetzt sein kann.
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4. In diesem Sinne für nachgewiesen hält der Einzelrichter die sich aus dem Tenor ergebenden Wassermengen, die entsprechend § 40 Abs. 1 AbwS nicht in die öffentliche Abwasseranlage eingeleitet wurden. Dies ergibt sich aus Folgendem:
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a) Zunächst abzusetzen ist eine Teilmenge an Frischwasser, die 12,5 % der vom Kläger je Kalenderjahr bezogenen Frischfleischmenge entspricht, da diese unmittelbar in die produzierte und verkaufte Wurst Eingang gefunden hat. Ausweislich der vom Kläger vorgelegten Stellungnahme zum Frischwasserverbrauch in Fleischer-Fachgeschäften des Instituts für Fleischforschung, Fleischtechnologie und Qualitätssicherung vom 03.03.2005 stehen sich in Fleischer-Fachgeschäften (wie hier beim Kläger) die Abgabe von Wurst und Fleisch an Endverbraucher gewichtsmäßig nahezu identisch gegenüber (216.000 t : 211.000 t). Ausweislich eben dieser Stellungnahme ist bei der üblichen Wurstherstellung von einer Rezeptur Magerfleisch (der einem 50-prozentigen Anteil des eingesetzten Frischfleisches entspricht) : Eis : Fettgewebe von 50 : 25 : 25 auszugehen. Das bedeutet, um einen gleichwertigen Verkaufsanteil von Wurst und Frischfleisch gegenüber dem Endverbraucher zu erhalten, muss auch die Hälfte der bezogenen Frischfleischmenge (und nicht wie vom Kläger angegeben 60 %) in die Wurstproduktion Eingang finden, woraus sich ein Magerfleischanteil in der Wurstproduktion von letztlich 25 % des ursprünglich für den Metzgereibetrieb bezogenen Fleisches ergibt. Ausgehend von der üblichen Rezeptur, dass dieser Menge die Hälfte an Eis zugegeben wird, ergibt sich die o. g. abzusetzende Wassermenge in Litern von 12,5 % des in kg gemessenen bezogenen Fleisches. Soweit der Kläger vorträgt, er gebe aber pro kg Magerfleischanteil 400 ml Wasser zu - also 40 % - (Schriftsatz vom 04.03.2004) würde dies die von ihm durch Vorlage der Stellungnahme vom 03.03.2005 üblicherweise verwendete Wassermenge deutlich übersteigen. Insoweit jedenfalls ist ein Nachweis vom Kläger im oben dargestellten Sinne nicht erbracht.
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Soweit die Beklagte rügt, in der vom Kläger bezogenen Frischfleischmenge würden sich - wenn auch in geringem Umfang - auch vereinzelt bezogene Wurstwaren verbergen, steht dies der hier vorgenommenen Berechnung nicht entgegen. Solche geringen „Rundungs-Unschärfen“ sind unter Berücksichtigung des auch an den Nachweis nach § 40 Abs. 1 AbwS anzulegenden „Wahrscheinlichkeitsmaßstabes“ (vgl. oben) hinzunehmen.
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Daraus folgt für das Kalenderjahr 2001 eine Absetzungsmenge von 5,83 m³ (bei 46.644 kg bezogenem Fleisch) und für das Kalenderjahr 2002 eine Menge von 6,57 m³ (bei 52.517 kg bezogenem Fleisch).
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b) Nachgewiesen im oben dargestellten Sinne ist darüber hinaus eine Wassermenge von 25 m³/jährlich, der zwar nicht in der Wurst selbst, aber im Rahmen der Wurstproduktion dergestalt Verwendung findet, dass diese Wassermenge nicht in die öffentlichen Wasseranlagen eingeleitet wird. Diese Wassermenge entspricht dem jährlichen Verbrauch des vom Kläger für die Wurstproduktion verwendeten Wasserdampfkochschrankes. Diese Menge wurde von den Bediensteten der Beklagten im Rahmen einer einjährigen Ablesung zwischen dem 20.04.2004 und dem 20.04.2005 festgestellt und kann daher als nachgewiesen im oben genannten Sinne gelten. Soweit die Beklagte vorträgt, diese Ablesung beziehe sich streng genommen auf einen hier nicht streitigen Gebührenzeitraum, trifft dies zwar zu. Unter Zugrundelegung des aber auch insoweit heranzuziehenden „Wahrscheinlichkeitsmaßstabes“ (vgl. oben) hält es der Einzelrichter insoweit aber auch gemäß § 40 Abs. 1 AbwS für nachgewiesen, dass diese Wassermenge auch im Produktionsablauf der Jahre 2001 und 2002 verdampfte. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür anzunehmen, der Kläger habe im großen Stil in diesen Jahren andere Produktionsverfahren angewandt bzw. in großem Stil andere Wurstmengen erzeugt. Die Übernahme der für die Jahre 2004/2005 erhobenen Daten auch auf die hier streitigen Abrechnungszeiträume entspricht daher ebenfalls mit Blick auf den anzuwendenden „Wahrscheinlichkeitsmaßstab“ einem Nachweis i.S.v. § 40 Abs. 1 AbwS.
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c) In diesem Sinne als nachgewiesen kann auch gelten, eine Wassermenge i. H. v. 11,2 m³ pro Jahr die im Rahmen der Nassreinigung der Produktionsflächen über die Klimaanlage durch Verdunstung abgegeben wird und nicht Eingang in die öffentliche Abwasseranlage findet. Dabei sind Produktionsräume, die mit einer Klimaanlage versehen sind, im Umfang von ca. 80 m² im klägerischen Betrieb zu Grunde zu legen. Für den „Wasserverlust“ durch Nassreinigung dieser Flächen können tatsächlich die Daten herangezogen werden, die der Kläger mit Schriftsatz vom 11.03.2004 vorgelegt hat. Sie entstammen einem Gutachten mit Hilfe dessen ein in Oberndorf/Neckar gelegener Metzgereibetrieb von der dortigen Gemeindeverwaltung eine Absetzung von Wassermengen bei der Berechnung der Wassergebühren für seinen Metzgereibetrieb beantragt hat und das dem Kläger zur Stärkung seiner Position offenbar vom Landesinnungsverband Baden-Württemberg des Fleischerhandwerks übermittelt wurde. Danach ist gemäß dem Arbeitsblatt Ac 4 der Arbeitsmappe des Heizungsingenieurs unter Berücksichtigung der Bodenflächen, einer durchschnittlichen Anzahl von fünf Stunden, in denen diese nass gehalten sind, der Abtrocknungszeit und der Luftgeschwindigkeit in derartigen Räumen eine über die Klimaanlage abgegebene Verdunstung in der genannten Größenordnung anzunehmen. Unter Berücksichtigung der insoweit erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit (vgl. oben) kann auch insoweit (gerade noch) von einem Nachweis im Sinne von § 40 Abs. 1 AbwS ausgegangen werden.
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d) Darüber hinaus aber, soweit der Kläger weitere Absetzungsmengen begehrt, fehlt es an dem erforderlichen Nachweis. Soweit der Kläger auch die Verwendung von Frischwasser für die Fertigung von Sülzen, Soßen und Suppen vorträgt, liegen weder Angaben über Produktionsverfahren, noch über entsprechende Mengen vor. Dasselbe gilt für die vom Kläger angeführte Schinkenproduktion, bei der Wasser für die Lake benötigt wird, die in Form von Dampf zu großen Teilen abgegeben würde. Auch insoweit fehlt es an nachvollziehbaren Mengenangaben und Produktionsverfahren. Dies gilt schließlich auch für den Vortrag des Klägers, eine Vielzahl von kleineren Verbrauchern gebe Wasserdampf in die Atmosphäre ab. Diesbezüglich vermag sich der Kläger auch nicht auf das von ihm zuletzt vorgelegte „Gutachten“ des Fleischerverbandes Bayern vom 28.04.2005 berufen, das für seinen Betrieb nach den Vorgaben des Klägers eine nicht in die öffentliche Abwasseranlage eingeleitete Wassermenge i. H. v. 87 m³ errechnet. Selbst unter Heranziehung einer erleichterten Nachweisführung (vgl. oben) ist diese Stellungnahme unverwertbar. Die dort genannten Zahlen (sowohl positiv wie negativ) scheinen „Zufallszahlen“ zu sein, wie etwa die Wassermenge von 4,8 ³ für den vom Kläger verwendeten Dampfkochschrank belegt, der ja in Wahrheit (vgl. oben) eine Wassermenge von 25 m³/jährlich verbraucht. Diese Stellungnahme lässt auch keinerlei Berechnungsmodi, angewendeten Fachprinzipien oder zu Grunde gelegte Produktionsverfahren erkennen.
44 
Im Übrigen zeigen die vom Kläger vorgelegten Unterlagen, dass auf dem Gebiet der Berechnung von Absetzungsmengen hinsichtlich der Abwassergebühren für Metzgereibetriebe „Land auf Land ab“ offenbar wenig zuverlässig gearbeitet wird. So kommt das vom Kläger vorgelegte Gutachten für den in Oberndorf/Neckar beheimateten Metzgereibetrieb zu einer Absetzungsmenge in Höhe von 202 m³/jährlich und nimmt an, diese entspreche angesichts einer bezogenen Frischwassermenge in Höhe von 811 m³ für den dortigen Betrieb einem Gesamtwasserverlust in Höhe von ca. 25 %. Dabei wurde augenscheinlich „übersehen“, was den vom Kläger vorgelegten Unterlagen für diesen Metzgereibetrieb aber zu entnehmen ist, dass sich die dortige Frischwassermenge aufteilt auf 600 m³ für ein mit 15 Personen bewohntes Wohnhaus und auf 211 m³ für den dortigen Metzgereibetrieb. Das „Gutachten“ würde daher bedeuten, in diesem Metzgereibetrieb in Oberndorf/Neckar finde ein Gesamtwasserverlust in Höhe von 96 % statt, der nicht in die öffentliche Abwasseranlage eingeleitet werde. Dies ist offenkundiger Unsinn. Dass das Gericht gleichwohl die Berechnung der Wasserverdunstung in den Nassräumen aus eben diesem Gutachten auch für den Betrieb des Klägers übernommen hat, liegt darin begründet, dass jedenfalls diese eine Position nachvollziehbar berechnet ist, wohingegen sämtliche anderen Positionen ohne nachvollziehbare Berechnung als überzogen erscheinen sowie ersichtlich mehrfach aufgeführt sind (einerseits Eisherstellung, andererseits Wasserzugabe bei der Wurstherstellung, wiewohl letztere nach allen fachlichen Aussagen gerade in Form von Eis geschieht).
45 
Demzufolge kann sich der Kläger auch nicht darauf berufen, Absetzungsmengen etwa von 15, 20 oder 25 % des Frischwasserverbrauchs seinen allgemein für Metzgereibetriebe belegt und vielerorts üblich und würden von zahlreichen Kommunen innerhalb und außerhalb des Landes teilweise sogar in satzungsmäßiger Form als pauschale Absetzungsmengen gewährt. Es versteht sich von selbst, dass ein Anspruch auf Gleichbehandlung in dem Sinne, dass die Beklagte den Kläger so behandeln müsse, wie andernorts gelegene Kommunen ihre Metzgereibetriebe behandeln, nicht besteht. Dass die Beklagte aber einem anderen Metzgereibetrieb im Gemeindegebiet eine entsprechende Absetzungsmenge gewähre und den Kläger - gleichheitswidrig - hiervon ausnehme, ist nicht zu erkennen. Daneben ist nicht zu übersehen, dass nach der oben unter 4. a) - c) angestellten Berechnung, selbst wenn diese noch Unschärfen besitzen sollte, sowie nach den Unzulänglichkeiten der auf diesem Rechtsgebiet zirkulierenden Gutachten und Stellungnahmen (vgl. oben) die Annahme gerechtfertigt sein dürfte, pauschalierte Absetzungsmengen in der vom Kläger vorgetragenen Höhe für Metzgereibetriebe berührten eher den Bereich einer (in dieser Form unzulässigen) Subventionierung des Mittelstands durch zahlreiche Gemeinden, als dass sie auf einer realistischen Betrachtungsweise fußen unter Berücksichtigung der im Abgaben- und insbesondere im Gebührenrecht zu beachtenden Grundsätze der Äquivalenz zwischen Leistung und Gebühr, der horizontalen Gleichheit der Gebührenschuldner und der gleichmäßigen Einhaltung des anzuwendenden „Wahrscheinlichkeitsmaßstabes“ (vgl. oben).
46 
II. Aus den so als nachgewiesen anzusehenden Wassermengen ergibt sich der aus dem Tenor ersichtliche Anspruch des Klägers auf Absetzung gemäß § 40 Abs. 1 AbwS bei der Berechnung seiner Abwassergebühren. Entgegen der Ansicht der Beklagten reduziert sich diese Absetzungsmenge nicht mehr gemäß § 40 Abs. 1 Satz 2 AbwS um 20 m³/Jahr.
47 
Nach dieser Bestimmung ist von der Absetzung ausgenommen eine Wassermenge von 20 m³/Jahr. Zu Unrecht nimmt die Beklagte an, die vom Kläger nachgewiesene Absetzungsmenge sei daher um diese Teilmenge zu kürzen.
48 
Der Einzelrichter ist sich darüber im Klaren, dass die hier vertretene Rechtsauffassung der wohl landesweit geübten Gepflogenheit zur Handhabung von Absetzungsmengen bei der Berechnung der Abwassergebühr widerspricht (vgl. BWGZ 1997, 297). Dies ist jedoch aus Rechtsgründen unvermeidlich.
49 
Wie das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat, bedarf jede Ungleichbehandlung und Benachteiligung auch unter Berücksichtigung des Ermessens- oder Beurteilungsspielraums des Ortsgesetzgebers einer Rechtfertigung und der Grundsatz der Verwaltungspraktikabilität vermag dies nur so weit zu leisten, als die verwaltungstechnischen Vorteile der Typisierung noch in einem angemessenen Verhältnis zu der durch sie bewirkten Ungerechtigkeit stehen. Die Typisierung darf nicht gleichmachend weiter greifen, als es aus Praktikabilitätsgründen gerechtfertigt ist (BVerwG, Beschl. v. 28.03.1995 - 8 N 3/93 -, NVwZ-RR 1995, 594 = Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr 75 sowie Beschl. v. 25.01.1995 - 8 N 2.93 -).
50 
Dies würde aber geschehen, würde man dem Kläger, trotz des Nachweises einer nicht in die öffentliche Abwasseranlage eingeleiteten Abwassermenge von 42 m³/jährlich (vgl. oben), durch einen Reduzierung in Höhe von 20 m³/jährlich gemäß § 40 Abs. 1 Satz 2 AbwS Abwassergebühren auferlegen, die rein tatsächlich nicht mehr der von ihm in Anspruch genommenen Leistung entsprechen. Gerade der insoweit zur Begründung stets herangezogene Grundsatz der Verwaltungspraktikabilität und -vereinfachung gibt für eine solche Annahme nämlich nichts her. § 40 Abs. 1 Satz 2 AbwS ist - worauf bereits Gössl hingewiesen hat (BWGZ 1991, 701) - die Festsetzung einer Grenze, deren Überschreitung Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Absetzungsantrages ist. Angesichts des Aufwandes, den ein Absetzungsverfahren unter Umständen erfordert (vgl. vorliegend), soll derjenige, bei dem nur eine geringere Absetzungsmenge in Betracht kommt, von der Stellung eines solchen Antrages kraft Satzung abgehalten werden. Steht aber fest - wie vorliegend - dass diese Bagatellgrenze überschritten ist, mit anderen Worten, ist ein Absetzungsantrag zulässig und ein Absetzungsverfahren unvermeidlich, so gibt es unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungsvereinfachung und -praktikabilität keinen Grund mehr, rein rechnerisch am Ende des Absetzungsverfahrens die abzusetzende Wassermenge noch einmal um 20 m³ zu kürzen.
51 
Eine solche Kürzung würde vielmehr dazu führen, diese sog. Bagatellgrenze, die vom Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 28.03.1995 (a.a.O.) aus guten Gründen auf höchstens 20 m³ jährlich festgelegt wurde, mit einer Tendenz nach unten (vgl. die Entscheidungsgründe a.a.O.), de facto anzuheben. Da ein Absetzungsverfahren nach § 40 Abs. 1 AbwS nicht nur für die gebührenerhebende Körperschaft - hier die Beklagte - sondern auch für den Gebührenschuldner - hier den Kläger - einen erheblichen Aufwand bedeutet, würde ein solcher Abzug von nachgewiesenen Absetzungsmengen aller Voraussicht nach dazu führen, einen Gebührenschuldner von der Stellung eines Absetzungsantrages abzuhalten, wenn er davon ausgehen müsste, bei einer nachweisbaren Absetzungsmenge von 30-40 m³ überhaupt nur eine Gebührenermäßigung entsprechend 10-20 m³ zu erreichen. Im Unterschied zur erkennbaren Tendenz im Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.03.1995 (a.a.O.), würde hierdurch die Bagatellgrenze von 20 m³ jährlich wieder deutlich in Richtung 40 m³ verschoben.
52 
Im Übrigen würde durch eine solche rechnerische Reduzierung der nachgewiesenen Wassermenge, die nicht in die öffentliche Abwasseranlage eingeflossen ist, eine Ungleichbehandlung des Klägers mit anderen Abwassergebührenschuldnern der Gemeinde eintreten. Sachlicher Rechtfertigungsgrund der Bagatellgrenze § 40 Abs. 1 Satz 1 ist, dass letztlich angenommen werden muss, dass bei Zugrundelegung eines Frischwassermaßstabs jeder Abwassergebührenpflichtige innerhalb einer Gemeinde Teilmengen des bezogenen Frischwassers nicht in die öffentliche Abwasseranlage einspeist. Durch Trinken, Verdunstung, Wasserdampf beim Kochen, Blumen gießen etc. fällt bei jedem Gebührenschuldner eine gewisse derartige Wassermenge an. Ist aber kein Abwassergebührenschuldner berechtigt, die unter der Bagatellgrenze liegende Menge bei der Berechnung seiner Abwassergebühren abzusetzen, so ist eine Gleichbehandlung im Großen und Ganzen gewährleistet (abgesehen vom individuellen Verhalten bzw. von unterschiedlichen Gartenflächen, die zur Bewässerung kommen). Ausgehend hiervon muss aber auch angenommen werden, dass beim Kläger über die hier vorgenommene Berechnung von Absetzungsmengen in seinem Metzgereibetrieb derartige Wassermengen, insbesondere in den beiden auf dem Grundstück befindlichen Wohnungen, existieren. Dass ihm angesonnen wird, diese Verlustmenge bei der Berechnung seiner Abwassergebühren unberücksichtigt zu lassen, ist - der alleinige - Sinn des § 40 Abs. 1 Satz 2 AbwS und führt gerade hierdurch zur Gleichbehandlung mit allen anderen Gebührenschuldnern. Ist er aber hierdurch verpflichtet, auch etwa für die Frischwassermenge, die zur Gartenbewässerung dient, Abwassergebühren zu bezahlen, so fehlt es an einer inneren Rechtfertigung, die in völlig anderem Zusammenhang entstehenden Absetzungsmengen aus seinem Metzgereibetrieb zusätzlich um diese 20 m³/Menge zu kürzen.
53 
Der Kläger kann daher beanspruchen, die nachgewiesenen Wassermengen (vgl. oben) in ungekürzter Höhe im Rahmen seines Absetzungsantrages berücksichtigt zu bekommen.
54 
Die Kostenentscheidung folgt § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
55 
Die Zulassung der Berufung beruht auf § 124 a Abs. 1 S. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, was im vorliegenden Fall ausnahmsweise keiner weiteren Darlegung bedarf.

Gründe

 
24 
Das Gericht konnte vorliegend gemäß § 6 Abs. 1 VwGO durch den Einzelrichter entscheiden. Im Zeitpunkt des Übertragungsbeschlusses, dem 19.02.2004, als Ladung zur ersten mündlichen Verhandlung erging, stellte sich der Rechtsstreit für die Kammer als nicht von grundsätzlicher Bedeutung und ohne besondere Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art dar, nachdem der Kläger zu diesem Zeitpunkt seiner Nachweispflicht nach § 40 Abs. 1 AbwS noch nicht genügt haben dürfte. Maßgebliche Unterlagen wurden erst hernach vorgelegt. Damit trat insoweit zwar möglicherweise eine wesentlich veränderte Prozesslage i.S.v. § 6 Abs. 3 VwGO ein. Diese Vorschrift verpflichtet den Einzelrichter aber nicht zur Rückübertragung, sondern räumt ihm, anders als § 6 Abs. 1 Satz 1 VwGO für die Übertragung selbst („soll übertragen“), ein nicht intendiertes Ermessen („kann zurückübertragen“) ein. Wenn der Einzelrichter aber bei grundsätzlicher Bedeutung nicht zurückübertragen muss, sondern kann, lässt das Gesetz die Entscheidung des Einzelrichters selbst in Fällen von grundsätzlicher Bedeutung zu (BVerwG, Urt. v. 29.07.2004 - 5 C 65/03 -, NVwZ 2005, 98-99).
25 
Die zulässige Klage ist in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang begründet. Insoweit sind die angegriffenen Bescheide rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, so dass sie vom Gericht unter Ausspruch einer entsprechenden Verpflichtung aufgehoben werden mussten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Dagegen ist die Weigerung der Beklagten, weitergehende Absetzungsmengen zu gewähren, nicht zu beanstanden. Insoweit musste die Klage abgewiesen werden.
26 
I. 1. Zu Unrecht beruft sich die Beklagte darauf, die angegriffenen Bescheide seien schon deshalb rechtmäßig, weil der Kläger im Verwaltungsverfahren selbst keinen Nachweis im Sinne von § 40 Abs. 1 AbwS geführt habe und daher die Ablehnung seiner Absetzungsanträge nicht zu beanstanden sei. Ein solcher Nachweis könne im gerichtlichen Verfahren nicht mehr nachgeholt werden.
27 
Zutreffend ist daran allein, dass gemäß § 40 Abs. 4 AbwS Anträge auf Absetzung nicht eingeleiteter Wassermengen fristgebunden sind. Sie sind bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe des Gebührenbescheids zu stellen. Diese Antragsfrist wurde vom Kläger jeweils eingehalten. ist Diese Frist nach § 40 Abs. 4 AbwS ist als verfahrensmäßige Ausschlussfrist ausgestaltet, d. h., der Abgabengebührenschuldner verliert seinen Anspruch auf Absetzung von Abwassermengen, wenn er seinen dahingehenden Antrag nicht innerhalb dieser Frist stellt. Die Frist ist jedoch nicht zugleich „Nachweis-Frist“, wonach der in § 40 Abs. 1 AbwS verlangte Nachweis nicht in die öffentlichen Abwasseranlagen eingeleiteter Wassermengen ebenfalls innerhalb dieser Frist geführt werden müsste. Zwar soll eine solche Frist für den Absetzungsantrag sicherstellen, dass die Menge des nicht in die öffentlichen Abwasseranlagen eingeleiteten Wassers so früh wie möglich überprüft und festgestellt werden kann, um spätere Beweisschwierigkeiten zu vermeiden (VG Dessau, Urt. vom 12.08.2005 - 1 A 329/04 -, unter Hinweis auf ein geheimnisvolles Urteil eines VG D-Stadt vom 30.06.2004 - 4 A 75/02 -, zit. nach ). Diesem Erfordernis ist aber durch die Festlegung einer Antragsfrist ausreichend Rechnung getragen. Einer Beschränkung der Nachweisführungsmöglichkeit allein auf das Verwaltungsverfahren unter Ausschluss eines sich anschließenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bedarf es insoweit nicht. Solches bedürfte auch einer eindeutigen satzungsmäßigen Regelung. Es bleibt daher hier bei der auch sonst im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bestehenden Möglichkeit, im Falle eines Verpflichtungsbegehrens - wie vorliegend - die erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen noch bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung „nachzubessern“, wobei die Beklagte dadurch ausreichend geschützt ist, dass sie auf solche nachgeschobenen Nachweise durch Abgabe einer prozessualen Erledigungserklärung reagieren kann mit der dann gemäß § 161 Abs. 2 VwGO eintretenden Folge einer Kostentragungspflicht des bis dahin mit seinem Nachweis säumigen Abgabengebührenschuldners.
28 
2. Umgekehrt geht aber auch der Kläger fehl, wenn er sich mit Blick auf die ihm obliegenden Nachweispflicht nach § 40 Abs. 1 AbwS darauf beruft, das Gericht könne gemäß § 173 Satz 1 VwGO, § 287 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO die entsprechende Wassermengen, die nicht in die öffentlichen Wasseranlagen eingeleitet wurden, schätzen. § 40 Abs. 1 AbwS bestimmt als materiell-rechtliche Vorschrift, dass nur die Wassermengen bei der Bemessung der Abwassergebühr abzusetzen sind, die nachweislich nicht in die öffentlichen Abwasseranlagen eingeleitet wurden. Eine solche Nachweispflicht schließt die Anwendung einer Schätzungsregelung aber im Regelfall aus. Den Befürchtungen des Klägers insoweit, es liege ansonsten ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vor, da der Nachweis entsprechender Wassermengen höhere Kosten verursachen könnte, als durch die Reduzierung der Abwassergebühr je wieder einzusparen wäre, ist dadurch Rechnung zu tragen, dass der Begriff „Nachweis“ i.S.v. § 40 Abs. 1 AbwS eine spezifisch abwassergebührenrechtliche Auslegung (dazu sogleich) finden muss. Einer gerichtlichen Schätzungsbefugnis bedarf es aber nicht.
29 
Aus demselben Grund scheidet im Übrigen auch eine Anwendung von § 162 AO, wie es die Widerspruchsbehörde hier angenommen hat, zur Begründung einer gemeindlichen Schätzungsbefugnis ebenfalls aus.
30 
3. Bleibt es damit grundsätzlich bei der dem Abgabengebührenschuldner auferlegten Nachweispflicht, so ist jedoch zunächst festzustellen, dass an die Erfüllung eines solchen Nachweises keine überzogenen Anforderungen angelegt werden dürfen, insbesondere nicht die Anforderung eines gleichsam unwiderleglichen technisch-physikalischen Beweises. Dies ergibt sich aus Folgendem:
31 
a) Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Rechtsprechung bereits vielfach zu den Vorgaben Stellung genommen, die sich aus dem Äquivalenzprinzip und dem Gleichheitssatz für die Ausgestaltung von Abwassergebühren ergeben. Beide Grundsätze fordern in Verbindung miteinander, dass die Benutzungsgebühr im Allgemeinen nach dem Umfang der Benutzung bemessen wird, sodass bei etwa gleicher Inanspruchnahme der gemeindlichen Einrichtung etwa gleich hohe Gebühren und bei unterschiedlicher Benutzung diesen Unterschieden in etwa angemessene Gebühren bezahlt werden. Die nach Art. 3 Abs. 1 GG anzustrebende Belastungsgleichheit gewährleistet insoweit zugleich ein angemessenes Verhältnis zwischen dem Wert der Leistung und der Gebührenhöhe (BVerwG, Beschl. v. 19.09.2005 - 10 BN 2/05 -, zit nach ; Beschl. vom 5.11. 2001 - 9 B 50.01 -, Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 95 S. 17).
32 
Unbestritten ist ferner, dass im Rahmen dessen bei der Bemessung der Gebührenhöhe der Abwassergebühr ein sog. „Wahrscheinlichkeitsmaßstab“ angelegt werden darf, da ein sog „Wirklichkeitsmaßstab“, der die exakte Abwassermenge nach Volumen (und gegebenenfalls die Schmutzmenge nach Beschaffenheit) erfassen müsste, bei der Abwassergebühr einen hohen Aufwand erfordern würde (vgl. Scholz in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: Sept. 2005, § 6 Rdnr. 588).
33 
Bei der Ausgestaltung dieses „Wahrscheinlichkeitsmaßstabes“ kommt dem Ortsgesetzgeber darüber hinaus zu Gute, dass nicht gefordert werden kann, dass der insoweit wahrscheinlichste Maßstab angewendet wird (BVerwG, Urt. vom 26.10.1977 - BVerwG 7 C 4.76 -, Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 37 S. 39; Beschl. vom 25. 03.1985 - 8 B 11.84 -, NVwZ 1985, 496). Führt ein Maßstab im Allgemeinen zu einer gleichmäßigen Belastung der Beitragspflichtigen, so stellen Mehrbelastungen in Ausnahmefällen seine Rechtmäßigkeit nicht notwendig in Frage. Denn Durchbrechungen des Gleichheitssatzes durch Typisierungen und Pauschalierungen können - insbesondere bei der Regelung von Massenerscheinungen - durch Erwägungen der Verwaltungsvereinfachung und -praktikabilität gerechtfertigt sein, solange die durch jede typisierende Regelung entstehende Ungerechtigkeit noch in einem angemessenen Verhältnis zu den erhebungstechnischen Vorteilen der Typisierung steht und die Zahl der Ausnahmen gering ist (BVerwG, Beschl. v. 19.09.2005 - 10 BN 2/05 -, .a.a.O. und Beschl. vom 28.03.1995 - 8 N 3.93 -, NVwZ-RR 1995, 594 = Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 75 S. 36).
34 
In diesem Sinne ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn die Abwassermenge als Grundlage der Abwassergebühr nach der von der Beklagten in Kraft gesetzten Satzung - gegen die Bedenken in formeller oder materieller Hinsicht weder vorgetragen noch ersichtlich sind - nach dem sog. „Frischwassermaßstab“, also der Menge des dem Grundstück zugeführten Frischwassers, bemessen wird.
35 
b) Gelten diese Grundsätze zunächst für die Bemessung des Gebührenmaßstabes auf der Ebene der Gebührenerhebung, so erfordert das dem Rechtsstaatsprinzip innewohnende „Prinzip der Waffengleichheit“ umgekehrt aber auch bei den den Abgabenschuldner begünstigenden Regelungen - wie hier derjenigen des § 40 Abs. 1 AbwS - ihre entsprechende Berücksichtigung. Legt eine Gemeinde - zulässigerweise - bei der Erhebung einer Benutzungsgebühr einen „Wahrscheinlichkeitsmaßstab“ zugrunde, so darf sie bei der Ausgestaltung von Ausnahme- bzw. Ermäßigungstatbeständen nicht die Erfüllung eines „Wirklichkeitsmaßstabes“ verlangen. Bestimmt eine satzungsrechtliche Regelung - wie hier - zur Inanspruchnahme einer Abgabenvergünstigung einen „Nachweis“, so ist dieser demnach erbracht, wenn der Abgabenschuldner konkrete Umstände dartun kann, die aller Wahrscheinlichkeit nach und nach menschlichem Ermessen dazu führen, dass der normative Ermäßigungstatbestand einer solchen Vergünstigungsregelung erfüllt ist. Ein physikalisch-technischer Beweis oder ein Beweis im prozessualen Sinne ist dagegen nicht zu verlangen.
36 
Ein so verstandener „Nachweis“ im Sinne von § 40 Abs. 1 AbwS kann auf unterschiedliche Weise geführt werden. Möglich sind einzelbetriebliche Messungen, ggf. i.V.m. „Umrechnungen“, wobei letztere wiederum allgemeingültigen Wahrscheinlichkeitserwägungen genügen müssen. Möglich sind auch einzelfallbezogene betriebliche Gutachten mit konkret-individuellen Aussagen zum hier interessierenden Fragenkreis. Möglich sind aber auch die Anwendung fachlich allgemein anerkannter Aussagen naturwissenschaftlicher Art mit Blick auf einzelfallbezogene konkret-individuelle Betriebsgegebenheiten. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass ein Nachweis im Sinne von § 40 Abs. 1 AbwS aus verschiedenen Einzelnachweisen, die unterschiedlichen Nachweissträngen im dargestellten Sinn folgen, zusammengesetzt sein kann.
37 
4. In diesem Sinne für nachgewiesen hält der Einzelrichter die sich aus dem Tenor ergebenden Wassermengen, die entsprechend § 40 Abs. 1 AbwS nicht in die öffentliche Abwasseranlage eingeleitet wurden. Dies ergibt sich aus Folgendem:
38 
a) Zunächst abzusetzen ist eine Teilmenge an Frischwasser, die 12,5 % der vom Kläger je Kalenderjahr bezogenen Frischfleischmenge entspricht, da diese unmittelbar in die produzierte und verkaufte Wurst Eingang gefunden hat. Ausweislich der vom Kläger vorgelegten Stellungnahme zum Frischwasserverbrauch in Fleischer-Fachgeschäften des Instituts für Fleischforschung, Fleischtechnologie und Qualitätssicherung vom 03.03.2005 stehen sich in Fleischer-Fachgeschäften (wie hier beim Kläger) die Abgabe von Wurst und Fleisch an Endverbraucher gewichtsmäßig nahezu identisch gegenüber (216.000 t : 211.000 t). Ausweislich eben dieser Stellungnahme ist bei der üblichen Wurstherstellung von einer Rezeptur Magerfleisch (der einem 50-prozentigen Anteil des eingesetzten Frischfleisches entspricht) : Eis : Fettgewebe von 50 : 25 : 25 auszugehen. Das bedeutet, um einen gleichwertigen Verkaufsanteil von Wurst und Frischfleisch gegenüber dem Endverbraucher zu erhalten, muss auch die Hälfte der bezogenen Frischfleischmenge (und nicht wie vom Kläger angegeben 60 %) in die Wurstproduktion Eingang finden, woraus sich ein Magerfleischanteil in der Wurstproduktion von letztlich 25 % des ursprünglich für den Metzgereibetrieb bezogenen Fleisches ergibt. Ausgehend von der üblichen Rezeptur, dass dieser Menge die Hälfte an Eis zugegeben wird, ergibt sich die o. g. abzusetzende Wassermenge in Litern von 12,5 % des in kg gemessenen bezogenen Fleisches. Soweit der Kläger vorträgt, er gebe aber pro kg Magerfleischanteil 400 ml Wasser zu - also 40 % - (Schriftsatz vom 04.03.2004) würde dies die von ihm durch Vorlage der Stellungnahme vom 03.03.2005 üblicherweise verwendete Wassermenge deutlich übersteigen. Insoweit jedenfalls ist ein Nachweis vom Kläger im oben dargestellten Sinne nicht erbracht.
39 
Soweit die Beklagte rügt, in der vom Kläger bezogenen Frischfleischmenge würden sich - wenn auch in geringem Umfang - auch vereinzelt bezogene Wurstwaren verbergen, steht dies der hier vorgenommenen Berechnung nicht entgegen. Solche geringen „Rundungs-Unschärfen“ sind unter Berücksichtigung des auch an den Nachweis nach § 40 Abs. 1 AbwS anzulegenden „Wahrscheinlichkeitsmaßstabes“ (vgl. oben) hinzunehmen.
40 
Daraus folgt für das Kalenderjahr 2001 eine Absetzungsmenge von 5,83 m³ (bei 46.644 kg bezogenem Fleisch) und für das Kalenderjahr 2002 eine Menge von 6,57 m³ (bei 52.517 kg bezogenem Fleisch).
41 
b) Nachgewiesen im oben dargestellten Sinne ist darüber hinaus eine Wassermenge von 25 m³/jährlich, der zwar nicht in der Wurst selbst, aber im Rahmen der Wurstproduktion dergestalt Verwendung findet, dass diese Wassermenge nicht in die öffentlichen Wasseranlagen eingeleitet wird. Diese Wassermenge entspricht dem jährlichen Verbrauch des vom Kläger für die Wurstproduktion verwendeten Wasserdampfkochschrankes. Diese Menge wurde von den Bediensteten der Beklagten im Rahmen einer einjährigen Ablesung zwischen dem 20.04.2004 und dem 20.04.2005 festgestellt und kann daher als nachgewiesen im oben genannten Sinne gelten. Soweit die Beklagte vorträgt, diese Ablesung beziehe sich streng genommen auf einen hier nicht streitigen Gebührenzeitraum, trifft dies zwar zu. Unter Zugrundelegung des aber auch insoweit heranzuziehenden „Wahrscheinlichkeitsmaßstabes“ (vgl. oben) hält es der Einzelrichter insoweit aber auch gemäß § 40 Abs. 1 AbwS für nachgewiesen, dass diese Wassermenge auch im Produktionsablauf der Jahre 2001 und 2002 verdampfte. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür anzunehmen, der Kläger habe im großen Stil in diesen Jahren andere Produktionsverfahren angewandt bzw. in großem Stil andere Wurstmengen erzeugt. Die Übernahme der für die Jahre 2004/2005 erhobenen Daten auch auf die hier streitigen Abrechnungszeiträume entspricht daher ebenfalls mit Blick auf den anzuwendenden „Wahrscheinlichkeitsmaßstab“ einem Nachweis i.S.v. § 40 Abs. 1 AbwS.
42 
c) In diesem Sinne als nachgewiesen kann auch gelten, eine Wassermenge i. H. v. 11,2 m³ pro Jahr die im Rahmen der Nassreinigung der Produktionsflächen über die Klimaanlage durch Verdunstung abgegeben wird und nicht Eingang in die öffentliche Abwasseranlage findet. Dabei sind Produktionsräume, die mit einer Klimaanlage versehen sind, im Umfang von ca. 80 m² im klägerischen Betrieb zu Grunde zu legen. Für den „Wasserverlust“ durch Nassreinigung dieser Flächen können tatsächlich die Daten herangezogen werden, die der Kläger mit Schriftsatz vom 11.03.2004 vorgelegt hat. Sie entstammen einem Gutachten mit Hilfe dessen ein in Oberndorf/Neckar gelegener Metzgereibetrieb von der dortigen Gemeindeverwaltung eine Absetzung von Wassermengen bei der Berechnung der Wassergebühren für seinen Metzgereibetrieb beantragt hat und das dem Kläger zur Stärkung seiner Position offenbar vom Landesinnungsverband Baden-Württemberg des Fleischerhandwerks übermittelt wurde. Danach ist gemäß dem Arbeitsblatt Ac 4 der Arbeitsmappe des Heizungsingenieurs unter Berücksichtigung der Bodenflächen, einer durchschnittlichen Anzahl von fünf Stunden, in denen diese nass gehalten sind, der Abtrocknungszeit und der Luftgeschwindigkeit in derartigen Räumen eine über die Klimaanlage abgegebene Verdunstung in der genannten Größenordnung anzunehmen. Unter Berücksichtigung der insoweit erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit (vgl. oben) kann auch insoweit (gerade noch) von einem Nachweis im Sinne von § 40 Abs. 1 AbwS ausgegangen werden.
43 
d) Darüber hinaus aber, soweit der Kläger weitere Absetzungsmengen begehrt, fehlt es an dem erforderlichen Nachweis. Soweit der Kläger auch die Verwendung von Frischwasser für die Fertigung von Sülzen, Soßen und Suppen vorträgt, liegen weder Angaben über Produktionsverfahren, noch über entsprechende Mengen vor. Dasselbe gilt für die vom Kläger angeführte Schinkenproduktion, bei der Wasser für die Lake benötigt wird, die in Form von Dampf zu großen Teilen abgegeben würde. Auch insoweit fehlt es an nachvollziehbaren Mengenangaben und Produktionsverfahren. Dies gilt schließlich auch für den Vortrag des Klägers, eine Vielzahl von kleineren Verbrauchern gebe Wasserdampf in die Atmosphäre ab. Diesbezüglich vermag sich der Kläger auch nicht auf das von ihm zuletzt vorgelegte „Gutachten“ des Fleischerverbandes Bayern vom 28.04.2005 berufen, das für seinen Betrieb nach den Vorgaben des Klägers eine nicht in die öffentliche Abwasseranlage eingeleitete Wassermenge i. H. v. 87 m³ errechnet. Selbst unter Heranziehung einer erleichterten Nachweisführung (vgl. oben) ist diese Stellungnahme unverwertbar. Die dort genannten Zahlen (sowohl positiv wie negativ) scheinen „Zufallszahlen“ zu sein, wie etwa die Wassermenge von 4,8 ³ für den vom Kläger verwendeten Dampfkochschrank belegt, der ja in Wahrheit (vgl. oben) eine Wassermenge von 25 m³/jährlich verbraucht. Diese Stellungnahme lässt auch keinerlei Berechnungsmodi, angewendeten Fachprinzipien oder zu Grunde gelegte Produktionsverfahren erkennen.
44 
Im Übrigen zeigen die vom Kläger vorgelegten Unterlagen, dass auf dem Gebiet der Berechnung von Absetzungsmengen hinsichtlich der Abwassergebühren für Metzgereibetriebe „Land auf Land ab“ offenbar wenig zuverlässig gearbeitet wird. So kommt das vom Kläger vorgelegte Gutachten für den in Oberndorf/Neckar beheimateten Metzgereibetrieb zu einer Absetzungsmenge in Höhe von 202 m³/jährlich und nimmt an, diese entspreche angesichts einer bezogenen Frischwassermenge in Höhe von 811 m³ für den dortigen Betrieb einem Gesamtwasserverlust in Höhe von ca. 25 %. Dabei wurde augenscheinlich „übersehen“, was den vom Kläger vorgelegten Unterlagen für diesen Metzgereibetrieb aber zu entnehmen ist, dass sich die dortige Frischwassermenge aufteilt auf 600 m³ für ein mit 15 Personen bewohntes Wohnhaus und auf 211 m³ für den dortigen Metzgereibetrieb. Das „Gutachten“ würde daher bedeuten, in diesem Metzgereibetrieb in Oberndorf/Neckar finde ein Gesamtwasserverlust in Höhe von 96 % statt, der nicht in die öffentliche Abwasseranlage eingeleitet werde. Dies ist offenkundiger Unsinn. Dass das Gericht gleichwohl die Berechnung der Wasserverdunstung in den Nassräumen aus eben diesem Gutachten auch für den Betrieb des Klägers übernommen hat, liegt darin begründet, dass jedenfalls diese eine Position nachvollziehbar berechnet ist, wohingegen sämtliche anderen Positionen ohne nachvollziehbare Berechnung als überzogen erscheinen sowie ersichtlich mehrfach aufgeführt sind (einerseits Eisherstellung, andererseits Wasserzugabe bei der Wurstherstellung, wiewohl letztere nach allen fachlichen Aussagen gerade in Form von Eis geschieht).
45 
Demzufolge kann sich der Kläger auch nicht darauf berufen, Absetzungsmengen etwa von 15, 20 oder 25 % des Frischwasserverbrauchs seinen allgemein für Metzgereibetriebe belegt und vielerorts üblich und würden von zahlreichen Kommunen innerhalb und außerhalb des Landes teilweise sogar in satzungsmäßiger Form als pauschale Absetzungsmengen gewährt. Es versteht sich von selbst, dass ein Anspruch auf Gleichbehandlung in dem Sinne, dass die Beklagte den Kläger so behandeln müsse, wie andernorts gelegene Kommunen ihre Metzgereibetriebe behandeln, nicht besteht. Dass die Beklagte aber einem anderen Metzgereibetrieb im Gemeindegebiet eine entsprechende Absetzungsmenge gewähre und den Kläger - gleichheitswidrig - hiervon ausnehme, ist nicht zu erkennen. Daneben ist nicht zu übersehen, dass nach der oben unter 4. a) - c) angestellten Berechnung, selbst wenn diese noch Unschärfen besitzen sollte, sowie nach den Unzulänglichkeiten der auf diesem Rechtsgebiet zirkulierenden Gutachten und Stellungnahmen (vgl. oben) die Annahme gerechtfertigt sein dürfte, pauschalierte Absetzungsmengen in der vom Kläger vorgetragenen Höhe für Metzgereibetriebe berührten eher den Bereich einer (in dieser Form unzulässigen) Subventionierung des Mittelstands durch zahlreiche Gemeinden, als dass sie auf einer realistischen Betrachtungsweise fußen unter Berücksichtigung der im Abgaben- und insbesondere im Gebührenrecht zu beachtenden Grundsätze der Äquivalenz zwischen Leistung und Gebühr, der horizontalen Gleichheit der Gebührenschuldner und der gleichmäßigen Einhaltung des anzuwendenden „Wahrscheinlichkeitsmaßstabes“ (vgl. oben).
46 
II. Aus den so als nachgewiesen anzusehenden Wassermengen ergibt sich der aus dem Tenor ersichtliche Anspruch des Klägers auf Absetzung gemäß § 40 Abs. 1 AbwS bei der Berechnung seiner Abwassergebühren. Entgegen der Ansicht der Beklagten reduziert sich diese Absetzungsmenge nicht mehr gemäß § 40 Abs. 1 Satz 2 AbwS um 20 m³/Jahr.
47 
Nach dieser Bestimmung ist von der Absetzung ausgenommen eine Wassermenge von 20 m³/Jahr. Zu Unrecht nimmt die Beklagte an, die vom Kläger nachgewiesene Absetzungsmenge sei daher um diese Teilmenge zu kürzen.
48 
Der Einzelrichter ist sich darüber im Klaren, dass die hier vertretene Rechtsauffassung der wohl landesweit geübten Gepflogenheit zur Handhabung von Absetzungsmengen bei der Berechnung der Abwassergebühr widerspricht (vgl. BWGZ 1997, 297). Dies ist jedoch aus Rechtsgründen unvermeidlich.
49 
Wie das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat, bedarf jede Ungleichbehandlung und Benachteiligung auch unter Berücksichtigung des Ermessens- oder Beurteilungsspielraums des Ortsgesetzgebers einer Rechtfertigung und der Grundsatz der Verwaltungspraktikabilität vermag dies nur so weit zu leisten, als die verwaltungstechnischen Vorteile der Typisierung noch in einem angemessenen Verhältnis zu der durch sie bewirkten Ungerechtigkeit stehen. Die Typisierung darf nicht gleichmachend weiter greifen, als es aus Praktikabilitätsgründen gerechtfertigt ist (BVerwG, Beschl. v. 28.03.1995 - 8 N 3/93 -, NVwZ-RR 1995, 594 = Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr 75 sowie Beschl. v. 25.01.1995 - 8 N 2.93 -).
50 
Dies würde aber geschehen, würde man dem Kläger, trotz des Nachweises einer nicht in die öffentliche Abwasseranlage eingeleiteten Abwassermenge von 42 m³/jährlich (vgl. oben), durch einen Reduzierung in Höhe von 20 m³/jährlich gemäß § 40 Abs. 1 Satz 2 AbwS Abwassergebühren auferlegen, die rein tatsächlich nicht mehr der von ihm in Anspruch genommenen Leistung entsprechen. Gerade der insoweit zur Begründung stets herangezogene Grundsatz der Verwaltungspraktikabilität und -vereinfachung gibt für eine solche Annahme nämlich nichts her. § 40 Abs. 1 Satz 2 AbwS ist - worauf bereits Gössl hingewiesen hat (BWGZ 1991, 701) - die Festsetzung einer Grenze, deren Überschreitung Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Absetzungsantrages ist. Angesichts des Aufwandes, den ein Absetzungsverfahren unter Umständen erfordert (vgl. vorliegend), soll derjenige, bei dem nur eine geringere Absetzungsmenge in Betracht kommt, von der Stellung eines solchen Antrages kraft Satzung abgehalten werden. Steht aber fest - wie vorliegend - dass diese Bagatellgrenze überschritten ist, mit anderen Worten, ist ein Absetzungsantrag zulässig und ein Absetzungsverfahren unvermeidlich, so gibt es unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungsvereinfachung und -praktikabilität keinen Grund mehr, rein rechnerisch am Ende des Absetzungsverfahrens die abzusetzende Wassermenge noch einmal um 20 m³ zu kürzen.
51 
Eine solche Kürzung würde vielmehr dazu führen, diese sog. Bagatellgrenze, die vom Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 28.03.1995 (a.a.O.) aus guten Gründen auf höchstens 20 m³ jährlich festgelegt wurde, mit einer Tendenz nach unten (vgl. die Entscheidungsgründe a.a.O.), de facto anzuheben. Da ein Absetzungsverfahren nach § 40 Abs. 1 AbwS nicht nur für die gebührenerhebende Körperschaft - hier die Beklagte - sondern auch für den Gebührenschuldner - hier den Kläger - einen erheblichen Aufwand bedeutet, würde ein solcher Abzug von nachgewiesenen Absetzungsmengen aller Voraussicht nach dazu führen, einen Gebührenschuldner von der Stellung eines Absetzungsantrages abzuhalten, wenn er davon ausgehen müsste, bei einer nachweisbaren Absetzungsmenge von 30-40 m³ überhaupt nur eine Gebührenermäßigung entsprechend 10-20 m³ zu erreichen. Im Unterschied zur erkennbaren Tendenz im Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.03.1995 (a.a.O.), würde hierdurch die Bagatellgrenze von 20 m³ jährlich wieder deutlich in Richtung 40 m³ verschoben.
52 
Im Übrigen würde durch eine solche rechnerische Reduzierung der nachgewiesenen Wassermenge, die nicht in die öffentliche Abwasseranlage eingeflossen ist, eine Ungleichbehandlung des Klägers mit anderen Abwassergebührenschuldnern der Gemeinde eintreten. Sachlicher Rechtfertigungsgrund der Bagatellgrenze § 40 Abs. 1 Satz 1 ist, dass letztlich angenommen werden muss, dass bei Zugrundelegung eines Frischwassermaßstabs jeder Abwassergebührenpflichtige innerhalb einer Gemeinde Teilmengen des bezogenen Frischwassers nicht in die öffentliche Abwasseranlage einspeist. Durch Trinken, Verdunstung, Wasserdampf beim Kochen, Blumen gießen etc. fällt bei jedem Gebührenschuldner eine gewisse derartige Wassermenge an. Ist aber kein Abwassergebührenschuldner berechtigt, die unter der Bagatellgrenze liegende Menge bei der Berechnung seiner Abwassergebühren abzusetzen, so ist eine Gleichbehandlung im Großen und Ganzen gewährleistet (abgesehen vom individuellen Verhalten bzw. von unterschiedlichen Gartenflächen, die zur Bewässerung kommen). Ausgehend hiervon muss aber auch angenommen werden, dass beim Kläger über die hier vorgenommene Berechnung von Absetzungsmengen in seinem Metzgereibetrieb derartige Wassermengen, insbesondere in den beiden auf dem Grundstück befindlichen Wohnungen, existieren. Dass ihm angesonnen wird, diese Verlustmenge bei der Berechnung seiner Abwassergebühren unberücksichtigt zu lassen, ist - der alleinige - Sinn des § 40 Abs. 1 Satz 2 AbwS und führt gerade hierdurch zur Gleichbehandlung mit allen anderen Gebührenschuldnern. Ist er aber hierdurch verpflichtet, auch etwa für die Frischwassermenge, die zur Gartenbewässerung dient, Abwassergebühren zu bezahlen, so fehlt es an einer inneren Rechtfertigung, die in völlig anderem Zusammenhang entstehenden Absetzungsmengen aus seinem Metzgereibetrieb zusätzlich um diese 20 m³/Menge zu kürzen.
53 
Der Kläger kann daher beanspruchen, die nachgewiesenen Wassermengen (vgl. oben) in ungekürzter Höhe im Rahmen seines Absetzungsantrages berücksichtigt zu bekommen.
54 
Die Kostenentscheidung folgt § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
55 
Die Zulassung der Berufung beruht auf § 124 a Abs. 1 S. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, was im vorliegenden Fall ausnahmsweise keiner weiteren Darlegung bedarf.

Das Oberverwaltungsgericht kann über die Berufung durch Beschluß entscheiden, wenn es sie einstimmig für begründet oder einstimmig für unbegründet hält und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. § 125 Abs. 2 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Für das Berufungsverfahren gelten die Vorschriften des Teils II entsprechend, soweit sich aus diesem Abschnitt nichts anderes ergibt. § 84 findet keine Anwendung.

(2) Ist die Berufung unzulässig, so ist sie zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluß ergehen. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Gegen den Beschluß steht den Beteiligten das Rechtsmittel zu, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Die Beteiligten sind über dieses Rechtsmittel zu belehren.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 18. November 2002 - 10 K 81/00 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Beklagten zum Grundsteuererlass.
Die Klägerin ist Eigentümerin des mit einem gewerblich genutzten Gebäude bebauten Grundstücks ... auf Gemarkung der Beklagten.
Am 24.3.1998 beantragte die Klägerin einen Grundsteuererlass für das Jahr 1997 wegen Minderung des Rohertrags des Grundstückes in diesem Jahr um mehr als 20 v.H. durch durchschnittlichen Leerstand der Bürofläche in dieser Zeit von 72,93 %. Sie legte eine Aufstellung über die im Jahr 1997 erzielten Mieteinnahmen vor und teilte Einzelheiten der Vermietungen (Zeiträume, Identität der Mieter) und ihrer Vermietungsbemühungen in diesem Jahr mit. Sie benannte ferner zum Zwecke der Vermietung hinzugezogene Stellen (Makler, Bankhaus, Kreissparkasse u.a.) und legte in diesem Zusammenhang angefallene Korrespondenz vor. Ein Schreiben eines von ihr beauftragten Bankhauses bestätigte die Durchführung eines „Anliegermailings“ mit etwa 380 - z.T. namentlich benannten - Adressaten. Auf dem Nachbargrundstück sei durch ein Schild auf die Möglichkeit der Anmietung hingewiesen worden.
1996 sei das Gebäude vollständig an die ... Betriebsgesellschaft für augenoptische Erzeugnisse mbH (...) zu einem monatlichen Mietzins in Höhe von DM 19,07/m 2 vermietet gewesen. Das Mietverhältnis sei Ende November dieses Jahres aufgrund bestehender Rücktrittsrechte beendet worden, da es der Mieterin nicht möglich gewesen sei, genügend Flächen an Firmen der augenoptischen Branche weiter zu vermieten, um ein Handelscenter für augenoptische Erzeugnisse zu betreiben. Im Anschluss hieran sei das Gebäude zu einem nominalen Mietzins von netto 18,-- DM/m 2 über Makler am Markt angeboten worden. Eine Anfang 1997 erstellte (von der Klägerin vorgelegte) Marktanalyse habe eine Prägung des örtlichen Immobilienmarkts durch die Großmieter ... (...), ... sowie ... ... ergeben. Zur Verbesserung der Vermietungschancen habe die Firma ... Düsseldorf im Frühjahr 1997 neue Vermarktungsstrategien entwickelt. Zu deren Umsetzung sei es nicht mehr gekommen, weil zwischenzeitlich eine weitere Büroetage an ... ... vermietet worden sei und sich Verhandlungen mit ...  über zwei Büroetagen konkretisiert hätten. Diese Verhandlungen hätten Anfang 1998 begonnen und zur Anmietung zweier weiterer Büroetagen zum 1.7. und 1.8.1998 geführt. Im Mai 1997 aufgenommene Verhandlungen mit ... über eine Fläche von 250 m 2 seien mit Beginn der Verhandlungen mit Großmietern abgebrochen worden. Im Juli 1997 begonnene Verhandlungen mit ... hätten zur Vertragsunterzeichnung am 28.10.1997 geführt. Mietbeginn sei der 1.2.1998 gewesen. Zu einer Vermietung an die Internationale Universität sei es nicht gekommen, da die geplante Hochschule nicht gegründet worden sei. Anfang 1997 mit der ... GmbH geführte Verhandlungen hätten nur zu einer für die Interessentin günstigen Veränderung deren anderweit bestehenden Mietverhältnisses geführt. Die im Mai 1997 als Interessentin benannte Firma ...  habe auf den Wechsel nach Sindelfingen verzichtet. Die Firma ... habe lediglich vom 1.9.1997 bis 31.1.1998 eine Fläche von etwa 600 m 2 während einer Umbauphase benötigt. Dem im Oktober 1997 nachgewiesenen Interesse der ... GmbH an Flächenerweiterung habe wegen der zu diesem Zeitpunkt bereits mit ... geführten Verhandlungen nicht mehr entsprochen werden können. Weitere Mietinteressenten im November 1997 seien die ... Stuttgart sowie die Firma ... gewesen. Erstere habe sich zu Beginn der Verhandlungen mit ... noch nicht entschlossen gehabt, so dass die Vertragsverhandlungen mit ihr nicht fortgeführt worden seien. Auch die Vertragsverhandlungen mit der Firma ...  über eine Fläche von etwa 500 m 2 seien durch den Abschluss mit ... gestoppt worden.
Am 1.3.1999 beantragte die Klägerin unter Hinweis auf die Vorkorrespondenz Grundsteuererlass für das Jahr 1998 wegen eines durchschnittlichen Leerstandes ihres Gebäudes von etwa 37,41 % in diesem Jahr. Sie fügte ihrem Antrag eine Übersicht über die vermieteten Büroflächen, die Vermietungszeiträume und die einzelnen Mieter bei.
Die Beklagte lehnte die Anträge mit Bescheid vom 4.11.1999 ab, weil aus den vorgelegten Unterlagen eine Minderung der Roherträge von jeweils mehr als 20 % nicht deutlich ersichtlich sei. So seien etwa die Gründe für das Scheitern mehrerer weit gediehener Mietverhandlungen nicht erkennbar. Auch habe die Sindelfinger Zeitung am 10.12.1998 einen Anstieg der Nachfrage nach Büroräumen im Jahr 1998 und für das zweite Halbjahr sogar einen Nachfrageüberhang berichtet.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 10.11.1999 Widerspruch ein, zu dessen Begründung sie u.a. darauf hinwies, dass der Nachfrageüberhang sich auf kleinteiligere Flächen als die von ihr angebotenen bezogen habe.
Die Beklagte bat die Klägerin in der Folgezeit um „detailliertere“ Unterlagen. In Aktenvermerken hielt sie fest, dass die Klägerin das Scheitern von Vertragsverhandlungen mit ... zu Gunsten von ... herbeigeführt habe. ... und ... seien - anders als angegeben - keine Räume angeboten worden.
Mit am 8.12.1999 zugestelltem Bescheid vom 6.12.1999 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Klägerin habe weiterhin 20 % übersteigende Minderungen des normalen Rohertrags nicht nachgewiesen. So seien keine Angaben zu Umfang und Erlös der Vermietung von Verkehrsflächen gemacht worden. Die Angaben zu den Vermietungsbemühungen seien nicht zuverlässig. Als Interessenten Benannte hätten auf Nachfrage Kontakte mit der Klägerin verneint. In einem Fall sei der Abschluss eines Mietvertrages verhindert worden. Ein auf kleine Flächen beschränkter Nachfrageüberhang hätte ggf. zur Verkleinerung der angebotenen Flächen führen müssen. Auch der im Marktbericht vom 29.1.1997 für den Raum Böblingen/Sindelfingen dokumentierte einzigartig hohe Leerstand des streitigen Gebäudes indiziere mangelnde Vermietungsbemühungen der Klägerin.
10 
Die Klägerin hat am 7.1.2000 Klage beim Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben. Sie hat beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 4.11.1999 und deren Widerspruchsbescheid vom 6.12.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr die Grundsteuer für das Jahr 1997 in Höhe von 62.697,05 EUR (= 117.260,04 DM) und für das Jahr 1998 in Höhe von 29.892,40 EUR (= 58.464,46 DM) zu erlassen.
11 
Die Grundsteuerforderung der streitigen Jahre hat sie mit je 179.957,09 DM, die Ertragsminderung 1997 mit 81,45 % und 1998 mit 40,61 % angegeben. Einer vorgelegten Aufstellung der Büro-, Stellplatz-, Verkehrs- und Lagerraumflächen des streitigen Gebäudes sind Soll- und Istmieten für 1997 und 1998 zugeordnet. Den Sollmieten liegt der 1998 und später erzielte Mietpreis von 16.-- DM/ qm zugrunde, dem eine gewisse Marktüblichkeit zuzubilligen sei. Nach der von der Industrie- und Handelskammer erstmals für das Jahr 2000 durchgeführten Mietpreisumfrage liege die Miete für Büroräume im Kammerbezirk Sindelfingen zwischen 21,50 DM/m 2 und 9,00 DM/m 2 , d.h. bei einem Mittelwert von 15,75 DM/m 2 .
12 
Bis 1994 sei das Gebäude an ... vermietet gewesen. 1995 habe es leer gestanden. Ein Grundsteuererlass für dieses Jahr sei mangels Vermietungsbemühungen abgelehnt worden. 1996 sei das Gebäude an ... für zehn Jahre und vier Monate mit zweimaliger Möglichkeit der Verlängerung um je fünf Jahre durch die Mieterin vermietet gewesen. Bis zum 31.7.1996 sei die Mieterin mietfrei gewesen. Danach habe sich die Miete gestaffelt erhöhen und ab dem 1.5.1997 441.996,83 DM betragen sollen. Der Rücktritt von diesem Mietvertrag im Jahr 1996 falle nicht in das Erlassjahr. 1996 habe das Gebäude insgesamt 548.765,45 DM eingebracht. Ab Mitte 1998 sei es zu 90 % wieder vermietet gewesen. 1999 hätten die Einnahmen bei 5.532.400,28 DM und im Jahr 2000 bei 5.940.037,19 DM gelegen. Die Steigerung sei auf die Einrichtung eines Parkhauses zurückzuführen.
13 
Die Vermietungsbemühungen seien ausreichend gewesen. Die Klägerin hat Schreiben ihrer Makler vorgelegt, die die Kontaktaufnahme mit den Firmen ... und ... belegen. Der Marktbericht bewerte die Situation des Jahres 1996. Rückschlüsse auf die Folgejahre lasse er nicht zu. Abschnitt 38 Abs. 4 Satz 1 der Grundsteuerrichtlinie - GRStR - verpflichte ausschließlich zu ortsüblichen Vermietungsbemühungen. Hierzu gehöre die Umwandlung von (großflächigen in kleinflächige) Räumlichkeiten nicht. Um- und Ausbaumaßnahmen würden üblicherweise erst im Rahmen von Mietverhältnissen vertraglich vereinbart. Die Infrastruktur ihres Gebäudes erlaube nur eine großflächige Vermietung. Die Leerstände gingen nicht auf eine dauerhafte Änderung der Wertverhältnisse zurück, die im Wertfortschreibungsverfahren zu korrigieren seien. Im Übrigen sei gem. §§ 22 Abs.1 und 27 BewG bei der Fortschreibung des Einheitswerts von den Wertverhältnissen zum 1.1.1964 als letztem Hauptfeststellungszeitpunkt mit dem Ergebnis auszugehen, dass eine Wertfortschreibung (wegen Wertminderung) ausscheide.
14 
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat Klagabweisung beantragt. Sie hat weiterhin darauf abgehoben, dass weder die behauptete Ertragsminderung noch das fehlende Vertretenmüssen nachgewiesen seien. Der geltend gemachte Minderertrag sei nicht aufgrund eines Vergleichs mit Objekten vergleichbarer Beschaffenheit - an denen es fehle - feststellbar. Die Ertragsminderung sei schon deshalb nicht zufälliger und vorübergehender Natur, weil bereits in den Jahren 1985 und 1995 Anträge auf Grundsteuererlass wegen Leerstands gestellt worden seien. Die streitigen Leerstände gingen nicht auf atypische und außergewöhnliche Umstände, sondern auf die Konzeption des Gebäudes für die besonderen Bedürfnisse zurück. Veränderungen den Grundstückswert betreffender Umstände, die bei der Hauptfeststellung zu einer Verminderung des Einheitswerts führten, schieden als Erlassgründe aus.
15 
Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 18.11.2002 überwiegend stattgegeben. Die Klägerin habe fristgerechte Erlassanträge gestellt. Die Voraussetzungen für den beantragten Erlass seien erfüllt. Im Jahr 1997 sei der Mietertrag ausgehend von einem Mietpreis von 14,-- DM/ m 2 um 79,82 %, im Folgejahr ausgehend von einem Mietpreis von 16,-- DM/ m 2 um 40,51 % gemindert gewesen. Nach dem Preisspiegel des Verbandes deutscher Makler (VDM) für Gewerbeimmobilien belaufe sich der Mittelwert für Büromieten 1996 auf 15,-- DM/ m 2 , 1998 auf 15,50 DM/m 2 und 2000 auf 16,50 DM/ m 2 . Dem entspreche die Erhebung der Industrie- und Handelskammer Stuttgart, nach der sich im Jahr 2000 der Mittelwert für Büromieten bei Flächen von über 200 m 2 auf 16,75 DM/m 2 belaufen habe. Das streitige, im Jahr 1984 errichtete Gebäude falle wegen seiner guten Ausstattung (u.a. Verkabelung für eine EDV-Nutzung) in den Bereich der so genannten guten Nutzungswerte, die nach Angaben des VDM schon 1997 bei 15,-- DM/ m 2 gelegen hätten. Die „Stuttgarter Nachrichten“ vom 13.12.1999 gäben die Mietpreise im gewerblichen Bereich in der Region Böblingen-Sindelfingen im Jahr 1999 mit 18,-- DM/ m 2 , im Jahr 1996 mit 14,- DM/qm an. Aus der „Sindelfinger und Böblinger Zeitung“ vom 10.12.1998 ergäben sich für 1997 Büromieten von 15,-- DM/ m 2 und für 1998 von 17,-- bis 18,-- DM/ m 2 . Die Annahme eines Vergleichsmietpreises von 14,-- DM/ m 2 werde schließlich durch den Umstand gestützt, dass die Klägerin im Jahr 1997 eine größere Fläche zu diesem Preis vermietet habe. 1998 habe sich die Vermietungssituation wesentlich verbessert, wie aus den erwähnten Zeitungsberichten und dem Umstand folge, dass die Klägerin zu Beginn dieses Jahres größere Flächen zu dem Preis von 16,-- DM/ m 2 vermietet habe. Die Klägerin trage zwar das Risiko der Konzeption des Gebäudes für einen bestimmten Mieter (...) und der hierdurch bedingten großen Flächen. Da die Vermietungssituation in Sindelfingen indessen durch Nachfrage von Großfirmen nach großflächigen Büroräumen geprägt sei, folgten aus dieser Konzeption nicht zwingend Leerstände. Die streitigen Leerstände seien auf einen Konjunktureinbruch in den Jahren 1996 und 1997 zurückzuführen. Im August 1998 seien bereits etwa 90 % des Gebäudes wieder vermietet gewesen. Das Gebäude sei im Übrigen ausweislich des vorgelegten Exposés auch nicht nur für einen Mieter konzipiert. Immerhin würden Flächen ab 800 m 2 angeboten.
16 
Minderungen des normalen Rohertrages, die auf Veränderungen der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse beruhten, seien zwar erst bei der nächsten Hauptfeststellung zu berücksichtigen und wirkten sich bis dahin nicht im Sinne eines Steuererlasses aus. Solche Veränderungen lägen jedoch nur bei nachhaltigen, länger andauernden Veränderungen der Wertverhältnisse vor und seien in Anlehnung an den regelmäßigen Zeitabstand zwischen der Durchführung von Hauptfeststellungen nach dem Bewertungsgesetz erst etwa ab einem Zeitraum von sechs Jahren anzunehmen. Die nur vorübergehende Veränderung der Wertverhältnisse auf dem Gebiet der Beklagten ergebe sich schon aus dem in der Presse mitgeteilten Nachfrageüberhang in der zweiten Jahreshälfte 1998. Dass die Klägerin bereits für die Jahre 1985 und 1995 Grundsteuererlass beantragt habe, führe zu keiner anderen Beurteilung. Denn das Gebäude sei in der Zwischenzeit und bis Ende 1998 wieder zu 90 % vermietet gewesen.
17 
Die Klägerin habe die Ertragsminderung auch nicht zu vertreten. Das „Vertretenmüssen“ sei ausschließlich nach ihrem Verhalten während des Erlasszeitraums zu beurteilen. Gemäß Abschnitt 38 Abs. 4 GRStR hätten Vermieter durch Leerstand bedingte Ertragsminderungen in der Regel nicht zu vertreten, wenn sie sich in ortsüblicher Weise um Vermietung bemüht hätten. Dabei dürfe keine höhere als die ortsübliche Miete verlangt werden. Dem habe die Klägerin genügt. Sie habe bereits Ende 1994/Anfang 1995 zwei Makler beauftragt, die die Kreissparkasse Böblingen und ein weiteres Maklerbüro zugezogen hätten. Es sei ein „Anliegermailing“ durchgeführt worden. Mit etwa 67 Interessenten hätten konkrete Gespräche über eine Anmietung stattgefunden. Die aufgeworfenen Zweifel an der Seriosität der angegebenen Vermietungsbemühungen habe die Klägerin widerlegt. Die Auflösung des Mietvertrages mit ... falle nicht in das allein maßgebliche Kalenderjahr, für welches Steuererlass beantragt werde. Der Abbruch der Vertragsverhandlungen mit ... liege im Bereich des in der Branche üblichen und sei nicht zu beanstanden. ... habe im Juli 1997 Interesse an der Anmietung von Räumlichkeiten bekundet. Die Klägerin habe indessen im gleichen Zeitraum mit ... Verhandlungen aufgenommen, die im Oktober 1997 zu einem Vertragsabschluss zunächst über ein Geschoss von 3.405,49 m 2 zuzüglich 91 m 2 Verkehrsfläche gemündet hätten. 1998 sei ein weiteres Geschoss angemietet worden. Dass ... früher als ... größere Flächen oder zu einem höheren Mietpreis als diese gemietet hätte, habe die Beklagte weder dargetan noch nachgewiesen.
18 
Der zunächst verlangte Mietpreis von 18,-- DM/ m 2 liege innerhalb des Rahmens der Mietspiegel des VDM für Gewerbeimmobilien in den Jahren 1996 und 1998 und habe erst Verhandlungsspielraum geschaffen. Die Preisforderung habe nicht zum Ausbleiben von Interessenten geführt. Es hätten schon deshalb keine Maßnahmen zur Verkleinerung der zu vermietenden Einheiten getroffen werden müssen, weil das Gebäude nicht geschossweise, sondern ausweislich des Exposés Flächen ab 800 m 2 angeboten worden seien und tatsächlich Mietverträge (mit der Firma ...) über etwa 600 m 2 bzw. (mit der ...) über etwa 240 m 2 abgeschlossen worden seien.
19 
Dem Antrag auf Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil hat der Senat durch den der Beklagten am 1.9.2003 zugestellten Beschluss vom 25.8.2003 entsprochen.
20 
Die Beklagte begründet ihre Berufung mit Schriftsatz vom 11.9.2003 zum einen damit, dass das Verwaltungsgericht bei der Beurteilung des Erlassanspruchs nicht - wie geboten - von den Verhältnissen zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung ausgegangen sei, zu dem die tatbestandlichen Voraussetzungen dieses Anspruch noch nicht vorgetragen worden seien. Das Verwaltungsgericht habe auch die Auflösung des Mietverhältnisses mit ... nicht berücksichtigt, obwohl ein derart herbeigeführter Mietausfall unter dem Gesichtspunkt der Abgabengerechtigkeit keinen Grundsteuererlass nach sich ziehen dürfe. Sie, die Beklagte, trage nicht die Beweislast dafür, dass die Ertragsminderung wegen des Abbruchs der Verhandlungen mit ... nicht von der Klägerin zu vertreten sei. Von 1985 bis 1998 hätten die Mieteinnahmen geschwankt. 1985, 1995, 1997 und 1998 hätten Mietausfälle zu Erlassanträgen geführt. Auch seien erhebliche Verluste dadurch entstanden, dass ...  bis zum 31.7.1996 mietfrei gestellt worden sei. Die Leerstände folgten aus der Größe des Objekts und daraus, dass nahezu ausschließlich große Flächen vermietet werden könnten. Diese Umstände hätten gemäß § 33 Abs. 5 GrStG zum Anlass für einen Antrag auf Fortschreibung des Einheitswerts genommen werden müssen. Für einen Erlass nach § 33 Abs. 1 GrStG bleibe danach kein Raum.
21 
Die Beklagte beantragt,
22 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 18. November 2002 - 10 K 81/00 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
23 
Die Klägerin beantragt,
24 
die Berufung zurückzuweisen.
25 
Sie hält die Berufung schon deshalb für unzulässig, weil die Beklagte innerhalb der Berufungsbegründungsfrist keinen Berufungsantrag gestellt habe. Aus der Berufungsbegründung sei nicht mit der notwendigen Bestimmtheit zu entnehmen, in welchem Umfang das verwaltungsgerichtliche Urteil angefochten werde.
26 
Das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen im Erlasszeitraum sei zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung über die Verpflichtungsklage auf Grundsteuererlass feststellbar. Auf den Zeitpunkt, zu dem sie vorgetragen und nachgewiesen worden seien, komme es nicht an. Der Abbruch von Vertragsverhandlungen zugunsten anderer Interessenten sei branchenüblich und führe deshalb nicht dazu, dass hierdurch bedingte Ertragsminderungen zu vertreten seien. Den Mietausfällen hätten keine Veränderungen in tatsächlicher Hinsicht zugrunde gelegen. Deshalb hätten sie nicht im Wege der Fortschreibung des Einheitswertes nach § 33 Abs. 5 GrStG berücksichtigt werden können. Auch seien sie nicht auf nachhaltige und länger andauernde Veränderungen der allgemeinen wirtschaftlichen oder politischen Lage zurückgegangen. Von einer solchen Änderung der Wertverhältnisse könne erst ab einem Zeitraum von etwa sechs Jahren ausgegangen werden.
27 
Die Beklagte ist dem unter Hinweis darauf entgegengetreten, dass aus der Berufungsbegründung im Wege der Auslegung ein Berufungsantrag habe ermittelt werden können. Ihre Angriffe hätten sich gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts in vollem Umfang gerichtet. Daran ändere es nichts, dass an einer Stelle ausgeführt sei, der Erlassantrag sei zumindest in der Höhe zu reduzieren. Auch habe sie in ihrem Schlusssatz noch auf ihre Ausführungen in erster Instanz verwiesen. Dort habe sie beantragt, die Klage insgesamt abzuweisen. Im Zweifel sei ohnehin davon auszugehen, dass ein Berufungskläger das erstinstanzliche Urteil in vollem Umfang angreife und an seinen in erster Instanz gestellten Anträgen festhalte. Eine Beschränkung der Berufung könne nur angenommen werden, wenn ein hierauf gerichteter Wille klar und deutlich zum Ausdruck komme.
28 
Dem Senat haben die Akten der Beklagten sowie die Akten des Verwaltungsgerichts Stuttgart vorgelegen; auf sie und die gewechselten Schriftsätze wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
29 
Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden ( § 101 Abs. 2 VwGO).
30 
Die Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage auf teilweisen Grundsteuererlass für 1997 und 1998 zu Recht in dem hier noch streitigen Umfang stattgegeben. Der Ablehnungsbescheid der Beklagten und ihr Widerspruchsbescheid sind nämlich insoweit rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, als ein Anspruch auf Grundsteuererlass in der vom Verwaltungsgericht zugesprochenen Höhe versagt wurde; denn die Klägerin hat einen Anspruch auf Grundsteuererlass in dieser Höhe.
31 
Das Berufungsbegehren ist von der Beklagten mit innerhalb der Frist des § 124 a Abs. 6 Satz 1 VwGO beim erkennenden Verwaltungsgerichtshof eingegangener Berufungsschrift vom 11.9.2003 unmissverständlich zum Ausdruck gebracht worden. Dort ist in erster Linie geltend gemacht worden, das Vorliegen der Voraussetzungen für den begehrten Erlass sei im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung im Verwaltungsverfahren nicht hinreichend substantiiert vorgetragen worden. Die im gerichtlichen Verfahren „nachgeschobenen“ Tatsachen hätten nicht berücksichtigt werden dürfen. Diese Ausführungen (unter Ziff. 1) lassen klar erkennen, dass das erstinstanzliche Urteil in vollem Umfang angefochten werden soll. Mit ihnen hat die Klägerin sich nicht auseinandergesetzt. Vielmehr hat sie Anhaltspunkte für die behauptete Unklarheit des Berufungsziels ausschließlich aus der zusätzlichen Berufungsbegründung (unter Nrn. 2 - 4) hergeleitet.
32 
Dass ein förmlicher Berufungsantrag erst nach Ablauf der Frist des § 124 a Abs. 6 S. 1 VwGO am 13.11.2003 gestellt wurde, ist unter den dargelegten Umständen unschädlich; denn das Formerfordernis der Berufungsbegründung dient in erster Linie der Klarstellung durch den Berufungsführer, ob und weshalb er an der Durchführung des Berufungsverfahrens festhalten will (vgl. BVerwG, Urteile vom 30.6.1998, BVerwGE 107, 117, 121 und vom 23.4.2001, BVerwGE 114, 155, 157 sowie Beschlüsse vom 15.10.1999, Buchholz 310, § 124 a VwGO, Nr. 13 und NVwZ 2000, 315). Daher wäre es hier eine bloße Förmelei, noch einen ausdrücklichen Antrag zu fordern. Im Übrigen orientiert sich die Bestimmung des § 124 a VwGO nach dem Willen des Gesetzgebers an der Regelung aus dem verwaltungsprozessualen Revisionsrecht (BVerwG, Beschluss vom 23.9.1999, NVwZ 2000, 67 m.w.N.). Für das Revisionsverfahren ist es anerkannt, dass dem Erfordernis eines bestimmten Antrags im Sinne des § 139 Abs. 2 VwGO a.F./Abs. 3 n.F. schon dann Genüge getan sein kann, wenn das Ziel der Revision aus der Tatsache ihrer Einlegung allein oder in Verbindung mit den während der Revisionsfrist abgegebenen Erklärungen ersichtlich ist (BVerwG, Urteile vom 9.12.1965, BVerwGE 23, 41, vom 10.12.1981, Buchholz 310 § 139 VwGO, Nr. 59 und vom 2.2.1990 - 6 C 5.88 -, juris; vgl. zum Ganzen OVG Münster, Urteil vom 23.5.2003 - 11 A 5503/99 -, juris; BayVGH, Urteile vom 11.3.2004 - AN 10 K 02.936 - und - 8 BV 03.1703 - sowie VGH Bad.-Württ., Urteil vom 6.7.2001, VBlBW 2002, 126; Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 124 a RdNr. 30 m.w.N.).
33 
Die Klägerin hat Anspruch auf Erlass der Grundsteuer gem. § 33 Abs. 1 GrStG in der vom Verwaltungsgericht zuerkannten Höhe. Ob der geltend gemachte Erlassanspruch besteht, bestimmt sich nach den nach materiellem Recht (§ 34 Abs. 1 S. 2 GrStG) maßgeblichen Verhältnissen des Erlasszeitraums. Darauf, ob diese Verhältnisse bereits im Behördenverfahren bekannt waren, kommt es entgegen der Auffassung der Beklagten nicht an. Bei gerichtlicher Verfolgung des Erlassanspruchs ist - wie auch sonst regelmäßig bei Verpflichtungsklagen - auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. den Zeitpunkt der Entscheidung (auch im Berufungsverfahren) abzustellen (Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 113 Rdnr. 217 ff.).
34 
Die von der Beklagten herangezogene Rechtsprechung betrifft nicht den Grundsteuererlass nach § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG, sondern Ermessensentscheidungen über einen Billigkeitserlass (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 20.10.1987, ZKF 1988, 34; BFH, Urteile vom 10.5.1972, BFHE 105, 458 und Urteil vom 26.7.1972, BFHE 106, 489). Da das Wesen einer Ermessensentscheidung darin besteht, einen Spielraum zu geben, unter einer Mehrzahl rechtlich zulässiger Verhaltensweisen wählen zu können, darf sich die gerichtliche Rechtskontrolle nur auf den Zeitpunkt der Entscheidung durch die Verwaltungsbehörde selbst beziehen (vgl. zur Überprüfung einer Entscheidung über einen Billigkeitserlass BFH, Urteil vom 26.7.1972, BFHE 106, 489). § 33 Abs. 1 S. 1 GrStG ist dagegen eine den allgemeinen Billigkeitsregelungen der §§ 163, 227 AO vorgehende Spezialvorschrift, die den Steuererlass bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen von Gesetzes wegen anordnet. Im Rahmen seiner Anwendung ist daher kein Raum für eine Ermessensausübung (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.9.1982, Buchholz 401.4, § 33 GrStG Nr. 18).
35 
Die Erlassanträge wurden unstreitig fristgerecht gestellt. Eine Darlegung der Antragsgründe war innerhalb der Antragsfrist nicht erforderlich. Die von der Beklagten angenommene Notwendigkeit einer derartigen Darlegung lässt sich aus dem Wortlaut des § 34 Abs. 2 GrStG nicht herleiten, wonach Grundsteuererlass nach § 33 GrStG nur auf Antrag gewährt wird, der bis zu dem auf den Erlasszeitraum folgenden 31. März zu stellen ist. Denn ein Antrag ist eine empfangsbedürftige, an die entscheidungsbefugte Behörde gerichtete Willenserklärung des Bürgers, die erforderlich ist, damit diese mit einem Verwaltungsverfahren im Sinne des § 9 VwVfG beginnt (vgl. P.Stelkens/Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 6. Aufl., § 22 RdNrn. 15 und 18). Er schließt begrifflich nicht die Antragsgründe ein, wie beispielsweise § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO, der zusätzlich zum Antrag auf Zulassung der Berufung die Darlegung der Zulassungsgründe innerhalb einer bestimmten Frist verlangt.
36 
Die Begründung zur Regierungsvorlage (abgedruckt in Troll/Eisele, Grundsteuergesetz, 8. Aufl., § 34 RdNr. 1) gibt ebenfalls nichts für ein Verständnis des § 34 Abs. 2 GrStG im Sinne einer Notwendigkeit der Darlegung der Erlassgründe innerhalb der Antragsfrist her. Auch Sinn und Zweck der Antragsfrist erlauben keine Auslegung der Vorschrift in diesem von der Beklagten angenommenen Sinn. Die zeitliche Befristung des Erlassantrags dient zwar dem Interesse des Steuergläubigers, ihm alsbald nach Ablauf des Kalenderjahres, für das er die Grundsteuer in der Regel bereits vereinnahmt hat, aus haushaltsrechtlichen Gründen Gewissheit darüber zu verschaffen, ob er die vereinnahmte Grundsteuer auch endgültig behalten darf (Senatsurteil vom 18.9.1989 - 2 S 339/89 -). Diesem Interesse wird aber regelmäßig schon durch die Antragstellung selbst hinreichend genügt. Auch darf von einem juristischen Laien, der den Antrag nach § 34 GrStG ohne anwaltliche Hilfe selbst stellen kann, anders als etwa von einem Rechtsanwalt im Berufungszulassungsverfahren keine sachgerechte Darlegung von Erlassgründen mit präkludierender Wirkung erwartet werden.
37 
Eine mangelhafte Mitwirkung des den Steuererlass Begehrenden bei der Feststellung der maßgeblichen Tatsachen im Verwaltungsverfahren erlaubt der Behörde zwar eine verfahrensrechtliche (abschlägige) Entscheidung ohne weitere Sachermittlung (P.Stelkens/Kallerhoff in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, § 24 RdNr. 29), präkludiert aber nicht das spätere Vorbringen anspruchsbegründender Tatsachen im gerichtlichen Verfahren. Um die Kostenlast in einem derartigen Fall abzuwälzen, besteht für die Behörde in diesem Fall die Möglichkeit, den Ablehnungsbescheid abzuändern und den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären. Im vorliegenden Zusammenhang kommt hinzu, dass die Beklagte der nach ihrem gesamten Verhalten offensichtlich mitwirkungswilligen Klägerin keine konkreten Vorgaben für deren Mitwirkung gemacht hat, vielmehr lediglich u.a. um die Vorlage „detaillierterer“ Unterlagen gebeten hat. Nicht erbeten wurde dagegen etwa die Aufstellung der vermieteten und nicht vermieteten Büroflächen im Erlasszeitraum und die Zuordnung von Ist- bzw. Sollmieten. Auch wurde die Klägerin nicht auf das in den Aktenvermerken festgestellten Abbrechen von Vermietungsverhandlungen und sonstige Unklarheiten hingewiesen und hatte deshalb auch keine Möglichkeit, hierzu Stellung zu nehmen.
38 
Die Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG liegen vor, wonach dann, wenn bei bebauten Grundstücken der normale Rohertrag des Steuergegenstands um mehr als 20 v.H. gemindert ist und der Steuerschuldner die Minderung des Rohertrags nicht zu vertreten hat, die Grundsteuer in Höhe des Prozentsatzes erlassen wird, der vier Fünfteln des Prozentsatzes der Minderung entspricht.
39 
Nach § 33 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GrStG ist normaler Rohertrag bei bebauten Grundstücken, deren Wert nach dem Bewertungsgesetz im Ertragswertverfahren zu ermitteln ist ( vgl. § 76 Abs.1 BewG), die Jahresrohmiete, die bei einer Hauptfeststellung auf den Beginn des Erlasszeitraums maßgebend wäre. Jahresrohmiete ist nach § 79 Abs. 1 BewG das Gesamtentgelt, das der Mieter für die Benutzung des Grundstücks nach den vertraglichen Vereinbarungen für ein Jahr zu entrichten hat (Sollmiete). Statt des Betrags nach § 79 Abs. 1 BewG gilt nach § 79 Abs. 2 S. 1 BewG die übliche Miete als Jahresrohmiete u.a. für solche Grundstücke, die ungenutzt sind (Nr. 1). In diesen Fällen ist die übliche Miete in Anlehnung an die Jahresrohmiete zu schätzen, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wird ( § 79 Abs. 2 S. 2 BewG).
40 
Für die danach vorzunehmende Ermittlung des an Ertrag „Üblichen“ spielt der aus der Vermietung der Grundstücke vor und nach dem Erlasszeitraum erzielte Ertrag unmittelbar keine Rolle. § 33 GrStG hebt nicht auf das ab, was bei dem jeweils betroffenen Grundstück „üblich“ gewesen sein mag; er meint mit dem „Üblichen“ vielmehr das, was Objekte vergleichbarer Beschaffenheit an Ertrag erbringen. Gefordert ist ein Vergleich „mit anderen“. Das entspricht der Funktion des Erlasses öffentlicher Abgaben, wenn er - wie hier - nicht im allgemeinen, sondern im individuellen Interesse begehrt wird. Denn vor dem Hintergrund des Gebots der Abgabengleichheit, d.h. der vom Gleichheitssatz verlangten Gleichbehandlung gerade im Abgabenrecht, darf ein solcher Erlass nur gewährt werden, wenn und soweit er dazu dient, Sachverhalten Rechnung zu tragen, „die im Verhältnis zu den vom Gesetz erfassten Regelfällen als Sonderfälle erscheinen“ (BVerwG, Urteil vom 18.11.1977, Buchholz 406.11, § 135 BBauG, Nr. 10), die also als atypisch „aus tatsächlichen Gründen aus der Regel fallen“ (BVerwG, Urteile vom 14.7.1972, BVerwGE 40, 268, vom 4.5.1979, Buchholz 406.11, § 133 BBauG, Nr. 69, vom 3.5.1991, Buchholz 401.4, § 33 GrStG Nr. 24 und vom 4.4.2001, BVerwGE 114, 132). Angesichts dieser auf den Gleichheitssatz zurückgehenden Funktion des Erlasses öffentlicher Abgaben ist bei der Beurteilung eines Falles anhand des § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG jeweils von dem Ertrag auszugehen, den ein Grundstück tatsächlich abwirft. Der tatsächlich erzielte Ertrag hat eine Art Vermutung der Normalität für sich, sofern nicht die Nachforschung nach der Ertragslage bei vergleichbaren Objekten ergibt, dass die (geringe) Höhe des vom jeweiligen Eigentümer erzielten Ertrags auf Besonderheiten zurückgeht, die den Fall als in dem gekennzeichneten Sinn atypisch erscheinen lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 3.5.1991, a.a.O.).
41 
Zweifel an der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Ermittlung des Minderertrags bestehen nicht. Der Senat macht sich die Begründung des Verwaltungsgerichts daher insoweit zu eigen (§ 130 b S. 2 VwGO). Ergänzend weist er auf Folgendes hin: Der Rohertrag war nicht etwa im Hinblick auf die besondere Größe der streitigen Fläche, deren nach Angaben der Klägerin schlechte (weitere) Teilbarkeit und die streitigen sowie früheren Leerstände, geringer anzusetzen. Auch wenn diese Umstände in den Jahren 1985, 1995, 1997 und 1998 zu Leerständen geführt haben mögen, so haben sie doch die Vermietung nicht über längere Zeiträume verhindert. Die Größe der Fläche hatte - anders als die Beklagte meint - keinen (negativen) Einfluss auf den erzielbaren Quadratmeterpreis. Nach der Mietpreisumfrage für Büroflächen in der Region Stuttgart der Industrie- und Handelskammer - Region Stuttgart - vom November 2000 war die Größe der Fläche für den Mietpreis nicht (negativ) bestimmend. In der Mehrzahl der Fälle nahm er sogar mit zunehmender Fläche zu. Dabei schien eine Rolle zu spielen, dass es sich bei den größeren Flächen tendenziell um jüngere Objekte handelte und die Nachfrager nach solchen Flächen oft klare Vorstellungen von den Anforderungen an das Objekt hatten und weniger Kompromissbereitschaft hinsichtlich seiner Ausstattung zeigten. Nach der genannten Untersuchung waren die Laufzeiten der Mietverträge relativ uneinheitlich. Die durchschnittliche Dauer betrug im Mittel etwa sieben Jahre. Diese Umfrage bezog sich zwar nicht direkt auf die hier streitigen Zeiträume. Dennoch kommt ihr indizielle Bedeutung zu.
42 
Die Ertragsminderung ging auch - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht auf Umstände zurück, die zur Fortschreibung des Einheitswerts im Erlasszeitraum (§ 33 Abs. 5 GrStG) hätten führen können (vgl. zum Ausschluss des Grundsteuererlasses unter derartigen Voraussetzungen: BVerwG, Urteil vom 4.4.2001, BVerwGE 114,132 und dem folgend Senatsurteil vom 13.12.2001, KStZ 2002, 194; OVG Lüneburg, Beschluss vom 3.12.2003, NVwZ 2004, 370; BayVGH, Urteil vom 31.3.2005 - 4 B 01.1818 -; HessVGH, Urteil vom 7.3.2005, DÖV 2005,785). Zwar sind der Neufeststellung des Einheitswerts (Wertfortschreibung, § 22 Abs. 1 S. 1 BewG) die (tatsächlichen) Verhältnisse im Fortschreibungszeitpunkt zugrunde zu legen (§ 22 Abs. 4 S. 2 BewG). Hinsichtlich der Wertverhältnisse ist jedoch bei Fortschreibungen und bei Nachfeststellungen der Einheitswerte für Grundbesitz auf die Wertverhältnisse im Hauptfeststellungszeitpunkt (1.1.1964) abzustellen (§ 27 BewG). Die Wertverhältnisse umfassen vor allem die wirtschaftlichen Verhältnisse, die ihren Niederschlag u.a. im allgemeinen Mietniveau finden. Dies bedeutet, dass bei der Bewertung bebauter Grundstücke im Ertragswertverfahren nicht die zum Fortschreibungszeitpunkt gezahlte Miete, sondern die Miete zugrunde zu legen ist, die am 1.1.1964 unter Berücksichtigung des tatsächlichen Zustands der zu vermietenden Flächen vom Fortschreibungszeitpunkt anzusetzen gewesen wäre. Damit können Mietminderungen oder Mietausfall bei Gewerbegebäuden nicht zur Wertfortschreibung führen (vgl. zum Ganzen: Troll/Eisele, Grundsteuergesetz, 8. Auflage, § 13 RdNr. 8 und § 33 RdNr. 16 m.w.N.; Drosdzol, KStZ 2001, 183; Halaczinsky, Grundsteuer-Kommentar, 2. Aufl. 1995, § 33 Rn. 53; Kreutziger/Lindberg in Kreutziger/Lindberg/Schaffner-Kreutziger/Lindberg, Bewertungsgesetz, Kommentar, 2002 § 27 Rn. 2 ff.; Balzerkiewicz, BTR 2005, 63; Balzerkiewicz/Voigt, DStZ 2004, 830; BFH, Beschluss vom 24.7.2002, BFH/NV 2003, 8).
43 
Die streitigen Leerstände waren auch nicht durch sich im allgemeinen Mietniveau niederschlagende langfristige wirtschaftliche Verhältnisse verursacht. Sie beruhten vielmehr auf für die Ertragslage außergewöhnlichen („atypischen“) Umständen (hierzu BVerwG, Urteile vom 4.4.2001 und 3.5.1991 jeweils a.a.O.), nämlich nur vorübergehenden - zwei Jahre unterschreitenden - Veränderungen der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse. Im Steuerrecht ist indessen regelmäßig erst nach Ablauf von drei Jahren von der Dauerhaftigkeit von Zuständen auszugehen (Stöckel, Grundsteuerrecht 2003 § 33 Rdnr. 10). Hauptfeststellungen finden nach der Konzeption des Bewertungsgesetzes in Zeitabständen von sechs Jahren statt (§ 21 Abs. 1 BewG).
44 
Auf die Leerstände der Jahre 1985 und 1995, 1997 und (der ersten Hälfte des Jahres) 1998 folgten jeweils wieder Zeiten der Vermietung. So war das Gebäude 1986,1996 und ab Mitte 1998 (zu 90%) wieder vermietet. In der Folgezeit hat sich die Ertragslage - wie von der Klägerin unbestritten vorgetragen -weiter deutlich verbessert. Die Gestaltung der 1996 zu erbringenden Anfangsmiete ist im Zusammenhang mit der besonders langen Dauer und dem Umfang der vermieteten Flächen zu sehen. Insgesamt belegen die Leerstände zwar eine gewisse Labilität der wirtschaftlichen Verhältnisse. Die jeweils relativ rasch eingetretenen Konsolidierungen stehen der Annahme einer langfristigen Veränderung jedoch entgegen.
45 
Die Klägerin hat die Minderung des Rohertrages auch nicht zu vertreten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat folgt, hat ein Grundsteuerpflichtiger eine Ertragsminderung dann nicht zu vertreten, wenn sie auf Umständen beruht, die außerhalb seines Einflussbereichs liegen, d.h. wenn er die Ertragsminderung weder durch ein ihm zurechenbares Verhalten herbeigeführt hat, noch ihren Eintritt durch geeignete und ihm zumutbare Maßnahmen hat abwenden können. Berücksichtigungsfähig ist nur das Verhalten im Erlasszeitraum. Unerheblich ist dagegen, was in früheren Zeiträumen veranlasst wurde. Dies gilt auch dann, wenn dies - wie etwa eine Betriebsaufgabe - im Erlasszeitraum fortwirkt (BVerwG, Urteile vom 26.5.1983, Buchholz 401.4, § 33 GrStG Nr. 23 und vom 15.4.1983, Buchholz , a.a.O., Nr. 20 m.w.N.). Danach ist die Beendigung des Mietverhältnisses mit ...  im Jahr 1996 auch dann unbeachtlich, wenn sie sich auf die Verhältnisse des Jahres 1997 auswirkte.
46 
Die Unterbrechung der Vermietungsverhandlungen mit der Fa. xxxxxxx über eine 1 % der Gesamtmietfläche von knapp 23.000 m² nur geringfügig überschreitende Fläche von 250 m² hat schon keinen zu vertretenden Leerstand verursacht. Vielmehr hat sie - nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin - erst die Vermietung von 3.405,49 m² Bürofläche zzgl. 91 m² Verkehrsfläche an die Fa. ... ... ermöglicht.
47 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
48 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 VwGO vorliegt.

Gründe

 
29 
Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden ( § 101 Abs. 2 VwGO).
30 
Die Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage auf teilweisen Grundsteuererlass für 1997 und 1998 zu Recht in dem hier noch streitigen Umfang stattgegeben. Der Ablehnungsbescheid der Beklagten und ihr Widerspruchsbescheid sind nämlich insoweit rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, als ein Anspruch auf Grundsteuererlass in der vom Verwaltungsgericht zugesprochenen Höhe versagt wurde; denn die Klägerin hat einen Anspruch auf Grundsteuererlass in dieser Höhe.
31 
Das Berufungsbegehren ist von der Beklagten mit innerhalb der Frist des § 124 a Abs. 6 Satz 1 VwGO beim erkennenden Verwaltungsgerichtshof eingegangener Berufungsschrift vom 11.9.2003 unmissverständlich zum Ausdruck gebracht worden. Dort ist in erster Linie geltend gemacht worden, das Vorliegen der Voraussetzungen für den begehrten Erlass sei im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung im Verwaltungsverfahren nicht hinreichend substantiiert vorgetragen worden. Die im gerichtlichen Verfahren „nachgeschobenen“ Tatsachen hätten nicht berücksichtigt werden dürfen. Diese Ausführungen (unter Ziff. 1) lassen klar erkennen, dass das erstinstanzliche Urteil in vollem Umfang angefochten werden soll. Mit ihnen hat die Klägerin sich nicht auseinandergesetzt. Vielmehr hat sie Anhaltspunkte für die behauptete Unklarheit des Berufungsziels ausschließlich aus der zusätzlichen Berufungsbegründung (unter Nrn. 2 - 4) hergeleitet.
32 
Dass ein förmlicher Berufungsantrag erst nach Ablauf der Frist des § 124 a Abs. 6 S. 1 VwGO am 13.11.2003 gestellt wurde, ist unter den dargelegten Umständen unschädlich; denn das Formerfordernis der Berufungsbegründung dient in erster Linie der Klarstellung durch den Berufungsführer, ob und weshalb er an der Durchführung des Berufungsverfahrens festhalten will (vgl. BVerwG, Urteile vom 30.6.1998, BVerwGE 107, 117, 121 und vom 23.4.2001, BVerwGE 114, 155, 157 sowie Beschlüsse vom 15.10.1999, Buchholz 310, § 124 a VwGO, Nr. 13 und NVwZ 2000, 315). Daher wäre es hier eine bloße Förmelei, noch einen ausdrücklichen Antrag zu fordern. Im Übrigen orientiert sich die Bestimmung des § 124 a VwGO nach dem Willen des Gesetzgebers an der Regelung aus dem verwaltungsprozessualen Revisionsrecht (BVerwG, Beschluss vom 23.9.1999, NVwZ 2000, 67 m.w.N.). Für das Revisionsverfahren ist es anerkannt, dass dem Erfordernis eines bestimmten Antrags im Sinne des § 139 Abs. 2 VwGO a.F./Abs. 3 n.F. schon dann Genüge getan sein kann, wenn das Ziel der Revision aus der Tatsache ihrer Einlegung allein oder in Verbindung mit den während der Revisionsfrist abgegebenen Erklärungen ersichtlich ist (BVerwG, Urteile vom 9.12.1965, BVerwGE 23, 41, vom 10.12.1981, Buchholz 310 § 139 VwGO, Nr. 59 und vom 2.2.1990 - 6 C 5.88 -, juris; vgl. zum Ganzen OVG Münster, Urteil vom 23.5.2003 - 11 A 5503/99 -, juris; BayVGH, Urteile vom 11.3.2004 - AN 10 K 02.936 - und - 8 BV 03.1703 - sowie VGH Bad.-Württ., Urteil vom 6.7.2001, VBlBW 2002, 126; Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 124 a RdNr. 30 m.w.N.).
33 
Die Klägerin hat Anspruch auf Erlass der Grundsteuer gem. § 33 Abs. 1 GrStG in der vom Verwaltungsgericht zuerkannten Höhe. Ob der geltend gemachte Erlassanspruch besteht, bestimmt sich nach den nach materiellem Recht (§ 34 Abs. 1 S. 2 GrStG) maßgeblichen Verhältnissen des Erlasszeitraums. Darauf, ob diese Verhältnisse bereits im Behördenverfahren bekannt waren, kommt es entgegen der Auffassung der Beklagten nicht an. Bei gerichtlicher Verfolgung des Erlassanspruchs ist - wie auch sonst regelmäßig bei Verpflichtungsklagen - auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. den Zeitpunkt der Entscheidung (auch im Berufungsverfahren) abzustellen (Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 113 Rdnr. 217 ff.).
34 
Die von der Beklagten herangezogene Rechtsprechung betrifft nicht den Grundsteuererlass nach § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG, sondern Ermessensentscheidungen über einen Billigkeitserlass (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 20.10.1987, ZKF 1988, 34; BFH, Urteile vom 10.5.1972, BFHE 105, 458 und Urteil vom 26.7.1972, BFHE 106, 489). Da das Wesen einer Ermessensentscheidung darin besteht, einen Spielraum zu geben, unter einer Mehrzahl rechtlich zulässiger Verhaltensweisen wählen zu können, darf sich die gerichtliche Rechtskontrolle nur auf den Zeitpunkt der Entscheidung durch die Verwaltungsbehörde selbst beziehen (vgl. zur Überprüfung einer Entscheidung über einen Billigkeitserlass BFH, Urteil vom 26.7.1972, BFHE 106, 489). § 33 Abs. 1 S. 1 GrStG ist dagegen eine den allgemeinen Billigkeitsregelungen der §§ 163, 227 AO vorgehende Spezialvorschrift, die den Steuererlass bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen von Gesetzes wegen anordnet. Im Rahmen seiner Anwendung ist daher kein Raum für eine Ermessensausübung (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.9.1982, Buchholz 401.4, § 33 GrStG Nr. 18).
35 
Die Erlassanträge wurden unstreitig fristgerecht gestellt. Eine Darlegung der Antragsgründe war innerhalb der Antragsfrist nicht erforderlich. Die von der Beklagten angenommene Notwendigkeit einer derartigen Darlegung lässt sich aus dem Wortlaut des § 34 Abs. 2 GrStG nicht herleiten, wonach Grundsteuererlass nach § 33 GrStG nur auf Antrag gewährt wird, der bis zu dem auf den Erlasszeitraum folgenden 31. März zu stellen ist. Denn ein Antrag ist eine empfangsbedürftige, an die entscheidungsbefugte Behörde gerichtete Willenserklärung des Bürgers, die erforderlich ist, damit diese mit einem Verwaltungsverfahren im Sinne des § 9 VwVfG beginnt (vgl. P.Stelkens/Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 6. Aufl., § 22 RdNrn. 15 und 18). Er schließt begrifflich nicht die Antragsgründe ein, wie beispielsweise § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO, der zusätzlich zum Antrag auf Zulassung der Berufung die Darlegung der Zulassungsgründe innerhalb einer bestimmten Frist verlangt.
36 
Die Begründung zur Regierungsvorlage (abgedruckt in Troll/Eisele, Grundsteuergesetz, 8. Aufl., § 34 RdNr. 1) gibt ebenfalls nichts für ein Verständnis des § 34 Abs. 2 GrStG im Sinne einer Notwendigkeit der Darlegung der Erlassgründe innerhalb der Antragsfrist her. Auch Sinn und Zweck der Antragsfrist erlauben keine Auslegung der Vorschrift in diesem von der Beklagten angenommenen Sinn. Die zeitliche Befristung des Erlassantrags dient zwar dem Interesse des Steuergläubigers, ihm alsbald nach Ablauf des Kalenderjahres, für das er die Grundsteuer in der Regel bereits vereinnahmt hat, aus haushaltsrechtlichen Gründen Gewissheit darüber zu verschaffen, ob er die vereinnahmte Grundsteuer auch endgültig behalten darf (Senatsurteil vom 18.9.1989 - 2 S 339/89 -). Diesem Interesse wird aber regelmäßig schon durch die Antragstellung selbst hinreichend genügt. Auch darf von einem juristischen Laien, der den Antrag nach § 34 GrStG ohne anwaltliche Hilfe selbst stellen kann, anders als etwa von einem Rechtsanwalt im Berufungszulassungsverfahren keine sachgerechte Darlegung von Erlassgründen mit präkludierender Wirkung erwartet werden.
37 
Eine mangelhafte Mitwirkung des den Steuererlass Begehrenden bei der Feststellung der maßgeblichen Tatsachen im Verwaltungsverfahren erlaubt der Behörde zwar eine verfahrensrechtliche (abschlägige) Entscheidung ohne weitere Sachermittlung (P.Stelkens/Kallerhoff in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, § 24 RdNr. 29), präkludiert aber nicht das spätere Vorbringen anspruchsbegründender Tatsachen im gerichtlichen Verfahren. Um die Kostenlast in einem derartigen Fall abzuwälzen, besteht für die Behörde in diesem Fall die Möglichkeit, den Ablehnungsbescheid abzuändern und den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären. Im vorliegenden Zusammenhang kommt hinzu, dass die Beklagte der nach ihrem gesamten Verhalten offensichtlich mitwirkungswilligen Klägerin keine konkreten Vorgaben für deren Mitwirkung gemacht hat, vielmehr lediglich u.a. um die Vorlage „detaillierterer“ Unterlagen gebeten hat. Nicht erbeten wurde dagegen etwa die Aufstellung der vermieteten und nicht vermieteten Büroflächen im Erlasszeitraum und die Zuordnung von Ist- bzw. Sollmieten. Auch wurde die Klägerin nicht auf das in den Aktenvermerken festgestellten Abbrechen von Vermietungsverhandlungen und sonstige Unklarheiten hingewiesen und hatte deshalb auch keine Möglichkeit, hierzu Stellung zu nehmen.
38 
Die Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG liegen vor, wonach dann, wenn bei bebauten Grundstücken der normale Rohertrag des Steuergegenstands um mehr als 20 v.H. gemindert ist und der Steuerschuldner die Minderung des Rohertrags nicht zu vertreten hat, die Grundsteuer in Höhe des Prozentsatzes erlassen wird, der vier Fünfteln des Prozentsatzes der Minderung entspricht.
39 
Nach § 33 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GrStG ist normaler Rohertrag bei bebauten Grundstücken, deren Wert nach dem Bewertungsgesetz im Ertragswertverfahren zu ermitteln ist ( vgl. § 76 Abs.1 BewG), die Jahresrohmiete, die bei einer Hauptfeststellung auf den Beginn des Erlasszeitraums maßgebend wäre. Jahresrohmiete ist nach § 79 Abs. 1 BewG das Gesamtentgelt, das der Mieter für die Benutzung des Grundstücks nach den vertraglichen Vereinbarungen für ein Jahr zu entrichten hat (Sollmiete). Statt des Betrags nach § 79 Abs. 1 BewG gilt nach § 79 Abs. 2 S. 1 BewG die übliche Miete als Jahresrohmiete u.a. für solche Grundstücke, die ungenutzt sind (Nr. 1). In diesen Fällen ist die übliche Miete in Anlehnung an die Jahresrohmiete zu schätzen, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wird ( § 79 Abs. 2 S. 2 BewG).
40 
Für die danach vorzunehmende Ermittlung des an Ertrag „Üblichen“ spielt der aus der Vermietung der Grundstücke vor und nach dem Erlasszeitraum erzielte Ertrag unmittelbar keine Rolle. § 33 GrStG hebt nicht auf das ab, was bei dem jeweils betroffenen Grundstück „üblich“ gewesen sein mag; er meint mit dem „Üblichen“ vielmehr das, was Objekte vergleichbarer Beschaffenheit an Ertrag erbringen. Gefordert ist ein Vergleich „mit anderen“. Das entspricht der Funktion des Erlasses öffentlicher Abgaben, wenn er - wie hier - nicht im allgemeinen, sondern im individuellen Interesse begehrt wird. Denn vor dem Hintergrund des Gebots der Abgabengleichheit, d.h. der vom Gleichheitssatz verlangten Gleichbehandlung gerade im Abgabenrecht, darf ein solcher Erlass nur gewährt werden, wenn und soweit er dazu dient, Sachverhalten Rechnung zu tragen, „die im Verhältnis zu den vom Gesetz erfassten Regelfällen als Sonderfälle erscheinen“ (BVerwG, Urteil vom 18.11.1977, Buchholz 406.11, § 135 BBauG, Nr. 10), die also als atypisch „aus tatsächlichen Gründen aus der Regel fallen“ (BVerwG, Urteile vom 14.7.1972, BVerwGE 40, 268, vom 4.5.1979, Buchholz 406.11, § 133 BBauG, Nr. 69, vom 3.5.1991, Buchholz 401.4, § 33 GrStG Nr. 24 und vom 4.4.2001, BVerwGE 114, 132). Angesichts dieser auf den Gleichheitssatz zurückgehenden Funktion des Erlasses öffentlicher Abgaben ist bei der Beurteilung eines Falles anhand des § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG jeweils von dem Ertrag auszugehen, den ein Grundstück tatsächlich abwirft. Der tatsächlich erzielte Ertrag hat eine Art Vermutung der Normalität für sich, sofern nicht die Nachforschung nach der Ertragslage bei vergleichbaren Objekten ergibt, dass die (geringe) Höhe des vom jeweiligen Eigentümer erzielten Ertrags auf Besonderheiten zurückgeht, die den Fall als in dem gekennzeichneten Sinn atypisch erscheinen lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 3.5.1991, a.a.O.).
41 
Zweifel an der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Ermittlung des Minderertrags bestehen nicht. Der Senat macht sich die Begründung des Verwaltungsgerichts daher insoweit zu eigen (§ 130 b S. 2 VwGO). Ergänzend weist er auf Folgendes hin: Der Rohertrag war nicht etwa im Hinblick auf die besondere Größe der streitigen Fläche, deren nach Angaben der Klägerin schlechte (weitere) Teilbarkeit und die streitigen sowie früheren Leerstände, geringer anzusetzen. Auch wenn diese Umstände in den Jahren 1985, 1995, 1997 und 1998 zu Leerständen geführt haben mögen, so haben sie doch die Vermietung nicht über längere Zeiträume verhindert. Die Größe der Fläche hatte - anders als die Beklagte meint - keinen (negativen) Einfluss auf den erzielbaren Quadratmeterpreis. Nach der Mietpreisumfrage für Büroflächen in der Region Stuttgart der Industrie- und Handelskammer - Region Stuttgart - vom November 2000 war die Größe der Fläche für den Mietpreis nicht (negativ) bestimmend. In der Mehrzahl der Fälle nahm er sogar mit zunehmender Fläche zu. Dabei schien eine Rolle zu spielen, dass es sich bei den größeren Flächen tendenziell um jüngere Objekte handelte und die Nachfrager nach solchen Flächen oft klare Vorstellungen von den Anforderungen an das Objekt hatten und weniger Kompromissbereitschaft hinsichtlich seiner Ausstattung zeigten. Nach der genannten Untersuchung waren die Laufzeiten der Mietverträge relativ uneinheitlich. Die durchschnittliche Dauer betrug im Mittel etwa sieben Jahre. Diese Umfrage bezog sich zwar nicht direkt auf die hier streitigen Zeiträume. Dennoch kommt ihr indizielle Bedeutung zu.
42 
Die Ertragsminderung ging auch - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht auf Umstände zurück, die zur Fortschreibung des Einheitswerts im Erlasszeitraum (§ 33 Abs. 5 GrStG) hätten führen können (vgl. zum Ausschluss des Grundsteuererlasses unter derartigen Voraussetzungen: BVerwG, Urteil vom 4.4.2001, BVerwGE 114,132 und dem folgend Senatsurteil vom 13.12.2001, KStZ 2002, 194; OVG Lüneburg, Beschluss vom 3.12.2003, NVwZ 2004, 370; BayVGH, Urteil vom 31.3.2005 - 4 B 01.1818 -; HessVGH, Urteil vom 7.3.2005, DÖV 2005,785). Zwar sind der Neufeststellung des Einheitswerts (Wertfortschreibung, § 22 Abs. 1 S. 1 BewG) die (tatsächlichen) Verhältnisse im Fortschreibungszeitpunkt zugrunde zu legen (§ 22 Abs. 4 S. 2 BewG). Hinsichtlich der Wertverhältnisse ist jedoch bei Fortschreibungen und bei Nachfeststellungen der Einheitswerte für Grundbesitz auf die Wertverhältnisse im Hauptfeststellungszeitpunkt (1.1.1964) abzustellen (§ 27 BewG). Die Wertverhältnisse umfassen vor allem die wirtschaftlichen Verhältnisse, die ihren Niederschlag u.a. im allgemeinen Mietniveau finden. Dies bedeutet, dass bei der Bewertung bebauter Grundstücke im Ertragswertverfahren nicht die zum Fortschreibungszeitpunkt gezahlte Miete, sondern die Miete zugrunde zu legen ist, die am 1.1.1964 unter Berücksichtigung des tatsächlichen Zustands der zu vermietenden Flächen vom Fortschreibungszeitpunkt anzusetzen gewesen wäre. Damit können Mietminderungen oder Mietausfall bei Gewerbegebäuden nicht zur Wertfortschreibung führen (vgl. zum Ganzen: Troll/Eisele, Grundsteuergesetz, 8. Auflage, § 13 RdNr. 8 und § 33 RdNr. 16 m.w.N.; Drosdzol, KStZ 2001, 183; Halaczinsky, Grundsteuer-Kommentar, 2. Aufl. 1995, § 33 Rn. 53; Kreutziger/Lindberg in Kreutziger/Lindberg/Schaffner-Kreutziger/Lindberg, Bewertungsgesetz, Kommentar, 2002 § 27 Rn. 2 ff.; Balzerkiewicz, BTR 2005, 63; Balzerkiewicz/Voigt, DStZ 2004, 830; BFH, Beschluss vom 24.7.2002, BFH/NV 2003, 8).
43 
Die streitigen Leerstände waren auch nicht durch sich im allgemeinen Mietniveau niederschlagende langfristige wirtschaftliche Verhältnisse verursacht. Sie beruhten vielmehr auf für die Ertragslage außergewöhnlichen („atypischen“) Umständen (hierzu BVerwG, Urteile vom 4.4.2001 und 3.5.1991 jeweils a.a.O.), nämlich nur vorübergehenden - zwei Jahre unterschreitenden - Veränderungen der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse. Im Steuerrecht ist indessen regelmäßig erst nach Ablauf von drei Jahren von der Dauerhaftigkeit von Zuständen auszugehen (Stöckel, Grundsteuerrecht 2003 § 33 Rdnr. 10). Hauptfeststellungen finden nach der Konzeption des Bewertungsgesetzes in Zeitabständen von sechs Jahren statt (§ 21 Abs. 1 BewG).
44 
Auf die Leerstände der Jahre 1985 und 1995, 1997 und (der ersten Hälfte des Jahres) 1998 folgten jeweils wieder Zeiten der Vermietung. So war das Gebäude 1986,1996 und ab Mitte 1998 (zu 90%) wieder vermietet. In der Folgezeit hat sich die Ertragslage - wie von der Klägerin unbestritten vorgetragen -weiter deutlich verbessert. Die Gestaltung der 1996 zu erbringenden Anfangsmiete ist im Zusammenhang mit der besonders langen Dauer und dem Umfang der vermieteten Flächen zu sehen. Insgesamt belegen die Leerstände zwar eine gewisse Labilität der wirtschaftlichen Verhältnisse. Die jeweils relativ rasch eingetretenen Konsolidierungen stehen der Annahme einer langfristigen Veränderung jedoch entgegen.
45 
Die Klägerin hat die Minderung des Rohertrages auch nicht zu vertreten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat folgt, hat ein Grundsteuerpflichtiger eine Ertragsminderung dann nicht zu vertreten, wenn sie auf Umständen beruht, die außerhalb seines Einflussbereichs liegen, d.h. wenn er die Ertragsminderung weder durch ein ihm zurechenbares Verhalten herbeigeführt hat, noch ihren Eintritt durch geeignete und ihm zumutbare Maßnahmen hat abwenden können. Berücksichtigungsfähig ist nur das Verhalten im Erlasszeitraum. Unerheblich ist dagegen, was in früheren Zeiträumen veranlasst wurde. Dies gilt auch dann, wenn dies - wie etwa eine Betriebsaufgabe - im Erlasszeitraum fortwirkt (BVerwG, Urteile vom 26.5.1983, Buchholz 401.4, § 33 GrStG Nr. 23 und vom 15.4.1983, Buchholz , a.a.O., Nr. 20 m.w.N.). Danach ist die Beendigung des Mietverhältnisses mit ...  im Jahr 1996 auch dann unbeachtlich, wenn sie sich auf die Verhältnisse des Jahres 1997 auswirkte.
46 
Die Unterbrechung der Vermietungsverhandlungen mit der Fa. xxxxxxx über eine 1 % der Gesamtmietfläche von knapp 23.000 m² nur geringfügig überschreitende Fläche von 250 m² hat schon keinen zu vertretenden Leerstand verursacht. Vielmehr hat sie - nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin - erst die Vermietung von 3.405,49 m² Bürofläche zzgl. 91 m² Verkehrsfläche an die Fa. ... ... ermöglicht.
47 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
48 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 VwGO vorliegt.

Sonstige Literatur

 
49 
Rechtsmittelbelehrung
50 
Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.
51 
Die Beschwerde ist beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Schubertstraße 11, 68165 Mannheim oder Postfach 10 32 64, 68032 Mannheim, innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils zu begründen.
52 
Die Beschwerde muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
53 
In der Begründung der Beschwerde muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
54 
Für das Beschwerdeverfahren besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde und für die Begründung. Danach muss sich jeder Beteiligte, soweit er einen Antrag stellt, durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen.
55 
Beschluss vom 14. November 2005
56 
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 89.846,51 EUR festgesetzt (§ 13 Abs. 2 GKG a.F.).
57 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

Mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche werden zusammengerechnet; dies gilt nicht für den Gegenstand der Klage und der Widerklage.