Verwaltungsgericht Trier Urteil, 28. Juni 2016 - 3 K 3796/15.TR

ECLI:ECLI:DE:VGTRIER:2016:0628.3K3796.15.00
bei uns veröffentlicht am28.06.2016

Tenor

Dem Beklagten wird das Ruhegehalt aberkannt.

Die Kosten des Verfahrens einschließlich derjenigen des behördlichen Verfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des vollstreckungsfähigen Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor der Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger betreibt die Aberkennung des Ruhegehalts des Beklagten.

2

Der am ... in ... geborene Beklagte stand bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand als Studiendirektor im Dienst des klagenden Landes. Nach dem Besuch von Grundschule und Gymnasium, welches er im Mai 1974 mit der allgemeinen Hochschulreife abschloss, leistete der Beklagte bis Ende Juni 1976 seinen Grundwehrdienst ab. Im Oktober 1976 begann er ein Studium der Fächer Sport und Geschichte für das Lehramt an Gymnasien an der Universität .... Er legte die Erste Staatsprüfung im Mai 1982 in ... ab und absolvierte von August 1982 bis Juli 1984 das Referendariat, das er mit der Zweiten Staatsprüfung mit der Gesamtnote „sehr gut“ erfolgreich beendete. Ab dem 24. September 1984 wurde der Beklagte als Aushilfsangestellter im ... beschäftigt. Mit Ernennungsurkunde vom 23. Januar 1985 wurde er unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Studienassessor und mit Urkunde vom 15. November 1985 zum Studienrat ernannt. Die Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit erfolgte mit Urkunde vom 9. Juni 1986. Ab dem 18. März 1994 war er in der Funktion des Fachbetreuers als stellvertretender Abteilungsleiter ... für das Fach Sport an dem ... Gymnasium ... eingesetzt. Mit Urkunde vom 22. März 2000 wurde er zum Oberstudienrat ernannt. Auf seinen Antrag hin erfolgte seine Versetzung im Rahmen des Lehreraustauschverfahrens der Bundesländer zum 1. August 2002 unter Fortsetzung des Beamtenverhältnisses auf Lebenszeit nach Rheinland-Pfalz an das Gymnasium ....

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Mit Schreiben vom 15. Dezember 2004 wurde der Beklagte kommissarisch zum ständigen Vertreter des Leiters des Gymnasiums ... bestellt. Nach seiner Bewährung auf dieser Funktionsstelle wurde er mit Wirkung vom 17. Januar 2006 zum Studiendirektor ernannt und mit der ständigen Vertretung des Schulleiters betraut (Studiendirektor zur Koordinierung schulfachlicher Aufgaben). Die Entpflichtung von der Funktion des stellvertretenden Schulleiters erfolgte mit Schreiben vom 16. März 2015.

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Der Beklagte ist seit dem ... verheiratet und Vater von zwei volljährigen Söhnen (geboren am ... und ...). Nach Mitteilung des Beklagten besteht ein Grad der Behinderung von 30 Prozent wegen einer Herzschrittmacherimplantation.

5

Mit Schreiben vom 21. Mai 2015 beantragte der Beklagte die Feststellung seiner Dienstunfähigkeit. Nach Untersuchung durch die Zentrale Medizinische Untersuchungsstelle wurde der Beklagte mit Wirkung vom 1. September 2015 in den Ruhestand versetzt. Eine neue Untersuchung soll laut ZMU-Gutachten vom 22. Juli 2015 nach einem Jahr erfolgen.

6

Durch Mitteilung des Schulleiters des Gymnasiums ..., Herrn Oberstudiendirektor ..., vom 31. Oktober 2013 erlangte der Kläger Kenntnis davon, dass dem Beamten ein sexueller Kontakte zu einer Schülerin, der Zeugin ..., vorgeworfen werde. Mit Schreiben vom 20. November 2013 wurde Strafanzeige gegen den Beamten bei der Staatsanwaltschaft ... erstattet.

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Unter dem 10. Dezember 2013 wurde gegen den Beklagten ein Disziplinarverfahren eingeleitet, welches zugleich für die Dauer des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens bei der Staatsanwaltschaft ... mit dem Az.: ... ausgesetzt wurde.

8

Am 27. Januar 2014 wurde der Beklagte über die Einsetzung einer Ermittlungsführerin und die beabsichtigte vorläufige Dienstenthebung in Kenntnis gesetzt. Hierzu nahm der Beklagte mit Schreiben vom 13. Februar 2014 Stellung und trug vor, dass die gegenwärtige Beweislage eine derartige Maßnahme nicht rechtfertige. Die Mitbestimmung des Personalrates wurde beantragt.

9

Die Staatsanwaltschaft ... stellte mit Verfügung vom 18. Juli 2014 das strafrechtliche Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung - StPO - ein.

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Mit Schreiben vom 18. August 2014 wurde die Fortsetzung des Disziplinarverfahrens verfügt. Es wurde ausgeführt, dass unabhängig von der Erfüllung eines Straftatbestandes eine dienstrechtliche Relevanz des ermittelten Tatverhaltens bestehe. Dem Beamten wurde erneut Gelegenheit zur Stellungnahme zur beabsichtigten vorläufigen Dienstenthebung sowie der Einbehaltung der Dienstbezüge eingeräumt.

11

Nach Beteiligung des Bezirkspersonalrats wurde der Beklagte mit Bescheid vom 11. Februar 2015 vorläufig des Dienstes enthoben und die Einbehaltung von 50 v.H. der monatlichen Dienstbezüge angeordnet.

12

Der wesentliche Ermittlungsbericht wurde dem Beklagten unter dem 18. August 2015 zur Kenntnis gegeben. Ihm wurde Gelegenheit eingeräumt, weitere Ermittlungen zu beantragen und sich abschließend zur Sache zu äußern. Darüber hinaus wurde der Beklagte über die Möglichkeit belehrt, die Mitbestimmung des Personalrates beantragen zu können. Auf Antrag des Klägers stimmte der Bezirkspersonalrat der beabsichtigten Erhebung der Disziplinarklage mit dem Ziel der Aberkennung des Ruhegehalts am 2. Dezember 2015 zu.

13

Am 18. Dezember 2015 hat der Kläger die vorliegende Disziplinarklage mit dem Ziel der Aberkennung des Ruhegehalts erhoben. Dem Beamten wird vorgeworfen, auf einer Klassenfahrt am Abend des ... sexuellen Kontakt zu der Zeugin ... gehabt zu haben.

14

Der Beklagte habe die Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 13 des Gymnasiums ..., zu denen unter anderem auch die Zeugin ... gehört habe, in der Zeit vom ... bis zum ... als Aufsichtspersonen auf einer Fahrt an den ... begleitet. Weitere Begleitpersonen seien die Lehrkräfte und Zeugen Frau ..., Herr ... und Herr ... gewesen.

15

Am Abend des ... habe der Beamte die Zeugin ... gegen 0:30 Uhr durch die Tür in den Bungalow Nr. 272 geschoben. Dort habe er, am Fenster hinter der Zeugin stehend, sein Becken so bewegt, dass die Zeugin ihn habe spüren können. Dann habe der Beamte die Zeugin gegen die Tür gedrückt, habe ihre Handgelenke gepackt und ihre Arme nach oben gehalten. Er habe seinen erigierten Penis durch seine Hose an ihren Po gerieben, habe der Zeugin in den Nacken und ins Ohr sowie ins rechte Ohrläppchen gebissen. Sodann habe er die Zeugin an den Schultern umgedreht und habe die Hand der Zeugin in seine Hose geschoben. Der Beamte habe die Zeugin in das Einzelzimmer des Bungalows gezogen, wo er sie aufs Bett gestoßen habe. Er habe ihr, als sie auf dem Bett gelegen habe, das Top und den BH hinuntergeschoben und habe der Zeugin in die rechte Brustwarze gebissen. Der Beamte habe über und zwischen den Brüsten der Zeugin geleckt und habe diese mit den Händen gedrückt. Er habe die Hose der Zeugin geöffnet und sei mit den Fingern in deren Scheide eingedrungen. Hierbei habe er der Zeugin vermutlich Verletzungen im Vaginalbereich zugefügt, deren Schwere nicht habe ermittelt werden können. Der Beamte habe die Zeugin auf den Bauch gedreht und habe versucht, mit seinem Penis anal in die Zeugin einzudringen, was jedoch misslungen sei. Aufgrund eines Geräuschs sei der Beamte aufgeschreckt und habe von der Zeugin abgelassen. Die Zeugin sei zum Tatzeitpunkt 19 Jahre alt gewesen. Sie sei von dem Beamten nie unterrichtet worden.

16

Dieser Sachverhalt stehe fest aufgrund der Ermittlungen im staatsanwaltschaftlichen Verfahren mit dem Az.: .... An der Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin ... bestehe kein Zweifel. Dies bestätigten auch der die Ermittlungen führende Staatsanwalt und das aussagepsychologische Gutachten der Diplom-Psychologin ... vom .... Diese sei zu dem Ergebnis gekommen, dass die Aussage der Zeugin ... hinsichtlich des Umstandes, dass es zu einem sexuellen Kontakt mit dem Beklagten gekommen sei, mit hoher Wahrscheinlichkeit erlebnisfundiert sei. Zweifel bestünden lediglich hinsichtlich der Unfreiwilligkeit des sexuellen Kontaktes.

17

Im Disziplinarverfahren könne zu Gunsten des Beklagten unterstellt werden, dass der sexuelle Kontakt zwischen ihm und der Zeugin ... einvernehmlich erfolgt sei bzw., dass die Zeugin ... ihren eventuell entgegenstehenden Willen für den Beklagten nicht erkennbar zum Ausdruck gebracht habe.

18

Es seien keinerlei Belastungstendenzen seitens der Zeugin ... erkennbar. Insbesondere sei nicht ersichtlich, welchen Grund oder Vorteil sie davon haben könnte, den Beklagten zu Unrecht eines solchen Übergriffs zu bezichtigen. Sie sei zu keinem Zeitpunkt von dem Beklagten unterrichtet worden und hätte von ihm auch nicht in der Abiturprüfung geprüft werden sollen. Die Zeugin sei eine durchschnittliche bis gute Schülerin, die nicht etwa habe befürchten müssen, die Abiturprüfung nicht oder nur knapp zu bestehen. Die Ausführungen der Zeugin seien farbig und plastisch geschildert und wirkten erlebnisfundiert. Auch die hochgradige emotionale Reaktion auf Gespräche betreffend die Ereignisse am ... spräche dafür, dass es ein traumatisierendes Erlebnis gegeben habe. Dies gelte unbeschadet dessen, dass die Gutachterin Frau ... hierzu ausgeführt habe, es sei in Betracht zu ziehen, dass die Zeugin die vorhandene emotionale Belastung übersteigert darstellen könne.

19

Durch dieses Verhalten habe der Beklagte gegen seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten verstoßen. Die Vornahme sexueller Handlungen zwischen Lehrern und Schülern stelle unabhängig von der strafrechtlichen Relevanz stets ein Dienstvergehen dar. Sexuelle Kontakte zwischen Lehrkräften und Schülern seien mit dem staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag unvereinbar und daher generell unzulässig. Durch die vorgehaltene Handlung habe der Beklagte sich für den öffentlichen Dienst als untragbar erwiesen. Dem mittlerweile in den Ruhestand versetzten Beklagten sei mithin das Ruhegehalt abzuerkennen.

20

Der Kläger beantragt,

21

die Aberkennung des Ruhegehalts des Beklagten.

22

Der Beklagte beantragt,

23

die Klage abzuweisen.

24

Er rügt, dass der Bezirkspersonalrat offensichtlich den Vorschlag des Klägers lediglich „abgenickt“ habe, da die Zustimmung keine Begründung enthalte.

25

Darüber hinaus liege ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot vor, da der Ermittlungsbericht am 14. August 2015 und damit erst ein Jahr nach Einstellung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens erstellt worden sei.

26

Zudem habe es der Kläger in rechtswidriger Weise unterlassen, eigene Ermittlungen durchzuführen, und habe statt dessen auf die staatsanwaltschaftlichen zurückgegriffen.

27

Schon aus diesem Grunde sei die Klage abzuweisen.

28

In der Sache bestreite er die gegen ihn erhobenen Vorwürfe. Von daher gebe es auch kein „ermitteltes Tatverhalten“. Es sei lediglich zutreffend, dass er gemeinsam mit anderen Lehrkräften an der Kursfahrt teilgenommen habe. Im dargestellten Sachverhalt würden Behauptungen des seinerzeit ermittelnden Staatsanwaltes übernommen, der offensichtlich „nachgetreten“ habe, da es ihm nicht gelungen sei, einen Tatnachweis zu führen.

29

Da Verletzungen bei der Zeugin ... nicht hätte nachgewiesen werden können, sei es schlicht rechtswidrig, ihm derartige Verletzungen vorzuwerfen. Ohnehin habe sich die Zeugin nicht aus eigenem Antrieb einer ärztlichen Untersuchung unterzogen. Was nicht nachgewiesen werden könne, könne ihm nicht angelastet werden. Das dahingehende ärztliche Gutachten sei jedenfalls unergiebig geblieben.

30

Selbst wenn die Schilderungen der Zeugen ..., keine Gegenwehr geleistet zu haben, zutreffend seien, hätte der sich in unmittelbarer Nähe befundene Zeuge ... etwas vom Tatgeschehen mitbekommen müssen.

31

Erst recht hätten die beiden Schüler ... und ..., die sich in dem Bungalow aufgehalten hätten, etwas wahrnehmen müssen.

32

Die Zeugin ... verfüge über erhebliches schauspielerisches Talent, was sich daraus ergebe, dass sie der Theater-AG des Gymnasiums ... angehört habe. Der Leiter der Theater-AG habe auch keinerlei Veränderungen nach der Rückkehr von der Kursfahrt und dem angeblichen Vorfall bei der Zeugin feststellen können.

33

Der Zeuge ... habe im Einzelnen bestätigt, dass es aufgrund der kurzen zeitlichen Trennung zwischen ihm und dem Zeugen ... nicht möglich gewesen sei, einen Übergriff zu führen. Dieser habe angegeben, dass er sicher keine 10 Minuten weg gewesen sei. Er habe von 2-5 Minuten gesprochen. Darüber hinaus habe der Zeuge ... den Beklagten sogar darauf aufmerksam gemacht, dass der Schüler ... im Bett gelegen habe. Außerdem habe der Zeuge bestätigt, dass Mitarbeiter der Security in der Nähe gewesen seien.

34

Die Bungalows seien äußerst hellhörig gewesen. Selbst die Schüler ... und ..., die in dem Bungalow geschlafen hätten, hätten nichts mitbekommen. Von daher könne der Vorfall nicht stattgefunden haben, da ausgeschlossen werden könne, dass sich die Zeugin ... und er – der Beklagte -, sofern der Vorwurf zuträfe, völlig geräuschlos verhalten hätten. Der Umkehrschluss, dass die Schüler ... und ... auch nichts von dem Herausräumen der Möbel aus dem Bungalow mitbekommen hätten und dies die These widerlege, ein Übergriff hätte aufgrund der Hellhörigkeit nicht unbemerkt bleiben können, gehe fehl.

35

Nach den Regeln der Beweisführung sei es dem Kläger nicht möglich, ihm nachzuweisen, dass er das Dienstvergehen begangen habe.

36

Ebenso wie die Staatsanwaltschaft habe der Kläger falsche Aussagen der Zeugin ... “unter den Tisch fallen lassen“. Bei ihrer richterlichen Vernehmung habe die Zeugin ... ausgesagt, sie sei bei der Führung in ... nicht in seiner Gruppe gewesen. Diese Aussage sei falsch. Die Zeugin ... habe Gegenteiliges bestätigt. Es sei völlig abwegig anzunehmen, dass sich die Zeugin ... zu dieser Gruppe begeben hätte, obwohl er – der Beklagte - sie gegen ihren Willen zuvor sexuell bedrängt haben solle. Selbst wenn sie durch Handzeichen in diese Gruppe zugeteilt worden wäre, so hätte sich die Zeugin hiergegen wehren können. Der Schüler ... habe ausdrücklich erwähnt, dass es der Schülerin möglich gewesen wäre, die Gruppe zu wechseln.

37

Nicht berücksichtigt worden sei, dass die Schülerin ... keine Verhaltensänderung bei der Zeugin ... festgestellt habe. Dies gelte auch für die Mitbewohnerinnen der Zeugin .... Das normale Verhalten der Zeugin ... sei in keiner Weise berücksichtigt worden, während sein normales Verhalten als Indiz für einen Übergriff gewertet worden sei. Dies sei widersprüchlich und unschlüssig.

38

Aufgrund seiner Bekanntschaft zu Frau ... habe ihm der Kläger unterstellt, dass diese eine Aussage zu seinen Gunsten gemacht habe. Dies treffe nicht zu. Entsprechendes gelte hinsichtlich der übrigen Zeugen.

39

Entgegen der Darstellung des Klägers, der Zeuge ... habe angegeben, nicht wahrgenommen zu haben, ob sich jemand im Bungalow aufgehalten habe, habe der Zeuge ... in seiner Vernehmung geäußert, er könne sich nicht mehr erinnern, ob noch weitere Personen in der Hütte gewesen seien. Ein Widerspruch zur Aussage des Zeugen ... könne hieraus jedenfalls nicht hergeleitet werden.

40

Es sei auch geradezu lächerlich, dass die Behauptung aufgestellt werde, der Zeuge ..., geboren im Jahr ..., sei ein Patenonkel seines Sohnes. Die Richtigkeit unterstellt, wäre der Zeuge bei Übernahme der Patenschaft sieben oder elf Jahre alt gewesen.

41

Der Schüler ... habe im Übrigen bestätigt, dass er nur eine Person wahrgenommen habe, die Möbel aus dem Bungalow herausgetragen habe. Dies könne nur er – der Beklagte - gewesen sein. In einem Zeitraum von 2 bis 5 Minuten habe er jedoch nicht einen Tisch und vier Stühle heraus tragen und dann noch einen Übergriff tätigen können.

42

Sofern der Kläger vortrage, die Schülerinnen ... und ... hätten die Zeugin ... unmittelbar nach „dem Geschehen“ weinend angetroffen, werde ein Geschehen unterstellt, welches nicht stattgefunden habe. Der Grund, weshalb die Zeugin ... geweint habe, sei nicht bekannt.

43

Im Übrigen habe Frau ... bestätigt, dass sich die Zeugin ... an der Bushaltestelle an einem Gespräch mit ihm beteiligt habe. Dies werde schlicht nicht berücksichtigt.

44

Es werde ihm vorgehalten, der Übergriff habe um 0:30 Uhr stattgefunden. Zu dieser Uhrzeit sei er bereits in Begleitung des Zeugen ... zu seiner Hütte zurückgekehrt gewesen. Dort seien sie auf die Zeugen ... und ... gestoßen.

45

Abschließend sei zu sehen, dass die Zeugin ... keine Anzeige erstattet, sich keiner anderen Lehrkraft anvertraut und bezüglich der Auswahl der Gruppen bei der Führung in Verona falsche Angaben gemacht habe.

46

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ... und .... Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

47

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze sowie auf die Personal – und Disziplinarakte verwiesen. Diese lagen dem Gericht ebenso wie die Strafakte der Staatsanwaltschaft ... mit dem Az.: ... vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

48

Der Beklagte hat sich eines Dienstvergehens schuldig gemacht, welches unter Berücksichtigung des Umfangs der Pflichtverletzung und der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit sowie unter Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten die Aberkennung des Ruhegehalts erforderlich macht (§§ 3 Abs. 2 Nr. 2, 10, 11 Landesdisziplinargesetz vom 2. März 1998 (GVBl S. 29), zuletzt geändert durch Gesetz (Art. 7) vom 15. Juni 2015 (GVBl S. 93) – LDG – ).

49

Das behördliche Disziplinarverfahren leidet unter keinem wesentlichen Verfahrensmangel. Soweit der Beklagte darauf verweist, dass der Bezirkspersonalrat den Vorschlag des Klägers, gegen ihn Disziplinarklage zu erheben, ohne Begründung lediglich „abgenickt“ habe, ist der Beklagte darauf zu verweisen, dass das Landespersonalvertretungsgesetz in der Fassung vom 24. November 2000 (GVBl 2000, Seite 529) – LPersVG - eine Begründung zustimmender Entscheidungen nicht vorsieht. Nach § 79 Abs. 2 Nr. 13 LPersVG kann die Mitbestimmung des Personalrates zur Erhebung der Disziplinarklage beantragt werden. Das Mitbestimmungsverfahren ist in § 74 LPersVG geregelt. Nach Abs. 2 der vorbezeichneten Vorschrift unterrichtet die Dienststellenleitung den Personalrat schriftlich von der beabsichtigten Maßnahme und beantragt mit Begründung seine Zustimmung. Der Beschluss des Personalrats über die beantragte Zustimmung ist der Dienststellenleitung innerhalb von 18 Werktagen nach Zugang des Antrags mitzuteilen. Die Maßnahme gilt als gebilligt, wenn nicht der Personalrat innerhalb der genannten Frist die Zustimmung unter Angabe der Gründe schriftlich verweigert. Hieraus ergibt sich, dass nur die Ablehnung der Zustimmung einer Begründung bedarf. Der Hinweis des Beklagten auf einen möglichen Verfahrensfehler geht daher fehl.

50

Ebenso begründet die gerügte fehlende Sachaufklärung im behördlichen Disziplinarverfahren keinen Verfahrensfehler. Nach § 15 Abs. 4 LDG kann ein eingeleitetes Disziplinarverfahren ausgesetzt werden, wenn in einem anderen gesetzlich geordneten Verfahren über eine Frage zu entscheiden ist, deren Beurteilung für die Entscheidung im Disziplinarverfahren von wesentlicher Bedeutung ist. Mit dieser Regelung hält das Landesdisziplinarrecht an dem grundsätzlichen Vorrang des Strafrechts fest, der dem Zweck dient, das Ergehen einander widersprechender Entscheidungen im Strafverfahren einerseits und im Disziplinarverfahren andererseits möglichst zu vermeiden. Die Aussetzung dient ferner dem Schutz des Betroffenen, sich nicht grundlos in verschiedenen Verfahren mit denselben Vorwürfen auseinandersetzen zu müssen. Schließlich sprechen für ein grundsätzliches Beibehalten des Vorrangs des Strafverfahrens auch die in diesem bestehenden besseren Möglichkeiten der Sachaufklärung (vergleiche Gansen, Disziplinarrecht in Bund und Ländern, Kommentar, Stand April 2016 Rn. 1 zu § 22 BDG).

51

In Konsequenz dessen sieht zunächst § 16 LDG vor, dass tatsächliche Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils im Strafverfahren für das Disziplinarverfahren grundsätzlich Bindungswirkung entfalten und dass die in einem „anderen gesetzlich geordneten Verfahren“ getroffenen tatsächlichen Feststellungen nach Ermessen ohne nochmalige Überprüfung dem Disziplinarverfahren zugrunde gelegt werden können. Ein gesetzlich geordnetes Verfahren im Sinne des Abs. 2 stellt auch das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren dar (vgl. Weiss, Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, Kommentar, Stand März 2016, Rn. 32 zu § 23). Unabhängig davon, dass die vorliegende 16-seitige staatsanwaltschaftliche Einstellungsverfügung nach § 170 Abs. 2 StPO vom 18. Juli 2014 in der konkret verfassten Form, d.h. mit einem ausdrücklich festgestellten Sachverhalt unter umfassender Würdigung der im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren durchgeführten Zeugenvernehmung tatsächliche Feststellungen enthält, die die qualifizierenden Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 LDG erfüllen, hat der Kläger offenkundig nicht nur diese Feststellungen seiner Entscheidung zugrunde gelegt, sondern sowohl im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen als auch im Rahmen der vorliegenden Klageschrift unter zulässiger Heranziehung der im Strafverfahren gewonnenen Beweismittel nach § 29 Abs 1 Nr. 3, Abs. 2 LDG eine eigene Beweiswürdigung mit nachfolgender Sachverhaltsfeststellung vorgenommen. Ein Verfahrensfehler ist nicht ersichtlich.

52

Schließlich vermag ein Verstoß gegen das vom Beklagten erinnerte Beschleunigungsgebot selbst für den gegebenen Fall nicht zu einem durchgreifenden Verfahrensverstoß zu führen, sondern kann allenfalls unter dem Gesichtspunkt einer langen Verfahrensdauer und einer bereits damit bewirkten Pflichtenmahnung im Rahmen der Maßnahmebemessung Berücksichtigung finden (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. November 2007 – 1 D 6/06 –, juris).

53

In der Sache steht fest, dass der Beamte sich eines schweren Dienstvergehens schuldig gemacht hat. Nach § 47 Abs. 1 des Gesetzes zur Neuregelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern vom 17. Juni 2008 (Bundesgesetzblatt I Seite 1010) – BeamtStG - begeht ein Beamter ein Dienstvergehen, wenn er schuldhaft die ihm obliegenden Pflichten verletzt. Zu den elementaren und im Interesse der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes unabdingbaren beamtenrechtlichen Verhaltensgeboten gehört es, dass der Beamte sich innerhalb und außerhalb des Dienstes achtungs- und vertrauenswürdig verhält (§ 34 S. 3 BeamtStG), d.h. sein Verhalten gesetzmäßig ist und er insbesondere nicht gegen Strafgesetze verstößt. Gegen diese Pflicht hat der Beklagte durch den sexuellen Übergriff auf eine zum Tatzeitpunkt in seinem Obhutsverhältnis stehende 19-jährige Schülerin verstoßen (I.), mit der Folge, dass aufgrund des dadurch bewirkten endgültigen Vertrauensverlustes die Aberkennung des Ruhegehalts unausweichlich ist (II.).

I.

Dieser rechtlichen Würdigung legt das erkennende Gericht folgenden Sachverhalt zugrunde:

54

Die Schüler und Schülerinnen der Jahrgangsstufe 13 des Gymnasiums ... fuhren am Sonntag, den ..., um 23:00 Uhr auf Kursfahrt an den ... und kehrten am Samstag, den ..., um 6:00 Uhr nach ... zurück. Begleitet wurden sie von den Lehrern ..., ..., ... und dem Beklagten. Den letzten Abend der Kursfahrt, den ..., verbrachte die Zeugin ... u.a. gemeinsam mit den Zeugen ..., ..., ... vor dem Bungalow Nr. 270 oder 271 der Campinganlage .... Sie diskutierten über den Ausgang der Wahlen und ihre berufliche Zukunftsplanung. Im Verlaufe des Abends wurden Sie durch die Security des Platzbetreibers ermahnt, die geltende Nachtruhe einzuhalten. Zwischen 0:00 Uhr und 0:30 Uhr kamen der Zeuge ... und der Beklagte zu der Gruppe und erwähnten, dass vor einem Nebenbungalow (Bungalow Nr. 272) die Gartenmöbel fehlten. Der Beklagte forderte die Zeugin ... auf, nach den Möbeln zu schauen. Die Zeugin ... ging daraufhin in Richtung des Nachbarbungalows. Der Beklagte folgte ihr. Der Zeuge ... blieb zurück an dem Tisch der verbliebenen Gruppe. Am Bungalow angekommen, klopfte die Zeugin ... an die Tür. Zu diesem Zeitpunkt schliefen die Schüler ... und ... bereits in ihren Betten im separaten Doppelzimmer des Bungalows. In diesem Moment rief jemand aus der am Tisch verbliebenen Gruppe „Da kommen sie!“. Dies war ein in der Woche übliches Vorgehen, um das Eintreffen der Security zu verkünden, so dass jeder die Möglichkeit hatte, sich vor diesen zu verstecken. Der Beklagte öffnete die Tür zu Bungalow 272 und schob die Zeugin in den Wohnraum des Bungalows. Dort standen die gesuchten Gartenmöbel auf der Schlafcouch im Wohnraum aufgestapelt. In dem Bungalow war es dunkel. Die Tür zu dem Doppelzimmer war verschlossen. Die Eingangstür hatte ein Fenster. Die Zeugin blieb zum Fenster gewandt stehen, um hinaus sehen zu können. Der Beklagte stand hinter ihr. Beide schauten nach draußen. Der Beklagte stellte sich so nah hinter sie, dass sie seinen Körper an ihrem spüren konnte. Dies empfand die Zeugin bereits als sehr nah, war aber abgelenkt und auch ein bisschen angetrunken. Dann fühlte sie, wie der Beklagte mit seinem ganzen Körper nah an sie herantrat, dass sie sein Becken spüren konnte. Er kam mit seinem Kopf nah an ihr Ohr und flüsterte ihr sexualbezogene Worte zu. Er drückte die Zeugin gegen die Tür, packte ihre Handgelenke und hielt ihre Arme nach oben. Er rieb seinen erigierten Penis durch seine Hose an ihrem Po, biss ihr in den Nacken und ins Ohr sowie ins rechte Ohrläppchen. Dann drehte er sie um und schob ihre Hand in seine Hose. Er zog die Zeugin in das Einzelzimmer des Bungalows, wo er sie aufs Bett stieß. Er schob das Top und den BH hinunter und biss ihr in die rechte Brustwarze. Der Beklagte leckte über und zwischen den Brüsten der Zeugin ... und drückte diese mit den Händen. Er öffnete die Hose der Zeugin und drang mit den Fingern derart in ihre Scheide, dass sie das Gefühl hatte, er wolle mit der ganzen Hand in sie eindringen. Dabei flüsterte der Beklagte der Zeugin immer wieder sexualbezogene Worte zu. Dann drehte er die Zeugen auf den Bauch und versuchte, mit seinem Penis anal in sie einzudringen, was jedoch misslang. Die Zeugin erlitt Verletzungen an der Brust und im Vaginalbereich. Aufgrund eines Geräuschs schreckte der Beklagte auf und ließ von der Zeugin ab. Die Zeugin leistete während des Geschehens, dessen Dauer sie mit wenigen Minuten bezeichnet, keine Gegenwehr. Beim Verlassen des Bungalows begegnete die Zeugin dem Zeugen .... Sie ging zu ihrem eigenen Bungalow, um dort ihr Handy zu holen. Sodann versuchte sie ihren Freund ... zu erreichen und schrieb Nachrichten mit verzweifelten Worten. Schließlich führte sie ein ca. anderthalbstündiges emotional aufgewühltes Gespräch mit dem Zeugen ..., dem sie sich dahingehend anvertraute, dass sich ihr ein Lehrer sexuell genähert habe. Am nächsten Morgen entsorgte die Zeugin ihren mit Blutspuren behafteten BH, ihre kurze Jeanshose und die Unterwäsche in einer Mülltonne zwischen den Bungalows Nr. 287 und 288 und vertraute sich später am Morgen weinend dem Zeugen ... dahingehend an, dass der Beklagte sie nachts in einem Bungalow gegen ihren Willen geküsst habe.

55

Dieser Sachverhalt steht fest aufgrund der Aussage der Hauptbelastungszeugin ... vor dem erkennenden Gericht, deren vorangegangenen Zeugenaussagen im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren, der unmittelbar nach Rückkehr von der Kursfahrt auf Veranlassung des Zeugen ... verfassten schriftlichen Stellungnahme (Bl. 14-18 Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft mit dem Az. ...), der gesicherten SMS– und WhatsApp-Verläufe sowie der Zeugenaussagen der Zeugen ..., ..., ..., ..., ..., ..., ... und .... Darüber hinaus stützt sich die Beweiswürdigung auf die Niederschriften über die Aussagen der im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vernommenen Zeugen und auf das psychologische Gutachten der Diplom-Psychologin ... – Forensische Psychologin - zur Frage der Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin ... vom 8. Mai 2014, die die Kammer dem Disziplinarverfahren nach § 29 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 LDG zugrunde legt.

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Das erkennende Gericht ist von der persönlichen Schuld des Beklagten überzeugt. Der Begriff der Überzeugung schließt die Möglichkeit eines anderen, auch gegenteiligen Geschehensablaufs nicht aus; denn im Bereich der vom Tatrichter zu würdigenden Tatsachen ist der menschlichen Erkenntnis ein absolut sicheres Wissen über den Tathergang, demgegenüber andere Möglichkeiten seines Ablaufs unter allen Umständen ausscheiden müssten, grundsätzlich verschlossen (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juni 2012 – 2 WD 34/10 –, juris). Nach Würdigung sämtlicher Zeugenaussagen und aller Umstände, denen eine indizielle Bedeutung für die Schuld oder Unschuld des Beklagten zukommt, konnte die Kammer mögliche Zweifel überwinden und sich vom oben dargestellten Sachverhalt überzeugen. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass es für das Tatgeschehen selbst keine weiteren Zeugen gibt. In diesem Fall, in dem Aussage gegen Aussage steht, bedarf es einer umso eingehenderen Bewertung der Glaubhaftigkeit einer belastenden Aussage. Bestünde bei der Kammer auch nur ein vernünftiger Zweifel, so müsste der Beklagte in dubio pro reo vom Disziplinarvorwurf freigestellt werden. Derartige Bedenken hat die Kammer jedoch nicht.

57

An der Glaubwürdigkeit der Zeugin ... bestehen auch unter Berücksichtigung der Einwände des Beklagten keine durchgreifenden Zweifel. Die Bekundungen der Hauptbelastungszeugin vor Gericht bestätigen im Kern deren ausführliche, detailreiche und erlebnisfundierte Aussagen im Rahmen der zeugenschaftlichen Vernehmungen im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren vom 20. Dezember 2013, 12. Februar 2014 und 7. März 2014 sowie ihre Bekundungen in dem aus zeitnaher Erinnerung heraus gefertigten Bericht (Blatt 14 bis 18 Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft). Vor Gericht war die Zeugin trotz langen Zeitablaufs und unter Berücksichtigung von erwartungsgemäßen Erinnerungslücken in der Lage, ein chronologisch geordnetes und nicht nur in sich stimmiges, sondern mit den vorhergehenden Aussagen im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren übereinstimmendes Gesamtgeschehen zu schildern, welches den sexuellen Übergriff des Beklagten bestätigt.

58

Trotz einer nach wie vor augenscheinlichen Belastung durch die in Rede stehenden Ereignisse war die Zeugin vor der Kammer in der Lage, den sexuellen Übergriff durch den Beklagten nachvollziehbar aufzuzeichnen. Sie schilderte den Übergriff, der sich von der bloß körperlichen Nähe, dem Flüstern sexualbezogener Worte, über das körperliche Berühren vor der Tür bis hin zu den intimen Berührungen in dem leeren Zimmer des Bungalows, das Eindringen in ihre Scheide mit der Hand und das Reiben seines Penis an ihrem Hintern erstreckte, zwar in verkürzter Form, im Kern jedoch genauso wie im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren.

59

Dabei beeindruckten ihre Schilderungen bei der Staatsanwaltschaft in Bezug auf die subjektiven Empfindungen parallel zum objektiven Tatgeschehen. Detailgetreu erläuterte sie, dass der Übergriff für sie ein äußerst schockierendes und angstauslösendes Ereignis war. Authentisch schilderte sie ihre Gedankengänge und Ängste bei den wechselnden körperlichen Berührungen durch den Beklagten. Hätte die zum Tatzeitpunkt 19-jährige Zeugin die angeschuldigte Situation nicht tatsächlich durchlebt, wäre sie nach allgemeiner Lebenserfahrung auch nicht in der Lage gewesen, ein sich derart mit subjektiven Empfindungen deckendes objektives Geschehen darzulegen.

60

Zudem war sie in sämtlichen Vernehmungen in der Lage, den Übergriff widerspruchsfrei einzubetten in einen Geschehensablauf am letzten Abend der Kursfahrt, der im Übrigen den Aussagen einer Vielzahl von weiteren im Strafverfahren angehörten Zeugen entspricht (Zeugen ..., ..., ..., ..., ..., ...). Hierzu gehört, dass man allabendlich mit der Security einer Art „Katz- und Mausspiel“ spielte, dass man sich ab 23:00 Uhr in den Bungalows aufhalten sollte, dass sie an dem letzten Abend der Kursfahrt zunächst mit einigen Mitschülern in den Bungalow gegangen ist, dann aber einige wieder herausgegangen sind und sich vor den Container 270 gesetzt haben. Schließlich – so die Zeugen – (..., ..., ..., ..., ...) seien an dem Abend der Beklagte und Herr ... gekommen und es sei davon gesprochen worden, dass vor dem Bungalow Nr. 272 Gartenmöbel fehlten.

61

Neben dem Vortatgeschehen war die Zeugin ... vor Gericht und im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren in der Lage, ein erlebnisfundiertes Nachtatgeschehen zu schildern, das ebenso durch eine Vielzahl von Zeugen – so auch im Termin zur mündlichen Verhandlung – bestätigt werden konnte. Hierzu gab die Zeugin an, dass sie, nachdem der Beklagte von ihr abgelassen habe, mit diesem gemeinsam den Container verlassen habe. Der Zeuge ... habe auf dem mittleren weg gestanden und habe sie dabei gesehen. Diese Bekundung wird bestätigt durch den Zeugen ..., der bei seiner Vernehmung am 14. Februar 2014 vor der Staatsanwaltschaft angegeben hat, dass er ... nach seiner Rückkehr von einem Gespräch mit der Security vor dem Bungalow 272 gesehen habe.

62

Nachweislich rief die Zeugin sodann - wie von ihr im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren angegeben – zwischen 0:58 Uhr und 0:59 Uhr zweimal ihren Freund, den Zeugen ..., an. Er antwortete nicht. Sie schrieb ihm mehrere SMS mit dem Wortlaut: „Ruf mich an!!!!!“ (0:57 Uhr), „sofort bitte“ (0:57 Uhr), „ich muss dringend mit dir reden“ (0:57 Uhr), „... ich brauche deine Hilfe“ (2:11 Uhr). Bereits diese Worte spiegeln die von der Zeugin geschilderte emotionale Lage wider. Die Zeugin setzte sich auf einen kleinen Absatz vor Bungalow Nr. 561 und weinte. Dort sitzend sah sie die Schülerin ..., die zu ihr kam und sie fragte, ob alles in Ordnung sei. Die Zeugin ... gab vor, einen Streit mit ihrem Freund zu haben (Vernehmung am 26. Februar 2014). Gegen 1:00 Uhr rief sie ebenso nachweislich den Zeugen ... an. Hierbei war sie – wie dieser im Termin zur mündlichen Verhandlung glaubwürdig bestätigte – sehr aufgelöst, weinte und schluchzte. Das Gespräch wurde mehrfach aufgrund der emotionalen Belastung der Zeugin ... abgebrochen und der Zeuge rief sie mehrfach zurück. In einem ca. anderthalbstündigen Gespräch erzählte die Zeugin dem Zeugen ... nur grob das Geschehene, indem sie ihm gegenüber angab, dass sie sich mit einem Lehrer von mehreren Schülern wegbewegt und sie mit diesem in eine Hütte gegangen sei. Er habe sie an die Wand gedrückt, festgehalten und an der Haut berührt. Er habe ihre Bluse hochgeschoben. Genauere Einzelheiten habe sie ihm jedoch nicht erzählen wollen. Der Zeuge ... schilderte auch vor Gericht konkret, das die Zeugin derart erheblich belastet gewesen sei, dass er noch in der Nacht beabsichtigte, die Zeugin am ... abzuholen, was diese jedoch ablehnte. In der Folge dieser Ereignisse habe er – so der Zeuge weiter - bei der Zeugin ..., mit der er damals ein intimes Verhältnis gehabt habe, eine Veränderung dahingehend festgestellt, dass sie ihre Unbefangenheit und das Junge und Spielerische verloren habe.

63

Glaubwürdigkeitsbedenken gegen den erkennbar ohne jegliche Belastungstendenz agierenden Zeugen ... bestehen nicht. Seine Aussagen sind konstant und werden durch die Auswertung der Telekommunikationsdaten und den nachweislichen SMS -Verkehr mit der Belastungszeugin bestätigt. Zudem konnte Schülerin ... bei ihrer Vernehmung am 11. März 2014 bei der Staatsanwaltschaft bekräftigen, dass sie die Zeugin ... zwischen 0:00 Uhr und 1:00 Uhr nachts telefonierend und weinend angetroffen habe. Dass der Zeuge ... neben dem Zeugen ... zum damaligen Zeitpunkt mit der Zeugin ... ein intimes Verhältnis gepflegt hat, stellt ebenso wie seine offenkundig dem langen Zeitablauf geschuldete fehlerhafte Angabe vor dem erkennenden Gericht, dass er die Zeugin ... persönlich bei der Rückkehr in ... abgeholt habe, seine Glaubwürdigkeit nicht infrage.

64

Ebenso wie im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren schilderte die Zeugin vor der Kammer das Tatgeschehen im Weiteren dahingehend, dass sie am nächsten Morgen ihre blutbefleckte Kleidung weggeworfen habe. Auf Nachfrage war die Zeugin vor der Staatsanwaltschaft in der Lage, die näheren Umstände dieses Verhaltens zu erläutern.

65

Dem Zeugen ... war auf Vorhalt seiner Aussage bei der Staatsanwaltschaft vom 11. Februar 2014 auch noch erinnerlich, dass er am nächsten Morgen die Zeugin angetroffen habe und diese unvermittelt angefangen habe zu weinen. Auf Nachfrage habe sie dem Zeugen erklärt, dass der Beklagte sie in der Nacht gegen ihren Willen in einem Bungalow geküsst habe. Vor der Staatsanwaltschaft schilderte der Zeuge eine merklich psychische Belastung der Zeugin zu diesem Zeitpunkt.

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Die Schülerin ... schilderte in ihrer Vernehmung vom 4. Februar 2014, dass sie sowohl auf der Hin- als auch der Rückfahrt neben der Zeugin ... gesessen habe. Die Zeugin ... beschrieb sie als einen extrovertierten Menschen, mit dem sie sich auf dem Hinweg viel unterhalten habe. Dies sei auf dem Rückweg nicht mehr so der Fall gewesen. Die Zeugin habe viel geschlafen und Musik gehört. Es sei ihr erinnerlich, dass sie die Zeugin sogar nach einer Pause im Bus weinend angetroffen habe.

67

Auch der Zeuge ..., der die Zeugin am Morgen des ... an der Bushaltestelle in ... abgeholt hat, konnte vor der erkennenden Kammer bestätigen, dass die Zeugin ..., mit der er damals wie auch heute noch liiert ist, ihm bereits am Tag der Ankunft erzählt habe, dass der Beklagte versucht habe, sie zu küssen und er sie „begrabscht“ habe. Sie sei auch wenig zugänglich und sehr belastet gewesen. Vor der Staatsanwaltschaft hatte der Zeuge die Angaben seiner Freundin noch weiter dahingehend konkretisieren können, dass die Zeugin ... ihm gesagt habe, dass sie mit dem Gesicht zum Fenster gestanden habe, während der Beklagte ihr von hinten nahe gekommen sei. Er habe sie geküsst und angefasst und sie sei in einem Schockzustand gewesen. Nach diesem Vorfall habe sie sich jedenfalls sehr zurückgezogen und sei wesensverändert gewesen. Er habe ihr geraten, sich an den Vertrauenslehrer, Herrn ..., zu wenden. Auch hinsichtlich des Zeugen ... bestehen keine Glaubwürdigkeitsbedenken, insbesondere ist eine Belastungstendenz nicht zu erkennen.

68

Der Zeuge ... vermochte vor der erkennenden Kammer und unter Einbeziehung seiner Aussage bei der Staatsanwaltschaft vom 27. Februar 2014 anzugeben, dass er am Montag, dem ..., von der Zeugin ... kontaktiert worden sei. Eindrucksvoll berichtete der Zeuge von der Konfrontation mit der Heftigkeit des Gemütszustandes und der emotionalen Belastung der Zeugin. Er schilderte bei der Staatsanwaltschaft Tränenausbrüche, aus denen die Zeugin aus eigener Kraft kaum mehr herausgefunden habe und dass diese von intensiver psychophysiologischer Anspannung in allen Extremitäten begleitet worden seien (Niederschrift vom 2. Oktober 2013 (Bl. 231 Akte der Stadt Staatsanwaltschaft). Sie sei kaum ansprechbar gewesen und habe sich mehrfach übergeben müssen. Dabei habe die Zeugin geschildert, dass der Beklagte sie auf der Kursfahrt in einer Hütte von hinten angefasst, ihr die Hose geöffnet und das T-Shirt hochgezogen habe. Sie habe ihm von ihren Ängsten vor dem Beklagten berichtet und dass man ihr nicht glauben würde. Vor der erkennenden Kammer schilderte der Zeuge ... seinen Eindruck nachdrücklich damit, dass er die Zeugin als „ein seelisches Wrack“ erlebt habe. Er selbst sei mit dieser Situation derart überfordert gewesen, dass er den Zeugen ... hinzugezogen habe. Glaubwürdigkeitsbedenken gegen den Zeugen ... bestehen nicht.

69

Der Zeuge ..., der erstmals am ... mit der Zeugin ... zusammentraf, erläuterte dem Gericht, dass es insgesamt drei Gespräche und ein Telefonat mit der Zeugin gegeben habe. Dabei sei es in erster Linie um den Aufbau einer Stabilisierung und den Erhalt eines sozialen Netzes gegangen, weil die Zeugin ... augenscheinlich unter einer hohen Belastung gestanden habe, die nur durch ein schweres Trauma habe ausgelöst werden können. Es seien immer ungeahnte Situationen wie Zittern und Verlust der Fassung aufgetreten, wobei die Zeugin unbedingt bemüht gewesen sei, eine funktionale Fassade aufrecht zu erhalten und sich deshalb auch vehement gegen eine Weitergabe von Informationen über das Geschehen an die Schulleitung oder an die ADD gewehrt habe. Belastungstendenzen des neutral agierenden Schulpsychologen sind nicht erkennbar.

70

Auf der Grundlage dieser Beweissituation sieht es das erkennende Gericht als gesichert an, dass sich der Vorfall, so wie von der Zeugin ... geschildert, zugetragen hat. Insbesondere die außerhalb des Geschehens stehenden neutralen Beobachter der Gemütsverfassung der Zeugin ... unmittelbar nach der Fahrt in Person der um Hilfe gebetenen Zeugen ... und ... bestätigen, dass die Zeugin unter einem traumatischen Ereignis und nicht lediglich unter einer irgendwie gearteten Angst vor Folgen einer Falschaussage oder Entdeckung gelitten hat. Befragt danach, ob es möglich sei, dass die Zeugin auch heute noch emotional unter den mutmaßlichen Ereignissen leiden könne, da sie sichtlich auch noch vor Gericht um Fassung ringen musste, konnte der Zeuge ... dies nicht ausschließen. Als traumatisches Ereignis kommt aufgrund des Zeitablaufs bis zu den Gesprächen mit den vorbenannten Zeugen unter Einschluss sämtlicher Zeugenaussagen sowie der gesicherten SMS – und WhatsApp – Chatverläufe, die insgesamt ein weitgehend lückenloses Rekonstruieren des Tatabends ermöglichen, ausschließlich der sexuelle Übergriff durch den Beklagten in Betracht.

71

Die nachhaltig gezeigten Reaktionen, die von einer Vielzahl von Zeugen bestätigt werden konnten und die Diagnose der traumatischen Belastung durch den Zeugen ... schließt gleichzeitig aus, dass die Zeugin allein aufgrund eines irgendwie gearteten „schauspielerischen Talents“– wie mehrfach vom Beklagten behauptet – eine psychische Belastungssituation vorgegeben hat. Auch das erkennende Gericht konnte sich einen persönlichen Eindruck von einer nach wie vor durch die Ereignisse erheblich belasteten Zeugin machen. Aufgrund ihrer wohlüberlegten und mit Bedacht gewählten Schilderungen, die auch Erinnerungslücken zuließen, hegt die Kammer keine Glaubwürdigkeitsbedenken in die Person der Zeugin. Selbst wenn sie sich vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung ihre Aussage bei der Staatsanwaltschaft noch einmal durchgelesen hat – wie vor der Kammer offen angegeben – wirkte die Aussage authentisch und in keinem Fall einstudiert.

72

Die Glaubwürdigkeit der Zeugin wird im Übrigen bekräftigt durch das im Strafverfahren eingeholte aussagepsychologische Gutachten der Diplom-Psychologin .... Diese kam ausweislich des Gutachtens zu dem Ergebnis, es sei mit hoher Wahrscheinlichkeit erlebnisfundiert, dass es unter den geschilderten Umständen zu einem sexuellen Kontakt zwischen der Zeugin ... und dem Beklagten gekommen sei. Die sodann von der Gutachterin aufgezeigten Bedenken hinsichtlich der Freiwilligkeit des sexuellen Kontakts, die letztlich zur Einstellung des Strafverfahrens wegen des Vorwurfs einer Vergewaltigung geführt haben, sind für den disziplinarrechtlichen Vorwurf als Vermutung nicht bindend. Von daher ist anzumerken, dass die Kammer den Schilderungen der Zeugin ... folgt, dass diese sich angesichts der Ereignisse „gelähmt“ gefühlt und sich in einer Art Schockzustand befunden hat, was ihr jegliche Gegenwehr unmöglich gemacht hat. Unter Zugrundelegung der Schilderungen des Zeugen ... lässt sich diese Reaktion auch nachvollziehbar damit erklären, dass der körperliche Übergriff ausgehend von der individuell determinierten Persönlichkeit der Zeugin ein derart starkes und nachhaltig wirkendes Trauma ausgelöst hat, dass sie zum Tatzeitpunkt keine Gegenwehr leisten konnte.

73

Die vom Beklagten aufgezeigten Glaubwürdigkeitsbedenken gegen die Hauptbelastungszeugin verfangen insgesamt nicht. Dabei erschöpfen sich diese im Wesentlichen in einem Verweis auf die Aussage des Zeugen ..., der den Zeitrahmen, in dem das Geschehene hätte stattfinden können, mit 2 bis 5 Minuten bezeichnet, dass alle begleitenden Lehrpersonen weder am Beklagten, noch an der Zeugin ... eine Verhaltensänderung hätten bemerken können, dass die Zeugin sich in ... seiner Gruppe angeschlossen habe, dass allein die Hellhörigkeit der Bungalows dem Stattfinden des behaupteten Ereignisses entgegenstünde und dass noch weitere Personen – sowohl Mitschüler als auch andere Lehrpersonen – keine Verhaltensänderung bei der Zeugin hätten feststellen können.

74

Die Aussage des Zeugen ... ist unter Berücksichtigung der Beweislage zu Gunsten des Beklagten nicht belastbar. Der Zeuge ... schilderte sowohl vor dem erkennenden Gericht wie bereits im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, dass er mit dem Beklagten um 23:15 Uhr bzw. auf Vorhalt der Aussage des Zeugen ..., erst um 23:45 Uhr zu einem Rundgang aufgebrochen sei. Hierbei habe er bemerkt, dass vor einem Bungalow die Gartenmöbel fehlten. Er sei in den Bungalow gegangen und habe den Beklagten gerufen und gesagt. „Guck dir mal dieses Chaos an“. Die Gartenmöbel seien in der Hütte aufgestapelt gewesen und er habe nicht eingesehen, dass er die Möbel nunmehr auf die Terrasse tragen sollte. Deshalb sei er in eines der Schlafzimmer gegangen, wo er den schlafenden ... gesehen habe. Ob noch ein weiterer Schüler in diesem Bungalow gewesen sei, sei ihm nicht mehr erinnerlich. Er habe ... wecken wollen, doch der Beklagte habe ihn davon abgehalten. Lärm von draußen habe ihn veranlasst, den Bungalow zu verlassen.

75

Das Randgeschehen zu dieser Erinnerung erweist sich in Ausdruck und Inhalt als äußerst vage und teilweise widersprüchlich. Bei seiner Vernehmung im Strafverfahren am 14. Februar 2014 gab er in diesem Zusammenhang weiterhin an, dass seiner Erinnerung nach die Zeugin ... zu diesem Zeitpunkt bereits bei ihnen gewesen sei. Er habe den Bungalow verlassen und sei sodann zu einem Pavillon gegangen, von dem Lärm her gerührt habe. Er habe dort den Sicherheitskräften erklärt, dass die Bewohner nicht zu seiner Gruppe gehörten. Danach sei er wieder zurückgegangen. Er meine sich erinnern zu können, dass sich die Zeugin ... auch zu diesem Zeitpunkt noch im Bereich der Hütte aufgehalten habe, in der die Möbel gefehlt hätten. Er meinte auch, dass der Beklagte und die Zeugin ... die Möbel aus dem Pavillon herausgetragen hätten. Man habe dort noch mit der Zeugin ... Smalltalk gehalten. Er meine auch, dass sich dort noch ... befunden hätte. Auf Vorhalt gab der Zeuge wenig später hierzu an, dass ... seiner Erinnerung nach geblieben sei, während sich die Mitschülerinnen wieder von Ihnen fortbewegt hätten. Auf weiteren Vorhalt räumte der Zeuge ein, dass es möglich sein könne, dass er auf dem Rückweg noch einmal in den Bungalow 271 eingetreten sei, um dort nach dem Rechten zu schauen. Den Zeitraum seiner Abwesenheit bezeichnete er mit 2 bis 5 Minuten.

76

Vor der erkennenden Kammer erklärt der Zeuge zunächst, bei dem Betrachten des Chaos in der Hütte sei neben dem Beklagten auch noch die Zeugin ... anwesend gewesen. Nach seiner Rückkehr habe er die Zeugin nicht mehr vor Augen. Er habe aber so ein Gefühl, dass die Gartenmöbel zu diesem Zeitpunkt vor dem Bungalow gestanden hätten. Auf Vorhalt der Aussage der Zeugin ..., die im Übrigen von anderen Zeugen bestätigt wurde, dass sowohl der Zeuge ... als auch der Beklagte die Schüler nach dem Verbleib der Möbel gefragt hätten, bekundete der Beklagte, dass dem seiner Erinnerung nach nicht so gewesen sei. Auch hier bezeichnete er seine Abwesenheit mit einer Zeitspanne von nur 2 bis 5 Minuten.

77

Die dargestellten Aussagen wecken Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen. Die Angaben hinsichtlich der Anwesenheit der Zeugin ... zum Zeitpunkt seines Weggangs vom Beklagten im Bereich des Bungalows 272 und der Rückkehr dorthin vor der Staatsanwaltschaft einerseits und dem erkennenden Gericht andererseits stimmen nicht überein. Will er sich vor der Staatsanwaltschaft noch daran erinnern können, dass die Zeugin zu beiden Zeitpunkten und sogar zum Zeitpunkt der Rückkehr in Anwesenheit weiterer Schülerinnen vor dem Bungalow zugegen gewesen sein soll, kann der Zeuge sich vor dem Gericht nur noch daran erinnern, dass die Zeugin ... zu dem Zeitpunkt anwesend gewesen sei, als er zu den Securitybediensteten aufgebrochen sei. Während er bei der Staatsanwaltschaft angegeben hat, er habe vor seinem geistigen Auge, dass die Zeugin ... mit dem Beklagten die Möbel aus dem Pavillon herausgetragen habe, gab er vor Gericht zunächst an, dass die Möbel zum Zeitpunkt seiner Rückkehr bereits vor die Hütte geräumt gewesen seien, um dann jedoch im unmittelbaren Zusammenhang wieder eine Erinnerungslücke einzuräumen. Hierzu ist anzumerken, dass der Schüler ... bei seiner Vernehmung im Strafverfahren am 12. März 2013 angeben konnte, dass er in der fraglichen Nacht in einem zeitlichen Abstand zunächst den Zeugen ... allein auf einem Kontrollgang gesehen habe und später aus dem Fenster gesehen habe, dass jemand alleine Gartenmöbel aus dem Pavillon 272 herausgetragen habe. Ergänzend bleibt in diesem Zusammenhang weiterhin anzumerken, dass der Zeuge ... aktenkundig am 6. Januar 2014, d.h. einen Monat vor der staatsanwaltschaftlichen Vernehmung in einem Gespräch mit dem Bevollmächtigten des Beklagten noch angegeben hat, dass er nicht wisse, ob in dieser Nacht jemand in den Schlafräumen gelegen habe und er auch nicht wisse, ob in dem fraglichen Bungalow noch weitere Personen anwesend gewesen seien. Auch dieser Widerspruch ist evident.

78

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang zudem, dass der Zeuge ... bei seiner Vernehmung bei der Staatsanwaltschaft angegeben hat, dass er sich bis zu dem Bungalow begeben hat, von dem der Lärm hergerührt habe und er dort ein klärendes Gespräch mit den Sicherheitskräften geführt habe. Möglicherweise sei er auf dem Rückweg noch einmal in den Bungalow 271 gegangen. Dies bestätigten im Übrigen im Strafverfahren die Zeugen ... und ..., die angaben, dass der Zeuge den Pavillon 271 betreten habe, wobei der Zeuge ... zudem noch bekräftigen konnte, dass der Zeuge ... länger mit ihnen am Tisch gestanden habe. Vor Gericht erklärte der Zeuge ..., dass die Entfernung zu dem Bungalow, von dem der Lärm hergerührt habe, etwa 60 m betragen habe und er sich mit dem Securitymann irgendwo dazwischen getroffen habe. Wenngleich man keine gemeinsame Sprache beherrscht habe, habe der Vorgang lediglich 2 bis 5 Minuten betragen. Genau erinnern konnte der Zeuge sich jedoch noch daran, dass es darum gegangen sei, dass Schüler aus ... einen Teppich mit Handtüchern vor ihren Bungalow gelegt hätten. Wenn er dies gesehen haben will, spricht viel dafür, dass er sich tatsächlich, wie bereits zeitnah bei seiner Vernehmung am 14. Februar 2014 angegeben, bis zu dem Pavillon begeben hat.

79

Diese Version wird bekräftigt durch die Aussage des Zeugen ... bei der Staatsanwaltschaft am 26. Februar 2014. Dieser gab an, dass die an dem besagten Abend nach ca. 30 Minuten vom Kontrollgang zurückkehrenden Kollegen ... und ... von Gartenmöbeln berichtet hätten, die sich im Pavillon der Schüler ..., ... und ... befunden hätten. Der Beklagte habe erklärt, dass er die Möbel aus dem Pavillon herausgetragen habe. Der Kollege ... sei damit nicht einverstanden gewesen. Der Beklagte habe ferner erklärt, dass ein Teil der Schüler sich in der Hütte befunden hätten und am Schlafen gewesen seien. Ferner habe der Kollege ... berichtet, dass er zu einem Pavillon gerufen worden sei, an dem die Schüler eine „Allee aus Bettwäsche“ ausgelegt hätten. Der Zeuge ... habe erklärt, er habe den Securityleuten mitgeteilt, dass dies „nicht seine Baustelle“ sei, da die Schüler nicht zu ihm gehörten.

80

Unter Berücksichtigung dieser Ungereimtheiten und eines möglicherweise weiterhin geführten Gespräches in dem Bungalow 271 bestehen Bedenken, ob die Zeitangabe, auf der der Zeuge beharrt, tatsächlich der Wahrheit entspricht oder eine Entlastungstendenz zugunsten des Beklagten enthält, zumal der Zeuge ... die Zeitdauer des Rundgangs auch vor Gericht mit 30 Minuten angibt und nicht nachvollziehbar ist, wie die Lehrer die 30 Minuten im Übrigen verbracht haben sollen.

81

Dafür, dass der Zeuge ... vielfältige Erinnerungen bewusst oder unbewusst vermischt, ohne dass jedenfalls hieraus ein belastbarer Geschehensablauf rekonstruiert werden kann, spricht im Weiteren, dass der Zeuge bei seiner Vernehmung bei der Staatsanwaltschaft angegeben hat, dass er bei seiner Rückkehr zum Bungalow 272 erinnerlich mit ... und mit ... Smalltalk gehalten habe. Im weiteren Verlauf seiner Vernehmung gibt er an, dass auch noch eine oder mehrere Schülerinnen zugegen gewesen seien. Der Zeuge ... hat demgegenüber bei der Staatsanwaltschaft am 26. Februar 2014 bekundet, dass, während die Lehrer vor dem Pavillon des Beklagten gesessen hätten, die Schülerinnen ... und ... zu ihnen gekommen seien. Diese hätten sich beschwert über das Auftreten der Security und geäußert, dass sie sich eingesperrt fühlten. Seine Frau – die Zeugin ... - habe daraufhin den Schülerinnen erlaubt, sich frei auf dem Gelände zu bewegen. Da sie die Schülerinnen im weiteren Verlauf des Abends nicht mehr gesehen hätten, sei er selbst auf die Suche nach Ihnen gegangen. Hierzu sei er alleine zu den Swimmingpoolanlagen gegangen. Er habe nach den Schülerinnen gesucht, sie aber nicht gefunden. Die Zeugin ... gab anlässlich ihrer Vernehmung am 4. Februar 2014 vor der Staatsanwaltschaft an, dass sie den Abend mit mehreren Schülern und Schülerinnen verbracht habe. Die Zeugin ... sei nicht dabei gewesen. Diese habe sie genauso wie den Beklagten an dem Abend auch nicht gesehen.

82

Unter Berücksichtigung all dieser Ungereimtheiten und Widersprüchlichkeiten kann nicht von einer konsistenten Schilderung der Ereignisse in der hier fraglichen Tatnacht ausgegangen werden. Gleichbleibend schilderte der Zeuge ... lediglich das besichtigte „Chaos“ in dem Bungalow 272, dass er sich mit dem Beklagten in dem Bungalow - wie der vor Gericht erklärt – in Zimmerlautstärke darüber unterhalten hat, dass er nicht einsehe, dieses Chaos zu beseitigen und, dass er den schlafenden ... in dem Doppelzimmer wahrgenommen hat. Darüber hinaus ist durch die Aussage hinreichend sicher belegt, dass er geraume Zeit von dem Beklagten getrennt war. Dies - als wahr unterstellt - schließt nicht aus, dass das von der Zeugin ... geschilderte Ereignis stattgefunden hat. Die Zeugin ... hat selbst auch noch vor dem erkennenden Gericht angegeben, dass der körperliche Übergriff nur wenige Minuten gedauert habe. Jedenfalls steht die zu relativierende Zeitangabe das Zeugen ... nicht im Widerspruch zu den Angaben der Belastungszeugin.

83

Eine Unglaubwürdigkeit der Zeugin lässt sich entgegen der Auffassung des Beklagten auch nicht aus dem Nachtatverhalten herleiten. Hier wurde zum einen angeführt, dass es nicht nachzuvollziehen sei, dass die Zeugin ... sich als Opfer eines sexuellen Missbrauchs am nächsten Tag freiwillig der Gruppe des Beklagten angeschlossen habe. Dass dem so war, räumt selbst die Zeugin ... ein. Auch ist zu unterstellen, dass die Gruppeneinteilung freiwillig erfolgte. Dieses Verhalten erscheint jedoch unter folgenden Gesichtspunkten nachvollziehbar: Die Zeugin ... gab bei der Staatsanwaltschaft am 4. Februar 2014 unwidersprochen an, dass die Zeugin ... zu den wenigen Mädchen aus der Stufe gehört habe, zu der sie ein näheres Verhältnis gehabt habe. Sie habe sowohl auf der Hin- als auch auf der Rückfahrt neben der Zeugin ... gesessen. Darüber hinaus gab sie an, dass sie – die Zeugin ... - mit der Zeugin ... in ... unterwegs gewesen sei. Hieraus lässt sich schließen, dass die Zeugin ... nach den Ereignissen in der Nacht eher die Nähe ihrer Busnachbarin gesucht und dabei die Gruppenleitung unter anderem durch den Beklagten in Kauf genommen hat. Im Übrigen hat der Zeuge ... im Termin zur mündlichen Verhandlung ausdrücklich ausgeführt, dass es der Zeugin ... von Anbeginn an wichtig war, eine funktionale Fassade aufrecht zu erhalten, was erklären lässt, dass sie bemüht war, das Erlebte und die Zerrüttung ihres Seelenlebens durch Normalverhalten zu kompensieren.

84

Auf der Basis der durch nichts zu erschütternden Aussage des Zeugen ... verlieren auch die weiteren Einwände des Beklagten gegen die Glaubwürdigkeit der Hauptbelastungszeugin an Substanz. Wesentlich führt der Beklagte an, dass weder die die Fahrt im Übrigen begleitenden Lehrer, noch die Mitbewohnerinnen des Bungalows der Zeugin ... und auch keine weiteren Lehrer eine Verhaltensänderung bei der Zeugin ... festgestellt hätten. Die Aussagen nicht nur des Zeugen ..., sondern auch eindrucksvoll die des Zeugen ... vor dem erkennenden Gericht und auch diejenigen des Lehrers ... bei der Staatsanwaltschaft am 28. März 2014, der die Zeugin nach der Fahrt ausdrücklich ausschließlich wegen einer Verhaltensänderung angesprochen hat, sowie die geschilderten Zeugenaussagen der Zeugen ..., ..., ... und – im Strafverfahren - ... bestätigen nicht nur eine Wesensveränderung, sondern auch, dass die Zeugin sich ausschließlich gegenüber Vertrauenspersonen offenbart hat und im Übrigen alle Kraft darauf verwendete, das Geschehene zu vergessen und möglichst nicht öffentlich zu machen. Dementsprechend bedurfte es ausweislich der Aussagen vieler Zeugen erhöhter Anstrengung, die Zeugin davon zu überzeugen, den Vorgang dem Schulleiter, der ADD und schließlich auch der Staatsanwaltschaft gegenüber zu offenbaren. Vor dem Hintergrund dieser Beweislage kann es als wahr unterstellt werden, dass die vom Beklagten genannten Zeugen ..., ..., ..., ..., ... und ... bei der Zeugin ... keine Verhaltensänderung festgestellt haben. Der angeregten Beweisaufnahme war damit auch Maßgabe des Amtsermittlungsgrundsatzes nicht nachzugehen.

85

Soweit der Beklagte schließlich geltend macht, die Hellhörigkeit der Bungalows schließe das Tatgeschehen aus, begründet auch dieser Einwand keine berechtigten Zweifel an den Schilderungen der Zeugin .... Zum einen spricht bereits der Umstand, dass die beiden sich in der Tatnacht im Bungalow aufhaltenden Schüler ... und ... bei der Staatsanwaltschaft am 7. Februar 2014 und 27. Februar 2014 behauptet haben, nichts davon mitbekommen zu haben, dass sich der Zeuge ... und der Beklagte im Wohnraum in Zimmerlautstärke unterhalten haben. Des Weiteren haben offenkundig beide Zeugen nicht bemerkt, dass der Beklagte Stühle und Tische in der Nacht auf die Terrasse geräumt hat. Nach den eindeutigen Aussagen der Zeugen, die beide ihre Überraschung darüber zum Ausdruck gebracht haben, dass die Möbel am nächsten Tag vor dem Bungalow standen, kann auch ausgeschlossen werden, dass sich die Zeugen nur schlafend gestellt haben. Diese Aussagen wurden seitens des Beklagten nicht in Zweifel gezogen, so dass es keiner erneuten Befragung der Zeugen bedurfte. Selbst wenn eine Zeugenvernehmung auch der im Übrigen zu dieser Beweisfrage genannten Zeugen ergeben hätte, dass die Bungalows grundsätzlich hellhörig waren, ändert dies nichts an der nicht bestrittenen Tatsache, dass weder der Schüler ... noch der Schüler ... in der fraglichen Nacht die vom Beklagten eingeräumten Bewegungen im Container mitbekommen haben. Da von niemandem behauptet wurde, das Tatgeschehen habe eine besondere Lautstärke verursacht, kann auch aus dem Umstand, dass die Zeugen den sexuellen Übergriff akustisch nicht wahrgenommen haben, im Umkehrschluss nicht geschlossen werden - wie vom Beklagten behauptet –, dass der Vorfall nicht stattgefunden hat.

86

Auch der Einwand des Beklagten, dass der Umstand, dass die Zeugin ... sich nicht der anwesenden Lehrerinnen und der Zeugin ... und auch ansonsten in der Schule keiner weiblichen Lehrkraft anvertraut hat, gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugin spreche, verfängt nicht. Hierzu hat die Zeugin nachvollziehbar dargelegt, dass die Lehrer vor Ort am ... ein gutes Verhältnis zueinander gepflegt hätten und sie von daher Angst gehabt habe, man würde Ihren Schilderungen keinen Glauben schenken. Gegen diese nachvollziehbaren Befürchtungen ist nichts zu erinnern.

87

Schließlich vermochte der Beklagte kein Motiv darzulegen, welches die Zeugin ... zu einer Falschaussage hätte bewegen können. Das Verhältnis zwischen der Zeugin ... und dem Beklagten war unbelastet. Die Zeugin empfand den Beklagten als nett und freundlich. Zwar habe er – so die Zeugin - mit ihr geflirtet und auch am Tag des fraglichen Geschehens Komplimente gemacht, was ihr jedoch nicht unangenehm gewesen war. Die Zeugin war keine Schülerin des Beschuldigten, so dass aus dem Unterricht resultierende Konflikte als Ursache einer Falschbelastung auszuschließen sind. Zudem hatte sie aufgrund ihrer ohnehin guten schulischen Leistungen keinerlei Vorteile nötig. Ebenso war auch nicht ersichtlich, dass sie aus ihrer mutmaßlichen Opferrolle irgendwelche Vorteile ziehen wollte oder konnte. Das in der mündlichen Verhandlung offenbar werdende Persönlichkeitsbild lässt es der Kammer vielmehr ausgeschlossen erscheinen, dass die Zeugin sich den Konsequenzen einer Falschaussage aussetzen würde.

88

Steht nach alledem fest, dass der Beklagte sich eines sexuellen Übergriffs auf die zum Zeitpunkt der Fahrt in seinem Obhutsverhältnis stehende 19-jährige Schülerin schuldig gemacht hat, ist ihm in disziplinarrechtlicher Hinsicht ein schwerer innerdienstlicher Verstoß gegen das Achtungs- und Vertrauensgebot vorzuwerfen (§ 34 S. 3 BeamtStG). Durch dieses Verhalten hat der Beklagte im Kernbereich seiner dienstlichen Pflichten versagt und damit aufgrund der bestehenden materiellen Dienstbezogenheit seines Fehlverhaltens während einer Kursfahrt ein innerdienstliches Dienstvergehen begangen.

89

Gemäß § 25 Abs. 1 Schulgesetz in der Fassung vom 24. Juli 2014 (GVBl. S. 125), – SchulG – gestalten Lehrkräfte Erziehung und Unterricht im Rahmen der für die Schule geltenden Rechtsvorschriften. Die Verpflichtungen der Schule ihren Schülern sowie deren Eltern gegenüber sind damit wesentlicher Bestandteil der Dienstpflichten der Lehrerinnen und Lehrer. Im Mittelpunkt dieser Pflichten steht der staatliche Erziehungsauftrag (vgl. Art. 33 Verfassung für Rheinland-Pfalz – LV -, § 1 SchulG), welcher durch die Vermittlung von Werten, insbesondere der Achtung und Wahrung persönlicher Würde im Zusammenleben der Menschen, und der unabdingbaren Integrität amtlicher Auftraggeber in einem demokratischen Gemeinwesen geprägt ist (vgl. OVG RP, Urteil vom 12. März 2002, 3 A1 1870/01). Das Verhalten des Lehrers muss daher gemäß § 1 Abs. 2 S. 2 SchulG eine Erziehung der Schüler zu eigenverantwortlichem Handeln mit dem Ziel der freien Entfaltung der Persönlichkeit sowie der Ermöglichung einer Orientierung in der modernen Welt gewährleisten. Es hat darüber hinaus das elterliche Erziehungsrecht zu achten und darf insbesondere nicht geeignet sein, das vertrauensvolle und partnerschaftliche Zusammenwirken von Schule und Eltern im Sinne des § 2 Abs. 3 SchulG zu gefährden. Mit der Einfügung des Abs. 5 in § 1 SchulG (Schulgesetzänderung vom 8. Februar 2013, GVBl. S. 9) hat der Gesetzgeber unter Klarstellung, dass das Schulverhältnis insgesamt als besonderes Obhutsverhältnis zwischen Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern besteht, den Schutz der Schülerinnen und Schüler vor sexuellen Übergriffen durch Lehrkräfte bekundet.

90

Diese einfachgesetzliche Ausgestaltung der Dienstpflichten der Lehrer entspricht den Vorgaben der rheinland-pfälzischen Landesverfassung. Danach haben Lehrer ihr Amt im Sinne der Grundsätze der Verfassung auszuüben (Art. 36 LV). Als staatliche Handlungsorgane haben sie ebenso das Recht der Schüler auf Entwicklung ihrer körperlichen und geistigen Anlagen sowie auf die freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit zu achten wie sie verpflichtet sind, deren persönliche Freiheit und Selbstständigkeit zu schützen und ihr Wohlergehen zu fördern (Art. 1 Abs. 1 und 2 LV). Über diese – für alle Beamten geltenden – Pflichten hinaus sind sie zudem insbesondere verpflichtet, die Jugend zu sittlicher Haltung zu erziehen und das Recht der Eltern über die Erziehung ihrer Kinder zu bestimmen (Art. 27 Abs. 1 LV), zu beachten (vgl. OVG RP, Urteil vom 24. Februar 2012, 3 A 11426/11.OVG).

91

Durch den sexuellen Übergriff auf die Zeugin ... während einer schulischen Veranstaltung hat der Beklagte gegen seine vorgenannten besonderen Dienstpflichten verstoßen und sich damit achtungs- und vertrauensunwürdig verhalten. Ein derartiges Verhalten lässt Rückschlüsse auf die Dienstausübung im Amt zu. Zugleich beeinträchtigt es den Beamten in seiner Dienstausübung, weil die vorgenannten Zweifel an seiner Integrität nicht nur das Vertrauen des Dienstherrn, sondern insbesondere auch das der Eltern in die Ordnungsgemäßheit seines Umgangs mit den ihm anvertrauten Schülern zumindest in erheblichem Maße beeinträchtigt, wenn nicht gar beseitigt.

92

Hinsichtlich des angeschuldigten Pflichtenverstoßes ist dem Beamten ein vorsätzliches Verhalten vorzuhalten. Der Beklagte hat mit Wissen und Wollen die sich ihm bietende Versuchungssituation ausgenutzt und sich zu einem sexuellen Übergriff an der Zeugin ... hinreißen lassen. Anhaltspunkte für eine verminderte Schuldfähigkeit oder gar Schuldunfähigkeit des Beklagten zum Tatzeitpunkt sind weder von diesem geltend gemacht noch nach den gegebenen Umständen ersichtlich.

II.

93

Welche Disziplinarmaßnahme für das angeschuldigte Dienstvergehen erforderlich ist, richtet sich gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 LDG nach dessen Schwere unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten und des Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauens-beeinträchtigung.

94

Maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der disziplinaren Maßnahme ist demnach die Schwere des Dienstvergehens. Sie beurteilt sich zum einen nach Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale). Zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen der Pflichtenverstöße für den dienstlichen Bereich und für Dritte, insbesondere nach der Höhe des entstandenen Schadens.

95

Das Bemessungskriterium „Persönlichkeitsbild“ des Beamten erfasst dessen persönliche Verhältnisse und sein sonstiges dienstliches Verhalten vor und nach der Tat. Es erfordert eine Prüfung, ob das festgestellte Dienstvergehen mit dem bisher gezeigten Persönlichkeitsbild des Beamten übereinstimmt oder etwa als persönlichkeitsfremdes Verhalten in einer Notlage oder einer psychischen Ausnahmesituation davon abweicht. Einen Aspekt des Persönlichkeitsbildes stellt auch tätige Reue dar, wie sie durch die freiwillige Wiedergutmachung des Schadens oder die Offenbarung des Fehlverhaltens jeweils noch vor der drohenden Entdeckung zum Ausdruck kommt.

96

Das Bemessungskriterium „Umfang der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit“ erfordert eine Würdigung des Fehlverhaltens des Beamten im Hinblick auf seinen allgemeinen Status, seinen Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung und seine konkret ausgeübte Funktion.

97

Aus den gesetzlichen Vorgaben des § 11 Abs. 1 LDG folgt die Verpflichtung der Verwaltungsgerichte aufgrund einer prognostischen Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller im Einzelfall belastenden und entlastenden Gesichtspunkte zu befinden, ob der Beamte auch künftig in erheblicher Weise gegen Dienstpflichten verstoßen wird, oder ob die durch sein Fehlverhalten herbeigeführte Beeinträchtigung des Ansehens des Berufsbeamtentums bei einer Fortsetzung des Beamtenverhältnisses nicht wiedergutzumachen ist. Ergibt die prognostische Gesamtwürdigung, dass ein endgültiger Vertrauensverlust noch nicht eingetreten ist, haben die Verwaltungsgerichte diejenige Disziplinarmaßnahme zu verhängen, die erforderlich ist, um den Beamten zur Beachtung der Dienstpflichten anzuhalten und der Ansehensbeeinträchtigung entgegenzuwirken (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Mai 2007, Az.: 2 C 9/06 – juris -).

98

Unter Zugrundelegung dieser Rechtsgrundsätze ist die Aberkennung des Ruhegehalts des Beamten aus dem Dienst unausweichlich.

99

Sexuelle Verfehlungen von Lehrern an den ihnen anvertrauten Schülern betreffen den Kernbereich ihrer Pflichten und machen den Beamten regelmäßig untragbar. Ein dermaßen handelnder Lehrer beeinträchtigt nicht nur das Ansehen des Berufsbeamtentums, sondern zeigt damit in der Regel seine Nichteignung für den Lehrerberuf. Lehrer sind nach dem umfassenden Bildungsauftrag der Schule nicht nur zur Vermittlung von Wissen, sondern auch zur Erziehung der Schüler verpflichtet. Sie müssen insbesondere die geistige und sittliche Entwicklung der ihnen anvertrauten Schüler fördern und schützen. Schüler, Eltern, Dienstherr und Öffentlichkeit müssen sich unbedingt darauf verlassen können, dass sexuelle Verfehlungen von Lehrern gegenüber Schülern auch außerhalb des unmittelbaren schulischen Umfeldes unterbleiben. Die Wahrung der Integrität der Schüler, die Pflicht zur Gewährleistung ihrer behutsamen Entwicklung sowie Anspruch und Vertrauen der Schüler und Eltern darauf, dass Lehrer das Obhuts- und Näheverhältnis zu den Schülern nicht zur Verfolgung eigener Bedürfnisse ausnutzen, verpflichten den Lehrer dazu, sich in sexueller Hinsicht uneingeschränkt korrekt – in Wort und Tat – zu verhalten. Mit einem sexuellen Fehlverhalten wird dem für ein funktionierendes Schulwesen und eine gemeinschaftliche Erziehung der Kinder unabdingbaren Vertrauensverhältnis zwischen Schule und Eltern grundsätzlich die Grundlage entzogen. Dabei hat die körperliche Distanz das Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern auch dann zu prägen, wenn der Schüler mit deren Aufgabe vordergründig einverstanden ist (vgl. OVG RP, Urteil vom 24. Februar 2012, a.a.O.; Bay.VGH, Urteil vom 27. Oktober 2004,16 a D 03.2067 – juris –).

100

Diese Verpflichtung besteht selbst volljährigen Schülern gegenüber. Mag auch mit zunehmendem Alter die Fähigkeit zur Selbstbestimmung wachsen, wirkt doch der Anspruch der Eltern darauf, dass sich die sexuelle Entwicklung ihrer Kinder im Rahmen des normalen, d.h. insbesondere innerhalb der eigenen Altersgruppe und unabhängig von zumindest potentiellen Abhängigkeitsverhältnissen vollzieht, über den Zeitpunkt von deren Volljährigkeit hinaus fort. Ihn zu achten, ist die Schule – und damit auch der Lehrer – weiterhin verpflichtet. Selbst bei volljährigen Schülern besteht Lehrern gegenüber allein schon aufgrund ihres Status sowie des Altersunterschiedes ein erhebliches Ungleichverhältnis. Hinzu kommt, dass durch das Eingehen intimer Verhältnisse zu Schülern das – für die Ordnungsgemäßheit des Schulbetriebs gleichfalls unabdingbare – Vertrauen in die Unvoreingenommenheit der Lehrer sowie nicht zuletzt in die Gleichbehandlung aller Schüler in erheblichem Maße beeinträchtigt wird (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. Februar 2012 – 3 A 11426/11. OVG –, AS 41, 60,63).

101

Vor diesem Hintergrund kommt auch dem Umstand, ob der Lehrer mit seinem Verhalten zugleich einen Straftatbestand erfüllt, keine entscheidende Bedeutung zu (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 8. März 2016 – 3 A 10861/15. OVG).

102

Unter dieser Prämisse hat der Beklagte ein äußerst schwerwiegendes Dienstvergehen begangen, das die Höchstmaßnahme indiziert. Der Beklagte hat sich in der Nacht vom ... auf den ... eines sexuellen Übergriffs auf die in seinem Obhutsverhältnis stehende 19-jährige Schülerin ... schuldig gemacht. Dabei fällt ins Gewicht, dass der Beklagte die sexuellen Handlungen zur Befriedigung seiner sexuellen Bedürfnisse – möglicherweise in der Vorstellung, dass die Schülerin ihm zugetan sei oder er sie entsprechend errege – wiederholt getätigt und sich zu keinem Zeitpunkt seiner Dienstpflichten besonnen hat. Erst aufgrund von außen kommenden Lärms hat er von der Zeugin ... abgelassen, die dies wie eine wundersame Befreiung aus Todesangst schilderte. Mit dem Eindringen mit den Fingern in den Intimbereich der Schülerin hat er deren körperliche Integrität in erheblichem Maß verletzt und ihr auch körperliche Schäden zugefügt. Bedingt durch den damit feststehenden unnatürlichen Eingriff in die sittliche Entwicklung der wenn auch schon volljährigen Schülerin, hat der Beklagte diese der Gefahr ausgesetzt, das Geschehene wegen ihrer noch nicht ausreichend fortgeschrittenen Reife intellektuell und gefühlsmäßig nicht verarbeiten zu können. Er hat bewusst in die sittliche Entwicklung der Zeugin eingegriffen und damit die nachhaltige und harmonische Entfaltung ihrer Persönlichkeit sowie ihre Einordnung in die Gemeinschaft gefährdet. Zugleich benutzt der Täter die Betroffene als Mittel zur Befriedigung seiner geschlechtlichen Triebe. Eine solche Herabminderung eines Schülers zu einem bloßen Objekt der Sexualität verletzt dessen Menschenwürde und Persönlichkeitsrecht in elementarster Weise (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Juli 1987, 1 D 141/86 – juris –).

103

Durch das Fehlverhalten des Beklagten wurde der Zeugin ... ein erheblicher und zur Zeit noch erkennbar andauernder seelischer Schaden zugefügt, deren Folgen ein ganzes Leben lang andauern können. In der Person der Zeugin hat sich die generell bestehende Gefahr einer Verletzung des nötigen Distanzgebots nachhaltig realisiert. Die bildhaften und eindeutigen Schilderungen der gefühlsmäßigen Empfindungen während des Übergriffs zeigen deutlich die schockierende Wirkung des unerwarteten Übergriffs des Beklagten. Gegenüber den ins Vertrauen gezogenen Personen berichtete sie, dass sie zu diesem Zeitpunkt Angst, Unverständnis, Panik, Verzweiflung und Ekel empfunden habe. Sowohl der Zeuge ... als auch der Zeuge ... sprechen von einem durchlebten Trauma, welches eine unverzügliche psychologische Betreuung der Zeugin erforderlich gemacht habe. Die Schilderung der Zeugin ..., dass sie das Gefühl gehabt habe, der Beklagte sei mit der ganzen Hand in sie eingedrungen, was schwerlich möglich gewesen sein kann, zeigt umso deutlicher, mit welcher Massivität der Beklagte vorgegangen ist. Nach dem Ereignis war die Zeugin ... nicht in der Lage, das Geschehene aus eigener Kraft zu verarbeiten. Selbst im Termin zur mündlichen Verhandlung war erkennbar, dass der Übergriff derart nachhaltig auf die Zeugin eingewirkt hat, dass sie nach wie vor erheblich belastet ist.

104

Ausgehend von der sich bereits aus den objektiven Handlungsmerkmalen ergebenden Schwere des dem Beklagten zur Last gelegten Fehlverhaltens ist Ausgangspunkt der Maßnahmebemessung die Verhängung der Höchstmaßnahme, von der nur abgesehen werden kann, wenn zu Gunsten des Beamten aufgrund von wesentlich entlastenden Gesichtspunkten ausnahmsweise eine andere Disziplinarmaßnahme gerechtfertigt erscheint (BVerwG, Urteil vom 1. März 2012, 2 B 140/11 – juris –). Dies ist vorliegend nicht der Fall.

105

Der Beklagte ist disziplinarisch nicht vorbelastet und kann auf ein langjähriges Dienstverhältnis mit überdurchschnittlichen Leistungen zurückblicken. Diese Umstände, die an sich zum Selbstverständnis eines jeden Beamtenverhältnisses zählen, sind nicht derart gewichtig, dass sie geeignet wären, die Schwere der Tat aufzuwiegen.

106

Auf eine lange Verfahrensdauer kann sich der Beklagte im Rahmen der Maßnahmebemessung zu seinen Gunsten nicht berufen. Das Disziplinarverfahren war zunächst in rechtlich zulässiger Weise für die Dauer des Strafverfahrens ausgesetzt (§ 15 Abs. 4 LBG). Nach Einstellung des Strafverfahrens wurde das Disziplinarverfahren fortgesetzt und aktenkundig wurden weitere Schritte, wie die vorläufige Dienstenthebung des Beklagten, in die Wege geleitet und durchgeführt. Ob dies vor dem Hintergrund des Beschleunigungsgrundsatzes mit der gebotenen Zügigkeit erfolgte, kann vorliegend dahingestellt bleiben. Denn in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist jedenfalls geklärt, dass selbst eine unangemessene Dauer des Disziplinarverfahrens kein Absehen von der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bzw. entsprechend von der Aberkennung des Ruhegehalts bei Ruhestandsbeamten rechtfertigt, wenn diese Maßnahme disziplinarrechtlich geboten ist (BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 2013 – 2 B 44/12, Urteile vom 28. Februar 2013 – 2 C 3.12 und 2 C 62.11 – und vom 25. Juli 2013 – 2 C 63.11 –, juris). Das von dem Beamten zerstörte Vertrauen kann nicht durch Zeitablauf und damit auch nicht durch eine verzögerte disziplinarrechtliche Sanktionierung schwerwiegender Pflichtenverstöße wiederhergestellt werden.

107

Der Beklagte hat die Tat auch noch nach Vorliegen einer für ihn erdrückenden Beweislage bestritten. Mithin sind auch keine weiteren entlastenden Gesichtspunkte ersichtlich. In der Gesamtschau aller in die Maßnahmebemessung einzustellenden Gesichtspunkte ist daher ausgehend von der bereits durch die Schwere des Dienstvergehens indizierten Höchstmaßnahme eine positive Prognose nicht möglich.

108

Dies gilt umso mehr, als sich die Einlassung des Beamten im Termin zur mündlichen Verhandlung darin erschöpfte, sich auf die Schilderung der Ereignisse der Tatnacht durch den Zeugen ... zu berufen. Die Aussagen des Zeugen ... im Laufe des Strafverfahrens und vor dem erkennenden Gericht wiesen jedoch erhebliche Widersprüche auf, so dass sie im Rahmen der Beweiswürdigung - wie aufgezeigt - nicht belastbar waren. Trotz der auch für den Beklagten infolge der wiederholten Vorhaltungen gegenüber dem Zeugen ... erkennbaren Widersprüche und Ungereimtheiten unterließ er es, eine eigene Darstellung der Ereignisse am letzten Abend der Kursfahrt vorzunehmen. Stattdessen beschränkte der Beklagte sich im Weitern darauf, mögliche Motive aufzuzeigen, die die Hauptbelastungszeugin zu einer Falschaussage hätten bewogen haben können.

109

Nach alledem bleibt festzustellen, dass der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit in sein Amt als Lehrer endgültig verloren hat, mit der Folge, dass er als aktiver Beamter aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen wäre.

110

Dem Beklagten ist folglich als Ruhestandsbeamter das Ruhegehalt abzuerkennen. Rückwirkungen auf das Vertrauen in die Integrität der Beamtenschaft wären nämlich auch dann zu erwarten, wenn ein Ruhestandsbeamter trotz eines erheblichen, während seiner aktiven Dienstzeit begangenen Dienstvergehens, welches das Vertrauen in seine Zuverlässigkeit zerstört hat, weiterhin sein Ruhegehalt beziehen könnte und berechtigt bliebe, die Amtsbezeichnung und etwaige im Zusammenhang mit seinem früheren Amt verliehene Titel zu führen. Darüber hinaus soll auch aus Gründen des Gebots der Gleichbehandlung ein Beamter, der nach Begehung einer schwerwiegenden Verfehlung in den Ruhestand tritt, grundsätzlich nicht bessergestellt werden, als ein Beamter, der im aktiven Dienst bleibt (vergleiche OVG NRW, Urteil vom 7. Mai 2003 -12 dA 1318/01 -, juris).

111

Die Aberkennung des Ruhegehalts verstößt auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Danach muss die im Einzelnen staatlicherseits auferlegte Belastung geeignet und erforderlich sein, um den angestrebten Zweck zu erreichen. Darüber hinaus darf der Eingriff seiner Intensität nach nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und zu den von dem Beamten hinzunehmenden Einbußen stehen. Die Aberkennung des Ruhegehalts verfolgt Zwecke der Generalprävention, der Gleichbehandlung und der Wahrung des Ansehens des Dienstherrn. Ist, wie vorliegend, der durch das Gewicht des Dienstvergehens eingetretene Vertrauensschaden mangels mildernder Umstände so erheblich, dass bei einem aktiven Beamten die Entfernung aus dem Dienst geboten wäre, dann erweist sich die Aberkennung des Ruhegehalts als Höchstmaßnahme gegenüber dem Ruhestandsbeamten als geeignete und erforderliche Maßnahme, um den oben genannten Zwecken einer disziplinaren Maßregelung von Ruhestandsbeamten Geltung zu verschaffen.

112

Darüber hinaus muss im Mittelpunkt der Betrachtung stehen, dass die Verhängung der Höchstmaßnahme auf der schuldhaften und das Vertrauensverhältnis zum Dienstherrn endgültig zerstörenden Pflichtverletzung während der aktiven Dienstzeit beruht und dem Ruhestandsbeamten daher die für alle öffentlich– rechtlichen und privaten Beschäftigungsverhältnisse vorhersehbare Rechtsfolge derartiger Pflichtverletzungen zuzurechnen ist (BVerwG, Urteil vom 14. November 2011, 1 D 60.00 – juris –). Bei der Abwägung ist auch zu berücksichtigen, dass der Ruhestandsbeamte bei der Aberkennung des Ruhegehalts trotz deren Schwere nicht ganz ohne Versorgung darsteht, da er in der Rentenversicherung nachzuversichern ist.

113

Eine abweichende Entscheidung von der gesetzlich normierten Dauer der Gewährung eines Unterhaltsbeitrages ist vorliegend nicht geboten, da keine Gründe ersichtlich sind, die aus fürsorgerechtlichen Gesichtspunkten im Einzelfall eine abweichende Entscheidung rechtfertigen konnten (§§ 10, 70 LDG).

114

Die Kostenentscheidung beruht auf § 99 Abs. 1 LDG. Verfahren nach dem Landesdisziplinargesetz sind gebührenfrei (§ 109 Abs. 1 LDG).

115

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten folgt aus § 21 LDG i.V.m. §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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(2) Das nach Absatz 1 Satz 1 ausgesetzte Disziplinarverfahren ist unverzüglich fortzusetzen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 2 nachträglich eintreten, spätestens mit dem rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens.

(3) Das Disziplinarverfahren kann auch ausgesetzt werden, wenn in einem anderen gesetzlich geordneten Verfahren über eine Frage zu entscheiden ist, deren Beurteilung für die Entscheidung im Disziplinarverfahren von wesentlicher Bedeutung ist. Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 gelten entsprechend.

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordern.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug auch hinsichtlich ihres Erscheinungsbilds Rücksicht auf das ihrem Amt entgegengebrachte Vertrauen zu nehmen. Insbesondere das Tragen von bestimmten Kleidungsstücken, Schmuck, Symbolen und Tätowierungen im sichtbaren Bereich sowie die Art der Haar- und Barttracht können eingeschränkt oder untersagt werden, soweit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 durch ihre über das übliche Maß hinausgehende besonders individualisierende Art geeignet sind, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen. Religiös oder weltanschaulich konnotierte Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 können nur dann eingeschränkt oder untersagt werden, wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen. Die Einzelheiten nach den Sätzen 2 bis 4 können durch Landesrecht bestimmt werden. Die Verhüllung des Gesichts bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug ist stets unzulässig, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies.

Tatbestand

1

Der 33 Jahre alte Soldat absolvierte nach dem Erwerb des Realschulabschlusses erfolgreich eine Ausbildung zum Elektroinstallateur. Nach der Einberufung zum Grundwehrdienst wurde er im Juli 2002 in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit übernommen. Seine Dienstzeit wurde zuletzt auf zwölf Jahre verlängert und wird mit dem 28. Februar 2013 enden. Der Soldat wurde im Juni 2008 zum Oberfeldwebel befördert.

2

Nach der allgemeinen Grundausbildung in der 5./...bataillon ... verblieb der Soldat im Mannschaftsdienstgrad zunächst in dieser Einheit und nahm vom 9. November 2001 bis 30. Juni 2002 am Auslandseinsatz KFOR im Kosovo teil. Nach dem Wechsel in die Laufbahn der Feldwebel des Fachdienstes wurde er im Dezember 2003 zum Unteroffizier mit dem Dienstgradzusatz "FA" befördert. Die für die Beförderung zum Feldwebel notwendigen Lehrgänge absolvierte er 2006 und 2007 erfolgreich. Der Versetzung zur 5./...bataillon ... im August 2006 folgte im April 2011 die Versetzung zur 5./...bataillon ... in S., wo er als "...-Feldwebel" eingesetzt wurde. Gegenwärtig ist er für die Teilnahme an einer Maßnahme des BfD vom militärischen Dienst freigestellt.

3

In der Beurteilung vom 21. November 2008 wurde die Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten bei einer Höchstnote von "9" einmal mit "7", dreimal mit "6", viermal mit "5" sowie je einmal mit "4" und mit "3" bewertet; als Durchschnittswert ergab sich "5,20".

Der Soldat habe seit seiner Beförderung zum Feldwebel gezeigt, dass er leistungsfähig und -willig sei und über ein gutes Potenzial verfüge. Seine Stärken lägen im allgemein-militärischen Bereich. Er habe trotz seines wegen fehlender Lehrgänge begrenzten Fachwissens ohne zu zögern einen kompletten AutoFü-Trupp übernommen. Er zeige eine eindeutig positive Tendenz und werde sein Leistungsvermögen noch weiter steigern, wenn er von erfahreneren Kameraden lerne.

Im Persönlichkeitsprofil wurden die soziale Kompetenz und die Kompetenz in Menschenführung als "stärker ausgeprägt" bewertet, die geistige Kompetenz sowie die funktionale Kompetenz als "ausgeprägt", die konzeptionelle Kompetenz als "weniger ausgeprägt". "Bestimmendes Merkmal" war danach die Kompetenz in Menschenführung. Der Soldat sei ein reiferer, leistungsfähiger und motivierter Portepeeunteroffizier, der sich mit dem Soldatenberuf identifiziere und über ein festes berufliches Selbstverständnis verfüge. Er setze seinen Führungsanspruch unter Anwendung der modernen Menschenführung durch und sporne seine Kameraden auch bei unangenehmeren Aufträgen an. Durch sein gut ausgeprägtes, jedoch nicht übertriebenes Kommunikationsverhalten, respektvollen Umgang und Teamgeist gliedere er sich in jede Gemeinschaft ein und trage durch seine ruhige und offene Art zu einem guten Arbeitsklima bei. Vorhandene Defizite an Fachwissen stelle er durch Nachfragen und Erfahrungsaustausch mit älteren Kameraden ab und stehe Kritik aufgeschlossen gegenüber. Im Vergleich mit anderen "Jungfeldwebeln" sei er im vorderen Mittelfeld einzuordnen, verglichen mit der gesamten Gruppe der Feldwebel/Oberfeldwebel der Kompanie im hinteren Mittelfeld. Sein Potenzial habe er noch nicht ausgeschöpft, so dass bei anhaltender Leistungsentwicklung und zunehmender Erfahrung bessere Platzierungen möglich seien; die Eignung zum Berufssoldaten sei in Ansätzen erkennbar.

Für Führungsverwendungen wurde der Soldat hier für "besonders gut geeignet" gehalten, für Lehrverwendungen sowie Verwendungen mit besonderer Spezialisierung für "gut geeignet" und für Stabsverwendungen und Verwendungen mit besonderer Außenwirkung für "geeignet".

Der nächsthöhere Vorgesetzte schloss sich den Aussagen uneingeschränkt an. Der Soldat sei verantwortungs- und selbstbewusst, identifiziere sich mit dem Soldatenberuf und verfüge über ein profundes Berufsverständnis. Bei Leistungssteigerung könne er höhere Ziele erreichen, mit seinem derzeitigen Eignungs- und Leistungsbild positioniere er sich im Mittelfeld seiner Vergleichsgruppe innerhalb des Bataillons. Trotz nicht abgeschlossener Ausbildung habe er sich als Fachmann und militärischer Führer bewährt und solle insbesondere aufgrund seiner allgemein-militärischen Erfahrung und seiner Führungserfahrung bis zur allgemeinen Laufbahnperspektive gefördert werden.

4

Die Sonderbeurteilung vom 7. Dezember 2010 bewertete die Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten wiederum bei Höchstnote "9" zweimal mit "6", fünfmal mit "5" und dreimal mit "4", so dass sich ein Durchschnittswert von "4,90" errechnet.

Der Soldat zeige deutlich, dass er als Ausbilder hervorragend geeignet sei, er agiere stets eigenständig und mit Bedacht. Er dürfe sich jedoch nicht nur bei allgemein-militärischen Ausbildungsthemen zeigen, sondern müsse seine Fähigkeiten noch selbstbewusster auf allen Gebieten des täglichen Dienstes unter Beweis stellen. Dabei sei berücksichtigt, dass der Soldat bislang seine Fachausbildung nicht habe abschließen können und sich in der Bewertung deshalb ausschließlich seine Möglichkeiten und Fähigkeiten in der allgemein-militärischen Ausbildung widerspiegelten.

Im Persönlichkeitsprofil wurden die funktionale Kompetenz und die soziale Kompetenz als "stärker ausgeprägt" bewertet, die geistige Kompetenz sowie die Kompetenz in Menschenführung als "ausgeprägt", die konzeptionelle Kompetenz als "weniger ausgeprägt". "Bestimmendes Merkmal" war danach die soziale Kompetenz. Der Soldat sei u.a. ein loyaler, erfahrener und leistungswilliger Portepeeunteroffizier, der sich dem täglichen Dienstbetrieb motiviert und mit Verantwortung stelle. Mit seinem Beruf als Soldat identifiziere er sich und habe ein eigenes klares und festes berufliches Selbstverständnis. Als Vorgesetzter setze er seinen Führungsanspruch unter Anwendung der modernen Menschenführung durch und könne sich mit seiner ruhigen Wesensart, seinem respektvollen Umgang gegenüber Kameraden und mit seinem ausgeprägten Teamgeist gut in jede Gemeinschaft einbringen, seine Argumente vorbringen und so gemeinsam zu guten Lösungen kommen. Man könne mit ihm, der sich stets sachgerecht mit der Auftragserfüllung auseinandersetze, jederzeit gut zusammenarbeiten. In der Vergleichsgruppe der Feldwebel/Oberfeldwebel der Kompanie ordne er sich derzeit im "dritten Drittel" ein.

Für Führungsverwendungen sowie Verwendungen mit besonderer Spezialisierung wurde der Soldat hier für "gut geeignet" gehalten, für Stabsverwendungen und Lehrverwendungen für "geeignet" und für Verwendungen mit besonderer Außenwirkung für "nicht geeignet".

5

Der nächsthöhere Vorgesetzte schloss sich den Aussagen und Wertungen vorbehaltlos an. Er habe den Soldaten als loyalen und verantwortungsbewussten Portepeeunteroffizier kennengelernt, der seinen Aufgaben im täglichen Dienstbetrieb mit soliden Leistungen vor allem im allgemein-militärischen Bereich nachkomme. "Etwas mehr Vertrauen" in seine Vorgesetzten und Kameraden könnten "nicht schaden". Er verfolge seine Ziele mit Biss und erlange ansprechende Ergebnisse, die der übergeordneten Führung entsprächen; mit seinem derzeitigen Eignungs- und Leistungsbild befinde er sich im unteren Drittel der zu vergleichenden Feldwebel/Oberfeldwebel des Bataillons. Mit deutlich soliden Leistungen im allgemein-militärischen Teil habe er überzeugen und seine Leistungserwartungen mehr als erfüllen können, die Defizite im militärfachlichen Teil ließen sich nicht ausschließlich auf seine fehlende abgeschlossene Fachausbildung zurückführen. Insgesamt sah dieser Vorgesetzte keinen Anlass, von der Erreichung der allgemeinen Laufbahnperspektive abzusehen.

6

In der Berufungshauptverhandlung haben die früheren Disziplinarvorgesetzten Major N. und Hauptmann V. als Leumundszeugen im Wesentlichen die Feststellungen der genannten Beurteilungen bestätigt.

Major N. betonte, dem Soldaten das Dienstvergehen nicht zugetraut zu haben. Dieser sei kein Drückeberger und entziehe sich auch nicht durch Ausreden unangenehmen Aufträgen. Seine Stärken lägen im allgemein-militärischen Bereich. Der Soldat sei gern Soldat. Seine Leistungen lägen im Mittelfeld der Vergleichsgruppe.

Hauptmann V. stellte heraus, dass auf den Soldaten zu jeder Zeit Verlass gewesen sei. Die Vorwürfe hätten ihn überrascht. Auch er sehe die Stärken des Soldaten im allgemein-militärischen, weniger im fachlichen Bereich. Entsprechend seinen Stärken sei der Soldat eingesetzt worden. Er habe gute Leistungen erbracht, mit denen er zufrieden gewesen sei. Der Soldat sei nie auffällig geworden. Seine Leistungen seien gutes Mittelmaß und er sei sehr zuverlässig. Während des Disziplinarverfahrens habe es keine Leistungseinbußen, aber auch keine Leistungssteigerungen gegeben.

7

Der weder straf- noch disziplinarrechtlich vorbelastete Soldat ist Träger der Einsatzmedaillen KFOR und "Fluthilfe 2002"; er ist berechtigt, die Schützenschnur "Stufe III (Gold)" zu tragen. 2004 wurde ihm in Anerkennung seiner herausragenden, besonderen Leistungen eine Leistungsprämie gewährt.

8

Der Soldat ist verlobt und lebt mit seiner Verlobten, deren zwei minderjährigen Kindern und dem gemeinsamen 2007 geborenen Sohn zusammen. Er erhält monatliche Dienstbezüge in Höhe von netto 2 156,70 € und hat nach eigenen Angaben monatliche Ausgaben in Höhe von ca. 1 700 €. Er bediene verschiedene Kredite für Anschaffungen mit ca. 560 € monatlich.

9

1. Nachdem die Hauptgefreite (UA) E. am 17. März 2009 durch den damaligen Disziplinarvorgesetzten des Soldaten zu der Meldung vernommen worden war, von einem außerdienstlichen Drogenkonsum des Soldaten erfahren zu haben, wurde der Soldat am 20. März 2009 zu dem Vorwurf vernommen. In der ersten Vernehmung durch den Disziplinarvorgesetzten bestritt er den Vorwurf, war aber mit einem Drogentest einverstanden.

10

Dieser wurde noch am selben Tag als Urintest durchgeführt; das schriftliche Testprotokoll weist ein positives Ergebnis des Tests auf Cannabinoide/THC aus. Daraufhin wurde der Soldat noch am selben Tage ein zweites Mal durch den Disziplinarvorgesetzten vernommen. In dieser Vernehmung, in der er auf seine Pflicht zu wahren Angaben in dienstlichen Angelegenheiten hingewiesen, nicht aber über ein Recht auf Verteidigerkonsultation belehrt worden war, räumte er die Vorwürfe ein und machte Angaben zu Zeitraum und Ausmaß eines außerdienstlichen Konsums von Cannabisprodukten. Wegen des positiven Drogentests wurden dem Soldaten der Dienst an der Waffe und das Führen von Dienst-Kfz untersagt. Beides wurde einige Zeit später nach Rücksprache des Disziplinarvorgesetzten mit dem Truppenarzt wieder gestattet.

11

Unter dem 26. März 2009 gab der Disziplinarvorgesetzte die Sache an die Staatsanwaltschaft S. ab und teilte dies dem Rechtsberater und zuständigen Wehrdisziplinaranwalt mit. Die Mitteilung ging am 6. April 2009 bei der Wehrdisziplinaranwaltschaft ein. Am 21. April 2009 verfügte der Wehrdisziplinaranwalt die Eintragung als "VE Btm" und die Absendung einer Mitteilung über die Aufnahme von Vorermittlungen an den Kompaniechef bzw. seinen Vertreter.

12

Am 22. April 2009 wurde der Soldat auf seine Meldung, ergänzende Angaben zum Verfahren machen zu wollen, erneut durch den Vertreter des Kompaniechefs angehört und ließ sich u.a. auch erneut geständig ein. Eine Belehrung über das Recht auf Verteidigerkonsultation erfolgte zuvor nicht.

13

Mit Schreiben vom 23. April 2009 bat der Wehrdisziplinaranwalt den Kompaniechef bzw. seinen Vertreter um eine Anhörung des Soldaten zu den im Entwurf beigefügten Vorwürfen als Anhörung vor Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens. Er wies in dem Schreiben ausdrücklich darauf hin, dass der Soldat nicht der Wahrheitspflicht unterliege, dass der Vordruck für das Vernehmungsprotokoll entsprechend zu ändern und dass der Soldat auch über das Recht auf Verteidigerkonsultation zu belehren sei. Daraufhin wurde der Soldat durch den Vertreter des Kompaniechefs am 28. April 2009 zu seinem Einverständnis mit der Akteneinsicht durch die Vertrauensperson befragt und über sein Recht auf Verteidigerkonsultation belehrt. Am 11. Mai 2009 wurde er zu den Vorwürfen vernommen und verweigerte die Aussage.

14

2. Die Einleitungsverfügung des Befehlshabers im Wehrbereich III vom 27. Mai 2009 wurde dem Soldaten am 8. Juni 2009 ausgehändigt.

15

Zuvor war am 11. Mai 2009 auch die Vertrauensperson angehört worden, nachdem der Soldat weder am 20. März 2009 noch am 22. April 2009 oder am 28. April 2009 ihrer Anhörung widersprochen und sich ausdrücklich mit der Akteneinsichtnahme durch sie einverstanden erklärt hatte. Das Ergebnis ihrer Anhörung wurde dem Soldaten ausweislich der Niederschrift über ihre Anhörung eröffnet. In der Niederschrift über die Anhörung ist von einem persönlichen Gespräch zwischen dem Soldaten und der Vertrauensperson die Rede, in dem der Soldat sich u.a. zu den Gründen seines Drogenkonsums geäußert und angegeben hatte, seinen Fehler eingesehen und den Drogenkonsum zwischenzeitlich eingestellt zu haben.

Vor dem Gespräch hatte der Vertreter des Kompaniechefs sowohl die Vertrauensperson als auch den Soldaten gebeten, das Gespräch zu suchen, nachdem der Soldat in seiner Vernehmung der Beteiligung der Vertrauensperson am Verfahren nicht widersprochen hatte.

16

Die Ladung des Soldaten zum Schlussgehör war aufgehoben worden, nachdem sich für ihn ein Verteidiger mandatiert hatte, der ankündigte, der Soldat werde keine Aussage machen, und der Verwertung der Aussagen des Soldaten vom 20. März 2009 und vom 22. April 2009 widersprach.

17

Das sachgleiche Strafverfahren war durch die Staatsanwaltschaft S. am 30. Juni 2009 nach § 153 StPO eingestellt worden.

18

3. Mit Anschuldigungsschrift vom 7. Oktober 2009, dem Soldaten zugestellt am 19. Oktober 2009, legte die Wehrdisziplinaranwaltschaft dem Soldaten folgenden Sachverhalt als vorsätzliche Verletzung seiner Dienstpflichten zur Last:

"Der Soldat hat nach dem 30.06.2002 in H. und anderen Orten Cannabisprodukte in Form von Joints, die er jeweils zuvor in Berlin am Bahnhof Zoo erworben hatte, im Schnitt einmal wöchentlich, zumindest zuletzt ab dem 20.12.2008 bis letztmalig in der 12. Kalenderwoche 2009 - vor dem 20.03.2009 - konsumiert."

19

Im "Ermittlungsergebnis" heißt es bei der Schilderung des Verlaufs der Ermittlungen u.a.:

"In der anschließenden erneuten Vernehmung am selben Tag gab er zu, außerdienstlich Drogen zu konsumieren...Seitdem rauche er gelegentlich bis öfters nach Dienst oder beim Spazierengehen einen Joint um abzuschalten. Er mache das nicht jede Woche, aber im Schnitt einmal pro Woche. Das letzte Mal habe er in dieser Woche (also 12. KW) einen Joint geraucht..."

20

4. Mit Urteil vom 29. Juli 2010 hat die 5. Kammer des Truppendienstgerichts Nord gegen den Soldaten wegen eines Dienstvergehens ein Beförderungsverbot für die Dauer von dreißig Monaten, verbunden mit einer Kürzung der Dienstbezüge um ein Zwanzigstel für die Dauer von zehn Monaten verhängt.

21

Die Kammer hat festgestellt, dass der Soldat wie angeschuldigt nach der Rückkehr aus dem Kosovo ab dem 30. Juni 2002 bis zur 12. Kalenderwoche 2009 durchschnittlich einmal die Woche Cannabisprodukte in Form von "Joints" konsumiert und zuvor in Berlin am Bahnhof Zoologischer Garten erworben habe. Er habe dabei gewusst, dass der Erwerb von Drogen strafrechtlich verfolgt werde und ihm der Konsum innerhalb und außerhalb des Dienstes durch die ZDv 10/5 Nr. 404 verboten sei. Die Feststellungen beruhten auf den Angaben des Zeugen N.. Dieser habe nach Vorhalt der Niederschrift über die Vernehmung des Soldaten vom 20. März 2009, in der dieser sich geständig eingelassen habe, glaubhaft die Richtigkeit der Wiedergabe der damaligen Aussage des Soldaten bekundet. Es gebe keinen Grund, warum sich der Soldat wahrheitswidrig des Drogenerwerbs und -konsums hätte bezichtigen sollen. Indizielle Bedeutung habe auch das Ergebnis des Drogenschnelltests. Die Angaben des Zeugen N. über das Geständnis des Soldaten seien zu Lasten des Soldaten verwertbar, obwohl der Zeuge den Soldaten vor dieser Vernehmung nicht über ein Recht auf Verteidigerkonsultation belehrt habe. Zum Zeitpunkt der Vernehmung habe die Wehrdisziplinaranwaltschaft noch keine Vorermittlungen gegen den Soldaten geführt, so dass ein Recht auf Verteidigerkonsultation nicht bestanden habe. Aussagen des Soldaten im Rahmen der Ermittlungen des Disziplinarvorgesetzten seien im gerichtlichen Disziplinarverfahren verwertbar, wie sich aus einem Umkehrschluss aus § 32 Abs. 4 Satz 5 WDO, § 33 WDO und § 106 Abs. 2 Satz 3 und 4 WDO ergebe. Die Kammer habe keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der genannten Regelungen.

22

Durch den außerdienstlichen Betäubungsmittelerwerb und -konsum habe der Soldat vorsätzlich gegen die außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht nach § 17 Abs. 2 Satz 2 SG verstoßen. Nach den Kriterien der § 58 Abs. 7, § 38 Abs. 1 WDO sei auf das ausgesprochene Beförderungsverbot im gesetzlichen Mittelmaß zu erkennen, das mit einer Kürzung der Dienstbezüge zu verbinden sei, um den Soldaten, der keine Aussicht habe, Hauptfeldwebel zu werden, erzieherisch zu erreichen. Deren Bemessung berücksichtige den Umstand, dass der Soldat den Lebensunterhalt für eine fünfköpfige Gemeinschaft bestreite.

23

5. Gegen das ihm am 20. September 2010 zugestellte Urteil hat der Soldat am 18. Oktober 2010 Berufung mit dem Ziel eines Freispruchs eingelegt.

24

Er macht im Wesentlichen geltend, der Freispruch sei geboten, weil seine bisherigen Geständnisse nicht verwertet werden dürften und die weiteren Beweismittel für eine hinreichende Überzeugungsgewissheit über die Vorwürfe in tatsächlicher Hinsicht nicht ausreichten. Er verweist auf seinen mehrfach erklärten Widerspruch gegen die Verwertung und wiederholt diesen. Das Fehlen eines Rechts auf Verteidigerkonsultation und der Belehrung hierüber im Verfahrensstadium vor der Aufnahme von Vorermittlungen verletze sein Grundrecht auf ein faires Verfahren, das verfassungsrechtlich durch Art. 20 Abs. 3 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG und auf europäischer Ebene durch Art. 6 EMRK gewährleistet sei. Er, der Soldat, widerspreche auch einer Vernehmung der Vertrauensperson über eine im Rahmen eines mit ihr geführten Gespräches abgegebene geständige Einlassung. Der Begriff "Vertrauensperson", die grammatikalische und systematische Auslegung und die Funktion der Vertrauensperson widersprächen ihrer Vernehmung als Zeuge über die anvertraute Aussage. Dem stünden der Rechtsgedanke des § 53 StPO ebenso entgegen wie das Grundrecht des Soldaten auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren und die Gewährleistung des Art. 6 EMRK.

Jedenfalls dürfe eine Kürzung der Dienstbezüge wegen § 16 Abs. 1 Nr. 2 WDO nach der Einstellung des sachgleichen Strafverfahrens nach § 153 StPO nicht verhängt werden. Eine Dienstpflichtverletzung liege auch aus Rechtsgründen nicht vor. Ein Freispruch sei zudem geboten, weil das tatsächliche Ausmaß des Drogenkonsums nicht feststellbar sei. § 10 SG sei nicht anwendbar, wenn niemand das außerdienstliche Dienstvergehen beobachtet habe. Der verhängten Sanktion stünden auch § 17 Abs. 3 und 4 WDO jedenfalls für einen Teil des angeschuldigten Zeitraums entgegen.

Entscheidungsgründe

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Die gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1, § 116 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 WDO form- und fristgerecht eingelegte und damit zulässige Berufung ist unbegründet.

26

Das Rechtsmittel ist in vollem Umfang eingelegt worden. Der Senat hat daher im Rahmen der Anschuldigung eigene Tat- und Schuldfeststellungen zu treffen, diese rechtlich zu würdigen und unter Berücksichtigung des Verschlechterungsverbotes (§ 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 331 StPO) über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden.

27

1. Zur Überzeugung des Senats steht nach der Beweisaufnahme fest, dass der Soldat im Anschluss an seinen Auslandseinsatz im Kosovo im Jahre 2002 bis unmittelbar vor dem 20. März 2009 in Kenntnis des entsprechenden Verbots der ZDv 10/5 Nr. 404, über die er im März 2001 belehrt worden war, und damit vorsätzlich regelmäßig außerdienstlich geringe Mengen Marihuana konsumiert hat. Dagegen kann der Senat nicht mit hinreichender Überzeugungsgewissheit feststellen, dass auch der in der Anschuldigungsschrift weiter erhobene Vorwurf eines regelmäßigen Erwerbs von "Joints" am Bahnhof Zoologischer Garten in Berlin bewiesen ist.

28

a) Grundlage der Feststellungen des Senats zum Drogenkonsum des Soldaten sind das Ergebnis des am 20. März 2009 durchgeführten Urintests in der durch Verlesung zum Gegenstand der Berufungshauptverhandlung gemachten Erläuterung der Oberstabsärztin der Reserve ... S. vor dem Truppendienstgericht, die Angaben der Vertrauensperson über den Inhalt eines Gesprächs mit dem Soldaten und die Angaben der Zeugin E..

29

aa) Außer Betracht bleibt das Geständnis des Soldaten in der Vernehmung durch den Disziplinarvorgesetzten vom 20. März 2009. Wegen eines Verwertungsverbotes war es nicht zulässig, hierüber durch Zeugenvernehmung der damaligen Vernehmungsperson Beweis zu erheben.

§ 106 Abs. 2 Satz 4 WDO erlaubt eine Verlesung von Niederschriften aus den Ermittlungen des Disziplinarvorgesetzten dann, wenn die Hauptverhandlung ohne die Anwesenheit des Soldaten stattfindet. Es handelt sich bei den Bestimmungen des § 106 Abs. 2 WDO aber um - über § 251 StPO hinausgehende (vgl. § 106 Abs. 2 Satz 5 WDO) - Ausnahmen vom Unmittelbarkeitsgrundsatz des § 250 Satz 1 StPO, § 91 Abs. 1 WDO (Dau, WDO, 5. Auflage 2009, § 106 Rn. 7) für den Sonderfall, dass der Soldat zur Hauptverhandlung nicht erschienen ist, diese - etwa nach § 104 WDO - aber gleichwohl stattfinden kann. Als Ausnahmeregelung ist die Norm eng auszulegen und keiner Analogie oder erweiternden Auslegung zugänglich. Aus ihr folgt daher im Umkehrschluss, dass eine Verlesung unzulässig ist, wenn der Soldat - wie hier - in der Hauptverhandlung anwesend ist.

30

Dieses Verlesungsverbot darf nicht durch die Vernehmung der Vernehmungsperson umgangen werden, wenn die Vernehmung ohne Einhaltung der im gerichtlichen Disziplinarverfahren geltenden Belehrungspflichten erfolgt ist, der Soldat insbesondere nicht über das Recht auf Verteidigerkonsultation belehrt worden war. Hier ist der Soldat bis zum 20. März 2009 nicht über sein Recht auf Verteidigerkonsultation belehrt worden. Damit sind seine Aussagen an diesem Tag im gerichtlichen Disziplinarverfahren nicht verwertbar, ohne dass dies allerdings ihrer Verwertung im Verfahren zur Verhängung einer einfachen Disziplinarmaßnahme durch den Disziplinarvorgesetzten entgegenstünde.

31

Das Recht auf ein faires Verfahren als eine Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips, das in der Verfassung nur zum Teil näher konkretisiert ist, enthält keine im Einzelnen bestimmten Gebote und Verbote; es bedarf vielmehr der Konkretisierung je nach den sachlichen Gegebenheiten. Dabei ist es grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, zwischen möglichen Alternativen bei der normativen Konkretisierung eines Verfassungsgrundsatzes zu wählen (vgl. BVerfG, 2. Senat, 4. Kammer, Beschluss vom 14. Juni 2000 - 2 BvR 993/94 - ZBR 2001, 208 ff. = juris Rn. 5). Für das gerichtliche Disziplinarverfahren nach dem Dritten Abschnitt des Zweiten Teils der Wehrdisziplinarordnung gibt § 90 Abs. 1 Satz 1 WDO ein Recht auf Verteidigerkonsultation. § 97 Abs. 2 Satz 5, § 92 Abs. 2 WDO regeln korrespondierend Belehrungspflichten. Damit wird das Grundrecht auf ein rechtsstaatlich faires Verfahren für das gerichtliche Disziplinarverfahren einfachrechtlich ausgestaltet und konkretisiert. Es erhält dadurch für dieses Verfahren einen anderen Inhalt als für das Verfahren zur Verhängung einer einfachen Disziplinarmaßnahme durch den Disziplinarvorgesetzten.

32

Dieser gesetzgeberischen Entscheidung für eine bestimmte Ausgestaltung des Verfassungsgrundsatzes eines fairen Verfahrens im Wehrdisziplinarverfahren ist dadurch Rechnung zu tragen, dass im gerichtlichen Disziplinarverfahren nur die Ergebnisse der Ermittlungen des Disziplinarvorgesetzten aus dem Verfahren nach dem Zweiten Abschnitt des Zweiten Teils der Wehrdisziplinarordnung ohne weiteres verwertbar sind, die unter Beachtung der Vorschriften zustande gekommen sind, die der Gesetzgeber für das gerichtliche Disziplinarverfahren zur Wahrung der Verfahrensrechte des Soldaten vorgesehen hat. Denn nur so kann der in § 15 Abs. 1 Satz 1 WDO angelegten Unterscheidung der Verfahrensarten und ihrer im Hinblick auf die Rechte des betroffenen Soldaten unterschiedlichen Ausgestaltung Rechnung getragen und der Gefahr einer Aushöhlung der gesetzgeberischen Entscheidung für die stärkere verfahrensrechtliche Stellung des Soldaten im gerichtlichen Disziplinarverfahren vorgebeugt werden. Damit wird nämlich verhindert, dass das Verfahren nach den §§ 22 ff. WDO zum regelmäßigen "Vorverfahren" vor der Aufnahme von Vorermittlungen gemacht wird, in dem die Ermittlungspersonen ohne die ihre Möglichkeiten beschränkenden, rechtsstaatlichen Sicherungsmechanismen des gerichtlichen Disziplinarverfahrens Beweise sichern.

33

Die normsystematischen Erwägungen der Vorinstanz überzeugen nicht:

Der Umkehrschluss aus § 32 Abs. 4 Satz 5 WDO greift schon deshalb nicht durch, weil Beweisverwertungsverbote nicht abschließend einfachgesetzlich geregelt sind. Außerdem handelt es sich um eine Vorschrift aus dem Zweiten Abschnitt des Zweiten Teils der WDO. Hätte sie Bedeutung über das Verfahren zur Verhängung einfacher Disziplinarmaßnahmen hinaus, müsste sie systematisch in den Allgemeinen Bestimmungen des Ersten Abschnitts stehen.

Dasselbe gilt für den Hinweis auf § 33 Abs. 1 Satz 2 WDO. Auch dieser Vorschrift ist keine allgemeine Bestimmung über die grundsätzliche Verwertbarkeit von Ergebnissen eines Verfahrens in einem anderen zu entnehmen. Auch sie ist Teil des Zweiten Abschnitts des Zweiten Teils der WDO. Die in ihr vorgesehene Zweckbestimmung mag den Ermittlungsergebnissen Bedeutung für die Einleitungsbehörde beimessen. Die Vorschrift sagt jedoch nichts über ihre Bedeutung für das Gericht. Wegen § 15 Abs. 1 Satz 2 WDO kommt es aber maßgeblich darauf an, ob den Ergebnissen für die gerichtliche Entscheidung Bedeutung zukommt.

Wie ausgeführt enthält § 106 Abs. 2 Satz 4 WDO keinen über den dort als Ausnahme geregelten Sonderfall hinausreichenden allgemeinen Rechtsgedanken.

34

Dass im Verfahren der Verhängung einer einfachen Disziplinarmaßnahme wegen der systematischen Stellung des § 90 Abs. 1 Satz 1 WDO im Dritten Abschnitt des Zweiten Teils der WDO kein Recht auf Verteidigerkonsultation besteht, hält das auf Befehlsautorität des Disziplinarvorgesetzten und Gehorsamsbereitschaft des Untergebenen gegründete Vertrauensverhältnis frei von Störungen durch ein Dazwischentreten Dritter (vgl. Beschluss vom 19. März 1976 - BVerwG 2 WDB 1.76 - BVerwGE 53, 146 <157 ff.>). Für die Erreichung dieses Zieles ist es jedoch nicht geboten, legitime Erleichterungen bei der Ausübung der Disziplinargewalt des Vorgesetzten auch den über die Verhängung gerichtlicher Disziplinarmaßnahmen entscheidenden Wehrdienstgerichten zugutekommen zu lassen. Vor diesem Hintergrund kommt es auch nicht darauf an, ob es pflichtwidrig gewesen war, nicht bereits vor der geständigen Einlassung des Soldaten am 20. März 2009 die Ermittlungen an die Wehrdisziplinaranwaltschaft abzugeben oder Vorermittlungen aufzunehmen. Das Verwertungsverbot gründet nicht auf einem Belehrungsfehler oder einer Umgehung von Belehrungspflichten durch eine verzögerte Aufnahme von Vorermittlungen.

35

bb) Nicht berücksichtigt wird auch das bereits vom Truppendienstgericht zu Recht nicht einbezogene Geständnis des Soldaten in der Vernehmung durch den Vertreter des Kompaniechefs vom 22. April 2009. Ein Beweisverwertungsverbot steht auch der Zulässigkeit einer Beweiserhebung hierüber durch Zeugenvernehmung der Vernehmungsperson entgegen.

36

Die Wehrdisziplinaranwaltschaft hatte am 21. April 2009 Vorermittlungen aufgenommen. Von diesem Zeitpunkt an bestand keine Wahrheitspflicht aus § 32 Abs. 4 Satz 4 WDO und der Soldat wäre nach § 92 Abs. 2, § 97 Abs. 2 Satz 5 WDO über das Recht auf Verteidigerkonsultation zu belehren gewesen.

Der Soldat ist durch die Vernehmungsperson am 22. April 2009 nur auf die Wahrheitspflicht hingewiesen, vor der Vernehmung aber nicht über das Recht auf Verteidigerkonsultation belehrt worden. Die Verteidiger des Soldaten haben schon vor dem Truppendienstgericht bis zu dem in § 257 StPO bestimmten Zeitpunkt und auch in der Berufungshauptverhandlung vor der Beweisaufnahme der Verwertung des Inhalts seiner ohne Belehrung über das Recht auf Verteidigerkonsultation zustande gekommenen Aussage widersprochen. Damit ist diese Aussage wegen eines Belehrungsfehlers nicht verwertbar (vgl. Urteil vom 16. Mai 2012 - BVerwG 2 WD 8.11 - und BGH, Beschluss vom 27. Februar 1992 - 5 StR 190/91 - BGHSt 38, 214 <218, 225 f.> = juris Rn. 12, 26 f.).

37

cc) Verwertbar ist dagegen entgegen der Rechtsauffassung der Verteidiger des Soldaten seine geständige Einlassung im Gespräch mit der Vertrauensperson vor deren Anhörung am 11. Mai 2009. Diese kann durch Vernehmung der Vertrauensperson als Zeugen über den Inhalt dieses Gesprächs zum Gegenstand der Berufungshauptverhandlung gemacht werden (vgl. Wolf/Höges, Soldatenbeteiligungsgesetz, § 8 Rn. 8; Lingens, in: NZWehrr 2000, 151 ff.; von Stein-Lausnitz/Poretschkin, in: NZWehrr 2010, 73 ff.; Dechmann, in: UBWV 2011, 290 ff.; vgl. für das Betriebsverfassungsrecht und den Strafprozess auch: Faber, in: Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehak/Faber, BPersVG, § 10 Rn. 63, 66, 67; Ilbertz/Widmaier, BPersVG, 11. Aufl. 2008, § 10 Rn. 14, 16; Richardi/Dörner/Weber, Personalvertretungsrecht, 3. Aufl. 2008, § 10 Rn. 31).

38

aaa) Der Zeugenvernehmung der Vertrauensperson steht ein Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrecht nicht entgegen, zumal die Vertrauensperson von einem solchen Recht auch gar nicht Gebrauch gemacht hat.

39

Ein Zeugnisverweigerungsrecht der Vertrauensperson ist nicht aus § 91 Abs. 1 WDO i.V.m. § 53 StPO in analoger Anwendung oder dem Rechtsgedanken dieser Normen herzuleiten.

Vertrauenspersonen fallen nicht unter den Katalog des § 53 StPO und sind auch keine Berufshelfer im Sinne von § 53a StPO (Dechmann, a.a.O. S. 291; Lingens, a.a.O. S. 151; von Stein-Lausnitz/Poretschkin, a.a.O. S. 75). Der Katalog ist nicht erweiternd auf andere zur Verschwiegenheit verpflichtete Berufsgruppen auszudehnen (Meyer-Goßner, Strafprozessordnung, 55. Aufl. 2012, § 53 StPO Rn. 2 m.w.N. zur Rspr), insbesondere nicht auf Personal- und Betriebsräte (Ignor/Bertheau, in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2008, § 53 StPO Rn. 4 m.w.N. zur Rspr). Dies ist verfassungsrechtlich auch nicht zu beanstanden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Januar 1979 - 2 BvR 995/78 - NJW 1979, 1286 für Betriebsräte und 3. Kammer des 2. Senats, Beschluss vom 31. Mai 1988 - 2 BvR 367/88 - NStZ 1988, 418 und juris mit Hinweis auf BVerfGE 33, 367 <376 ff.> und auf BVerfGE 44, 353 <378>). Es gibt keinen sachlichen Grund, Vertrauenspersonen von Soldaten besserzustellen als Personal- oder Betriebsräte.

40

§ 91 Abs. 1 WDO i.V.m. § 54 StPO gibt der Vertrauensperson auch dann kein Zeugnisverweigerungsrecht, wenn der Soldat ihr keine Aussagegenehmigung erteilt (vgl. für Personalräte: LG Magdeburg, Beschluss vom 18. Juni 2008 - 21 Qs 44b/08 - juris, a.A.: LG München I, Beschluss vom 2. Juli 1985 - 15 Qs 13/85 - PersV 1986, 63; Gronimus, Die Beteiligungsrechte der Vertrauenspersonen in der Bundeswehr, 6. Auflage 2009, § 8 SBG Rn. 10). § 54 StPO sichert prozessual die dienstrechtliche Amtsverschwiegenheit, nicht die personalvertretungsrechtliche Verschwiegenheitspflicht (Richardi/Dörner/Weber, a.a.O. § 10 BPersVG Rn. 28; Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehak/Faber, a.a.O. § 10 BPersVG Rn. 63; Altvater/Baden/Kröll/Lemcke/Peiseler, BPersVG, 7. Aufl. 2011, § 10 BPersVG Rn. 22; Baden, in: PersR 2002, 431), und daher in Bezug auf Vertrauenspersonen nur die Pflicht nach § 14 SG, nicht die nach § 8 SBG. Die wegen der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit nach § 14 SG bestehende Aussagegenehmigung für Aussagen vor den Wehrdienstgerichten ist nach ZDv 14/3 B 166 Nr. 4 grundsätzlich erteilt (Scherer/Alff/Poretschkin, Soldatengesetz, 8. Aufl. 2008, § 14 Rn. 9; Walz/Eichen/Sohm, Soldatengesetz, 2. Aufl 2010, § 14 Rn. 15).

41

Ein Aussageverweigerungsrecht nach § 91 Abs. 1 WDO i.V.m. § 55 StPO greift nur ein, wenn sich der Zeuge durch eine wahrheitsgemäße Aussage der Gefahr aussetzen würde, wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden, die er bereits vor seiner Zeugenaussage begangen hat (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2005 - 3 StR 281/04 - BGHSt 50, 318 <322> = juris Rn. 10). Im Hinblick auf § 203 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, § 353b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB besteht ein Aussageverweigerungsrecht nicht, weil die Aussagepflicht aus § 91 Abs. 1 WDO i.V.m. § 48 Abs. 1 StPO das Tatbestandsmerkmal des unbefugten Offenbarens ausschließt oder einen Rechtfertigungsgrund begründet (von Stein-Lausnitz/Poretschkin, a.a.O. S. 77; Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehak/Faber, a.a.O. § 10 BPersVG Rn. 67; Richardi/Dörner, § 10 BPersVG Rn. 31; Fischer, StGB, 59. Aufl. 2012, § 203 StGB Rn. 39, § 353b StGB Rn. 12).

42

bbb) § 91 Abs. 1 WDO i.V.m. § 136a StPO steht der Vernehmung der Vertrauensperson als Zeugen ebenfalls nicht entgegen.

43

Es kann dahinstehen, ob der Vernehmung im Sinne des § 136a StPO das Gespräch zwischen dem Soldaten und der Vertrauensperson gleichzustellen ist. Denn es liegt jedenfalls keine verbotene Täuschung vor. Die Norm erfasst nur solche Täuschungshandlungen, die in einer der Misshandlung, Ermüdung, dem körperlichen Eingriff, der Verabreichung von Mitteln oder Quälerei vergleichbaren Weise auf die freie Willensentschließung und -betätigung einwirken (BGH, Großer Senat für Strafsachen, Beschluss vom 13. Mai 1996 - GSSt 1/96 - BGHSt 42, 139 <149> = juris Rn. 30, Urteil vom 26. Juli 2007 - 3 StR 104/07 - BGHSt 52, 11 Rn. 17, Beschluss vom 31. März 2011 - 3 StR 400/10 - NStZ 2011, 596 Rn. 10).

44

Eine derartige Täuschungshandlung liegt nicht darin, dass der Vertreter des Kompaniechefs den Soldaten vor dessen Gespräch mit der Vertrauensperson aufgefordert hatte, dieses Gespräch zu suchen.

45

Der Senat ist überzeugt, dass zu keinem Zeitpunkt seitens der Vernehmungspersonen die Absicht bestand, den Soldaten zu einem gerichtsverwertbaren Geständnis gegenüber der Vertrauensperson zu bewegen oder diesen über die Verwertbarkeit seiner Angaben im Rahmen dieses Gesprächs zu täuschen. Wie der Zeuge Oberleutnant R. glaubhaft bekundet hat, war ihm die Möglichkeit, die Vertrauensperson als Zeugen zu vernehmen, gar nicht bewusst. Er hatte im Übrigen während des Ermittlungsverfahrens aus seiner Perspektive auch keinen Anlass daran zu zweifeln, dass bereits durch die geständigen Einlassungen des Soldaten bei den Vernehmungen und das Testergebnis ausreichende Beweismöglichkeiten zur Verfügung standen. Nichts anderes gilt für den Kompaniechef selbst. Selbst wenn dieser der Vertrauensperson den Befehl erteilt haben sollte, das Gespräch mit dem Soldaten zu suchen, hat er damit nicht - erst recht nicht irreführend - auf die Entschließungsfreiheit des Soldaten eingewirkt.

46

Der Zeuge Oberleutnant R. hat plausibel erläutert, dass er den Rat, die Vertrauensperson aufzusuchen, erteilt hat, um dem Soldaten in seinem Interesse Gelegenheit zu geben, die Vertrauensperson zu einer Äußerung in seinem Sinne zu bewegen. Der Soldat habe ein Recht, die Vertrauensperson selbst ins Bild zu setzen. Dieser Rat ist nach den Angaben des Zeugen erteilt worden, nachdem der Soldat die Frage nach dem Widerspruch gegen die Beteiligung der Vertrauensperson im Disziplinarverfahren verneint hatte.

47

Mit diesem Rat wird nicht darüber getäuscht, dass die Äußerungen gegenüber der Vertrauensperson nicht vertraulich bleiben. Denn es wird nicht verschleiert, dass die Beteiligung der Vertrauensperson am gerichtlichen Disziplinarverfahren entsprechend § 27 Abs. 2 SBG in Rede steht. Diese besteht in einer nach § 27 Abs. 4 SBG schriftlich zu dokumentierenden Stellungnahme der Vertrauensperson gegenüber der Einleitungsbehörde und bleibt damit ihrem Zweck nach nicht auf das Verhältnis zwischen dem Soldaten und der Vertrauensperson beschränkt. Gerade durch den Rat des Vertreters des Kompaniechefs, eine Möglichkeit zur Einflussnahme auf die Vertrauensperson zu nutzen, wird auch deutlich, dass die Vertrauensperson im Verfahren nach § 27 SBG nicht automatisch "Verteidiger" des Kameraden ist. Wäre sie dies, so könnte der Soldat nämlich ohne weiteres damit rechnen, dass sich die Vertrauensperson in seinem Sinne äußert, ohne dass es in seinem Interesse nötig wäre, sie - wie angeraten - dazu erst zu bewegen. Der dem Soldaten von Oberleutnant R. erteilte Hinweis täuschte ihn nicht, weil er ihn in Übereinstimmung mit der Rechtslage darauf hinwies, dass das Gespräch mit der Vertrauensperson die Möglichkeit darstellte, dieser den Sachverhalt aus seiner Sicht darzustellen, und so auf ihre Stellungnahme in seinem Sinne Einfluss zu nehmen. Über die Möglichkeit, die Gesprächsinhalte in das gerichtliche Verfahren einzubringen, ist damit gar nichts und so auch nichts Falsches ausgesagt.

48

ccc) Der Vernehmung der Vertrauensperson steht auch § 8 SBG nicht entgegen.

49

Die Norm enthält keine spezielle Regelung der Zeugenpflicht von Vertrauenspersonen, die als normhierarchisch gleichrangige Regelung gegenüber der Strafprozessordnung im selben Regelungsbereich Vorrang genießen würde (anders wohl Baden, in: PersR 2002, 432 für § 10 BPersVG). Wie sich aus § 23 Abs. 4 und 5 BDSG ergibt, differenziert der Gesetzgeber zwischen dem Recht "das Zeugnis zu verweigern" und der Verpflichtung, die Verschwiegenheit zu bewahren, auch dort, wo er außerhalb der Strafprozessordnung die Pflichten eines Zeugen gegenüber dem Gericht in den Blick nimmt. Vom Recht, ein Zeugnis zu verweigern, ist in § 8 SBG nicht die Rede.

Dass § 8 SBG Rechte gegenüber dem Gericht nicht im Blick hat, ergibt sich auch aus der für das Soldatenbeteiligungsgesetz in Anspruch genommenen Gesetzgebungskompetenz: Der - von den Verteidigern selbst angeführte - Gesetzentwurf der Bundesregierung nimmt allein die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG ("Angelegenheit der Verteidigung") in Bezug (BTDrucks 11/7323 S. 16). Hätte der Gesetzgeber speziellere Zeugenpflichten bzw. Ausnahmen von den staatsbürgerlichen Pflichten jedes Zeugen (§ 48 Abs. 1 StPO) regeln wollen, hätte es sich dagegen um eine Regelung des gerichtlichen Verfahrens gehandelt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. November 1973 - 2 BvL 42/71 - BVerfGE 36, 193 Leitsatz), deren Kompetenzgrundlage in Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG enthalten ist.

"Dritter" im Sinne des § 8 SBG sind solche Personen, die keine Aufgaben oder Befugnisse nach dem Soldatenbeteiligungsgesetz wahrnehmen (Altvater/Baden/Kröll/Lemcke/Peiseler, a.a.O. § 8 SBG Rn. 3; Gronimus, a.a.O. § 8 SBG Rn. 9). Im Rahmen einer Anhörung der Vertrauensperson nach § 27 SBG ist der Disziplinarvorgesetzte ebenso wenig wie die Einleitungsbehörde Dritter. Da Rechte und Pflichten gegenüber dem Gericht nicht Regelungsgegenstand der Normen des Soldatenbeteiligungsgesetzes sind, kann auch das Gericht nicht "Dritter" im Sinne der Norm sein.

50

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Begriff "Vertrauensperson". Der Begriff bringt zum Ausdruck, dass es sich um Personalvertreter der Gruppe der Soldaten handelt, die ihr Amt einer Wahl verdanken (§ 2 SBG) und deren Aufgabe es ist, die Interessen der Wählergruppe im Rahmen ihrer unterschiedlichen Zuständigkeiten zu vertreten. Diese Wahl ist Ausdruck des Vertrauens, das eine Mehrheit der Gruppenzugehörigen ihren gewählten Vertretern entgegenbringt. Dieses Vertrauen wie auch die Funktion als Interessenvertreter einzelner Gruppen von Soldaten kommt in der Bezeichnung "Vertrauensperson" zum Ausdruck. Da die Interessen des Kameradenkreises der Wählergruppe und des einzelnen Soldaten sich hinsichtlich der Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens unterscheiden können, impliziert der Begriff nicht, dass beschuldigte Soldaten uneingeschränkt auf die Verschwiegenheit der verfahrensbeteiligten Vertrauensperson vertrauen können.

51

Der Hinweis der Verteidiger auf die Funktion der Vertrauensperson überzeugt nicht, weil er die verschiedenartigen Aufgaben der Vertrauensperson nicht angemessen differenziert betrachtet. Insbesondere steht die Rolle der Vertrauensperson im Rahmen des § 31 SBG oder ein Mitbestimmungsrecht nach § 25 SBG gar nicht in Rede. Die Geschäftsführung der Vertrauensperson im Sinne von § 6 SBG wird durch die Zeugenaussage nicht tangiert. Hier geht es allein um ihre Funktion im Rahmen eines Disziplinarverfahrens nach § 27 Abs. 2 SBG, in dem die Vertrauensperson unabhängig agiert. In diesem Verfahren steht die Vertrauensperson nicht auf der Seite des beschuldigten Soldaten. Ihre Stellungnahme soll in die Entscheidung der Einleitungsbehörde einfließen und dieser die "Kameradensicht" auf die Frage nach der Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens vermitteln. Ihre Anhörung gehört grundsätzlich nicht in den Bereich der Ermittlungen zur Sache, sondern dient - sowohl im Interesse des Soldaten als auch zur Objektivierung des Verfahrens (vgl. ZDv 10/2 Nr. 236) - lediglich der Vorbereitung der Ermessensentscheidung der Einleitungsbehörde nach § 15 Abs. 2 WDO, ob die Einleitung eines disziplinargerichtlichen Verfahrens gegen den betroffenen Soldaten opportun ist (Urteil vom 8. Dezember 2010 - BVerwG 2 WD 24.09 - BVerwGE 138, 263 = Buchholz 449.7 § 27 SBG Nr. 4, jeweils Rn. 16 m.w.N.). Der Soldat kann daher nicht darauf vertrauen, dass die Vertrauensperson seine Sicht der Dinge vertritt oder in seinem Interesse gegen die Einleitung spricht. Er muss vielmehr damit rechnen, dass aus der Sicht seiner Kameraden auch unter Berücksichtigung seiner Einlassungen die Einleitung vorgeschlagen oder ihr zumindest nicht entgegengetreten wird. Dann kann er aber auch nicht darauf vertrauen, dass die Vertrauensperson den Inhalt des Gesprächs, der Grundlage ihrer Stellungnahme ist, für sich behält. Er ist insoweit auch deshalb nicht schutzbedürftig, weil es wegen des Widerspruchsrechts allein in seiner Hand liegt, ob die Vertrauensperson überhaupt im Verfahren beteiligt wird.

52

§ 8 SGB gibt kein Recht zum nachträglichen Widerspruch, das einer Zeugenvernehmung entgegenstehen könnte: Nach der Systematik des § 27 Abs. 2 SBG ist dort nur ein Widerspruch gegen die Anhörung der Vertrauensperson vor der Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens ermöglicht. Da der Widerspruch der Verhinderung der Beteiligung der Vertrauensperson vor Einleitung dient, läuft er ins Leere, wenn sowohl die Beteiligung als auch die Einleitungsentscheidung - wie hier - bereits erfolgt sind. Wenn schon die Beteiligung der Vertrauensperson trotz eines Widerspruchs keinen schweren Verfahrensmangel begründet (vgl. Urteil vom 16. Dezember 2010 - BVerwG 2 WD 43.09 - NZWehrr 2012, 122), dann kann dies auch und erst recht nicht für den "nachgeholten" Widerspruch gelten. Anderenfalls hätte es der Soldat in der Hand, das Verfahren gegen ihn selbst nachträglich zu Fall zu bringen, indem er den unterlassenen Widerspruch nachholt. Ein Widerspruchsrecht gegen die Zeugenvernehmung der Vertrauensperson in einer Hauptverhandlung ist in § 8 SBG schon deshalb nicht geregelt, weil es sich nicht um eine Regelung des Prozessrechts handelt.

53

Der Hinweis der Verteidiger auf die Notwendigkeit einer gesetzlichen Grundlage für die Anhörung der Vertrauensperson als Zeuge wegen des damit verbundenen Eingriffs in Grundrechte des Soldaten verkennt, dass diese in § 48 Abs. 1 StPO seit 2009 besteht und auch davor als allgemeine staatsbürgerliche Pflicht anerkannt war. Der Gesetzgeber hat sich mit § 27 Abs. 2 SBG nicht gegen eine Zeugenvernehmung der Vertrauensperson entschieden, da er dort nicht das gerichtliche Verfahren geregelt hat. Dass die Vertrauensperson vor Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens anzuhören ist, sagt gar nichts darüber aus, ob sie nach Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens in einer Hauptverhandlung Zeuge sein kann. Da ein Beweiserhebungs- und -verwertungsverbot die Beweismöglichkeiten zur Erhärtung oder Widerlegung des Verdachtes strafbarer Handlungen einschränkt und so die Findung einer materiell-richtigen Entscheidung beeinträchtigt, stellt es im Übrigen von Verfassungs wegen die begründungsbedürftige Ausnahme dar (BVerfG, Kammerbeschluss vom 15. Oktober 2009 - 2 BvR 2438/08 - NJW 2010, 287 Rn. 7 = BVerfGK 16, 299, jeweils m.w.N.).

54

Der Senat teilt im Übrigen die Befürchtung der Verteidiger nicht, die Vertrauensperson könne ihre Funktion nicht mehr erfüllen, wenn sie als Zeuge vor Gericht über ein Gespräch zur Vorbereitung ihrer Stellungnahme im gerichtlichen Disziplinarverfahren aussagen müsse. Der Gesetzgeber hat durch das Widerspruchsrecht dem betroffenen Soldaten die Entscheidung über die Beteiligung der Vertrauensperson am gerichtlichen Disziplinarverfahren übertragen. Die Folgen einer Nutzung dieses Rechts hat er damit in Kauf genommen, ohne hierin eine Gefährdung der Institution der Vertrauensperson zu sehen. Eine Gefährdung der Institution liegt auch fern, weil die Vertrauensperson umfangreiche und wichtige Aufgaben auch außerhalb des gerichtlichen Disziplinarverfahrens hat.

55

ddd) Ein Beweisverbot folgt auch nicht unmittelbar aus Verfassungsrecht.

56

aaaa) Durch die Beweiserhebung und -verwertung wird auch im Hinblick auf die Eigenart des Beweisthemas nicht unverhältnismäßig in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Soldaten eingegriffen.

57

Greift die Zeugenvernehmung in den grundrechtlich geschützten Bereich der privaten Lebensgestaltung ein, ist der Schutz der Persönlichkeitssphäre unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes mit dem Interesse der Allgemeinheit an der Aufklärung des Beweisgegenstandes abzuwägen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 19. Juli 1972 - 2 BvL 7/71 - BVerfGE 33, 367 <374 f.> und vom 1. Oktober 1987 - 2 BvR 1165/86 - BVerfGE 76, 363 <388> m.w.N. und Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 31. Mai 1988 - 2 BvR 367/88 - NStZ 1988, 418). Allerdings kann eine Begrenzung des Zeugniszwanges nicht schon aus typischen Aspekten des in Rede stehenden Berufsbildes und abstrakten Gefahren für die von den Berufsträgern verfolgten Interessen folgen; vielmehr ist eine am Einzelfall orientierte Abwägung notwendig (BVerfG, Kammerbeschluss vom 31. Mai 1988 - a.a.O.).

58

Hiernach greift zunächst die Berufung auf solche Aspekte, die typischerweise mit der Rolle der Vertrauensperson verbunden sind, nicht durch. Eine nur ausnahmsweise und im Einzelfall nach Güterabwägung mögliche Durchbrechung der Zeugenpflicht kann nicht mit Gesichtspunkten begründet werden, die regelmäßig für jede im Rahmen des § 27 SBG beteiligte Vertrauensperson gelten.

59

Im Einzelfall überwiegt das öffentliche Interesse an der Verfolgung der legitimen Ziele des Disziplinarverfahrens: Der absolut unantastbare Bereich privater Lebensgestaltung ist schon deshalb nicht betroffen, weil dieser zwangsläufig verlassen wird, wenn der Einzelne sich einem anderen freiwillig mitteilt (BVerfG, Beschluss vom 19. Juli 1972 a.a.O. S. 377). Wie weiter unten im Einzelnen dargelegt, gewährleistet das Widerspruchsrecht nach § 27 Abs. 2 SBG die Freiwilligkeit der Entscheidung des Soldaten für ein Gespräch mit der Vertrauensperson. Um ein Bagatelldelikt handelt es sich nicht, weil ein gewichtiges Dienstvergehen in Rede steht, das angemessen in der Regel mindestens mit einem Beförderungsverbot geahndet wird. Dass das sachgleiche Strafverfahren durch eine Einstellung nach § 153 Abs. 2 StPO beendet wurde, sagt wegen der unterschiedlichen Zwecke von Straf- und Disziplinarverfahren nichts über das Gewicht der Dienstpflichtverletzung aus. Andere Aufklärungsmöglichkeiten als den Rückgriff auf ein Geständnis sind hier nicht mehr vorhanden; die Möglichkeiten des Zeugenbeweises über Tatzeugen sind ausgeschöpft, ohne zu eindeutigen Feststellungen zu führen. Die aufzuklärende Frage betrifft den Kern der Schuldfrage und die Grundlage der Bemessungsentscheidung, ist also für den Ausgang des Verfahrens von essenzieller Bedeutung. Der durch die Vernehmung der Vertrauensperson bewirkte Eingriff in die Privatsphäre ist von geringer Intensität, weil er in nichtöffentlicher Sitzung erfolgt.

60

bbbb) Durch die Beweiserhebung und -verwertung wird auch nicht unverhältnismäßig in das Grundrecht auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren eingegriffen. Die Aufforderung, das Gespräch mit der Vertrauensperson zu suchen, und der Rat, mit dieser zu sprechen, überschreiten rechtsstaatliche Grenzen nicht.

61

Unerheblich ist, ob der Zeuge Major N. der Vertrauensperson einen Befehl erteilt hat, das Gespräch mit dem Soldaten zu suchen. Denn durch einen Befehl gegenüber der Vertrauensperson wird nicht auf die Willensfreiheit des Soldaten, mit der Vertrauensperson zu sprechen oder nicht, eingewirkt.

62

Der Zeuge Oberleutnant R. hat eingeräumt, dass er sowohl die Vertrauensperson als auch den Soldaten aufgefordert hatte, das Gespräch zu suchen, nachdem ein Widerspruch gegen die Beteiligung der Vertrauensperson nicht erklärt worden war. Er hat dem Soldaten erläutert, dass dieses Gespräch in seinem Interesse liegt, weil er so die Vertrauensperson dazu bewegen kann, sich in seinem Sinne zu äußern.

63

(1) Durch die Äußerungen von Oberleutnant R. wurde kein Schweigerecht unterlaufen und ein hiervon Gebrauch machender Soldat nicht unter Ausnutzung eines Vertrauensverhältnisses zu einer geständigen Einlassung verleitet (BGH, Urteil vom 26. Juli 2007 - 3 StR 104/07 - BGHSt 52, 11 Rn. 34 f. = juris LS und Rn. 34 f.). Vielmehr sind die entsprechenden Äußerungen der Vernehmungspersonen erfolgt, nachdem sich der Soldat im Ermittlungsverfahren bereits mehrfach umfangreich geständig eingelassen hatte und bevor sein Verteidiger einer Verwertung dieser Geständnisse unter Hinweis auf rechtliche Bedenken widersprach. Für die Vernehmungspersonen bestand mithin kein Anlass, an der Verwertbarkeit des vorliegenden Geständnisses zu zweifeln und ein zusätzliches Beweismittel zu schaffen.

64

(2) Auch bei einer Gesamtbetrachtung der konkreten Situation des Soldaten liegt keine rechtsstaatlich bedenkliche Einflussnahme auf die Willensfreiheit des Soldaten, sich der Vertrauensperson gegenüber zu offenbaren, vor (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 2009 - 1 StR 701/08 - BGHSt 53, 294 Rn. 39). Denn der Gegenstand des Gesprächs war offen auf die Einbringung in das Verfahren hin angelegt und der Soldat konnte sich frei entscheiden, ob er mit der Vertrauensperson sprechen wollte oder nicht.

65

Das Prozessrecht muss auch aus übergeordneten rechtsstaatlichen Gründen einem Beschuldigten nicht das allgemeine Risiko abnehmen, aufgrund von Angaben überführt zu werden, die er einem anderen im Vertrauen auf dessen Verschwiegenheit gemacht hat (vgl. BGH, Großer Senat für Strafsachen, Beschluss vom 13. Mai 1996 - GSSt 1/96 - BGHSt 42, 139 <156> = juris Rn. 54). Dies gilt hier umso mehr, als die Beteiligung der Vertrauensperson im Rahmen des § 27 Abs. 2 SBG erfolgte. Damit diente das Gespräch zwischen dem Soldaten und der Vertrauensperson der Vorbereitung der Stellungnahme der Vertrauensperson gegenüber der Einleitungsbehörde. Es war deshalb auf die Einbringung in das Verfahren hin angelegt. Es gab daher für den Soldaten keinen Grund, darauf zu vertrauen, der Inhalt des Gesprächs könnte vertraulich bleiben. Es wurde auch kein entsprechender Anschein erweckt. Hierüber ist der Soldat nicht getäuscht oder falsch informiert worden.

66

Er ist mehrfach nach einem Widerspruch gegen die Beteiligung der Vertrauensperson gefragt worden und wusste deshalb um dieses Recht, das die Freiwilligkeit seines Gesprächs mit der Vertrauensperson sichert und es von den Vernehmungen zur Sache im Rahmen des Ermittlungsverfahrens unterscheidet, denen sich der Soldat nicht entziehen kann. Weder die Empfehlung, mit der Vertrauensperson zu reden, noch eine unterbliebene Belehrung schließen die Freiwilligkeit dieser Entscheidung hier aus:

67

Macht ein Soldat von seinem Widerspruchsrecht keinen Gebrauch, entspricht die Empfehlung, das Gespräch mit der Vertrauensperson zu suchen, seinen wohlverstandenen Interessen. Denn auf diese Weise erhält der Soldat die Gelegenheit, seinerseits Einfluss auf die Stellungnahme der Vertrauensperson zu nehmen, die er durch das Unterlassen des Widerspruchs ermöglicht hat. Was er dieser mitteilt, bleibt ihm überlassen. Er kann ihr sowohl Informationen zum Sachverhalt geben, als auch auf für ihn sprechende persönliche Umstände hinweisen. Eine rechtsstaatlich nicht hinnehmbare Einflussnahme auf die Entschließungsfreiheit des Soldaten liegt in einer Wahrnehmung der Fürsorgepflicht des Vorgesetzten durch einen zutreffenden Hinweis nicht.

68

Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass der Soldat vor dem Gespräch mit der Vertrauensperson im Ermittlungsverfahren bereits gestanden hatte, ohne über sein Recht auf Verteidigerkonsultation belehrt worden zu sein:

69

Zwar mag es rechtsstaatlich geboten sein, im Rahmen einer Beschuldigtenvernehmung durch eine qualifizierte Belehrung zu verhindern, dass ein Beschuldigter auf ein Aussageverweigerungsrecht nur deshalb verzichtet, weil er möglicherweise glaubt, eine frühere unter Verstoß gegen die Belehrungspflicht zustande gekommene Selbstbelastung nicht mehr aus der Welt schaffen zu können (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2008 - 4 StR 455/08 - BGHSt 53, 112 Rn. 13). Hiernach kann im Einzelfall nach einer Abwägung der beteiligten Interessen ein Verwertungsverbot aus dem Unterbleiben einer qualifizierten Belehrung folgen.

70

Ein angemessener Ausgleich der kollidierenden Interessen des Soldaten an der Wahrung seiner Verfahrensrechte und des Dienstherrn an einer effektiven Verfolgung der Zwecke des Disziplinarverfahrens verlangt hier aber auch unter Berücksichtigung der erst nachfolgenden Belehrung über das Recht auf Verteidigerkonsultation nicht nach einem Verwertungsverbot.

Das Gespräch mit der Vertrauensperson ist keine Vernehmung, in der die Vertrauensperson dem Soldaten mit einem amtlichen Auskunftsverlangen entgegentritt. Das Gespräch ist nicht Teil des Ermittlungsverfahrens, in das Vernehmungen eingebunden sind. Die Anhörung der Vertrauensperson gehört nicht in den Bereich der Ermittlungen zur Sache, sondern dient der Vorbereitung der Ermessensentscheidung der Einleitungsbehörde (Urteil vom 8. Dezember 2010 - BVerwG 2 WD 24.09 - BVerwGE 138, 263 = Buchholz 449.7 § 27 SBG Nr. 4, jeweils Rn. 16; Beschluss vom 31. August 1998 - BVerwG 2 WDB 1.98 - BVerwGE 113, 259 <260> = Buchholz 235.0 § 86 WDO Nr. 2 = juris Rn. 3 jeweils m.w.N.). Daher gehören die Aufklärungsbemühungen der Vertrauensperson zur Vorbereitung ihrer Stellungnahme erst recht nicht zu den Ermittlungen zur Sache.

Weder § 4 WDO noch § 27 SBG verpflichten die Vertrauensperson zu Belehrungen über Aussageverweigerungsrechte oder über das Recht auf Verteidigerkonsultation. Weder das Soldatenbeteiligungsgesetz noch die Wehrdisziplinarordnung verpflichten den Disziplinarvorgesetzten, den Soldaten darüber zu belehren, in welchem Umfang die Vertrauensperson Zeuge im gerichtlichen Disziplinarverfahren sein kann. Etwas anderes folgt entgegen der Einschätzung der Verteidiger auch nicht aus § 19 SBG. Denn diese Vorschrift betrifft nicht die Pflicht zur Belehrung über die Verwertbarkeit von Zeugenaussagen der Vertrauenspersonen oder Schweige- und Verteidigungsrechte. Es handelt sich vielmehr um eine Unterrichtungspflicht des Disziplinarvorgesetzten, der die Wählergruppe - vorrangig in der Grundausbildung - über die Einrichtung der Vertrauensperson, ihre Rechte und Pflichten und Einflussmöglichkeiten informieren, so den Kontakt zwischen Vertrauensperson und Wählergruppe herstellen und die Erreichbarkeit der Vertrauensperson sichern soll (Gronimus, a.a.O. § 19 SBG Rn. 8 f.). Dass diese Pflicht als Teil der Grundausbildung des Soldaten hier erfüllt wurde, tragen die Verteidiger selbst vor. Das Fehlen von Belehrungspflichten vor dem Gespräch des Soldaten mit der Vertrauensperson ist systemgerecht, weil der Soldat in dem Gespräch nicht mit einem "amtlichen Auskunftsverlangen" konfrontiert wird, das die Gefahr der irrigen Annahme eines Aussagezwanges begründen könnte und deshalb des "Gegengewichts" einer Belehrung bedürfte. Gegengewicht einer fortwirkenden psychologischen Zwangslage wäre die qualifizierte Belehrung, die ein Verwertungsverbot dann ausschließen würde. Es wäre allerdings wertungswidersprüchlich, eine qualifizierte Belehrung zu verlangen, wo der Gesetzgeber noch nicht einmal eine einfache verlangt.

Zudem kann sich der Soldat dem Gespräch mit der Vertrauensperson nach freiem Belieben entziehen. Er kann der Beteiligung der Vertrauensperson nach § 27 Abs. 2 SBG widersprechen. Er kann die Zustimmung zur Akteneinsicht durch die Vertrauensperson nach § 27 Abs. 3 Satz 2 SBG verweigern. Für Beides muss er keine Gründe angeben. Der Soldat ist hier viermal nach dem Widerspruch und einer Zustimmung zur Akteneinsicht durch die Vertrauensperson gefragt worden, wusste also um diese Rechte. Er kann trotz des Einverständnisses mit der Beteiligung der Vertrauensperson und der Akteneinsicht das persönliche Gespräch mit der Vertrauensperson verweigern und sich so subjektiv empfundenem, psychologischem Druck entziehen. Die Vertrauensperson hat nach dem Soldatenbeteiligungsgesetz oder der Wehrdisziplinarordnung kein Recht, von ihm Auskunft zu verlangen. Sie kann ihn nicht zum Gespräch vorladen oder befehlen. Damit unterliegt der Soldat nicht dem Eindruck eines "amtlichen Auskunftsverlangens". Vielmehr macht er von einer Möglichkeit Gebrauch, den Gang des Verfahrens beeinflussen zu können. Diese, die Freiwilligkeit des Gesprächs mit der Vertrauensperson sichernden Rechte des Soldaten unterbrechen auch eine Fortwirkung des "psychologischen Zwanges" vorher abgelegter Geständnisse; sie schließen die Vergleichbarkeit der fraglichen Gesprächssituation mit einer Vernehmung aus. Durch die Widerspruchsmöglichkeit und das Fehlen von Möglichkeiten der Vertrauensperson, den persönlichen Kontakt mit dem Soldaten zwangsweise durchzusetzen, ist den Rechten des Soldaten auf eine freie Entscheidung über "ob" und Inhalt des Gesprächs mit der Vertrauensperson angemessen Rechnung getragen, ohne dass es eines Beweisverwertungsverbotes bedürfte.

71

Vor diesem Hintergrund liegt die Annahme der Verteidiger, der Soldat würde seine Eigenschaft als Verfahrenssubjekt und damit seine Menschenwürde verlieren, wenn die Vertrauensperson als Zeuge vernommen würde, fern. Die Beteiligung der Vertrauensperson ist erfolgt, weil der Soldat sich als eigenständiges Verfahrenssubjekt freiwillig gegen den Widerspruch entschieden hat. Das Gespräch mit ihr hat er wahrgenommen, weil er sich als Verfahrenssubjekt entschieden hat, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen, ihre Stellungnahme in seinem Sinne zu beeinflussen.

72

Selbst wenn man im Lichte des "nemo-tenetur-Grundsatzes" Bedenken gegen die Aufforderung hätte, sich an die Vertrauensperson zu wenden, würden diese das öffentliche Interesse an einer effektiven Verfolgung der Zwecke des Disziplinarverfahrens nicht überwiegen. Denn wie ausgeführt steht ein gewichtiges Dienstvergehen in Rede, für das Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen mindestens ein Beförderungsverbot ist. Weitere Ermittlungsmöglichkeiten etwa durch Tatzeugen oder eine körperliche Untersuchung scheiden aus. Die Aufklärung betrifft unmittelbar die Schuldfrage und hat damit entscheidende Bedeutung für die Verwirklichung materieller Gerechtigkeit und die Erreichung der Ziele des Disziplinarverfahrens. Dem Interesse des Soldaten wird auch dadurch Rechnung getragen, dass die Angaben gegenüber der Vertrauensperson nicht für sich genommen, sondern nur im Kontext mit weiteren Beweismitteln für die Überzeugungsbildung des Senats entscheidend sind.

73

eee) Ebenso wenig folgt ein Beweisverbot aus Art. 6 EMRK, der im Range eines Bundesgesetzes Teil der deutschen Rechtsordnung ist und bei der Interpretation des nationalen Rechts - auch der Grundrechte und rechtsstaatlichen Garantien - zu berücksichtigen ist (BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 2004 - 2 BvR 1481/04 - BVerfGE 111, 307 <315 f.> = juris Rn. 30).

74

Es kann dahinstehen, ob das gerichtliche Disziplinarverfahren die Entscheidung über eine strafrechtliche Anklage darstellt oder ob die insofern geltenden Garantien entsprechende Anwendung finden, wenn man Disziplinarverfahren an Art. 6 EMRK in seinen zivilrechtlichen Aspekten misst. Denn die Garantien des fair-trial-Grundsatzes sind durch eine Verwertung des Geständnisses im Gespräch mit der Vertrauensperson in keiner seiner Ausprägungen verletzt.

75

Der fair-trial-Grundsatz aus Art. 6 EMRK legt grundsätzlich keine Regeln über die Zulassung von Beweismitteln fest, die in erster Linie durch das nationale Recht zu regeln sind; er verlangt aber, dass das Verfahren als Ganzes einschließlich der Erlangung der Beweismittel fair gewesen ist (EGMR, Urteile vom 5. November 2002 - 48539/99 (Allan/UK) - JR 2004, 127 Rn. 42, vom 21. Januar 2009 - 4378/02 (Bykov/Russland) - JR 2009, 514 Rn. 88, 89 und vom 14. Januar 2010 - 29889/04 (Vanjak/Kroatien) - Rn. 57).

76

Zentrale Bedeutung kommt hiernach der Freiwilligkeit verwerteter Geständnisse zu. Die Selbstbelastungsfreiheit bzw. das Schweigerecht als Garantien im Kernbereich des fairen Verfahrens zielen darauf ab, den Beschuldigten gegen unzulässigen Zwang der Behörden zu schützen, und tragen so dazu bei, Fehlurteile zu vermeiden und die Ziele des Art. 6 EMRK zu sichern. Das Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen, ist in erster Linie darauf gerichtet, den Willen der beschuldigten Person zu schützen, die zur Beschuldigung schweigen will, und es erfordert, dass die Behörden im Strafverfahren die Beschuldigung beweisen, ohne auf Beweise zurückzugreifen, die durch Methoden des Zwangs oder des Drucks unter Missachtung des Willens des Beschuldigten erlangt worden sind. Bei der Prüfung, ob in einem Prozess der Wesensgehalt der Selbstbelastungsfreiheit verletzt worden sei, sind die Art und das Ausmaß des Zwangs, alle vorhandenen prozessualen Schutzvorkehrungen und die Verwendung jedes derart erlangten Materials zu untersuchen (EGMR, Urteile vom 5. November 2002 a.a.O. Rn. 44 und vom 21. Januar 2009 a.a.O. Rn. 92).

77

Hiernach steht die Freiwilligkeit des Geständnisses im Gespräch mit der Vertrauensperson nicht in Zweifel. Hier wurde kein in einer Vernehmung genutztes Schweigerecht dadurch unterlaufen, dass dem Beschuldigten Geständnisse oder belastende Äußerungen durch eine Täuschung für die Verwendung als Beweismittel im Prozess entlockt wurden (vgl. EGMR, Urteil vom 5. November 2002 a.a.O. Rn. 50-52). Zwang oder Druck wurden auf den Soldaten nicht ausgeübt, sich im Gespräch mit der Vertrauensperson zu offenbaren (EGMR, Urteil vom 21. Januar 2009 a.a.O. Rn. 102). Wie oben ausgeführt, war der Soldat nicht verpflichtet, mit der Vertrauensperson zu sprechen. Er konnte ihre Beteiligung durch einen - keine Begründung erfordernden - Widerspruch nach freiem Belieben ausschließen und war nicht verpflichtet, sich zu einem Gespräch mit ihr einzufinden. Er musste sich daher auch nicht wegen eines psychologischen Druckes, sich an den prozessordnungswidrig erlangten Geständnissen festhalten lassen zu müssen, im Gespräch mit ihr unter Druck fühlen. Er wurde auch nicht darüber getäuscht, dass das Gespräch im Zusammenhang mit dem Disziplinarverfahren auf der Grundlage des § 27 Abs. 2 SBG erfolgte und daher musste er auch damit rechnen, dass Einzelheiten des Gesprächs Gegenstand der Stellungnahme wurden, die mittels Niederschrift Teil der Verfahrensakten werden würde (§ 27 Abs. 4 SBG). Nichts spricht für eine Veranlassung des Geständnisses durch ein dem Staat zurechenbares Verhalten, das den Soldaten in eine vom üblichen Verfahren abweichende "Versuchungssituation", sich seiner Schweigerechte zu begeben, brachte. Die Widerspruchsmöglichkeit und der erfolgte Hinweis auf sie schließen aus, das Gespräch als Vernehmungsäquivalent zu werten.

78

Bei der im Lichte des Art. 6 EMRK erforderlichen Gesamtbetrachtung des Verfahrens ist auch zu berücksichtigen, dass das nationale Recht - wie ausgeführt - durch Verwertungsverbote bezüglich zweier im Rahmen von Vernehmungen abgelegter Geständnisse dem Schutz der Selbstbelastungsfreiheit des Soldaten sehr weitgehend Rechnung trägt. Die Verteidiger hatten schriftsätzlich und in der Berufungshauptverhandlung Gelegenheit, Bedenken gegen die Verwertung des Geständnisses im Gespräch mit der Vertrauensperson durch den Senat prüfen zu lassen, und sie konnten im Rahmen der Berufungshauptverhandlung der Vertrauensperson Fragen stellen und auf Bedenken gegen die Glaubhaftigkeit ihrer Äußerungen hinweisen. Von hoher Bedeutung ist weiter der Umstand, dass das Geständnis gegenüber der Vertrauensperson nicht das einzige Beweismittel zum Nachweis der Schuld des Soldaten ist. Vielmehr steht dieses in Zusammenhang mit den Äußerungen der Zeugin E. und dem Ergebnis des durchgeführten Urintests. Die verwertbaren Beweismittel deuten alle in dieselbe Richtung und stützen sich gegenseitig.

79

dd) Verwertbar sind auch das Testergebnis und die Angaben der Zeugin E..

80

Der Drogenschnelltest ist verwertbar, weil er auf der Grundlage eines Einverständnisses des Soldaten durchgeführt wurde und damit zulässig war.

81

Die Angaben der Zeugin E. sind verwertbar, obwohl sie die Aussagen der Verlobten des Soldaten wiedergibt, die von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht nach § 91 Abs. 1 WDO i.V.m. § 52 Abs. 1 Nr. 1 StPO Gebrauch macht. § 91 Abs. 1 WDO i.V.m. § 252 StPO steht nicht entgegen. Von § 252 StPO werden Äußerungen, die ein Zeuge vor oder außerhalb der Vernehmung aus freien Stücken getan hat, nicht erfasst (Meyer-Goßner, StPO, 55. Auflage 2012, § 252 Rn. 8 m.w.N.). Das gilt auch für Äußerungen gegenüber anderen Zeugen (Meyer-Goßner, a.a.O. Rn. 9 m.w.N.). Da zum Schutz des fairen Verfahrens auch der Schutz des Angehörigenverhältnisses durch § 52 StPO gehört, wäre allerdings eine Grenze erreicht, wenn der Staat dieses Zeugnisverweigerungsrecht bewusst umgeht und eine Vertrauensperson auf die Verlobte ansetzt (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 15. Oktober 2009 - 2 BvR 2438/08 - NJW 2010, 287 Rn. 10 = BVerfGK 16, 299). Hierfür spricht vorliegend aber nichts.

82

b) aa) Nach § 261 StPO hat das Gericht über das Ergebnis der Beweisaufnahme nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung zu entscheiden. Dabei kommt es allein darauf an, ob der Tatrichter die persönliche Überzeugung von einem bestimmten Sachverhalt erlangt hat oder nicht. Das Gericht muss von der persönlichen Schuld des Angeschuldigten überzeugt sein. Der Begriff der Überzeugung schließt allerdings die Möglichkeit eines anderen, auch gegenteiligen Geschehensablaufs nicht aus; denn im Bereich der vom Tatrichter zu würdigenden Tatsachen ist der menschlichen Erkenntnis ein absolut sicheres Wissen über den Tathergang, demgegenüber andere Möglichkeiten seines Ablaufs unter allen Umständen ausscheiden müssten, verschlossen. Nach der gesetzlichen Regelung ist es allein Aufgabe des Tatrichters, ohne Bindung an feste gesetzliche Beweisregeln und nur nach seinem Gewissen verantwortlich zu prüfen und zu entscheiden, ob er die an sich möglichen Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt überzeugen kann oder nicht. Die für die Überführung eines Angeschuldigten erforderliche persönliche Gewissheit des Tatrichters erfordert ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, demgegenüber vernünftige Zweifel nicht mehr aufkommen.

83

Zwar ist zur Überführung des Angeschuldigten demzufolge keine mathematische Gewissheit erforderlich. Der Beweis muss jedoch mit lückenlosen, nachvollziehbaren logischen Argumenten geführt sein. Die Beweiswürdigung muss auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsichtigen Tatsachengrundlage beruhen und erschöpfend sein. Der Tatrichter ist gehalten, sich mit den von ihm festgestellten Tatsachen unter allen für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkten auseinanderzusetzen, wenn sie geeignet sind, das Beweisergebnis zu beeinflussen, sowie diese Tatsachen und deren Würdigung in den Urteilsgründen darzulegen. Allein damit wird die Unschuldsvermutung widerlegt. Hängt die Entscheidung bei gegensätzlichen Aussagen des Angeschuldigten und von Zeugen allein davon ab, welchen Angaben das Gericht glaubt, dann müssen, damit es nicht zu einer Verurteilung aufgrund einer subjektiven Fehlbeurteilung der Zeugenaussagen kommt, alle Umstände, denen eine indizielle Bedeutung für die Schuld oder Unschuld des Angeschuldigten zukommen kann, in die Beweiswürdigung eingestellt werden (vgl. Urteile vom 3. Juli 2003 - BVerwG 1 WD 3.03 - Buchholz 235.01 § 91 WDO 2002 Nr. 1 = juris Rn. 4, vom 19. Juli 2006 - BVerwG 2 WD 13.05 - Buchholz 450.2 § 58 WDO 2002 Nr. 2 Rn. 41 und vom 12. Mai 2011 - BVerwG 2 WD 9.10 - juris Rn. 20, 21):

84

bb) Die hiernach erforderliche Überzeugungsgewissheit hat der Senat durch die geständigen Einlassungen des Soldaten im Gespräch mit der Vertrauensperson, das Ergebnis des durch die Zeugin S. ausgewerteten Drogenschnelltests und die Angaben der Zeugin E. über die Aussagen der Verlobten des Soldaten zu dessen Drogenkonsum gewonnen. Diese drei Erkenntnismittel ergänzen und bestätigen sich wechselseitig und geben so in ihrem Zusammenspiel ein klares Bild, auf dessen Grundlage der Senat keine Zweifel daran hat, dass die Vorwürfe der Anschuldigungsschrift zum Drogenkonsum des Soldaten der Wahrheit entsprechen.

85

Der Zeuge K. hat berichtet, dass der Soldat im Gespräch mit ihm über den Vorwurf des Drogenkonsums eingeräumt habe, "mal was genommen zu haben"; er habe den Fehler aber eingesehen. Er habe zu den Umständen des Fehlverhaltens private Probleme erwähnt und die Bewältigung von Erlebnissen des einige Zeit zurückliegenden Auslandseinsatzes. Er habe viele Sachen nach dem Einsatz dadurch besser verarbeiten können. Er, der Zeuge, habe aber nicht nachgefragt, wie oft der Soldat welche Drogen konsumiert habe. Er könne sich nicht erinnern, ob der Soldat die Art des konsumierten Rauschmittels erwähnt habe. Der Soldat habe auch nichts dazu gesagt, wie er die Rauschmittel besorgt habe. Der Soldat habe angegeben, zu den Ermittlungen sei es gekommen, nachdem ihn "jemand aus dem Bekanntenkreis verpfiffen" habe.

86

Der Senat glaubt dem Zeugen, dass er diese Angaben aus dem eigenen Erinnern seines Gesprächs mit dem Soldaten getätigt hat und dass er nicht wiedergegeben hat, was er durch die Vernehmungsperson zur Vorbereitung seiner Stellungnahme über den Sachverhalt erfahren hat. Der Senat entnimmt diesen Angaben zunächst, dass es zeitlich im Anschluss an den im Juni 2002 beendeten Auslandseinsatz des Soldaten zu dem Drogenkonsum gekommen ist. Er schließt aus diesen Angaben auch auf einen Dauerkonsum, da der Soldat hiernach angegeben hatte, nicht nur zur Bewältigung der Erlebnisse des Einsatzes, sondern auch wegen privater Probleme zu Drogen gegriffen zu haben, so dass von einem nur punktuellen Fehlverhalten nicht die Rede sein kann. Über die Frequenz des Dauerkonsums, die Art und Menge des konsumierten Rauschmittels und das Ende des Konsumzeitraums ist diesen geständigen Einlassungen allerdings nichts Genaueres zu entnehmen.

87

Wegen der Art des konsumierten Rauschgiftes und des Endes des Konsumzeitraums gewinnt der Drogenschnelltest allerdings ergänzende Bedeutung. Zwar hat die Zeugin S. in ihrer in der Berufungshauptverhandlung verlesenen Erläuterung des Tests vor dem Truppendienstgericht auf die Möglichkeit hingewiesen, dass der Test positiv sein kann, wenn man durch einen Raum geht, in dem andere Personen Joints geraucht haben. Das gegenüber dem Zeugen K. abgegebene Geständnis des eigenen Konsums von Drogen und die - nachfolgend zu erörternden - Angaben der Zeugin E. überzeugen den Senat allerdings davon, dass sich vorliegend nicht diese Möglichkeit realisiert hat, sondern dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein eigener Konsum von Cannabisprodukten durch den Soldaten Grund des positiven Testergebnisses war. Der Senat schließt aus diesem Test zunächst auf die Art der konsumierten Drogen - nämlich Cannabisprodukte - und auf das Ende des Konsumzeitraums, da durch den Test belegt wurde, dass kurz vor dem 20. März 2009 noch Cannabis konsumiert worden ist. Dass der Test zuverlässig ist, hat die Zeugin S. glaubhaft erläutert. Sie hat allerdings auch dargelegt, dass er insbesondere über die Menge des konsumierten Rauschmittels keine Schlüsse zulässt. Daher geht der Senat zugunsten des Soldaten davon aus, dass generell nur geringe Mengen konsumiert wurden, die in jedem einzelnen in Rede stehenden Konsumfall noch in den Bereich des § 29 Abs. 5 BTMG fielen, in dem von einer strafrechtlichen Sanktion abgesehen werden kann.

88

Der Senat glaubt der Zeugin E., dass die Verlobte des Soldaten ihr von dessen Drogenkonsum berichtet hat und entnimmt ihren Angaben, dass zumindest auch ein Konsum von Cannabisprodukten in Rede stand und dass es sich um einen Dauerkonsum gehandelt hat. Denn die Zeugin hat von mehreren Wegen der Beschaffung von Drogen und von Manipulationen von Drogentests berichtet, was auf eine Dauerhaftigkeit des Fehlverhaltens hindeutet.

89

Die Angaben der Zeugin sind glaubhaft, weil sie in sich stimmig, detailliert und nachvollziehbar geschildert sowie in ihren wesentlichen Kernelementen widerspruchsfrei sind und weil sie in den Angaben der Zeugen B. und L. eine Bestätigung erfahren.

Bestätigt werden die Angaben der Zeugin zum einen dadurch, dass der Zeuge B. glaubhaft angab, die Zeugin E. habe ihm noch am selben Abend von dem durch die Verlobte berichteten Drogenkonsum des Soldaten erzählt. Da er infolge dieses Gesprächs gemeinsam mit der Zeugin die sich aus der Meldepflicht ergebenden Probleme lösen musste, ist nachvollziehbar, dass er sich hieran erinnert. Durch die Aussage des Zeugen L. erfahren die Angaben der Zeugin ebenfalls Bestätigung, weil er angibt, über den Zeugen B. schon kurz nach dem von der Zeugin E. berichteten Gespräch von seinem Inhalt erfahren zu haben. Die Angaben der Zeugen B. und L. erweisen im Übrigen, dass die Zeugin E. ohne Belastungseifer gehandelt hat und nicht von sich aus sofort selbst Meldung gemacht hat. Diese Zurückhaltung macht ihre Angaben zu ihrem inneren Konflikt plausibel und erhöht ihre Glaubwürdigkeit. Dass es unterschiedliche Darstellungen dazu gab, wie oft der Zeuge B. den Zeugen L. wegen der Klärung des weiteren Vorgehens getroffen hatte, spricht nicht gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben. Denn es handelt sich hier um eine Randfrage, die angesichts des Zeitablaufes den Zeugen nachvollziehbar nicht mehr notwendig in Erinnerung sein muss.

Soweit die Zeugin in ihren unterschiedlichen Vernehmungen unterschiedliche Angaben zur Art der nach Angaben der Verlobten konsumierten Drogen gemacht hat, können diese ohne weiteres durch die im Laufe der Zeit nachlassende Erinnerung erklärt werden. Für die Zeugin stand im Mittelpunkt erfahren zu haben, dass ein Soldat Drogen konsumiert und sie damit in den Konflikt zwischen der Loyalität zu Freunden und ihren Meldepflichten geriet. Die Art der Drogen war für die Entstehung dieses Konfliktes irrelevant, so dass nachvollziehbar ist, dass sie - gerade wenn die Verlobte von einer Vielzahl von Rauschmitteln berichtete - sich nicht im Einzelnen gemerkt hat, um welche genau es sich gehandelt haben soll. Gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben spricht auch nicht, dass die Zeugin E. und der Zeuge B. unterschiedliche Angaben über die Dauer des Gesprächs zwischen der Zeugin und der Verlobten machten. Denn wie der Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwaltes zu Recht anmerkte, ist die Wahrnehmung von Zeit subjektiv. Es handelt sich im Übrigen ersichtlich um grob geschätzte Angaben und der Vorgang liegt mehrere Jahre zurück, so dass eine nachlassende Erinnerung in dem für die Zeugen unerheblichen Detail der Dauer des nur seinem Inhalt nach wichtigen Gesprächs nicht ungewöhnlich ist.

Gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugin E. spricht nicht der durch den Zeugen Sch. gegen sie erhobene Vorwurf einer Dienstgradanmaßung. Ob dieser Vorwurf, zu dem gegensätzliche Angaben der Zeugen vorliegen, der Wahrheit entspricht, kann dahinstehen. Selbst wenn der Vorwurf zutreffen sollte, würde dies die Glaubwürdigkeit der Zeugin nicht durchgreifend beschädigen. Aus einer unwahren Angabe in einem ganz anderen Zusammenhang ist angesichts der zahlreichen für die Glaubhaftigkeit der Angaben sprechenden Aspekte noch nicht zwingend abzuleiten, dass die Zeugin auch in Bezug auf das Gespräch mit der Verlobten des Soldaten unwahre Angaben machen würde. Unerheblich ist auch, ob die Zeugin jemals ohne Erfolg ein Darlehen vom Zeugen Sch. erbeten hatte. Dass sie sich dafür durch unwahre Angaben über den Soldaten "revanchieren" könnte, liegt fern. Die Glaubwürdigkeit der Zeugin E. wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass sie von ihrem Recht aus § 91 Abs. 1 WDO i.V.m. § 68b Abs. 1 Satz 1 StPO Gebrauch macht. Gegen ihre Angaben spricht auch nicht, dass die Vorwürfe gegen die Zeugen Sch. und Kö. nicht erwiesen werden konnten. Denn die Zeugin gibt - was sie immer deutlich gemacht hat - nur wieder, was sie von der Verlobten des Soldaten erfahren hat. Dass diese zutreffend über die Gewohnheiten ihres Verlobten berichtet, wird nicht dadurch in Zweifel gezogen, dass sie nicht zutreffend über Handlungen von ihr ferner stehenden Dritten berichten kann. Hinzu kommt, dass die Angaben der Verlobten durch den positiven Drogentest und die geständigen Einlassungen des Soldaten gegenüber der Vertrauensperson Plausibilität erlangen, so dass der Senat keine Zweifel daran hat, dass sie in ihrem Kern - dem Bericht von einem Dauerkonsum von Cannabisprodukten in geringem Umfang - auf der Wahrheit beruhen. Dass die Verlobte sich gerade wegen ihrer Erregung über einen Streit mit dem Soldaten und dessen Eltern bei einer Bekannten hierüber beschwert hat, indiziert nicht, dass sie wegen ihrer Erregung auch gelogen hat.

90

Da für die Überzeugungsgewissheit des Senats das Ineinandergreifen mehrerer Beweismittel eine entscheidende Rolle spielt, ist nicht mit gleicher Gewissheit und damit nicht mehr mit hinreichender Sicherheit davon auszugehen, dass auch der den Erwerb von Rauschmitteln am Bahnhof Zoo in Berlin betreffende Teil der Anschuldigungsschrift erwiesen ist. Insoweit macht nämlich nur die Zeugin E. Angaben. Der Drogenschnelltest trifft hierüber keinerlei Aussage und auch der Zeuge K. konnte sich an hierauf bezogene, geständige Einlassungen des Soldaten nicht erinnern. Damit ist der Soldat insoweit im Zweifel freizustellen, ohne dass dies allerdings wegen des Grundsatzes der Einheit des Dienstvergehens eines Ausspruchs im Tenor bedarf.

91

2. Durch das festgestellte Verhalten hat der Soldat seine Dienstpflichten aus § 7 und § 17 Abs. 2 Satz 2 SG verletzt und damit vorsätzlich ein Dienstvergehen nach § 23 Abs. 1 SG begangen.

92

Der Konsum von Cannabisprodukten selbst in geringsten Mengen stellt eine Verletzung der Kernpflicht zum treuen Dienen dar (Urteile vom 13. Dezember 1990 - BVerwG 2 WD 25.90 - BVerwGE 93, 3 <6> und vom 10. August 1994 - BVerwG 2 WD 24.94 - BVerwGE 103, 148 <152> m.w.N.). Denn die Einsatzbereitschaft des Soldaten wird auf jeden Fall in Frage gestellt, und zwar nicht nur während der Wirkung des einzelnen Rausches, da ein Soldat auch außerhalb der Dienststunden jederzeit mit seinem Einsatz rechnen muss, sondern auch deshalb, weil der Konsum der Cannabis-Droge wegen seiner nicht vorhersehbaren und damit nicht berechenbaren Auswirkungen anders und schwerer zu bewerten ist als beispielsweise ein Rausch, der auf den übermäßigen Konsum von Alkohol zurückzuführen ist. Es ist daher unerheblich, dass die Menge der konsumierten Drogen nicht feststellbar ist.

93

Jeder Verstoß eines Soldaten gegen eine gesetzliche Dienstpflicht, die dem § 17 SG vorangestellt ist, enthält (zugleich) einen Verstoß gegen § 17 Abs. 2 Satz 2 SG, wenn dem festgestellten Verhalten unabhängig von den anderen Pflichtenverstößen die Eignung zur Ansehensminderung innewohnt. Die Achtungs- und die Vertrauenswürdigkeit eines Soldaten können durch sein Verhalten schon dann Schaden nehmen, wenn dieses Zweifel an seiner Zuverlässigkeit weckt oder seine Eignung für die jeweilige Verwendung in Frage stellt. Für die Feststellung eines Verstoßes gegen diese Vorschrift kommt es nicht darauf an, ob eine Ansehensschädigung im konkreten Fall tatsächlich eingetreten ist. Es reicht vielmehr aus, dass das Verhalten des Soldaten geeignet war, eine ansehensschädigende Wirkung auszulösen (vgl. Urteil vom 10. August 1994 a.a.O. S. 150). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt (vgl. auch Urteil vom 13. Dezember 1990 a.a.O. S. 7).

94

3. Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist von der von Verfassungs wegen allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts auszugehen. Diese besteht ausschließlich darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wiederherzustellen und/oder aufrechtzuerhalten ("Wiederherstellung und Sicherung der Integrität, des Ansehens und der Disziplin der Bundeswehr", vgl. dazu Urteil vom 11. Juni 2008 - BVerwG 2 WD 11.07 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 26 m.w.N.). Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des betreffenden Soldaten zu berücksichtigen.

95

a) Eigenart und Schwere des Dienstvergehens bestimmen sich nach dem Unrechtsgehalt der Verfehlungen, d.h. nach der Bedeutung der verletzten Dienstpflichten. Danach wiegt die Verfehlung schwer.

96

Das Gewicht der Verfehlung liegt zunächst in der Verletzung der Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG). Sie gehört zu den zentralen Pflichten eines Soldaten. Ihre Verletzung ist in der Regel schon deshalb von erheblicher Bedeutung. Die Pflicht zum treuen Dienen nach § 7 SG fordert allgemein vom Soldaten, im und außer Dienst zur Funktionsfähigkeit der Bundeswehr beizutragen und alles zu unterlassen, was sie in ihrem durch das Grundgesetz festgelegten Auftrag schwächen könnte. Zu dieser Pflicht zählt auch die gewissenhafte Diensterfüllung, hier in Form der Gewährleistung der jederzeitigen dienstlichen Einsatzfähigkeit. Diese Einsatzfähigkeit wird erheblich beeinträchtigt, wenn der Soldat Rauschmittel zu sich nimmt. Dabei kommt es bei der bemessungsrechtlichen Bedeutung eines Verstoßes gegen § 7 SG nicht allein darauf an, dass der Drogenkonsum eines einzelnen Soldaten möglicherweise noch nicht die Einsatzfähigkeit der Truppe schwächt. Vielmehr ist darauf abzustellen, dass die Einsatzbereitschaft insgesamt gefährdet ist, wenn der Rauschmittelkonsum um sich greift (vgl. zu § 55 Abs. 5 SG z.B. Urteil vom 24. September 1992 - BVerwG 2 C 17.91 - BVerwGE 91, 62 <64 f.> = Buchholz 236.1 § 55 SG Nr. 13; Beschluss vom 15. März 2000 - BVerwG 2 B 98.99 - juris § 114 vwgo nr. 48> und zu § 7 SG: Urteil vom 12. Oktober 2010 - BVerwG 2 WD 44.09 - juris Rn. 23 = NZWehrr 2011, 121 § 38 wdo 2002 nr. 31>).

97

Ferner ist die durch den außerdienstlichen Betäubungsmittelkonsum erfolgte Verletzung der in § 17 Abs. 2 Satz 2 SG normierten Pflicht eines jeden Soldaten, sich außer Dienst außerhalb der dienstlichen Unterkünfte und Anlagen so zu verhalten, dass er die Achtung und das Vertrauen, die seine dienstliche Stellung erfordert, nicht ernsthaft beeinträchtigt, von erheblicher Bedeutung. Es geht dabei nicht nur um eine soldatische Nebenpflicht. Wegen ihres funktionalen Bezugs zur Erfüllung des grundgesetzmäßigen Auftrages der Streitkräfte und zur Gewährleistung des militärischen Dienstbetriebs kommt der Pflichtenregelung des § 17 Abs. 2 Satz 2 SG vielmehr ein hoher Stellenwert zu. Ein Soldat, insbesondere ein Vorgesetzter, bedarf der uneingeschränkten Achtung seiner Kameraden und Untergebenen sowie des uneingeschränkten Vertrauens seiner militärischen Vorgesetzten, um seine Aufgaben so zu erfüllen, dass der ordnungsgemäße Ablauf des militärischen Dienstes gewährleistet ist. Dies setzt nicht nur innerdienstlich, sondern auch außerdienstlich ein untadeliges Verhalten voraus; denn der Charakter eines Menschen und die Wertung seiner Festigkeit und Lauterkeit sind unteilbar (Urteil vom 12. Oktober 2010 - BVerwG 2 WD 44.09 - juris Rn. 25 § 38 wdo 2002 nr. 31>).

98

Eigenart und Schwere des Dienstvergehens werden hier des Weiteren dadurch bestimmt, dass der Soldat aufgrund seines Dienstgrades als Oberfeldwebel in einem Vorgesetztenverhältnis stand (§ 1 Abs. 3 Satz 1 und 2 SG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 VorgV). Soldaten in Vorgesetztenstellung obliegt eine höhere Verantwortung für die Wahrung dienstlicher Interessen. Wegen seiner herausgehobenen Stellung ist ein Vorgesetzter in besonderem Maße für die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Dienstpflichten verantwortlich und unterliegt damit im Falle einer Pflichtverletzung einer verschärften Haftung, da Vorgesetzte in ihrer Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben sollen (§ 10 Abs. 1 SG). Dabei ist nicht erforderlich, dass es der Soldat bei seinem Fehlverhalten innerhalb eines konkreten Vorgesetztenverhältnisses an Beispielhaftigkeit hat fehlen lassen. Es reicht das Innehaben einer Vorgesetztenstellung aufgrund des Dienstgrades aus (vgl. Urteile vom 25. Juni 2009 - BVerwG 2 WD 7.08 - Rn. 37 m.w.N. § 38 wdo 2002 nr. 29>, vom 13. Januar 2011 - BVerwG 2 WD 20.09 - juris und vom 4. Mai 2011 - BVerwG 2 WD 2.10 - juris § 58 wdo 2002 nr. 5>).

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Entgegen der Einschätzung der Verteidiger überschreitet diese Interpretation des § 10 Abs. 1 SG nicht den Wortlaut der Norm und sie verstößt auch nicht gegen das Analogieverbot aus Art. 103 Abs. 2 GG und Art. 7 EMRK. Die Norm verlangt eine beispielhafte Pflichterfüllung durch Vorgesetzte, so dass bei ihnen Pflichtverletzungen härter sanktioniert werden als bei Mannschaftsdienstgraden. Schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch kann beispielhaft nur eine Pflichterfüllung genannt werden, die unter allen Umständen und damit auch und gerade im der Öffentlichkeit nicht ohne weiteres zugänglichen, privaten Bereich Dienstpflichten achtet. Wer die Pflicht zur Drogenabstinenz nur dort achtet, wo er Entdeckung fürchten muss, zeigt damit, dass er den Sinn der Drogenabstinenzpflicht nicht verstanden und akzeptiert hat. Eine solche Person ist kein Vorbild in ihrer Pflichterfüllung, da sie Pflichten nicht aus innerer Zustimmung, sondern unter dem Druck der Sanktionsdrohung und der Furcht vor öffentlicher Missbilligung achtet. Wer eine besondere Pflichterfüllung durch Vorgesetzte nur dort verlangt, wo diese im Blick ihrer Untergebenen stehen, leistet der Heuchelei und einer Doppelmoral, nach der Pflichtverstöße nur dann Gewicht haben, wenn sie nicht heimlich erfolgen, Vorschub. Das besondere Vertrauen, das Untergebene einem militärischen Vorgesetzten gerade wegen dessen Befehlsautorität uneingeschränkt entgegenbringen müssen und dürfen, verlangt auch, dass Untergebene darauf vertrauen können, dass der Vorgesetzte seine Dienstpflichten einhält und nicht etwa deswegen missachtet, weil es keiner, insbesondere kein Untergebener, sieht. Um diesem Vertrauen Rechnung zu tragen, ist die erhöhte Haftung und die schärfere Sanktion auch auf den außerdienstlichen Bereich zu erstrecken.

100

Bestimmend für Eigenart und Schwere des Dienstvergehens ist schließlich auch der lange Zeitraum des regelmäßigen Konsums.

Dagegen weisen die Verteidiger zutreffend darauf hin, dass die konsumierte Menge für keinen Konsumfall feststellbar ist. Zwar ist dies für das Vorliegen eines Dienstvergehens unerheblich, da auch der Konsum geringer Mengen Dienstpflichten verletzt. Jedoch berücksichtigt der Senat für die Bestimmung der Schwere des Deliktes, dass hier für jeden einzelnen Konsumfall nur geringe Mengen im Sinne von § 29 Abs. 5 BTMG in Rede stehen. Dies ändert aber angesichts des zeitlichen Umfanges des in Rede stehenden Konsums und angesichts der Bedeutung der verletzten Pflichten nichts daran, dass ein schweres Dienstvergehen vorliegt.

101

b) Nachteilige Auswirkungen hatte das Dienstvergehen durch das vorübergehende Verbot des Dienstes an der Waffe und die vorübergehende Entziehung des dienstlichen Fahrausweises des Soldaten. Damit war seine Einsatzfähigkeit eingeschränkt und die sich daraus ergebenden Folgen mussten durch Kameraden aufgefangen werden.

102

c) Die Beweggründe des Soldaten sind eigennützig. Er hatte im Gespräch mit der Vertrauensperson angegeben, zur Bewältigung von Erlebnissen aus dem Auslandseinsatz und privater Probleme Drogen konsumiert zu haben. Dass er zur Bewältigung derartiger Probleme Rauschmittel nutzt und nicht die Kommunikation mit Kameraden und Vorgesetzten oder auch psychologische Hilfe sucht, spricht für eine nicht altersangemessene Unreife.

103

d) Das Maß der Schuld wird durch das vorsätzliche Handeln des Soldaten bestimmt. Für eine verminderte Schuldfähigkeit oder Milderungsgründe in den Umständen der Tat (vgl. z.B. Urteil vom 23. September 2008 - BVerwG 2 WD 18.07 - m.w.N.) gibt es keine Anhaltspunkte. Insbesondere zeigt der Umstand, dass der Soldat den Drogenkonsum nach der Entdeckung sofort einstellte und weitere Tests negativ waren, dass keine krankheitswertige Abhängigkeit bestand.

104

e) Im Hinblick auf die Zumessungskriterien "Persönlichkeit" und "bisherige Führung" hält der Senat dem Soldaten die Unrechtseinsicht zugute, die er im Gespräch mit der Vertrauensperson zum Ausdruck gebracht hat. Für ihn spricht auch die Verhaltensänderung, die nicht nur im Gespräch mit der Vertrauensperson angekündigt, sondern zur Überzeugung des Senats auch umgesetzt worden war. Dies ergibt sich daraus, dass dem Soldaten auf der Grundlage negativer Drogentests der Dienst mit der Waffe und das Führen von Dienstfahrzeugen wieder gestattet werden konnte. Weitere mildernde Aspekte, wenn auch von geringerer Bedeutung, ergeben sich aus den - allerdings nur durchschnittlichen - Leistungen und der fehlenden straf- oder disziplinarrechtlichen Vorbelastung. Damit hat der Soldat allerdings keine besondere Leistung erbracht, die ihn aus dem Kameradenkreis heraushebt, sondern nur vor dem Dienstvergehen die Mindesterwartungen des Dienstherrn pflichtgemäß erfüllt. Eine Nachbewährung war nicht festzustellen.

105

f) Bei der Gesamtwürdigung aller vorgenannten be- und entlastenden Umstände ist im Hinblick auf die Bemessungskriterien des § 38 Abs. 1 WDO und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts der Ausspruch eines - gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 i.V.m. §§ 59, 60 WDO zulässigen - Beförderungsverbots in Kombination mit einer Bezügekürzung nicht unangemessen.

106

Bei der konkreten Bemessung der Disziplinarmaßnahme geht der Senat in seiner gefestigten Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 10. Februar 2010 - BVerwG 2 WD 9.09 - juris) von einem zweistufigen Prüfungsschema aus:

107

aa) Auf der ersten Stufe bestimmt er im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die in Rede stehende Fallgruppe als "Ausgangspunkt der Zumessungserwägung".

108

Vorliegend ist auf dieser ersten Stufe für Fälle des strafbaren Erwerbs, Besitzes, Konsums sowie der strafbaren Weitergabe von Betäubungsmitteln im oder außer Dienst nach der Rechtsprechung des Senats bei aktiven Soldaten Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen grundsätzlich ein Beförderungsverbot, in schweren Fällen eine Dienstgradherabsetzung (vgl. zuletzt Urteil vom 12. Oktober 2010 - BVerwG 2 WD 44.09 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 31 Rn. 43 m.w.N.). Hier ist dem langen Konsumzeitraum Rechnung zu tragen, so dass die Annahme eines schweren Falls, der in der Regel eine Dienstgradherabsetzung nach sich zieht, gerechtfertigt gewesen wäre. Wegen des Verschlechterungsverbots ist der Senat allerdings an einer Verschärfung der Maßnahme gehindert.

109

bb) Auf der zweiten Stufe ist dann zu prüfen, ob im konkreten Einzelfall im Hinblick auf die in § 38 Abs. 1 WDO normierten Bemessungskriterien und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die die Möglichkeit einer Milderung gegenüber der auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten Regelmaßnahme eröffnen. Dabei ist vor allem angesichts der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sowie dessen Auswirkungen zu klären, ob es sich angesichts der be- und entlastenden Umstände um einen schweren, mittleren oder leichten Fall der schuldhaften Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer, sondern ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber dem Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach "oben" bzw. nach "unten" zu modifizieren. Für die "Eigenart und Schwere des Dienstvergehens" kann z.B. von Bedeutung sein, ob der Soldat eine herausgehobene Dienststellung hatte, einmalig oder wiederholt oder in einem besonders wichtigen Pflichtenbereich versagt hat. Bei den Auswirkungen des Fehlverhaltens sind die konkreten Folgen für den Dienstbetrieb sowie schädliche Weiterungen für das Außenbild der Bundeswehr in der Öffentlichkeit zu berücksichtigen. Hinsichtlich des Zumessungskriteriums "Maß der Schuld" hat der Senat neben der Schuldform und der Schuldfähigkeit das Vorliegen von Erschwerungs- und Milderungsgründen in den Tatumständen in Betracht zu ziehen.

110

Hiernach ist eine Abänderung der verhängten Maßnahme schon deshalb nicht geboten, weil angesichts der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens Regelmaßnahme die Dienstgradherabsetzung gewesen wäre und keine so gewichtigen mildernden Aspekte vorliegen, dass sie ein Übergehen zur einer milderen Maßnahmeart rechtfertigen würden. Selbst wenn man das Beförderungsverbot als Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen betrachten würde, haben die für den Soldaten sprechenden Aspekte - seine zu einer Verhaltensänderung führende Unrechtseinsicht, die fehlende Vorbelastung, seine jedenfalls durchschnittlichen Anforderungen entsprechenden Leistungen - geringeres Gewicht als die die Schwere des Vergehens begründenden Umstände, insbesondere der lange Konsumzeitraum und seine Vorgesetztenstellung, so dass ein Übergehen zu einer weniger harten Maßnahme nicht angemessen wäre.

111

Hiernach ist auch die mittlere Dauer des von der Truppendienstkammer verhängten Beförderungsverbots nicht unangemessen hart. Ihre Verlängerung durch das laufende Berufungsverfahren ist nicht mindernd zu berücksichtigen, da der Soldat allein Berufungsführer ist. Dass eine zusätzliche Bezügekürzung nach § 58 Abs. 4 WDO zulässig und geboten ist, rechtfertigt sich durch das Dienstzeitende Ende Februar 2013. Dass § 16 Abs. 1 WDO nicht anwendbar ist, ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 58 Abs. 4 Satz 2 WDO (vgl. im Übrigen auch Dau, WDO, 5. Auflage 2009, § 16 Rn. 12 m.w.N. und § 58 Rn. 15). Höhe und Dauer der zusätzlich verhängten Bezügekürzung bewegen sich am unteren Rand des Zulässigen und sind damit auch in Anbetracht der Unterhaltsleistung für eine fünfköpfige Familie und unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich höheren monatlichen Ausgaben der Familie angemessen.

112

Dass das Strafverfahren nach § 153 StPO ohne Auflage eingestellt wurde, ist für die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme nicht erheblich: Strafverfahren und Disziplinarverfahren verfolgen unterschiedliche Zwecke. Die Kriminalstrafe unterscheidet sich nach Wesen und Zweck grundlegend von der Disziplinarmaßnahme. Während erstere neben Abschreckung und Besserung der Vergeltung und Sühne für begangenes Unrecht gegen den allgemeinen Rechtsfrieden dient, ist die disziplinarische Ahndung darauf ausgerichtet, unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes einen geordneten und integren Dienstbetrieb aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen, indem sie denjenigen, der die ihm obliegenden Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat, entweder durch eine erzieherische Maßnahme zu künftig pflichtgemäßem Verhalten mahnt oder ihn aus dem Dienstverhältnis entfernt bzw. die sonst gebotene Höchstmaßnahme ausspricht (vgl. Urteile vom 13. Januar 2011 - BVerwG 2 WD 20.09 - juris Rn. 49 m.w.N. und vom 4. Mai 2011 - BVerwG 2 WD 2.10 - juris Rn. 51 § 58 wdo 2002 nr. 5>).

113

Der Verhängung einer Disziplinarmaßnahme stehen § 17 Abs. 3 oder 4 WDO nicht entgegen. Diese Normen stellen auf das Dienstvergehen ab und nicht auf einzelne Dienstpflichtverletzungen. Nach § 18 Abs. 2 WDO sind mehrere Pflichtverletzungen als ein Dienstvergehen zu ahnden. Verbindet der Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens mehrere Pflichtwidrigkeiten zu einem einzigen Dienstvergehen, beginnen mit jeder neuen Pflichtwidrigkeit die Fristen der Abs. 2 bis 4 neu zu laufen (Weiß, in: GKÖD, § 17 WDO Rn. 26 unter Bezugnahme auf das Urteil vom 12. Juli 1974 - BVerwG 2 WD 8., 9.74 - BVerwGE 46, 280 <283>). Jedenfalls beginnt die Frist mit dem Ende des Dienstvergehens und damit mit dem Ende der letzten einbezogenen Pflichtverletzung. Für die Auslegung des § 17 Abs. 3 und 4 WDO ist die Frage nach dem Vorliegen eines Fortsetzungszusammenhangs im strafrechtlichen Sinne unerheblich.

Eine Grenze ist dann erreicht, wenn einzelne Dienstpflichtverletzungen abspaltbar sind. Abspaltbar sind solche Einzelpflichtwidrigkeiten, die mangels eines äußeren oder inneren Zusammenhangs mit den übrigen Verfehlungen einer gesonderten rechtlichen Beurteilung zugänglich sind (Urteil vom 16. Oktober 1968 - BVerwG 2 D 17.68 - BVerwGE 33, 193). Ein sachlicher Zusammenhang zwischen mehreren Pflichtverletzungen ist aber immer dann gegeben, wenn eine bestimmte Neigung, eine gewisse Charaktereigenschaft, die gemeinsame innere Wurzel für das Fehlverhalten bei den zu beurteilenden Pflichtverletzungen ist (Urteil vom 28. April 1981 - BVerwG 1 D 7.80 - BVerwGE 73, 166 <168>). Eine gemeinsame innere Wurzel der einzelnen Pflichtverletzungen besteht hier in der einheitlichen Motivation, unangenehme Erlebnisse - sei es im Auslandseinsatz im Kosovo, sei es im privaten Bereich - durch Rauschmittelkonsum zu verarbeiten, wie sie im Gespräch mit der Vertrauensperson angegeben worden ist.

114

Da die Berufung des Soldaten erfolglos ist, sind ihm gemäß § 139 Abs. 2 WDO die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen. Nach § 140 Abs. 5 Satz 2 WDO trägt der Soldat damit auch die ihm im Berufungsverfahren erwachsenen notwendigen Auslagen. Von einem insgesamt erfolglosen Rechtsmittel ist auszugehen, obwohl ein Teil der angeschuldigten Dienstpflichtverletzungen nicht feststellbar war. Denn auch der festgestellte Teil der angeschuldigten Dienstpflichtverletzungen rechtfertigt als einheitliches Dienstvergehen die von der Vorinstanz verhängte Maßnahme. Ein Rechtsmittel hat nur dann teilweise Erfolg, wenn seinem zu Grunde liegenden Antrag zum Teil entsprochen worden ist und dieser Teilerfolg gemessen an einem mutmaßlichen vollen Erfolg nicht ganz nebensächlich ist (vgl. Dau a.a.O. § 139 Rn. 11). Dies ist hier nicht der Fall, weil der auf den Erwerb von Betäubungsmitteln gerichtete Teil des angeschuldigten Vorwurfes von so untergeordneter Bedeutung ist, dass er auf die Bemessung der Disziplinarmaßnahme keinen Einfluss hat. Den Kern des Vorwurfes bildet der die Gefahr einer Beeinträchtigung der Einsatzfähigkeit begründende Drogenkonsum, der den Bezug zu den Dienstpflichten erst begründet.

(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordern.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug auch hinsichtlich ihres Erscheinungsbilds Rücksicht auf das ihrem Amt entgegengebrachte Vertrauen zu nehmen. Insbesondere das Tragen von bestimmten Kleidungsstücken, Schmuck, Symbolen und Tätowierungen im sichtbaren Bereich sowie die Art der Haar- und Barttracht können eingeschränkt oder untersagt werden, soweit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 durch ihre über das übliche Maß hinausgehende besonders individualisierende Art geeignet sind, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen. Religiös oder weltanschaulich konnotierte Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 können nur dann eingeschränkt oder untersagt werden, wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen. Die Einzelheiten nach den Sätzen 2 bis 4 können durch Landesrecht bestimmt werden. Die Verhüllung des Gesichts bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug ist stets unzulässig, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies.


Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 25. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Der Beklagte wendet sich mit seiner Berufung gegen seine Entfernung aus dem Dienst.

2

Der 1964 geborene Beklagte, Förderschullehrer im Dienst des Landes Rheinland-Pfalz, ist ledig und hat keine Kinder. Nach dem Abschluss der Hauptschule im Jahr 1979 sowie der anschließenden kaufmännischen Lehre war er bis 1988 als Angestellter in einem Groß- und Außenhandel tätig. Sodann erwarb er nach einjährigem Besuch der Berufsaufbauschule die Mittlere Reife sowie nach weiteren drei Jahren am Wirtschaftsgymnasium im Jahr 1992 die Allgemeine Hochschulreife. Nach erfolgreichem Abschluss des Lehramtsstudiums (1. Staatsexamen: „befriedigend“) und des Vorbereitungsdienstes (2. Staatsexamen: „befriedigend“) wurde der Beklagte im Februar 1999 – zunächst im Angestelltenverhältnis – in den Schuldienst des Landes Rheinland-Pfalz eingestellt. Zum 1. August 2001 erfolgte die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe. In das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit wurde er am 1. August 2002 berufen. Die aus diesem Anlass erstellte dienstliche Beurteilung bewertete seine Eignung, Befähigung und fachliche Leistung mit der Höchstpunktzahl von 300 als die Anforderungen deutlich übertreffend. Seit 1999 war der Beklagte bis zu seiner vorläufigen Dienstenthebung an der F.-Schule (Förderschule mit Förderschwerpunkt Lernen) in K. tätig.

3

Am 1. Juni 2010 besuchte er im Rahmen des „Sport- und Erlebnistages“ seiner Schule – gemeinsam mit einer weiteren aufsichtführenden Kollegin – mit mehreren Schülern der sechsten bis zehnten Klasse das Freizeitbad „A.“ in R. Um die Mittagszeit verließ die Kollegin mit einigen Schülern das Bad, während der Beklagte mit den übrigen Schülern dort verblieb. Ausweislich der Feststellungen im später gegen ihn ergangenen Strafbefehl griff er nachfolgend – zunächst im Rutsch-, dann im Sprudel- und sodann wieder im Rutschbecken – einem 14-jährigen Schüler mehrfach an Hoden, Penis und Po, gab ihm mehrere Zungenküsse, zog dessen Kopf an seine Genitalien heran, fasste ihm in die Badehose an den Penis und rieb daran, bis er hart wurde, drückte dann seinen eigenen erigierten Penis an den des Jungen und schob den Schüler später, auf seinem Schoß sitzend, wie beim Geschlechtsakt vor und zurück.

4

Am 4. Juni 2010 leitete der Kläger das Disziplinarverfahren gegen den Beklagten ein und enthob ihn am 9. Juli 2010 unter Einbehalt der Hälfte der Dienstbezüge vorläufig des Dienstes.

5

Gegenüber der Staatsanwaltschaft ließ sich der Beklagte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 22. Oktober 2010 vollumfänglich geständig ein. Das Amtsgericht Landstuhl verurteilte ihn daraufhin mit Strafbefehl vom 10. Dezember 2010 wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen gemäß § 174 Abs. 1 Nr. 1 StrafgesetzbuchStGB – zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung sowie einer Geldauflage von 1.500,-- €. Unter dem 16. Dezember 2010 verzichtete der Beklagte auf Rechtsmittel hiergegen.

6

Nach Übersendung des – mit den Feststellungen des Strafbefehls inhaltsgleichen – wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen an den Beklagten hat der Kläger am 20. Juni 2011 Disziplinarklage erhoben. Darin hat er geltend gemacht, der Beklagte habe in erheblichem Maße im Kernbereich seiner Pflichten versagt.

7

Der Kläger hat beantragt,

8

den Beklagten aus dem Dienst zu entfernen.

9

Der Beklagte hat beantragt,

10

die Klage abzuweisen.

11

Er hat ausgeführt, es habe sich um ein einmaliges Fehlverhalten gehandelt; ansonsten sei er bislang unbescholten und engagiert tätig gewesen. Wegen des Vorfalls sei er bereits strafrechtlich belangt worden. Das Strafmaß lasse erkennen, dass es sich um ein Verhalten im unteren Bereich der von § 174 StGB erfassten Taten handele. Die Feststellungen des Strafbefehls seien zudem insoweit zu relativieren, als zur Vermeidung einer öffentlichen Hauptverhandlung, insbesondere aber der erneuten Vernehmung der Zeugen, ein Geständnis abgegeben worden sei, ohne Details zu erörtern oder richtigzustellen. Seine beruflichen Qualifikationen ermöglichten – als milderes Mittel gegenüber der Entfernung – einen Einsatz außerhalb des Schuldienstes; er sei bereit, die besoldungsrechtlichen Folgen einer solchen Versetzung zu tragen.

12

Mit Urteil vom 25. Oktober 2011 hat das Verwaltungsgericht Trier den Beklagten aus dem Dienst entfernt. An der Richtigkeit des im Strafbefehl festgestellten Sachverhalts bestünden keine Zweifel. Der Beklagte habe sich im Strafverfahren geständig eingelassen und auf einen Einspruch gegen seine Verurteilung verzichtet. Seine Darstellung, er sei von dem Schüler auch „provoziert“ worden, stehe den strafgerichtlichen Feststellungen nicht entgegen, da hierdurch die dargestellten Handlungen nicht in Abrede gestellt würden. Eine etwaige Provokation lasse weder das vorwerfbare Fehlverhalten entfallen noch könne sie das Dienstvergehen rechtfertigen oder entschuldigen. Der Beklagte habe hierdurch im Kernbereich seiner dienstlichen Pflichten versagt und seinen Verbleib im öffentlichen Dienst unzumutbar gemacht. Auch seine in der mündlichen Verhandlung offenbarte Persönlichkeit lasse keine günstige Prognoseentscheidung zu. Seine Argumentation konzentriere sich darauf, sich als Opfer eines jugendlichen Überführungseifers darzustellen. Das Unrecht der Tat habe er selbst im Laufe des Disziplinarverfahrens nicht verinnerlicht. Eine anderweitige Verwendung außerhalb des Schuldienstes sei dem Kläger nicht zumutbar.

13

In seiner Berufung trägt der Beklagte vor, das Verwaltungsgericht habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass es sich nach einer langjährigen beanstandungslosen und engagierten Lehrtätigkeit um einen einmaligen Verstoß mit – dies zeige der Strafbefehl – auch strafrechtlich vergleichsweise geringem Gewicht gehandelt habe. Keinesfalls habe er dem betroffenen Schüler eine Provokation unterstellt. Er – der Beklagte – habe jedoch andererseits auch nicht gezielt die Gelegenheit gesucht, einen Schüler zu missbrauchen. Er sei vielmehr aus dem zunächst harmlosen Spiel mit dem an diesem Tag sehr anhänglichen Schüler in die Situation hineingeglitten. Rückblickend sei es sein Fehler gewesen, mit den Schülern ins Wasser zu gehen. Der Strafbefehl beruhe auf Absprachen mit der Staatsanwaltschaft. Er habe daher auf die Richtigstellung einzelner Behauptungen verzichtet. Tatsächlich sei es jedoch im Sprudelbecken zu keinen Übergriffen gekommen; dort habe der Junge gar nicht neben ihm gesessen. Auch habe er ihn nicht ins Rutschbecken verfolgt. Dieser habe ihn vielmehr von sich aus aufgefordert, mit in das andere Becken zu kommen. Er verspüre keine pädophilen Neigungen und habe die Geschehnisse in einer psychotherapeutischen Behandlung aufgearbeitet. Im Zeitpunkt des Vorfalls sei er alleinstehend gewesen, nachdem ihn sein Freund nach einer langjährigen Beziehung verlassen habe. Heute lebe er wieder in einer festen – jetzt auch offen gezeigten – Beziehung; dies habe er sich trotz der damit gerade in einem Dorf verbundenen Schwierigkeiten immer gewünscht, weshalb er sein Leben nunmehr als gefestigt empfinde. Angesichts seiner weiteren Verwendungsmöglichkeit sei eine Entfernung aus dem Dienst zudem unverhältnismäßig.

14

Der Beklagte beantragt,

15

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

16

Der Kläger verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und beantragt,

17

die Berufung zurückzuweisen.

18

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, die Personal- und die Disziplinarakten sowie auf die Akte der Staatsanwaltschaft Zweibrücken (Az.: 4144 Js 6172/10) verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

19

Die Berufung hat keinen Erfolg.

20

Das Verwaltungsgericht hat das Verhalten des Beklagten zu Recht als schweres Dienstvergehen im Sinne des § 47 Abs. 1 Beamtenstatusgesetz – BeamtStG – gewürdigt und auf die Entfernung aus dem Dienst erkannt. In der Regel stellen sexuelle Handlungen zwischen Lehrern und Schülern – unabhängig von ihrer strafrechtlichen Relevanz – stets ein Dienstvergehen dar (1.), welches jedenfalls dann, wenn der betroffene Schüler minderjährig war, grundsätzlich zur Entfernung aus dem Dienst führt (2.). Außergewöhnliche Milderungsgründe, die nur in ganz besonders gelagerten Ausnahmefällen ein Abweichen hiervon erlauben, sind vorliegend nicht gegeben (3.). Aufgrund des endgültigen Verlusts des Vertrauens des Dienstherrn wie auch der Allgemeinheit ist dem Kläger ein Verbleib des Beklagten im öffentlichen Dienst daher nicht zuzumuten, weshalb er ungeachtet der etwaigen Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung aus dem Dienst zu entfernen ist (4.).

21

1. Der Beklagte hat schuldhaft die ihm als Lehrer obliegenden Pflichten verletzt und sich damit nach § 47 Abs. 1 BeamtStG eines Dienstvergehens schuldig gemacht.

22

a) Gemäß § 25 Abs. 1 Schulgesetz – SchulG – gestalten Lehrkräfte Erziehung und Unterricht im Rahmen der für die Schule geltenden Rechtsvorschriften. Die Verpflichtungen der Schule ihren Schülern sowie deren Eltern gegenüber sind damit wesentlicher Bestandteil der Dienstpflichten der Lehrerinnen und Lehrer. Im Mittelpunkt dieser Pflichten steht der staatliche Erziehungsauftrag (vgl. Art. 33 Verfassung für Rheinland-Pfalz – LV –, § 1 SchulG), welcher durch die Vermittlung von Werten, insbesondere der Achtung und Wahrung persönlicher Würde im Zusammenleben der Menschen, und der unabdingbaren Integrität amtlicher Aufgabenträger in einem demokratischen Gemeinwesen geprägt ist (vgl. OVG RP, Urteil vom 12. März 2002 – 3 A 11870/01 –, n.V.). Das Verhalten des Lehrers muss daher gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 SchulG eine Erziehung der Schüler zu eigenverantwortlichem Handeln mit dem Ziel der freien Entfaltung der Persönlichkeit sowie der Ermöglichung einer Orientierung in der modernen Welt gewährleisten. Es hat darüber hinaus das elterliche Erziehungsrecht zu achten und darf insbesondere nicht geeignet sein, das vertrauensvolle und partnerschaftliche Zusammenwirken von Schule und Eltern im Sinne des § 2 Abs. 3 SchulG zu gefährden.

23

Diese einfachrechtliche Ausgestaltung der Dienstpflichten der Lehrer entspricht den Vorgaben der rheinland-pfälzischen Landesverfassung. Danach haben Lehrer ihr Amt im Sinne der Grundsätze der Verfassung auszuüben (vgl. Art. 36 LV). Als staatliche Handlungsorgane haben sie ebenso das Recht der Schüler auf Entwicklung ihrer körperlichen und geistigen Anlagen sowie auf die freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit zu achten wie sie verpflichtet sind, deren persönliche Freiheit und Selbständigkeit zu schützen und ihr Wohlergehen zu fördern (vgl. Art. 1 Abs. 1 und 2 LV). Über diese – für alle Beamten geltenden – Pflichten hinaus sind sie zudem insbesondere verpflichtet, die Jugend zu sittlicher Haltung zu erziehen (vgl. Art. 33 LV) und das Recht der Eltern, über die Erziehung ihrer Kinder zu bestimmen (vgl. Art. 27 Abs. 1 LV), zu beachten.

24

b) Ein Verstoß gegen strafrechtliche Vorschriften zum Schutz von Kindern und Jugendlichen verletzt – unabhängig davon, ob er inner- oder außerhalb des Dienstes erfolgte – diese Dienstpflichten.

25

Derartige Straftaten stellen die Eignung des Lehrers, die körperliche und geistige Integrität von Kindern zu wahren, grundsätzlich in Frage. Ein solcherart strafrechtlich relevantes Verhalten lässt daher selbst dann, wenn es nicht im unmittelbaren schulischen Umfeld erfolgte, Rückschlüsse auf die Dienstausübung im Amt zu. Zugleich beeinträchtigt es den Beamten in seiner Dienstausübung, weil die vorgenannten Zweifel an seiner Integrität nicht nur das Vertrauen des Dienstherrn, sondern insbesondere auch das der Eltern in die Ordnungsgemäßheit seines Umgangs mit den ihm anvertrauten Schülern zumindest in erheblichem Maße beeinträchtigt, wenn nicht gar beseitigt. Dem für ein funktionierendes Schulwesen und eine gemeinschaftliche Erziehung der Kinder unabdingbaren Vertrauensverhältnis zwischen Schule und Eltern wird damit die Grundlage entzogen.

26

c) Auch dann, wenn hierdurch kein Straftatbestand erfüllt wird, verletzt ein Lehrer, der sich sexueller Übergriffe schuldig macht oder der sexuelle Handlungen zwischen ihm und Schülern zulässt, seine Dienstpflichten. Dies gilt unabhängig vom Alter der betroffenen Schüler sowie davon, ob die Handlungen mit deren (vermeintlichem) Einverständnis erfolgen.

27

Die Wahrung der Integrität der Schüler, die Pflicht zur Gewährleistung ihrer behutsamen persönlichen Entwicklung sowie Anspruch und Vertrauen der Eltern darauf, dass Lehrer das – aufgrund der allgemeinen Schulpflicht letztlich erzwungene – Obhuts- und Näheverhältnis zu den Schülern nicht zur Verfolgung eigener Bedürfnisse ausnutzen, verpflichten den Lehrer dazu, sich in sexueller Hinsicht uneingeschränkt korrekt – in Wort wie in Tat – zu verhalten. Körperliche Distanz hat daher das Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern auch dann zu prägen, wenn der Schüler mit deren Aufgabe vordergründig einverstanden ist (vgl. BayVGH, Urteil vom 27. Oktober 2004 – 16a D 03.2067 –, juris Rn. 100 f.).

28

Diese Verpflichtung besteht selbst volljährigen Schülern gegenüber. Mag auch mit zunehmendem Alter die Fähigkeit zur Selbstbestimmung wachsen, wirkt doch der Anspruch der Eltern darauf, dass sich die sexuelle Entwicklung ihrer Kinder im Rahmen des Normalen, d. h. insbesondere innerhalb der eigenen Altersgruppe und unabhängig von zumindest potentiellen Abhängigkeitsverhältnissen vollzieht, über den Zeitpunkt von deren Volljährigkeit hinaus fort. Ihn zu achten, ist die Schule – und damit auch der Lehrer – weiterhin verpflichtet. Selbst bei volljährigen Schülern besteht Lehrern gegenüber allein schon aufgrund deren Status sowie des Altersunterschiedes ein Ungleichverhältnis. Hinzu kommt, dass durch das Eingehen intimer Verhältnisse zu Schülern das – für die Ordnungsgemäßheit des Schulbetriebs gleichfalls unabdingbare – Vertrauen in die Unvoreingenommenheit der Lehrer sowie in ihre Gleichbehandlung der Schüler in erheblichem Maße beeinträchtigt wird.

29

d) Der Beklagte hat gegen seine vorstehend dargelegten Dienstpflichten offenkundig selbst dann verstoßen, wenn man die Feststellungen im Strafbefehl um seine Einlassungen im gerichtlichen Verfahren ergänzt. Auch danach verbleibt es dabei, dass er dem Schüler mehrfach an Hoden, Penis und Po gegriffen, an dessen Penis gerieben und ihn gegen seinen eigenen erigierten Penis gedrückt, den Schüler an seine Genitalien herangezogen, ihn geküsst und ihn auf einer den Geschlechtsakt simulierenden Weise auf seinem Schoß vor und zurück geschoben hat. Dass es nicht seiner vorgefassten Absicht entsprach, im Schwimmbad einen Schüler zu missbrauchen, hat hierauf keinen Einfluss.

30

2. Dieses Dienstvergehen führt zu einem endgültigen Vertrauensverlust sowohl des Dienstherrn als auch der Allgemeinheit. Der Beklagte ist daher nach § 11 Abs. 2 Landesdisziplinargesetz – LDG – aus dem Dienst zu entfernen.

31

Gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 LDG bemisst sich die Disziplinarmaßnahme – unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten – vorrangig danach, in welchem Umfang dieser seine Pflichten verletzt und das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit beeinträchtigt hat. Sexuelle Handlungen zwischen Lehrern und Schülern führen danach jedenfalls dann, wenn der betroffene Schüler minderjährig war, grundsätzlich zur Entfernung des Beamten aus dem Dienst, sofern nicht ausnahmsweise besonders außergewöhnliche Milderungsgründe vorliegen.

32

a) Sexuelle Übergriffe auf Minderjährige sind in zweifacher Hinsicht persönlichkeits- und sozialschädlich: Sie stellen einen unnatürlichen Eingriff in die sittliche Entwicklung der Betroffenen dar, den diese wegen ihrer noch nicht ausreichend fortgeschrittenen Reife intellektuell und gefühlsmäßig nicht verarbeiten können. Derartige Verhaltenswiesen greifen in die sittliche Entwicklung eines jungen Menschen ein und gefährden nachhaltig die harmonische Entfaltung seiner Persönlichkeit sowie seine Einordnung in die Gemeinschaft. Dem Opfer werden – typischerweise – erhebliche zumindest seelische Schäden zugefügt, deren Folgen ein ganzes Leben lang andauern können. Zugleich benutzt der Täter die Betroffenen als Mittel zur Befriedigung seiner geschlechtlichen Triebe. Eine solche Herabminderung des Kindes oder Jugendlichen zu einem bloßen Objekt der Sexualität verletzt deren Menschenwürde und Persönlichkeitsrecht in elementarster Weise (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Juli 1987 – 1 D 141/86 –, BVerwGE 83, 303 [304 f.]; BayVGH, Urteil vom 15. Dezember 2010 – 16a D 08.1287 –, juris Rn. 85).

33

b) Sexuelle Handlungen zwischen Lehrern und Schülern sind disziplinarisch nicht von geringerem Gewicht, wenn sie im Einvernehmen mit dem Schüler erfolgen (vgl. VGH BW, Urteil vom 7. Juni 2011 – DL 13 S 1826/10 –, juris). Hieraus folgt zugleich, dass die Frage, ob ein Lehrer sich durch Anreize oder Provokationen seitens der Schüler zu seinem Handeln hat verleiten lassen, auf den Ansehens- und Vertrauensverlust keinen Einfluss hat.

34

Kinder und Jugendliche befinden sich in einer starken Prägungsphase und suchen besonders nach emotionaler Zuwendung, Anerkennung, Verständnis und Zuneigung. Lehrer sollen die geistigen, seelischen und körperlichen Fähigkeiten der heranwachsenden jugendlichen Menschen fördern und ihre Persönlichkeit weiterentwickeln. Diesen Erziehungsauftrag können sie glaubwürdig und überzeugend jedoch nur erfüllen, wenn sie ihr Verhältnis zu den Schülern auch dann von sexuellen Beziehungen und Handlungen jeder Art ausnahmslos freihalten, wenn sie sich Anreizen ausgesetzt fühlen (vgl. NdsOVG, Urteil vom 12. Januar 2010 – 20 LD 13/07 –, juris Rn. 98). Von einem ausgebildeten Pädagogen ist zu erwarten, dass er derartige Situationen, mit denen sich ein Lehrer stets konfrontiert sehen kann, emotional, intellektuell und lebenspraktisch zu meistern versteht und die gebotene Distanz wahrt (vgl. BayVGH, Urteil vom 15. Dezember 2010 – 16a D 08.1287 –, juris Rn. 96).

35

c) Neben den schädlichen Auswirkungen auf die seelische und soziale Entwicklung der Kinder und Jugendlichen bestimmt auch die Beeinträchtigung des – schulgesetzlich besonders geschützten – Vertrauens der Eltern in erheblicher Weise das Ausmaß des Vertrauensverlustes.

36

Eltern müssen sich – ebenso wie ihre Kinder – darauf verlassen können, dass Lehrer weder das durch die Schulpflicht begründete staatliche Obhuts- und Näheverhältnis noch die Wehrlosigkeit Minderjähriger gegenüber Personen, die ihnen aufgrund des Altersunterschieds sowie kraft Amtes als Respektpersonen gegenübertreten und denen sie gehorchen sollen, oder die mit dem Heranwachsen einhergehenden emotionalen Unsicherheiten zur Befriedigung des Sexualtriebs ausnutzen. Dieses berechtigte, für ein partnerschaftliches Zusammenwirken von Eltern und Schule und damit für die Erfüllung des staatlichen Erziehungsauftrags unabdingbare Vertrauen wird durch sexuelle Handlungen zwischen Lehrern und Schülern in erheblichem Maße zerstört. Bei einem Bekanntwerden derartiger Vorfälle ist deshalb davon auszugehen, dass nicht nur die Schüler, sondern auch ihre Eltern dem Lehrer nicht mehr ohne erhebliche Vorbehalte gegenüber treten können. Ihnen ist nicht zuzumuten, ihre Kinder in die Obhut einer Schule zu geben, die nicht gewährleisten kann, dass die Kinder dort vor Nachstellungen oder Übergriffen von Lehrern sicher sind. Aufgrund der zu erwartenden weitreichenden Ablehnung eines solchen Lehrers könnte ein ordnungsgemäßer Schulbetrieb nur dadurch aufrecht erhalten werden, dass sich der Dienstherr darum bemühte, eine Kenntnisnahme der Eltern von dem Fehlverhalten des Beamten zu verhindern. Sollte es zu weiteren Vorfällen kommen, müsste er dann jedoch mit – berechtigten – Vorwürfen rechnen, Schüler sehenden Auges einer Gefährdung ihrer Entwicklung ausgesetzt zu haben (vgl. OVG RP, Beschluss vom 25. März 2011 – 3 B 10048/11.OVG –, n.v.). Dies widerspräche dem staatlichen Schutzauftrag in elementarster Weise; der Kläger ist vielmehr von Verfassungs wegen gehalten, sexuell anstößiges Verhalten von Lehrern gegenüber Kindern und Jugendlichen umgehend aufzugreifen und einer disziplinarischen Klärung zuzuführen.

37

d) Nach alledem versagt ein Lehrer, der sexuelle Handlungen an minderjährigen Schülern vornimmt und damit zeigt, dass ihm die Befriedigung eigener sexueller Bedürfnisse wichtiger als die unbeeinträchtigte Entwicklung von Kindern und Jugendlichen ist, in gravierender Weise im Kernbereich seiner dienstlichen Pflichten. Dies führt zwangsläufig sowohl bei dem Dienstherrn als auch bei der Allgemeinheit, insbesondere bei den Schülern und ihren Eltern, einen nicht wiederherzustellenden Vertrauensverlust herbei (vgl. OVG RP, Urteil vom 22. Oktober 2002 – 3 A 11064/02 –, juris Rn. 38). Derartige Dienstvergehen haben daher in aller Regel die Entfernung aus dem Dienst zur Folge.

38

3. Außergewöhnliche Milderungsgründe, die möglicherweise ein Absehen von der disziplinarischen Höchststrafe rechtfertigen könnten, sind vorliegend nicht ersichtlich.

39

a) Insbesondere rechtfertigt der Einwand, es habe sich um einen einmaligen Übergriff gehandelt, nicht den Verbleib des Beklagten im Beamtenverhältnis.

40

Die Gesellschaft steht sexuellen Beziehungen zwischen Erwachsenen und Minderjährigen auch dort, wo sie nicht strafbewehrt sind, und erst recht sexuellen Übergriffen auf Minderjährige derart ablehnend gegenüber, dass solche Handlungen die Überwindung einer erheblichen Hemmschwelle erfordern. Schon ein einmaliger Vorfall belegt daher ein Ausmaß an Pflichtvergessenheit, welches ein Vertrauen darauf, ein Wiederholungsfall sei ausgeschlossen, nicht mehr erlaubt.

41

Hinzu kommt, dass es sich vorliegend zwar um ein einheitliches Dienstvergehen in einem engen zeitlichen Ablauf, nicht aber um einen einmaligen Vorfall handelte. Der Beklagte hat den Schüler vielmehr wiederholt, auf verschiedene Weise sowie mit gesteigerter Intensität unsittlich berührt und sein Verhalten selbst nach einem zwischenzeitlichen Wechsel der Schwimmbecken fortgesetzt.

42

Weil selbst einvernehmliche sexuelle Handlungen zwischen Lehrer und minderjährigen Schülern regelmäßig die Entfernung aus dem Dienst zur Folge haben, vermag des Weiteren der Umstand, dass er den betroffenen Schüler bei dem Schwimmbadbesuch als „besonders anhänglich“ empfunden hat, den Beklagten offenkundig erst recht nicht zu entlasten. Lediglich klarstellend weist der Senat deshalb darauf hin, dass vorliegend Anhaltspunkte für eine Provokation oder gar ein Einverständnis des Schülers nicht ansatzweise erkennbar sind.

43

b) Der Annahme eines irreversiblen Vertrauensverlustes kann der Beklagte darüber hinaus nicht entgegen halten, ausweislich des gegen ihn im Strafbefehl des Amtsgerichts Landstuhl verhängten Strafmaßes handele es sich lediglich um einen minder schweren Fall des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen.

44

Die im Disziplinarverfahren auszusprechende Sanktion bemisst sich gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 LDG maßgeblich nach Art und Ausmaß der Pflichtverletzung und des Vertrauensverlustes. Welche Disziplinarmaßnahme angemessen ist, hängt deshalb nicht davon ab, ob das Fehlverhalten des Beamten zugleich einen Straftatbestand erfüllt (vgl. BayVGH, Urteil vom 15. Dezember 2010 – 16a D 08.1287 –, juris Rn. 89). Strafrechtliche Sanktionen wirken sich disziplinarisch lediglich insofern aus, als eine Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr oder wegen einer der in § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeamtStG genannten Taten zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten gemäß § 24 Abs. 1 BeamtStG von Gesetzes wegen zur Beendigung des Beamtenverhältnisses führt. Darüber hinaus berühren sich Straf- und Disziplinarrecht nur insoweit, als ein inner- oder außerdienstliches Verhalten, das zugleich strafrechtliche Vorschriften zum Schutz von Kindern und Jugendlichen verletzt, regelmäßig zur Entfernung eines Lehrers aus dem Dienst führt. Darauf, ob und in welchem Umfang es eine strafrechtliche Verurteilung nach sich zieht, kommt es hingegen ebenso wenig an wie auf den Strafrahmen der in Betracht kommenden Strafnormen (a. A. BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 – 2 C 5.10 –, NVwZ 2011, 303 [305]).

45

Straf- und Disziplinarverfahren sind von unterschiedlichen Zwecksetzungen geprägt. Die Kriminalstrafe dient – neben der Abschreckung und Besserung – der Sühne für begangenes Unrecht gegen den allgemeinen Rechtsfrieden. Im Strafrecht wird damit – anders als im Disziplinarrecht – in erster Linie ein gesellschaftliches Unwerturteil ausgesprochen. Es unterscheidet sich daher sowohl hinsichtlich der Voraussetzungen als auch nach Wesen und Zweck grundlegend von der Disziplinarmaßnahme, welche an einen Vertrauensverlust im Rahmen des Beamtenverhältnisses anknüpft und darauf ausgerichtet ist, einen geordneten und integren Dienstbetrieb aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Mai 1995 – 2 WD 5.95 –, BVerwGE 103, 233 [236]; OVG RP, Urteil vom 22. Oktober 2002 – 3 A 11064/02.OVG –, juris Rn. 41).

46

Mit der Strafandrohung bringt der Gesetzgeber daher – ebenso wie das Strafgericht bei der Festsetzung des Strafmaßes – allein seine Einschätzung zum strafrechtlichen Unwert eines Verhaltens zum Ausdruck. Das Ausmaß des Ansehens- und Vertrauensschadens hingegen bemisst sich allein nach dienstlichen und disziplinarrechtlichen Maßstäben. Eine der strafrechtlichen Bewertung verhaftete Betrachtung führte hingegen zu dem widersprüchlichen Ergebnis, dass ein Beamter unter Umständen zwar wegen eines Verhaltens, das – wie etwa das unentschuldigte Fernbleiben vom Dienst oder die ungenehmigte Ausübung von Nebentätigkeiten in Zeiten der Dienstunfähigkeit – noch nicht einmal einen Straftatbestand erfüllt, aus dem Dienst entfernt werden kann, nicht aber wegen eines Dienstvergehens, welches nicht nur dienstrechtswidrig, sondern sogar strafbewehrt ist. Gerade im Falle eines das Wohl von Kindern und Jugendlichen erheblich beeinträchtigenden Sexualverhaltens von Lehrern ist zudem nicht ersichtlich, wie der Strafrahmen oder sonstige strafrechtliche Bewertungen die Besorgnis der Eltern und des Dienstherrn verringern sollten, es könne künftig zu Übergriffen auf (weitere) Schüler kommen.

47

c) Disziplinarrechtlich keine Bedeutung kommt des Weiteren zu, dass der Beklagte den betroffenen Schüler nicht als Klassen- oder Fachlehrer unterrichtete, sondern er lediglich als aufsichtführender Lehrer im Rahmen des eintägigen Schwimmbadbesuchs eingeteilt war. Der Anspruch von Schülern und Eltern auf Schutz vor Übergriffen besteht ausnahmslos gegenüber allen Lehrern einer Schule.

48

d) Schließlich erlauben angesichts der Schwere des Dienstvergehens weder die Durchführung einer Therapie noch das bisherige Engagement des Beklagten dessen Verbleib im Beamtenverhältnis. Stattdessen kommt vorliegend sogar erschwerend hinzu, dass sich der Beklagte mehrfach und zudem an einem Förderschüler vergangen hat.

49

4. Hat sich der Beklagte somit eines Dienstvergehens schuldig gemacht, welches zum vollständigen Vertrauensverlust führt, so begegnet die Entfernung aus dem Dienst auch keinen Bedenken im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die darin liegende Härte ist für den Betroffenen nicht unzumutbar, weil sie auf zurechenbarem Verhalten beruht und einem anerkannten Ziel des Disziplinarrechts, nämlich der Aufrechterhaltung der Integrität und Funktionsfähigkeit des Berufsbeamtentums im Interesse der Allgemeinheit, dient. Wegen des endgültigen Vertrauensverlustes ist es dem Kläger auch nicht zuzumuten, dem Beklagten eine andere Verwendung innerhalb des Beamtenverhältnisses zu ermöglichen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 22. November 2001 – 2 BvR 2138/00 –, NVwZ 2002, 467; OVG RP, Urteil vom 12. Juli 2007 – 3 A 10296/07 –, juris Rn. 36).

50

Die Kostenentscheidung folgt aus § 99 Abs. 1 LDG.


Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23. Juni 2015 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Trier wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung des Urteils wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe des festzusetzenden Betrages abwenden, falls nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Der Beklagte wendet sich mit seiner Berufung gegen die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Entfernung aus dem Dienst.

2

Der 1957 geborene Beklagte schloss im Jahr 1983 das Studium der Klassischen Philologie mit dem ersten Staatsexamen ab. Im Jahr 1987 beendete er sein Studium der Evangelischen Theologie und promovierte im gleichen Jahr. Nach Ableistung seines Vorbereitungsdienstes unterrichtete der Beklagte ab August 1990 am privaten J.-Gymnasium in L. Ab dem 1. Februar 2001 wurde er beim klagenden Land als Lehrer im Angestelltenverhältnis beschäftigt. Mit Wirkung vom 1. Februar 2002 erfolgte die Ernennung zum Studienrat zur Anstellung unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe. Zum 1. August 2002 wurde der Beklagte an das staatliche G.-Gymnasium in K. versetzt. Dort wurde er zum 1. Februar 2003 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Studienrat ernannt und mit Wirkung vom 18. Mai 2006 zum Oberstudienrat befördert. Die zuletzt anlässlich seiner Bewerbung um eine Funktionsstelle angefertigte dienstliche Beurteilung vom 22. April 2008 endete mit dem Gesamturteil „Eignung, Befähigung und fachliche Leistung übertreffen die Anforderungen erheblich“ (Stufe A, 15 Punkte).

3

Der Beklagte ist verheiratet und hat sechs Kinder. Bis auf die hier angeschuldigten Verfehlungen ist der Beamte weder strafrechtlich noch disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten.

4

Am 27. Juni 2013 leitete die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Trier (im Folgenden: ADD) als Schulaufsichtsbehörde gegen den Beklagten das vorliegende Disziplinarverfahren ein. Mit diesem – wegen des sachgleichen Strafverfahrens unmittelbar nach der Einleitung ausgesetzten – Disziplinarverfahren wird dem Beklagten vorgeworfen, gegenüber der 1996 geborenen Schülerin X. am 9. Juni 2013 sexuell übergriffig geworden zu sein.

5

Die Schülerin wurde am 26. September 2013 im Rahmen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens im Polizeipräsidium Koblenz (Kriminalinspektion) zeugenschaftlich vernommen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll der Vernehmung (Bl. 33 f. der Strafakten) verwiesen.

6

Nachdem der Beklagte über seinen Strafverteidiger ein schriftliches Geständnis abgelegt hatte, wurde er durch den Strafbefehl des Amtsgerichts St. Goar vom 7. Februar 2014 (Az. 2070 Js 37524/13), rechtskräftig seit dem 11. März 2014, wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.

7

Dem Strafbefehl lagen die nachfolgenden tatsächlichen Feststellungen zugrunde:

8

„Ihnen wird nach dem von der Staatsanwaltschaft ermittelten Sachverhalt zur Last gelegt, am 09.06.2013 in B. sexuelle Handlungen an einer Person unter achtzehn Jahren, die Ihnen zur Ausbildung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut ist, unter Missbrauch einer mit dem Ausbildung- und Betreuungsverhältnis verbundenen Abhängigkeit vorgenommen oder an sich von dem Schutzbefohlenen vornehmen lassen zu haben.

9

Sie waren zum Tatzeitpunkt der Lehrer der 1996 geborenen Zeugin X. im Leistungskurs … am „G.-Gymnasium“ in K. Die Zeugin X. war zudem sehr gut mit Ihrer Tochter befreundet.

10

Die Zeugin X. besuchte am 9. Juni 2013 Ihre Tochter in Ihrem Haus, um auch dort zu übernachten. Im Verlauf des Abends verließ zunächst Ihr Sohn, kurz darauf dann Ihre Ehefrau und Ihre Tochter das Wohnzimmer, um sich zu Bett zu begeben, so dass Sie mit der Zeugin X. allein im Wohnzimmer waren. Nachdem Sie sich eine Weile mit der erst 17jährigen Zeugin X. unterhalten hatten, fassten Sie den Entschluss, die Situation auszunutzen, um sexuelle Handlungen an der Zeugin vorzunehmen. Dabei war Ihnen sowohl das Alter der Zeugin bekannt, als auch bewusst, dass Ihnen als Lehrer sexuelle Handlungen an einer Schülerin untersagt sind.

11

Zunächst streichelten Sie der Zeugin über die Arme und den Kopf. Völlig unvermittelt griffen Sie sodann unter das Oberteil der Zeugin an deren Brust und begannen, diese zu „massieren“. Anschließend drehten Sie den Kopf der Zeugin zu sich und küssten sie auf den Mund, wobei Sie mit ihrer Zunge in den Mund der Zeugin eindrangen. Die Zeugin X. war schockiert und erstarrte und konnte sich nicht, weder verbal noch körperlich, zur Wehr setzen. Nun gingen Sie dazu über, die Hose der Zeugin zu öffnen. Während sie die Zeugin weiterhin auf den Mund und die Brüste küssten, führten Sie eine Hand in die Hose an die Scheide der Zeugin und streichelten diese. Im weiteren Verlauf drangen Sie auch mit zwei Fingern in die Scheide der Zeugin ein und bewegten diese hin und her. Erst nach einer Weile schaffte es die Zeugin, aufzustehen und so Ihren Übergriff zu beenden. Als sie das Wohnzimmer verlassen wollte, hielten Sie sie noch kurzzeitig fest und griffen der Zeugin nochmals von hinten in die Hose an deren Gesäß. Erst dann ließen Sie die Zeugin gehen.

12

Nach rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens erhob der Kläger mit Zustimmung des Bezirkspersonalrats am 23. Oktober 2014 die vorliegende Disziplinarklage mit dem Ziel der Entfernung des Beklagten aus dem Dienst. Dem Beklagten wird vorgeworfen, ein Dienstvergehen begangen zu haben, indem er am 9. Juni 2013 seine damalige Schülerin X. in seiner Wohnung in B. sexuell missbrauchte.

13

Der Kläger hat beantragt,

14

den Beamten aus dem Dienst zu entfernen.

15

Der Beklagte hat beantragt,

16

die Klage abzuweisen.

17

Er hat vorgetragen, die Feststellungen des Strafbefehls könnten nicht zu Grunde gelegt werden. Sein Geständnis im Strafverfahren habe er lediglich aus Rücksicht auf seine Familie bzw. die betroffene Schülerin und seine eigenen Kinder abgegeben. Das ihm zur Last gelegte Dienstvergehen habe er tatsächlich nicht begangen. Die Aussagen der einzigen Belastungszeugin seien nicht glaubhaft. Einzelne Textpassagen aus der Vernehmung der Zeugin vom 26. September 2013 deuteten auf ihre eigene desolate familiäre Situation hin. Einen Streit zwischen ihm und seinem Sohn habe es entgegen der Aussage der Zeugin X. an dem besagten Abend nicht gegeben. Die Darstellung der Zeugin zu einer angeblich emotionalen Unterhaltung sei unvollständig. Im Anschluss an dieses Gespräch habe die Zeugin Trost bei ihm gesucht, indem sie ihren Kopf gegen seinen von der Sessellehne herabhängenden Arm gelegt habe. Einzelne Äußerungen seien in einem völlig anderen Kontext gefallen. Die Schilderungen der Zeugin seien zum Teil widersprüchlich. Im Übrigen sei die Zeugin offenkundig in ihn verliebt gewesen. Sie habe auffallend oft den Kontakt zu ihm gesucht. Auf einem Ausflug der Klasse im Mai 2013 habe er ihr sogar aus dem Weg gehen müssen, um sie vor Gerede durch andere Schüler zu schützen. Dass sie angeblich nicht mit ihm über den Vorfall am 9. Juni 2013 habe reden wollen, stehe im Gegensatz zu Telefonaten mit ihm am 29. Juni 2013, bei dem sie ihm zu seinem Geburtstag gratuliert und gesagt habe, dass er „ja mal vorbei kommen“ könne. Auch in der Folgezeit habe die Zeugin massiv versucht, mit seiner Familie Kontakt aufzunehmen. Schriftliche Erklärungen über Facebook ließen darauf schließen, dass die Zeugin falsche Angaben gemacht habe, um ihn zu belasten.

18

Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten durch Urteil vom 23. Juni 2015 aus dem Dienst entfernt. Nach Auffassung der Vorinstanz habe er sich eines Dienstvergehens schuldig gemacht, als er am 9. Juni 2013 gegenüber der Schülerin X. sexuell übergriffig geworden sei. Damit habe der Beklagte sich von den an ihn als Lehrer zu stellenden Anforderungen in einem solchen Maße gelöst, dass ihm nicht mehr das Vertrauen entgegengebracht werden könne, das zur Fortsetzung des Beamtenverhältnisses erforderlich sei; er habe das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren. Demgegenüber lägen keine Milderungsgründe vor, die – auch unter Berücksichtigung seines gesamten Persönlichkeitsbildes – zu einem Absehen von der disziplinaren Höchstmaßnahme führten.

19

Gegen dieses Urteil richtet sich die innerhalb eines Monats nach der am 27. Juli 2015 erfolgten Zustellung eingelegte Berufung des Beklagten. Er hält daran fest, dass er die ihm vorgeworfenen Handlungen nicht begangen habe. Zu Unrecht gehe das Verwaltungsgericht von einer Bindungswirkung der strafgerichtlichen Entscheidung aus. Sein Geständnis habe er nur mit Rücksicht auf seine Familie bzw. die Zeugin X. erklärt. Diese habe er von einer öffentlichkeitswirksamen Hauptverhandlung vor dem Strafgericht bewahren wollen. Die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit sei in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren regelmäßig geringer. Zudem habe er damals noch die Hoffnung gehabt, dass sich ein disziplinargerichtliches Verfahren vermeiden lasse. Sein Geständnis dürfe in seinem Disziplinarverfahren schon aus Rechtsgründen nicht verwertet werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes entfalte sogar ein inhaltsleeres Formalgeständnis, das während einer mündlichen Verhandlung abgegeben worden sei, keine Bindungswirkung.

20

Er bestreite auch weiterhin das ihm zur Last gelegte Dienstvergehen. Die Aussagen der einzigen Belastungszeugin seien nicht glaubhaft. Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht den von ihm gestellten Beweisantrag zur Einholung eines psychologischen Glaubwürdigkeitsgutachtens abgelehnt. Die Einholung dieses Gutachtens hätte ergeben, dass die ihn belastenden Aussagen der Zeugin X. nicht erlebnisfundiert und deshalb keine belastbare Grundlage für eine disziplinarrechtliche Verurteilung seien. Die Aussagen basierten auf einer schriftlichen Ausarbeitung, bei deren Abfassung die ADD geholfen habe. Bei der verwaltungsgerichtlichen Beweiswürdigung sei auch fehlerhaft unberücksichtigt geblieben, dass die Zeugin X. die ADD gebeten habe, von einer disziplinarrechtlichen Ahndung abzusehen. Die Aussagen der Zeugin im Rahmen der kriminalpolizeilichen Vernehmung seien in sich widersprüchlich und stimmten mit dem tatsächlichen Geschehensablauf nicht überein. Die Zeugin verfälsche wesentliche Begleitumstände. So habe es am fraglichen Tag keinen Streit zwischen ihm und seinem Sohn gegeben. Auch weitere Aussagen träfen so nicht zu und seien aus dem Zusammenhang gerissen. Die Zeugin sei offensichtlich in ihn verliebt gewesen. Sie habe stets die Nähe zu ihm gesucht und gegenüber dritten Personen von ihm geschwärmt. Auch nach dem Vorfall habe die Zeugin immer wieder versucht, mit seiner Familie, insbesondere mit seiner Tochter und dem Sohn, Kontakt aufzunehmen. Aufgrund dieser Umstände und wegen Widersprüchen in den Detailschilderungen hätte eine qualifizierte Aussageanalyse durch einen Sachverständigen erfolgen müssen. Dies sei in der Praxis von Strafverfahren bei Sexualdelikten mittlerweile die Regel. Für Disziplinarverfahren könne nichts anders gelten. Bei keiner anderen Deliktsgruppe gäbe es so viele Falschbeschuldigungen wie bei Sexualdelikten. Die Beweiswürdigung durch das Verwaltungsgericht sei auch sonst nicht nachvollziehbar und gehe zu Unrecht von einer Glaubwürdigkeit der Zeugin X. aus. Einzelne Aussagen der Zeugin, etwa zu ihrem Schockzustand bei der angeblichen Tat beziehungsweise zu der Starre, in der sie sich befunden haben will, seien so reduziert worden, dass sie „leicht zu kopieren“ gewesen seien. Dies hätte ein Glaubwürdigkeitsgutachten feststellen können, da in diesen regelmäßig mit der sogenannten Verdachts- bzw. Nullhypothese gearbeitet werde. Diese hypothesengeleitete Prüfung sei der „intuitiven richterlichen Beweiswürdigung ohne genaue Hypothesenbildung und ohne systematische Prüfung von Einzelkriterien“ vorzuziehen. Das Verwaltungsgericht habe des Weiteren die Aussagen seiner Ehefrau ohne Begründung als Gefälligkeitsaussage abgetan. Bei der Bemessung der disziplinarischen Sanktion habe das Verwaltungsgericht wesentliche Gesichtspunkte falsch gewichtet. Insbesondere seien seine bisherigen beruflichen Leistungen nicht zutreffend gewürdigt worden. Auch habe es sich von falschen Kriterien leiten lassen. Es seien zudem Doppelverwertungen zu seinen Lasten vorgenommen worden. Die von der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung geforderte umfassende Würdigung des Persönlichkeitsbildes eines Beamten in einem gerichtlichen Disziplinarverfahren sei in dem angefochtenen Urteil „defizitär“ erfolgt. Sie lasse insbesondere unberücksichtigt, dass ihm, der sich ansonsten unbescholten und in der Berufsausübung tadellos verhalten habe, eine einmalige Impulstat vorgeworfen werde.

21

Der Beklagte beantragt,

22

das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23. Juni 2015 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Trier aufzuheben und die Disziplinarklage abzuweisen.

23

Der Kläger beantragt,

24

die Berufung zurückzuweisen.

25

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung, die er auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens des Beklagten für zutreffend hält.

26

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen X., der Ehefrau, des Sohnes und der Tochter des Beklagten. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 8. März 2016 verwiesen.

27

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Personal-, Verwaltungs- und Disziplinarakten (3 Bände) sowie die Strafakten in dem Strafverfahren 2070 Js 37524/13 (1 Band) verwiesen. Sämtliche dieser Akten lagen dem Senat vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

28

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

29

Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten zu Recht nach § 3 Abs. 1 Nr. 5, § 8 Landesdisziplinargesetz - LDG - aus dem Dienst entfernt. Denn er hat durch sein Verhalten gegenüber der Zeugin X. in der Nacht vom 9. auf den 10. Juni 2013 ein schweres Dienstvergehen begangen (I.). Hierdurch hat der Beklagte das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit in seine Amtsführung endgültig verloren; die Dienstentfernung ist auch unter der Berücksichtigung seines Persönlichkeitsbildes und bei Abwägung aller für und gegen ihn sprechenden Gesichtspunkte geboten (II.). Die Verhängung der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme ist schließlich auch nicht unverhältnismäßig (III.).

30

I. Nach § 47 Abs. 1 Satz 1 Beamtenstatusgesetz - BeamtStG - begeht ein Beamter ein Dienstvergehen, wenn er schuldhaft die ihm obliegenden Pflichten verletzt. Ein Verhalten des Beamten außerhalb des Dienstes ist nach Absatz 1 Satz 2 dieser Vorschrift nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für das Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Ein derart schwerwiegendes außerdienstliches Dienstvergehen hat der Beklagte begangen, als er am späten Abend des 9. Juni 2013 die ihm als Lehrer am G.-Gymnasium zur Erziehung anvertraute Schülerin X. sexuell missbrauchte.

31

1. Ausgangspunkt für die zu treffende Disziplinarentscheidung ist zunächst der im Strafbefehl des Amtsgerichts St. Goar vom 7. Februar 2014 festgestellte Sachverhalt, der auf der Grundlage der Aussagen der Zeugin X. erging, die diese im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren bei ihrer Vernehmung durch die Kriminalinspektion Koblenz am 26. September 2013 gemacht hat. Den sich hieraus in strafrechtlicher Hinsicht ergebenden Tatvorwurf des sexuellen Missbrauchs der in seiner Obhut stehenden Zeugin X. (§ 174 Abs. 1 Nr. 2 Strafgesetzbuch - StGB -) hatte der Beklagte vor Erlass des Strafbefehls gestanden. Er legte gegen den Strafbefehl auch keinen Einspruch ein.

32

Nach dem hiermit in strafrechtlicher Hinsicht rechtskräftig festgestellten Sachverhalt besuchte die zum Tatzeitpunkt 17 Jahre alte Zeugin X. am 9. Juni 2013 die Tochter des Beklagten in dessen Haus, um gemeinsam den Sonntagnachmittag zu verbringen. Nachdem der Beklagte am späten Nachmittag mit seiner Ehefrau von einem Grillfest zurückgekehrt war, entschloss sich die Zeugin X., im Haus des Beklagten zu übernachten. Im Verlauf des Abends verließ zunächst sein Sohn, kurz darauf dann seine Ehefrau und seine Tochter das Wohnzimmer, um sich zu Bett zu begeben, so dass sich der Beklagte in der Folge mit der Zeugin X. allein im Wohnzimmer aufhielt. Nachdem er sich eine Weile mit der erst 17jährigen Zeugin X. unterhalten hatte, fasste er den Entschluss, die Situation auszunutzen, um sexuelle Handlungen an der Zeugin vorzunehmen. Dabei war ihm sowohl das Alter der Zeugin bekannt, als auch bewusst, dass ihm als Lehrer sexuelle Handlungen an einer Schülerin untersagt sind.

33

Zunächst streichelte der Beklagte der Zeugin über die Arme und den Kopf. Völlig unvermittelt griff er sodann unter das Oberteil der Zeugin an deren Brust und begannen, diese zu „massieren“. Anschließend drehte der Beklagte den Kopf der Zeugin zu sich und küsste sie auf den Mund, wobei er mit seiner Zunge in den Mund der Zeugin eindrang. Die Zeugin X. war schockiert und erstarrte und konnte sich weder verbal noch körperlich zur Wehr setzen. Nun ging der Beklagte dazu über, die Hose der Zeugin zu öffnen. Während er die Zeugin weiterhin auf den Mund und die Brüste küsste, führte er eine Hand in die Hose an die Scheide der Zeugin und streichelte diese. Im weiteren Verlauf drang er auch mit zwei Fingern in die Scheide der Zeugin ein und bewegte diese hin und her. Erst nach einer Weile schaffte es die Zeugin, aufzustehen und so den Übergriff des Beklagten zu beenden. Als die Zeugin das Wohnzimmer verlassen wollte, hielt er sie noch kurzzeitig fest und griff ihr nochmals von hinten in die Hose an deren Gesäß. Erst dann ließ er die Zeugin gehen (vgl. zum Vorstehendem im Einzelnen: Strafbefehl des Amtsgerichts St. Goar vom 7. Februar 2014, Az. 2070 Js 37524/13, Bl. 81 f. der Strafakte).

34

2. Auch wenn der Beklagte sein Geständnis nach Rechtskraft des Strafbefehls widerrufen hat (und somit keine Bindungswirkung gemäß § 16 Abs. 1 LDG eintreten kann), so ist er dennoch von dem – denselben Sachverhalt betreffenden – disziplinarrechtlichen Vorwurf nicht freizusprechen. Denn der im Strafbefehl im Einzelnen dargestellte Sachverhalt steht unabhängig davon zur vollen Überzeugung des Senats fest durch die glaubhaften Bekundungen der in der mündlichen Verhandlung am 8. März 2016 vernommenen Zeugin X. Diese hat den im Strafbefehl zusammengefassten Sachverhalt nochmals lebensnah, widerspruchsfrei, ohne erkennbare Belastungstendenzen und auch auf Nachfragen des Gerichts authentisch und damit insgesamt überzeugend geschildert.

35

An der Glaubwürdigkeit der Zeugin bestehen auch unter Berücksichtigung der vom Beklagten vorgebrachten Bedenken keine durchgreifenden Zweifel. Die Zeugin hat in ihrer Vernehmung vor dem Senat nunmehr zum dritten Mal einen im Kern gleichbleibenden und stimmigen Sachverhalt vorgetragen. Sie hat auch auf wiederholtes Nachfragen sowohl gegenüber der Kriminalpolizei als auch vor dem Verwaltungsgericht und dem Senat selbst in Einzelheiten den Vorfall glaubhaft darstellen können. Die vom Beklagten hiergegen vorgebrachten Glaubwürdigkeitsbedenken teilt der Senat nicht.

36

Dies gilt zunächst im Hinblick auf die Frage, ob es am 9. Juni 2013 zwischen einzelnen Mitgliedern der Familie des Beklagten einen Streit gegeben hat. Bei diesem, von der Zeugin eher beiläufig geschilderten, Sachverhaltsdetail kann sogar – zu Gunsten des Beklagten – eine Diskrepanz unterstellt werden. Selbst dies führte nicht zu einer mangelnden Glaubhaftigkeit der übrigen Aussagen der Zeugin. Abgesehen davon, dass es bei der Frage, ob zwei oder mehrere Personen sich streiten oder lediglich einen intensiven Austausch von Argumenten vornehmen, bei jedem Beobachter subjektive Unterschiede in der Bewertung der konkreten Lebenssituation gibt, misst der Senat diesem Detail des Tatgeschehens keine ausschlaggebende Bedeutung für die übrigen Aussagen der Zeugin bei.

37

Für den Senat steht vielmehr ohne vernünftige Zweifel fest, dass sich der sexuelle Übergriff des Beklagten so wie von der Zeugin geschildert zugetragen hat. Dabei ist dem Senat bewusst, dass es für das Tatgeschehen selbst keine weiteren Zeugen gibt. In diesem Fall, in dem „Aussage gegen Aussage“ steht, bedarf es einer eingehenden Bewertung der Glaubhaftigkeit einer belastenden Aussage. Bestünde beim Senat auch nur ein vernünftiger Zweifel, so müsste der Beklagte „in dubio pro reo“ von dem Disziplinarvorwurf freigestellt werden. Derartige Bedenken hat der Senat indessen nicht. Dies ergibt sich nicht nur aus der bereits geschilderten schlüssigen Darstellung des Tatgeschehens durch die Zeugin, sondern auch aus weiteren Indizien, die ihre Darstellung in einer Weise belegen, dass alle Zweifel schweigen.

38

3. Hierzu gehört zunächst das Geständnis des Beklagten. Zwar ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung einem derartigen sog. Formalgeständnis, wie es hier vorliegt, keine Bindungswirkung für ein nachfolgendes Disziplinarverfahren beizumessen (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Juli 2007 - 2 WD 3.06 -, BVerwGE 128, 189 sowie Beschluss vom 1. März 2013 - 2 B 78.12 -, NVwZ-RR 2013, 559). Dennoch besteht ein – wenn auch nur schwaches – Indiz für die Richtigkeit der Feststellungen des Strafbefehls.

39

Der Beklagte hat dem Senat in der mündlichen Verhandlung vom 8. März 2016 keine nachvollziehbare Erklärung dafür abgeben können, warum er gegenüber den Strafverfolgungsorganen die Tat eingeräumt hat, diese jedoch im nachfolgenden Disziplinarverfahren nunmehr abstreitet. Sein vor allem angeführter Grund, er habe seine Familie und die Zeugin vor einer publikumsintensiven Aussage vor dem Strafrichter bewahren wollen, verfängt nicht. Durch den Widerruf seines Geständnisses haben – im Gegenteil – alle Zeugen ihre Aussagen in öffentlichen Verhandlungen abgeben müssen.

40

Seine im Weiteren abgegebene Erklärung für sein früheres Geständnis, er habe seinerzeit noch darauf gehofft, dass sich das Disziplinarverfahren vermeiden lassen werde, ist gleichfalls nicht nachvollziehbar. Der Beklagte war sowohl am Tag seines Geständnisses als auch zu dem Zeitpunkt, als er dieses widerrief, anwaltlich vertreten. Dass sexuelle Verfehlungen von beamteten Lehrern gegenüber Schülern oder Schülerinnen nach der in Fachkreisen bekannten Rechtsprechung der Disziplinargerichte regelmäßig zu entsprechenden disziplinarrechtlichen Verfahren führen, ist nicht nur jedem Anwalt, sondern auch Lehrern hinlänglich bekannt. Der diesbezügliche Vortrag des Beklagten ist hiernach von vornherein ungeeignet, den Widerruf seines Geständnisses nachvollziehbar zu machen.

41

4. Liegt damit schon wegen der nicht nachvollziehbaren Gründe für den Widerruf seines Geständnisses nahe, dass die Tat so wie gegenüber den Strafverfolgungsorganen angegeben stattgefunden hat, so streitet für die Schilderung der Zeugin vor allem die vom Beklagten selbst verfasste E-Mail vom 17. Juni 2013 (Blatt 8 der Strafakte). In dieser heißt es:

42

„Liebe ...,

43

seit über einer Woche versuche ich, mit Dir ein Wort zu wechseln, aber Du bist für mich total abgetaucht. Deshalb versuche ich es jetzt auf diesem Wege, obwohl ich nicht weiß, ob eine E-Mail das richtige Medium ist.

44

Wir müssen das zwischen uns wieder in Ordnung bringen – da hat sich letztens Sonntag Etwas verselbstständigt, und ich mache das mir zum Vorwurf. Wir haben so viel Gemeinsames, schon gemacht und noch vor uns – wirf‘ das bitte nicht weg: mir ist das sehr wichtig, und ich denke, Dir auch.

45

Lass es bitte wieder gut sein zwischen uns, laß uns reden – und lauf‘ nicht weiter weg.“

46

Mit dieser E-Mail bittet der Beklagte die Zeugin ganz offensichtlich um ein klärendes Gespräch, weil sich an dem Tattag „Etwas verselbstständigt“ habe. Dieses „Etwas“ kann bei lebensnaher Betrachtung nichts anderes sein als der von der Zeugin geschilderte sexuelle Übergriff am späten Abend des 9. Juni 2013. Jedenfalls hat der Beklagte insofern keine andere Erklärung abgegeben. Da der Beklagte zum Zeitpunkt der Abfassung der E-Mail am 17. Juni 2013 – wie es dort heißt – bereits „seit über einer Woche“ versucht hatte, mit der Zeugin zu sprechen, kann sich die Formulierung „letztens Sonntag“ nur auf den 9. Juni 2013 beziehen.

47

Der Beklagte wurde zu dieser E-Mail vom Senat in der mündlichen Verhandlung vom 8. März 2016 eingehend befragt. Eine nachvollziehbare Darstellung, dass es sich bei dem, was sich an dem besagten Sonntagabend „verselbstständigt“ hat nicht um den hier in Rede stehenden sexuellen Übergriff handeln könnte, hat er dem Senat nicht geben können. Seine Ausführungen hierzu waren vielmehr ausweichend und inhaltlich ohne Substanz. Nach alledem ist ohne vernünftige Zweifel nachgewiesen, dass er sich dieser Verfehlung schuldig gemacht hat.

48

5. Die Einholung eines psychologischen Glaubwürdigkeitsgutachtens ist nach alledem nicht erforderlich. Die Beurteilung der Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen sowie der Nachvollziehbarkeit von Aussagen eines Beteiligten gehört zu den selbstverständlichen und ihm von der Rechtsordnung zugewiesenen originären Aufgaben eines jeden Richters. Glaubwürdigkeitsgutachten sind deshalb nach gefestigter Rechtsprechung nur dann erforderlich, wenn es um die Aussagen Minderjähriger oder um die Beurteilung einer psychischen Störung geht, deren Auswirkungen auf die Aussagetüchtigkeit spezifisches Fachwissen erfordert (BGH, Urteile vom 19. Februar 1997 - 5 StR 621/96 -, und vom 5. Dezember 1986 - 2 StR 301/86 -, sowie Beschluss vom 5. März 2013 - 5 StR 39/13 -, sämtlich juris). Da das Vorliegen einer psychischen Störung selbst vom Beklagten nicht behauptet wird, wäre ein Glaubwürdigkeitsgutachten allenfalls infolge des zum Tatzeitpunkt jugendlichen Alters der Zeugin X. denkbar. Dem ist jedoch vorliegend schon deshalb nicht weiter nachzugehen, weil die Zeugin ihre Aussagen sowohl in der Vorinstanz als auch vor dem Senat in einem Alter gemacht hat, in dem sie bereits volljährig war. Deshalb drängt sich die vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 8. März 2016 angeregte Beweiserhebung nicht auf.

49

Der Senat hat zu Gunsten des Beklagten erwogen, ob sich insofern in entsprechender Anwendung der im Jugendstrafrecht für Heranwachsende geltenden Regeln ein Glaubwürdigkeitsgutachten für die zum Aussagezeitpunkt erst 18 beziehungsweise 19 Jahre alten Zeugin X. aufdrängen konnte. Auch dies ist jedoch nicht der Fall. Die Zeugin hat nicht nur vor dem Verwaltungsgericht, sondern auch bei ihrer Befragung durch den Senat am 8. März 2016 keinesfalls den Eindruck einer unreifen Person hinterlassen, bei der infolge einer noch nicht voll entwickelten Persönlichkeit die Einholung eines psychologischen Glaubwürdigkeitsgutachtens naheliegend wäre. Vernünftige Zweifel an der Richtigkeit des von der Zeugin dargestellten Tatgeschehens bestehen auch von daher nicht.

50

Die vom Beklagten bereits erstinstanzlich angeführten Textzitate, unter anderem eine in einem sozialen Internet-Netzwerk versandte Nachricht vom 14. September 2013, sowie die Textzeile in ihrem „Status“ in einem Kurzmitteilungssystem („WhatsApp“) stehen dem vorstehendem Ergebnis nicht entgegen. In der Nachricht vom 14. September 2013 heißt es: “Liebe K., ich freue mich schon sehr auf unsere gemeinsame Zeit im Gefängnis! Das Gewehr ist schon poliert und wird seinen Zweck sicherlich erfüllen, da du die Tat ausführen wirst und ich nur der denkende Kopf im Hintergrund bin, wirst du leider mehr Jahre hinter Gittern verbringen als ich, aber du befindest dich ja dort in guter Gesellschaft. Und denk immer dran: Das Leben ist zum Lachen da, drum nehm ich Psychopharmaka!“. Der Status-Text lautet: „I ain´t here for your empathy, I don’t need your apology or your friendship or sympathy – it´s revenge that I seek to”. Aus diesen Texten kann – entgegen der Auffassung des Beklagten – nicht geschlossen werden, dass die Zeugin Rache suche. Im Hinblick auf den ersten Text hat die Zeugin klargestellt, dass sich die Nachricht an eine andere Person namens „K.“ und nicht an die Tochter des Beklagten richtete. Ein Teil des Textes sei aus dem Lied einer deutschen Gruppe („Die Ärzte“) entlehnt. Hinsichtlich des vom Beklagten angeführten WhatsApp-Status ist gleichfalls kein Bezug zum Beklagten zu finden, da sich diese Textzeile, die gleichfalls aus einem Liedtext (des amerikanischen Rappers „Eminem“) stammt, an alle Leser des Kurznachrichtendienstes richtet. Eine Verbindung zum Beklagten kann deshalb gleichfalls nicht hergestellt werden.

51

Die Aussagen der in der mündlichen Verhandlung vom 8. März 2016 vernommenen Zeugen – der Ehefrau, der Tochter und des Sohnes des Beklagten – waren nicht geeignet, die aufgrund der glaubhaften Aussagen der Zeugin X. und der sonstigen Indizien feststehende Verfehlung des Beklagten in Zweifel zu ziehen. Soweit seine beiden Kinder betroffen sind, so haben diese keine substantielle Aussage zum Tatgeschehen machen können. Sie haben zur fraglichen Zeit geschlafen.

52

Die Ehefrau des Beklagten hat zwar zum Tatzeitpunkt noch nicht geschlafen. Eine ihren Ehemann entlastende Aussage ließ sich aus ihren nur im Vagen bleibenden und weitgehend im Unbestimmten gehaltenen Äußerungen indes nicht ableiten. Die von der Zeugin X. geschilderten Übergriffe (das Greifen an die Brust, mehrere „Zungenküsse“ und das Befingern ihres Intimbereichs) sind für eine nicht in demselben Raum befindliche Person (akustisch) praktisch nicht wahrnehmbar. Die Ehefrau des Beklagten befand sich jedoch zur fraglichen Tatzeit in dem durch zwei Türen vom Wohnzimmer getrennten Schlafzimmer.

53

II. Der Beklagte hat die ihm als Lehrer obliegenden Pflichten vorsätzlich in besonders schwer wiegender Weise verletzt und sich damit für einen Verbleib im öffentlichen Schuldienst untragbar gemacht. Durch sein Verhalten hat er das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit in seine Amtsführung nach § 11 Abs. 2 Satz 1 LDG endgültig verloren (1.). Wegen dieses endgültigen und nicht mehr umkehrbaren Vertrauensverlustes ist die Dienstentfernung auch unter der Berücksichtigung seines Persönlichkeitsbildes und bei der gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 LDG erforderlichen Abwägung aller für und gegen ihn sprechenden Gesichtspunkte geboten (2.). Durchgreifende Milderungsgründe, die ein Absehen von der Höchstmaßnahme rechtfertigen könnten, sind nicht erkennbar (3.).

54

1. Zu den elementaren und im Interesse der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes unabdingbaren beamtenrechtlichen Verhaltensgeboten gehört es, dass der Beamte sich innerhalb und außerhalb des Dienstes achtungs- und vertrauenswürdig verhält (§ 34 Satz 3 BeamtStG), das heißt sein Verhalten gesetzmäßig ist und er insbesondere nicht gegen Strafgesetze verstößt. Gegen diese Pflicht hat der Beklagte durch den sexuellen Übergriff auf die ihm zum Tatzeitpunkt zur schulischen Erziehung anvertraute minderjährige Zeugin X. verstoßen. In der Regel stellen sexuelle Handlungen zwischen Schülern und Lehrern – und zwar unabhängig von ihrer strafrechtlichen Relevanz – für Letztere stets ein sehr schweres Dienstvergehen dar (a). Dieses hat jedenfalls dann, wenn der betroffene Schüler zum Tatzeitpunkt minderjährig war, regelmäßig die Entfernung aus dem Dienst zur Folge (b), falls nicht gewichtige und durchgreifenden Milderungsgründe dem entgegenstehen.

55

a) Gemäß § 25 Abs. 1 Schulgesetz - SchulG - gestalten Lehrkräfte Erziehung und Unterricht im Rahmen der für die Schule geltenden Rechtsvorschriften. Die Verpflichtungen der Schule ihren Schülern sowie deren Eltern gegenüber sind damit wesentliche Bestandteile der Dienstpflichten der Lehrerinnen und Lehrer. Im Mittelpunkt dieser Pflichten steht der staatliche Erziehungsauftrag (vgl. Art. 33 Verfassung für Rheinland-Pfalz - LV -, § 1 SchulG), der durch die Vermittlung von Werten, insbesondere der Achtung und Wahrung persönlicher Würde im Zusammenleben der Menschen, und der unabdingbaren Integrität amtlicher Aufgabenträger in einem demokratischen Gemeinwesen geprägt ist (vgl. OVG RP, Urteil vom 12. März 2002 - 3 A 11870/01.OVG -). Das Verhalten des Lehrers muss daher gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 SchulG eine Erziehung der Schüler zu eigenverantwortlichem Handeln mit dem Ziel der freien Entfaltung der Persönlichkeit sowie der Ermöglichung einer Orientierung in der modernen Welt gewährleisten. Es hat darüber hinaus das elterliche Erziehungsrecht zu achten und darf insbesondere nicht geeignet sein, das vertrauensvolle und partnerschaftliche Zusammenwirken von Schule und Eltern im Sinne des § 2 Abs. 3 SchulG zu gefährden.

56

Diese einfachrechtliche Ausgestaltung der Dienstpflichten der Lehrer entspricht den Vorgaben der rheinland-pfälzischen Landesverfassung. Danach haben Lehrer ihr Amt im Sinne der Grundsätze der Verfassung auszuüben (vgl. Art. 36 LV). Als staatliche Handlungsorgane haben sie ebenso das Recht der Schüler auf Entwicklung ihrer körperlichen und geistigen Anlagen sowie auf die freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit zu achten wie sie verpflichtet sind, deren persönliche Freiheit und Selbständigkeit zu schützen und ihr Wohlergehen zu fördern (vgl. Art. 1 Abs. 1 und 2 LV). Über diese – für alle Beamten geltenden – Pflichten hinaus sind sie zudem insbesondere verpflichtet, die Jugend zu sittlicher Haltung zu erziehen (vgl. Art. 33 LV) und das Recht der Eltern, über die Erziehung ihrer Kinder zu bestimmen (vgl. Art. 27 Abs. 1 LV), zu beachten.

57

Ein Verstoß gegen strafrechtliche Vorschriften zum Schutz von Kindern und Jugendlichen verletzt – unabhängig davon, ob er inner- oder außerhalb des Dienstes erfolgte – diese Dienstpflichten. Derartige Straftaten stellen nämlich die Eignung des Lehrers, die körperliche und geistige Integrität von Kindern zu wahren, grundsätzlich in Frage. Ein solcherart strafrechtlich relevantes Verhalten lässt daher selbst dann, wenn es nicht im unmittelbaren schulischen Umfeld erfolgte, Rückschlüsse auf die Dienstausübung im Amt zu. Zugleich beeinträchtigt es den Beamten in seiner Dienstausübung, weil die vorgenannten Zweifel an seiner Integrität nicht nur das Vertrauen des Dienstherrn, sondern insbesondere auch das der Eltern in die Ordnungsgemäßheit seines Umgangs mit den ihm anvertrauten Schülern zumindest in erheblichem Maße beeinträchtigt, wenn nicht gar beseitigt. Dem für ein funktionierendes Schulwesen und eine gemeinschaftliche Erziehung der Kinder unabdingbaren Vertrauensverhältnis zwischen Schule und Eltern wird damit die Grundlage entzogen.

58

Auch dann, wenn hierdurch kein Straftatbestand erfüllt wird, verletzt ein Lehrer, der sich sexueller Übergriffe schuldig macht oder der sexuelle Handlungen zwischen ihm und Schülern zulässt, seine Dienstpflichten. Dies gilt unabhängig vom Alter der betroffenen Schüler sowie davon, ob die Handlungen mit deren (vermeintlichem) Einverständnis erfolgen.

59

Die Wahrung der Integrität der Schüler, die Pflicht zur Gewährleistung ihrer behutsamen persönlichen Entwicklung sowie Anspruch und Vertrauen der Eltern darauf, dass Lehrer das (aufgrund der allgemeinen Schulpflicht letztlich erzwungene) Obhut- und Näheverhältnis zu den Schülern nicht zur Verfolgung eigener Bedürfnisse ausnutzen, verpflichten den Lehrer dazu, sich in sexueller Hinsicht uneingeschränkt korrekt – in Wort wie in Tat – zu verhalten. Körperliche Distanz hat daher das Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern auch dann zu prägen, wenn der Schüler mit deren Aufgabe vordergründig einverstanden ist (vgl. BayVGH, Urteil vom 27. Oktober 2004 - 16a D 03.2067 -, juris).

60

b) Diese Verpflichtung besteht selbst volljährigen Schülern gegenüber. Mag auch mit zunehmendem Alter die Fähigkeit zur Selbstbestimmung wachsen, wirkt doch der Anspruch der Eltern darauf, dass sich die sexuelle Entwicklung ihrer Kinder im Rahmen des Normalen, d. h. insbesondere innerhalb der eigenen Altersgruppe und unabhängig von zumindest potentiellen Abhängigkeitsverhältnissen vollzieht, über den Zeitpunkt von deren Volljährigkeit hinaus fort. Ihn zu achten, ist die Schule – und damit auch der Lehrer – weiterhin verpflichtet. Selbst bei volljährigen Schülern besteht Lehrern gegenüber allein schon aufgrund ihres Status sowie des Altersunterschiedes ein erhebliches Ungleichverhältnis. Hinzu kommt, dass durch das Eingehen intimer Verhältnisse zu Schülern das – für die Ordnungsgemäßheit des Schulbetriebs gleichfalls unabdingbare – Vertrauen in die Unvoreingenommenheit der Lehrer sowie nicht zuletzt in die Gleichbehandlung aller Schüler in erheblichem Maße beeinträchtigt wird (vgl. OVG RP, Urteil vom 24. Februar 2012 - 3 A 11426/11.OVG -, AS 41, 60 [63]).

61

2. Dieses Dienstvergehen führt zu einem endgültigen Vertrauensverlust sowohl des Dienstherrn als auch der Allgemeinheit. Deshalb ist der Beklagte nicht mehr tragbar und aus dem öffentlichen Dienst zu entfernen (vgl. § 11 Abs. 2 Satz 1 LDG).

62

a) Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 LDG bemisst sich die Disziplinarmaßnahme – unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten – vorrangig danach, in welchem Umfang dieser seine Pflichten verletzt und das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit beeinträchtigt hat. Sexuelle Handlungen zwischen Lehrern und Schülern führen danach jedenfalls dann, wenn der betroffene Schüler minderjährig war, regelmäßig zur Entfernung des Beamten aus dem Dienst, sofern nicht ausnahmsweise besonders außergewöhnliche Milderungsgründe vorliegen.

63

b) Sexuelle Übergriffe auf Minderjährige sind in zweifacher Hinsicht persönlichkeits- und sozialschädlich: Sie stellen einen unnatürlichen Eingriff in die sittliche Entwicklung der Betroffenen dar, den diese wegen ihrer noch nicht ausreichend fortgeschrittenen Reife intellektuell und gefühlsmäßig nicht verarbeiten können. Derartige Verhaltensweisen greifen in die sittliche Entwicklung eines jungen Menschen ein und gefährden nachhaltig die harmonische Entfaltung seiner Persönlichkeit sowie seine Einordnung in die Gemeinschaft. Dem Opfer werden – typischerweise – erhebliche zumindest seelische Schäden zugefügt, deren Folgen ein ganzes Leben lang andauern können. Zugleich benutzt der Täter die Betroffenen als Mittel zur Befriedigung seiner geschlechtlichen Triebe. Eine solche Herabminderung des Kindes oder Jugendlichen zu einem bloßen Objekt der Sexualität verletzt deren Menschenwürde und Persönlichkeitsrecht in elementarster Weise (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Juli 1987 - 1 D 141.86 -, BVerwGE 83, 303 [304 f.]; BayVGH, Urteil vom 15. Dezember 2010 - 16a D 08.1287 -, juris).

64

c) Sexuelle Handlungen zwischen Lehrern und Schülern sind disziplinarisch selbst dann nicht von geringerem Gewicht, wenn sie im Einvernehmen mit dem Schüler erfolgen (vgl. VGH BW, Urteil vom 7. Juni 2011 - DL 13 S 1826/10 -, juris). Hieraus folgt zugleich, dass die Frage, ob ein Lehrer sich etwa durch Anreize oder Provokationen einer Schülerin zu seinem Handeln hat verleiten lassen, auf den Ansehens- und Vertrauensverlust keinen Einfluss hat.

65

Kinder und Jugendliche befinden sich in einer starken Prägungsphase und suchen besonders nach emotionaler Zuwendung, Anerkennung, Verständnis und Zuneigung. Lehrer sollen die geistigen, seelischen und körperlichen Fähigkeiten der heranwachsenden jugendlichen Menschen fördern und ihre Persönlichkeit weiterentwickeln. Diesen Erziehungsauftrag können sie glaubwürdig und überzeugend jedoch nur erfüllen, wenn sie ihr Verhältnis zu den Schülern auch dann von sexuellen Beziehungen und Handlungen jeder Art ausnahmslos freihalten, wenn sie sich Anreizen ausgesetzt fühlen (vgl. NdsOVG, Urteil vom 12. Januar 2010 - 20 LD 13/07 -, juris). Von einem ausgebildeten Pädagogen ist zu erwarten, dass er derartige Situationen, mit denen sich ein Lehrer stets konfrontiert sehen kann, emotional, intellektuell und lebenspraktisch zu meistern versteht und die gebotene Distanz wahrt (vgl. BayVGH, Urteil vom 15. Dezember 2010 - 16a D 08.1287 -, juris).

66

d) Neben den schädlichen Auswirkungen auf die seelische und soziale Entwicklung der Kinder und Jugendlichen bestimmt auch die Beeinträchtigung des – schulgesetzlich besonders geschützten – Vertrauens der Eltern in erheblicher Weise das Ausmaß des Vertrauensverlustes.

67

Eltern müssen sich ebenso wie ihre Kinder darauf verlassen können, dass Lehrer weder das durch die Schulpflicht begründete staatliche Obhut- und Näheverhältnis noch die Wehrlosigkeit Minderjähriger gegenüber Personen, die ihnen aufgrund des Altersunterschieds sowie kraft Amtes als Respektpersonen gegenübertreten und denen sie gehorchen sollen, oder die mit dem Heranwachsen einhergehenden emotionalen Unsicherheiten zur Befriedigung des Sexualtriebs ausnutzen. Dieses berechtigte, für ein partnerschaftliches Zusammenwirken von Eltern und Schule und damit für die Erfüllung des staatlichen Erziehungsauftrags unabdingbare Vertrauen wird durch sexuelle Handlungen zwischen Lehrern und Schülern oder Schülerinnen grundlegend zerstört. Bei einem Bekanntwerden derartiger Vorfälle ist deshalb davon auszugehen, dass nicht nur die Schüler, sondern auch ihre Eltern dem Lehrer nicht mehr ohne erhebliche Vorbehalte gegenüber treten können. Ihnen ist nicht zuzumuten, ihre Kinder in die Obhut einer Schule zu geben, die nicht gewährleisten kann, dass die Kinder dort vor Nachstellungen oder Übergriffen von Lehrern sicher sind. Aufgrund der zu erwartenden weitreichenden Ablehnung eines solchen Lehrers könnte ein ordnungsgemäßer Schulbetrieb nur dadurch aufrecht erhalten werden, dass sich der Dienstherr darum bemühte, eine Kenntnisnahme der Eltern von dem Fehlverhalten des Beamten zu verhindern. Sollte es zu weiteren Vorfällen kommen, müsste er dann jedoch mit – berechtigten – Vorwürfen rechnen, Schüler sehenden Auges einer Gefährdung ihrer Entwicklung ausgesetzt zu haben (vgl. OVG RP, Beschluss vom 25. März 2011 - 3 B 10048/11.OVG -). Dies widerspräche dem staatlichen Schutzauftrag in elementarster Weise; der Kläger ist vielmehr von Verfassungs wegen gehalten, sexuell anstößiges Verhalten von Lehrern gegenüber Kindern und Jugendlichen umgehend aufzugreifen und einer disziplinarischen Klärung zuzuführen.

68

e) Aus diesen Gründen versagt ein Lehrer, der sexuelle Handlungen an minderjährigen Schülern oder Schülerinnen vornimmt und damit zeigt, dass ihm die Befriedigung eigener sexueller Bedürfnisse wichtiger ist als die unbeeinträchtigte Entwicklung von Kindern und Jugendlichen, in besonders gravierender Weise im Kernbereich seiner dienstlichen Pflichten. Dies führt zwangsläufig sowohl bei dem Dienstherrn als auch bei der Allgemeinheit, insbesondere bei den Schülern und ihren Eltern, einen nicht wiederherzustellenden Vertrauensverlust herbei (vgl. OVG RP, Urteil vom 22. Oktober 2002 - 3 A 11064/02.OVG -, juris). Derartige Dienstvergehen haben daher in aller Regel die Entfernung aus dem Dienst zur Folge.

69

3. Außergewöhnliche Milderungsgründe, die möglicherweise ein Absehen von der disziplinarischen Höchststrafe rechtfertigen könnten, sind vorliegend nicht ersichtlich.

70

a) Insbesondere rechtfertigt der Hinweis des Beklagten, ihm werde lediglich ein einmaliger Übergriff vorgeworfen, nicht seinen Verbleib im Beamtenverhältnis. Die Gesellschaft steht sexuellen Beziehungen zwischen Erwachsenen und Minderjährigen auch dort, wo sie nicht strafbewehrt sind, derart ablehnend gegenüber, dass solche Handlungen die Überwindung einer erheblichen Hemmschwelle erfordern. Schon ein einmaliger Vorfall belegt daher ein Ausmaß an Pflichtvergessenheit, welches ein Vertrauen darauf, ein Wiederholungsfall sei ausgeschlossen, nicht mehr erlaubt.

71

b) Der Annahme eines irreversiblen Vertrauensverlustes kann der Beklagte darüber hinaus nicht entgegenhalten, dass es sich ausweislich der gegen ihn im Strafbefehl des Amtsgerichts St. Goar auf Bewährung verhängten zehnmonatigen Freiheitsstrafe lediglich um einen Strafausspruch im unteren Bereich des Strafmaßes bei einem sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen handele.

72

Die im Disziplinarverfahren auszusprechende Sanktion bemisst sich gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 LDG maßgeblich nach Art und Ausmaß der Pflichtverletzung und des Vertrauensverlustes. Welche Disziplinarmaßnahme angemessen ist, hängt deshalb nicht davon ab, ob das Fehlverhalten des Beamten zugleich einen Straftatbestand erfüllt (vgl. BayVGH, Urteil vom 15. Dezember 2010 - 16a D 08.1287 -, juris). Strafrechtliche Sanktionen wirken sich disziplinarisch lediglich insofern aus, als eine Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr oder wegen einer der in § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeamtStG genannten Taten zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten gemäß § 24 Abs. 1 BeamtStG von Gesetzes wegen zur Beendigung des Beamtenverhältnisses führt. Darüber hinaus berühren sich Straf- und Disziplinarrecht nur insoweit, als ein inner- oder außerdienstliches Verhalten, das zugleich strafrechtliche Vorschriften zum Schutz von Kindern und Jugendlichen verletzt, regelmäßig zur Entfernung eines Lehrers aus dem Dienst führt. Darauf, ob und in welchem Umfang es eine strafrechtliche Verurteilung nach sich zieht, kommt es hingegen ebenso wenig an wie auf den Strafrahmen der in Betracht kommenden Strafnormen.

73

Straf- und Disziplinarverfahren sind von unterschiedlichen Zwecksetzungen geprägt. Die Kriminalstrafe dient – neben der Abschreckung und Besserung – der Sühne für begangenes Unrecht gegen den allgemeinen Rechtsfrieden. Im Strafrecht wird damit – anders als im Disziplinarrecht – in erster Linie ein gesellschaftliches Unwerturteil ausgesprochen. Es unterscheidet sich daher sowohl hinsichtlich der Voraussetzungen als auch nach Wesen und Zweck grundlegend von der Disziplinarmaßnahme, welche an einen Vertrauensverlust im Rahmen des Beamtenverhältnisses anknüpft und darauf ausgerichtet ist, einen geordneten und integren Dienstbetrieb aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Mai 1995 - 2 WD 5.95 -, BVerwGE 103, 233 [236]; OVG RP, Urteil vom 22. Oktober 2002 - 3 A 11064/02.OVG -, juris).

74

Mit der Strafandrohung bringt der Gesetzgeber daher – ebenso wie das Strafgericht bei der Festsetzung des Strafmaßes – allein seine Einschätzung zum strafrechtlichen Unwert eines Verhaltens zum Ausdruck. Das Ausmaß des Ansehens- und Vertrauensschadens hingegen bemisst sich allein nach dienstlichen und disziplinarrechtlichen Maßstäben. Eine der strafrechtlichen Bewertung verhaftete Betrachtung führte hingegen zu dem widersprüchlichen Ergebnis, dass ein Beamter unter Umständen zwar wegen eines Verhaltens, das – wie etwa das unentschuldigte Fernbleiben vom Dienst oder die ungenehmigte Ausübung von Nebentätigkeiten in Zeiten der Dienstunfähigkeit – noch nicht einmal einen Straftatbestand erfüllt, aus dem Dienst entfernt werden kann, nicht aber wegen eines Dienstvergehens, welches nicht nur dienstrechtswidrig, sondern sogar strafbewehrt ist. Gerade im Falle eines das Wohl von Kindern und Jugendlichen erheblich beeinträchtigenden Sexualverhaltens von Lehrern ist zudem nicht ersichtlich, wie der Strafrahmen oder sonstige strafrechtliche Bewertungen die Besorgnis der Eltern und des Dienstherrn verringern sollten, es könne künftig zu Übergriffen auf (weitere) Schüler kommen.

75

c) Auch unter Berücksichtigung seines Persönlichkeitsbildes und bei Abwägung aller für und gegen ihn sprechenden Gesichtspunkte ist seine Entfernung aus dem Dienst erforderlich.

76

Maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der disziplinaren Maßnahme ist die Schwere des Dienstvergehens. Sie beurteilt sich zum einen nach Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale). Zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen der Pflichtenverstöße für den dienstlichen Bereich und für Dritte.

77

Das Bemessungskriterium „Persönlichkeitsbild“ des Beamten erfasst dessen persönliche Verhältnisse und sein sonstiges dienstliches Verhalten vor und nach der Tat. Es erfordert eine Prüfung, ob das festgestellte Dienstvergehen mit dem bisher gezeigten Persönlichkeitsbild des Beamten übereinstimmt oder etwa als persönlichkeitsfremdes Verhalten in einer Notlage oder einer psychischen Ausnahmesituation davon abweicht. Einen Aspekt des Persönlichkeitsbildes stellt auch tätige Reue dar, wie sie durch die freiwillige Wiedergutmachung des Schadens oder die Offenbarung des Fehlverhaltens jeweils noch vor der drohenden Entdeckung zum Ausdruck kommt.

78

Das Bemessungskriterium „Umfang der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit“ erfordert eine Würdigung des Fehlverhaltens des Beamten im Hinblick auf seinen allgemeinen Status, seinen Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung und seine konkret ausgeübte Funktion.

79

Aus den gesetzlichen Vorgaben des § 11 Abs. 1 LDG folgt die Verpflichtung der Verwaltungsgerichte, aufgrund einer prognostischen Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller im Einzelfall belastenden und entlastenden Gesichtspunkte zu befinden, ob der Beamte auch künftig in erheblicher Weise gegen Dienstpflichten verstoßen wird, oder ob die durch sein Fehlverhalten herbeigeführte Beeinträchtigung des Ansehens des Berufsbeamtentums bei einer Fortsetzung des Beamtenverhältnisses nicht wiedergutzumachen ist. Ergibt die prognostische Gesamtwürdigung, dass ein endgültiger Vertrauensverlust noch nicht eingetreten ist, haben die Verwaltungsgerichte diejenige Disziplinarmaßnahme zu verhängen, die erforderlich ist, um den Beamten zur künftigen Beachtung der Dienstpflichten anzuhalten und der Ansehensbeeinträchtigung entgegenzuwirken (vgl. zum Vorstehenden: BVerwG, Urteil vom 3. Mai 2007 - 2 C 9.06 -, NVwZ-RR 2007, 695; Beschluss vom 14. Mai 2012 - 2 B 146.11 -, NVwZ-RR 2012, 658; stRspr.).

80

Vorliegend überwiegen die Erschwerungsgründe die für den Beamten sprechenden Gesichtspunkte bei Weitem. Durch sein Verhalten hat der Beklagte gegen die ihm als Lehrer obliegende Verpflichtung verstoßen, sich auch außerhalb des Dienstes in einer Weise zu verhalten, die der Achtung und dem Vertrauen gerecht wird, die sein Beruf und das Ansehen des öffentlichen (Schul-)Dienstes erfordern. Demgegenüber sind die zu seinen Gunsten sprechenden Milderungsgründe nicht von einem solchen Gewicht, dass von der Verhängung der höchsten Disziplinarmaßnahme abgesehen werden könnte.

81

Vorliegend sind die Voraussetzungen für die Verhängung der höchsten Disziplinarmaßnahme der Dienstentfernung auch unter Einbeziehung des gesamten Persönlichkeitsbildes des Beamten gegeben. Zwar ist sein Verteidigungsverhalten nicht zu seinen Lasten zu würdigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Mai 2015 - 2 B 32.14 -, juris). Allerdings ist das hohe Eigengewicht der Tat beachtlich. Die ihm insofern allenfalls zur Seite stehenden Milderungsgründe der straf- und disziplinarrechtlichen Unbescholtenheit müssen demgegenüber in ihrer Bedeutung zurücktreten.

82

Auch die in der Vergangenheit vom Beklagten gezeigten Leistungen können den Beklagten nicht durchgreifend entlasten. Hierbei handelt es sich – neben seiner straf- und disziplinarrechtlichen Unbescholtenheit – um den einzigen weiteren erkennbaren Milderungsgrund. Diese sind allerdings nicht geeignet, die Schwere des Dienstvergehens so zu relativieren, dass deshalb bei einem Beamten, der sich untragbar gemacht hat, von einer Dienstentfernung abgesehen werden könnte.Insofern überwiegen die Erschwerungsgründe, vor allem das hohe Eigengewicht der Tat, die für ihn sprechenden Umstände bei weitem.

83

III. Hat sich der Beklagte somit eines Dienstvergehens schuldig gemacht, welches zum vollständigen Vertrauensverlust führt, so begegnet die Entfernung aus dem Dienst auch keinen Bedenken im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Insofern hat der Senat die vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 8. März 2016 geschilderten, zum Teil schwerwiegenden Folgen in persönlicher Hinsicht in seine Maßnahmeerwägungen einbezogen. Einer disziplinarrechtlichen Dienstentfernung stehen sämtliche dieser Umstände aber nicht entgegen. Die darin liegende Härte ist für den Betroffenen nicht unzumutbar, weil sie auf zurechenbarem Verhalten beruht und einem anerkannten Ziel des Disziplinarrechts, nämlich der Aufrechterhaltung der Integrität und Funktionsfähigkeit des Berufsbeamtentums im Interesse der Allgemeinheit, dient. Wegen des endgültigen Vertrauensverlustes ist es dem Kläger auch nicht zuzumuten, dem Beklagten eine andere Verwendung innerhalb des Beamtenverhältnisses zu ermöglichen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 22. November 2001 - 2 BvR 2138/00 -, NVwZ 2002, 467; OVG RP, Urteil vom 12. Juli 2007 - 3 A 10296/07.OVG -, juris Rn. 36).

84

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 101 Abs. 1 LDG.

85

V. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 21 LDG i.V.m. § 167 Abs. 2 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 Zivilprozessordnung.

Zur Entschädigung in Land (§ 1 Abs. 1 Nr. 3) oder zur Unterbringung von Personen, Betrieben und öffentlichen Einrichtungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 5) soll, unbeschadet der Vorschriften in § 16, in erster Linie zurückgegriffen werden auf den Grundbesitz der Körperschaften des öffentlichen Rechts (Bund, Länder, Gemeinden, Gemeindeverbände usw.) sowie der Stiftungen und sonstigen zweckgebundenen Vermögen mit und ohne Rechtspersönlichkeit, die der Aufsicht des Bundes oder der Länder unterliegen oder ihrer Verwaltung unterstehen.

Gründe

1

Die sinngemäß auf die Grundsatzrüge und auf Verfahrensmängel (§ 66 Abs. 1 ThürDG i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO) gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

2

1. Der Beklagte steht als Justizvollzugsobersekretär (BesGr A 7) im Dienst des Klägers. Mit rechtskräftigem amtsgerichtlichem Urteil vom 13. Dezember 2005 wurde er wegen Bestechlichkeit zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Nach den Feststellungen des Strafurteils gestattete der Beklagte einem Strafgefangenen zwischen 2001 und 2002 die Überziehung der Ausgänge und das ungenehmigte Verlassen der offenen Vollzugsabteilung, die dieser u.a. für Drogengeschäfte nutzte. Hierfür erhielt der Beklagte 250 €. Im sachgleichen Disziplinarklageverfahren hat ihn das Verwaltungsgericht aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Seine hiergegen eingelegte Berufung ist erfolglos geblieben.

3

2. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, § 66 Abs. 1 ThürDG, wenn sie eine konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche, noch ungeklärte Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf. Gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, § 66 Abs. 1 ThürDG obliegt es dem Beschwerdeführer, diese Voraussetzungen darzulegen (Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> = Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 18 S. 21 f.). Hieran fehlt es bereits. Die Beschwerde formuliert weder konkrete Fragen noch zeigt sie auf, worin deren grundsätzliche Bedeutung liegen könnte. Selbst wenn man ihr sinngemäß Rechtsfragen zur Bedeutung der unangemessen langen Dauer des Disziplinarverfahrens und zur Maßnahmebemessung entnehmen könnte, rechtfertigen diese nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung.

4

a) In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass die unangemessene Dauer des Disziplinarverfahrens es auch im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Mai 2002 (BGBl II S. 1055) - EMRK - nicht rechtfertigt, von der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis abzusehen, wenn diese Maßnahme disziplinarrechtlich geboten ist (stRspr; zuletzt Urteile vom 28. Februar 2013 - BVerwG 2 C 3.12 - ZBR 2013, 257 Rn. 44 ff. sowie - BVerwG 2 C 62.11 - DokBer 2013, 183 Rn. 59 ff. und vom 25. Juli 2013 - BVerwG 2 C 63.11 - Rn. 36 ff.).

5

Zur Begründung hat der Senat in seinem Urteil vom 25. Juli 2013 (a.a.O.) ausgeführt:

"Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK hat jede Person ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), dessen Rechtsprechung über den jeweils entschiedenen Fall hinaus Orientierungs- und Leitfunktion für die Auslegung der EMRK hat, entnimmt Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK einen Anspruch auf abschließende gerichtliche Entscheidung innerhalb angemessener Zeit. Die Angemessenheit der Dauer des Verfahrens ist aufgrund einer Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung der Schwierigkeit des Falles, des Verhaltens der Parteien, der Vorgehensweise der Behörden und Gerichte sowie der Bedeutung des Verfahrens für die Parteien zu beantworten. Dies gilt auch für Disziplinarverfahren. Sie müssen innerhalb angemessener Zeit, d.h. ohne schuldhafte Verzögerungen, unanfechtbar abgeschlossen sein. Dabei sind behördliches und gerichtliches Verfahren als Einheit zu betrachten (vgl. nur EGMR, Urteil vom 16. Juli 2009 - 8453/04 - NVwZ 2010, 1015 <1017>).

Für die innerstaatlichen Rechtsfolgen einer unangemessen langen Verfahrensdauer im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK ist zu beachten, dass diese Bestimmung nur Verfahrensrechte einräumt. Diese dienen der Durchsetzung und Sicherung des materiellen Rechts; sie sind aber nicht darauf gerichtet, das materielle Recht zu ändern. Daher kann eine unangemessen lange Verfahrensdauer nicht dazu führen, dass den Verfahrensbeteiligten eine Rechtsstellung zuwächst, die ihnen nach dem innerstaatlichen materiellen Recht nicht zusteht. Vielmehr kann sie für die Sachentscheidung in dem zu lange dauernden Verfahren nur berücksichtigt werden, wenn das materielle Recht dies vorschreibt oder zulässt. Ob diese Möglichkeit besteht, ist durch die Auslegung der entscheidungserheblichen materiellrechtlichen Normen und Rechtsgrundsätze zu ermitteln. Bei dieser Auslegung ist das Gebot der konventionskonformen Auslegung im Rahmen des methodisch Vertretbaren zu berücksichtigen (Urteil vom 28. Februar 2013 - BVerwG 2 C 3.12 - a.a.O. Rn. 50; Beschluss vom 16. Mai 2012 - BVerwG 2 B 3.12 - NVwZ-RR 2012, 609 Rn. 12).

Daraus folgt für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme nach einem unangemessen lange dauernden Disziplinarverfahren:

Ergibt die Gesamtwürdigung aller be- und entlastenden Umstände nach Maßgabe des § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG, dass wegen eines schwerwiegenden Dienstvergehens die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis geboten ist, so lässt sich der Verbleib im Beamtenverhältnis allein aufgrund einer unangemessen langen Verfahrensdauer nicht mit dem Zweck der Disziplinarbefugnis, nämlich dem Schutz der Integrität des Berufsbeamtentums und der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung, vereinbaren. Diese Schutzgüter und der Grundsatz der Gleichbehandlung schließen es aus, dass ein Beamter, der durch gravierendes Fehlverhalten im öffentlichen Dienst untragbar geworden ist, weiterhin Dienst leisten und als Repräsentant des Dienstherrn hoheitliche Befugnisse ausüben kann, weil das gegen ihn geführte Disziplinarverfahren unangemessen lange gedauert hat. Das von dem Beamten zerstörte Vertrauen kann nicht durch Zeitablauf und damit auch nicht durch eine verzögerte disziplinarrechtliche Sanktionierung schwerwiegender Pflichtenverstöße wiederhergestellt werden.

Ergibt die Gesamtwürdigung dagegen, dass eine pflichtenmahnende Disziplinarmaßnahme ausreichend ist, steht fest, dass der Beamte im öffentlichen Dienst verbleiben kann. Hier kann das disziplinarrechtliche Sanktionsbedürfnis gemindert sein, weil die mit dem Disziplinarverfahren verbundenen beruflichen und wirtschaftlichen Nachteile positiv auf den Beamten eingewirkt haben. Unter dieser Voraussetzung kann eine unangemessen lange Verfahrensdauer bei der Bestimmung der Disziplinarmaßnahme aus Gründen der Verhältnismäßigkeit mildernd berücksichtigt werden (zum Ganzen: BVerfG, Beschluss vom 4. Oktober 1977 - 2 BvR 80/77 - BVerfGE 46, 17 <28 f.>; Kammerbeschluss vom 9. August 2006 - 2 BvR 1003/05 - DVBl 2006, 1372 <1373>; BVerwG, Urteile vom 22. Februar 2005 - BVerwG 1 D 30.03 - juris Rn. 80, vom 8. Juni 2005 - BVerwG 1 D 3.04 - juris Rn. 27, vom 29. März 2012 - BVerwG 2 A 11.10 - juris Rn. 84 f. und vom 28. Februar 2013 - BVerwG 2 C 3.12 - a.a.O. Rn. 53 f.; Beschlüsse vom 13. Oktober 2005 - BVerwG 2 B 19.05 - Buchholz 235.1 § 15 BDG Nr. 2 Rn. 8, vom 26. August 2009 - BVerwG 2 B 66.09 - juris Rn. 11 und vom 16. Mai 2012 a.a.O. Rn. 9 f.)."

6

Aus neuen Entscheidungen der für Beamtenrecht zuständigen Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts ergibt sich nichts anderes. Die unangemessen lange Dauer des Disziplinarverfahrens steht selbst einer Aberkennung des Ruhegehalts nicht entgegen, wenn der Beamte während seiner Dienstzeit die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis verwirkt hat (BVerfG, Kammerbeschluss vom 28. Januar 2013 - 2 BvR 1912/12 - juris).

7

Einen darüber hinausgehenden Klärungsbedarf legt die Beschwerde nicht dar.

8

b) Soweit der Beklagte sinngemäß die Frage aufwirft, ob die Maßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis unverhältnismäßig sei, weil hierdurch ein lebenslanges Berufsverbot bei einem einmaligen Vorfall ausgesprochen werde, ist diese Frage schon deshalb nicht entscheidungserheblich, weil sie am gemäß § 137 Abs. 2 VwGO, § 66 Abs. 1 ThürDG bindend festgestellten Sachverhalt vorbeigeht und sich daher nicht in einem Revisionsverfahren stellen würde. Durchgreifende Verfahrensrügen sind hierzu nicht erhoben (dazu sogleich unter 3). Danach handelt es sich nicht um einen einmaligen Vorfall, der Beklagte hat vielmehr dem Strafgefangenen mehrfach Begünstigungen zukommen lassen und hierfür 250 € erhalten.

9

Unabhängig davon gilt:

Für die Bestimmung der Schwere des Dienstvergehens, die auch gemäß § 11 Satz 2 ThürDG (vgl. § 13 Abs. 1 Satz 1 BDG) maßgebend für die Maßnahmebemessung ist, hat die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts generelle Maßstäbe für einzelne Fallgruppen entwickelt. Bestimmte innerdienstliche Pflichtenverstöße werden als so gewichtig eingestuft, dass grundsätzlich die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis indiziert ist. Derartige Regeleinstufungen dürfen aber nicht schematisch angewandt werden. Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und dem Schuldprinzip folgt, dass es im Einzelfall stets möglich sein muss, die von einer Regeleinstufung ausgehende Indizwirkung zu entkräften. Hierfür können insbesondere Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild des Beamten Anlass geben. Das Gewicht der mildernden Umstände muss umso höher sein, je schwerer der Pflichtenverstoß nach den dafür bedeutsamen Merkmalen wiegt (stRspr; vgl. etwa Urteil vom 28. Februar 2013 - BVerwG 2 C 3.12 - NVwZ 2013, 1087 ff. Rn. 27 m.w.N.).

10

Ein Beamter, der sich wegen Bestechlichkeit (§ 332 Abs. 1 StGB) strafbar macht, ist im Regelfall aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Gleiches gilt für die Strafbarkeit wegen Vorteilsannahme (§ 331 Abs. 1 StGB), wenn ein Beamter, der ein hervorgehobenes Amt oder eine besondere Vertrauensstellung innehat, für die Dienstausübung einen mehr als unerheblichen Vorteil fordert oder annimmt (Urteil vom 28. Februar 2013 a.a.O. Rn. 28 ff., 34, LS 3).

11

Dem Verbot der Vorteilsannahme in Bezug auf das Amt kommt als Bestandteil der Dienstpflicht zur uneigennützigen Amtsführung herausragende Bedeutung zu. Ein Beamter, der hiergegen verstößt, zerstört regelmäßig das Vertrauen, das für eine weitere Tätigkeit als Beamter, d.h. als Organ des Staates, erforderlich ist. Eine rechtsstaatliche Verwaltung ist auf die berufliche Integrität des Berufsbeamtentums zwingend angewiesen. Jeder Eindruck, ein Beamter sei für Gefälligkeiten offen oder käuflich, beschädigt das unverzichtbare Vertrauen in die strikte Bindung des Verwaltungshandelns an Recht und Gesetz und damit die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung. Diese kann ihre Aufgaben nur erfüllen, wenn kein Zweifel daran aufkommt, dass es bei der Aufgabenwahrnehmung mit rechten Dingen zugeht (Urteil vom 28. Februar 2013 Rn. 28 m.w.N.)

12

Aus der herausragenden Bedeutung des Verbots der Vorteilsannahme folgt, dass die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis jedenfalls dann indiziert ist, wenn sich der Beamte wegen Bestechlichkeit nach § 332 Abs. 1 StGB strafbar gemacht hat. Im Falle der Bestechlichkeit wird das Verbot der Vorteilsannahme in besonders schwerer Weise missachtet. Der Beamte erklärt sich bereit, als Gegenleistung für einen Vorteil eine rechtswidrige Diensthandlung vorzunehmen. Der Straftatbestand des § 332 Abs. 1 StGB ist bereits dann vollendet, wenn die sogenannte Unrechtsvereinbarung (rechtswidrige Diensthandlung gegen Vorteil) zustande gekommen ist. Die Vereinbarung muss nicht "erfüllt" worden sein. Weder müssen der Beamte oder der von ihm bestimmte Dritte den vereinbarten Vorteil erhalten noch muss der Beamte rechtswidrig gehandelt haben (Urteil vom 28. Februar 2013 a.a.O. Rn. 29).

13

Soweit der Beklagte schließlich darauf verweist, dass ihm seine Dienstvorgesetzten das Vertrauen ausgesprochen hätten, wird auch hiermit keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung formuliert. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass es für die vom Gericht eigenverantwortlich zu treffende Zumessungsentscheidung nicht auf die Verhältnisse bei der Dienststelle des betroffenen Beamten ankommt (Beschluss vom 2. März 2012 - BVerwG 2 B 8.11 - juris Rn. 13 m.w.N.). Maßstab ist vielmehr, in welchem Umfang die Allgemeinheit dem Beamten noch Vertrauen in eine zukünftig pflichtgemäße Amtsausübung entgegenbringen kann, wenn ihr das Dienstvergehen einschließlich der belastenden und entlastenden Umstände bekannt würde (vgl. Urteil vom 25. Juli 2013 - BVerwG 2 C 63.11 - juris Rn. 19 m.w.N.). Daher sind auf die Dienststelle des Beklagten bezogene Umstände, etwa Vertrauensbekundungen von Mitarbeitern oder des Dienstvorgesetzten, für die Bemessensentscheidung ohne Bedeutung.

14

3. Auch die Verfahrensrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, § 66 Abs. 1 ThürDG) haben keinen Erfolg.

15

a) Die Beschwerde macht sinngemäß geltend, der Beklagte habe lediglich eingeräumt, geringere Verzögerungen beim Ausgang des Strafgefangenen nicht eingetragen und diesem den Besuch durch seine Freundin gestattet zu haben, nicht jedoch, dass er dafür Geld erhalten habe. Auch alle weiteren Verfehlungen habe er stets bestritten. Daher meint die Beschwerde, der Beklagte hätte hierzu noch einmal vernommen werden müssen und es hätten die Dienstpläne eingesehen werden müssen. Das Gericht habe sich zudem unzureichend mit den Kriterien des offenen Vollzuges auseinander gesetzt.

16

Gemäß § 53 Abs. 1 ThürDG erhebt das Gericht die erforderlichen Beweise. Demnach hat es grundsätzlich selbst diejenigen Tatsachen festzustellen, die für den Nachweis des Dienstvergehens und die Bemessung der Disziplinarmaßnahme von Bedeutung sind (vgl. auch BTDrucks 14/4659, S. 49 zu § 58 BDG). Entsprechend § 86 Abs. 1 VwGO folgt daraus die Verpflichtung, diejenigen Maßnahmen der Sachaufklärung zu ergreifen, die sich nach Lage der Dinge aufdrängen. Dies gilt gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 ThürDG auch für die Berufungsinstanz.

17

Diese Aufklärungspflicht wird durch § 16 Abs. 1 Satz 1 ThürDG eingeschränkt. Danach sind die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils im Strafverfahren im Disziplinarverfahren, das denselben Sachverhalt zum Gegenstand hat, für das Gericht bindend. Nach Satz 2 hat das Gericht jedoch die nochmalige Prüfung solcher Feststellungen zu beschließen, deren Richtigkeit seine Mitglieder mit Stimmenmehrheit bezweifeln. Die gesetzliche Bindungswirkung dient der Rechtssicherheit. Sie soll verhindern, dass zu ein- und demselben Geschehensablauf unterschiedliche Tatsachenfeststellungen getroffen werden. Daher sind die Verwaltungsgerichte nur dann berechtigt und verpflichtet, sich von den Tatsachenfeststellungen eines rechtskräftigen Strafurteils zu lösen und den disziplinarrechtlich bedeutsamen Sachverhalt eigenverantwortlich zu ermitteln, wenn sie ansonsten "sehenden Auges" auf der Grundlage eines unrichtigen oder aus rechtsstaatlichen Gründen unverwertbaren Sachverhalts entscheiden müssten. Dies ist etwa der Fall, wenn die Feststellungen in einem entscheidungserheblichen Punkt unter offenkundiger Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften zustande gekommen sind. Hierunter fällt auch, dass das Strafurteil auf einer Urteilsabsprache beruht, die den rechtlichen Anforderungen nicht genügt. Darüber hinaus entfällt die Bindungswirkung, wenn Beweismittel eingeführt werden, die dem Strafgericht nicht zur Verfügung standen und nach denen seine Tatsachenfeststellungen zumindest auf erhebliche Zweifel stoßen (vgl. Urteile vom 29. November 2000 - BVerwG 1 D 13.99 - BVerwGE 112, 243 <245> = Buchholz 235 § 18 BDO Nr. 2 S. 5 f. und vom 16. März 2004 - BVerwG 1 D 15.03 - Buchholz 232 § 54 Satz 3 BBG Nr. 36 S. 81 f.; Beschlüsse vom 24. Juli 2007 - BVerwG 2 B 65.07 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 4 Rn. 11, vom 26. August 2010 - BVerwG 2 B 43.10 - Buchholz 235.1 § 57 BDG Nr. 3 Rn. 5 und vom 15. März 2013 - BVerwG 2 B 22.12 - NVwZ-RR 2013, 557 ff. Rn. 6 ff.).

18

Wird dies geltend gemacht, so sind die Verwaltungsgerichte erst dann befugt, dem Vorbringen weiter nachzugehen und schließlich über eine Lösung nach der entsprechenden Norm zu entscheiden, wenn das Vorbringen hinreichend substanziiert ist. Pauschale Behauptungen oder bloßes Bestreiten genügen nicht. Es müssen tatsächliche Umstände dargetan werden, aus denen sich die offenkundige Unrichtigkeit ergeben kann (Beschlüsse vom 26. August 2010 a.a.O. Rn. 6, vom 28. Dezember 2011 - BVerwG 2 B 74.11 - juris Rn. 13 und vom 14. März 2012 - BVerwG 2 B 5.12 - juris Rn. 5).

19

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Oberverwaltungsgericht die Feststellungen der Strafurteile nach § 16 Abs. 1 ThürDG als im Disziplinarverfahren bindend angesehen und unter ausführlicher Würdigung der vorgebrachten Einwände die Möglichkeit einer Lösung von der Bindungswirkung nach § 16 Abs. 1 Satz 2 ThürDG zu Recht verneint. Der Beklagte hat keine Anhaltspunkte dafür aufgezeigt, dass die Feststellungen der Strafgerichte offenbar unrichtig waren oder unter offenkundiger Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften zustande gekommen sind.

20

Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang geltend macht, dass die strafgerichtliche Wertung unzutreffend sei, weil nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erst ab 750 € eine strafbare Handlung anzunehmen sei, ist darauf hinzuweisen, dass die Verwaltungsgerichte nur an die tatsächlichen Feststellungen der Strafgerichte, nicht aber an deren strafgerichtliche Wertung gebunden sind. Die Verwaltungsgerichte haben den durch die Strafgerichte festgestellten Sachverhalt einer eigenen disziplinarischen Würdigung im Hinblick auf die sich aus ihm ergebenden Verstöße gegen beamtenrechtliche Pflichten zu unterziehen. Dies hat das Berufungsgericht getan und dabei zu Recht festgestellt, dass der Beklagte ein schwerwiegendes (innerdienstliches) Dienstvergehen im Sinne von § 81 Abs. 1 Satz 1 ThürBG (in der hier noch anzuwendenden Fassung des Gesetzes vom 8. September 1999, GVBI S. 525) begangen hat. Er hat vorsätzlich gegen seine Pflicht zur uneigennützigen Amtsführung (§ 57 Satz 2 ThürBG a.F.) und gegen die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten sowie gegen seine Wohlverhaltenspflicht innerhalb des Dienstes verstoßen (§ 57 Satz 3 ThürBG a.F.). Insbesondere hat der Beklagte gegen das Verbot verstoßen, Belohnungen oder Geschenke in Bezug auf sein Amt anzunehmen (§ 73 Satz 1 ThürBG a.F.).

21

Eine irgendwie geartete Wertgrenze enthalten die genannten beamtenrechtlichen Vorschriften nicht. Hierfür besteht auch im Verhältnis zwischen Strafgefangenen und Justizvollzugsbediensteten kein Raum.

22

In anderen Verwaltungsbereichen gilt grundsätzlich Folgendes: Kann davon ausgegangen werden, dass seitens eines Gebers nur ein sogenanntes Höflichkeitsanerbieten vorliegt, von dem er nicht annimmt, dass es den Beamten zu pflichtwidrigem Handeln veranlassen könnte, liegt deshalb gleichwohl ein Verstoß gegen das Verbot vor, Belohnungen oder Geschenke in Bezug auf das Amt anzunehmen. Allerdings ist der Verstoß in einem solchen Fall nicht mehr so schwergewichtig, dass Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis wäre (vgl. Urteil vom 6. Mai 1987 - BVerwG 1 D 64.86 - RiA 1987, 262 <263>, dort geringe Pfennigbeträge über mehrere Jahre für die Kaffeekasse für nicht pflichtwidrige Diensthandlungen). Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls. Die Wertgrenze für derartige geringwertige Aufmerksamkeiten haben die Dienstherren zumeist in Erlassen geregelt (vgl. Urteil vom 7. Dezember 1988 - BVerwG 1 D 42.88 - juris Rn. 15: überschritten bei Geschenken im Wert von 35 - 40 DM); sie ist bei einem Betrag von 250 € deutlich überschritten (vgl. etwa Urteil vom 28. Februar 2013 a.a.O.).

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Unabhängig davon sind auch nach der strafgerichtlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur sozialadäquate Vorteile, d.h. allenfalls gewohnheitsmäßig anerkannte, relativ geringwertige Aufmerksamkeiten aus gegebenen Anlässen von der Strafbarkeit wegen Bestechlichkeit oder Vorteilsannahme ausgenommen (stRspr; vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 2005 - 5 StR 168/04 - NStZ 2005, 334, 335 Rn. 10 m.w.N.). In der strafgerichtlichen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte wird vielfach von einer Wertgrenze von 50 € ausgegangen (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 14. Januar 2000 - 2 Ws 243/99 - StV 2001, 277 - 284 = juris Rn. 57 m.w.N.).

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b) Die Beschwerde macht weiter geltend, dass das Disziplinarverfahren mit mehreren Fehlern behaftet gewesen sei und verweist insofern auf die Berufungsbegründung. So sei dem Beklagten entgegen § 36 Satz 1 und Satz 6 ThürDG weder das wesentliche Ergebnis der behördlichen Ermittlungen mitgeteilt noch Gelegenheit gegeben worden, weitere Ermittlungen zu beantragen.

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Hierzu hat das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt, dass diese Bestimmung im Falle der Erhebung der Disziplinarklage keine Anwendung findet (vgl. § 27 Abs. 3 Satz 3 ThürDG). Für den Fall der unverzüglichen Klageerhebung schreibt § 27 Abs. 3 Satz 2 ThürDG jedoch vor, dass dem Beklagten vor Erhebung der Disziplinarklage gemäß § 26 ThürDG Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden muss. Dies ist hier geschehen.

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c) Zudem sei - so die Beschwerde weiter - der Hauptpersonalrat lediglich über die Absicht der Disziplinarklage informiert worden. Hierzu hat das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend darauf verwiesen, dass sich die Mitwirkung des Personalrats bei Erhebung der Disziplinarklage nur auf die grundlegende Entscheidung bezieht, Disziplinarklage zu erheben. Der Inhalt der Klageschrift, insbesondere die Antragstellung, unterliegt nicht seiner Mitwirkung (vgl. Urteil vom 20. Oktober 2005 - BVerwG 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <255> = Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 1 Rn. 14 ff.).

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Die hier zunächst unterbliebene Beteiligung des Personalrats ist im Gerichtsverfahren nachgeholt worden. Bei einer unterbliebenen Beteiligung des Personalrates handelt es sich dann um einen wesentlichen Mangel im Sinne des § 51 Abs. 1 Satz 1 ThürDG (inhaltsgleich mit § 55 Abs. 1 BDG), wenn sich nicht mit hinreichender Sicherheit ausschließen lässt, dass sie sich auf das Urteil ausgewirkt haben kann. Liegt danach ein wesentlicher Mangel vor, sind die Verwaltungsgerichte im Disziplinarklageverfahren verpflichtet, auf dessen Beseitigung nach § 51 Abs. 2 ThürDG hinzuwirken, wenn der Mangel noch heilbar ist (Urteil vom 24. Juni 2010 - BVerwG 2 C 15.09 - BVerwGE 137, 192 = Buchholz 235.1 § 55 BDG Nr. 6). Der Mangel der ordnungsgemäßen Beteiligung der Personalvertretung kann regelmäßig durch eine nachträgliche Durchführung des Mitwirkungsverfahrens geheilt werden (vgl. Beschluss vom 22. März 1989 - BVerwG 1 DB 30.88 - BVerwGE 86, 140 <143 f.>). Das ist hier geschehen.

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d) Soweit der Beklagte schließlich rügt, ihm sei keine Frist nach § 51 Abs. 2 (gemeint ist Abs. 1) Satz 1 ThürDG gesetzt worden, widerspricht dies dem Akteninhalt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.