Tenor

Die Bescheide des Beklagten vom 31.05. und vom 26.10.2012 werden aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Tatbestand

 
Die Klägerin wendet sich gegen die Zustimmung des Beklagten zu ihrer betriebsbedingten Kündigung.
Die 1966 geborene Klägern war bei der Firma Anton Schlecker e.K. beschäftigt. Auf den Antrag des alleinigen Inhabers vom 23.01.2012 eröffnete das Amtsgericht Ulm am 28.03.2012 das Insolvenzverfahren. Im Rahmen des Insolvenzverfahrens beschloss der Gläubigerausschuss am 01.06.2012 die Zerschlagung der Kette. Mit Ausnahme der großen XL-Märkte und der Filialen der „Ihr Platz“ GmbH & Co. KG schlossen am 27.06.2012 sämtliche Filialen. Am 28.06.2012 gab der Insolvenzverwalter auch die Schließung der Schlecker XL GmbH bekannt. Am 26.07.2012 wurde mit dem Ausverkauf in den 367 „Ihr Platz“-Filialen begonnen. Der Online-Versandhandel der Schlecker Home Shopping GmbH wurde am 12.08.2012 eingestellt. Von der Insolvenz nicht erfasst waren die ausländischen Konzerntöchter.
Mit Schreiben vom 12.04.2012, beim Beklagten eingegangen am 09.05.2012, beantragte der Insolvenzverwalter die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung der Klägerin aus betriebsbedingten Gründen. Zum 12.04.2012 waren bei der Firma Anton Schlecker e.K.I. 24.966 Arbeitnehmer beschäftigt, davon waren 796 schwerbehinderte oder ihnen gleichgestellte Mitarbeiter (= 3,18%).
Zur Begründung des Antrags wurde vorgetragen, die Firma Schlecker e.K. habe am 23.01.2012 Insolvenzantrag gestellt. Am 28.03.2012 sei das Insolvenzverfahren eröffnet und Herr A. G. zum Insolvenzverwalter bestellt worden. Zur Sanierung des Unternehmens müssten 1.995 defizitäre Filialen geschlossen werden. Dies werde vom Insolvenzverwalter und dem Betriebsrat als ein zum Erhalt des Unternehmens unumgänglicher Schritt gesehen. Mit dem Betriebsrat sei infolge der beabsichtigten Betriebsänderung ein Interessenausgleich mit Namensliste gemäß § 125 Abs. 1 InsO i.V.m. § 1 Abs. 5 KSchG sowie ein Sozialplan gemäß §§ 112, 112a BetrVG abgeschlossen worden. Im Zuge der Erstellung der Namensliste sei gemeinsam mit dem Betriebsrat eine umfassende Sozialauswahl durchgeführt worden. Im Rahmen der Sozialauswahl sei die Schwerbehinderung angemessen berücksichtig worden. Der Mitarbeiterin solle die Kündigung wegen Wegfalls des Arbeitsplatzes ausgesprochen werden, nicht wegen der Behinderung. Insgesamt sollten 8.372 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, darunter 381 behinderte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, gekündigt werden.
Im Rahmen der Anhörung trat die Klägerin der Zustimmung entgegen. Ihr Prozessbevollmächtigter führte aus: Der Antragsteller sei nicht antragsberechtigt, weil der Antrag auf dem Briefbogen von Anton Schlecker e.K. gestellt worden sei. Auch sei nicht erkennbar, dass der Unterzeichner B. für den Insolvenzverwalter vertretungs- und antragsberechtigt sei. Der Antrag sei auch unbegründet. Er sei allgemein gehalten und lasse nicht erkennen, warum der Arbeitsplatz der Klägerin überhaupt wegfalle und keine Weiterbeschäftigung in Betracht komme. Die behauptete Sozialauswahl sei nicht dargelegt, es sei nicht ersichtlich, dass die Klägerin in der Sozialauswahl genannt werde und dass die Voraussetzungen nach § 89 Abs. 3 SGB IX vorlägen. Die Vorsitzende der Gesamtschwerbehindertenvertretung trat mit Schreiben vom 18.05.2012 der Zustimmung entgegen mit der Begründung, es werde im Unternehmen schon nicht die Mindestpflichtzahl von Schwerbehinderten erreicht. Bei einer Firmenübernahme durch einen Investor sei die Weiterbeschäftigung der schwerbehinderten Mitarbeiter möglich und wünschenswert. Derzeit herrsche Personalmangel. Die Gesamtschwerbehindertenvertretung sei zudem zur vorliegenden Kündigungsliste nicht angehört worden. Ein örtlicher Betriebsrat war für die Beschäftigungsfiliale der Klägerin nicht gewählt.
Mit Bescheid vom 31.05.2012 erteilte das Integrationsamt des Beklagten die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung gemäß § 85 SGB IX. Zur Begründung wurde ausgeführt: Der zulässige Antrag sei begründet. Es bestünde kein Zusammenhang zwischen der anerkannten Behinderung der Klägerin und den Kündigungsgründen. Daher komme dem Schwerbehindertenschutz nur gerin-gere Bedeutung zu. Der Arbeitsplatz entfalle aufgrund einer betrieblich notwendig gewordenen Entscheidung des Arbeitgebers. Das gelte auch im Rahmen des Insolvenzverfahrens. Das Integrationsamt habe nur zu ermitteln und abzuwägen, inwieweit die Weiterbeschäftigung des schwerbehinderten Mitarbeiters möglich sei. Diese bestünden aus den vorgetragenen betrieblichen Gegebenheiten jedoch nicht. Es sei eine Sozialauswahl durchgeführt worden, welche das Integrationsamt nur im Hinblick auf offensichtliche Fehler überprüfen dürfe, solche seien aber nicht ersichtlich. Die abschließende Prüfung, insbesondere ob sie nach arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten sozial gerechtfertigt sei, obliege ausschließlich der Arbeitsgerichtsbarkeit. Im Rahmen der Ermessensentscheidung seien das Alter, die anerkannte Behinderung der Klägerin und der Umstand berücksichtigt worden, dass die Kündigung für diese eine schwere finanzielle und persönliche Belastung verursache.
Aufgrund der Zustimmung wurde die Kündigung gegenüber der Klägerin am 06.06.2012 ausgesprochen.
Hiergegen erhob die Klägerin Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Gießen (4 Ca 270/12), das dortige Verfahren wurde jedoch zum Ruhen gebracht.
Außerdem erhob die Klägerin Widerspruch mit der Begründung: Für die betrieblich notwendig gewordene Entscheidung im Insolvenzverfahren sei kein konkreter Nachweis erbracht, sondern nur eine entsprechende Behauptung formularmäßig aufgestellt worden. Die Klägerin sei als Bezirksleiterin beschäftigt, die Antragsschrift besage nicht, dass diese Position nicht mehr vorhanden sei, nicht alle Stellen von Bezirksleiterinnen fielen weg. Die behauptete Sozialauswahl werde nicht durch Tatsachen gestützt. Nachprüfbare Unterlagen würden nicht vorgelegt. Der Bescheid sei somit nicht nachvollziehbar.
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Mit Beschluss vom 26.10.2012 verwarf der Widerspruchsausschuss des Integrationsamts des Beklagten den Widerspruch. Demgemäß wurde der Widerspruch mit Bescheid vom 26.10.2012 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde noch ergänzend zum Ausgangsbescheid ausgeführt: Die Voraussetzungen nach § 89 SGB IX hätten nicht vorgelegen, weshalb eine entsprechende Entscheidung nicht habe getroffen werden können. Im Zeitpunkt der Entscheidung des Integrationsamts sei noch keine vollständige Schließung des Unternehmens beabsichtigt gewesen, zudem hätte die Anzahl der weiterhin beschäftigten Menschen nicht zur Erfüllung der Beschäftigungspflicht nach § 71 SGB IX ausgereicht. Es sei auch nicht möglich gewesen, zu prüfen, ob der Klägerin tatsächlich Lohn für 3 Monate nach Zugang der Kündigung hätte bezahlt werden können, es liege keine schriftliche Bestätigung darüber vor, dass die Insolvenzmasse hierfür ausreiche. Demnach sei die Entscheidung über die ordentliche Kündigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen gewesen. Die Kündigung treffe die Klägerin als Schwerbehinderte gleichermaßen wie nicht behinderte Arbeitnehmer. Die von ihr erhobenen Einwände seien arbeitsrechtlicher Art. Dabei komme die Versagung der Zustimmung wegen arbeitsrechtlicher Unzulässigkeit nur ausnahmsweise bei offensichtlicher Unwirksamkeit in Betracht, die ohne jeden vernünftigen Zweifel und ohne Beweiserhebung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht offen zutage treten müsse. Jedoch habe die Sozialauswal dem Beklagten vorgelegen und die Klägerin als schwerbehinderten Menschen mit eingeschlossen. Damit sei die Sozialauswahl nicht offensichtlich rechtswidrig und eine Kündigung auch nicht offensichtlich unwirksam.
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Am 27.11.2012 hat die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben, die mit dem bisherigen Vorbringen begründet wird. Außerdem wird noch vorgebracht: Die Kündigung sei aufgrund der Zustimmung mit Datum vom 06.06.2012 ausgesprochen worden und zwar mit der Begründung, das Unternehmen solle erhalten werden, es müssten aufgrund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung ca. 2200 Filialen geschlossen werden, daraus entfalle auch der Arbeitsplatz der Klägerin. An keiner Stelle habe der Insolvenzverwalter erklärt, warum aus diesen Umständen der Arbeitsplatz der Klägerin betroffen sei. Der Antrag habe keine Angaben zur Sozialauswahl enthalten und auch in dem angefochtenen Bescheid sei der Wegfall des Arbeitsplatzes weder überprüft noch bestätigt worden noch beinhalte er Angaben zur Sozialauswahl. Auch das Arbeitsgericht Gießen habe Bedenken bezüglich der Sozialauswahl geäußert und im Rahmen eines Vergleichsvorschlags dargelegt. Somit bestehe jedenfalls ein Rechtsschutzbedürfnis an der Klage.
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Die Klägerin beantragt,
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den Bescheid des Beklagten vom 31.05.2012 und dessen Widerspruchsbescheid vom 26.10.2012 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er führt noch aus: Es stelle sich die Frage nach dem Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin, nachdem feststehe, dass eine Weiterbeschäftigung der Klägerin faktisch nicht mehr möglich sei. Im Übrigen werde auf die angefochtenen Bescheide und auf die Behördenakte Bezug genommen. Die Namensliste habe dem Beklagten vorgelegen, wegen ihres großen Umfangs werde von der Vorlage zunächst abgesehen.
17 
Der Beigeladene stellt keinen Antrag. Er bringt noch vor: Es seien aufgrund der Stilllegung des Betriebs Anton Schlecker e.K. sowie Schlecker XL GmbH sämtliche Betriebsleiter gekündigt worden, die nicht sondergeschützten Kündigungen seien mit Datum vom 12.07.2012 ausgesprochen worden. Der Betrieb sei vollständig stillgelegt worden, alle Mietverhältnisse der Läden seien gekündigt und alle Regale und Geschäftseinrichtungen veräußert worden. Damit sei der gefasste Stilllegungsbeschluss auch umgesetzt worden. Die Klägerin möge darlegen, welche Bezirksleiterinnen weiterbeschäftigt würden.
18 
Dem Gericht lagen die Behördenakten vor. Hierauf, auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf die Gerichtsakten wird wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
19 
Die Klage ist zulässig. Insbesondere fehlt der Klägerin nicht das Rechtsschutzbedürfnis, da die Frage der Wirksamkeit der Kündigung von Gerichten der Arbeitsgerichtsbarkeit und nicht der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu entscheiden und dort noch nicht entschieden worden ist (vgl. Verwaltungsgericht Würzburg, Urteil vom 17.07.2012, - W 3 K 12.102 - ). Auch unter dem vom Beklagten erörterten Gesichtspunkt fehlt der Klägerin vorliegend das Rechtsschutzbedürfnis nicht: Im Falle einer erfolgreichen Klage gegen die Zustimmung wäre die Kündigung der Klägerin vom 06.06.2012 unwirksam und das Arbeitsverhältnis zu der noch existenten Firma Schlecker e.K. i. L. würde fortbestehen. Es dürfte zwar davon auszugehen sein, dass nach Auflösung und Stilllegung des realen Unternehmens auch real keine Beschäftigungsmöglichkeit für die Klägerin mehr bestehen werden, jedoch schließt dies nicht aus, dass diese eine Reihe von finanziellen Ansprüchen gegen die Beigeladene geltend machen könnte. Auch hier ist nicht hinreichend klar, ob solche finanziellen Ansprüche überhaupt noch aussichtsreich verfolgt werden könnten, nachdem nach Aussage der Vertreterin der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung die Endabwicklung im Gange, aber noch nicht abgeschlossen ist und nachdem im September 2012 die „Unzulänglichkeit der Masse“ festgestellt worden war. Letztlich ist es aber nicht Sache des Verwaltungsgericht, die Realisierbarkeit solcher Ansprüche abzuschätzen, sodass jedenfalls insoweit von einem fortbestehenden Rechtsschutzbedürfnis auszugehen ist.
20 
Die auch sonst zulässige Klage ist auch begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
21 
Die Klägerin ist ein schwerbehinderter Mensch im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB IX, weil sie - zumindest aufgrund des allerdings erst in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Abhilfebescheids des Versorgungsamts Gießen vom 19.03.2012 - einen Grad der Behinderung von mindestens 50 aufweist, so dass ihr der besondere Schwerbehindertenschutz eingeräumt ist. Damit bedurfte die Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses durch die Beigeladene der vorherigen Zustimmung des Beklagten als Integrationsamt (§ 85 SGB IX).
22 
Über einen Antrag des Arbeitgebers auf Erteilung der Zustimmung hat das Integrationsamt nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden (BVerwG, Urteil vom 02.07.1992, - 5 C 51.90 -, BVerwGE 90, 287 und ; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 28.04.1989, - 6 S 1 971/88 -). Ist die Behörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, so unterliegt die Verwaltungsentscheidung nur einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle gemäß § 114 S. 1 VwGO. Danach prüft das Gericht nur, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (§ 114 VwGO), insbesondere ob die Behörde in ihre Ermessenserwägungen alle wesentlichen, den Streit zwischen den Beteiligten kennzeichnenden Gesichtspunkte eingestellt hat und ob sie dabei von einem richtigen und vollständigen Sachverhalt ausgegangen ist (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 09.05.1994, - 7 S 2294/92 -, ). Die Ermessensentscheidung ist danach fehlerhaft, wenn die Behörde Umstände außer Betracht lässt, die zu berücksichtigen wären (vgl. hierzu und im weiteren auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 04.03.1998 - 9 S 1637/97 -).
23 
Bei Ausübung ihres Ermessens hat sich die Behörde am Zweck des ermächtigenden Gesetzes zu orientieren. Nach § 1 SGB IX haben schwerbehinderte Menschen unter anderem Anspruch auf Förderung der selbstbestimmten und gleichberechtigten Teilhabe am Arbeitsleben; deshalb hat das Integrationsamt zu prüfen, ob der Arbeitgeber im Rahmen des ihm Möglichen und Zumutbaren dem Anspruch des schwerbehinderten Menschen auf eine seinen Fähigkeiten gerecht werdenden Beschäftigung Rechnung trägt (vgl. Verwaltungsgericht Stuttgart, Urteil vom 19.07.2004, - 8 K 3370/03, - unter Bezugnahme auf Dau, Düwell, Haines (Hrsg.), Lehr- und Praxiskommentar LPK - SGB IX, 2002, Anm. 7 und 9 zu § 89). Schon nach dem SchwbG war anerkannt, dass durch die Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen (nur) die Nachteile des Schwerbehinderten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeglichen werden sollen. Auch der Zweck des § 85 SGB IX geht dahin, die Schwerbehinderten vor den besonderen Gefahren, denen sie wegen der Behinderung auf dem Arbeitsmarkt ausgesetzt sind, zu bewahren und sicherzustellen, dass sie gegenüber den gesunden Arbeitnehmern nicht ins Hintertreffen geraten. Dieser Aspekt hat auch die Leitlinie bei der Ermessensentscheidung zu sein, ob der Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Schwerbehinderten zuzustimmen ist. Diese Entscheidung erfordert deshalb eine Abwägung des Interesses des Arbeitgebers an der Erhaltung seiner Gestaltungsmöglichkeiten gegen das Interesse des schwerbehinderten Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes. Damit werden die Grenzen dessen bestimmt, was zur Verwirklichung des dem Schwerbehinderten gebührenden weitgehenden Teilhabeanspruchs dem Arbeitgeber zugemutet werden darf (BVerwG, Urteil vom 02.07.1992, - 5 C 51.90 -, BVerwGE 90, 287, 292 f und m. w. N. zum SchwbG).
24 
Haben die zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses führenden Gründe in der Behinderung selbst ihre Ursache, stellt der Schwerbehindertenschutz besondere Anforderungen an die bei der Interessenabwägung immer zu berücksichtigende Zumutbarkeitsgrenze beim Arbeitgeber, um den im Schwerbehindertenrecht zum Ausdruck kommenden Schutzgedanken der Rehabilitation verwirklichen zu können. Dies kann im Einzelfall dazu führen, dass das Interesse des Arbeitgebers an der Vermeidung aller Störungen des betrieblichen Ablaufs in zumutbarer Weise zurücktreten muss (BVerwG, Urteil vom 27.10.1971 - V C 78.70 -, BVerwGE 39, 36 <38>-; Beschluss vom 18.09.1989 - 5 B 100.89 -, Buchholz 436.61 § 15 SchwbG 1986 Nr. 2 und Beschluss vom 16.06.1990, - 5 B 1 27.89 -, Buchholz a.a.0. Nr. 3).
25 
Erfolgt die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Schwerbehinderten dagegen aus einem Grunde, der nicht mit der Behinderung im Zusammenhang steht, so kann dem Fürsorge- und Teilhabezweck des Schwerbehindertenrechts nur eine geringe bzw. gar keine Bedeutung zukommen. Denn es ist grundsätzlich nicht Aufgabe des Integrationsamtes, bei seiner Entschließung die allgemeinen sozialen Interessen des einzelnen Schwerbehinderten als Arbeitnehmer zu wahren. Der besondere Schutz nach § 85 SGB IX ist dem Schwerbehinderten nämlich zusätzlich zum allgemeinen arbeitsrechtlichen Schutz gegeben, dem insbesondere die Prüfung obliegt, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt ist. Damit können bei der Entscheidung über die Zustimmung nur solche Erwägungen eine Rolle spielen, die sich speziell aus dem Anspruch auf Fürsorge und Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben herleiten (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.07.2012, - 5 C 16/11 -, ; Beschluss vom 31.07.2007, - 5 B 81/06 -, ; Urteil vom 02.07. 1992, aaO.; vgl. schon Urteil vom 28.11.1958, BVerwGE 8, 46 ff.).
26 
Bei seiner Ermessensentscheidung muss das Integrationsamt nur solche Umstände berücksichtigen, die sich ihm bei vernünftiger Überlegung aufdrängen oder auf die es durch die Beteiligten hingewiesen wird, nicht aber auch solche denkbaren weiteren Umstände, die den persönlichen Lebensbereich des Schwerbehinderten berühren, von ihm aber im Verwaltungsverfahren nicht geltend gemacht werden (BVerwG, Beschluss vom 22.11.1994 - 5 B 16.94 -, juris; Beschluss vom 23.09.1997, - 9 S 1635/96 -). Dabei kommt es in den Fällen wie hier für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblich auf den Zeitpunkt des Ausgangsbescheids an (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 05.08.96, - 7 S 3383/94 -, unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 07.03.1991, - 5 B 114/89 -, und Buchholz 436. 61 § 12 SchwbG Nr. 3), der die Grundlage für die dann erklärte Kündigung war. Die seither eingetretenen oder bekannt gewordenen Umstände können daher die Rechtmäßigkeit der erteilten Zustimmung nicht mehr berühren.
27 
Die formellen und materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der Zustimmung lagen hier vor.
28 
Die angefochtene Entscheidung des Beklagten ist entsprechend den Verfahrens- und Formvorschriften des SGB IX zustande gekommen. Insbesondere mangelt es der Zustimmung nicht an einer wirksamen Antragstellung.
29 
Zwar ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers einzuräumen, dass aus dem Antragschreiben nicht ersichtlich ist, wer der unterzeichnende Herr B. ist und in welcher Eigenschaft er die Befugnis zur Antragstellung ausgeübt hat. Die Vermutung, es handele sich um eine unternehmensferne Person, hat die Vertreterin der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung mit dem Hinweis darauf ausgeräumt, dass es sich bei Herrn B. um den Personalleiter des bisherigen Unternehmens am Hauptsitz Ehingen gehandelt habe, dem gegenüber der Insolvenzverwalter nach seiner Einsetzung am 28.03.2012 weisungsbefugt war (vgl. § 80 InsO; vgl. zur regelmäßigen Befugnis des Personalleiters Dau/Düwell/Haines, SGB IX, LPK, 2. A., Anm. 7 zu § 87). Dies erklärt auch, weshalb der Antrag, was vom Prozessbevollmächtigten des Klägers ebenfalls, allerdings mangels rechtlicher Relevanz zu Unrecht, gerügt worden war, auf dem „normalen“ Briefbogen der Firma Schlecker e.K. verfasst worden war. Die Antragstellung erfolgte jedenfalls ausdrücklich „für den Insolvenzverwalter“ (vgl. dazu Dau/Düwell/Haines, aaO).
30 
Sollte es dem Herrn B. jedoch an der Befugnis zur Antragstellung gefehlt haben, wäre der Zustimmungsbescheid der Beklagten nur rechtswidrig, aber nicht nichtig; die fehlende Antragstellung lässt sich nach § 41 Abs. 1 Nr. 1 SGB X, für welchen die zeitlichen Beschränkungen nach Abs. 2 der Vorschrift nicht gelten, jederzeit nachholen. Demgemäß wäre die fehlende Antragstellung durch die entsprechende, zu Protokoll genommene, Erklärung der (unbeschränkt) Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen nachgeholt worden (vgl. Schroeder-Printzen u.a., SGB X, Kommentar, 3.A., Anm. 4 zu § 41 mit weiteren Nachweisen). - Unter diesen Voraussetzungen musste das Gericht der Beigeladenen nicht mehr die Möglichkeit einräumen, die Legitimität der Antragstellung durch Herrn B. nachzuweisen.
31 
Andere Verfahrensmängel sind nicht geltend gemacht worden oder ersichtlich.
32 
Damit war das Ermessen grundsätzlich eröffnet. Eine Einschränkung des Ermessens nach § 89 SGB IX kommt, wovon auch der Beklagte ausgegangen ist, nicht in Betracht, weil die Beigeladene die für diese Ermessensreduktion erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen nicht erfüllt hat. Ohnehin fehlt es an einer Beschwer des schwerbehinderten Menschen, wenn das Integrationsamt die Entscheidung über die Zustimmung nicht auf § 89, sondern auf eine Ermessensermächtigung gem. § 85 SGB IX stützt (vgl. VG Köln, Urteil vom 03.12.2003, - 21 K 7252/02 - ).
33 
Entgegen der Ansicht des Prozessbevollmächtigten der Klägerin durfte der Beklagte vorliegend davon ausgehen, dass betriebsbedingte Gründe auf Seiten der Beigeladenen für die beantragte Zustimmung zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger dem Grunde nach vorlagen. Dies ist Kern der gesetzlichen Regelung nach § 1 Abs. 5 KSchG i.V.m. § 111 BetrVG, wonach bei Abschluss eines Interessenausgleichs zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, der die zu kündigenden Arbeitnehmer im Falle einer Betriebsänderung namentlich bezeichnet, eine Vermutung besteht, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist. In einem solchen Fall kann die soziale Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer (von der Arbeitsgerichtsbarkeit) nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Allerdings vermag diese gesetzliche Regelung - entgegen der Ansicht der Beigeladenen und des Beklagten - den Kündigungsschutz der Schwerbehinderten nach dem SGB IX nicht - umfassend - beiseite zu schieben, auch wenn die Betriebsparteien im Rahmen des Verfahrens nach § 1 KSchG verpflichtet sind, u.a. die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers ausreichend zu berücksichtigen (Abs. 3 Satz 1 der Norm). Damit ist nämlich keine generelle Verlagerung des Schutzes der Schwerbehinderten als einer hoheitlichen Aufgabe vom hoheitlich handelnden Beklagten hin zu den Betriebsparteien gemeint. Der Schwerbehindertenschutz obliegt auch in einem solchen Fall gemäß § 85 SGB IX dem Integrationsamt. Dieses darf im Rahmen seiner Ermessensbetätigung lediglich für den „Normalfall“ davon ausgehen, die Betriebsparteien hätten im Rahmen der Vereinbarung eines Interessenausgleichs mit Namensliste die Interessen der Schwerbehinderten innerhalb der Belegschaft ausreichend berücksichtigt, wenn insoweit substantiiert vorgetragen ist, dass die Betriebsparteien, etwa im Rahmen eines angewandten Punkte-Schemas, dafür Sorge getragen worden ist, dass die im Betrieb beschäftigten schwerbehinderten Menschen in ihrer Gesamtheit nicht ins Hintertreffen geraten (vgl. Verwaltungsgericht Stuttgart, Urteile vom 12.05.2011, - 11 K 5112/10 -, und vom 18.04.2005, - 8 K 4477/04 -, beide in ).
34 
Das war vorliegend allerdings gerade nicht der Fall. Denn der Beklagte hat sich bei seiner Entscheidung (nur) auf den sog. „Interessenausgleich“ zwischen dem Konkursverwalter und dem Gesamtbetriebsrat vom 28.03.2012 bezogen und sich damit begnügt, dass die Klägerin in der Anlage 3 zum § 2 der Vereinbarung als „ausscheidende“ Beschäftigte (dort in der Liste 3.6 der betroffenen Bezirksleiterinnen) genannt wird.
35 
Bei diesem Interessenausgleich vom 28.03.2012 handelt es sich um einen solchen im Sinne des § 112 Abs. 1 S. 1 und zugleich auch um einen Sozialplan im Sinne des § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG. Denn die als „Betriebsvereinbarung“ (vgl. § 112 Abs. 1 S. 3 BetrVG) bezeichnete Vereinbarung regelt - in § 2 - die geplante Betriebsänderung, nämlich die Schließung von mehr als 2000 im einzelnen aufgeführten Verkaufsstellen (s. Anlage 1 und reziprok Anlage 2) und die damit verbundene Entlassung von Beschäftigten (aufgeführt in Anlage 3). Andererseits werden auch Art und Ausmaß der Entschädigung ( vor allem in § 3: Übernahme in Transfergesellschaften; § 5: Bindung an Tarifverträge; §§ 6 und 7: Rückkehr und vorrangige Berücksichtigung), also das geregelt, was den Gegenstand eines Sozialplans (und somit einer Betriebsvereinbarung) darstellt. Bei der Anlage 3 handelt es sich zudem um eine namentliche Kennzeichnung der Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, im Sinne von § 1 Abs. 5 KSchG. Diese Kennzeichnung hat, wie schon ausgeführt, die gesetzliche Vermutung zur Folge, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist. Nach § 1 Abs. 5 S. 2 KSchG kann die soziale Auswahl der Arbeitnehmer (durch Arbeitsgerichte) nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.
36 
Der „Interessenausgleich“ lässt jedoch nicht erkennen, nach welchen Kriterien die eigentliche Sozialauswahl erfolgt ist. Insbesondere bleibt völlig unklar, ob die Gruppe der schwerbehinderten Beschäftigten bei der Auswahl gemäß § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG und unter Berücksichtigung ihres Teilhabeanspruchs nach dem SGB 9 besonders gewichtet worden ist und ggfs. nach welchen Gesichtspunkten. Ein Punkte-Schema oder Vergleichbares enthalten weder der Interessenausgleich noch seine Anlagen. Deshalb ist es insoweit auch unerheblich, dass dem Beklagten, wie seine Vertreterin in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, noch nicht einmal der vollständige Interessenausgleich mit Anlagen vorgelegen hat, sondern offenbar nur (Auszüge aus den) Anlagen.
37 
Die Beigeladene hat in dem Zustimmungsverfahren die Auswahlkriterien auch nicht dargelegt und der Beklagte hat die Beigeladene auch nicht zur Darlegung der Auswahlkriterien aufgefordert. Vielmehr hat er es genügen lassen, dass die Klägerin in der Anlage 3 aufgeführt wird und er hat die Klägerin in seiner Entscheidung nur formelhaft auf die Überprüfung durch das Arbeitsgericht und damit auf dessen alleinige Kompetenz verwiesen. Er hat auch nicht berücksichtigt, dass die Arbeitsgerichte wegen der gesetzlichen Vermutung aufgrund von § 1 Abs. 5 KSchG ebenfalls auf eine Prüfung grober Fehlerhaftigkeit beschränkt sind bei gleichzeitiger Beweislastumkehr zulasten des (schwerbehinderten) Arbeitnehmers. Der Beklagte hat damit die dargelegte Rechtslage nicht in seine Ermessenserwägungen eingestellt, und es bestehen auch keine Hinweise darauf, dass er sich deren überhaupt bewusst war. Er hätte sich vergewissern müssen, dass der „Interessensausgleich“ vom 28.03.2012 der besonderen Situation von schwerbehinderten Beschäftigten, insbesondere die der Klägerin, überhaupt Rechnung getragen hat. Die Ermessensentscheidung ist daher fehlerhaft, weil der Beklagte es unterlassen hat, den maßgeblichen Sachverhalt hinreichend aufzuklären (zum Umfang der Amtsermittlungspflicht vgl. BVerwG, Urteil vom 02.07.1992, aaO.).
38 
Nur am Rande sei darauf hingewiesen, dass das Arbeitsgericht Heilbronn mit Urteil vom 01.08.2012, - 8 Ca 71/12 -, ) im Falle einer (nicht schwerbehinderten) „Schlecker-Frau“ zum Ergebnis gekommen ist, dass die Sozialauswahl aufgrund desselben Interessenausgleichs vom 28.03.2012 grob fehlerhaft war, u.a. weil das dort erst auf nachdrückliche Anforderung des Gerichts dargelegte Punkte-Schema aus der Sicht der dortigen Klägerin schwerwiegend fehlerhaft war und der Interessenausgleich jede Ausgewogenheit vermissen ließ.
39 
Unter diesen Voraussetzungen kann offen bleiben, ob die Ermessensentscheidung nicht auch deshalb fehlerhaft ist, weil der Beklagte dem Gesichtspunkt keine Bedeutung geschenkt hat, dass die Beigeladene (vor und) nach der damals geplanten Entlassungsaktion die Pflichtquote für die Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen nicht erfüllt hatte und der Beklagte diesen Umstand nicht hinreichend gewichtet hat (vgl. dazu Verwaltungsgericht Stuttgart, Urteil vom 12.05.2011, aaO.).
40 
Nach alledem hat der Beklagte das Ermessen nicht unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des Schwerbehindertenschutzes nach dem SGB IX ausgeübt. Daher war der Klage stattzugeben.
41 
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 und § 154 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladene keinen Abtrag gestellt und somit auch kein Kostenrisiko nach § 154 Abs. 3 VwGO auf sich genommen hat, sind ihre außergerichtlichen Kosten nicht erstattungsfähig (§ 162 Abs. 3 VwGO). Gemäß § 188 S. 2 ist das Verfahren gerichtskostenfrei.

Gründe

 
19 
Die Klage ist zulässig. Insbesondere fehlt der Klägerin nicht das Rechtsschutzbedürfnis, da die Frage der Wirksamkeit der Kündigung von Gerichten der Arbeitsgerichtsbarkeit und nicht der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu entscheiden und dort noch nicht entschieden worden ist (vgl. Verwaltungsgericht Würzburg, Urteil vom 17.07.2012, - W 3 K 12.102 - ). Auch unter dem vom Beklagten erörterten Gesichtspunkt fehlt der Klägerin vorliegend das Rechtsschutzbedürfnis nicht: Im Falle einer erfolgreichen Klage gegen die Zustimmung wäre die Kündigung der Klägerin vom 06.06.2012 unwirksam und das Arbeitsverhältnis zu der noch existenten Firma Schlecker e.K. i. L. würde fortbestehen. Es dürfte zwar davon auszugehen sein, dass nach Auflösung und Stilllegung des realen Unternehmens auch real keine Beschäftigungsmöglichkeit für die Klägerin mehr bestehen werden, jedoch schließt dies nicht aus, dass diese eine Reihe von finanziellen Ansprüchen gegen die Beigeladene geltend machen könnte. Auch hier ist nicht hinreichend klar, ob solche finanziellen Ansprüche überhaupt noch aussichtsreich verfolgt werden könnten, nachdem nach Aussage der Vertreterin der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung die Endabwicklung im Gange, aber noch nicht abgeschlossen ist und nachdem im September 2012 die „Unzulänglichkeit der Masse“ festgestellt worden war. Letztlich ist es aber nicht Sache des Verwaltungsgericht, die Realisierbarkeit solcher Ansprüche abzuschätzen, sodass jedenfalls insoweit von einem fortbestehenden Rechtsschutzbedürfnis auszugehen ist.
20 
Die auch sonst zulässige Klage ist auch begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
21 
Die Klägerin ist ein schwerbehinderter Mensch im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB IX, weil sie - zumindest aufgrund des allerdings erst in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Abhilfebescheids des Versorgungsamts Gießen vom 19.03.2012 - einen Grad der Behinderung von mindestens 50 aufweist, so dass ihr der besondere Schwerbehindertenschutz eingeräumt ist. Damit bedurfte die Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses durch die Beigeladene der vorherigen Zustimmung des Beklagten als Integrationsamt (§ 85 SGB IX).
22 
Über einen Antrag des Arbeitgebers auf Erteilung der Zustimmung hat das Integrationsamt nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden (BVerwG, Urteil vom 02.07.1992, - 5 C 51.90 -, BVerwGE 90, 287 und ; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 28.04.1989, - 6 S 1 971/88 -). Ist die Behörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, so unterliegt die Verwaltungsentscheidung nur einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle gemäß § 114 S. 1 VwGO. Danach prüft das Gericht nur, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (§ 114 VwGO), insbesondere ob die Behörde in ihre Ermessenserwägungen alle wesentlichen, den Streit zwischen den Beteiligten kennzeichnenden Gesichtspunkte eingestellt hat und ob sie dabei von einem richtigen und vollständigen Sachverhalt ausgegangen ist (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 09.05.1994, - 7 S 2294/92 -, ). Die Ermessensentscheidung ist danach fehlerhaft, wenn die Behörde Umstände außer Betracht lässt, die zu berücksichtigen wären (vgl. hierzu und im weiteren auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 04.03.1998 - 9 S 1637/97 -).
23 
Bei Ausübung ihres Ermessens hat sich die Behörde am Zweck des ermächtigenden Gesetzes zu orientieren. Nach § 1 SGB IX haben schwerbehinderte Menschen unter anderem Anspruch auf Förderung der selbstbestimmten und gleichberechtigten Teilhabe am Arbeitsleben; deshalb hat das Integrationsamt zu prüfen, ob der Arbeitgeber im Rahmen des ihm Möglichen und Zumutbaren dem Anspruch des schwerbehinderten Menschen auf eine seinen Fähigkeiten gerecht werdenden Beschäftigung Rechnung trägt (vgl. Verwaltungsgericht Stuttgart, Urteil vom 19.07.2004, - 8 K 3370/03, - unter Bezugnahme auf Dau, Düwell, Haines (Hrsg.), Lehr- und Praxiskommentar LPK - SGB IX, 2002, Anm. 7 und 9 zu § 89). Schon nach dem SchwbG war anerkannt, dass durch die Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen (nur) die Nachteile des Schwerbehinderten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeglichen werden sollen. Auch der Zweck des § 85 SGB IX geht dahin, die Schwerbehinderten vor den besonderen Gefahren, denen sie wegen der Behinderung auf dem Arbeitsmarkt ausgesetzt sind, zu bewahren und sicherzustellen, dass sie gegenüber den gesunden Arbeitnehmern nicht ins Hintertreffen geraten. Dieser Aspekt hat auch die Leitlinie bei der Ermessensentscheidung zu sein, ob der Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Schwerbehinderten zuzustimmen ist. Diese Entscheidung erfordert deshalb eine Abwägung des Interesses des Arbeitgebers an der Erhaltung seiner Gestaltungsmöglichkeiten gegen das Interesse des schwerbehinderten Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes. Damit werden die Grenzen dessen bestimmt, was zur Verwirklichung des dem Schwerbehinderten gebührenden weitgehenden Teilhabeanspruchs dem Arbeitgeber zugemutet werden darf (BVerwG, Urteil vom 02.07.1992, - 5 C 51.90 -, BVerwGE 90, 287, 292 f und m. w. N. zum SchwbG).
24 
Haben die zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses führenden Gründe in der Behinderung selbst ihre Ursache, stellt der Schwerbehindertenschutz besondere Anforderungen an die bei der Interessenabwägung immer zu berücksichtigende Zumutbarkeitsgrenze beim Arbeitgeber, um den im Schwerbehindertenrecht zum Ausdruck kommenden Schutzgedanken der Rehabilitation verwirklichen zu können. Dies kann im Einzelfall dazu führen, dass das Interesse des Arbeitgebers an der Vermeidung aller Störungen des betrieblichen Ablaufs in zumutbarer Weise zurücktreten muss (BVerwG, Urteil vom 27.10.1971 - V C 78.70 -, BVerwGE 39, 36 <38>-; Beschluss vom 18.09.1989 - 5 B 100.89 -, Buchholz 436.61 § 15 SchwbG 1986 Nr. 2 und Beschluss vom 16.06.1990, - 5 B 1 27.89 -, Buchholz a.a.0. Nr. 3).
25 
Erfolgt die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Schwerbehinderten dagegen aus einem Grunde, der nicht mit der Behinderung im Zusammenhang steht, so kann dem Fürsorge- und Teilhabezweck des Schwerbehindertenrechts nur eine geringe bzw. gar keine Bedeutung zukommen. Denn es ist grundsätzlich nicht Aufgabe des Integrationsamtes, bei seiner Entschließung die allgemeinen sozialen Interessen des einzelnen Schwerbehinderten als Arbeitnehmer zu wahren. Der besondere Schutz nach § 85 SGB IX ist dem Schwerbehinderten nämlich zusätzlich zum allgemeinen arbeitsrechtlichen Schutz gegeben, dem insbesondere die Prüfung obliegt, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt ist. Damit können bei der Entscheidung über die Zustimmung nur solche Erwägungen eine Rolle spielen, die sich speziell aus dem Anspruch auf Fürsorge und Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben herleiten (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.07.2012, - 5 C 16/11 -, ; Beschluss vom 31.07.2007, - 5 B 81/06 -, ; Urteil vom 02.07. 1992, aaO.; vgl. schon Urteil vom 28.11.1958, BVerwGE 8, 46 ff.).
26 
Bei seiner Ermessensentscheidung muss das Integrationsamt nur solche Umstände berücksichtigen, die sich ihm bei vernünftiger Überlegung aufdrängen oder auf die es durch die Beteiligten hingewiesen wird, nicht aber auch solche denkbaren weiteren Umstände, die den persönlichen Lebensbereich des Schwerbehinderten berühren, von ihm aber im Verwaltungsverfahren nicht geltend gemacht werden (BVerwG, Beschluss vom 22.11.1994 - 5 B 16.94 -, juris; Beschluss vom 23.09.1997, - 9 S 1635/96 -). Dabei kommt es in den Fällen wie hier für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblich auf den Zeitpunkt des Ausgangsbescheids an (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 05.08.96, - 7 S 3383/94 -, unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 07.03.1991, - 5 B 114/89 -, und Buchholz 436. 61 § 12 SchwbG Nr. 3), der die Grundlage für die dann erklärte Kündigung war. Die seither eingetretenen oder bekannt gewordenen Umstände können daher die Rechtmäßigkeit der erteilten Zustimmung nicht mehr berühren.
27 
Die formellen und materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der Zustimmung lagen hier vor.
28 
Die angefochtene Entscheidung des Beklagten ist entsprechend den Verfahrens- und Formvorschriften des SGB IX zustande gekommen. Insbesondere mangelt es der Zustimmung nicht an einer wirksamen Antragstellung.
29 
Zwar ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers einzuräumen, dass aus dem Antragschreiben nicht ersichtlich ist, wer der unterzeichnende Herr B. ist und in welcher Eigenschaft er die Befugnis zur Antragstellung ausgeübt hat. Die Vermutung, es handele sich um eine unternehmensferne Person, hat die Vertreterin der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung mit dem Hinweis darauf ausgeräumt, dass es sich bei Herrn B. um den Personalleiter des bisherigen Unternehmens am Hauptsitz Ehingen gehandelt habe, dem gegenüber der Insolvenzverwalter nach seiner Einsetzung am 28.03.2012 weisungsbefugt war (vgl. § 80 InsO; vgl. zur regelmäßigen Befugnis des Personalleiters Dau/Düwell/Haines, SGB IX, LPK, 2. A., Anm. 7 zu § 87). Dies erklärt auch, weshalb der Antrag, was vom Prozessbevollmächtigten des Klägers ebenfalls, allerdings mangels rechtlicher Relevanz zu Unrecht, gerügt worden war, auf dem „normalen“ Briefbogen der Firma Schlecker e.K. verfasst worden war. Die Antragstellung erfolgte jedenfalls ausdrücklich „für den Insolvenzverwalter“ (vgl. dazu Dau/Düwell/Haines, aaO).
30 
Sollte es dem Herrn B. jedoch an der Befugnis zur Antragstellung gefehlt haben, wäre der Zustimmungsbescheid der Beklagten nur rechtswidrig, aber nicht nichtig; die fehlende Antragstellung lässt sich nach § 41 Abs. 1 Nr. 1 SGB X, für welchen die zeitlichen Beschränkungen nach Abs. 2 der Vorschrift nicht gelten, jederzeit nachholen. Demgemäß wäre die fehlende Antragstellung durch die entsprechende, zu Protokoll genommene, Erklärung der (unbeschränkt) Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen nachgeholt worden (vgl. Schroeder-Printzen u.a., SGB X, Kommentar, 3.A., Anm. 4 zu § 41 mit weiteren Nachweisen). - Unter diesen Voraussetzungen musste das Gericht der Beigeladenen nicht mehr die Möglichkeit einräumen, die Legitimität der Antragstellung durch Herrn B. nachzuweisen.
31 
Andere Verfahrensmängel sind nicht geltend gemacht worden oder ersichtlich.
32 
Damit war das Ermessen grundsätzlich eröffnet. Eine Einschränkung des Ermessens nach § 89 SGB IX kommt, wovon auch der Beklagte ausgegangen ist, nicht in Betracht, weil die Beigeladene die für diese Ermessensreduktion erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen nicht erfüllt hat. Ohnehin fehlt es an einer Beschwer des schwerbehinderten Menschen, wenn das Integrationsamt die Entscheidung über die Zustimmung nicht auf § 89, sondern auf eine Ermessensermächtigung gem. § 85 SGB IX stützt (vgl. VG Köln, Urteil vom 03.12.2003, - 21 K 7252/02 - ).
33 
Entgegen der Ansicht des Prozessbevollmächtigten der Klägerin durfte der Beklagte vorliegend davon ausgehen, dass betriebsbedingte Gründe auf Seiten der Beigeladenen für die beantragte Zustimmung zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger dem Grunde nach vorlagen. Dies ist Kern der gesetzlichen Regelung nach § 1 Abs. 5 KSchG i.V.m. § 111 BetrVG, wonach bei Abschluss eines Interessenausgleichs zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, der die zu kündigenden Arbeitnehmer im Falle einer Betriebsänderung namentlich bezeichnet, eine Vermutung besteht, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist. In einem solchen Fall kann die soziale Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer (von der Arbeitsgerichtsbarkeit) nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Allerdings vermag diese gesetzliche Regelung - entgegen der Ansicht der Beigeladenen und des Beklagten - den Kündigungsschutz der Schwerbehinderten nach dem SGB IX nicht - umfassend - beiseite zu schieben, auch wenn die Betriebsparteien im Rahmen des Verfahrens nach § 1 KSchG verpflichtet sind, u.a. die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers ausreichend zu berücksichtigen (Abs. 3 Satz 1 der Norm). Damit ist nämlich keine generelle Verlagerung des Schutzes der Schwerbehinderten als einer hoheitlichen Aufgabe vom hoheitlich handelnden Beklagten hin zu den Betriebsparteien gemeint. Der Schwerbehindertenschutz obliegt auch in einem solchen Fall gemäß § 85 SGB IX dem Integrationsamt. Dieses darf im Rahmen seiner Ermessensbetätigung lediglich für den „Normalfall“ davon ausgehen, die Betriebsparteien hätten im Rahmen der Vereinbarung eines Interessenausgleichs mit Namensliste die Interessen der Schwerbehinderten innerhalb der Belegschaft ausreichend berücksichtigt, wenn insoweit substantiiert vorgetragen ist, dass die Betriebsparteien, etwa im Rahmen eines angewandten Punkte-Schemas, dafür Sorge getragen worden ist, dass die im Betrieb beschäftigten schwerbehinderten Menschen in ihrer Gesamtheit nicht ins Hintertreffen geraten (vgl. Verwaltungsgericht Stuttgart, Urteile vom 12.05.2011, - 11 K 5112/10 -, und vom 18.04.2005, - 8 K 4477/04 -, beide in ).
34 
Das war vorliegend allerdings gerade nicht der Fall. Denn der Beklagte hat sich bei seiner Entscheidung (nur) auf den sog. „Interessenausgleich“ zwischen dem Konkursverwalter und dem Gesamtbetriebsrat vom 28.03.2012 bezogen und sich damit begnügt, dass die Klägerin in der Anlage 3 zum § 2 der Vereinbarung als „ausscheidende“ Beschäftigte (dort in der Liste 3.6 der betroffenen Bezirksleiterinnen) genannt wird.
35 
Bei diesem Interessenausgleich vom 28.03.2012 handelt es sich um einen solchen im Sinne des § 112 Abs. 1 S. 1 und zugleich auch um einen Sozialplan im Sinne des § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG. Denn die als „Betriebsvereinbarung“ (vgl. § 112 Abs. 1 S. 3 BetrVG) bezeichnete Vereinbarung regelt - in § 2 - die geplante Betriebsänderung, nämlich die Schließung von mehr als 2000 im einzelnen aufgeführten Verkaufsstellen (s. Anlage 1 und reziprok Anlage 2) und die damit verbundene Entlassung von Beschäftigten (aufgeführt in Anlage 3). Andererseits werden auch Art und Ausmaß der Entschädigung ( vor allem in § 3: Übernahme in Transfergesellschaften; § 5: Bindung an Tarifverträge; §§ 6 und 7: Rückkehr und vorrangige Berücksichtigung), also das geregelt, was den Gegenstand eines Sozialplans (und somit einer Betriebsvereinbarung) darstellt. Bei der Anlage 3 handelt es sich zudem um eine namentliche Kennzeichnung der Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, im Sinne von § 1 Abs. 5 KSchG. Diese Kennzeichnung hat, wie schon ausgeführt, die gesetzliche Vermutung zur Folge, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist. Nach § 1 Abs. 5 S. 2 KSchG kann die soziale Auswahl der Arbeitnehmer (durch Arbeitsgerichte) nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.
36 
Der „Interessenausgleich“ lässt jedoch nicht erkennen, nach welchen Kriterien die eigentliche Sozialauswahl erfolgt ist. Insbesondere bleibt völlig unklar, ob die Gruppe der schwerbehinderten Beschäftigten bei der Auswahl gemäß § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG und unter Berücksichtigung ihres Teilhabeanspruchs nach dem SGB 9 besonders gewichtet worden ist und ggfs. nach welchen Gesichtspunkten. Ein Punkte-Schema oder Vergleichbares enthalten weder der Interessenausgleich noch seine Anlagen. Deshalb ist es insoweit auch unerheblich, dass dem Beklagten, wie seine Vertreterin in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, noch nicht einmal der vollständige Interessenausgleich mit Anlagen vorgelegen hat, sondern offenbar nur (Auszüge aus den) Anlagen.
37 
Die Beigeladene hat in dem Zustimmungsverfahren die Auswahlkriterien auch nicht dargelegt und der Beklagte hat die Beigeladene auch nicht zur Darlegung der Auswahlkriterien aufgefordert. Vielmehr hat er es genügen lassen, dass die Klägerin in der Anlage 3 aufgeführt wird und er hat die Klägerin in seiner Entscheidung nur formelhaft auf die Überprüfung durch das Arbeitsgericht und damit auf dessen alleinige Kompetenz verwiesen. Er hat auch nicht berücksichtigt, dass die Arbeitsgerichte wegen der gesetzlichen Vermutung aufgrund von § 1 Abs. 5 KSchG ebenfalls auf eine Prüfung grober Fehlerhaftigkeit beschränkt sind bei gleichzeitiger Beweislastumkehr zulasten des (schwerbehinderten) Arbeitnehmers. Der Beklagte hat damit die dargelegte Rechtslage nicht in seine Ermessenserwägungen eingestellt, und es bestehen auch keine Hinweise darauf, dass er sich deren überhaupt bewusst war. Er hätte sich vergewissern müssen, dass der „Interessensausgleich“ vom 28.03.2012 der besonderen Situation von schwerbehinderten Beschäftigten, insbesondere die der Klägerin, überhaupt Rechnung getragen hat. Die Ermessensentscheidung ist daher fehlerhaft, weil der Beklagte es unterlassen hat, den maßgeblichen Sachverhalt hinreichend aufzuklären (zum Umfang der Amtsermittlungspflicht vgl. BVerwG, Urteil vom 02.07.1992, aaO.).
38 
Nur am Rande sei darauf hingewiesen, dass das Arbeitsgericht Heilbronn mit Urteil vom 01.08.2012, - 8 Ca 71/12 -, ) im Falle einer (nicht schwerbehinderten) „Schlecker-Frau“ zum Ergebnis gekommen ist, dass die Sozialauswahl aufgrund desselben Interessenausgleichs vom 28.03.2012 grob fehlerhaft war, u.a. weil das dort erst auf nachdrückliche Anforderung des Gerichts dargelegte Punkte-Schema aus der Sicht der dortigen Klägerin schwerwiegend fehlerhaft war und der Interessenausgleich jede Ausgewogenheit vermissen ließ.
39 
Unter diesen Voraussetzungen kann offen bleiben, ob die Ermessensentscheidung nicht auch deshalb fehlerhaft ist, weil der Beklagte dem Gesichtspunkt keine Bedeutung geschenkt hat, dass die Beigeladene (vor und) nach der damals geplanten Entlassungsaktion die Pflichtquote für die Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen nicht erfüllt hatte und der Beklagte diesen Umstand nicht hinreichend gewichtet hat (vgl. dazu Verwaltungsgericht Stuttgart, Urteil vom 12.05.2011, aaO.).
40 
Nach alledem hat der Beklagte das Ermessen nicht unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des Schwerbehindertenschutzes nach dem SGB IX ausgeübt. Daher war der Klage stattzugeben.
41 
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 und § 154 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladene keinen Abtrag gestellt und somit auch kein Kostenrisiko nach § 154 Abs. 3 VwGO auf sich genommen hat, sind ihre außergerichtlichen Kosten nicht erstattungsfähig (§ 162 Abs. 3 VwGO). Gemäß § 188 S. 2 ist das Verfahren gerichtskostenfrei.

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Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 04. März 2013 - 11 K 3968/12 zitiert 19 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 162


(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens. (2) Die Gebühren und Auslage

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 114


Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens übersch

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 1 Sozial ungerechtfertigte Kündigungen


(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt is

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 2 Begriffsbestimmungen


(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft m

Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 112 Interessenausgleich über die Betriebsänderung, Sozialplan


(1) Kommt zwischen Unternehmer und Betriebsrat ein Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung zustande, so ist dieser schriftlich niederzulegen und vom Unternehmer und Betriebsrat zu unterschreiben; § 77 Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

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In Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Unternehmer den Betriebsrat über geplante Betriebsänderungen, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 41 Heilung von Verfahrens- und Formfehlern


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Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 85 Klagerecht der Verbände


Werden Menschen mit Behinderungen in ihren Rechten nach diesem Buch verletzt, können an ihrer Stelle und mit ihrem Einverständnis Verbände klagen, die nach ihrer Satzung Menschen mit Behinderungen auf Bundes- oder Landesebene vertreten und nicht selb

Insolvenzordnung - InsO | § 125 Interessenausgleich und Kündigungsschutz


(1) Ist eine Betriebsänderung (§ 111 des Betriebsverfassungsgesetzes) geplant und kommt zwischen Insolvenzverwalter und Betriebsrat ein Interessenausgleich zustande, in dem die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, namentlich bezeichnet sind, so

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 71 Weiterzahlung der Leistungen


(1) Sind nach Abschluss von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben weitere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich, während derer dem Grunde nach Anspruch auf Übergangsgeld besteht, u

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 1 Selbstbestimmung und Teilhabe am Leben in der Gesellschaft


Menschen mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohte Menschen erhalten Leistungen nach diesem Buch und den für die Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen, um ihre Selbstbestimmung und ihre volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe

Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 112a Erzwingbarer Sozialplan bei Personalabbau, Neugründungen


(1) Besteht eine geplante Betriebsänderung im Sinne des § 111 Satz 3 Nr. 1 allein in der Entlassung von Arbeitnehmern, so findet § 112 Abs. 4 und 5 nur Anwendung, wenn 1. in Betrieben mit in der Regel weniger als 60 Arbeitnehmern 20 vom Hundert der r

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 89 Verordnungsermächtigung


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Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 04. März 2013 - 11 K 3968/12 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

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Bundesverwaltungsgericht Urteil, 12. Juli 2012 - 5 C 16/11

bei uns veröffentlicht am 12.07.2012

Tatbestand 1 Gegenstand des Verfahrens ist die Rechtmäßigkeit der Zustimmung des Beklagten zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses zwischen der Beigelad

Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 12. Mai 2011 - 11 K 5112/10

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Tenor Der Bescheid des Beklagten vom 30. Juni 2010 und der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 12. November 2010 werden aufgehoben. Der Beklagte und die Beigeladene tragen die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu je ½. Das Verfahren ist geri

Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 18. Apr. 2005 - 8 K 4477/04

bei uns veröffentlicht am 18.04.2005

Tenor Der Bescheid des Beklagten vom 28.06.2004 und dessen Widerspruchsbescheid vom 15.10.2004 werden aufgehoben. Der Beklagte trägt die Kosten des - gerichtskostenfreien - Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen,

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(1) Ist eine Betriebsänderung (§ 111 des Betriebsverfassungsgesetzes) geplant und kommt zwischen Insolvenzverwalter und Betriebsrat ein Interessenausgleich zustande, in dem die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, namentlich bezeichnet sind, so ist § 1 des Kündigungsschutzgesetzes mit folgenden Maßgaben anzuwenden:

1.
es wird vermutet, daß die Kündigung der Arbeitsverhältnisse der bezeichneten Arbeitnehmer durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung in diesem Betrieb oder einer Weiterbeschäftigung zu unveränderten Arbeitsbedingungen entgegenstehen, bedingt ist;
2.
die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur im Hinblick auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter und die Unterhaltspflichten und auch insoweit nur auf grobe Fehlerhaftigkeit nachgeprüft werden; sie ist nicht als grob fehlerhaft anzusehen, wenn eine ausgewogene Personalstruktur erhalten oder geschaffen wird.
Satz 1 gilt nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat.

(2) Der Interessenausgleich nach Absatz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrats nach § 17 Abs. 3 Satz 2 des Kündigungsschutzgesetzes.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Kommt zwischen Unternehmer und Betriebsrat ein Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung zustande, so ist dieser schriftlich niederzulegen und vom Unternehmer und Betriebsrat zu unterschreiben; § 77 Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend. Das Gleiche gilt für eine Einigung über den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen (Sozialplan). Der Sozialplan hat die Wirkung einer Betriebsvereinbarung. § 77 Abs. 3 ist auf den Sozialplan nicht anzuwenden.

(2) Kommt ein Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung oder eine Einigung über den Sozialplan nicht zustande, so können der Unternehmer oder der Betriebsrat den Vorstand der Bundesagentur für Arbeit um Vermittlung ersuchen, der Vorstand kann die Aufgabe auf andere Bedienstete der Bundesagentur für Arbeit übertragen. Erfolgt kein Vermittlungsersuchen oder bleibt der Vermittlungsversuch ergebnislos, so können der Unternehmer oder der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen. Auf Ersuchen des Vorsitzenden der Einigungsstelle nimmt ein Mitglied des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit oder ein vom Vorstand der Bundesagentur für Arbeit benannter Bediensteter der Bundesagentur für Arbeit an der Verhandlung teil.

(3) Unternehmer und Betriebsrat sollen der Einigungsstelle Vorschläge zur Beilegung der Meinungsverschiedenheiten über den Interessenausgleich und den Sozialplan machen. Die Einigungsstelle hat eine Einigung der Parteien zu versuchen. Kommt eine Einigung zustande, so ist sie schriftlich niederzulegen und von den Parteien und vom Vorsitzenden zu unterschreiben.

(4) Kommt eine Einigung über den Sozialplan nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle über die Aufstellung eines Sozialplans. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

(5) Die Einigungsstelle hat bei ihrer Entscheidung nach Absatz 4 sowohl die sozialen Belange der betroffenen Arbeitnehmer zu berücksichtigen als auch auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit ihrer Entscheidung für das Unternehmen zu achten. Dabei hat die Einigungsstelle sich im Rahmen billigen Ermessens insbesondere von folgenden Grundsätzen leiten zu lassen:

1.
Sie soll beim Ausgleich oder bei der Milderung wirtschaftlicher Nachteile, insbesondere durch Einkommensminderung, Wegfall von Sonderleistungen oder Verlust von Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung, Umzugskosten oder erhöhte Fahrtkosten, Leistungen vorsehen, die in der Regel den Gegebenheiten des Einzelfalles Rechnung tragen.
2.
Sie hat die Aussichten der betroffenen Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt zu berücksichtigen. Sie soll Arbeitnehmer von Leistungen ausschließen, die in einem zumutbaren Arbeitsverhältnis im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens oder eines zum Konzern gehörenden Unternehmens weiterbeschäftigt werden können und die Weiterbeschäftigung ablehnen; die mögliche Weiterbeschäftigung an einem anderen Ort begründet für sich allein nicht die Unzumutbarkeit.
2a.
Sie soll insbesondere die im Dritten Buch des Sozialgesetzbuches vorgesehenen Förderungsmöglichkeiten zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit berücksichtigen.
3.
Sie hat bei der Bemessung des Gesamtbetrages der Sozialplanleistungen darauf zu achten, dass der Fortbestand des Unternehmens oder die nach Durchführung der Betriebsänderung verbleibenden Arbeitsplätze nicht gefährdet werden.

(1) Besteht eine geplante Betriebsänderung im Sinne des § 111 Satz 3 Nr. 1 allein in der Entlassung von Arbeitnehmern, so findet § 112 Abs. 4 und 5 nur Anwendung, wenn

1.
in Betrieben mit in der Regel weniger als 60 Arbeitnehmern 20 vom Hundert der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer, aber mindestens 6 Arbeitnehmer,
2.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 250 Arbeitnehmern 20 vom Hundert der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder mindestens 37 Arbeitnehmer,
3.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 250 und weniger als 500 Arbeitnehmern 15 vom Hundert der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder mindestens 60 Arbeitnehmer,
4.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern 10 vom Hundert der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer, aber mindestens 60 Arbeitnehmer
aus betriebsbedingten Gründen entlassen werden sollen. Als Entlassung gilt auch das vom Arbeitgeber aus Gründen der Betriebsänderung veranlasste Ausscheiden von Arbeitnehmern auf Grund von Aufhebungsverträgen.

(2) § 112 Abs. 4 und 5 findet keine Anwendung auf Betriebe eines Unternehmens in den ersten vier Jahren nach seiner Gründung. Dies gilt nicht für Neugründungen im Zusammenhang mit der rechtlichen Umstrukturierung von Unternehmen und Konzernen. Maßgebend für den Zeitpunkt der Gründung ist die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, die nach § 138 der Abgabenordnung dem Finanzamt mitzuteilen ist.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates weitere Vorschriften über die Geschäftsführung und das Verfahren des Beirats nach § 87 erlassen.

Werden Menschen mit Behinderungen in ihren Rechten nach diesem Buch verletzt, können an ihrer Stelle und mit ihrem Einverständnis Verbände klagen, die nach ihrer Satzung Menschen mit Behinderungen auf Bundes- oder Landesebene vertreten und nicht selbst am Prozess beteiligt sind. In diesem Fall müssen alle Verfahrensvoraussetzungen wie bei einem Rechtsschutzersuchen durch den Menschen mit Behinderungen selbst vorliegen.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates weitere Vorschriften über die Geschäftsführung und das Verfahren des Beirats nach § 87 erlassen.

(1) Sind nach Abschluss von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben weitere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich, während derer dem Grunde nach Anspruch auf Übergangsgeld besteht, und können diese Leistungen aus Gründen, die die Leistungsempfänger nicht zu vertreten haben, nicht unmittelbar anschließend durchgeführt werden, werden das Verletztengeld, das Versorgungskrankengeld oder das Übergangsgeld für diese Zeit weitergezahlt. Voraussetzung für die Weiterzahlung ist, dass

1.
die Leistungsempfänger arbeitsunfähig sind und keinen Anspruch auf Krankengeld mehr haben oder
2.
den Leistungsempfängern eine zumutbare Beschäftigung aus Gründen, die sie nicht zu vertreten haben, nicht vermittelt werden kann.

(2) Leistungsempfänger haben die Verzögerung von Weiterzahlungen insbesondere dann zu vertreten, wenn sie zumutbare Angebote von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nur deshalb ablehnen, weil die Leistungen in größerer Entfernung zu ihren Wohnorten angeboten werden. Für die Beurteilung der Zumutbarkeit ist § 140 Absatz 4 des Dritten Buches entsprechend anzuwenden.

(3) Können Leistungsempfänger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben allein aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr, aber voraussichtlich wieder in Anspruch nehmen, werden Übergangsgeld und Unterhaltsbeihilfe bis zum Ende dieser Leistungen, höchstens bis zu sechs Wochen weitergezahlt.

(4) Sind die Leistungsempfänger im Anschluss an eine abgeschlossene Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben arbeitslos, werden Übergangsgeld und Unterhaltsbeihilfe während der Arbeitslosigkeit bis zu drei Monate weitergezahlt, wenn sie sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet haben und einen Anspruch auf Arbeitslosengeld von mindestens drei Monaten nicht geltend machen können; die Anspruchsdauer von drei Monaten vermindert sich um die Anzahl von Tagen, für die Leistungsempfänger im Anschluss an eine abgeschlossene Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben einen Anspruch auf Arbeitslosengeld geltend machen können. In diesem Fall beträgt das Übergangsgeld

1.
67 Prozent bei Leistungsempfängern, bei denen die Voraussetzungen des erhöhten Bemessungssatzes nach § 66 Absatz 1 Satz 3 Nummer 1 vorliegen und
2.
60 Prozent bei den übrigen Leistungsempfängern,
des sich aus § 66 Absatz 1 Satz 1 oder § 68 ergebenden Betrages.

(5) Ist im unmittelbaren Anschluss an Leistungen zur medizinischen Rehabilitation eine stufenweise Wiedereingliederung (§ 44) erforderlich, wird das Übergangsgeld bis zum Ende der Wiedereingliederung weitergezahlt.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

Werden Menschen mit Behinderungen in ihren Rechten nach diesem Buch verletzt, können an ihrer Stelle und mit ihrem Einverständnis Verbände klagen, die nach ihrer Satzung Menschen mit Behinderungen auf Bundes- oder Landesebene vertreten und nicht selbst am Prozess beteiligt sind. In diesem Fall müssen alle Verfahrensvoraussetzungen wie bei einem Rechtsschutzersuchen durch den Menschen mit Behinderungen selbst vorliegen.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

Menschen mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohte Menschen erhalten Leistungen nach diesem Buch und den für die Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen, um ihre Selbstbestimmung und ihre volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken. Dabei wird den besonderen Bedürfnissen von Frauen und Kindern mit Behinderungen und von Behinderung bedrohter Frauen und Kinder sowie Menschen mit seelischen Behinderungen oder von einer solchen Behinderung bedrohter Menschen Rechnung getragen.

Werden Menschen mit Behinderungen in ihren Rechten nach diesem Buch verletzt, können an ihrer Stelle und mit ihrem Einverständnis Verbände klagen, die nach ihrer Satzung Menschen mit Behinderungen auf Bundes- oder Landesebene vertreten und nicht selbst am Prozess beteiligt sind. In diesem Fall müssen alle Verfahrensvoraussetzungen wie bei einem Rechtsschutzersuchen durch den Menschen mit Behinderungen selbst vorliegen.

Tatbestand

1

Gegenstand des Verfahrens ist die Rechtmäßigkeit der Zustimmung des Beklagten zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses zwischen der Beigeladenen und dem Kläger.

2

Der im November 1954 geborene Kläger ist seit April 1985 bei der Beigeladenen beschäftigt. Zuletzt war er als Erdbaugeräteführer im Tagebau eingesetzt. Auf seinen Antrag hin erkannte die Versorgungsverwaltung mit Bescheid vom 25. Mai 1994 wegen der "Krohn'schen Erkrankung" und Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule und Hüftgelenke auf einen Grad der Behinderung von 60.

3

Am 4. Mai 2008 nahm der Kläger gelegentlich einer Fahrradtour einen neben einem Feldweg abgestellten Bagger der Beklagten wahr, dessen Kraftstofftank nicht mit einem Schloss gesichert war. In den späten Abendstunden des gleichen Tages fuhr er mit seinem PKW zu dem Bagger, deckte den Heckbereich seines PKW mit einer Decke ab und leitete aus dem unverschlossenen Tank des Baggers ca. 80 l Dieselkraftstoff in von ihm mitgeführte Kanister ab.

4

Wegen dieses Vergehens beantragte die Beigeladene am 8. Mai 2008 bei dem Beklagten die Zustimmung zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger. Mit Bescheid vom 23. Mai 2008 stellte der Beklagte fest, dass die Zustimmung zu der außerordentlichen Kündigung als erteilt gelte. Daraufhin kündigte die Beigeladene mit dem Kläger am 26. Mai 2008 zugegangenem Schreiben vom Vortag das Arbeitsverhältnis fristlos. Mit Bescheid vom 3. März 2009 erkannte die Versorgungsverwaltung in Bezug auf dessen Person rückwirkend auf den Zeitpunkt der Antragstellung, dem 2. Oktober 2008, auf einen Grad der Behinderung von 100. Als Beeinträchtigungen stellte sie eine Depression, eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung (Morbus Crohn) und Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule und Hüftgelenke fest.

5

Das Verwaltungsgericht hat der nach erfolglosem Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 23. Mai 2008 erhobenen Anfechtungsklage stattgegeben. Der angefochtene Bescheid sei aufzuheben, da ein mittelbarer Zusammenhang zwischen dem Kündigungsgrund und der Behinderung nicht ausgeschlossen werden könne; der Beklagte trage insoweit die Feststellungslast.

6

Auf die Kündigungsschutzklage des Klägers hat das Arbeitsgericht festgestellt, das Arbeitsverhältnis der Parteien sei durch die Kündigung der Beigeladenen nicht aufgelöst worden. Deren Berufung hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Beide Gerichte haben ihre Entscheidung allein auf die verwaltungsgerichtliche Aufhebung der Zustimmung des Beklagten gestützt.

7

Das Berufungsgericht hat das verwaltungsgerichtliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Die fingierte Zustimmung des Beklagten zur außerordentlichen Kündigung sei rechtmäßig. Das behördliche Ermessen sei gebunden gewesen. In den Fällen einer verhaltensbedingten Kündigung sei ein Zusammenhang zwischen der Behinderung und dem Kündigungsgrund erst gegeben, wenn die jeweilige Behinderung unmittelbar oder mittelbar zu Defiziten in der Einsichtsfähigkeit und/oder Verhaltenssteuerung des schwerbehinderten Arbeitnehmers geführt habe, denen behinderungsbedingt nicht habe entgegengewirkt werden können, und wenn das einer Kündigung aus wichtigem Grund zugrunde liegende Verhalten des schwerbehinderten Arbeitnehmers gerade auf diese behinderungsbedingte, mangelhafte Verhaltenssteuerung zurückzuführen sei. Das Verhalten des schwerbehinderten Menschen müsse sich dafür zumindest zwanglos aus der Behinderung ergeben und der Zusammenhang dürfe nicht nur ein entfernter sein. Solcher Art zwanglos ergebe sich die von dem Kläger begangene Diebstahlstat weder aus dem Morbus Crohn noch aus den Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule und Hüftgelenke, die der Feststellung eines Grades der Behinderung von 60 zugrunde gelegen hätten. Maßgeblich seien grundsätzlich nur die Beeinträchtigungen, die der im Bescheid der Versorgungsverwaltung getroffenen Feststellung der Behinderung bzw. deren Grades zugrunde liegen. Das ergebe sich aus Existenz und Funktion des versorgungsbehördlichen Feststellungsverfahrens. Es sei nicht Aufgabe des Integrationsamtes, in diese Feststellungen einer Behinderung durch die Versorgungsverwaltung nicht eingeflossene Erkrankungen auf einen Zusammenhang mit dem Kündigungsgrund zu untersuchen. Dahinstehen könne, ob sich aus der der Festsetzung eines Grades der Behinderung von 100 zugrunde liegenden Depression das Verhalten des Klägers zwanglos ergebe, da diese Feststellung zwar rückwirkend, jedoch erst mit Wirkung ab dem 2. Oktober 2008 und damit für einen auf das Verhalten des Klägers folgenden Zeitraum ausgesprochen worden sei.

8

Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, das Berufungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, die fingierte Zustimmung zur Kündigung sei rechtmäßig. Die behördliche Ermessensentscheidung gründe auf einer unzureichend ermittelten Tatsachengrundlage. Ein mittelbarer Zusammenhang zwischen der ihm vorgeworfenen Pflichtverletzung und der Behinderung könne zumindest nicht ausgeschlossen werden. Ein solcher sei wenn nicht in Bezug auf den Morbus Crohn, dessen Folge oftmals psychische Erkrankungen seien, so doch in Bezug auf eine zusätzliche, im maßgeblichen Zeitpunkt noch nicht förmlich anerkannte seelische Behinderung anzunehmen. Es könne hierbei nicht darauf ankommen, ob sämtliche Folgen der Schwerbehinderung bereits durch Bescheid festgestellt worden seien. Der Beklagte sei verpflichtet gewesen aufzuklären, ob zwischen der psychischen Beeinträchtigung und dem Kündigungsgrund ein Zusammenhang bestanden habe.

9

Der Beklagte und die Beigeladene verteidigen das Urteil des Berufungsgerichts.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Der angefochtene Beschluss verletzt nicht Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Ohne Rechtsfehler ist das Berufungsgericht von der Zulässigkeit der Klage ausgegangen (1.). Mit Bundesrecht im Einklang steht zudem die Annahme, die Zustimmung der Beklagten zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers mit der Beigeladenen sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten (2.).

11

1. Die Klage ist als Anfechtungsklage statthaft (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) (a). Der Kläger verfügt über das erforderliche Rechtsschutzinteresse (b).

12

a) Sein Rechtsschutz richtet sich nach den für die Anfechtung von Verwaltungsakten geltenden Vorschriften. Gemäß § 91 Abs. 3 Satz 1 des Neunten Buchs Sozialgesetzbuch (Art. 1 des Gesetzes vom 19. Juni 2001, BGBl I S. 1046), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. Dezember 2007 (BGBl I S. 2984), - SGB IX - trifft das Integrationsamt die Entscheidung über die Zustimmung zu der außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses innerhalb von zwei Wochen vom Tage des Eingangs des Antrages an. Wird innerhalb dieser Frist eine Entscheidung nicht getroffen, gilt die Zustimmung gemäß § 91 Abs. 3 Satz 2 SGB IX als erteilt. Der Surrogatscharakter der Zustimmungsfiktion führt zur Anwendung sämtlicher Vorschriften und Grundsätze, die maßgebend wären, wenn das Integrationsamt die Zustimmung ausdrücklich erteilt hätte (Urteile vom 15. Dezember 1988 - BVerwG 5 C 67.85 - BVerwGE 81, 84 <90 f.> = Buchholz 436.61 § 18 SchwbG Nr. 2 S. 4 f. und vom 10. September 1992 - BVerwG 5 C 39.88 - BVerwGE 91, 7 <10> = Buchholz 436.61 § 18 SchwbG Nr. 5 S. 14 m.w.N.).

13

b) Der Kläger hat ein schutzwürdiges Interesse an einer Sachentscheidung des Gerichts, weil im Fall der Erfolglosigkeit der Revision die Beigeladene Restitutionsklage nach § 79 ArbGG i.V.m. § 580 Nr. 6 ZPO mit dem Ziel der Abweisung der Kündigungsschutzklage des Klägers erheben könnte (vgl. BAG, Urteile vom 25. November 1980 - 6 AZR 210/80 - BAGE 34, 275 <277> und vom 17. Juni 1998 - 2 AZR 519/97 - juris Rn. 15).

14

2. Gemäß § 85 SGB IX bedarf die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes. Nach § 91 Abs. 4 SGB IX soll das Integrationsamt die Zustimmung erteilen, wenn die Kündigung aus einem Grunde erfolgt, der nicht im Zusammenhang mit der Behinderung steht. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Zustimmungsentscheidung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Zugangs der arbeitgeberseitigen Kündigung des Arbeitsverhältnisses bei dem schwerbehinderten Menschen, der hier am 26. Mai 2008 erfolgte (vgl. Beschlüsse vom 7. März 1991 - BVerwG 5 B 114.89 - Buchholz 436.61 § 12 SchwbG Nr. 3 S. 2 und vom 22. Januar 1993 - BVerwG 5 B 80.92 - Buchholz 436.61 § 15 SchwbG 1986 Nr. 7 S. 18).

15

Das Berufungsgericht ist bei seiner Entscheidung von einem mit Bundesrecht in Einklang stehenden Prüfungsmaßstab ausgegangen (a). Seine auf der Grundlage dieses Maßstabs getroffene Sachverhaltswürdigung ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden (b).

16

a) Ohne Verstoß gegen Bundesrecht nimmt das Berufungsgericht an, für die Entscheidung, ob der Kündigungsgrund im Zusammenhang mit der Behinderung stehe, sei von dem Kündigungsgrund, den der Arbeitgeber angegeben hat, (aa) und von den der Behinderung zugrunde liegenden Beeinträchtigungen (bb) auszugehen. Keinen Bedenken begegnet die weitere Annahme, ein solcher Zusammenhang sei in den Fällen einer verhaltensbedingten Kündigung gegeben, wenn sich das Verhalten des schwerbehinderten Arbeitnehmers zwanglos aus der Behinderung ergebe und der Zusammenhang nicht nur ein entfernter sei (cc).

17

aa) Maßgeblich für die Entscheidung, ob der Kündigungsgrund im Zusammenhang mit der Behinderung steht, ist der von dem Arbeitgeber geltend gemachte Kündigungsgrund.

18

Die Kündigung muss auf bestimmte, nachprüfbare und sozial zu würdigende Gründe gestützt werden (§ 1 Abs. 2 des Kündigungsschutzgesetzes - KSchG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. August 1969 , zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 26. März 2008 ). Arbeitsrechtlich ist der der Kündigung zugrunde liegende Sachverhalt auf die von dem Arbeitgeber vorgegebenen Kündigungsgründe und den dahinterstehenden Lebenssachverhalt eingegrenzt. Die Zustimmung des Integrationsamtes zu dieser Kündigung ist öffentlich-rechtliche Voraussetzung für deren Wirksamkeit. Dies setzt zwingend voraus, dass der Gegenstand der öffentlich-rechtlichen Prüfung demjenigen der arbeitsrechtlichen Prüfung entspricht (Urteil vom 2. Juli 1992 - BVerwG 5 C 39.90 - BVerwGE 90, 275 <281> = Buchholz 436.61 § 21 SchwbG 1986 Nr. 3 S. 8; Beschlüsse vom 7. März 1991 a.a.O. S. 2 f. und vom 18. September 1996 - BVerwG 5 B 109.96 - Buchholz 436.61 § 21 SchwbG Nr. 8 S. 3).

19

bb) Für die Beurteilung des Bestehens eines Zusammenhangs im Sinne des § 91 Abs. 4 SGB IX sind dem Kündigungsgrund die der Behinderung zugrunde liegenden Beeinträchtigungen gegenüberzustellen. Dabei ist grundsätzlich von der in dem Verfahren nach § 69 SGB IX nachgewiesenen Behinderung auszugehen (1). Einzubeziehen ist darüber hinaus eine Behinderung, hinsichtlich derer eine versorgungsbehördliche Feststellung trotz Antragstellung ohne Vertretenmüssen des Antragstellers noch nicht getroffen ist. Gleiches gilt für eine offenkundige Behinderung (2).

20

(1) Die §§ 85 ff. SGB IX knüpfen den öffentlich-rechtlichen Sonderkündigungsschutz schwerbehinderter Menschen allein an das Bestehen der Schwerbehinderteneigenschaft. Diese gründet auf der Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 und 2 SGB IX. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach § 2 Abs. 2 SGB IX sind sie schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben. Für die Frage, ob ein Mensch diese Voraussetzungen erfüllt, bedarf es keiner behördlichen Anerkennung (Urteile vom 17. September 1981 - BVerwG 2 C 4.79 - Buchholz 232 § 32 BBG Nr. 29 S. 5 und vom 11. Juli 1985 - BVerwG 7 C 44.83 - BVerwGE 72, 8 <9 f.> = Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 11 S. 14; BAG, Urteil vom 25. Mai 1972 - 2 AZR 302/71 - BAGE 24, 264 <266>). Der Status als schwerbehinderter Mensch beginnt grundsätzlich im Zeitpunkt der Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen (stRspr, vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2001 - B 9 SB 3/01 R - BSGE 89, 79 <81> m.w.N.).

21

Der Schutz des Schwerbehindertenrechts greift nicht von Amts wegen, sondern erst dann ein, wenn der schwerbehinderte Mensch ihn in Anspruch nimmt. Grundsätzlich obliegt es ihm, den Nachweis seiner Schwerbehinderteneigenschaft durch eine behördliche Feststellung zu führen. Die Befugnis, die Statusfeststellung zu beantragen, ist allein dem schwerbehinderten Menschen vorbehalten. Mit der Beschreitung des in § 69 SGB IX vorgesehen Feststellungsverfahrens gibt der schwerbehinderte Mensch zu erkennen, dass er sich auf die gesetzlichen Schutzrechte berufen will (Urteile vom 17. September 1981 a.a.O. und vom 15. Dezember 1988 - BVerwG 5 C 67.85 - BVerwGE 81, 84 <86 f.> = Buchholz 436.61 § 18 SchwbG Nr. 2 S. 3; BSG, Urteile vom 6. Dezember 1989 - 9 RVs 4/89 - BSGE 66, 120 <123 f.> und vom 7. April 2011 - B 9 SB 3/10 R - SozR 4-3250 § 69 Nr. 13 = juris Rn. 20). Die in diesem Verfahren von den zuständigen Behörden getroffenen Statusentscheidungen nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX über das Vorliegen und den Grad einer Behinderung sowie über weitere gesundheitliche Merkmale im Sinne des § 69 Abs. 4 SGB IX sind für andere Behörden bei der Prüfung inhaltsgleicher Tatbestandsvoraussetzungen für die Gewährung von Vergünstigungen und Nachteilsausgleichen bindend (vgl. Urteile vom 17. Dezember 1982 - BVerwG 7 C 11.81 - BVerwGE 66, 315 <319 ff.> = Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 8 S. 7 ff., vom 11. Juli 1985 a.a.O. S. 13 f. und vom 27. Februar 1992 - BVerwG 5 C 48.88 - BVerwGE 90, 65 <69 f.> m.w.N. aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und des Bundesfinanzhofs). Von dieser Bindungswirkung nicht erfasst sind hingegen die den Feststellungen zugrunde liegenden Beeinträchtigungen, die in der Begründung des entsprechenden Bescheids darzulegen sind (BSG, Urteile vom 6. Dezember 1989 - 9 RVs 3/89 - juris Rn. 13, vom 5. Mai 1993 - 9/9a RVs 2/92 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 5 S. 26 f. und vom 28. April 1999 - B 9 SB 5/98 R - SozR 3-1300 § 24 Nr. 15 S. 44). Diese Beeinträchtigungen sind aber maßgeblich für die Beantwortung der Frage, ob im Sinne des § 91 Abs. 4 SGB IX ein Zusammenhang zwischen dem Kündigungsgrund und der Behinderung auszuschließen ist. Dies folgt insbesondere aus dem systematischen Verhältnis zwischen dem Verfahren der Statusfeststellung nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX und dem besonderen Kündigungsschutz für Schwerbehinderte.

22

Ob der in Rede stehende Zusammenhang nicht besteht, erschließt sich nicht aus dem Verhältnis des (konkreten) Kündigungsgrundes zu der Statusfeststellung über das Vorliegen einer unbenannten Behinderung nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Abzustellen ist vielmehr auf eine konkrete Beeinträchtigung. Da der besondere Kündigungsschutz in der Regel die Feststellung des Vorliegens einer Behinderung voraussetzt, ist aus systematischen Gründen die Beeinträchtigung maßgeblich, die dieser auch für das Integrationsamt mit Blick auf den Sonderkündigungsschutz bindenden Feststellung zugrunde liegt. Die hiermit einhergehende Eingrenzung des Kreises der für die Zusammenhangsbeurteilung zu berücksichtigenden Beeinträchtigungen gewährleistet für den Regelfall die Symmetrie der Prüfungsgegenstände des Feststellungsverfahrens einerseits und des Zustimmungsverfahren andererseits und vermeidet, dass im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Sonderkündigungsschutzes Beeinträchtigungen zu berücksichtigen sind, deren Nachweis nicht zuvor in dem hierfür vorgesehenen Verfahren nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX geführt wurde.

23

Die grundsätzliche Beschränkung der Zusammenhangsprüfung auf die der festgestellten Behinderung zugrunde liegenden Beeinträchtigungen korreliert mit der gesetzgeberischen Konzeption, dem Interesse insbesondere des Arbeitgebers an einer schnellen Klärung der Rechtslage Rechnung zu tragen (BTDrucks 7/656 S. 30). Ausdruck des Beschleunigungsgebotes ist sowohl die zweiwöchige Entscheidungsfrist des § 91 Abs. 3 Satz 1 SGB IX als auch die Zustimmungsfiktion des § 91 Abs. 3 Satz 2 SGB IX. Diesem gesetzgeberischen Ziel liefe es zuwider, wenn das Integrationsamt gemäß § 91 Abs. 4 SGB IX im Regelfall verpflichtet wäre, die zeitlich eng begrenzte Prüfung des Zusammenhangs grundsätzlich auch auf solche Beeinträchtigungen zu erstrecken, die bislang nicht Grundlage einer Feststellung im Verfahren des § 69 SGB IX waren. Dagegen spricht auch, dass der Gesetzgeber die Statusfeststellungen nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX aus Gründen der besonderen Sachkunde bei der dafür zuständigen Behörde konzentriert hat (vgl. Urteile vom 17. Dezember 1982 a.a.O. <319> und vom 15. Dezember 1988 a.a.O. <89>).

24

Sinn und Zweck des § 91 Abs. 4 SGB IX und des Sonderkündigungsschutzes insgesamt laufen der Beschränkung auf die der festgestellten Behinderung zugrunde liegenden Beeinträchtigung nicht zuwider. Die gesetzliche Regel, dass die Zustimmung zu erteilen ist, wenn die Kündigung aus einem Grunde erfolgt, der nicht im Zusammenhang mit der Behinderung steht, ist Ausdruck des Umstands, dass der öffentlich-rechtliche Sonderkündigungsschutz nicht darauf zielt, den schwerbehinderten Menschen gegenüber nichtbehinderten Menschen besserzustellen, sondern allein bezweckt, diesen vor spezifisch behinderungsbedingten Gefahren zu bewahren und sicherzustellen, dass er gegenüber gesunden Arbeitnehmern nicht ins Hintertreffen gerät. Diese fürsorgerische Prägung hat grundsätzlich Leitlinie bei der Ermessensentscheidung des Integrationsamtes zu sein, ob der Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen zuzustimmen ist (vgl. Urteile vom 28. Februar 1968 - BVerwG 5 C 33.66 - BVerwGE 29, 140 <141> = Buchholz 436.6 § 14 SchwbG Nr. 5 S. 19, vom 15. Dezember 1988 - BVerwG 5 C 67.85 - BVerwGE 81, 84 <89> = Buchholz 436.61 § 18 SchwbG Nr. 2 S. 6, vom 2. Juli 1992 - BVerwG 5 C 39.90 - BVerwGE 90, 275 <282> = Buchholz 436.61 § 21 SchwbG 1986 Nr. 3 S. 9 f. und vom 10. September 1992 - BVerwG 5 C 39.88 - BVerwGE 91, 7 <9 f.> = Buchholz 436.61 § 18 SchwbG Nr. 5 S. 14 und - BVerwG 5 C 80.88 - Buchholz 436.61 § 18 SchwbG Nr. 6 S. 23, Beschlüsse vom 12. Juni 1978 - BVerwG 5 B 79.77 - Buchholz 436.6 § 33 SchwbG Nr. 9 S. 8, vom 11. Mai 2006 - BVerwG 5 B 24.06 - BR 2007, 107 und vom 31. Juli 2007 - BVerwG 5 B 81.06 - juris Rn. 5). Des besonderen Kündigungsschutzes bedarf es typischerweise nicht, wenn ein Zusammenhang zwischen dem Kündigungsgrund und der Behinderung ausgeschlossen ist. Daran gemessen wahrt die hier in Rede stehende Beschränkung auf die der festgestellten Behinderung zugrunde liegende Beeinträchtigung die von Sinn und Zweck des § 91 Abs. 4 SGB IX und des Sonderkündigungsschutzes gezogene Grenze.

25

(2) Der festgestellten Behinderung steht diejenige Behinderung gleich, hinsichtlich derer eine Feststellung trotz Antragstellung ohne Vertretenmüssen des Antragstellers noch nicht getroffen wurde. Der Erbringung des Nachweises der Behinderung im Wege behördlicher Feststellung bedarf es zudem ausnahmsweise nicht, wenn diese entbehrlich ist, weil sie sich gleichsam aufdrängt. Dies ist der Fall, wenn die Schwerbehinderung im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung offensichtlich ist (BTDrucks 15/2357 S. 24; vgl. Urteil vom 15. Dezember 1988 - BVerwG 5 C 67.85 a.a.O.; BAG, Urteile vom 27. Februar 1987- 7 AZR 632/85 - NZA 1988, 429 <430>, vom 28. Juni 1995 - 7 AZR 555/94 - NZA 1996, 374 <376>, vom 7. März 2002 - 2 AZR 612/00 - BAGE 100, 355 <361>, vom 24. November 2005 - 2 AZR 514/04 - NZA 2006, 665 <667> und vom 13. Februar 2008 - 2 AZR 864/06 - BAGE 125, 345 Rn. 17; ferner VGH München, Beschluss vom 8. Juni 2011 - 12 ZB 10.1727 - juris Rn. 6).

26

cc) Das Berufungsgericht geht im Einklang mit Bundesrecht davon aus, dass im Rahmen des § 91 Abs. 4 SGB IX nicht jedweder Einfluss der Behinderung auf das Verhalten des schwerbehinderten Menschen genügt, insbesondere ein Zusammenhang im Sinne einer conditio sine qua non nicht ausreicht.

27

Gemessen an der § 91 Abs. 4 SGB IX zugrunde liegenden gesetzgeberischen Wertung, den schwerbehinderten Menschen vor einer nichtbehinderungsbedingten außerordentlichen Kündigung nicht stärker zu schützen als nichtbehinderte Menschen (vgl. bb) (1)), ist der Begriff des Zusammenhangs zwischen der Behinderung und dem Kündigungsgrund im Sinne des § 91 Abs. 4 SGB IX im Lichte der Zielsetzungen des Fürsorgeprinzips auszulegen. Die Auslegung hat zum einen dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der öffentlich-rechtliche Sonderkündigungsschutz gerade im Bereich der außerordentlichen Kündigung nicht dazu zu dienen bestimmt ist, den schwerbehinderten Menschen zu bevorzugen, sondern allein auf den Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile gerichtet ist. Zum anderen muss der unmittelbare Zusammenhang bei natürlicher Betrachtung gegeben sein. Im Falle von durch die Behinderung begründeten Defiziten in der Einsichtsfähigkeit oder Verhaltenssteuerung muss das einer Kündigung aus wichtigem Grund zugrunde liegende Verhalten des schwerbehinderten Arbeitnehmers nachvollziehbar gerade auf diese behinderungsbedingten Defizite zurückzuführen sein, ohne dass für seine Herleitung etwa auf Mutmaßungen zurückgegriffen werden muss. Maßgeblich ist, ob sich das Verhalten des schwerbehinderten Menschen zwanglos aus der Behinderung ergibt und der Zusammenhang nicht nur ein entfernter ist (vgl. BAG, Urteil vom 25. Februar 1963 - 2 AZR 313/62 -, AP Nr. 4 zu § 19 SchwbG Bl. 532).

28

b) Nach diesen Maßstäben ist die Würdigung des Berufungsgerichts, die Diebstahlstat ergebe sich solchermaßen zwanglos weder aus dem Morbus Crohn (aa) noch aus den Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule und den Hüftgelenken (bb) und es sei nicht Aufgabe des Integrationsamtes, nicht in die Statusentscheidung der Versorgungsverwaltung eingeflossene Erkrankungen auf einen Zusammenhang mit dem Kündigungsgrund zu untersuchen (cc), revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.

29

aa) Dies gilt insbesondere für die Würdigung, die der außerordentlichen Kündigung zugrunde liegende Diebstahlstat sei nicht gerade auf eine etwaige in dem Morbus Crohn wurzelnde mangelhafte Verhaltenssteuerung zurückzuführen, da sich das entsprechende Verhalten des Klägers nicht zwanglos aus der chronisch-entzündlichen Darmerkrankung ergebe, solches nehme auch nicht das im arbeitsgerichtlichen Verfahren eingeholte fachärztliche Gutachten an.

30

Die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Tatgerichts ist gemäß § 137 Abs. 2 VwGO der Überprüfung im Revisionsverfahren grundsätzlich entzogen. Sie ist vom Revisionsgericht nur auf die Verletzung allgemeinverbindlicher Beweiswürdigungsgrundsätze zu überprüfen, zu denen die allgemeinen Auslegungsgrundsätze (§§ 133, 157 BGB), die gesetzlichen Beweisregeln, die Denkgesetze und die allgemeinen Erfahrungssätze zählen (vgl. Urteile vom 6. Februar 1975 - BVerwG 2 C 68.73 - BVerwGE 47, 330 <361> = Buchholz 232 § 7 BBG Nr. 3 S. 29 f., vom 27. November 1980 - BVerwG 2 C 38.79 = BVerwGE 61, 176 <188> = Buchholz 237.1 Art. 9 BayBG Nr. 2 S. 39, vom 13. Dezember 1988 - BVerwG 1 C 44.86 - BVerwGE 81, 74 <76> und vom 17. Mai 1995 - BVerwG 5 C 20.93 - BVerwGE 98, 203 <209>). Derartige Verstöße sind hier nicht erkennbar. Die Revision zieht aus vorliegenden medizinischen Erkenntnissen anders als das Oberverwaltungsgericht den Schluss, der Morbus Crohn habe zu psychischen Auffälligkeiten geführt, die wiederum bewirkt hätten, dass der Kläger zeitweise, so auch im Zeitpunkt der Tatbegehung, seine Einsichts- und Steuerungsfähigkeit eingebüßt habe, weshalb ein mittelbarer Zusammenhang zwischen der der anerkannten Behinderung zugrunde liegenden Beeinträchtigung "Morbus Crohn" und dem den Kündigungsgrund ausmachenden Tatverhalten bestehe. Damit beschränkt sie sich auf Angriffe gegen die Richtigkeit der vorinstanzlichen Sachverhaltswürdigung, ohne revisionsrechtlich beachtliche Fehler dieser Sachverhaltswürdigung aufzuzeigen.

31

Der Kläger hat die Sachverhaltswürdigung auch nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angegriffen. Soweit sich die Revision auf ein Ermittlungsdefizit im Verwaltungsverfahren beruft, weil der Beklagte trotz der verschiedenen in das Verfahren eingeführten medizinischen Erkenntnisse die Einholung eines medizinischen Gutachtens zu der Frage unterlassen habe, ob die Diebstahlstat gerade auf eine durch Morbus Crohn verursachte psychische Erkrankung des Klägers zurückzuführen sei, bezeichnet sie keinen revisionsrechtlich beachtlichen Verstoß gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 VwGO. Hierfür müsste dargelegt werden, dass das Oberverwaltungsgericht in dem anschließenden Gerichtsverfahren nicht der ihm obliegenden Verpflichtung nachgekommen ist zu prüfen, ob die behördliche Ermessensentscheidung im Ergebnis auf einer zutreffenden, insbesondere ausreichend ermittelten Tatsachengrundlage beruht (Urteil vom 1. Dezember 1987 - BVerwG 1 C 29.85 - BVerwGE 78, 285 <295 f.> = Buchholz 402.24 § 10 AuslG Nr. 114 S. 13). Daran fehlt es hier.

32

bb) Nicht in erheblicher Weise entgegengetreten ist die Revision der Würdigung des Berufungsgerichts, die Diebstahlshandlung ergebe sich nicht zwanglos aus den Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule und Hüftgelenke.

33

cc) Im Einklang mit Bundesrecht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass von den im Verfahren nach § 69 SGB IX getroffenen Feststellungen der Versorgungsverwaltung nicht erfasste (Folge-)Erkrankungen im Rahmen der Prüfung des Bestehens eines Zusammenhangs im Sinne des § 91 Abs. 4 SGB IX grundsätzlich nicht zu berücksichtigen sind. Dementsprechend war die mit Wirkung vom 2. Oktober 2008 seitens der Versorgungsverwaltung festgestellte Depression nicht in die Zusammenhangsbeurteilung einzubeziehen, da sie im maßgeblichen Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung, hier am 26. Mai 2008, weder im Verfahren nach § 69 SGB IX festgestellt noch offenkundig war noch deren Feststellung beantragt war.

(1) Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über.

(2) Ein gegen den Schuldner bestehendes Veräußerungsverbot, das nur den Schutz bestimmter Personen bezweckt (§§ 135, 136 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), hat im Verfahren keine Wirkung. Die Vorschriften über die Wirkungen einer Pfändung oder einer Beschlagnahme im Wege der Zwangsvollstreckung bleiben unberührt.

(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 40 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn

1.
der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird,
2.
die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird,
3.
die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird,
4.
der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlich ist, nachträglich gefasst wird,
5.
die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird,
6.
die erforderliche Hinzuziehung eines Beteiligten nachgeholt wird.

(2) Handlungen nach Absatz 1 Nr. 2 bis 6 können bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.

(3) Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsaktes unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes versäumt worden, gilt die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als nicht verschuldet. Das für die Wiedereinsetzungsfrist maßgebende Ereignis tritt im Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung ein.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates weitere Vorschriften über die Geschäftsführung und das Verfahren des Beirats nach § 87 erlassen.

Werden Menschen mit Behinderungen in ihren Rechten nach diesem Buch verletzt, können an ihrer Stelle und mit ihrem Einverständnis Verbände klagen, die nach ihrer Satzung Menschen mit Behinderungen auf Bundes- oder Landesebene vertreten und nicht selbst am Prozess beteiligt sind. In diesem Fall müssen alle Verfahrensvoraussetzungen wie bei einem Rechtsschutzersuchen durch den Menschen mit Behinderungen selbst vorliegen.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

In Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Unternehmer den Betriebsrat über geplante Betriebsänderungen, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben können, rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und die geplanten Betriebsänderungen mit dem Betriebsrat zu beraten. Der Betriebsrat kann in Unternehmen mit mehr als 300 Arbeitnehmern zu seiner Unterstützung einen Berater hinzuziehen; § 80 Abs. 4 gilt entsprechend; im Übrigen bleibt § 80 Abs. 3 unberührt. Als Betriebsänderungen im Sinne des Satzes 1 gelten

1.
Einschränkung und Stilllegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen,
2.
Verlegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen,
3.
Zusammenschluss mit anderen Betrieben oder die Spaltung von Betrieben,
4.
grundlegende Änderungen der Betriebsorganisation, des Betriebszwecks oder der Betriebsanlagen,
5.
Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Werden Menschen mit Behinderungen in ihren Rechten nach diesem Buch verletzt, können an ihrer Stelle und mit ihrem Einverständnis Verbände klagen, die nach ihrer Satzung Menschen mit Behinderungen auf Bundes- oder Landesebene vertreten und nicht selbst am Prozess beteiligt sind. In diesem Fall müssen alle Verfahrensvoraussetzungen wie bei einem Rechtsschutzersuchen durch den Menschen mit Behinderungen selbst vorliegen.

Tenor

Der Bescheid des Beklagten vom 30. Juni 2010 und der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 12. November 2010 werden aufgehoben.

Der Beklagte und die Beigeladene tragen die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu je ½. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten je selbst.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren seitens des Klägers wird für notwendig erklärt.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen eine Zustimmung des Beklagten zu der ihm gegenüber von der Beigeladenen ausgesprochenen ordentlichen Kündigung seines Arbeitsverhältnisses.
Der am xx.xx.1959 geborene Kläger ist seit dem 06.06.1995 bei der Beigeladenen als Lagerarbeiter beschäftigt. Mit Bescheid des Versorgungsamtes Stuttgart vom 05.05.2010 wurde beim Kläger – rückwirkend ab dem 28.01.2010 – die Schwerbehinderteneigenschaft mit einem GdB von 50 % festgestellt. Als Funktionsbeeinträchtigung ergaben sich Schwerhörigkeit beidseitig, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und Nervenwurzelreizerscheinungen.
Auf Grund ihrer wirtschaftlichen Lage entschied sich die Beigeladene im Mai 2010 zu umfangreichen Umstrukturierungen. Entsprechend einer bereits im Jahre 2009 getroffenen Vereinbarungen der Betriebsparteien wurde beschlossen, allen Personen des Firmenstandortes in Xxx und in Xxx, die sich aktuell in sog. „Kurzarbeit Null“ befanden, den Übertritt in eine Transfergesellschaft anzubieten oder sie andernfalls zu kündigen. Ein entsprechender Interessenausgleich mit Namensliste, in der auch der Name des Klägers enthalten ist, wurde durch die Betriebsparteien gemäß § 1 Abs. 5 KSchG i.V.m. § 111 BetrVG hierzu am 19.05.2010 unterzeichnet.
Mit Telefax vom 02.06.2010 beantragte die Beigeladene beim Beklagten dessen Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger. Zur Begründung ist auf betriebsbedingte Gründe und den getroffenen Interessenausgleich vom 19.05.2010 verwiesen.
Der Beklagte unterrichtete den Kläger über diesen Antrag und forderte ihn auf, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Zugleich holte der Beklagte die Stellungnahme der Schwerbehindertenvertretung und des Betriebsrates der Beigeladenen ein.
Der Betriebsrat äußerte sich unter dem 14.06.2010 gegenüber dem Beklagten. Er verwies seinerseits auf den Interessenausgleich. Die Kündigung werde zur Kenntnis genommen. Am 18.06.2010 äußerte sich die Schwerbehindertenvertretung gegenüber dem Beklagten. Nach Rücksprache mit dem Kläger sei dieser mit seiner Kündigung nicht einverstanden. Seine Behinderung sei offensichtlich und seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt stark eingeschränkt. Sein Arbeitsplatz im Lager, Kostenstelle 237, sei nicht weggefallen; er werde jetzt nur von einem anderen Mitarbeiter ausgeführt. Der Kläger habe einen GdB von 50. Die Schwerbehindertenvertretung sei der Meinung, man solle bei dieser Maßnahme der Beigeladenen Schwerbehinderte nicht mit entlassen.
Ebenfalls unter dem 18.06.2010 machte die Beigeladene gegenüber dem Beklagten zusätzliche Angaben zum Arbeitsplatz des Klägers und zum Unternehmen mit Hilfe eines vom Beklagten ausgegebenen Fragebogens. In der Rubrik „Arbeitsplätze gemäß § 73 (1) SGB IX“ ist dabei handschriftlich eingefügt „1096“, in der Rubrik „Pflichtplätze gemäß § 71 (1) SGB IX (Soll)“ ist handschriftlich eingefügt „55“ und in der Rubrik „Tatsächlich besetzt einschließlich Mehrfachanrechnungen (Ist)“ wurde angegeben „54“ jeweils bezogen auf den Stichtag 18.06.2010.
Der Kläger selbst äußerte sich auf die Anfrage des Beklagten am 23.06.2010. Er gab u.a. an, sein Arbeitsplatz bestehe weiterhin. Er könne dort weiterbeschäftigt werden. Derzeit werde die Aufgabe von einem anderen Mitarbeiter ausgeübt.
Am 28.06.2010 fand in dieser Angelegenheit die mündliche Verhandlung vor dem Beklagten statt. Ausweislich des hierüber gefertigten Protokolls gab der Vertreter des Arbeitgebers hierbei u.a. an, vor Beginn der Personalanpassungsmaßnahme seien 1096 Mitarbeiter beschäftigt worden, davon 55 schwerbehinderte oder gleichgestellte Menschen. Nach Durchführung der Maßnahme seien noch 964 Mitarbeiter beschäftigt, davon 47 schwerbehinderte/gleichgestellte Menschen.
10 
Mit Bescheid vom 30.06.2010 erteilte der Beklagte sodann antragsgemäß der Beigeladenen die Zustimmung zur personenbedingten ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger. Zur Begründung ist u.a. ausgeführt, die beabsichtigte Kündigung werde auf betriebliche Gründe gestützt. Mit dem Betriebsrat sei ein Interessenausgleich mit Namensliste der zu kündigenden Mitarbeiter ausgehandelt und abgeschlossen worden. Vor der Personalanpassungsmaßnahme habe die Beigeladene ihre Pflichtquote nach § 71 Abs. 1 SGB IX erfüllt, nach der Maßnahme jedoch nicht mehr, so dass eine Entscheidung hier nicht nach § 89 Abs. 1 S. 2 SGB IX sondern nach Maßgabe des § 85 SGB IX zu treffen sei. Nach Auffassung des Beklagten sei die durchgeführte Sozialauswahl nicht offensichtlich fehlerhaft. Eine über die Offensichtlichkeitsprüfung durch das Integrationsamt hinausgehende Prüfung dieser Sozialauswahl obliege aber ausschließlich dem Arbeitsgericht im Rahmen eines Klageverfahrens. Bei der Personalanpassungsmaßnahme handele es sich um eine unternehmerische Entscheidung, die vorbehaltlos dem Arbeitgeber überlassen bleibe. Ein Zusammenhang zwischen den genannten Kündigungsgründen und der anerkannten Behinderung des Schwerbehinderten werde nicht gesehen. Nach Würdigung aller erkennbaren Umstände komme man hier zu dem Ergebnis, dass das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Interesse des schwerbehinderten Menschen am Erhalt überwiege. Dabei sei auch gewürdigt worden, dass der Arbeitgeber die Pflichtquote nach der Personalanpassungsmaßnahme nicht mehr erfülle. Ob die Kündigung nach arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten sozial gerechtfertigt sei, müsse das Integrationsamt nicht prüfen.
11 
Der Beklagte übermittelte diesen Bescheid den Verfahrensbeteiligten auf unterschiedliche Weise. Dem Verfahrensbevollmächtigten des Klägers wurde eine nicht unterschriebene Ausfertigung des an den Arbeitgeber gerichteten Bescheides übermittelt zusammen mit einem eigenen Anschreiben, dass hiermit der ergangene Bescheid gemäß § 88 Abs. 2 S. 1 SGB IX zugestellt werde. Dieses Anschreiben selbst enthielt eine ordentliche Rechtsbehelfsbelehrung und war handschriftlich von der zuständigen Mitarbeiterin des Beklagten unterzeichnet. Dieses Schreiben ging dem Verfahrensbevollmächtigten des Klägers am 06.07.2010 zu.
12 
Hinsichtlich der an die Beigeladene gerichteten Bescheidausfertigung wurde zunächst ein Original-Bescheid hergestellt, der von der zuständigen Mitarbeiterin eigenhändig handschriftlich mit ihrem Nachnamen und dem ersten Buchstaben des Vornamens unterzeichnet wurde. Dieses Original wurde - zusätzlich zu einer weiteren Bescheidausfertigung, die lediglich mit einem Namenskürzel gezeichnet war - zu den Verfahrensakten genommen. Zugleich fertigte die zuständige Bearbeiterin beim Beklagten mittels eines Scanners und einem entsprechenden EDV-Programm von dem unterschriebenen Original-Bescheid eine sog. „PDF-Datei“. Sodann wandte sich die zuständigen Mitarbeiterin des Beklagten noch am 30.06.2010, um 11.48 Uhr, per E-Mail an den mit Prokura ausgestatteten Personalleiter der Beigeladenen. In der Betreffzeile wird das entsprechende Aktenzeichen des Beklagten und die Angabe „Bescheid in der Angelegenheit des Herrn Xxx Xxx“ angegeben. Die E-Mail-Nachricht selbst lautete „Hallo Herr Xxx, die Anlage zur weiteren Verwendung und der Bitte um Eingangsbestätigung“ und endete mit einem Gruß und der Namensangabe. Angehängt an diese E-Mail-Nachricht war nun die „PDF-Datei“ mit dem eingescannten Original-Bescheid. Drei Minuten später, um 11.51 Uhr, antwortete der Personalleiter der Beigeladenen dem Beklagten ebenfalls per E-Mail-Nachricht und bestätigte den Eingang des Bescheides „Xxx“ am 30.06.2010, 11.50 Uhr. Der Beklagte nahm schließlich einen Ausdruck des E-Mail-Verkehrs zu den Akten.
13 
Die Beigeladene fertigte unmittelbar im Anschluss an diese E-Mail-Kommunikation ein Kündigungsschreiben und ließ dies durch zwei ihrer Angestellten noch am selben Tag gegen 12.50 Uhr in den Briefkasten des Klägers einwerfen.
14 
Hiergegen hat der Kläger Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht Stuttgart - Kammern Aalen - erhoben. Mit Urteil vom 25.03.2011 - 13 Ca 285/10 - hat das Arbeitsgericht Stuttgart der Kündigungsschutzklage des Klägers stattgegeben und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung vom 30.06.2010 beendet worden ist. Zur Begründung ist dort ausgeführt, mangels vorheriger Zustimmung des Integrationsamtes sei die ausgesprochene Kündigung unwirksam. Gemäß § 88 Abs. 3 SGB IX könne eine Kündigung eines Schwerbehinderten erst nach Zustellung der Zustimmung des Integrationsamtes erklärt werden. Nach dem eindeutigen Wortlaut komme es nicht auf einen irgendwie gearteten Zugang einer Entscheidung des Integrationsamtes an, sondern auf deren Zustellung. Eine solche sei vor Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung vom 30.06.2010 aber nicht erfolgt. Gemäß § 2 des baden-württembergischen Verwaltungszustellungsgesetzes, das vorliegend Anwendung finde, bestehe die Zustellung in der Übergabe oder Vorlage eines Schriftstückes. Daneben bestehe die Möglichkeit nach § 5 VwZG BW einer elektronischen Zustellung eines elektronischen Dokumentes. Die Behörde habe dabei die Wahl zwischen den einzelnen Zustellungsarten, sei nach Ausübung ihres Wahlrechtes dann aber an die sich hieraus ergebenden Vorschriften gebunden. Wähle das Integrationsamt die Übermittlung der schriftlich verkörperten Erklärung, so erfolge die Zustellung nicht durch ein elektronisches Dokument, das gemäß § 5 Abs. 5 VwZG BW eine qualifizierte elektronische Signatur erfordere. Im vorliegenden Fall habe das Integrationsamt eine Zustimmungsentscheidung dem Arbeitgeber elektronisch per E-Mail zugesandt, etwas später aber dem Kläger selbst durch Übergabe eines Schriftstücks zugestellt. Auf diese förmliche Zustellung durch Übergabe eines Schriftstücks komme es daher als maßgeblichen Zeitpunkt an, nicht dagegen auf die „Vorabinformation“ durch E-Mail an den Arbeitgeber. Der Arbeitgeber könne sich hier auch nicht auf die Vorschrift des § 9 VwZG BW berufen. Dieser erkläre eine Heilung von Zustellungsmängeln nur dann für möglich, wenn die formgerechte Zustellung eines Schriftstückes nicht nachweisbar oder das Schriftstück unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen sei. Beide Voraussetzungen lägen der vorliegenden Konstellation nicht zugrunde. Die von der Behörde gewählte formgerechte Zustellung durch Übergabe eines Schriftstücks lasse sich nachweisen. Da dieser Zustellungsbescheid bei Zugang der Kündigung am 30.06.2010 aber noch nicht zugestellt gewesen sei, sei die Kündigung unwirksam.
15 
Gegen dieses Urteil hat die Beigeladene Berufung eingelegt. Der Rechtsstreit ist derzeit vor dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg anhängig.
16 
Gegen den Zustimmungsbescheid des Beklagten selbst hat der Kläger fristgerecht Widerspruch eingelegt. Zur Begründung führte er u.a. aus, sein Arbeitsplatz bei der Beigeladenen sei nicht in Wegfall geraten. Die betrieblichen Gründe seien nur vorgeschoben.
17 
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.11.2010, dem Kläger zugestellt am 19.11.2010, wies der Widerspruchsausschuss des Beklagten den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung werden - größtenteils wörtlich - die Gründe der Ausgangsentscheidung wiederholt.
18 
Der Kläger hat am 14.12.2010 das Verwaltungsgericht angerufen. Zur Begründung verweist er zunächst auf das Vorbringen im Widerspruchsverfahren. Zudem habe der Beklagte bei seiner Ermessensbetätigung die persönlichen Verpflichtungen des Klägers außer Betracht gelassen. Die Ehefrau des Klägers beziehe eine Rente wegen Erwerbsminderung. Der Kläger habe Kreditverbindlichkeiten. Es sei auch zu berücksichtigen, dass die Behinderung des Klägers - in erster Linie Schwerhörigkeit und Tinnitus - ihre Ursache im Lärm am Arbeitsplatz bei der Beigeladenen habe.
19 
Der Kläger beantragt,
20 
den Bescheid des Integrationsamtes des Beklagten vom 30. Juni 2010 und dessen Widerspruchsbescheid vom 12. November 2010 aufzuheben.
21 
Der Beklagte beantragt,
22 
die Klage abzuweisen.
23 
Er bezieht sich auf den Inhalt des angegriffenen Bescheides. Die Zustimmung zur Kündigung des Klägers sei ermessensfehlerfrei erteilt worden. Im Rahmen des Interessenausgleichs seien zwischen den Betriebsparteien die Gesichtspunkte wie Alter, Betriebszugehörigkeit, Schwerbehinderung und Unterhaltsverpflichtungen berücksichtigt worden. Die getroffene Vereinbarung sei nicht offensichtlich fehlerhaft und genüge den Prüfungserfordernissen, die auch im Rahmen des SGB IX anzustellen seien. Die Argumente des Klägers seien letztlich im arbeitsgerichtlichen Verfahren zu prüfen.
24 
Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
25 
die Klage abzuweisen.
26 
Der Bescheid des Beklagten sei nicht zu beanstanden. Die Argumente des Klägers seien allein im arbeitsgerichtlichen Verfahren zu prüfen.
27 
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung erklärte der Beklagte, mangels entsprechender Voraussetzungen - Rechtsverordnung bzw. qualifizierte elektronische Signatur - würden Bescheide seines Integrationsamtes ausschließlich per Schriftform zugestellt, nicht in elektronischer Form. Die hier gewählte Übermittlung einer PDF-Datei an die Beigeladene sei eine solche schriftliche Zustellung gewesen.
28 
Der Berichterstatter hat mit den Beteiligten die Frage erörtert, welche Bedeutung dem Umstand hier zukommt, dass die Beigeladene nach Durchführung ihrer Personalanpassungsmaßnahme die Pflichtquote aus § 71 SGB IX nicht mehr erfüllt. Der Beklagte hat hierzu auf den angegriffenen Bescheid verwiesen. Dieser Umstand sei gesehen worden.
29 
Die Beigeladene verwies insoweit auf die Regelung in § 1 Abs. 5 KSchG i.V.m. § 111 BetrVG. Der Gesetzgeber habe im Falle von Massenentlassungen die Berücksichtigung der Belange der Schwerbehinderten den Betriebsparteien überantwortet. Diese hätten vorliegend - nach sorgfältiger Überprüfung - diesen Gesichtspunkt im Rahmen der Aufnahme der Betreffenden auf die Namensliste zum Interessensausgleich berücksichtigt. Eine weitergehende Prüfkompetenz habe das Integrationsamt nicht mehr.
30 
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die eingereichten Schriftsätze, die Gerichtsakten, sowie die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
31 
1.) Die Klage ist zulässig, insbesondere fehlt der Anfechtungsklage des Klägers gegen den Bescheid des Beklagten vom 30.06.2010 nicht das für die Zulässigkeit einer solchen Klage stets erforderliche allgemeine Rechtsschutzbedürfnis (vgl. etwa BVerwG, Beschl. v. 30.11.2006 - 6 B 96/09 - ).
32 
Gemäß § 88 Abs. 3 SGB IX kann ein Arbeitgeber die beabsichtigte Kündigung eines Schwerbehinderten nur innerhalb eines Monats nach Zustellung der zustimmenden Entscheidung des Integrationsamtes erklären. Ist diese Frist abgelaufen, ohne dass eine solche Kündigung erklärt worden wäre, so gehen für den schwerbehinderten Menschen von dieser Zustimmungsentscheidung keine belastenden Wirkungen mehr aus und einem entsprechenden Anfechtungsrechtsbehelf fehlte dann das Rechtsschutzbedürfnis. Ein zu diesem Zeitpunkt noch anhängiger Anfechtungswiderspruch müsste gegebenenfalls für erledigt erklärt werden.
33 
Kündigt ein Arbeitgeber, der beim Integrationsamt die Zustimmung zur Kündigung eines schwerbehinderten Menschen beantragt hat, vor der Zustellung des entsprechenden Zustimmungsbescheides, so ist eine solche Kündigung wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB nichtig. Eine Heilung etwa durch nachträgliche Zustimmung des Integrationsamtes ist ausgeschlossen (Düwell in Dau/Düwell/Heines SGB IX, 2. Aufl., § 85 Rz. 33 m.w.N. zur arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung). Das bedeutet, auch von einer nachträglichen Zustimmung des Integrationsamtes - wenn der Arbeitgeber nicht ein zweites Mal die Kündigung erklärt (zur Möglichkeit einer erneuten Kündigung nach vorzeitiger Kündigung, Düwell a.a.O. Rz. 36) - können ebenfalls keine belastenden Wirkungen für den schwerbehinderten Menschen ausgehen.
34 
Da hier die Beigeladene das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger nur einmal, nämlich mit Zugang ihres Kündigungsschreibens am 30.06.2010, 12.50 Uhr, gekündigt hat, kommt es vorliegend darauf an, ob der Zustimmungsbescheid des Beklagten zu diesem Zeitpunkt der Beigeladenen bereits zugestellt war. Nur dann vermag diese Zustimmungsentscheidung die ausgesprochene Kündigung „zu decken“ und nur dann gehen von ihr belastende Wirkungen für den Kläger aus.
35 
Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts Stuttgart - Kammern Aalen - im erstinstanzlichen arbeitsgerichtlichen Rechtstreit zwischen dem Kläger und der Beigeladenen ist diese Frage indes zu bejahen. Die Zustimmungsentscheidung des Beklagten war tatsächlich Grundlage der Kündigungserklärung der Beigeladenen, weshalb das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtung dieser Entscheidung seitens des Klägers nicht entfallen ist.
36 
Die von § 88 Abs. 2 SGB IX geforderte Zustellung einer solchen Zustimmungsentscheidung des Integrationsamtes wird entsprechend § 65 Abs. 2 SGB X nach den jeweiligen Verwaltungszustellungsgesetzen der Länder bewirkt. Zutreffend hat der Beklagte im Rahmen der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, mangels einer entsprechenden Rechtsverordnung in Baden-Württemberg und mangels einer qualifizierten elektronischen Signatur komme eine elektronische Zustellung insoweit ohnehin nicht in Betracht. Die vom Beklagten gewählte Übermittlung des Zustimmungsbescheides an die Beigeladene entspricht aber - gerade noch - dem Erfordernis einer ordnungsgemäßen Zustellung nach § 2 Abs. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 S. 2 LVwZG. Danach erfolgt die Zustellung eines schriftlichen Dokuments durch die Behörde u.a. durch offene Aushändigung dieses Dokumentes. Dies liegt hier vor.
37 
Es ist seit jeher unstrittig, dass sich eine Behörde bei der Zustellung technischer Einrichtungen bedienen darf, soweit es dabei um Erleichterungen im Rahmen der Aushändigung des Dokumentes geht. Die Verwendung technischer Einrichtungen allein macht einen Zustellvorgang noch nicht zu einer elektronischen Zustellung. So kann ein Bescheid zugestellt werden, indem das im Original unterschriebene Dokument per Telefax an den Empfänger übermittelt wird. Die körperliche Urkunde, die im Herrschaftsbereich des Empfängers durch das dortige Telefax-Empfangsgerät hergestellt wird, entspricht der im Original bei den Verwaltungsakten verbliebenen Urkunde.
38 
Für die vorliegend vom Beklagten gewählte Übermittlung seines Original-Bescheides als „PDF-Datei“ gilt nichts anderes. Auch insoweit wird im Herrschaftsbereich des Empfängers, hier der Beigeladenen, eine körperliche Urkunde hergestellt, die dem Originalbescheid, der in den Verwaltungsakten des Beklagten verblieben ist, entspricht. Gegenüber einer Übersendung per Telefax besteht nur insoweit ein Unterschied, als sich die Behörde bei der Übermittlung einer PDF-Datei nicht nur der technischen Einrichtungen des Empfängers bedient, also etwa des Telefax-Empfangsgerätes, vielmehr „beauftragt“ sie in einem weiteren Schritt auch eine handelnde Person des Empfängers, die an eine E-Mail-Nachricht angehängte PDF-Datei auszudrucken, damit körperlich herzustellen und so die Zustellung abzuschließen. Dieser - geringe - Unterschied rechtfertigt es nicht, die Zustellung mit Hilfe der Übermittlung einer PDF-Datei generell für unwirksam zu erklären. In ähnlicher Weise ist auch die Klageerhebung durch elektronische Übermittlung einer Bilddatei (PDF-Datei) des unterschriebenen Schriftsatzes als zulässig angesehen worden (vgl. BGH, Beschl. v. 15.07.2008 - X ZB 8/08 -, NJW 2008, 275).
39 
Um nicht missverstanden zu werden, weist der Berichterstatter aber darauf hin, dass es nicht auf den elektronischen Eingang der PDF-Datei bzw. den Eingang der E-Mail-Nachricht beim Empfänger ankommt. Vielmehr ist Zustellungszeitpunkt die Herstellung der körperlichen Urkunde durch Ausdruck im Herrschaftsbereich des Empfängers (ebenso BGH a.a.O.). Nur dadurch liegt eine dem Telefax-Empfang vergleichbare Situation vor. „Ruht“ dagegen eine solche Datei noch im Postfach des Empfängers, so ist eine Zustellung noch nicht bewirkt. Nachdem der Personalleiter der Beigeladenen auf die E-Mail-Nachricht des Beklagten aber bereits nach wenigen Minuten reagiert hatte und den Empfang bestätigte, ist davon auszugehen, dass auch die verkörperte Urkunde des Zustimmungsbescheides als Ausdruck zu diesem Zeitpunkt von der Beigeladenen in Händen gehalten wurde. Damit war die Zustellung des Zustimmungsbescheides des Beklagten rund eine Stunde vor Zugang der Kündigungserklärung beim Kläger bewirkt.
40 
Der Berichterstatter hat daher darauf verzichtet, gemäß § 88 VwGO anzuregen, im Hauptantrag die Feststellung (§ 43 VwGO) zu begehren, der Zustimmungsbescheid des Beklagten vom 30.06.2010 sei erst nach Ausspruch der Kündigung zugestellt worden und nur hilfsweise dessen Aufhebung zu beantragen.
41 
2.) Die Klage ist auch begründet. Die angegriffenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Sie mussten vom Gericht daher aufgehoben werden (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
42 
Der Kläger ist ein schwerbehinderter Mensch im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB IX, weshalb die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses durch die Beigeladene der vorherigen Zustimmung des Beklagten als Integrationsamt bedurfte (§ 85 SGB IX). Wie vom Beklagten zutreffend erkannt, lagen die Voraussetzungen nach § 89 Abs. 1 Satz 2 SGB IX („soll...erteilen“) hier nicht vor, weshalb über den Antrag des Arbeitgebers auf Erteilung der Zustimmung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden war (BVerwG, Urteil vom 02.07.1992 - 5 C 51.90 -, BVerwGE 90, 287; VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 28.04.1989 - 6 S 1 297/88 -).
43 
Ist die Behörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, so unterliegt die Verwaltungsentscheidung nur einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle gemäß § 114 S. 1 VwGO. Danach prüft das Gericht nur, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (§ 114 VwGO). Dies beinhaltet die Prüfung, ob die Behörde in ihre Ermessenserwägungen alle wesentlichen, den Streit zwischen den Beteiligten kennzeichnenden Gesichtspunkte eingestellt hat und ob sie dabei von einem richtigen und vollständigen Sachverhalt ausgegangen ist (VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 09.05.1994 - 7 S 2294/92 -). Die Ermessensentscheidung ist danach fehlerhaft, wenn die Behörde Umstände außer Betracht lässt, die zu berücksichtigen wären (vgl. hierzu und im weiteren auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 04.03.1998 - 9 S 1 637/97 -), desgleichen, wenn sie Umstände in die Ermessensbetätigung einstellt, die nicht ausreichend ermittelt sind aber auch, wenn sie einzelne Gesichtspunkte zwar erkennt, diese aber unzutreffend gewichtet.
44 
In Fällen, in denen die Zustimmung für die beabsichtigte Kündigung erteilt wird, kommt es für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage insoweit maßgeblich auf den Zeitpunkt des Bescheids an, der die Grundlage für die dann erklärte Kündigung war mit der Folge, dass erst nach Ausspruch der Kündigung eingetretene oder vom Schwerbehinderten danach mitgeteilte oder sonst wie bekannt gewordene Umstände die Rechtmäßigkeit der Ermessensbetätigung der Beklagten und damit der erteilten Zustimmung im Grundsatz nicht mehr berühren (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.11.2008, - 5 B 79.08 -, ; s. auch Verwaltungsgericht München, Urteil vom 18.11.2010, - M 15 K 09.5850 -, mit weiteren Nachweisen).
45 
Bei Ausübung ihres Ermessens hat sich die Behörde am Zweck des ermächtigenden Gesetzes zu orientieren. Nach der programmatischen Neuausrichtung des Schwerbehindertenrechts in § 1 SGB IX tritt an die Stelle der Fürsorge die Förderung der selbstbestimmten und gleichberechtigten Teilhabe am Arbeitsleben; deshalb hat das Integrationsamt zu prüfen, ob der Arbeitgeber im Rahmen des ihm Möglichen und Zumutbaren dem Anspruch des schwerbehinderten Menschen auf eine seinen Fähigkeiten gerecht werdende Beschäftigung Rechnung trägt (vgl. Urteil des VG Stuttgart vom 19.07.2004, - 8 K 3370/03, - unter Bezugnahme auf Dau/Düwell/Haines , Lehr- und Praxiskommentar LPK - SGB IX, 2002, Anm. 7 und 9 zu § 89). Schon nach dem früheren SchwbG war anerkannt, dass durch die Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen (nur) die Nachteile des Schwerbehinderten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeglichen werden sollen. Auch der Zweck des § 85 SGB IX geht deshalb dahin, die Schwerbehinderten vor den besonderen Gefahren, denen sie wegen ihrer Behinderung auf dem Arbeitsmarkt ausgesetzt sind, zu bewahren und sicherzustellen, dass sie gegenüber den gesunden Arbeitnehmern nicht ins Hintertreffen geraten. Das hat die Leitlinie bei der Ermessensentscheidung zu sein, ob der Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Schwerbehinderten zuzustimmen ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 05.12.2006 - 5 B 171.06 und Urt. v. 28.02.1968, BVerwGE 29, 140).
46 
Die formellen Voraussetzungen für die Erteilung der Zustimmung lagen hier zwar vor. Die nach § 85 SGB IX vorzunehmende Entscheidung des Beklagten ist entsprechend den Verfahrens- und Formvorschriften des SGB IX zustande gekommen. Damit war das Ermessen eröffnet. Die vorliegend angefochtene Ermessensentscheidung ist im Ergebnis aber zu beanstanden.
47 
Entgegen der Ansicht des Klägers durfte der Beklagte davon ausgehen, dass betriebsbedingte Gründe auf Seiten der Beigeladenen für die beantragte Zustimmung zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger dem Grunde nach vorlagen. Dies ist Kern der gesetzlichen Regelung nach § 1 Abs. 5 KSchG i.V.m. § 111 BetrVG, wonach bei Abschluss eines Interessenausgleichs zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, der die zu kündigenden Arbeitnehmer im Falle einer Betriebsänderung namentlich bezeichnet, eine Vermutung besteht, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist. In einem solchen Fall kann die soziale Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer (von der Arbeitsgerichtsbarkeit) nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.
48 
Entgegen der Ansicht der Beigeladenen und des Beklagten vermag diese gesetzliche Regelung den Kündigungsschutz der Schwerbehinderten nach dem SGB IX aber nicht - umfassend - beiseite zu schieben, auch wenn die Betriebsparteien im Rahmen des Verfahrens nach § 1 KSchG verpflichtet sind, u.a. die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers ausreichend zu berücksichtigen (Abs. 3 Satz 1 der Norm). Damit ist nämlich keine generelle Verlagerung des Schutzes der Schwerbehinderten als einer hoheitlichen Aufgabe vom hoheitlich handelnden Beklagten hin zu den Betriebsparteien gemeint. Der Schwerbehindertenschutz obliegt auch in einem solchen Fall gemäß § 85 SGB IX dem Integrationsamt. Dieses darf im Rahmen seiner Ermessensbetätigung lediglich für den „Normalfall“ davon ausgehen, die Betriebsparteien hätten im Rahmen der Vereinbarung eines Interessenausgleichs mit Namensliste die Interessen der Schwerbehinderten innerhalb der Belegschaft ausreichend berücksichtigt, wenn insoweit vorgetragen ist, etwa im Rahmen eines angewandten Punkte-Schemas, sei auch durch die Betriebsparteien dafür Sorge getragen worden, dass die im Betrieb beschäftigten schwerbehinderten Menschen in ihrer Gesamtheit nicht ins Hintertreffen geraten. Dann, aber nur dann, darf sich die Behörde in ihrem hoheitlichen Handeln der Vereinbarung der Betriebsparteien anschließen.
49 
Liegt dagegen ein Sonderfall vor, der erkennen lässt, dass gegenüber den Erwägungen, die die Betriebsparteien im Interessenausgleich nach § 1 Abs. 5 KSchG angestellt haben, weitergehende Umstände zu berücksichtigen sind, muss das Integrationsamt diese mit dem ihnen zukommendem Gewicht in seine anzustellende Ermessenserwägungen einstellen.
50 
Entgegen der Befürchtung der Beigeladenen wird hierdurch die Kompetenz der Betriebsparteien zum Abschluss eines Interessenausgleichs mit Namensliste gemäß § 1 Abs. 5 KSchG nicht „entwertet“. Es entspricht auch sonst der betrieblichen Praxis, dass kein Arbeitgeber darauf vertrauen kann, nachdem er mit dem Betriebsrat einen solchen Interessenausgleich mit Namensliste abgeschlossen hat, werde er die Kündigung all derer dort aufgeführten Mitarbeiter ohne jede Einschränkung durchführen können. Ein solcher Interessenausgleich mit Namensliste hat Bedeutung nur für die Frage, ob von der Annahme betrieblicher Gründe und einer ordnungsgemäßen Sozialauswahl gemäß § 1 KSchG auszugehen ist. Dagegen können sich zahlreiche andere Hemmnisse ergeben, die es letztlich unmöglich machen, tatsächlich eine Kündigung auszusprechen. So kann anderweitiger Kündigungsschutz etwa nach dem BetrVG oder dem MuSchG bestehen, der den Betriebsparteien verborgen geblieben ist. Auch kann ein tarifvertraglicher Kündigungsschutz vorliegen, der, etwa weil von einem falschen Geburtsjahr ausgegangen wurde, übersehen wurde. Schließlich können Formfehler u.ä. im Rahmen der Kündigungserklärung letztlich dazu führen, dass ein in einem Interessenausgleich mit Namensliste aufgeführter Mitarbeiter tatsächlich - etwa nach erfolgreicher Kündigungsschutzklage - weiter beschäftigt werden muss. Nicht anders stellt sich die Situation wie vorliegend dar. Die Aufnahme eines schwerbehinderten Menschen in die Namensliste zum Interessenausgleich ermöglicht es dem Arbeitgeber, gestützt auf betriebliche Gründe, einen Antrag auf Zustimmung zur Kündigung an das Integrationsamt zu richten. Eine absolute Gewähr dahingehend, dass die Zustimmungsentscheidung positiv ergeht, haben die Betriebsparteien gleichwohl nicht. Das Ermessen des Integrationsamtes wird durch Vorlage des Interessenausgleichs mit Namensliste nicht „auf Null“ reduziert.
51 
Namentlich wenn das Integrationsamt erkennen muss, dass vorliegend von einem Sonderfall auszugehen ist, hat eine eigenständige Ermessensbetätigung der Behörde zu erfolgen. So lag es hier.
52 
Der Ausnahmefall liegt darin begründet, dass die Beigeladene durch die von ihr geplante und durchgeführte Personalanpassungsmaßnahme nunmehr ihre gesetzliche Pflicht aus § 71 Abs. 1 SGB IX nicht mehr erfüllt. Dies hat sowohl die Beigeladene im Verwaltungsverfahren auch eingestanden, als auch der Beklagte ausweislich der angegriffenen Bescheide durchaus gesehen. Er hat diesem Umstand jedoch nicht die ihm zukommende Bedeutung beigemessen. Die Beschäftigungspflicht nach § 71 Abs. 1 SGB IX ist nach § 156 Abs. 1 SGB IX bußgeldbewehrt. Es handelt sich um eine durchaus erhebliche Rechtspflicht, die die Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) konkretisiert. Eine Suspendierung von dieser gesetzlichen Pflicht kann keinesfalls durch die Betriebsparteien erfolgen. Diese sind vielmehr nur dann, wenn sie sich innerhalb des gesetzlichen Rahmens bewegen - und im Übrigen die Belange der schwerbehinderten Menschen gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG ausreichend berücksichtigen - „frei“, mit für das Integrationsamt vorprägender Wirkung im Rahmen von Massenentlassungen auch schwerbehinderte Menschen als zu kündigende Mitarbeiter zu bestimmen. Ansonsten scheitert auch ihre Gestaltungsmöglichkeit an dem gesetzlichen Schutz der Schwerbehinderten, der insbesondere in § 71 Abs. 1 SGB IX seinen quantifizierbaren Ausdruck erhalten hat. Diesem Kriterium kommt daher erhebliche Bedeutung zu. Dies zeigt im Übrigen auch die Bestimmung des § 89 Abs. 1 Satz 2 SGB IX. Dort wird gerade bei Kündigung in Betrieben, die nicht nur vorübergehend wesentlich eingeschränkt werden, danach unterschieden, ob die Zahl der weiterhin beschäftigten schwerbehinderten Menschen zur Erfüllung der Beschäftigungspflicht nach § 71 SGB IX ausreicht.
53 
Der Beklagte hätte sich hier daher nicht damit begnügen dürfen, im Rahmen der Ermessenserwägung in dem angegriffenen Bescheid lediglich festzustellen, dass die Beschäftigungspflicht nach § 71 SGB IX durch die Beigeladene nun nicht mehr erfüllt wird. Vielmehr hätte er - in der Art einer Unzumutbarkeitsprüfung - dahingehend Erwägungen anstellen müssen, ob der Beigeladenen im vorliegenden Fall ein Dispens von dieser gesetzlichen Pflicht zu erteilen war. Nachdem zwischen den Beteiligten weder umstritten ist, dass die Beigeladene ihre Beschäftigungspflicht nach § 71 Abs. 1 SGB IX nicht mehr erfüllt, noch, dass der Arbeitsplatz des Klägers, Kostenstelle 237, nach wie vor existiert und derzeit von einem anderen - jüngeren - Mitarbeiter ausgeführt wird, waren für eine entsprechende Unzumutbarkeit auf Seiten der Beigeladenen keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich. Die gleichwohl erteilte Zustimmung des Beklagten stellt sich damit als ermessensfehlerhaft dar.
54 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und Abs. 3 VwGO, § 188 S. 2 VwGO.
55 
Die Zulassung der Berufung ergibt sich aus § 124 a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO; die grundsätzliche Bedeutung ist offensichtlich.

Gründe

 
31 
1.) Die Klage ist zulässig, insbesondere fehlt der Anfechtungsklage des Klägers gegen den Bescheid des Beklagten vom 30.06.2010 nicht das für die Zulässigkeit einer solchen Klage stets erforderliche allgemeine Rechtsschutzbedürfnis (vgl. etwa BVerwG, Beschl. v. 30.11.2006 - 6 B 96/09 - ).
32 
Gemäß § 88 Abs. 3 SGB IX kann ein Arbeitgeber die beabsichtigte Kündigung eines Schwerbehinderten nur innerhalb eines Monats nach Zustellung der zustimmenden Entscheidung des Integrationsamtes erklären. Ist diese Frist abgelaufen, ohne dass eine solche Kündigung erklärt worden wäre, so gehen für den schwerbehinderten Menschen von dieser Zustimmungsentscheidung keine belastenden Wirkungen mehr aus und einem entsprechenden Anfechtungsrechtsbehelf fehlte dann das Rechtsschutzbedürfnis. Ein zu diesem Zeitpunkt noch anhängiger Anfechtungswiderspruch müsste gegebenenfalls für erledigt erklärt werden.
33 
Kündigt ein Arbeitgeber, der beim Integrationsamt die Zustimmung zur Kündigung eines schwerbehinderten Menschen beantragt hat, vor der Zustellung des entsprechenden Zustimmungsbescheides, so ist eine solche Kündigung wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB nichtig. Eine Heilung etwa durch nachträgliche Zustimmung des Integrationsamtes ist ausgeschlossen (Düwell in Dau/Düwell/Heines SGB IX, 2. Aufl., § 85 Rz. 33 m.w.N. zur arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung). Das bedeutet, auch von einer nachträglichen Zustimmung des Integrationsamtes - wenn der Arbeitgeber nicht ein zweites Mal die Kündigung erklärt (zur Möglichkeit einer erneuten Kündigung nach vorzeitiger Kündigung, Düwell a.a.O. Rz. 36) - können ebenfalls keine belastenden Wirkungen für den schwerbehinderten Menschen ausgehen.
34 
Da hier die Beigeladene das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger nur einmal, nämlich mit Zugang ihres Kündigungsschreibens am 30.06.2010, 12.50 Uhr, gekündigt hat, kommt es vorliegend darauf an, ob der Zustimmungsbescheid des Beklagten zu diesem Zeitpunkt der Beigeladenen bereits zugestellt war. Nur dann vermag diese Zustimmungsentscheidung die ausgesprochene Kündigung „zu decken“ und nur dann gehen von ihr belastende Wirkungen für den Kläger aus.
35 
Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts Stuttgart - Kammern Aalen - im erstinstanzlichen arbeitsgerichtlichen Rechtstreit zwischen dem Kläger und der Beigeladenen ist diese Frage indes zu bejahen. Die Zustimmungsentscheidung des Beklagten war tatsächlich Grundlage der Kündigungserklärung der Beigeladenen, weshalb das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtung dieser Entscheidung seitens des Klägers nicht entfallen ist.
36 
Die von § 88 Abs. 2 SGB IX geforderte Zustellung einer solchen Zustimmungsentscheidung des Integrationsamtes wird entsprechend § 65 Abs. 2 SGB X nach den jeweiligen Verwaltungszustellungsgesetzen der Länder bewirkt. Zutreffend hat der Beklagte im Rahmen der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, mangels einer entsprechenden Rechtsverordnung in Baden-Württemberg und mangels einer qualifizierten elektronischen Signatur komme eine elektronische Zustellung insoweit ohnehin nicht in Betracht. Die vom Beklagten gewählte Übermittlung des Zustimmungsbescheides an die Beigeladene entspricht aber - gerade noch - dem Erfordernis einer ordnungsgemäßen Zustellung nach § 2 Abs. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 S. 2 LVwZG. Danach erfolgt die Zustellung eines schriftlichen Dokuments durch die Behörde u.a. durch offene Aushändigung dieses Dokumentes. Dies liegt hier vor.
37 
Es ist seit jeher unstrittig, dass sich eine Behörde bei der Zustellung technischer Einrichtungen bedienen darf, soweit es dabei um Erleichterungen im Rahmen der Aushändigung des Dokumentes geht. Die Verwendung technischer Einrichtungen allein macht einen Zustellvorgang noch nicht zu einer elektronischen Zustellung. So kann ein Bescheid zugestellt werden, indem das im Original unterschriebene Dokument per Telefax an den Empfänger übermittelt wird. Die körperliche Urkunde, die im Herrschaftsbereich des Empfängers durch das dortige Telefax-Empfangsgerät hergestellt wird, entspricht der im Original bei den Verwaltungsakten verbliebenen Urkunde.
38 
Für die vorliegend vom Beklagten gewählte Übermittlung seines Original-Bescheides als „PDF-Datei“ gilt nichts anderes. Auch insoweit wird im Herrschaftsbereich des Empfängers, hier der Beigeladenen, eine körperliche Urkunde hergestellt, die dem Originalbescheid, der in den Verwaltungsakten des Beklagten verblieben ist, entspricht. Gegenüber einer Übersendung per Telefax besteht nur insoweit ein Unterschied, als sich die Behörde bei der Übermittlung einer PDF-Datei nicht nur der technischen Einrichtungen des Empfängers bedient, also etwa des Telefax-Empfangsgerätes, vielmehr „beauftragt“ sie in einem weiteren Schritt auch eine handelnde Person des Empfängers, die an eine E-Mail-Nachricht angehängte PDF-Datei auszudrucken, damit körperlich herzustellen und so die Zustellung abzuschließen. Dieser - geringe - Unterschied rechtfertigt es nicht, die Zustellung mit Hilfe der Übermittlung einer PDF-Datei generell für unwirksam zu erklären. In ähnlicher Weise ist auch die Klageerhebung durch elektronische Übermittlung einer Bilddatei (PDF-Datei) des unterschriebenen Schriftsatzes als zulässig angesehen worden (vgl. BGH, Beschl. v. 15.07.2008 - X ZB 8/08 -, NJW 2008, 275).
39 
Um nicht missverstanden zu werden, weist der Berichterstatter aber darauf hin, dass es nicht auf den elektronischen Eingang der PDF-Datei bzw. den Eingang der E-Mail-Nachricht beim Empfänger ankommt. Vielmehr ist Zustellungszeitpunkt die Herstellung der körperlichen Urkunde durch Ausdruck im Herrschaftsbereich des Empfängers (ebenso BGH a.a.O.). Nur dadurch liegt eine dem Telefax-Empfang vergleichbare Situation vor. „Ruht“ dagegen eine solche Datei noch im Postfach des Empfängers, so ist eine Zustellung noch nicht bewirkt. Nachdem der Personalleiter der Beigeladenen auf die E-Mail-Nachricht des Beklagten aber bereits nach wenigen Minuten reagiert hatte und den Empfang bestätigte, ist davon auszugehen, dass auch die verkörperte Urkunde des Zustimmungsbescheides als Ausdruck zu diesem Zeitpunkt von der Beigeladenen in Händen gehalten wurde. Damit war die Zustellung des Zustimmungsbescheides des Beklagten rund eine Stunde vor Zugang der Kündigungserklärung beim Kläger bewirkt.
40 
Der Berichterstatter hat daher darauf verzichtet, gemäß § 88 VwGO anzuregen, im Hauptantrag die Feststellung (§ 43 VwGO) zu begehren, der Zustimmungsbescheid des Beklagten vom 30.06.2010 sei erst nach Ausspruch der Kündigung zugestellt worden und nur hilfsweise dessen Aufhebung zu beantragen.
41 
2.) Die Klage ist auch begründet. Die angegriffenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Sie mussten vom Gericht daher aufgehoben werden (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
42 
Der Kläger ist ein schwerbehinderter Mensch im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB IX, weshalb die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses durch die Beigeladene der vorherigen Zustimmung des Beklagten als Integrationsamt bedurfte (§ 85 SGB IX). Wie vom Beklagten zutreffend erkannt, lagen die Voraussetzungen nach § 89 Abs. 1 Satz 2 SGB IX („soll...erteilen“) hier nicht vor, weshalb über den Antrag des Arbeitgebers auf Erteilung der Zustimmung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden war (BVerwG, Urteil vom 02.07.1992 - 5 C 51.90 -, BVerwGE 90, 287; VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 28.04.1989 - 6 S 1 297/88 -).
43 
Ist die Behörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, so unterliegt die Verwaltungsentscheidung nur einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle gemäß § 114 S. 1 VwGO. Danach prüft das Gericht nur, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (§ 114 VwGO). Dies beinhaltet die Prüfung, ob die Behörde in ihre Ermessenserwägungen alle wesentlichen, den Streit zwischen den Beteiligten kennzeichnenden Gesichtspunkte eingestellt hat und ob sie dabei von einem richtigen und vollständigen Sachverhalt ausgegangen ist (VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 09.05.1994 - 7 S 2294/92 -). Die Ermessensentscheidung ist danach fehlerhaft, wenn die Behörde Umstände außer Betracht lässt, die zu berücksichtigen wären (vgl. hierzu und im weiteren auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 04.03.1998 - 9 S 1 637/97 -), desgleichen, wenn sie Umstände in die Ermessensbetätigung einstellt, die nicht ausreichend ermittelt sind aber auch, wenn sie einzelne Gesichtspunkte zwar erkennt, diese aber unzutreffend gewichtet.
44 
In Fällen, in denen die Zustimmung für die beabsichtigte Kündigung erteilt wird, kommt es für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage insoweit maßgeblich auf den Zeitpunkt des Bescheids an, der die Grundlage für die dann erklärte Kündigung war mit der Folge, dass erst nach Ausspruch der Kündigung eingetretene oder vom Schwerbehinderten danach mitgeteilte oder sonst wie bekannt gewordene Umstände die Rechtmäßigkeit der Ermessensbetätigung der Beklagten und damit der erteilten Zustimmung im Grundsatz nicht mehr berühren (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.11.2008, - 5 B 79.08 -, ; s. auch Verwaltungsgericht München, Urteil vom 18.11.2010, - M 15 K 09.5850 -, mit weiteren Nachweisen).
45 
Bei Ausübung ihres Ermessens hat sich die Behörde am Zweck des ermächtigenden Gesetzes zu orientieren. Nach der programmatischen Neuausrichtung des Schwerbehindertenrechts in § 1 SGB IX tritt an die Stelle der Fürsorge die Förderung der selbstbestimmten und gleichberechtigten Teilhabe am Arbeitsleben; deshalb hat das Integrationsamt zu prüfen, ob der Arbeitgeber im Rahmen des ihm Möglichen und Zumutbaren dem Anspruch des schwerbehinderten Menschen auf eine seinen Fähigkeiten gerecht werdende Beschäftigung Rechnung trägt (vgl. Urteil des VG Stuttgart vom 19.07.2004, - 8 K 3370/03, - unter Bezugnahme auf Dau/Düwell/Haines , Lehr- und Praxiskommentar LPK - SGB IX, 2002, Anm. 7 und 9 zu § 89). Schon nach dem früheren SchwbG war anerkannt, dass durch die Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen (nur) die Nachteile des Schwerbehinderten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeglichen werden sollen. Auch der Zweck des § 85 SGB IX geht deshalb dahin, die Schwerbehinderten vor den besonderen Gefahren, denen sie wegen ihrer Behinderung auf dem Arbeitsmarkt ausgesetzt sind, zu bewahren und sicherzustellen, dass sie gegenüber den gesunden Arbeitnehmern nicht ins Hintertreffen geraten. Das hat die Leitlinie bei der Ermessensentscheidung zu sein, ob der Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Schwerbehinderten zuzustimmen ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 05.12.2006 - 5 B 171.06 und Urt. v. 28.02.1968, BVerwGE 29, 140).
46 
Die formellen Voraussetzungen für die Erteilung der Zustimmung lagen hier zwar vor. Die nach § 85 SGB IX vorzunehmende Entscheidung des Beklagten ist entsprechend den Verfahrens- und Formvorschriften des SGB IX zustande gekommen. Damit war das Ermessen eröffnet. Die vorliegend angefochtene Ermessensentscheidung ist im Ergebnis aber zu beanstanden.
47 
Entgegen der Ansicht des Klägers durfte der Beklagte davon ausgehen, dass betriebsbedingte Gründe auf Seiten der Beigeladenen für die beantragte Zustimmung zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger dem Grunde nach vorlagen. Dies ist Kern der gesetzlichen Regelung nach § 1 Abs. 5 KSchG i.V.m. § 111 BetrVG, wonach bei Abschluss eines Interessenausgleichs zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, der die zu kündigenden Arbeitnehmer im Falle einer Betriebsänderung namentlich bezeichnet, eine Vermutung besteht, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist. In einem solchen Fall kann die soziale Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer (von der Arbeitsgerichtsbarkeit) nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.
48 
Entgegen der Ansicht der Beigeladenen und des Beklagten vermag diese gesetzliche Regelung den Kündigungsschutz der Schwerbehinderten nach dem SGB IX aber nicht - umfassend - beiseite zu schieben, auch wenn die Betriebsparteien im Rahmen des Verfahrens nach § 1 KSchG verpflichtet sind, u.a. die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers ausreichend zu berücksichtigen (Abs. 3 Satz 1 der Norm). Damit ist nämlich keine generelle Verlagerung des Schutzes der Schwerbehinderten als einer hoheitlichen Aufgabe vom hoheitlich handelnden Beklagten hin zu den Betriebsparteien gemeint. Der Schwerbehindertenschutz obliegt auch in einem solchen Fall gemäß § 85 SGB IX dem Integrationsamt. Dieses darf im Rahmen seiner Ermessensbetätigung lediglich für den „Normalfall“ davon ausgehen, die Betriebsparteien hätten im Rahmen der Vereinbarung eines Interessenausgleichs mit Namensliste die Interessen der Schwerbehinderten innerhalb der Belegschaft ausreichend berücksichtigt, wenn insoweit vorgetragen ist, etwa im Rahmen eines angewandten Punkte-Schemas, sei auch durch die Betriebsparteien dafür Sorge getragen worden, dass die im Betrieb beschäftigten schwerbehinderten Menschen in ihrer Gesamtheit nicht ins Hintertreffen geraten. Dann, aber nur dann, darf sich die Behörde in ihrem hoheitlichen Handeln der Vereinbarung der Betriebsparteien anschließen.
49 
Liegt dagegen ein Sonderfall vor, der erkennen lässt, dass gegenüber den Erwägungen, die die Betriebsparteien im Interessenausgleich nach § 1 Abs. 5 KSchG angestellt haben, weitergehende Umstände zu berücksichtigen sind, muss das Integrationsamt diese mit dem ihnen zukommendem Gewicht in seine anzustellende Ermessenserwägungen einstellen.
50 
Entgegen der Befürchtung der Beigeladenen wird hierdurch die Kompetenz der Betriebsparteien zum Abschluss eines Interessenausgleichs mit Namensliste gemäß § 1 Abs. 5 KSchG nicht „entwertet“. Es entspricht auch sonst der betrieblichen Praxis, dass kein Arbeitgeber darauf vertrauen kann, nachdem er mit dem Betriebsrat einen solchen Interessenausgleich mit Namensliste abgeschlossen hat, werde er die Kündigung all derer dort aufgeführten Mitarbeiter ohne jede Einschränkung durchführen können. Ein solcher Interessenausgleich mit Namensliste hat Bedeutung nur für die Frage, ob von der Annahme betrieblicher Gründe und einer ordnungsgemäßen Sozialauswahl gemäß § 1 KSchG auszugehen ist. Dagegen können sich zahlreiche andere Hemmnisse ergeben, die es letztlich unmöglich machen, tatsächlich eine Kündigung auszusprechen. So kann anderweitiger Kündigungsschutz etwa nach dem BetrVG oder dem MuSchG bestehen, der den Betriebsparteien verborgen geblieben ist. Auch kann ein tarifvertraglicher Kündigungsschutz vorliegen, der, etwa weil von einem falschen Geburtsjahr ausgegangen wurde, übersehen wurde. Schließlich können Formfehler u.ä. im Rahmen der Kündigungserklärung letztlich dazu führen, dass ein in einem Interessenausgleich mit Namensliste aufgeführter Mitarbeiter tatsächlich - etwa nach erfolgreicher Kündigungsschutzklage - weiter beschäftigt werden muss. Nicht anders stellt sich die Situation wie vorliegend dar. Die Aufnahme eines schwerbehinderten Menschen in die Namensliste zum Interessenausgleich ermöglicht es dem Arbeitgeber, gestützt auf betriebliche Gründe, einen Antrag auf Zustimmung zur Kündigung an das Integrationsamt zu richten. Eine absolute Gewähr dahingehend, dass die Zustimmungsentscheidung positiv ergeht, haben die Betriebsparteien gleichwohl nicht. Das Ermessen des Integrationsamtes wird durch Vorlage des Interessenausgleichs mit Namensliste nicht „auf Null“ reduziert.
51 
Namentlich wenn das Integrationsamt erkennen muss, dass vorliegend von einem Sonderfall auszugehen ist, hat eine eigenständige Ermessensbetätigung der Behörde zu erfolgen. So lag es hier.
52 
Der Ausnahmefall liegt darin begründet, dass die Beigeladene durch die von ihr geplante und durchgeführte Personalanpassungsmaßnahme nunmehr ihre gesetzliche Pflicht aus § 71 Abs. 1 SGB IX nicht mehr erfüllt. Dies hat sowohl die Beigeladene im Verwaltungsverfahren auch eingestanden, als auch der Beklagte ausweislich der angegriffenen Bescheide durchaus gesehen. Er hat diesem Umstand jedoch nicht die ihm zukommende Bedeutung beigemessen. Die Beschäftigungspflicht nach § 71 Abs. 1 SGB IX ist nach § 156 Abs. 1 SGB IX bußgeldbewehrt. Es handelt sich um eine durchaus erhebliche Rechtspflicht, die die Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) konkretisiert. Eine Suspendierung von dieser gesetzlichen Pflicht kann keinesfalls durch die Betriebsparteien erfolgen. Diese sind vielmehr nur dann, wenn sie sich innerhalb des gesetzlichen Rahmens bewegen - und im Übrigen die Belange der schwerbehinderten Menschen gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG ausreichend berücksichtigen - „frei“, mit für das Integrationsamt vorprägender Wirkung im Rahmen von Massenentlassungen auch schwerbehinderte Menschen als zu kündigende Mitarbeiter zu bestimmen. Ansonsten scheitert auch ihre Gestaltungsmöglichkeit an dem gesetzlichen Schutz der Schwerbehinderten, der insbesondere in § 71 Abs. 1 SGB IX seinen quantifizierbaren Ausdruck erhalten hat. Diesem Kriterium kommt daher erhebliche Bedeutung zu. Dies zeigt im Übrigen auch die Bestimmung des § 89 Abs. 1 Satz 2 SGB IX. Dort wird gerade bei Kündigung in Betrieben, die nicht nur vorübergehend wesentlich eingeschränkt werden, danach unterschieden, ob die Zahl der weiterhin beschäftigten schwerbehinderten Menschen zur Erfüllung der Beschäftigungspflicht nach § 71 SGB IX ausreicht.
53 
Der Beklagte hätte sich hier daher nicht damit begnügen dürfen, im Rahmen der Ermessenserwägung in dem angegriffenen Bescheid lediglich festzustellen, dass die Beschäftigungspflicht nach § 71 SGB IX durch die Beigeladene nun nicht mehr erfüllt wird. Vielmehr hätte er - in der Art einer Unzumutbarkeitsprüfung - dahingehend Erwägungen anstellen müssen, ob der Beigeladenen im vorliegenden Fall ein Dispens von dieser gesetzlichen Pflicht zu erteilen war. Nachdem zwischen den Beteiligten weder umstritten ist, dass die Beigeladene ihre Beschäftigungspflicht nach § 71 Abs. 1 SGB IX nicht mehr erfüllt, noch, dass der Arbeitsplatz des Klägers, Kostenstelle 237, nach wie vor existiert und derzeit von einem anderen - jüngeren - Mitarbeiter ausgeführt wird, waren für eine entsprechende Unzumutbarkeit auf Seiten der Beigeladenen keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich. Die gleichwohl erteilte Zustimmung des Beklagten stellt sich damit als ermessensfehlerhaft dar.
54 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und Abs. 3 VwGO, § 188 S. 2 VwGO.
55 
Die Zulassung der Berufung ergibt sich aus § 124 a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO; die grundsätzliche Bedeutung ist offensichtlich.

Tenor

Der Bescheid des Beklagten vom 28.06.2004 und dessen Widerspruchsbescheid vom 15.10.2004 werden aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des - gerichtskostenfreien - Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Zustimmung zu seiner Kündigung nach SGB IX.
Der Kläger ist 1953 geboren und mit einem GdB von 30 seit dem 16.06.1998 durch Bescheid des Arbeitsamtes ... schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Er ist seit 12.04.1976 als Kopfteilpolsterer bei der Beigeladenen in ... beschäftigt.
Mit Schreiben vom 03.05.2004 beantragte die Beigeladene beim Integrationsamt in Stuttgart die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger. Zur Begründung wurde angeführt: Durch den Beschluss des Amtsgerichtes ... vom ... sei das Insolvenzverfahren eröffnet und Herr Rechtsanwalt ... zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma ... bestellt worden. Dieser habe festgestellt, dass nur mit einem finanzstarken Partner bzw. Investor aus der Möbelindustrie realistische Chancen für das Überleben des Unternehmens bestünden. Zur Förderung des Kaufinteresses und zur Wiedererlangung der Wettbewerbsfähigkeit sei in Abstimmung mit der Arbeitnehmervertretung die marktbedingte Reduzierung des Produktionsbetriebes einschließlich der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der Abbau des Personalbestandes im Werk ... von 46 Arbeitnehmern aus der Fertigung und 30 Arbeitnehmern aus der Verwaltung in Angriff genommen worden. Grundlage sei eine Prognose des Personalbedarfs für eine kostendeckende Produktion gewesen, auf der dann die genaue Arbeitsplatzanzahl in den jeweiligen Abteilungen festgelegt worden sei. Nach Einteilung der einzelnen Arbeitnehmer in die verschiedenen Beschäftigungs- und Qualitätsgruppen sei dann eine Sozialauswahl entsprechend der im Interessenausgleich festgelegten Punkteskala durchgeführt worden. Daraus habe sich die mit dem Gesamtbetriebsrat vereinbarte Namensliste ergeben. Hiervon sei auch der Kläger betroffen, der jedoch die Möglichkeit habe, in eine Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft zu wechseln. Nach dem Personalabbau werde die Schwerbehindertenquote nicht mehr erfüllt.
Der Kläger trat der beabsichtigten Kündigung entgegen und führte aus: Er werde bei der derzeitigen wirtschaftlichen Lage sicher Schwierigkeiten haben, einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Seiner Meinung nach sei auch die Sozialauswahl nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden.
Mit Bescheid vom 28.06.2004 erteilte das Integrationsamt des Beklagten die beantragte Zustimmung. Hiergegen erhob der Kläger am 09.07.2004 Widerspruch. Zur Begründung ließ der Kläger ausführen: Die Entscheidung des Integrationsamtes sei ermessensfehlerhaft getroffen worden. Es bestehe ein direkter Zusammenhang zwischen den Kündigungsgründen und der Behinderung des Klägers, da vor allem behinderte Arbeitnehmer gekündigt worden seien. Die Behinderung des Klägers nicht angemessen berücksichtigt worden und das Integrationsamt hätte die Zustimmung zur Kündigung nicht erteilen dürfen. Der Wegfall des Arbeitsplatzes des Klägers sei nicht aufgrund einer unternehmerischer Entscheidung erfolgt. Der Insolvenzverwalter habe seiner Fürsorgepflicht hinsichtlich der Behinderung des Klägers nicht Genüge getan. Aus diesem Grunde liege der Kündigung eine willkürliche Argumentation zugrunde.
Im Widerspruchsverfahren führte der Insolvenzverwalter der Beigeladenen aus: Es bestehe kein Zusammenhang zwischen den Kündigungsgründen und der Behinderung des Klägers, insbesondere würden nicht vor allem behinderte Mitarbeiter gekündigt. Es seien entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen die Sozialauswahlkriterien beachtet und in einen mit dem Betriebsrat festgelegten Interessenausgleich mit Namensliste niedergelegt worden. Die Gründe für die Kündigung seien ausschließlich betrieblicher Natur, welche im Interessenausgleich im Einzelnen dargestellt seien. Bei der Sozialauswahl seien sämtliche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zunächst in Qualifikationsgruppen eingeteilt worden. Sodann seien zur Erhaltung bzw. Schaffung einer ausgewogenen Altersstruktur Altersgruppen gebildet und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in die verschiedenen Altersgruppen eingeteilt worden. Daraufhin sei aufgrund der im Interessenausgleich vereinbarten Sozialauswahlkriterien ein Punktesystem aufgestellt worden, wonach dann die Sozialauswahl durchgeführt worden sei. Dabei sei auch die Behinderung der Mitarbeiter berücksichtigt worden.
In der am 25.06.2004 durchgeführten Erörterungsverhandlung wurde die getroffene Sozialauswahl vom Arbeitgebervertreter erläutert und die grundsätzlichen Bedingungen für einen Wechsel zur BQG besprochen.
Der Betriebsrat sowie die Schwerbehindertenvertretung teilten im Rahmen ihrer Anhörung mit, die beantragte Kündigung sei nach langer und eingehender Beratung und Abschluss eines Interessensausgleichs sowie eines Sozialplanes zwischen Betriebsrat, Gesamtbetriebsrat und Geschäftleitung (Insolvenzverwalter) der Firma ... nicht abzuwenden gewesen. Dem Zustimmungsantrag werde daher seitens des Betriebsrates und der Schwerbehindertenvertretung nicht widersprochen.
Mit Bescheid vom 15.10.2004 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt: Zwar liege kein Fall des § 89 Abs. 3 SGB IX vor, so dass hinsichtlich der Zustimmung keine Ermessensreduzierung bestanden habe. Da die Kündigungsgründe in keinem Zusammenhang mit der Behinderung des Klägers stünden, verliere der besondere Kündigungsschutz nach dem SGB IX jedoch an Intensität. Es handele sich um eine nachvollziehbare unternehmerische Entscheidung, deren Zweckmäßigkeit nur im arbeitsgerichtlichen Verfahren überprüft werden könne, gleiches gelte für die Sozialauswahl, die nicht ersichtlich fehlerhaft sei. Anhaltspunkte dafür, dass die betrieblichen Gründe nur vorgeschoben würden, bestünden nicht. Bei der Ermessensentscheidung würden die Auswirkungen der Kündigung auf den Kläger erkannt, aber nicht den Vorrang vor den betrieblichen Umstrukturierungen gewinnen. - Der Bescheid wurde am 15.10.2004 als Einschreiben zur Post gegeben.
10 
Am 12.11.2004 hat der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben. Zur Begründung wird vorgebracht: Die Zustimmung sei ermessensfehlerhaft. Die Beigeladene könne nicht die Beschäftigungsquote nach § 71 SGB IX einhalten, auch habe die Kündigung äußerst schwerwiegende soziale Auswirkungen für den Kläger. Ihm sei wegen seiner Behinderung gekündigt worden, weil eine "gesunde" Belegschaft besser an einen zahlungskräftigen Investor zu vermitteln wäre. Der Beklagte hätte niemals den wirtschaftlichen Interessen der Beigeladenen den Vorrang vor der Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers einräumen dürfen.
11 
Der Kläger beantragt,
12 
den Bescheid des Integrationsamtes des Beklagten vom 28.06.2004 und dessen Widerspruchsbescheid vom 15.10.2004 aufzuheben.
13 
Der Beklagte beantragt,
14 
die Klage abzuweisen.
15 
Er bezieht sich auf die angefochtenen Bescheide und führt noch aus: Der Kläger habe keinen Beweis für seine Behauptung angetreten, es sei der Beigeladenen um die Erlangung einer "gesunden" Belegschaft gegangen.
16 
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
17 
Dem Gericht lagen die Akten der Behörde vor. Hierauf, auf die gewechselten Schriftsätze und auf die Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
18 
Die Klage ist zulässig und auch begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Gericht hält die mit den angefochtenen Bescheiden erteilte Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des Klägers zu dessen Lasten für rechtsfehlerhaft.
19 
Das Kündigungsschutzrecht des SGB IX findet auf den Kläger Anwendung. Zwar ist der Kläger mit einem GdB von 30 nicht schwerbehinderter Mensch im Sinne des § 2 Abs. 2 des SGB IX. Jedoch hat ihn das Arbeitsamt ... (Agentur für Arbeit) mit Bescheid vom 16.06.1998 schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Folge dieser Gleichstellung ist u.a., dass die speziellen Kündigungsschutzregelungen des SGB IX auf den Kläger Anwendung finden (§ 68 Abs. 1 und 3 SGB IX).
20 
Daher bedurfte die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses durch die Beigeladene der vorherigen Zustimmung des Beklagten als Integrationsamt (§ 85 SGB IX).
21 
Über einen Antrag des Arbeitgebers auf Erteilung der Zustimmung hat das Integrationsamt nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden (BVerwG, Urteil vom 02.07.1992, - 5 C 51.90 BVerwGE 90, 287- VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 28.04.1989 - 6 S 1 971/88 -). Ist die Behörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, so unterliegt die Verwaltungsentscheidung nur einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle gemäß § 114 S. 1 VwGO. Danach prüft das Gericht nur, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist, insbesondere ob die Behörde in ihre Ermessenserwägungen alle wesentlichen, den Streit zwischen den Beteiligten kennzeichnenden Gesichtspunkte eingestellt hat und ob sie dabei von einem richtigen und vollständigen Sachverhalt ausgegangen ist (VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 09.05.1994 - 7 S 2294192 -). Die Ermessensentscheidung ist danach fehlerhaft, wenn die Behörde Umstände außer Betracht lässt, die zu berücksichtigen wären (vgl. hierzu und im weiteren auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 04.03.1998 - 9 S 1 637197 -).
22 
Bei Ausübung ihres Ermessens hat sich die Behörde am Zweck des ermächtigenden Gesetzes zu orientieren. Nach der programmatischen Neuausrichtung des Schwerbehindertenrechts in § 1 SGB IX tritt an die Stelle der Fürsorge die Förderung der selbstbestimmten und gleichberechtigten Teilhabe am Arbeitsleben; deshalb hat das Integrationsamt zu prüfen, ob der Arbeitgeber im Rahmen des ihm Möglichen und Zumutbaren dem Anspruch des schwerbehinderten Menschen auf eine seinen Fähigkeiten gerecht werdenden Beschäftigung Rechnung trägt (vgl. Urteil der Kammer vom 19.07.2004, - 8 K 3370103, - unter Bezugnahme auf Dau, Düwell, Haines (Hrsg.), Lehr- und Praxiskommentar LPK - SGB IX, 2002, Anm. 7 und 9 zu § 89). Schon nach dem bisherigen Recht war anerkannt, dass durch die Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen (nur) die Nachteile des Schwerbehinderten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeglichen werden sollen. Auch der Zweck des § 85 SGB IX geht deshalb dahin, die Schwerbehinderten vor den besonderen Gefahren, denen sie wegen der Behinderung auf dem Arbeitsmarkt ausgesetzt sind, zu bewahren und sicherzustellen, dass sie gegenüber den gesunden Arbeitnehmern nicht ins Hintertreffen geraten. Dieser Aspekt hat auch die Leitlinie bei der Ermessensentscheidung zu sein, ob der Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Schwerbehinderten zuzustimmen ist. Diese Entscheidung erfordert deshalb eine Abwägung des Interesses des Arbeitgebers an der Erhaltung seiner Gestaltungsmöglichkeiten gegen das Interesse des schwerbehinderten Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes. Damit werden die Grenzen dessen bestimmt, was zur Verwirklichung des dem Schwerbehinderten gebührenden weitgehenden Teilhabeanspruchs dem Arbeitgeber zugemutet werden darf (BVerwG, Urteil vom 02.07.1992 - 5 C 51.90 BVerwGE 90, 287, 292 f. m. w. N. zum SchwbG).
23 
Bei seiner Ermessensentscheidung muss das Integrationsamt allerdings nur solche Umstände berücksichtigen, die sich ihm bei vernünftiger Überlegung aufdrängen oder auf die es durch die Beteiligten hingewiesen wird, nicht aber auch solche denkbaren weiteren Umstände, die den persönlichen Lebensbereich des Schwerbehinderten berühren, von ihm aber im Verwaltungsverfahren nicht geltend gemacht werden (BVerwG, Beschluss vom 22.11.1994 - 5 B 16.94 -, Buchholz 436.61 § 85 SGB IX Nr. 8; Beschluss vom 23.09.1997 - 9 S 1635196).
24 
Haben die zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses führenden Gründe in der Behinderung selbst ihre Ursache, stellt der Schwerbehindertenschutz besondere Anforderungen an die bei der Interessenabwägung immer zu berücksichtigende Zumutbarkeitsgrenze beim Arbeitgeber, um den im Schwerbehindertenrecht zum Ausdruck kommenden Schutzgedanken der Rehabilitation verwirklichen zu können. Dies kann im Einzelfall dazu führen, dass das Interesse des Arbeitgebers an der Vermeidung aller Störungen des betrieblichen Ablaufs in zumutbarer Weise zurücktreten muss (BVerwG, Urteil vom 27.10.1971 V C 78.70 -, BVerwGE 39, 36 <38>-, Beschluss vom 18.09.1989 - 5 B 100.89 Buchholz 436.61 § 15 SchwbG 1986 Nr. 2 und Beschluss vom 16.06.1990 - 5 B 1 27.89 -, Buchholz a.a.0. Nr. 3).
25 
Anders verhält es sich grundsätzlich bei betriebsbedingten Kündigungen. In solchen Fällen wird nicht der schwerbehinderte Mensch in seiner durch das körperliche Leiden bedingten Stellung im Wirtschaftsleben berührt, sondern geht es regelmäßig um die allgemeinen sozialen Interessen des einzelnen Schwerbehinderten als Arbeitnehmer. Nach der Rechtsprechung des BVerwG ist der besondere Schutz des § 85 SGB IX dem schwerbehinderten Menschen zusätzlich zum allgemeinen arbeitsrechtlichen Schutz gegeben. Das bedeutet, dass der schwerbehinderte Mensch, wenn das Integrationsamt der Kündigung zugestimmt hat, noch den Schutz des Kündigungsschutzgesetzes in Anspruch nehmen und eine arbeitsgerichtliche Nachprüfung herbeiführen kann, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt im Sinne dieses Gesetzes ist. Das Integrationsamt hat deshalb nicht gleichsam parallel zum Arbeitsgericht über die Frage der Sozialwidrigkeit der Kündigung zu befinden. Bei der Entscheidung, ob die Zustimmung erteilt oder versagt werden soll, können vielmehr nur Erwägungen eine Rolle spielen, die sich speziell aus der Schwerbehindertenfürsorge herleiten (vgl. Urteil vom 02.07.1992, BVerwGE 90, 287 ff mit weiteren Nachweisen).
26 
Dabei kommt es in den Fällen wie hier für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblich auf den Zeitpunkt des Ausgangsbescheids an (vgl. VGH Baden-Württemberg Urteil vom 05.08.96, - 7 S 3383194 - unter Hinweis auf BVerwG, Buchholz 436. 61 § 12 SchwbG Nr. 3), der die Grundlage für die dann erklärte Kündigung war. Die seither eingetretenen oder bekannt gewordenen Umstände können daher die Rechtmäßigkeit der erteilten Zustimmung nicht mehr berühren.
27 
Die formellen und materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der Zustimmung lagen hier vor.
28 
Damit war das Ermessen eröffnet. Eine unbedingte Bindung des Ermessens im Sinne der Sollensregelung des § 89 Abs. 3 SGB IX besteht, worüber die Beteiligten nicht streiten, im vorliegenden Fall nicht. Zwar ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen des früheren Arbeitgebers des Klägers eröffnet worden, jedoch fehlt es an den Voraussetzungen nach Ziff. 4 der Vorschrift, wie der Vertreter der Beigeladenen gegenüber dem Beklagten im Verwaltungsverfahren mit Schreiben vom 01.06.2004 ausführlich dargelegt hatte.
29 
Der Beklagte hat aber von dem ihm eingeräumten Ermessen nicht fehlerfrei Gebrauch gemacht. Er ist, worauf der Kläger zutreffend hat hinweisen lassen, zu Unrecht davon ausgegangen, dass er die der Kündigung zugrunde liegende Sozialauswahl nicht in seine Ermessenserwägungen einzustellen brauchte.
30 
Zwar hat das Integrationsamt, wie bereits ausführlich dargelegt, grundsätzlich nicht über die Sozialwidrigkeit der Kündigung zu befinden. Es hat aber sehr wohl zu prüfen, ob die vom Arbeitgeber vorgenommene Sozialauswahl unter schwerbehindertenrechtlichen Gesichtspunkten nicht sachwidrig betrieben worden ist, also die spezifisch aus dem Anspruch schwerbehinderter Menschen auf Förderung und Teilhabe am Arbeitsleben herrührenden Gesichtspunkte in die Auswahl eingeflossen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.11.1999, BVerwGE 110, 67 ff mit weiteren Nachweisen). Deshalb ist es ausnahmsweise auch zulässig, in Fällen betriebsbedingter Kündigung die Versagung der Zustimmung darauf zu stützen, dass diese in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht offensichtlich unwirksam wäre (vgl. Dau/Düwell/ Hains, Lehr- und Praxiskommentar SGB IX, Anm. 5 zu § 89; BVerwG, Urteil vom 02.07.1992, aaO.).
31 
Vorliegend leidet die Ermessensbetätigung des Beklagten daran, dass er die nach diesen Grundsätzen von ihm zu berücksichtigende offensichtliche Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl nicht eingestellt hat. Offensichtlich fehlerhaft ist die dem Zustimmungsantrag zugrunde gelegte Sozialauswahl vorliegend deshalb, weil sie die Gruppe der den schwerbehinderten Menschen Gleichgestellten völlig unberücksichtigt gelassen hat. Im Interessenausgleich zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Gesamtbetriebsrat vom 21.04.2004 wurden als Auswahlrichtlinien für die Sozialauswahl u.a. die "Schwerbehinderung ab einem Grad der Behinderung von 50 mit 5 Punkten, sowie je weiteren 10 Grad einen weiteren Punkt" festgelegt (vgl. § 4 2. (5) der Vereinbarung). Mit dieser Festlegung wurde allerdings die Benachteiligung von behinderten Menschen, die keinen GdB von mindestens 50 aufweisen, außer acht gelassen. Dies führte zu einem Ausschluss der Berücksichtigung der behinderungsbedingten Nachteile bei der Sozialauswahl für die gesamte Gruppe der Gleichgestellten im Sinne de § 2 Abs. 3 SGB IX , die schon von Gesetzes wegen sämtlich keinen GdB von 50 aufweisen können.
32 
Es handelt sich auch um einen unter dem Gesichtpunkt der Teilhabe behinderter Menschen relevante und damit vom Beklagten zu berücksichtigenden Umstand. Die unterlassene Berücksichtigung der Personen im Sinne des § 2 Abs. 3 SGB IX steht in direktem Widerspruch zu den relevanten Zielsetzungen des SGB IX. Denn die Gleichstellung soll dem Betreffenden einen Anspruch auf Wahrung der Chancengleichheit im Arbeitsleben vermitteln, den er benötigt, weil er infolge seiner Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX nicht erlangen oder nicht beibehalten kann (vgl. § 2 Abs. 3 SGB IX). Deshalb findet - wie ausgeführt - u.a. auch der besondere öffentlich-rechtliche Kündigungsschutz auf Gleichgestellte wie auf Scherbehinderte Anwendung. Es ist deshalb Aufgabe der Integrationsämter, darauf zu achten, dass nicht nur die schwerbehinderten Menschen, sondern auch Personen, die ihnen gleichgestellt sind, diesen besonderen öffentlich-rechtlichen Kündigungsschutz erfahren.
33 
Der Beklagte hat diesen Umstand nicht in seine Ermessenserwägungen eingestellt und es bestehen auch keine Hinweise darauf, dass er sich dessen überhaupt bewusst war. Dieses Defizit beinhaltet zugleich auch einen Aufklärungsmangel. Denn der Beklagte hätte in Kenntnis der Bedeutung der genannten Regelung in dem vereinbarten Interessenausgleich Feststellungen treffen müssen, ob und ggfs. wie sich eine etwa an die Gewichtung der Schwerbehinderung anlehnende Berücksichtigung der Gleichstellung auf die Sozialauswahl zulasten des Klägers ausgewirkt hätte (zum Umfang der Amtsermittlungspflicht vgl. BVerwG, Urteil vom 02.07.1992, aaO.).
34 
Schließlich kann keinesfalls ausgeschlossen werden, dass die Ermessensentscheidung des Beklagten bei entsprechender Sachkenntnis anders ausgefallen wäre. Unter arbeitsrechtlichen Gesichtpunkten führt eine fehlerhafte Sozialauswahl nur dann ausnahmsweise nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung, wenn der Arbeitnehmer auch bei einer zutreffenden Sozialauswahl zweifelsfrei als sozial stärkerer Arbeitnehmer zur Kündigung angestanden hätte (vgl. Becker u.a., Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz, 6.A., § 1 KSchG, Anm. 632 mit weiteren Nachweisen). Die muss im Rahmen der Ermessensbetätigung nach § 85 SGB IX auch Berücksichtigung finden, wenn diese ausnahmsweise die Sozialauswahl in die Erwägungen einstellen muss.
35 
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 und § 154 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladene keinen Klage(-abweisungs) antrag gestellt und somit kein Kostenrisiko auf sich genommen hat, trägt sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst (§ 162 Abs. 3 VwGO. - Gemäß § 188 S. 2 ist das Verfahren gerichtskostenfrei.

Gründe

 
18 
Die Klage ist zulässig und auch begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Gericht hält die mit den angefochtenen Bescheiden erteilte Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des Klägers zu dessen Lasten für rechtsfehlerhaft.
19 
Das Kündigungsschutzrecht des SGB IX findet auf den Kläger Anwendung. Zwar ist der Kläger mit einem GdB von 30 nicht schwerbehinderter Mensch im Sinne des § 2 Abs. 2 des SGB IX. Jedoch hat ihn das Arbeitsamt ... (Agentur für Arbeit) mit Bescheid vom 16.06.1998 schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Folge dieser Gleichstellung ist u.a., dass die speziellen Kündigungsschutzregelungen des SGB IX auf den Kläger Anwendung finden (§ 68 Abs. 1 und 3 SGB IX).
20 
Daher bedurfte die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses durch die Beigeladene der vorherigen Zustimmung des Beklagten als Integrationsamt (§ 85 SGB IX).
21 
Über einen Antrag des Arbeitgebers auf Erteilung der Zustimmung hat das Integrationsamt nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden (BVerwG, Urteil vom 02.07.1992, - 5 C 51.90 BVerwGE 90, 287- VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 28.04.1989 - 6 S 1 971/88 -). Ist die Behörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, so unterliegt die Verwaltungsentscheidung nur einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle gemäß § 114 S. 1 VwGO. Danach prüft das Gericht nur, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist, insbesondere ob die Behörde in ihre Ermessenserwägungen alle wesentlichen, den Streit zwischen den Beteiligten kennzeichnenden Gesichtspunkte eingestellt hat und ob sie dabei von einem richtigen und vollständigen Sachverhalt ausgegangen ist (VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 09.05.1994 - 7 S 2294192 -). Die Ermessensentscheidung ist danach fehlerhaft, wenn die Behörde Umstände außer Betracht lässt, die zu berücksichtigen wären (vgl. hierzu und im weiteren auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 04.03.1998 - 9 S 1 637197 -).
22 
Bei Ausübung ihres Ermessens hat sich die Behörde am Zweck des ermächtigenden Gesetzes zu orientieren. Nach der programmatischen Neuausrichtung des Schwerbehindertenrechts in § 1 SGB IX tritt an die Stelle der Fürsorge die Förderung der selbstbestimmten und gleichberechtigten Teilhabe am Arbeitsleben; deshalb hat das Integrationsamt zu prüfen, ob der Arbeitgeber im Rahmen des ihm Möglichen und Zumutbaren dem Anspruch des schwerbehinderten Menschen auf eine seinen Fähigkeiten gerecht werdenden Beschäftigung Rechnung trägt (vgl. Urteil der Kammer vom 19.07.2004, - 8 K 3370103, - unter Bezugnahme auf Dau, Düwell, Haines (Hrsg.), Lehr- und Praxiskommentar LPK - SGB IX, 2002, Anm. 7 und 9 zu § 89). Schon nach dem bisherigen Recht war anerkannt, dass durch die Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen (nur) die Nachteile des Schwerbehinderten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeglichen werden sollen. Auch der Zweck des § 85 SGB IX geht deshalb dahin, die Schwerbehinderten vor den besonderen Gefahren, denen sie wegen der Behinderung auf dem Arbeitsmarkt ausgesetzt sind, zu bewahren und sicherzustellen, dass sie gegenüber den gesunden Arbeitnehmern nicht ins Hintertreffen geraten. Dieser Aspekt hat auch die Leitlinie bei der Ermessensentscheidung zu sein, ob der Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Schwerbehinderten zuzustimmen ist. Diese Entscheidung erfordert deshalb eine Abwägung des Interesses des Arbeitgebers an der Erhaltung seiner Gestaltungsmöglichkeiten gegen das Interesse des schwerbehinderten Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes. Damit werden die Grenzen dessen bestimmt, was zur Verwirklichung des dem Schwerbehinderten gebührenden weitgehenden Teilhabeanspruchs dem Arbeitgeber zugemutet werden darf (BVerwG, Urteil vom 02.07.1992 - 5 C 51.90 BVerwGE 90, 287, 292 f. m. w. N. zum SchwbG).
23 
Bei seiner Ermessensentscheidung muss das Integrationsamt allerdings nur solche Umstände berücksichtigen, die sich ihm bei vernünftiger Überlegung aufdrängen oder auf die es durch die Beteiligten hingewiesen wird, nicht aber auch solche denkbaren weiteren Umstände, die den persönlichen Lebensbereich des Schwerbehinderten berühren, von ihm aber im Verwaltungsverfahren nicht geltend gemacht werden (BVerwG, Beschluss vom 22.11.1994 - 5 B 16.94 -, Buchholz 436.61 § 85 SGB IX Nr. 8; Beschluss vom 23.09.1997 - 9 S 1635196).
24 
Haben die zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses führenden Gründe in der Behinderung selbst ihre Ursache, stellt der Schwerbehindertenschutz besondere Anforderungen an die bei der Interessenabwägung immer zu berücksichtigende Zumutbarkeitsgrenze beim Arbeitgeber, um den im Schwerbehindertenrecht zum Ausdruck kommenden Schutzgedanken der Rehabilitation verwirklichen zu können. Dies kann im Einzelfall dazu führen, dass das Interesse des Arbeitgebers an der Vermeidung aller Störungen des betrieblichen Ablaufs in zumutbarer Weise zurücktreten muss (BVerwG, Urteil vom 27.10.1971 V C 78.70 -, BVerwGE 39, 36 <38>-, Beschluss vom 18.09.1989 - 5 B 100.89 Buchholz 436.61 § 15 SchwbG 1986 Nr. 2 und Beschluss vom 16.06.1990 - 5 B 1 27.89 -, Buchholz a.a.0. Nr. 3).
25 
Anders verhält es sich grundsätzlich bei betriebsbedingten Kündigungen. In solchen Fällen wird nicht der schwerbehinderte Mensch in seiner durch das körperliche Leiden bedingten Stellung im Wirtschaftsleben berührt, sondern geht es regelmäßig um die allgemeinen sozialen Interessen des einzelnen Schwerbehinderten als Arbeitnehmer. Nach der Rechtsprechung des BVerwG ist der besondere Schutz des § 85 SGB IX dem schwerbehinderten Menschen zusätzlich zum allgemeinen arbeitsrechtlichen Schutz gegeben. Das bedeutet, dass der schwerbehinderte Mensch, wenn das Integrationsamt der Kündigung zugestimmt hat, noch den Schutz des Kündigungsschutzgesetzes in Anspruch nehmen und eine arbeitsgerichtliche Nachprüfung herbeiführen kann, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt im Sinne dieses Gesetzes ist. Das Integrationsamt hat deshalb nicht gleichsam parallel zum Arbeitsgericht über die Frage der Sozialwidrigkeit der Kündigung zu befinden. Bei der Entscheidung, ob die Zustimmung erteilt oder versagt werden soll, können vielmehr nur Erwägungen eine Rolle spielen, die sich speziell aus der Schwerbehindertenfürsorge herleiten (vgl. Urteil vom 02.07.1992, BVerwGE 90, 287 ff mit weiteren Nachweisen).
26 
Dabei kommt es in den Fällen wie hier für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblich auf den Zeitpunkt des Ausgangsbescheids an (vgl. VGH Baden-Württemberg Urteil vom 05.08.96, - 7 S 3383194 - unter Hinweis auf BVerwG, Buchholz 436. 61 § 12 SchwbG Nr. 3), der die Grundlage für die dann erklärte Kündigung war. Die seither eingetretenen oder bekannt gewordenen Umstände können daher die Rechtmäßigkeit der erteilten Zustimmung nicht mehr berühren.
27 
Die formellen und materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der Zustimmung lagen hier vor.
28 
Damit war das Ermessen eröffnet. Eine unbedingte Bindung des Ermessens im Sinne der Sollensregelung des § 89 Abs. 3 SGB IX besteht, worüber die Beteiligten nicht streiten, im vorliegenden Fall nicht. Zwar ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen des früheren Arbeitgebers des Klägers eröffnet worden, jedoch fehlt es an den Voraussetzungen nach Ziff. 4 der Vorschrift, wie der Vertreter der Beigeladenen gegenüber dem Beklagten im Verwaltungsverfahren mit Schreiben vom 01.06.2004 ausführlich dargelegt hatte.
29 
Der Beklagte hat aber von dem ihm eingeräumten Ermessen nicht fehlerfrei Gebrauch gemacht. Er ist, worauf der Kläger zutreffend hat hinweisen lassen, zu Unrecht davon ausgegangen, dass er die der Kündigung zugrunde liegende Sozialauswahl nicht in seine Ermessenserwägungen einzustellen brauchte.
30 
Zwar hat das Integrationsamt, wie bereits ausführlich dargelegt, grundsätzlich nicht über die Sozialwidrigkeit der Kündigung zu befinden. Es hat aber sehr wohl zu prüfen, ob die vom Arbeitgeber vorgenommene Sozialauswahl unter schwerbehindertenrechtlichen Gesichtspunkten nicht sachwidrig betrieben worden ist, also die spezifisch aus dem Anspruch schwerbehinderter Menschen auf Förderung und Teilhabe am Arbeitsleben herrührenden Gesichtspunkte in die Auswahl eingeflossen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.11.1999, BVerwGE 110, 67 ff mit weiteren Nachweisen). Deshalb ist es ausnahmsweise auch zulässig, in Fällen betriebsbedingter Kündigung die Versagung der Zustimmung darauf zu stützen, dass diese in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht offensichtlich unwirksam wäre (vgl. Dau/Düwell/ Hains, Lehr- und Praxiskommentar SGB IX, Anm. 5 zu § 89; BVerwG, Urteil vom 02.07.1992, aaO.).
31 
Vorliegend leidet die Ermessensbetätigung des Beklagten daran, dass er die nach diesen Grundsätzen von ihm zu berücksichtigende offensichtliche Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl nicht eingestellt hat. Offensichtlich fehlerhaft ist die dem Zustimmungsantrag zugrunde gelegte Sozialauswahl vorliegend deshalb, weil sie die Gruppe der den schwerbehinderten Menschen Gleichgestellten völlig unberücksichtigt gelassen hat. Im Interessenausgleich zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Gesamtbetriebsrat vom 21.04.2004 wurden als Auswahlrichtlinien für die Sozialauswahl u.a. die "Schwerbehinderung ab einem Grad der Behinderung von 50 mit 5 Punkten, sowie je weiteren 10 Grad einen weiteren Punkt" festgelegt (vgl. § 4 2. (5) der Vereinbarung). Mit dieser Festlegung wurde allerdings die Benachteiligung von behinderten Menschen, die keinen GdB von mindestens 50 aufweisen, außer acht gelassen. Dies führte zu einem Ausschluss der Berücksichtigung der behinderungsbedingten Nachteile bei der Sozialauswahl für die gesamte Gruppe der Gleichgestellten im Sinne de § 2 Abs. 3 SGB IX , die schon von Gesetzes wegen sämtlich keinen GdB von 50 aufweisen können.
32 
Es handelt sich auch um einen unter dem Gesichtpunkt der Teilhabe behinderter Menschen relevante und damit vom Beklagten zu berücksichtigenden Umstand. Die unterlassene Berücksichtigung der Personen im Sinne des § 2 Abs. 3 SGB IX steht in direktem Widerspruch zu den relevanten Zielsetzungen des SGB IX. Denn die Gleichstellung soll dem Betreffenden einen Anspruch auf Wahrung der Chancengleichheit im Arbeitsleben vermitteln, den er benötigt, weil er infolge seiner Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX nicht erlangen oder nicht beibehalten kann (vgl. § 2 Abs. 3 SGB IX). Deshalb findet - wie ausgeführt - u.a. auch der besondere öffentlich-rechtliche Kündigungsschutz auf Gleichgestellte wie auf Scherbehinderte Anwendung. Es ist deshalb Aufgabe der Integrationsämter, darauf zu achten, dass nicht nur die schwerbehinderten Menschen, sondern auch Personen, die ihnen gleichgestellt sind, diesen besonderen öffentlich-rechtlichen Kündigungsschutz erfahren.
33 
Der Beklagte hat diesen Umstand nicht in seine Ermessenserwägungen eingestellt und es bestehen auch keine Hinweise darauf, dass er sich dessen überhaupt bewusst war. Dieses Defizit beinhaltet zugleich auch einen Aufklärungsmangel. Denn der Beklagte hätte in Kenntnis der Bedeutung der genannten Regelung in dem vereinbarten Interessenausgleich Feststellungen treffen müssen, ob und ggfs. wie sich eine etwa an die Gewichtung der Schwerbehinderung anlehnende Berücksichtigung der Gleichstellung auf die Sozialauswahl zulasten des Klägers ausgewirkt hätte (zum Umfang der Amtsermittlungspflicht vgl. BVerwG, Urteil vom 02.07.1992, aaO.).
34 
Schließlich kann keinesfalls ausgeschlossen werden, dass die Ermessensentscheidung des Beklagten bei entsprechender Sachkenntnis anders ausgefallen wäre. Unter arbeitsrechtlichen Gesichtpunkten führt eine fehlerhafte Sozialauswahl nur dann ausnahmsweise nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung, wenn der Arbeitnehmer auch bei einer zutreffenden Sozialauswahl zweifelsfrei als sozial stärkerer Arbeitnehmer zur Kündigung angestanden hätte (vgl. Becker u.a., Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz, 6.A., § 1 KSchG, Anm. 632 mit weiteren Nachweisen). Die muss im Rahmen der Ermessensbetätigung nach § 85 SGB IX auch Berücksichtigung finden, wenn diese ausnahmsweise die Sozialauswahl in die Erwägungen einstellen muss.
35 
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 und § 154 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladene keinen Klage(-abweisungs) antrag gestellt und somit kein Kostenrisiko auf sich genommen hat, trägt sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst (§ 162 Abs. 3 VwGO. - Gemäß § 188 S. 2 ist das Verfahren gerichtskostenfrei.

(1) Kommt zwischen Unternehmer und Betriebsrat ein Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung zustande, so ist dieser schriftlich niederzulegen und vom Unternehmer und Betriebsrat zu unterschreiben; § 77 Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend. Das Gleiche gilt für eine Einigung über den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen (Sozialplan). Der Sozialplan hat die Wirkung einer Betriebsvereinbarung. § 77 Abs. 3 ist auf den Sozialplan nicht anzuwenden.

(2) Kommt ein Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung oder eine Einigung über den Sozialplan nicht zustande, so können der Unternehmer oder der Betriebsrat den Vorstand der Bundesagentur für Arbeit um Vermittlung ersuchen, der Vorstand kann die Aufgabe auf andere Bedienstete der Bundesagentur für Arbeit übertragen. Erfolgt kein Vermittlungsersuchen oder bleibt der Vermittlungsversuch ergebnislos, so können der Unternehmer oder der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen. Auf Ersuchen des Vorsitzenden der Einigungsstelle nimmt ein Mitglied des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit oder ein vom Vorstand der Bundesagentur für Arbeit benannter Bediensteter der Bundesagentur für Arbeit an der Verhandlung teil.

(3) Unternehmer und Betriebsrat sollen der Einigungsstelle Vorschläge zur Beilegung der Meinungsverschiedenheiten über den Interessenausgleich und den Sozialplan machen. Die Einigungsstelle hat eine Einigung der Parteien zu versuchen. Kommt eine Einigung zustande, so ist sie schriftlich niederzulegen und von den Parteien und vom Vorsitzenden zu unterschreiben.

(4) Kommt eine Einigung über den Sozialplan nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle über die Aufstellung eines Sozialplans. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

(5) Die Einigungsstelle hat bei ihrer Entscheidung nach Absatz 4 sowohl die sozialen Belange der betroffenen Arbeitnehmer zu berücksichtigen als auch auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit ihrer Entscheidung für das Unternehmen zu achten. Dabei hat die Einigungsstelle sich im Rahmen billigen Ermessens insbesondere von folgenden Grundsätzen leiten zu lassen:

1.
Sie soll beim Ausgleich oder bei der Milderung wirtschaftlicher Nachteile, insbesondere durch Einkommensminderung, Wegfall von Sonderleistungen oder Verlust von Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung, Umzugskosten oder erhöhte Fahrtkosten, Leistungen vorsehen, die in der Regel den Gegebenheiten des Einzelfalles Rechnung tragen.
2.
Sie hat die Aussichten der betroffenen Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt zu berücksichtigen. Sie soll Arbeitnehmer von Leistungen ausschließen, die in einem zumutbaren Arbeitsverhältnis im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens oder eines zum Konzern gehörenden Unternehmens weiterbeschäftigt werden können und die Weiterbeschäftigung ablehnen; die mögliche Weiterbeschäftigung an einem anderen Ort begründet für sich allein nicht die Unzumutbarkeit.
2a.
Sie soll insbesondere die im Dritten Buch des Sozialgesetzbuches vorgesehenen Förderungsmöglichkeiten zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit berücksichtigen.
3.
Sie hat bei der Bemessung des Gesamtbetrages der Sozialplanleistungen darauf zu achten, dass der Fortbestand des Unternehmens oder die nach Durchführung der Betriebsänderung verbleibenden Arbeitsplätze nicht gefährdet werden.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

Werden Menschen mit Behinderungen in ihren Rechten nach diesem Buch verletzt, können an ihrer Stelle und mit ihrem Einverständnis Verbände klagen, die nach ihrer Satzung Menschen mit Behinderungen auf Bundes- oder Landesebene vertreten und nicht selbst am Prozess beteiligt sind. In diesem Fall müssen alle Verfahrensvoraussetzungen wie bei einem Rechtsschutzersuchen durch den Menschen mit Behinderungen selbst vorliegen.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

Menschen mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohte Menschen erhalten Leistungen nach diesem Buch und den für die Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen, um ihre Selbstbestimmung und ihre volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken. Dabei wird den besonderen Bedürfnissen von Frauen und Kindern mit Behinderungen und von Behinderung bedrohter Frauen und Kinder sowie Menschen mit seelischen Behinderungen oder von einer solchen Behinderung bedrohter Menschen Rechnung getragen.

Werden Menschen mit Behinderungen in ihren Rechten nach diesem Buch verletzt, können an ihrer Stelle und mit ihrem Einverständnis Verbände klagen, die nach ihrer Satzung Menschen mit Behinderungen auf Bundes- oder Landesebene vertreten und nicht selbst am Prozess beteiligt sind. In diesem Fall müssen alle Verfahrensvoraussetzungen wie bei einem Rechtsschutzersuchen durch den Menschen mit Behinderungen selbst vorliegen.

Tatbestand

1

Gegenstand des Verfahrens ist die Rechtmäßigkeit der Zustimmung des Beklagten zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses zwischen der Beigeladenen und dem Kläger.

2

Der im November 1954 geborene Kläger ist seit April 1985 bei der Beigeladenen beschäftigt. Zuletzt war er als Erdbaugeräteführer im Tagebau eingesetzt. Auf seinen Antrag hin erkannte die Versorgungsverwaltung mit Bescheid vom 25. Mai 1994 wegen der "Krohn'schen Erkrankung" und Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule und Hüftgelenke auf einen Grad der Behinderung von 60.

3

Am 4. Mai 2008 nahm der Kläger gelegentlich einer Fahrradtour einen neben einem Feldweg abgestellten Bagger der Beklagten wahr, dessen Kraftstofftank nicht mit einem Schloss gesichert war. In den späten Abendstunden des gleichen Tages fuhr er mit seinem PKW zu dem Bagger, deckte den Heckbereich seines PKW mit einer Decke ab und leitete aus dem unverschlossenen Tank des Baggers ca. 80 l Dieselkraftstoff in von ihm mitgeführte Kanister ab.

4

Wegen dieses Vergehens beantragte die Beigeladene am 8. Mai 2008 bei dem Beklagten die Zustimmung zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger. Mit Bescheid vom 23. Mai 2008 stellte der Beklagte fest, dass die Zustimmung zu der außerordentlichen Kündigung als erteilt gelte. Daraufhin kündigte die Beigeladene mit dem Kläger am 26. Mai 2008 zugegangenem Schreiben vom Vortag das Arbeitsverhältnis fristlos. Mit Bescheid vom 3. März 2009 erkannte die Versorgungsverwaltung in Bezug auf dessen Person rückwirkend auf den Zeitpunkt der Antragstellung, dem 2. Oktober 2008, auf einen Grad der Behinderung von 100. Als Beeinträchtigungen stellte sie eine Depression, eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung (Morbus Crohn) und Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule und Hüftgelenke fest.

5

Das Verwaltungsgericht hat der nach erfolglosem Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 23. Mai 2008 erhobenen Anfechtungsklage stattgegeben. Der angefochtene Bescheid sei aufzuheben, da ein mittelbarer Zusammenhang zwischen dem Kündigungsgrund und der Behinderung nicht ausgeschlossen werden könne; der Beklagte trage insoweit die Feststellungslast.

6

Auf die Kündigungsschutzklage des Klägers hat das Arbeitsgericht festgestellt, das Arbeitsverhältnis der Parteien sei durch die Kündigung der Beigeladenen nicht aufgelöst worden. Deren Berufung hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Beide Gerichte haben ihre Entscheidung allein auf die verwaltungsgerichtliche Aufhebung der Zustimmung des Beklagten gestützt.

7

Das Berufungsgericht hat das verwaltungsgerichtliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Die fingierte Zustimmung des Beklagten zur außerordentlichen Kündigung sei rechtmäßig. Das behördliche Ermessen sei gebunden gewesen. In den Fällen einer verhaltensbedingten Kündigung sei ein Zusammenhang zwischen der Behinderung und dem Kündigungsgrund erst gegeben, wenn die jeweilige Behinderung unmittelbar oder mittelbar zu Defiziten in der Einsichtsfähigkeit und/oder Verhaltenssteuerung des schwerbehinderten Arbeitnehmers geführt habe, denen behinderungsbedingt nicht habe entgegengewirkt werden können, und wenn das einer Kündigung aus wichtigem Grund zugrunde liegende Verhalten des schwerbehinderten Arbeitnehmers gerade auf diese behinderungsbedingte, mangelhafte Verhaltenssteuerung zurückzuführen sei. Das Verhalten des schwerbehinderten Menschen müsse sich dafür zumindest zwanglos aus der Behinderung ergeben und der Zusammenhang dürfe nicht nur ein entfernter sein. Solcher Art zwanglos ergebe sich die von dem Kläger begangene Diebstahlstat weder aus dem Morbus Crohn noch aus den Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule und Hüftgelenke, die der Feststellung eines Grades der Behinderung von 60 zugrunde gelegen hätten. Maßgeblich seien grundsätzlich nur die Beeinträchtigungen, die der im Bescheid der Versorgungsverwaltung getroffenen Feststellung der Behinderung bzw. deren Grades zugrunde liegen. Das ergebe sich aus Existenz und Funktion des versorgungsbehördlichen Feststellungsverfahrens. Es sei nicht Aufgabe des Integrationsamtes, in diese Feststellungen einer Behinderung durch die Versorgungsverwaltung nicht eingeflossene Erkrankungen auf einen Zusammenhang mit dem Kündigungsgrund zu untersuchen. Dahinstehen könne, ob sich aus der der Festsetzung eines Grades der Behinderung von 100 zugrunde liegenden Depression das Verhalten des Klägers zwanglos ergebe, da diese Feststellung zwar rückwirkend, jedoch erst mit Wirkung ab dem 2. Oktober 2008 und damit für einen auf das Verhalten des Klägers folgenden Zeitraum ausgesprochen worden sei.

8

Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, das Berufungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, die fingierte Zustimmung zur Kündigung sei rechtmäßig. Die behördliche Ermessensentscheidung gründe auf einer unzureichend ermittelten Tatsachengrundlage. Ein mittelbarer Zusammenhang zwischen der ihm vorgeworfenen Pflichtverletzung und der Behinderung könne zumindest nicht ausgeschlossen werden. Ein solcher sei wenn nicht in Bezug auf den Morbus Crohn, dessen Folge oftmals psychische Erkrankungen seien, so doch in Bezug auf eine zusätzliche, im maßgeblichen Zeitpunkt noch nicht förmlich anerkannte seelische Behinderung anzunehmen. Es könne hierbei nicht darauf ankommen, ob sämtliche Folgen der Schwerbehinderung bereits durch Bescheid festgestellt worden seien. Der Beklagte sei verpflichtet gewesen aufzuklären, ob zwischen der psychischen Beeinträchtigung und dem Kündigungsgrund ein Zusammenhang bestanden habe.

9

Der Beklagte und die Beigeladene verteidigen das Urteil des Berufungsgerichts.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Der angefochtene Beschluss verletzt nicht Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Ohne Rechtsfehler ist das Berufungsgericht von der Zulässigkeit der Klage ausgegangen (1.). Mit Bundesrecht im Einklang steht zudem die Annahme, die Zustimmung der Beklagten zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers mit der Beigeladenen sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten (2.).

11

1. Die Klage ist als Anfechtungsklage statthaft (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) (a). Der Kläger verfügt über das erforderliche Rechtsschutzinteresse (b).

12

a) Sein Rechtsschutz richtet sich nach den für die Anfechtung von Verwaltungsakten geltenden Vorschriften. Gemäß § 91 Abs. 3 Satz 1 des Neunten Buchs Sozialgesetzbuch (Art. 1 des Gesetzes vom 19. Juni 2001, BGBl I S. 1046), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. Dezember 2007 (BGBl I S. 2984), - SGB IX - trifft das Integrationsamt die Entscheidung über die Zustimmung zu der außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses innerhalb von zwei Wochen vom Tage des Eingangs des Antrages an. Wird innerhalb dieser Frist eine Entscheidung nicht getroffen, gilt die Zustimmung gemäß § 91 Abs. 3 Satz 2 SGB IX als erteilt. Der Surrogatscharakter der Zustimmungsfiktion führt zur Anwendung sämtlicher Vorschriften und Grundsätze, die maßgebend wären, wenn das Integrationsamt die Zustimmung ausdrücklich erteilt hätte (Urteile vom 15. Dezember 1988 - BVerwG 5 C 67.85 - BVerwGE 81, 84 <90 f.> = Buchholz 436.61 § 18 SchwbG Nr. 2 S. 4 f. und vom 10. September 1992 - BVerwG 5 C 39.88 - BVerwGE 91, 7 <10> = Buchholz 436.61 § 18 SchwbG Nr. 5 S. 14 m.w.N.).

13

b) Der Kläger hat ein schutzwürdiges Interesse an einer Sachentscheidung des Gerichts, weil im Fall der Erfolglosigkeit der Revision die Beigeladene Restitutionsklage nach § 79 ArbGG i.V.m. § 580 Nr. 6 ZPO mit dem Ziel der Abweisung der Kündigungsschutzklage des Klägers erheben könnte (vgl. BAG, Urteile vom 25. November 1980 - 6 AZR 210/80 - BAGE 34, 275 <277> und vom 17. Juni 1998 - 2 AZR 519/97 - juris Rn. 15).

14

2. Gemäß § 85 SGB IX bedarf die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes. Nach § 91 Abs. 4 SGB IX soll das Integrationsamt die Zustimmung erteilen, wenn die Kündigung aus einem Grunde erfolgt, der nicht im Zusammenhang mit der Behinderung steht. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Zustimmungsentscheidung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Zugangs der arbeitgeberseitigen Kündigung des Arbeitsverhältnisses bei dem schwerbehinderten Menschen, der hier am 26. Mai 2008 erfolgte (vgl. Beschlüsse vom 7. März 1991 - BVerwG 5 B 114.89 - Buchholz 436.61 § 12 SchwbG Nr. 3 S. 2 und vom 22. Januar 1993 - BVerwG 5 B 80.92 - Buchholz 436.61 § 15 SchwbG 1986 Nr. 7 S. 18).

15

Das Berufungsgericht ist bei seiner Entscheidung von einem mit Bundesrecht in Einklang stehenden Prüfungsmaßstab ausgegangen (a). Seine auf der Grundlage dieses Maßstabs getroffene Sachverhaltswürdigung ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden (b).

16

a) Ohne Verstoß gegen Bundesrecht nimmt das Berufungsgericht an, für die Entscheidung, ob der Kündigungsgrund im Zusammenhang mit der Behinderung stehe, sei von dem Kündigungsgrund, den der Arbeitgeber angegeben hat, (aa) und von den der Behinderung zugrunde liegenden Beeinträchtigungen (bb) auszugehen. Keinen Bedenken begegnet die weitere Annahme, ein solcher Zusammenhang sei in den Fällen einer verhaltensbedingten Kündigung gegeben, wenn sich das Verhalten des schwerbehinderten Arbeitnehmers zwanglos aus der Behinderung ergebe und der Zusammenhang nicht nur ein entfernter sei (cc).

17

aa) Maßgeblich für die Entscheidung, ob der Kündigungsgrund im Zusammenhang mit der Behinderung steht, ist der von dem Arbeitgeber geltend gemachte Kündigungsgrund.

18

Die Kündigung muss auf bestimmte, nachprüfbare und sozial zu würdigende Gründe gestützt werden (§ 1 Abs. 2 des Kündigungsschutzgesetzes - KSchG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. August 1969 , zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 26. März 2008 ). Arbeitsrechtlich ist der der Kündigung zugrunde liegende Sachverhalt auf die von dem Arbeitgeber vorgegebenen Kündigungsgründe und den dahinterstehenden Lebenssachverhalt eingegrenzt. Die Zustimmung des Integrationsamtes zu dieser Kündigung ist öffentlich-rechtliche Voraussetzung für deren Wirksamkeit. Dies setzt zwingend voraus, dass der Gegenstand der öffentlich-rechtlichen Prüfung demjenigen der arbeitsrechtlichen Prüfung entspricht (Urteil vom 2. Juli 1992 - BVerwG 5 C 39.90 - BVerwGE 90, 275 <281> = Buchholz 436.61 § 21 SchwbG 1986 Nr. 3 S. 8; Beschlüsse vom 7. März 1991 a.a.O. S. 2 f. und vom 18. September 1996 - BVerwG 5 B 109.96 - Buchholz 436.61 § 21 SchwbG Nr. 8 S. 3).

19

bb) Für die Beurteilung des Bestehens eines Zusammenhangs im Sinne des § 91 Abs. 4 SGB IX sind dem Kündigungsgrund die der Behinderung zugrunde liegenden Beeinträchtigungen gegenüberzustellen. Dabei ist grundsätzlich von der in dem Verfahren nach § 69 SGB IX nachgewiesenen Behinderung auszugehen (1). Einzubeziehen ist darüber hinaus eine Behinderung, hinsichtlich derer eine versorgungsbehördliche Feststellung trotz Antragstellung ohne Vertretenmüssen des Antragstellers noch nicht getroffen ist. Gleiches gilt für eine offenkundige Behinderung (2).

20

(1) Die §§ 85 ff. SGB IX knüpfen den öffentlich-rechtlichen Sonderkündigungsschutz schwerbehinderter Menschen allein an das Bestehen der Schwerbehinderteneigenschaft. Diese gründet auf der Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 und 2 SGB IX. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach § 2 Abs. 2 SGB IX sind sie schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben. Für die Frage, ob ein Mensch diese Voraussetzungen erfüllt, bedarf es keiner behördlichen Anerkennung (Urteile vom 17. September 1981 - BVerwG 2 C 4.79 - Buchholz 232 § 32 BBG Nr. 29 S. 5 und vom 11. Juli 1985 - BVerwG 7 C 44.83 - BVerwGE 72, 8 <9 f.> = Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 11 S. 14; BAG, Urteil vom 25. Mai 1972 - 2 AZR 302/71 - BAGE 24, 264 <266>). Der Status als schwerbehinderter Mensch beginnt grundsätzlich im Zeitpunkt der Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen (stRspr, vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2001 - B 9 SB 3/01 R - BSGE 89, 79 <81> m.w.N.).

21

Der Schutz des Schwerbehindertenrechts greift nicht von Amts wegen, sondern erst dann ein, wenn der schwerbehinderte Mensch ihn in Anspruch nimmt. Grundsätzlich obliegt es ihm, den Nachweis seiner Schwerbehinderteneigenschaft durch eine behördliche Feststellung zu führen. Die Befugnis, die Statusfeststellung zu beantragen, ist allein dem schwerbehinderten Menschen vorbehalten. Mit der Beschreitung des in § 69 SGB IX vorgesehen Feststellungsverfahrens gibt der schwerbehinderte Mensch zu erkennen, dass er sich auf die gesetzlichen Schutzrechte berufen will (Urteile vom 17. September 1981 a.a.O. und vom 15. Dezember 1988 - BVerwG 5 C 67.85 - BVerwGE 81, 84 <86 f.> = Buchholz 436.61 § 18 SchwbG Nr. 2 S. 3; BSG, Urteile vom 6. Dezember 1989 - 9 RVs 4/89 - BSGE 66, 120 <123 f.> und vom 7. April 2011 - B 9 SB 3/10 R - SozR 4-3250 § 69 Nr. 13 = juris Rn. 20). Die in diesem Verfahren von den zuständigen Behörden getroffenen Statusentscheidungen nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX über das Vorliegen und den Grad einer Behinderung sowie über weitere gesundheitliche Merkmale im Sinne des § 69 Abs. 4 SGB IX sind für andere Behörden bei der Prüfung inhaltsgleicher Tatbestandsvoraussetzungen für die Gewährung von Vergünstigungen und Nachteilsausgleichen bindend (vgl. Urteile vom 17. Dezember 1982 - BVerwG 7 C 11.81 - BVerwGE 66, 315 <319 ff.> = Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 8 S. 7 ff., vom 11. Juli 1985 a.a.O. S. 13 f. und vom 27. Februar 1992 - BVerwG 5 C 48.88 - BVerwGE 90, 65 <69 f.> m.w.N. aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und des Bundesfinanzhofs). Von dieser Bindungswirkung nicht erfasst sind hingegen die den Feststellungen zugrunde liegenden Beeinträchtigungen, die in der Begründung des entsprechenden Bescheids darzulegen sind (BSG, Urteile vom 6. Dezember 1989 - 9 RVs 3/89 - juris Rn. 13, vom 5. Mai 1993 - 9/9a RVs 2/92 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 5 S. 26 f. und vom 28. April 1999 - B 9 SB 5/98 R - SozR 3-1300 § 24 Nr. 15 S. 44). Diese Beeinträchtigungen sind aber maßgeblich für die Beantwortung der Frage, ob im Sinne des § 91 Abs. 4 SGB IX ein Zusammenhang zwischen dem Kündigungsgrund und der Behinderung auszuschließen ist. Dies folgt insbesondere aus dem systematischen Verhältnis zwischen dem Verfahren der Statusfeststellung nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX und dem besonderen Kündigungsschutz für Schwerbehinderte.

22

Ob der in Rede stehende Zusammenhang nicht besteht, erschließt sich nicht aus dem Verhältnis des (konkreten) Kündigungsgrundes zu der Statusfeststellung über das Vorliegen einer unbenannten Behinderung nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Abzustellen ist vielmehr auf eine konkrete Beeinträchtigung. Da der besondere Kündigungsschutz in der Regel die Feststellung des Vorliegens einer Behinderung voraussetzt, ist aus systematischen Gründen die Beeinträchtigung maßgeblich, die dieser auch für das Integrationsamt mit Blick auf den Sonderkündigungsschutz bindenden Feststellung zugrunde liegt. Die hiermit einhergehende Eingrenzung des Kreises der für die Zusammenhangsbeurteilung zu berücksichtigenden Beeinträchtigungen gewährleistet für den Regelfall die Symmetrie der Prüfungsgegenstände des Feststellungsverfahrens einerseits und des Zustimmungsverfahren andererseits und vermeidet, dass im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Sonderkündigungsschutzes Beeinträchtigungen zu berücksichtigen sind, deren Nachweis nicht zuvor in dem hierfür vorgesehenen Verfahren nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX geführt wurde.

23

Die grundsätzliche Beschränkung der Zusammenhangsprüfung auf die der festgestellten Behinderung zugrunde liegenden Beeinträchtigungen korreliert mit der gesetzgeberischen Konzeption, dem Interesse insbesondere des Arbeitgebers an einer schnellen Klärung der Rechtslage Rechnung zu tragen (BTDrucks 7/656 S. 30). Ausdruck des Beschleunigungsgebotes ist sowohl die zweiwöchige Entscheidungsfrist des § 91 Abs. 3 Satz 1 SGB IX als auch die Zustimmungsfiktion des § 91 Abs. 3 Satz 2 SGB IX. Diesem gesetzgeberischen Ziel liefe es zuwider, wenn das Integrationsamt gemäß § 91 Abs. 4 SGB IX im Regelfall verpflichtet wäre, die zeitlich eng begrenzte Prüfung des Zusammenhangs grundsätzlich auch auf solche Beeinträchtigungen zu erstrecken, die bislang nicht Grundlage einer Feststellung im Verfahren des § 69 SGB IX waren. Dagegen spricht auch, dass der Gesetzgeber die Statusfeststellungen nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX aus Gründen der besonderen Sachkunde bei der dafür zuständigen Behörde konzentriert hat (vgl. Urteile vom 17. Dezember 1982 a.a.O. <319> und vom 15. Dezember 1988 a.a.O. <89>).

24

Sinn und Zweck des § 91 Abs. 4 SGB IX und des Sonderkündigungsschutzes insgesamt laufen der Beschränkung auf die der festgestellten Behinderung zugrunde liegenden Beeinträchtigung nicht zuwider. Die gesetzliche Regel, dass die Zustimmung zu erteilen ist, wenn die Kündigung aus einem Grunde erfolgt, der nicht im Zusammenhang mit der Behinderung steht, ist Ausdruck des Umstands, dass der öffentlich-rechtliche Sonderkündigungsschutz nicht darauf zielt, den schwerbehinderten Menschen gegenüber nichtbehinderten Menschen besserzustellen, sondern allein bezweckt, diesen vor spezifisch behinderungsbedingten Gefahren zu bewahren und sicherzustellen, dass er gegenüber gesunden Arbeitnehmern nicht ins Hintertreffen gerät. Diese fürsorgerische Prägung hat grundsätzlich Leitlinie bei der Ermessensentscheidung des Integrationsamtes zu sein, ob der Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen zuzustimmen ist (vgl. Urteile vom 28. Februar 1968 - BVerwG 5 C 33.66 - BVerwGE 29, 140 <141> = Buchholz 436.6 § 14 SchwbG Nr. 5 S. 19, vom 15. Dezember 1988 - BVerwG 5 C 67.85 - BVerwGE 81, 84 <89> = Buchholz 436.61 § 18 SchwbG Nr. 2 S. 6, vom 2. Juli 1992 - BVerwG 5 C 39.90 - BVerwGE 90, 275 <282> = Buchholz 436.61 § 21 SchwbG 1986 Nr. 3 S. 9 f. und vom 10. September 1992 - BVerwG 5 C 39.88 - BVerwGE 91, 7 <9 f.> = Buchholz 436.61 § 18 SchwbG Nr. 5 S. 14 und - BVerwG 5 C 80.88 - Buchholz 436.61 § 18 SchwbG Nr. 6 S. 23, Beschlüsse vom 12. Juni 1978 - BVerwG 5 B 79.77 - Buchholz 436.6 § 33 SchwbG Nr. 9 S. 8, vom 11. Mai 2006 - BVerwG 5 B 24.06 - BR 2007, 107 und vom 31. Juli 2007 - BVerwG 5 B 81.06 - juris Rn. 5). Des besonderen Kündigungsschutzes bedarf es typischerweise nicht, wenn ein Zusammenhang zwischen dem Kündigungsgrund und der Behinderung ausgeschlossen ist. Daran gemessen wahrt die hier in Rede stehende Beschränkung auf die der festgestellten Behinderung zugrunde liegende Beeinträchtigung die von Sinn und Zweck des § 91 Abs. 4 SGB IX und des Sonderkündigungsschutzes gezogene Grenze.

25

(2) Der festgestellten Behinderung steht diejenige Behinderung gleich, hinsichtlich derer eine Feststellung trotz Antragstellung ohne Vertretenmüssen des Antragstellers noch nicht getroffen wurde. Der Erbringung des Nachweises der Behinderung im Wege behördlicher Feststellung bedarf es zudem ausnahmsweise nicht, wenn diese entbehrlich ist, weil sie sich gleichsam aufdrängt. Dies ist der Fall, wenn die Schwerbehinderung im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung offensichtlich ist (BTDrucks 15/2357 S. 24; vgl. Urteil vom 15. Dezember 1988 - BVerwG 5 C 67.85 a.a.O.; BAG, Urteile vom 27. Februar 1987- 7 AZR 632/85 - NZA 1988, 429 <430>, vom 28. Juni 1995 - 7 AZR 555/94 - NZA 1996, 374 <376>, vom 7. März 2002 - 2 AZR 612/00 - BAGE 100, 355 <361>, vom 24. November 2005 - 2 AZR 514/04 - NZA 2006, 665 <667> und vom 13. Februar 2008 - 2 AZR 864/06 - BAGE 125, 345 Rn. 17; ferner VGH München, Beschluss vom 8. Juni 2011 - 12 ZB 10.1727 - juris Rn. 6).

26

cc) Das Berufungsgericht geht im Einklang mit Bundesrecht davon aus, dass im Rahmen des § 91 Abs. 4 SGB IX nicht jedweder Einfluss der Behinderung auf das Verhalten des schwerbehinderten Menschen genügt, insbesondere ein Zusammenhang im Sinne einer conditio sine qua non nicht ausreicht.

27

Gemessen an der § 91 Abs. 4 SGB IX zugrunde liegenden gesetzgeberischen Wertung, den schwerbehinderten Menschen vor einer nichtbehinderungsbedingten außerordentlichen Kündigung nicht stärker zu schützen als nichtbehinderte Menschen (vgl. bb) (1)), ist der Begriff des Zusammenhangs zwischen der Behinderung und dem Kündigungsgrund im Sinne des § 91 Abs. 4 SGB IX im Lichte der Zielsetzungen des Fürsorgeprinzips auszulegen. Die Auslegung hat zum einen dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der öffentlich-rechtliche Sonderkündigungsschutz gerade im Bereich der außerordentlichen Kündigung nicht dazu zu dienen bestimmt ist, den schwerbehinderten Menschen zu bevorzugen, sondern allein auf den Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile gerichtet ist. Zum anderen muss der unmittelbare Zusammenhang bei natürlicher Betrachtung gegeben sein. Im Falle von durch die Behinderung begründeten Defiziten in der Einsichtsfähigkeit oder Verhaltenssteuerung muss das einer Kündigung aus wichtigem Grund zugrunde liegende Verhalten des schwerbehinderten Arbeitnehmers nachvollziehbar gerade auf diese behinderungsbedingten Defizite zurückzuführen sein, ohne dass für seine Herleitung etwa auf Mutmaßungen zurückgegriffen werden muss. Maßgeblich ist, ob sich das Verhalten des schwerbehinderten Menschen zwanglos aus der Behinderung ergibt und der Zusammenhang nicht nur ein entfernter ist (vgl. BAG, Urteil vom 25. Februar 1963 - 2 AZR 313/62 -, AP Nr. 4 zu § 19 SchwbG Bl. 532).

28

b) Nach diesen Maßstäben ist die Würdigung des Berufungsgerichts, die Diebstahlstat ergebe sich solchermaßen zwanglos weder aus dem Morbus Crohn (aa) noch aus den Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule und den Hüftgelenken (bb) und es sei nicht Aufgabe des Integrationsamtes, nicht in die Statusentscheidung der Versorgungsverwaltung eingeflossene Erkrankungen auf einen Zusammenhang mit dem Kündigungsgrund zu untersuchen (cc), revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.

29

aa) Dies gilt insbesondere für die Würdigung, die der außerordentlichen Kündigung zugrunde liegende Diebstahlstat sei nicht gerade auf eine etwaige in dem Morbus Crohn wurzelnde mangelhafte Verhaltenssteuerung zurückzuführen, da sich das entsprechende Verhalten des Klägers nicht zwanglos aus der chronisch-entzündlichen Darmerkrankung ergebe, solches nehme auch nicht das im arbeitsgerichtlichen Verfahren eingeholte fachärztliche Gutachten an.

30

Die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Tatgerichts ist gemäß § 137 Abs. 2 VwGO der Überprüfung im Revisionsverfahren grundsätzlich entzogen. Sie ist vom Revisionsgericht nur auf die Verletzung allgemeinverbindlicher Beweiswürdigungsgrundsätze zu überprüfen, zu denen die allgemeinen Auslegungsgrundsätze (§§ 133, 157 BGB), die gesetzlichen Beweisregeln, die Denkgesetze und die allgemeinen Erfahrungssätze zählen (vgl. Urteile vom 6. Februar 1975 - BVerwG 2 C 68.73 - BVerwGE 47, 330 <361> = Buchholz 232 § 7 BBG Nr. 3 S. 29 f., vom 27. November 1980 - BVerwG 2 C 38.79 = BVerwGE 61, 176 <188> = Buchholz 237.1 Art. 9 BayBG Nr. 2 S. 39, vom 13. Dezember 1988 - BVerwG 1 C 44.86 - BVerwGE 81, 74 <76> und vom 17. Mai 1995 - BVerwG 5 C 20.93 - BVerwGE 98, 203 <209>). Derartige Verstöße sind hier nicht erkennbar. Die Revision zieht aus vorliegenden medizinischen Erkenntnissen anders als das Oberverwaltungsgericht den Schluss, der Morbus Crohn habe zu psychischen Auffälligkeiten geführt, die wiederum bewirkt hätten, dass der Kläger zeitweise, so auch im Zeitpunkt der Tatbegehung, seine Einsichts- und Steuerungsfähigkeit eingebüßt habe, weshalb ein mittelbarer Zusammenhang zwischen der der anerkannten Behinderung zugrunde liegenden Beeinträchtigung "Morbus Crohn" und dem den Kündigungsgrund ausmachenden Tatverhalten bestehe. Damit beschränkt sie sich auf Angriffe gegen die Richtigkeit der vorinstanzlichen Sachverhaltswürdigung, ohne revisionsrechtlich beachtliche Fehler dieser Sachverhaltswürdigung aufzuzeigen.

31

Der Kläger hat die Sachverhaltswürdigung auch nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angegriffen. Soweit sich die Revision auf ein Ermittlungsdefizit im Verwaltungsverfahren beruft, weil der Beklagte trotz der verschiedenen in das Verfahren eingeführten medizinischen Erkenntnisse die Einholung eines medizinischen Gutachtens zu der Frage unterlassen habe, ob die Diebstahlstat gerade auf eine durch Morbus Crohn verursachte psychische Erkrankung des Klägers zurückzuführen sei, bezeichnet sie keinen revisionsrechtlich beachtlichen Verstoß gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 VwGO. Hierfür müsste dargelegt werden, dass das Oberverwaltungsgericht in dem anschließenden Gerichtsverfahren nicht der ihm obliegenden Verpflichtung nachgekommen ist zu prüfen, ob die behördliche Ermessensentscheidung im Ergebnis auf einer zutreffenden, insbesondere ausreichend ermittelten Tatsachengrundlage beruht (Urteil vom 1. Dezember 1987 - BVerwG 1 C 29.85 - BVerwGE 78, 285 <295 f.> = Buchholz 402.24 § 10 AuslG Nr. 114 S. 13). Daran fehlt es hier.

32

bb) Nicht in erheblicher Weise entgegengetreten ist die Revision der Würdigung des Berufungsgerichts, die Diebstahlshandlung ergebe sich nicht zwanglos aus den Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule und Hüftgelenke.

33

cc) Im Einklang mit Bundesrecht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass von den im Verfahren nach § 69 SGB IX getroffenen Feststellungen der Versorgungsverwaltung nicht erfasste (Folge-)Erkrankungen im Rahmen der Prüfung des Bestehens eines Zusammenhangs im Sinne des § 91 Abs. 4 SGB IX grundsätzlich nicht zu berücksichtigen sind. Dementsprechend war die mit Wirkung vom 2. Oktober 2008 seitens der Versorgungsverwaltung festgestellte Depression nicht in die Zusammenhangsbeurteilung einzubeziehen, da sie im maßgeblichen Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung, hier am 26. Mai 2008, weder im Verfahren nach § 69 SGB IX festgestellt noch offenkundig war noch deren Feststellung beantragt war.

(1) Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über.

(2) Ein gegen den Schuldner bestehendes Veräußerungsverbot, das nur den Schutz bestimmter Personen bezweckt (§§ 135, 136 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), hat im Verfahren keine Wirkung. Die Vorschriften über die Wirkungen einer Pfändung oder einer Beschlagnahme im Wege der Zwangsvollstreckung bleiben unberührt.

(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 40 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn

1.
der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird,
2.
die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird,
3.
die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird,
4.
der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlich ist, nachträglich gefasst wird,
5.
die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird,
6.
die erforderliche Hinzuziehung eines Beteiligten nachgeholt wird.

(2) Handlungen nach Absatz 1 Nr. 2 bis 6 können bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.

(3) Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsaktes unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes versäumt worden, gilt die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als nicht verschuldet. Das für die Wiedereinsetzungsfrist maßgebende Ereignis tritt im Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung ein.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates weitere Vorschriften über die Geschäftsführung und das Verfahren des Beirats nach § 87 erlassen.

Werden Menschen mit Behinderungen in ihren Rechten nach diesem Buch verletzt, können an ihrer Stelle und mit ihrem Einverständnis Verbände klagen, die nach ihrer Satzung Menschen mit Behinderungen auf Bundes- oder Landesebene vertreten und nicht selbst am Prozess beteiligt sind. In diesem Fall müssen alle Verfahrensvoraussetzungen wie bei einem Rechtsschutzersuchen durch den Menschen mit Behinderungen selbst vorliegen.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

In Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Unternehmer den Betriebsrat über geplante Betriebsänderungen, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben können, rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und die geplanten Betriebsänderungen mit dem Betriebsrat zu beraten. Der Betriebsrat kann in Unternehmen mit mehr als 300 Arbeitnehmern zu seiner Unterstützung einen Berater hinzuziehen; § 80 Abs. 4 gilt entsprechend; im Übrigen bleibt § 80 Abs. 3 unberührt. Als Betriebsänderungen im Sinne des Satzes 1 gelten

1.
Einschränkung und Stilllegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen,
2.
Verlegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen,
3.
Zusammenschluss mit anderen Betrieben oder die Spaltung von Betrieben,
4.
grundlegende Änderungen der Betriebsorganisation, des Betriebszwecks oder der Betriebsanlagen,
5.
Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Werden Menschen mit Behinderungen in ihren Rechten nach diesem Buch verletzt, können an ihrer Stelle und mit ihrem Einverständnis Verbände klagen, die nach ihrer Satzung Menschen mit Behinderungen auf Bundes- oder Landesebene vertreten und nicht selbst am Prozess beteiligt sind. In diesem Fall müssen alle Verfahrensvoraussetzungen wie bei einem Rechtsschutzersuchen durch den Menschen mit Behinderungen selbst vorliegen.

Tenor

Der Bescheid des Beklagten vom 30. Juni 2010 und der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 12. November 2010 werden aufgehoben.

Der Beklagte und die Beigeladene tragen die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu je ½. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten je selbst.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren seitens des Klägers wird für notwendig erklärt.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen eine Zustimmung des Beklagten zu der ihm gegenüber von der Beigeladenen ausgesprochenen ordentlichen Kündigung seines Arbeitsverhältnisses.
Der am xx.xx.1959 geborene Kläger ist seit dem 06.06.1995 bei der Beigeladenen als Lagerarbeiter beschäftigt. Mit Bescheid des Versorgungsamtes Stuttgart vom 05.05.2010 wurde beim Kläger – rückwirkend ab dem 28.01.2010 – die Schwerbehinderteneigenschaft mit einem GdB von 50 % festgestellt. Als Funktionsbeeinträchtigung ergaben sich Schwerhörigkeit beidseitig, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und Nervenwurzelreizerscheinungen.
Auf Grund ihrer wirtschaftlichen Lage entschied sich die Beigeladene im Mai 2010 zu umfangreichen Umstrukturierungen. Entsprechend einer bereits im Jahre 2009 getroffenen Vereinbarungen der Betriebsparteien wurde beschlossen, allen Personen des Firmenstandortes in Xxx und in Xxx, die sich aktuell in sog. „Kurzarbeit Null“ befanden, den Übertritt in eine Transfergesellschaft anzubieten oder sie andernfalls zu kündigen. Ein entsprechender Interessenausgleich mit Namensliste, in der auch der Name des Klägers enthalten ist, wurde durch die Betriebsparteien gemäß § 1 Abs. 5 KSchG i.V.m. § 111 BetrVG hierzu am 19.05.2010 unterzeichnet.
Mit Telefax vom 02.06.2010 beantragte die Beigeladene beim Beklagten dessen Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger. Zur Begründung ist auf betriebsbedingte Gründe und den getroffenen Interessenausgleich vom 19.05.2010 verwiesen.
Der Beklagte unterrichtete den Kläger über diesen Antrag und forderte ihn auf, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Zugleich holte der Beklagte die Stellungnahme der Schwerbehindertenvertretung und des Betriebsrates der Beigeladenen ein.
Der Betriebsrat äußerte sich unter dem 14.06.2010 gegenüber dem Beklagten. Er verwies seinerseits auf den Interessenausgleich. Die Kündigung werde zur Kenntnis genommen. Am 18.06.2010 äußerte sich die Schwerbehindertenvertretung gegenüber dem Beklagten. Nach Rücksprache mit dem Kläger sei dieser mit seiner Kündigung nicht einverstanden. Seine Behinderung sei offensichtlich und seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt stark eingeschränkt. Sein Arbeitsplatz im Lager, Kostenstelle 237, sei nicht weggefallen; er werde jetzt nur von einem anderen Mitarbeiter ausgeführt. Der Kläger habe einen GdB von 50. Die Schwerbehindertenvertretung sei der Meinung, man solle bei dieser Maßnahme der Beigeladenen Schwerbehinderte nicht mit entlassen.
Ebenfalls unter dem 18.06.2010 machte die Beigeladene gegenüber dem Beklagten zusätzliche Angaben zum Arbeitsplatz des Klägers und zum Unternehmen mit Hilfe eines vom Beklagten ausgegebenen Fragebogens. In der Rubrik „Arbeitsplätze gemäß § 73 (1) SGB IX“ ist dabei handschriftlich eingefügt „1096“, in der Rubrik „Pflichtplätze gemäß § 71 (1) SGB IX (Soll)“ ist handschriftlich eingefügt „55“ und in der Rubrik „Tatsächlich besetzt einschließlich Mehrfachanrechnungen (Ist)“ wurde angegeben „54“ jeweils bezogen auf den Stichtag 18.06.2010.
Der Kläger selbst äußerte sich auf die Anfrage des Beklagten am 23.06.2010. Er gab u.a. an, sein Arbeitsplatz bestehe weiterhin. Er könne dort weiterbeschäftigt werden. Derzeit werde die Aufgabe von einem anderen Mitarbeiter ausgeübt.
Am 28.06.2010 fand in dieser Angelegenheit die mündliche Verhandlung vor dem Beklagten statt. Ausweislich des hierüber gefertigten Protokolls gab der Vertreter des Arbeitgebers hierbei u.a. an, vor Beginn der Personalanpassungsmaßnahme seien 1096 Mitarbeiter beschäftigt worden, davon 55 schwerbehinderte oder gleichgestellte Menschen. Nach Durchführung der Maßnahme seien noch 964 Mitarbeiter beschäftigt, davon 47 schwerbehinderte/gleichgestellte Menschen.
10 
Mit Bescheid vom 30.06.2010 erteilte der Beklagte sodann antragsgemäß der Beigeladenen die Zustimmung zur personenbedingten ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger. Zur Begründung ist u.a. ausgeführt, die beabsichtigte Kündigung werde auf betriebliche Gründe gestützt. Mit dem Betriebsrat sei ein Interessenausgleich mit Namensliste der zu kündigenden Mitarbeiter ausgehandelt und abgeschlossen worden. Vor der Personalanpassungsmaßnahme habe die Beigeladene ihre Pflichtquote nach § 71 Abs. 1 SGB IX erfüllt, nach der Maßnahme jedoch nicht mehr, so dass eine Entscheidung hier nicht nach § 89 Abs. 1 S. 2 SGB IX sondern nach Maßgabe des § 85 SGB IX zu treffen sei. Nach Auffassung des Beklagten sei die durchgeführte Sozialauswahl nicht offensichtlich fehlerhaft. Eine über die Offensichtlichkeitsprüfung durch das Integrationsamt hinausgehende Prüfung dieser Sozialauswahl obliege aber ausschließlich dem Arbeitsgericht im Rahmen eines Klageverfahrens. Bei der Personalanpassungsmaßnahme handele es sich um eine unternehmerische Entscheidung, die vorbehaltlos dem Arbeitgeber überlassen bleibe. Ein Zusammenhang zwischen den genannten Kündigungsgründen und der anerkannten Behinderung des Schwerbehinderten werde nicht gesehen. Nach Würdigung aller erkennbaren Umstände komme man hier zu dem Ergebnis, dass das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Interesse des schwerbehinderten Menschen am Erhalt überwiege. Dabei sei auch gewürdigt worden, dass der Arbeitgeber die Pflichtquote nach der Personalanpassungsmaßnahme nicht mehr erfülle. Ob die Kündigung nach arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten sozial gerechtfertigt sei, müsse das Integrationsamt nicht prüfen.
11 
Der Beklagte übermittelte diesen Bescheid den Verfahrensbeteiligten auf unterschiedliche Weise. Dem Verfahrensbevollmächtigten des Klägers wurde eine nicht unterschriebene Ausfertigung des an den Arbeitgeber gerichteten Bescheides übermittelt zusammen mit einem eigenen Anschreiben, dass hiermit der ergangene Bescheid gemäß § 88 Abs. 2 S. 1 SGB IX zugestellt werde. Dieses Anschreiben selbst enthielt eine ordentliche Rechtsbehelfsbelehrung und war handschriftlich von der zuständigen Mitarbeiterin des Beklagten unterzeichnet. Dieses Schreiben ging dem Verfahrensbevollmächtigten des Klägers am 06.07.2010 zu.
12 
Hinsichtlich der an die Beigeladene gerichteten Bescheidausfertigung wurde zunächst ein Original-Bescheid hergestellt, der von der zuständigen Mitarbeiterin eigenhändig handschriftlich mit ihrem Nachnamen und dem ersten Buchstaben des Vornamens unterzeichnet wurde. Dieses Original wurde - zusätzlich zu einer weiteren Bescheidausfertigung, die lediglich mit einem Namenskürzel gezeichnet war - zu den Verfahrensakten genommen. Zugleich fertigte die zuständige Bearbeiterin beim Beklagten mittels eines Scanners und einem entsprechenden EDV-Programm von dem unterschriebenen Original-Bescheid eine sog. „PDF-Datei“. Sodann wandte sich die zuständigen Mitarbeiterin des Beklagten noch am 30.06.2010, um 11.48 Uhr, per E-Mail an den mit Prokura ausgestatteten Personalleiter der Beigeladenen. In der Betreffzeile wird das entsprechende Aktenzeichen des Beklagten und die Angabe „Bescheid in der Angelegenheit des Herrn Xxx Xxx“ angegeben. Die E-Mail-Nachricht selbst lautete „Hallo Herr Xxx, die Anlage zur weiteren Verwendung und der Bitte um Eingangsbestätigung“ und endete mit einem Gruß und der Namensangabe. Angehängt an diese E-Mail-Nachricht war nun die „PDF-Datei“ mit dem eingescannten Original-Bescheid. Drei Minuten später, um 11.51 Uhr, antwortete der Personalleiter der Beigeladenen dem Beklagten ebenfalls per E-Mail-Nachricht und bestätigte den Eingang des Bescheides „Xxx“ am 30.06.2010, 11.50 Uhr. Der Beklagte nahm schließlich einen Ausdruck des E-Mail-Verkehrs zu den Akten.
13 
Die Beigeladene fertigte unmittelbar im Anschluss an diese E-Mail-Kommunikation ein Kündigungsschreiben und ließ dies durch zwei ihrer Angestellten noch am selben Tag gegen 12.50 Uhr in den Briefkasten des Klägers einwerfen.
14 
Hiergegen hat der Kläger Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht Stuttgart - Kammern Aalen - erhoben. Mit Urteil vom 25.03.2011 - 13 Ca 285/10 - hat das Arbeitsgericht Stuttgart der Kündigungsschutzklage des Klägers stattgegeben und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung vom 30.06.2010 beendet worden ist. Zur Begründung ist dort ausgeführt, mangels vorheriger Zustimmung des Integrationsamtes sei die ausgesprochene Kündigung unwirksam. Gemäß § 88 Abs. 3 SGB IX könne eine Kündigung eines Schwerbehinderten erst nach Zustellung der Zustimmung des Integrationsamtes erklärt werden. Nach dem eindeutigen Wortlaut komme es nicht auf einen irgendwie gearteten Zugang einer Entscheidung des Integrationsamtes an, sondern auf deren Zustellung. Eine solche sei vor Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung vom 30.06.2010 aber nicht erfolgt. Gemäß § 2 des baden-württembergischen Verwaltungszustellungsgesetzes, das vorliegend Anwendung finde, bestehe die Zustellung in der Übergabe oder Vorlage eines Schriftstückes. Daneben bestehe die Möglichkeit nach § 5 VwZG BW einer elektronischen Zustellung eines elektronischen Dokumentes. Die Behörde habe dabei die Wahl zwischen den einzelnen Zustellungsarten, sei nach Ausübung ihres Wahlrechtes dann aber an die sich hieraus ergebenden Vorschriften gebunden. Wähle das Integrationsamt die Übermittlung der schriftlich verkörperten Erklärung, so erfolge die Zustellung nicht durch ein elektronisches Dokument, das gemäß § 5 Abs. 5 VwZG BW eine qualifizierte elektronische Signatur erfordere. Im vorliegenden Fall habe das Integrationsamt eine Zustimmungsentscheidung dem Arbeitgeber elektronisch per E-Mail zugesandt, etwas später aber dem Kläger selbst durch Übergabe eines Schriftstücks zugestellt. Auf diese förmliche Zustellung durch Übergabe eines Schriftstücks komme es daher als maßgeblichen Zeitpunkt an, nicht dagegen auf die „Vorabinformation“ durch E-Mail an den Arbeitgeber. Der Arbeitgeber könne sich hier auch nicht auf die Vorschrift des § 9 VwZG BW berufen. Dieser erkläre eine Heilung von Zustellungsmängeln nur dann für möglich, wenn die formgerechte Zustellung eines Schriftstückes nicht nachweisbar oder das Schriftstück unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen sei. Beide Voraussetzungen lägen der vorliegenden Konstellation nicht zugrunde. Die von der Behörde gewählte formgerechte Zustellung durch Übergabe eines Schriftstücks lasse sich nachweisen. Da dieser Zustellungsbescheid bei Zugang der Kündigung am 30.06.2010 aber noch nicht zugestellt gewesen sei, sei die Kündigung unwirksam.
15 
Gegen dieses Urteil hat die Beigeladene Berufung eingelegt. Der Rechtsstreit ist derzeit vor dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg anhängig.
16 
Gegen den Zustimmungsbescheid des Beklagten selbst hat der Kläger fristgerecht Widerspruch eingelegt. Zur Begründung führte er u.a. aus, sein Arbeitsplatz bei der Beigeladenen sei nicht in Wegfall geraten. Die betrieblichen Gründe seien nur vorgeschoben.
17 
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.11.2010, dem Kläger zugestellt am 19.11.2010, wies der Widerspruchsausschuss des Beklagten den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung werden - größtenteils wörtlich - die Gründe der Ausgangsentscheidung wiederholt.
18 
Der Kläger hat am 14.12.2010 das Verwaltungsgericht angerufen. Zur Begründung verweist er zunächst auf das Vorbringen im Widerspruchsverfahren. Zudem habe der Beklagte bei seiner Ermessensbetätigung die persönlichen Verpflichtungen des Klägers außer Betracht gelassen. Die Ehefrau des Klägers beziehe eine Rente wegen Erwerbsminderung. Der Kläger habe Kreditverbindlichkeiten. Es sei auch zu berücksichtigen, dass die Behinderung des Klägers - in erster Linie Schwerhörigkeit und Tinnitus - ihre Ursache im Lärm am Arbeitsplatz bei der Beigeladenen habe.
19 
Der Kläger beantragt,
20 
den Bescheid des Integrationsamtes des Beklagten vom 30. Juni 2010 und dessen Widerspruchsbescheid vom 12. November 2010 aufzuheben.
21 
Der Beklagte beantragt,
22 
die Klage abzuweisen.
23 
Er bezieht sich auf den Inhalt des angegriffenen Bescheides. Die Zustimmung zur Kündigung des Klägers sei ermessensfehlerfrei erteilt worden. Im Rahmen des Interessenausgleichs seien zwischen den Betriebsparteien die Gesichtspunkte wie Alter, Betriebszugehörigkeit, Schwerbehinderung und Unterhaltsverpflichtungen berücksichtigt worden. Die getroffene Vereinbarung sei nicht offensichtlich fehlerhaft und genüge den Prüfungserfordernissen, die auch im Rahmen des SGB IX anzustellen seien. Die Argumente des Klägers seien letztlich im arbeitsgerichtlichen Verfahren zu prüfen.
24 
Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
25 
die Klage abzuweisen.
26 
Der Bescheid des Beklagten sei nicht zu beanstanden. Die Argumente des Klägers seien allein im arbeitsgerichtlichen Verfahren zu prüfen.
27 
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung erklärte der Beklagte, mangels entsprechender Voraussetzungen - Rechtsverordnung bzw. qualifizierte elektronische Signatur - würden Bescheide seines Integrationsamtes ausschließlich per Schriftform zugestellt, nicht in elektronischer Form. Die hier gewählte Übermittlung einer PDF-Datei an die Beigeladene sei eine solche schriftliche Zustellung gewesen.
28 
Der Berichterstatter hat mit den Beteiligten die Frage erörtert, welche Bedeutung dem Umstand hier zukommt, dass die Beigeladene nach Durchführung ihrer Personalanpassungsmaßnahme die Pflichtquote aus § 71 SGB IX nicht mehr erfüllt. Der Beklagte hat hierzu auf den angegriffenen Bescheid verwiesen. Dieser Umstand sei gesehen worden.
29 
Die Beigeladene verwies insoweit auf die Regelung in § 1 Abs. 5 KSchG i.V.m. § 111 BetrVG. Der Gesetzgeber habe im Falle von Massenentlassungen die Berücksichtigung der Belange der Schwerbehinderten den Betriebsparteien überantwortet. Diese hätten vorliegend - nach sorgfältiger Überprüfung - diesen Gesichtspunkt im Rahmen der Aufnahme der Betreffenden auf die Namensliste zum Interessensausgleich berücksichtigt. Eine weitergehende Prüfkompetenz habe das Integrationsamt nicht mehr.
30 
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die eingereichten Schriftsätze, die Gerichtsakten, sowie die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
31 
1.) Die Klage ist zulässig, insbesondere fehlt der Anfechtungsklage des Klägers gegen den Bescheid des Beklagten vom 30.06.2010 nicht das für die Zulässigkeit einer solchen Klage stets erforderliche allgemeine Rechtsschutzbedürfnis (vgl. etwa BVerwG, Beschl. v. 30.11.2006 - 6 B 96/09 - ).
32 
Gemäß § 88 Abs. 3 SGB IX kann ein Arbeitgeber die beabsichtigte Kündigung eines Schwerbehinderten nur innerhalb eines Monats nach Zustellung der zustimmenden Entscheidung des Integrationsamtes erklären. Ist diese Frist abgelaufen, ohne dass eine solche Kündigung erklärt worden wäre, so gehen für den schwerbehinderten Menschen von dieser Zustimmungsentscheidung keine belastenden Wirkungen mehr aus und einem entsprechenden Anfechtungsrechtsbehelf fehlte dann das Rechtsschutzbedürfnis. Ein zu diesem Zeitpunkt noch anhängiger Anfechtungswiderspruch müsste gegebenenfalls für erledigt erklärt werden.
33 
Kündigt ein Arbeitgeber, der beim Integrationsamt die Zustimmung zur Kündigung eines schwerbehinderten Menschen beantragt hat, vor der Zustellung des entsprechenden Zustimmungsbescheides, so ist eine solche Kündigung wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB nichtig. Eine Heilung etwa durch nachträgliche Zustimmung des Integrationsamtes ist ausgeschlossen (Düwell in Dau/Düwell/Heines SGB IX, 2. Aufl., § 85 Rz. 33 m.w.N. zur arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung). Das bedeutet, auch von einer nachträglichen Zustimmung des Integrationsamtes - wenn der Arbeitgeber nicht ein zweites Mal die Kündigung erklärt (zur Möglichkeit einer erneuten Kündigung nach vorzeitiger Kündigung, Düwell a.a.O. Rz. 36) - können ebenfalls keine belastenden Wirkungen für den schwerbehinderten Menschen ausgehen.
34 
Da hier die Beigeladene das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger nur einmal, nämlich mit Zugang ihres Kündigungsschreibens am 30.06.2010, 12.50 Uhr, gekündigt hat, kommt es vorliegend darauf an, ob der Zustimmungsbescheid des Beklagten zu diesem Zeitpunkt der Beigeladenen bereits zugestellt war. Nur dann vermag diese Zustimmungsentscheidung die ausgesprochene Kündigung „zu decken“ und nur dann gehen von ihr belastende Wirkungen für den Kläger aus.
35 
Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts Stuttgart - Kammern Aalen - im erstinstanzlichen arbeitsgerichtlichen Rechtstreit zwischen dem Kläger und der Beigeladenen ist diese Frage indes zu bejahen. Die Zustimmungsentscheidung des Beklagten war tatsächlich Grundlage der Kündigungserklärung der Beigeladenen, weshalb das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtung dieser Entscheidung seitens des Klägers nicht entfallen ist.
36 
Die von § 88 Abs. 2 SGB IX geforderte Zustellung einer solchen Zustimmungsentscheidung des Integrationsamtes wird entsprechend § 65 Abs. 2 SGB X nach den jeweiligen Verwaltungszustellungsgesetzen der Länder bewirkt. Zutreffend hat der Beklagte im Rahmen der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, mangels einer entsprechenden Rechtsverordnung in Baden-Württemberg und mangels einer qualifizierten elektronischen Signatur komme eine elektronische Zustellung insoweit ohnehin nicht in Betracht. Die vom Beklagten gewählte Übermittlung des Zustimmungsbescheides an die Beigeladene entspricht aber - gerade noch - dem Erfordernis einer ordnungsgemäßen Zustellung nach § 2 Abs. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 S. 2 LVwZG. Danach erfolgt die Zustellung eines schriftlichen Dokuments durch die Behörde u.a. durch offene Aushändigung dieses Dokumentes. Dies liegt hier vor.
37 
Es ist seit jeher unstrittig, dass sich eine Behörde bei der Zustellung technischer Einrichtungen bedienen darf, soweit es dabei um Erleichterungen im Rahmen der Aushändigung des Dokumentes geht. Die Verwendung technischer Einrichtungen allein macht einen Zustellvorgang noch nicht zu einer elektronischen Zustellung. So kann ein Bescheid zugestellt werden, indem das im Original unterschriebene Dokument per Telefax an den Empfänger übermittelt wird. Die körperliche Urkunde, die im Herrschaftsbereich des Empfängers durch das dortige Telefax-Empfangsgerät hergestellt wird, entspricht der im Original bei den Verwaltungsakten verbliebenen Urkunde.
38 
Für die vorliegend vom Beklagten gewählte Übermittlung seines Original-Bescheides als „PDF-Datei“ gilt nichts anderes. Auch insoweit wird im Herrschaftsbereich des Empfängers, hier der Beigeladenen, eine körperliche Urkunde hergestellt, die dem Originalbescheid, der in den Verwaltungsakten des Beklagten verblieben ist, entspricht. Gegenüber einer Übersendung per Telefax besteht nur insoweit ein Unterschied, als sich die Behörde bei der Übermittlung einer PDF-Datei nicht nur der technischen Einrichtungen des Empfängers bedient, also etwa des Telefax-Empfangsgerätes, vielmehr „beauftragt“ sie in einem weiteren Schritt auch eine handelnde Person des Empfängers, die an eine E-Mail-Nachricht angehängte PDF-Datei auszudrucken, damit körperlich herzustellen und so die Zustellung abzuschließen. Dieser - geringe - Unterschied rechtfertigt es nicht, die Zustellung mit Hilfe der Übermittlung einer PDF-Datei generell für unwirksam zu erklären. In ähnlicher Weise ist auch die Klageerhebung durch elektronische Übermittlung einer Bilddatei (PDF-Datei) des unterschriebenen Schriftsatzes als zulässig angesehen worden (vgl. BGH, Beschl. v. 15.07.2008 - X ZB 8/08 -, NJW 2008, 275).
39 
Um nicht missverstanden zu werden, weist der Berichterstatter aber darauf hin, dass es nicht auf den elektronischen Eingang der PDF-Datei bzw. den Eingang der E-Mail-Nachricht beim Empfänger ankommt. Vielmehr ist Zustellungszeitpunkt die Herstellung der körperlichen Urkunde durch Ausdruck im Herrschaftsbereich des Empfängers (ebenso BGH a.a.O.). Nur dadurch liegt eine dem Telefax-Empfang vergleichbare Situation vor. „Ruht“ dagegen eine solche Datei noch im Postfach des Empfängers, so ist eine Zustellung noch nicht bewirkt. Nachdem der Personalleiter der Beigeladenen auf die E-Mail-Nachricht des Beklagten aber bereits nach wenigen Minuten reagiert hatte und den Empfang bestätigte, ist davon auszugehen, dass auch die verkörperte Urkunde des Zustimmungsbescheides als Ausdruck zu diesem Zeitpunkt von der Beigeladenen in Händen gehalten wurde. Damit war die Zustellung des Zustimmungsbescheides des Beklagten rund eine Stunde vor Zugang der Kündigungserklärung beim Kläger bewirkt.
40 
Der Berichterstatter hat daher darauf verzichtet, gemäß § 88 VwGO anzuregen, im Hauptantrag die Feststellung (§ 43 VwGO) zu begehren, der Zustimmungsbescheid des Beklagten vom 30.06.2010 sei erst nach Ausspruch der Kündigung zugestellt worden und nur hilfsweise dessen Aufhebung zu beantragen.
41 
2.) Die Klage ist auch begründet. Die angegriffenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Sie mussten vom Gericht daher aufgehoben werden (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
42 
Der Kläger ist ein schwerbehinderter Mensch im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB IX, weshalb die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses durch die Beigeladene der vorherigen Zustimmung des Beklagten als Integrationsamt bedurfte (§ 85 SGB IX). Wie vom Beklagten zutreffend erkannt, lagen die Voraussetzungen nach § 89 Abs. 1 Satz 2 SGB IX („soll...erteilen“) hier nicht vor, weshalb über den Antrag des Arbeitgebers auf Erteilung der Zustimmung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden war (BVerwG, Urteil vom 02.07.1992 - 5 C 51.90 -, BVerwGE 90, 287; VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 28.04.1989 - 6 S 1 297/88 -).
43 
Ist die Behörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, so unterliegt die Verwaltungsentscheidung nur einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle gemäß § 114 S. 1 VwGO. Danach prüft das Gericht nur, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (§ 114 VwGO). Dies beinhaltet die Prüfung, ob die Behörde in ihre Ermessenserwägungen alle wesentlichen, den Streit zwischen den Beteiligten kennzeichnenden Gesichtspunkte eingestellt hat und ob sie dabei von einem richtigen und vollständigen Sachverhalt ausgegangen ist (VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 09.05.1994 - 7 S 2294/92 -). Die Ermessensentscheidung ist danach fehlerhaft, wenn die Behörde Umstände außer Betracht lässt, die zu berücksichtigen wären (vgl. hierzu und im weiteren auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 04.03.1998 - 9 S 1 637/97 -), desgleichen, wenn sie Umstände in die Ermessensbetätigung einstellt, die nicht ausreichend ermittelt sind aber auch, wenn sie einzelne Gesichtspunkte zwar erkennt, diese aber unzutreffend gewichtet.
44 
In Fällen, in denen die Zustimmung für die beabsichtigte Kündigung erteilt wird, kommt es für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage insoweit maßgeblich auf den Zeitpunkt des Bescheids an, der die Grundlage für die dann erklärte Kündigung war mit der Folge, dass erst nach Ausspruch der Kündigung eingetretene oder vom Schwerbehinderten danach mitgeteilte oder sonst wie bekannt gewordene Umstände die Rechtmäßigkeit der Ermessensbetätigung der Beklagten und damit der erteilten Zustimmung im Grundsatz nicht mehr berühren (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.11.2008, - 5 B 79.08 -, ; s. auch Verwaltungsgericht München, Urteil vom 18.11.2010, - M 15 K 09.5850 -, mit weiteren Nachweisen).
45 
Bei Ausübung ihres Ermessens hat sich die Behörde am Zweck des ermächtigenden Gesetzes zu orientieren. Nach der programmatischen Neuausrichtung des Schwerbehindertenrechts in § 1 SGB IX tritt an die Stelle der Fürsorge die Förderung der selbstbestimmten und gleichberechtigten Teilhabe am Arbeitsleben; deshalb hat das Integrationsamt zu prüfen, ob der Arbeitgeber im Rahmen des ihm Möglichen und Zumutbaren dem Anspruch des schwerbehinderten Menschen auf eine seinen Fähigkeiten gerecht werdende Beschäftigung Rechnung trägt (vgl. Urteil des VG Stuttgart vom 19.07.2004, - 8 K 3370/03, - unter Bezugnahme auf Dau/Düwell/Haines , Lehr- und Praxiskommentar LPK - SGB IX, 2002, Anm. 7 und 9 zu § 89). Schon nach dem früheren SchwbG war anerkannt, dass durch die Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen (nur) die Nachteile des Schwerbehinderten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeglichen werden sollen. Auch der Zweck des § 85 SGB IX geht deshalb dahin, die Schwerbehinderten vor den besonderen Gefahren, denen sie wegen ihrer Behinderung auf dem Arbeitsmarkt ausgesetzt sind, zu bewahren und sicherzustellen, dass sie gegenüber den gesunden Arbeitnehmern nicht ins Hintertreffen geraten. Das hat die Leitlinie bei der Ermessensentscheidung zu sein, ob der Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Schwerbehinderten zuzustimmen ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 05.12.2006 - 5 B 171.06 und Urt. v. 28.02.1968, BVerwGE 29, 140).
46 
Die formellen Voraussetzungen für die Erteilung der Zustimmung lagen hier zwar vor. Die nach § 85 SGB IX vorzunehmende Entscheidung des Beklagten ist entsprechend den Verfahrens- und Formvorschriften des SGB IX zustande gekommen. Damit war das Ermessen eröffnet. Die vorliegend angefochtene Ermessensentscheidung ist im Ergebnis aber zu beanstanden.
47 
Entgegen der Ansicht des Klägers durfte der Beklagte davon ausgehen, dass betriebsbedingte Gründe auf Seiten der Beigeladenen für die beantragte Zustimmung zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger dem Grunde nach vorlagen. Dies ist Kern der gesetzlichen Regelung nach § 1 Abs. 5 KSchG i.V.m. § 111 BetrVG, wonach bei Abschluss eines Interessenausgleichs zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, der die zu kündigenden Arbeitnehmer im Falle einer Betriebsänderung namentlich bezeichnet, eine Vermutung besteht, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist. In einem solchen Fall kann die soziale Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer (von der Arbeitsgerichtsbarkeit) nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.
48 
Entgegen der Ansicht der Beigeladenen und des Beklagten vermag diese gesetzliche Regelung den Kündigungsschutz der Schwerbehinderten nach dem SGB IX aber nicht - umfassend - beiseite zu schieben, auch wenn die Betriebsparteien im Rahmen des Verfahrens nach § 1 KSchG verpflichtet sind, u.a. die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers ausreichend zu berücksichtigen (Abs. 3 Satz 1 der Norm). Damit ist nämlich keine generelle Verlagerung des Schutzes der Schwerbehinderten als einer hoheitlichen Aufgabe vom hoheitlich handelnden Beklagten hin zu den Betriebsparteien gemeint. Der Schwerbehindertenschutz obliegt auch in einem solchen Fall gemäß § 85 SGB IX dem Integrationsamt. Dieses darf im Rahmen seiner Ermessensbetätigung lediglich für den „Normalfall“ davon ausgehen, die Betriebsparteien hätten im Rahmen der Vereinbarung eines Interessenausgleichs mit Namensliste die Interessen der Schwerbehinderten innerhalb der Belegschaft ausreichend berücksichtigt, wenn insoweit vorgetragen ist, etwa im Rahmen eines angewandten Punkte-Schemas, sei auch durch die Betriebsparteien dafür Sorge getragen worden, dass die im Betrieb beschäftigten schwerbehinderten Menschen in ihrer Gesamtheit nicht ins Hintertreffen geraten. Dann, aber nur dann, darf sich die Behörde in ihrem hoheitlichen Handeln der Vereinbarung der Betriebsparteien anschließen.
49 
Liegt dagegen ein Sonderfall vor, der erkennen lässt, dass gegenüber den Erwägungen, die die Betriebsparteien im Interessenausgleich nach § 1 Abs. 5 KSchG angestellt haben, weitergehende Umstände zu berücksichtigen sind, muss das Integrationsamt diese mit dem ihnen zukommendem Gewicht in seine anzustellende Ermessenserwägungen einstellen.
50 
Entgegen der Befürchtung der Beigeladenen wird hierdurch die Kompetenz der Betriebsparteien zum Abschluss eines Interessenausgleichs mit Namensliste gemäß § 1 Abs. 5 KSchG nicht „entwertet“. Es entspricht auch sonst der betrieblichen Praxis, dass kein Arbeitgeber darauf vertrauen kann, nachdem er mit dem Betriebsrat einen solchen Interessenausgleich mit Namensliste abgeschlossen hat, werde er die Kündigung all derer dort aufgeführten Mitarbeiter ohne jede Einschränkung durchführen können. Ein solcher Interessenausgleich mit Namensliste hat Bedeutung nur für die Frage, ob von der Annahme betrieblicher Gründe und einer ordnungsgemäßen Sozialauswahl gemäß § 1 KSchG auszugehen ist. Dagegen können sich zahlreiche andere Hemmnisse ergeben, die es letztlich unmöglich machen, tatsächlich eine Kündigung auszusprechen. So kann anderweitiger Kündigungsschutz etwa nach dem BetrVG oder dem MuSchG bestehen, der den Betriebsparteien verborgen geblieben ist. Auch kann ein tarifvertraglicher Kündigungsschutz vorliegen, der, etwa weil von einem falschen Geburtsjahr ausgegangen wurde, übersehen wurde. Schließlich können Formfehler u.ä. im Rahmen der Kündigungserklärung letztlich dazu führen, dass ein in einem Interessenausgleich mit Namensliste aufgeführter Mitarbeiter tatsächlich - etwa nach erfolgreicher Kündigungsschutzklage - weiter beschäftigt werden muss. Nicht anders stellt sich die Situation wie vorliegend dar. Die Aufnahme eines schwerbehinderten Menschen in die Namensliste zum Interessenausgleich ermöglicht es dem Arbeitgeber, gestützt auf betriebliche Gründe, einen Antrag auf Zustimmung zur Kündigung an das Integrationsamt zu richten. Eine absolute Gewähr dahingehend, dass die Zustimmungsentscheidung positiv ergeht, haben die Betriebsparteien gleichwohl nicht. Das Ermessen des Integrationsamtes wird durch Vorlage des Interessenausgleichs mit Namensliste nicht „auf Null“ reduziert.
51 
Namentlich wenn das Integrationsamt erkennen muss, dass vorliegend von einem Sonderfall auszugehen ist, hat eine eigenständige Ermessensbetätigung der Behörde zu erfolgen. So lag es hier.
52 
Der Ausnahmefall liegt darin begründet, dass die Beigeladene durch die von ihr geplante und durchgeführte Personalanpassungsmaßnahme nunmehr ihre gesetzliche Pflicht aus § 71 Abs. 1 SGB IX nicht mehr erfüllt. Dies hat sowohl die Beigeladene im Verwaltungsverfahren auch eingestanden, als auch der Beklagte ausweislich der angegriffenen Bescheide durchaus gesehen. Er hat diesem Umstand jedoch nicht die ihm zukommende Bedeutung beigemessen. Die Beschäftigungspflicht nach § 71 Abs. 1 SGB IX ist nach § 156 Abs. 1 SGB IX bußgeldbewehrt. Es handelt sich um eine durchaus erhebliche Rechtspflicht, die die Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) konkretisiert. Eine Suspendierung von dieser gesetzlichen Pflicht kann keinesfalls durch die Betriebsparteien erfolgen. Diese sind vielmehr nur dann, wenn sie sich innerhalb des gesetzlichen Rahmens bewegen - und im Übrigen die Belange der schwerbehinderten Menschen gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG ausreichend berücksichtigen - „frei“, mit für das Integrationsamt vorprägender Wirkung im Rahmen von Massenentlassungen auch schwerbehinderte Menschen als zu kündigende Mitarbeiter zu bestimmen. Ansonsten scheitert auch ihre Gestaltungsmöglichkeit an dem gesetzlichen Schutz der Schwerbehinderten, der insbesondere in § 71 Abs. 1 SGB IX seinen quantifizierbaren Ausdruck erhalten hat. Diesem Kriterium kommt daher erhebliche Bedeutung zu. Dies zeigt im Übrigen auch die Bestimmung des § 89 Abs. 1 Satz 2 SGB IX. Dort wird gerade bei Kündigung in Betrieben, die nicht nur vorübergehend wesentlich eingeschränkt werden, danach unterschieden, ob die Zahl der weiterhin beschäftigten schwerbehinderten Menschen zur Erfüllung der Beschäftigungspflicht nach § 71 SGB IX ausreicht.
53 
Der Beklagte hätte sich hier daher nicht damit begnügen dürfen, im Rahmen der Ermessenserwägung in dem angegriffenen Bescheid lediglich festzustellen, dass die Beschäftigungspflicht nach § 71 SGB IX durch die Beigeladene nun nicht mehr erfüllt wird. Vielmehr hätte er - in der Art einer Unzumutbarkeitsprüfung - dahingehend Erwägungen anstellen müssen, ob der Beigeladenen im vorliegenden Fall ein Dispens von dieser gesetzlichen Pflicht zu erteilen war. Nachdem zwischen den Beteiligten weder umstritten ist, dass die Beigeladene ihre Beschäftigungspflicht nach § 71 Abs. 1 SGB IX nicht mehr erfüllt, noch, dass der Arbeitsplatz des Klägers, Kostenstelle 237, nach wie vor existiert und derzeit von einem anderen - jüngeren - Mitarbeiter ausgeführt wird, waren für eine entsprechende Unzumutbarkeit auf Seiten der Beigeladenen keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich. Die gleichwohl erteilte Zustimmung des Beklagten stellt sich damit als ermessensfehlerhaft dar.
54 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und Abs. 3 VwGO, § 188 S. 2 VwGO.
55 
Die Zulassung der Berufung ergibt sich aus § 124 a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO; die grundsätzliche Bedeutung ist offensichtlich.

Gründe

 
31 
1.) Die Klage ist zulässig, insbesondere fehlt der Anfechtungsklage des Klägers gegen den Bescheid des Beklagten vom 30.06.2010 nicht das für die Zulässigkeit einer solchen Klage stets erforderliche allgemeine Rechtsschutzbedürfnis (vgl. etwa BVerwG, Beschl. v. 30.11.2006 - 6 B 96/09 - ).
32 
Gemäß § 88 Abs. 3 SGB IX kann ein Arbeitgeber die beabsichtigte Kündigung eines Schwerbehinderten nur innerhalb eines Monats nach Zustellung der zustimmenden Entscheidung des Integrationsamtes erklären. Ist diese Frist abgelaufen, ohne dass eine solche Kündigung erklärt worden wäre, so gehen für den schwerbehinderten Menschen von dieser Zustimmungsentscheidung keine belastenden Wirkungen mehr aus und einem entsprechenden Anfechtungsrechtsbehelf fehlte dann das Rechtsschutzbedürfnis. Ein zu diesem Zeitpunkt noch anhängiger Anfechtungswiderspruch müsste gegebenenfalls für erledigt erklärt werden.
33 
Kündigt ein Arbeitgeber, der beim Integrationsamt die Zustimmung zur Kündigung eines schwerbehinderten Menschen beantragt hat, vor der Zustellung des entsprechenden Zustimmungsbescheides, so ist eine solche Kündigung wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB nichtig. Eine Heilung etwa durch nachträgliche Zustimmung des Integrationsamtes ist ausgeschlossen (Düwell in Dau/Düwell/Heines SGB IX, 2. Aufl., § 85 Rz. 33 m.w.N. zur arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung). Das bedeutet, auch von einer nachträglichen Zustimmung des Integrationsamtes - wenn der Arbeitgeber nicht ein zweites Mal die Kündigung erklärt (zur Möglichkeit einer erneuten Kündigung nach vorzeitiger Kündigung, Düwell a.a.O. Rz. 36) - können ebenfalls keine belastenden Wirkungen für den schwerbehinderten Menschen ausgehen.
34 
Da hier die Beigeladene das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger nur einmal, nämlich mit Zugang ihres Kündigungsschreibens am 30.06.2010, 12.50 Uhr, gekündigt hat, kommt es vorliegend darauf an, ob der Zustimmungsbescheid des Beklagten zu diesem Zeitpunkt der Beigeladenen bereits zugestellt war. Nur dann vermag diese Zustimmungsentscheidung die ausgesprochene Kündigung „zu decken“ und nur dann gehen von ihr belastende Wirkungen für den Kläger aus.
35 
Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts Stuttgart - Kammern Aalen - im erstinstanzlichen arbeitsgerichtlichen Rechtstreit zwischen dem Kläger und der Beigeladenen ist diese Frage indes zu bejahen. Die Zustimmungsentscheidung des Beklagten war tatsächlich Grundlage der Kündigungserklärung der Beigeladenen, weshalb das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtung dieser Entscheidung seitens des Klägers nicht entfallen ist.
36 
Die von § 88 Abs. 2 SGB IX geforderte Zustellung einer solchen Zustimmungsentscheidung des Integrationsamtes wird entsprechend § 65 Abs. 2 SGB X nach den jeweiligen Verwaltungszustellungsgesetzen der Länder bewirkt. Zutreffend hat der Beklagte im Rahmen der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, mangels einer entsprechenden Rechtsverordnung in Baden-Württemberg und mangels einer qualifizierten elektronischen Signatur komme eine elektronische Zustellung insoweit ohnehin nicht in Betracht. Die vom Beklagten gewählte Übermittlung des Zustimmungsbescheides an die Beigeladene entspricht aber - gerade noch - dem Erfordernis einer ordnungsgemäßen Zustellung nach § 2 Abs. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 S. 2 LVwZG. Danach erfolgt die Zustellung eines schriftlichen Dokuments durch die Behörde u.a. durch offene Aushändigung dieses Dokumentes. Dies liegt hier vor.
37 
Es ist seit jeher unstrittig, dass sich eine Behörde bei der Zustellung technischer Einrichtungen bedienen darf, soweit es dabei um Erleichterungen im Rahmen der Aushändigung des Dokumentes geht. Die Verwendung technischer Einrichtungen allein macht einen Zustellvorgang noch nicht zu einer elektronischen Zustellung. So kann ein Bescheid zugestellt werden, indem das im Original unterschriebene Dokument per Telefax an den Empfänger übermittelt wird. Die körperliche Urkunde, die im Herrschaftsbereich des Empfängers durch das dortige Telefax-Empfangsgerät hergestellt wird, entspricht der im Original bei den Verwaltungsakten verbliebenen Urkunde.
38 
Für die vorliegend vom Beklagten gewählte Übermittlung seines Original-Bescheides als „PDF-Datei“ gilt nichts anderes. Auch insoweit wird im Herrschaftsbereich des Empfängers, hier der Beigeladenen, eine körperliche Urkunde hergestellt, die dem Originalbescheid, der in den Verwaltungsakten des Beklagten verblieben ist, entspricht. Gegenüber einer Übersendung per Telefax besteht nur insoweit ein Unterschied, als sich die Behörde bei der Übermittlung einer PDF-Datei nicht nur der technischen Einrichtungen des Empfängers bedient, also etwa des Telefax-Empfangsgerätes, vielmehr „beauftragt“ sie in einem weiteren Schritt auch eine handelnde Person des Empfängers, die an eine E-Mail-Nachricht angehängte PDF-Datei auszudrucken, damit körperlich herzustellen und so die Zustellung abzuschließen. Dieser - geringe - Unterschied rechtfertigt es nicht, die Zustellung mit Hilfe der Übermittlung einer PDF-Datei generell für unwirksam zu erklären. In ähnlicher Weise ist auch die Klageerhebung durch elektronische Übermittlung einer Bilddatei (PDF-Datei) des unterschriebenen Schriftsatzes als zulässig angesehen worden (vgl. BGH, Beschl. v. 15.07.2008 - X ZB 8/08 -, NJW 2008, 275).
39 
Um nicht missverstanden zu werden, weist der Berichterstatter aber darauf hin, dass es nicht auf den elektronischen Eingang der PDF-Datei bzw. den Eingang der E-Mail-Nachricht beim Empfänger ankommt. Vielmehr ist Zustellungszeitpunkt die Herstellung der körperlichen Urkunde durch Ausdruck im Herrschaftsbereich des Empfängers (ebenso BGH a.a.O.). Nur dadurch liegt eine dem Telefax-Empfang vergleichbare Situation vor. „Ruht“ dagegen eine solche Datei noch im Postfach des Empfängers, so ist eine Zustellung noch nicht bewirkt. Nachdem der Personalleiter der Beigeladenen auf die E-Mail-Nachricht des Beklagten aber bereits nach wenigen Minuten reagiert hatte und den Empfang bestätigte, ist davon auszugehen, dass auch die verkörperte Urkunde des Zustimmungsbescheides als Ausdruck zu diesem Zeitpunkt von der Beigeladenen in Händen gehalten wurde. Damit war die Zustellung des Zustimmungsbescheides des Beklagten rund eine Stunde vor Zugang der Kündigungserklärung beim Kläger bewirkt.
40 
Der Berichterstatter hat daher darauf verzichtet, gemäß § 88 VwGO anzuregen, im Hauptantrag die Feststellung (§ 43 VwGO) zu begehren, der Zustimmungsbescheid des Beklagten vom 30.06.2010 sei erst nach Ausspruch der Kündigung zugestellt worden und nur hilfsweise dessen Aufhebung zu beantragen.
41 
2.) Die Klage ist auch begründet. Die angegriffenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Sie mussten vom Gericht daher aufgehoben werden (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
42 
Der Kläger ist ein schwerbehinderter Mensch im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB IX, weshalb die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses durch die Beigeladene der vorherigen Zustimmung des Beklagten als Integrationsamt bedurfte (§ 85 SGB IX). Wie vom Beklagten zutreffend erkannt, lagen die Voraussetzungen nach § 89 Abs. 1 Satz 2 SGB IX („soll...erteilen“) hier nicht vor, weshalb über den Antrag des Arbeitgebers auf Erteilung der Zustimmung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden war (BVerwG, Urteil vom 02.07.1992 - 5 C 51.90 -, BVerwGE 90, 287; VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 28.04.1989 - 6 S 1 297/88 -).
43 
Ist die Behörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, so unterliegt die Verwaltungsentscheidung nur einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle gemäß § 114 S. 1 VwGO. Danach prüft das Gericht nur, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (§ 114 VwGO). Dies beinhaltet die Prüfung, ob die Behörde in ihre Ermessenserwägungen alle wesentlichen, den Streit zwischen den Beteiligten kennzeichnenden Gesichtspunkte eingestellt hat und ob sie dabei von einem richtigen und vollständigen Sachverhalt ausgegangen ist (VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 09.05.1994 - 7 S 2294/92 -). Die Ermessensentscheidung ist danach fehlerhaft, wenn die Behörde Umstände außer Betracht lässt, die zu berücksichtigen wären (vgl. hierzu und im weiteren auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 04.03.1998 - 9 S 1 637/97 -), desgleichen, wenn sie Umstände in die Ermessensbetätigung einstellt, die nicht ausreichend ermittelt sind aber auch, wenn sie einzelne Gesichtspunkte zwar erkennt, diese aber unzutreffend gewichtet.
44 
In Fällen, in denen die Zustimmung für die beabsichtigte Kündigung erteilt wird, kommt es für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage insoweit maßgeblich auf den Zeitpunkt des Bescheids an, der die Grundlage für die dann erklärte Kündigung war mit der Folge, dass erst nach Ausspruch der Kündigung eingetretene oder vom Schwerbehinderten danach mitgeteilte oder sonst wie bekannt gewordene Umstände die Rechtmäßigkeit der Ermessensbetätigung der Beklagten und damit der erteilten Zustimmung im Grundsatz nicht mehr berühren (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.11.2008, - 5 B 79.08 -, ; s. auch Verwaltungsgericht München, Urteil vom 18.11.2010, - M 15 K 09.5850 -, mit weiteren Nachweisen).
45 
Bei Ausübung ihres Ermessens hat sich die Behörde am Zweck des ermächtigenden Gesetzes zu orientieren. Nach der programmatischen Neuausrichtung des Schwerbehindertenrechts in § 1 SGB IX tritt an die Stelle der Fürsorge die Förderung der selbstbestimmten und gleichberechtigten Teilhabe am Arbeitsleben; deshalb hat das Integrationsamt zu prüfen, ob der Arbeitgeber im Rahmen des ihm Möglichen und Zumutbaren dem Anspruch des schwerbehinderten Menschen auf eine seinen Fähigkeiten gerecht werdende Beschäftigung Rechnung trägt (vgl. Urteil des VG Stuttgart vom 19.07.2004, - 8 K 3370/03, - unter Bezugnahme auf Dau/Düwell/Haines , Lehr- und Praxiskommentar LPK - SGB IX, 2002, Anm. 7 und 9 zu § 89). Schon nach dem früheren SchwbG war anerkannt, dass durch die Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen (nur) die Nachteile des Schwerbehinderten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeglichen werden sollen. Auch der Zweck des § 85 SGB IX geht deshalb dahin, die Schwerbehinderten vor den besonderen Gefahren, denen sie wegen ihrer Behinderung auf dem Arbeitsmarkt ausgesetzt sind, zu bewahren und sicherzustellen, dass sie gegenüber den gesunden Arbeitnehmern nicht ins Hintertreffen geraten. Das hat die Leitlinie bei der Ermessensentscheidung zu sein, ob der Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Schwerbehinderten zuzustimmen ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 05.12.2006 - 5 B 171.06 und Urt. v. 28.02.1968, BVerwGE 29, 140).
46 
Die formellen Voraussetzungen für die Erteilung der Zustimmung lagen hier zwar vor. Die nach § 85 SGB IX vorzunehmende Entscheidung des Beklagten ist entsprechend den Verfahrens- und Formvorschriften des SGB IX zustande gekommen. Damit war das Ermessen eröffnet. Die vorliegend angefochtene Ermessensentscheidung ist im Ergebnis aber zu beanstanden.
47 
Entgegen der Ansicht des Klägers durfte der Beklagte davon ausgehen, dass betriebsbedingte Gründe auf Seiten der Beigeladenen für die beantragte Zustimmung zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger dem Grunde nach vorlagen. Dies ist Kern der gesetzlichen Regelung nach § 1 Abs. 5 KSchG i.V.m. § 111 BetrVG, wonach bei Abschluss eines Interessenausgleichs zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, der die zu kündigenden Arbeitnehmer im Falle einer Betriebsänderung namentlich bezeichnet, eine Vermutung besteht, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist. In einem solchen Fall kann die soziale Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer (von der Arbeitsgerichtsbarkeit) nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.
48 
Entgegen der Ansicht der Beigeladenen und des Beklagten vermag diese gesetzliche Regelung den Kündigungsschutz der Schwerbehinderten nach dem SGB IX aber nicht - umfassend - beiseite zu schieben, auch wenn die Betriebsparteien im Rahmen des Verfahrens nach § 1 KSchG verpflichtet sind, u.a. die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers ausreichend zu berücksichtigen (Abs. 3 Satz 1 der Norm). Damit ist nämlich keine generelle Verlagerung des Schutzes der Schwerbehinderten als einer hoheitlichen Aufgabe vom hoheitlich handelnden Beklagten hin zu den Betriebsparteien gemeint. Der Schwerbehindertenschutz obliegt auch in einem solchen Fall gemäß § 85 SGB IX dem Integrationsamt. Dieses darf im Rahmen seiner Ermessensbetätigung lediglich für den „Normalfall“ davon ausgehen, die Betriebsparteien hätten im Rahmen der Vereinbarung eines Interessenausgleichs mit Namensliste die Interessen der Schwerbehinderten innerhalb der Belegschaft ausreichend berücksichtigt, wenn insoweit vorgetragen ist, etwa im Rahmen eines angewandten Punkte-Schemas, sei auch durch die Betriebsparteien dafür Sorge getragen worden, dass die im Betrieb beschäftigten schwerbehinderten Menschen in ihrer Gesamtheit nicht ins Hintertreffen geraten. Dann, aber nur dann, darf sich die Behörde in ihrem hoheitlichen Handeln der Vereinbarung der Betriebsparteien anschließen.
49 
Liegt dagegen ein Sonderfall vor, der erkennen lässt, dass gegenüber den Erwägungen, die die Betriebsparteien im Interessenausgleich nach § 1 Abs. 5 KSchG angestellt haben, weitergehende Umstände zu berücksichtigen sind, muss das Integrationsamt diese mit dem ihnen zukommendem Gewicht in seine anzustellende Ermessenserwägungen einstellen.
50 
Entgegen der Befürchtung der Beigeladenen wird hierdurch die Kompetenz der Betriebsparteien zum Abschluss eines Interessenausgleichs mit Namensliste gemäß § 1 Abs. 5 KSchG nicht „entwertet“. Es entspricht auch sonst der betrieblichen Praxis, dass kein Arbeitgeber darauf vertrauen kann, nachdem er mit dem Betriebsrat einen solchen Interessenausgleich mit Namensliste abgeschlossen hat, werde er die Kündigung all derer dort aufgeführten Mitarbeiter ohne jede Einschränkung durchführen können. Ein solcher Interessenausgleich mit Namensliste hat Bedeutung nur für die Frage, ob von der Annahme betrieblicher Gründe und einer ordnungsgemäßen Sozialauswahl gemäß § 1 KSchG auszugehen ist. Dagegen können sich zahlreiche andere Hemmnisse ergeben, die es letztlich unmöglich machen, tatsächlich eine Kündigung auszusprechen. So kann anderweitiger Kündigungsschutz etwa nach dem BetrVG oder dem MuSchG bestehen, der den Betriebsparteien verborgen geblieben ist. Auch kann ein tarifvertraglicher Kündigungsschutz vorliegen, der, etwa weil von einem falschen Geburtsjahr ausgegangen wurde, übersehen wurde. Schließlich können Formfehler u.ä. im Rahmen der Kündigungserklärung letztlich dazu führen, dass ein in einem Interessenausgleich mit Namensliste aufgeführter Mitarbeiter tatsächlich - etwa nach erfolgreicher Kündigungsschutzklage - weiter beschäftigt werden muss. Nicht anders stellt sich die Situation wie vorliegend dar. Die Aufnahme eines schwerbehinderten Menschen in die Namensliste zum Interessenausgleich ermöglicht es dem Arbeitgeber, gestützt auf betriebliche Gründe, einen Antrag auf Zustimmung zur Kündigung an das Integrationsamt zu richten. Eine absolute Gewähr dahingehend, dass die Zustimmungsentscheidung positiv ergeht, haben die Betriebsparteien gleichwohl nicht. Das Ermessen des Integrationsamtes wird durch Vorlage des Interessenausgleichs mit Namensliste nicht „auf Null“ reduziert.
51 
Namentlich wenn das Integrationsamt erkennen muss, dass vorliegend von einem Sonderfall auszugehen ist, hat eine eigenständige Ermessensbetätigung der Behörde zu erfolgen. So lag es hier.
52 
Der Ausnahmefall liegt darin begründet, dass die Beigeladene durch die von ihr geplante und durchgeführte Personalanpassungsmaßnahme nunmehr ihre gesetzliche Pflicht aus § 71 Abs. 1 SGB IX nicht mehr erfüllt. Dies hat sowohl die Beigeladene im Verwaltungsverfahren auch eingestanden, als auch der Beklagte ausweislich der angegriffenen Bescheide durchaus gesehen. Er hat diesem Umstand jedoch nicht die ihm zukommende Bedeutung beigemessen. Die Beschäftigungspflicht nach § 71 Abs. 1 SGB IX ist nach § 156 Abs. 1 SGB IX bußgeldbewehrt. Es handelt sich um eine durchaus erhebliche Rechtspflicht, die die Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) konkretisiert. Eine Suspendierung von dieser gesetzlichen Pflicht kann keinesfalls durch die Betriebsparteien erfolgen. Diese sind vielmehr nur dann, wenn sie sich innerhalb des gesetzlichen Rahmens bewegen - und im Übrigen die Belange der schwerbehinderten Menschen gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG ausreichend berücksichtigen - „frei“, mit für das Integrationsamt vorprägender Wirkung im Rahmen von Massenentlassungen auch schwerbehinderte Menschen als zu kündigende Mitarbeiter zu bestimmen. Ansonsten scheitert auch ihre Gestaltungsmöglichkeit an dem gesetzlichen Schutz der Schwerbehinderten, der insbesondere in § 71 Abs. 1 SGB IX seinen quantifizierbaren Ausdruck erhalten hat. Diesem Kriterium kommt daher erhebliche Bedeutung zu. Dies zeigt im Übrigen auch die Bestimmung des § 89 Abs. 1 Satz 2 SGB IX. Dort wird gerade bei Kündigung in Betrieben, die nicht nur vorübergehend wesentlich eingeschränkt werden, danach unterschieden, ob die Zahl der weiterhin beschäftigten schwerbehinderten Menschen zur Erfüllung der Beschäftigungspflicht nach § 71 SGB IX ausreicht.
53 
Der Beklagte hätte sich hier daher nicht damit begnügen dürfen, im Rahmen der Ermessenserwägung in dem angegriffenen Bescheid lediglich festzustellen, dass die Beschäftigungspflicht nach § 71 SGB IX durch die Beigeladene nun nicht mehr erfüllt wird. Vielmehr hätte er - in der Art einer Unzumutbarkeitsprüfung - dahingehend Erwägungen anstellen müssen, ob der Beigeladenen im vorliegenden Fall ein Dispens von dieser gesetzlichen Pflicht zu erteilen war. Nachdem zwischen den Beteiligten weder umstritten ist, dass die Beigeladene ihre Beschäftigungspflicht nach § 71 Abs. 1 SGB IX nicht mehr erfüllt, noch, dass der Arbeitsplatz des Klägers, Kostenstelle 237, nach wie vor existiert und derzeit von einem anderen - jüngeren - Mitarbeiter ausgeführt wird, waren für eine entsprechende Unzumutbarkeit auf Seiten der Beigeladenen keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich. Die gleichwohl erteilte Zustimmung des Beklagten stellt sich damit als ermessensfehlerhaft dar.
54 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und Abs. 3 VwGO, § 188 S. 2 VwGO.
55 
Die Zulassung der Berufung ergibt sich aus § 124 a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO; die grundsätzliche Bedeutung ist offensichtlich.

Tenor

Der Bescheid des Beklagten vom 28.06.2004 und dessen Widerspruchsbescheid vom 15.10.2004 werden aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des - gerichtskostenfreien - Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Zustimmung zu seiner Kündigung nach SGB IX.
Der Kläger ist 1953 geboren und mit einem GdB von 30 seit dem 16.06.1998 durch Bescheid des Arbeitsamtes ... schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Er ist seit 12.04.1976 als Kopfteilpolsterer bei der Beigeladenen in ... beschäftigt.
Mit Schreiben vom 03.05.2004 beantragte die Beigeladene beim Integrationsamt in Stuttgart die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger. Zur Begründung wurde angeführt: Durch den Beschluss des Amtsgerichtes ... vom ... sei das Insolvenzverfahren eröffnet und Herr Rechtsanwalt ... zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma ... bestellt worden. Dieser habe festgestellt, dass nur mit einem finanzstarken Partner bzw. Investor aus der Möbelindustrie realistische Chancen für das Überleben des Unternehmens bestünden. Zur Förderung des Kaufinteresses und zur Wiedererlangung der Wettbewerbsfähigkeit sei in Abstimmung mit der Arbeitnehmervertretung die marktbedingte Reduzierung des Produktionsbetriebes einschließlich der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der Abbau des Personalbestandes im Werk ... von 46 Arbeitnehmern aus der Fertigung und 30 Arbeitnehmern aus der Verwaltung in Angriff genommen worden. Grundlage sei eine Prognose des Personalbedarfs für eine kostendeckende Produktion gewesen, auf der dann die genaue Arbeitsplatzanzahl in den jeweiligen Abteilungen festgelegt worden sei. Nach Einteilung der einzelnen Arbeitnehmer in die verschiedenen Beschäftigungs- und Qualitätsgruppen sei dann eine Sozialauswahl entsprechend der im Interessenausgleich festgelegten Punkteskala durchgeführt worden. Daraus habe sich die mit dem Gesamtbetriebsrat vereinbarte Namensliste ergeben. Hiervon sei auch der Kläger betroffen, der jedoch die Möglichkeit habe, in eine Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft zu wechseln. Nach dem Personalabbau werde die Schwerbehindertenquote nicht mehr erfüllt.
Der Kläger trat der beabsichtigten Kündigung entgegen und führte aus: Er werde bei der derzeitigen wirtschaftlichen Lage sicher Schwierigkeiten haben, einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Seiner Meinung nach sei auch die Sozialauswahl nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden.
Mit Bescheid vom 28.06.2004 erteilte das Integrationsamt des Beklagten die beantragte Zustimmung. Hiergegen erhob der Kläger am 09.07.2004 Widerspruch. Zur Begründung ließ der Kläger ausführen: Die Entscheidung des Integrationsamtes sei ermessensfehlerhaft getroffen worden. Es bestehe ein direkter Zusammenhang zwischen den Kündigungsgründen und der Behinderung des Klägers, da vor allem behinderte Arbeitnehmer gekündigt worden seien. Die Behinderung des Klägers nicht angemessen berücksichtigt worden und das Integrationsamt hätte die Zustimmung zur Kündigung nicht erteilen dürfen. Der Wegfall des Arbeitsplatzes des Klägers sei nicht aufgrund einer unternehmerischer Entscheidung erfolgt. Der Insolvenzverwalter habe seiner Fürsorgepflicht hinsichtlich der Behinderung des Klägers nicht Genüge getan. Aus diesem Grunde liege der Kündigung eine willkürliche Argumentation zugrunde.
Im Widerspruchsverfahren führte der Insolvenzverwalter der Beigeladenen aus: Es bestehe kein Zusammenhang zwischen den Kündigungsgründen und der Behinderung des Klägers, insbesondere würden nicht vor allem behinderte Mitarbeiter gekündigt. Es seien entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen die Sozialauswahlkriterien beachtet und in einen mit dem Betriebsrat festgelegten Interessenausgleich mit Namensliste niedergelegt worden. Die Gründe für die Kündigung seien ausschließlich betrieblicher Natur, welche im Interessenausgleich im Einzelnen dargestellt seien. Bei der Sozialauswahl seien sämtliche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zunächst in Qualifikationsgruppen eingeteilt worden. Sodann seien zur Erhaltung bzw. Schaffung einer ausgewogenen Altersstruktur Altersgruppen gebildet und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in die verschiedenen Altersgruppen eingeteilt worden. Daraufhin sei aufgrund der im Interessenausgleich vereinbarten Sozialauswahlkriterien ein Punktesystem aufgestellt worden, wonach dann die Sozialauswahl durchgeführt worden sei. Dabei sei auch die Behinderung der Mitarbeiter berücksichtigt worden.
In der am 25.06.2004 durchgeführten Erörterungsverhandlung wurde die getroffene Sozialauswahl vom Arbeitgebervertreter erläutert und die grundsätzlichen Bedingungen für einen Wechsel zur BQG besprochen.
Der Betriebsrat sowie die Schwerbehindertenvertretung teilten im Rahmen ihrer Anhörung mit, die beantragte Kündigung sei nach langer und eingehender Beratung und Abschluss eines Interessensausgleichs sowie eines Sozialplanes zwischen Betriebsrat, Gesamtbetriebsrat und Geschäftleitung (Insolvenzverwalter) der Firma ... nicht abzuwenden gewesen. Dem Zustimmungsantrag werde daher seitens des Betriebsrates und der Schwerbehindertenvertretung nicht widersprochen.
Mit Bescheid vom 15.10.2004 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt: Zwar liege kein Fall des § 89 Abs. 3 SGB IX vor, so dass hinsichtlich der Zustimmung keine Ermessensreduzierung bestanden habe. Da die Kündigungsgründe in keinem Zusammenhang mit der Behinderung des Klägers stünden, verliere der besondere Kündigungsschutz nach dem SGB IX jedoch an Intensität. Es handele sich um eine nachvollziehbare unternehmerische Entscheidung, deren Zweckmäßigkeit nur im arbeitsgerichtlichen Verfahren überprüft werden könne, gleiches gelte für die Sozialauswahl, die nicht ersichtlich fehlerhaft sei. Anhaltspunkte dafür, dass die betrieblichen Gründe nur vorgeschoben würden, bestünden nicht. Bei der Ermessensentscheidung würden die Auswirkungen der Kündigung auf den Kläger erkannt, aber nicht den Vorrang vor den betrieblichen Umstrukturierungen gewinnen. - Der Bescheid wurde am 15.10.2004 als Einschreiben zur Post gegeben.
10 
Am 12.11.2004 hat der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben. Zur Begründung wird vorgebracht: Die Zustimmung sei ermessensfehlerhaft. Die Beigeladene könne nicht die Beschäftigungsquote nach § 71 SGB IX einhalten, auch habe die Kündigung äußerst schwerwiegende soziale Auswirkungen für den Kläger. Ihm sei wegen seiner Behinderung gekündigt worden, weil eine "gesunde" Belegschaft besser an einen zahlungskräftigen Investor zu vermitteln wäre. Der Beklagte hätte niemals den wirtschaftlichen Interessen der Beigeladenen den Vorrang vor der Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers einräumen dürfen.
11 
Der Kläger beantragt,
12 
den Bescheid des Integrationsamtes des Beklagten vom 28.06.2004 und dessen Widerspruchsbescheid vom 15.10.2004 aufzuheben.
13 
Der Beklagte beantragt,
14 
die Klage abzuweisen.
15 
Er bezieht sich auf die angefochtenen Bescheide und führt noch aus: Der Kläger habe keinen Beweis für seine Behauptung angetreten, es sei der Beigeladenen um die Erlangung einer "gesunden" Belegschaft gegangen.
16 
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
17 
Dem Gericht lagen die Akten der Behörde vor. Hierauf, auf die gewechselten Schriftsätze und auf die Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
18 
Die Klage ist zulässig und auch begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Gericht hält die mit den angefochtenen Bescheiden erteilte Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des Klägers zu dessen Lasten für rechtsfehlerhaft.
19 
Das Kündigungsschutzrecht des SGB IX findet auf den Kläger Anwendung. Zwar ist der Kläger mit einem GdB von 30 nicht schwerbehinderter Mensch im Sinne des § 2 Abs. 2 des SGB IX. Jedoch hat ihn das Arbeitsamt ... (Agentur für Arbeit) mit Bescheid vom 16.06.1998 schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Folge dieser Gleichstellung ist u.a., dass die speziellen Kündigungsschutzregelungen des SGB IX auf den Kläger Anwendung finden (§ 68 Abs. 1 und 3 SGB IX).
20 
Daher bedurfte die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses durch die Beigeladene der vorherigen Zustimmung des Beklagten als Integrationsamt (§ 85 SGB IX).
21 
Über einen Antrag des Arbeitgebers auf Erteilung der Zustimmung hat das Integrationsamt nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden (BVerwG, Urteil vom 02.07.1992, - 5 C 51.90 BVerwGE 90, 287- VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 28.04.1989 - 6 S 1 971/88 -). Ist die Behörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, so unterliegt die Verwaltungsentscheidung nur einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle gemäß § 114 S. 1 VwGO. Danach prüft das Gericht nur, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist, insbesondere ob die Behörde in ihre Ermessenserwägungen alle wesentlichen, den Streit zwischen den Beteiligten kennzeichnenden Gesichtspunkte eingestellt hat und ob sie dabei von einem richtigen und vollständigen Sachverhalt ausgegangen ist (VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 09.05.1994 - 7 S 2294192 -). Die Ermessensentscheidung ist danach fehlerhaft, wenn die Behörde Umstände außer Betracht lässt, die zu berücksichtigen wären (vgl. hierzu und im weiteren auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 04.03.1998 - 9 S 1 637197 -).
22 
Bei Ausübung ihres Ermessens hat sich die Behörde am Zweck des ermächtigenden Gesetzes zu orientieren. Nach der programmatischen Neuausrichtung des Schwerbehindertenrechts in § 1 SGB IX tritt an die Stelle der Fürsorge die Förderung der selbstbestimmten und gleichberechtigten Teilhabe am Arbeitsleben; deshalb hat das Integrationsamt zu prüfen, ob der Arbeitgeber im Rahmen des ihm Möglichen und Zumutbaren dem Anspruch des schwerbehinderten Menschen auf eine seinen Fähigkeiten gerecht werdenden Beschäftigung Rechnung trägt (vgl. Urteil der Kammer vom 19.07.2004, - 8 K 3370103, - unter Bezugnahme auf Dau, Düwell, Haines (Hrsg.), Lehr- und Praxiskommentar LPK - SGB IX, 2002, Anm. 7 und 9 zu § 89). Schon nach dem bisherigen Recht war anerkannt, dass durch die Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen (nur) die Nachteile des Schwerbehinderten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeglichen werden sollen. Auch der Zweck des § 85 SGB IX geht deshalb dahin, die Schwerbehinderten vor den besonderen Gefahren, denen sie wegen der Behinderung auf dem Arbeitsmarkt ausgesetzt sind, zu bewahren und sicherzustellen, dass sie gegenüber den gesunden Arbeitnehmern nicht ins Hintertreffen geraten. Dieser Aspekt hat auch die Leitlinie bei der Ermessensentscheidung zu sein, ob der Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Schwerbehinderten zuzustimmen ist. Diese Entscheidung erfordert deshalb eine Abwägung des Interesses des Arbeitgebers an der Erhaltung seiner Gestaltungsmöglichkeiten gegen das Interesse des schwerbehinderten Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes. Damit werden die Grenzen dessen bestimmt, was zur Verwirklichung des dem Schwerbehinderten gebührenden weitgehenden Teilhabeanspruchs dem Arbeitgeber zugemutet werden darf (BVerwG, Urteil vom 02.07.1992 - 5 C 51.90 BVerwGE 90, 287, 292 f. m. w. N. zum SchwbG).
23 
Bei seiner Ermessensentscheidung muss das Integrationsamt allerdings nur solche Umstände berücksichtigen, die sich ihm bei vernünftiger Überlegung aufdrängen oder auf die es durch die Beteiligten hingewiesen wird, nicht aber auch solche denkbaren weiteren Umstände, die den persönlichen Lebensbereich des Schwerbehinderten berühren, von ihm aber im Verwaltungsverfahren nicht geltend gemacht werden (BVerwG, Beschluss vom 22.11.1994 - 5 B 16.94 -, Buchholz 436.61 § 85 SGB IX Nr. 8; Beschluss vom 23.09.1997 - 9 S 1635196).
24 
Haben die zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses führenden Gründe in der Behinderung selbst ihre Ursache, stellt der Schwerbehindertenschutz besondere Anforderungen an die bei der Interessenabwägung immer zu berücksichtigende Zumutbarkeitsgrenze beim Arbeitgeber, um den im Schwerbehindertenrecht zum Ausdruck kommenden Schutzgedanken der Rehabilitation verwirklichen zu können. Dies kann im Einzelfall dazu führen, dass das Interesse des Arbeitgebers an der Vermeidung aller Störungen des betrieblichen Ablaufs in zumutbarer Weise zurücktreten muss (BVerwG, Urteil vom 27.10.1971 V C 78.70 -, BVerwGE 39, 36 <38>-, Beschluss vom 18.09.1989 - 5 B 100.89 Buchholz 436.61 § 15 SchwbG 1986 Nr. 2 und Beschluss vom 16.06.1990 - 5 B 1 27.89 -, Buchholz a.a.0. Nr. 3).
25 
Anders verhält es sich grundsätzlich bei betriebsbedingten Kündigungen. In solchen Fällen wird nicht der schwerbehinderte Mensch in seiner durch das körperliche Leiden bedingten Stellung im Wirtschaftsleben berührt, sondern geht es regelmäßig um die allgemeinen sozialen Interessen des einzelnen Schwerbehinderten als Arbeitnehmer. Nach der Rechtsprechung des BVerwG ist der besondere Schutz des § 85 SGB IX dem schwerbehinderten Menschen zusätzlich zum allgemeinen arbeitsrechtlichen Schutz gegeben. Das bedeutet, dass der schwerbehinderte Mensch, wenn das Integrationsamt der Kündigung zugestimmt hat, noch den Schutz des Kündigungsschutzgesetzes in Anspruch nehmen und eine arbeitsgerichtliche Nachprüfung herbeiführen kann, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt im Sinne dieses Gesetzes ist. Das Integrationsamt hat deshalb nicht gleichsam parallel zum Arbeitsgericht über die Frage der Sozialwidrigkeit der Kündigung zu befinden. Bei der Entscheidung, ob die Zustimmung erteilt oder versagt werden soll, können vielmehr nur Erwägungen eine Rolle spielen, die sich speziell aus der Schwerbehindertenfürsorge herleiten (vgl. Urteil vom 02.07.1992, BVerwGE 90, 287 ff mit weiteren Nachweisen).
26 
Dabei kommt es in den Fällen wie hier für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblich auf den Zeitpunkt des Ausgangsbescheids an (vgl. VGH Baden-Württemberg Urteil vom 05.08.96, - 7 S 3383194 - unter Hinweis auf BVerwG, Buchholz 436. 61 § 12 SchwbG Nr. 3), der die Grundlage für die dann erklärte Kündigung war. Die seither eingetretenen oder bekannt gewordenen Umstände können daher die Rechtmäßigkeit der erteilten Zustimmung nicht mehr berühren.
27 
Die formellen und materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der Zustimmung lagen hier vor.
28 
Damit war das Ermessen eröffnet. Eine unbedingte Bindung des Ermessens im Sinne der Sollensregelung des § 89 Abs. 3 SGB IX besteht, worüber die Beteiligten nicht streiten, im vorliegenden Fall nicht. Zwar ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen des früheren Arbeitgebers des Klägers eröffnet worden, jedoch fehlt es an den Voraussetzungen nach Ziff. 4 der Vorschrift, wie der Vertreter der Beigeladenen gegenüber dem Beklagten im Verwaltungsverfahren mit Schreiben vom 01.06.2004 ausführlich dargelegt hatte.
29 
Der Beklagte hat aber von dem ihm eingeräumten Ermessen nicht fehlerfrei Gebrauch gemacht. Er ist, worauf der Kläger zutreffend hat hinweisen lassen, zu Unrecht davon ausgegangen, dass er die der Kündigung zugrunde liegende Sozialauswahl nicht in seine Ermessenserwägungen einzustellen brauchte.
30 
Zwar hat das Integrationsamt, wie bereits ausführlich dargelegt, grundsätzlich nicht über die Sozialwidrigkeit der Kündigung zu befinden. Es hat aber sehr wohl zu prüfen, ob die vom Arbeitgeber vorgenommene Sozialauswahl unter schwerbehindertenrechtlichen Gesichtspunkten nicht sachwidrig betrieben worden ist, also die spezifisch aus dem Anspruch schwerbehinderter Menschen auf Förderung und Teilhabe am Arbeitsleben herrührenden Gesichtspunkte in die Auswahl eingeflossen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.11.1999, BVerwGE 110, 67 ff mit weiteren Nachweisen). Deshalb ist es ausnahmsweise auch zulässig, in Fällen betriebsbedingter Kündigung die Versagung der Zustimmung darauf zu stützen, dass diese in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht offensichtlich unwirksam wäre (vgl. Dau/Düwell/ Hains, Lehr- und Praxiskommentar SGB IX, Anm. 5 zu § 89; BVerwG, Urteil vom 02.07.1992, aaO.).
31 
Vorliegend leidet die Ermessensbetätigung des Beklagten daran, dass er die nach diesen Grundsätzen von ihm zu berücksichtigende offensichtliche Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl nicht eingestellt hat. Offensichtlich fehlerhaft ist die dem Zustimmungsantrag zugrunde gelegte Sozialauswahl vorliegend deshalb, weil sie die Gruppe der den schwerbehinderten Menschen Gleichgestellten völlig unberücksichtigt gelassen hat. Im Interessenausgleich zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Gesamtbetriebsrat vom 21.04.2004 wurden als Auswahlrichtlinien für die Sozialauswahl u.a. die "Schwerbehinderung ab einem Grad der Behinderung von 50 mit 5 Punkten, sowie je weiteren 10 Grad einen weiteren Punkt" festgelegt (vgl. § 4 2. (5) der Vereinbarung). Mit dieser Festlegung wurde allerdings die Benachteiligung von behinderten Menschen, die keinen GdB von mindestens 50 aufweisen, außer acht gelassen. Dies führte zu einem Ausschluss der Berücksichtigung der behinderungsbedingten Nachteile bei der Sozialauswahl für die gesamte Gruppe der Gleichgestellten im Sinne de § 2 Abs. 3 SGB IX , die schon von Gesetzes wegen sämtlich keinen GdB von 50 aufweisen können.
32 
Es handelt sich auch um einen unter dem Gesichtpunkt der Teilhabe behinderter Menschen relevante und damit vom Beklagten zu berücksichtigenden Umstand. Die unterlassene Berücksichtigung der Personen im Sinne des § 2 Abs. 3 SGB IX steht in direktem Widerspruch zu den relevanten Zielsetzungen des SGB IX. Denn die Gleichstellung soll dem Betreffenden einen Anspruch auf Wahrung der Chancengleichheit im Arbeitsleben vermitteln, den er benötigt, weil er infolge seiner Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX nicht erlangen oder nicht beibehalten kann (vgl. § 2 Abs. 3 SGB IX). Deshalb findet - wie ausgeführt - u.a. auch der besondere öffentlich-rechtliche Kündigungsschutz auf Gleichgestellte wie auf Scherbehinderte Anwendung. Es ist deshalb Aufgabe der Integrationsämter, darauf zu achten, dass nicht nur die schwerbehinderten Menschen, sondern auch Personen, die ihnen gleichgestellt sind, diesen besonderen öffentlich-rechtlichen Kündigungsschutz erfahren.
33 
Der Beklagte hat diesen Umstand nicht in seine Ermessenserwägungen eingestellt und es bestehen auch keine Hinweise darauf, dass er sich dessen überhaupt bewusst war. Dieses Defizit beinhaltet zugleich auch einen Aufklärungsmangel. Denn der Beklagte hätte in Kenntnis der Bedeutung der genannten Regelung in dem vereinbarten Interessenausgleich Feststellungen treffen müssen, ob und ggfs. wie sich eine etwa an die Gewichtung der Schwerbehinderung anlehnende Berücksichtigung der Gleichstellung auf die Sozialauswahl zulasten des Klägers ausgewirkt hätte (zum Umfang der Amtsermittlungspflicht vgl. BVerwG, Urteil vom 02.07.1992, aaO.).
34 
Schließlich kann keinesfalls ausgeschlossen werden, dass die Ermessensentscheidung des Beklagten bei entsprechender Sachkenntnis anders ausgefallen wäre. Unter arbeitsrechtlichen Gesichtpunkten führt eine fehlerhafte Sozialauswahl nur dann ausnahmsweise nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung, wenn der Arbeitnehmer auch bei einer zutreffenden Sozialauswahl zweifelsfrei als sozial stärkerer Arbeitnehmer zur Kündigung angestanden hätte (vgl. Becker u.a., Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz, 6.A., § 1 KSchG, Anm. 632 mit weiteren Nachweisen). Die muss im Rahmen der Ermessensbetätigung nach § 85 SGB IX auch Berücksichtigung finden, wenn diese ausnahmsweise die Sozialauswahl in die Erwägungen einstellen muss.
35 
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 und § 154 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladene keinen Klage(-abweisungs) antrag gestellt und somit kein Kostenrisiko auf sich genommen hat, trägt sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst (§ 162 Abs. 3 VwGO. - Gemäß § 188 S. 2 ist das Verfahren gerichtskostenfrei.

Gründe

 
18 
Die Klage ist zulässig und auch begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Gericht hält die mit den angefochtenen Bescheiden erteilte Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des Klägers zu dessen Lasten für rechtsfehlerhaft.
19 
Das Kündigungsschutzrecht des SGB IX findet auf den Kläger Anwendung. Zwar ist der Kläger mit einem GdB von 30 nicht schwerbehinderter Mensch im Sinne des § 2 Abs. 2 des SGB IX. Jedoch hat ihn das Arbeitsamt ... (Agentur für Arbeit) mit Bescheid vom 16.06.1998 schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Folge dieser Gleichstellung ist u.a., dass die speziellen Kündigungsschutzregelungen des SGB IX auf den Kläger Anwendung finden (§ 68 Abs. 1 und 3 SGB IX).
20 
Daher bedurfte die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses durch die Beigeladene der vorherigen Zustimmung des Beklagten als Integrationsamt (§ 85 SGB IX).
21 
Über einen Antrag des Arbeitgebers auf Erteilung der Zustimmung hat das Integrationsamt nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden (BVerwG, Urteil vom 02.07.1992, - 5 C 51.90 BVerwGE 90, 287- VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 28.04.1989 - 6 S 1 971/88 -). Ist die Behörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, so unterliegt die Verwaltungsentscheidung nur einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle gemäß § 114 S. 1 VwGO. Danach prüft das Gericht nur, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist, insbesondere ob die Behörde in ihre Ermessenserwägungen alle wesentlichen, den Streit zwischen den Beteiligten kennzeichnenden Gesichtspunkte eingestellt hat und ob sie dabei von einem richtigen und vollständigen Sachverhalt ausgegangen ist (VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 09.05.1994 - 7 S 2294192 -). Die Ermessensentscheidung ist danach fehlerhaft, wenn die Behörde Umstände außer Betracht lässt, die zu berücksichtigen wären (vgl. hierzu und im weiteren auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 04.03.1998 - 9 S 1 637197 -).
22 
Bei Ausübung ihres Ermessens hat sich die Behörde am Zweck des ermächtigenden Gesetzes zu orientieren. Nach der programmatischen Neuausrichtung des Schwerbehindertenrechts in § 1 SGB IX tritt an die Stelle der Fürsorge die Förderung der selbstbestimmten und gleichberechtigten Teilhabe am Arbeitsleben; deshalb hat das Integrationsamt zu prüfen, ob der Arbeitgeber im Rahmen des ihm Möglichen und Zumutbaren dem Anspruch des schwerbehinderten Menschen auf eine seinen Fähigkeiten gerecht werdenden Beschäftigung Rechnung trägt (vgl. Urteil der Kammer vom 19.07.2004, - 8 K 3370103, - unter Bezugnahme auf Dau, Düwell, Haines (Hrsg.), Lehr- und Praxiskommentar LPK - SGB IX, 2002, Anm. 7 und 9 zu § 89). Schon nach dem bisherigen Recht war anerkannt, dass durch die Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen (nur) die Nachteile des Schwerbehinderten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeglichen werden sollen. Auch der Zweck des § 85 SGB IX geht deshalb dahin, die Schwerbehinderten vor den besonderen Gefahren, denen sie wegen der Behinderung auf dem Arbeitsmarkt ausgesetzt sind, zu bewahren und sicherzustellen, dass sie gegenüber den gesunden Arbeitnehmern nicht ins Hintertreffen geraten. Dieser Aspekt hat auch die Leitlinie bei der Ermessensentscheidung zu sein, ob der Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Schwerbehinderten zuzustimmen ist. Diese Entscheidung erfordert deshalb eine Abwägung des Interesses des Arbeitgebers an der Erhaltung seiner Gestaltungsmöglichkeiten gegen das Interesse des schwerbehinderten Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes. Damit werden die Grenzen dessen bestimmt, was zur Verwirklichung des dem Schwerbehinderten gebührenden weitgehenden Teilhabeanspruchs dem Arbeitgeber zugemutet werden darf (BVerwG, Urteil vom 02.07.1992 - 5 C 51.90 BVerwGE 90, 287, 292 f. m. w. N. zum SchwbG).
23 
Bei seiner Ermessensentscheidung muss das Integrationsamt allerdings nur solche Umstände berücksichtigen, die sich ihm bei vernünftiger Überlegung aufdrängen oder auf die es durch die Beteiligten hingewiesen wird, nicht aber auch solche denkbaren weiteren Umstände, die den persönlichen Lebensbereich des Schwerbehinderten berühren, von ihm aber im Verwaltungsverfahren nicht geltend gemacht werden (BVerwG, Beschluss vom 22.11.1994 - 5 B 16.94 -, Buchholz 436.61 § 85 SGB IX Nr. 8; Beschluss vom 23.09.1997 - 9 S 1635196).
24 
Haben die zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses führenden Gründe in der Behinderung selbst ihre Ursache, stellt der Schwerbehindertenschutz besondere Anforderungen an die bei der Interessenabwägung immer zu berücksichtigende Zumutbarkeitsgrenze beim Arbeitgeber, um den im Schwerbehindertenrecht zum Ausdruck kommenden Schutzgedanken der Rehabilitation verwirklichen zu können. Dies kann im Einzelfall dazu führen, dass das Interesse des Arbeitgebers an der Vermeidung aller Störungen des betrieblichen Ablaufs in zumutbarer Weise zurücktreten muss (BVerwG, Urteil vom 27.10.1971 V C 78.70 -, BVerwGE 39, 36 <38>-, Beschluss vom 18.09.1989 - 5 B 100.89 Buchholz 436.61 § 15 SchwbG 1986 Nr. 2 und Beschluss vom 16.06.1990 - 5 B 1 27.89 -, Buchholz a.a.0. Nr. 3).
25 
Anders verhält es sich grundsätzlich bei betriebsbedingten Kündigungen. In solchen Fällen wird nicht der schwerbehinderte Mensch in seiner durch das körperliche Leiden bedingten Stellung im Wirtschaftsleben berührt, sondern geht es regelmäßig um die allgemeinen sozialen Interessen des einzelnen Schwerbehinderten als Arbeitnehmer. Nach der Rechtsprechung des BVerwG ist der besondere Schutz des § 85 SGB IX dem schwerbehinderten Menschen zusätzlich zum allgemeinen arbeitsrechtlichen Schutz gegeben. Das bedeutet, dass der schwerbehinderte Mensch, wenn das Integrationsamt der Kündigung zugestimmt hat, noch den Schutz des Kündigungsschutzgesetzes in Anspruch nehmen und eine arbeitsgerichtliche Nachprüfung herbeiführen kann, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt im Sinne dieses Gesetzes ist. Das Integrationsamt hat deshalb nicht gleichsam parallel zum Arbeitsgericht über die Frage der Sozialwidrigkeit der Kündigung zu befinden. Bei der Entscheidung, ob die Zustimmung erteilt oder versagt werden soll, können vielmehr nur Erwägungen eine Rolle spielen, die sich speziell aus der Schwerbehindertenfürsorge herleiten (vgl. Urteil vom 02.07.1992, BVerwGE 90, 287 ff mit weiteren Nachweisen).
26 
Dabei kommt es in den Fällen wie hier für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblich auf den Zeitpunkt des Ausgangsbescheids an (vgl. VGH Baden-Württemberg Urteil vom 05.08.96, - 7 S 3383194 - unter Hinweis auf BVerwG, Buchholz 436. 61 § 12 SchwbG Nr. 3), der die Grundlage für die dann erklärte Kündigung war. Die seither eingetretenen oder bekannt gewordenen Umstände können daher die Rechtmäßigkeit der erteilten Zustimmung nicht mehr berühren.
27 
Die formellen und materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der Zustimmung lagen hier vor.
28 
Damit war das Ermessen eröffnet. Eine unbedingte Bindung des Ermessens im Sinne der Sollensregelung des § 89 Abs. 3 SGB IX besteht, worüber die Beteiligten nicht streiten, im vorliegenden Fall nicht. Zwar ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen des früheren Arbeitgebers des Klägers eröffnet worden, jedoch fehlt es an den Voraussetzungen nach Ziff. 4 der Vorschrift, wie der Vertreter der Beigeladenen gegenüber dem Beklagten im Verwaltungsverfahren mit Schreiben vom 01.06.2004 ausführlich dargelegt hatte.
29 
Der Beklagte hat aber von dem ihm eingeräumten Ermessen nicht fehlerfrei Gebrauch gemacht. Er ist, worauf der Kläger zutreffend hat hinweisen lassen, zu Unrecht davon ausgegangen, dass er die der Kündigung zugrunde liegende Sozialauswahl nicht in seine Ermessenserwägungen einzustellen brauchte.
30 
Zwar hat das Integrationsamt, wie bereits ausführlich dargelegt, grundsätzlich nicht über die Sozialwidrigkeit der Kündigung zu befinden. Es hat aber sehr wohl zu prüfen, ob die vom Arbeitgeber vorgenommene Sozialauswahl unter schwerbehindertenrechtlichen Gesichtspunkten nicht sachwidrig betrieben worden ist, also die spezifisch aus dem Anspruch schwerbehinderter Menschen auf Förderung und Teilhabe am Arbeitsleben herrührenden Gesichtspunkte in die Auswahl eingeflossen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.11.1999, BVerwGE 110, 67 ff mit weiteren Nachweisen). Deshalb ist es ausnahmsweise auch zulässig, in Fällen betriebsbedingter Kündigung die Versagung der Zustimmung darauf zu stützen, dass diese in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht offensichtlich unwirksam wäre (vgl. Dau/Düwell/ Hains, Lehr- und Praxiskommentar SGB IX, Anm. 5 zu § 89; BVerwG, Urteil vom 02.07.1992, aaO.).
31 
Vorliegend leidet die Ermessensbetätigung des Beklagten daran, dass er die nach diesen Grundsätzen von ihm zu berücksichtigende offensichtliche Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl nicht eingestellt hat. Offensichtlich fehlerhaft ist die dem Zustimmungsantrag zugrunde gelegte Sozialauswahl vorliegend deshalb, weil sie die Gruppe der den schwerbehinderten Menschen Gleichgestellten völlig unberücksichtigt gelassen hat. Im Interessenausgleich zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Gesamtbetriebsrat vom 21.04.2004 wurden als Auswahlrichtlinien für die Sozialauswahl u.a. die "Schwerbehinderung ab einem Grad der Behinderung von 50 mit 5 Punkten, sowie je weiteren 10 Grad einen weiteren Punkt" festgelegt (vgl. § 4 2. (5) der Vereinbarung). Mit dieser Festlegung wurde allerdings die Benachteiligung von behinderten Menschen, die keinen GdB von mindestens 50 aufweisen, außer acht gelassen. Dies führte zu einem Ausschluss der Berücksichtigung der behinderungsbedingten Nachteile bei der Sozialauswahl für die gesamte Gruppe der Gleichgestellten im Sinne de § 2 Abs. 3 SGB IX , die schon von Gesetzes wegen sämtlich keinen GdB von 50 aufweisen können.
32 
Es handelt sich auch um einen unter dem Gesichtpunkt der Teilhabe behinderter Menschen relevante und damit vom Beklagten zu berücksichtigenden Umstand. Die unterlassene Berücksichtigung der Personen im Sinne des § 2 Abs. 3 SGB IX steht in direktem Widerspruch zu den relevanten Zielsetzungen des SGB IX. Denn die Gleichstellung soll dem Betreffenden einen Anspruch auf Wahrung der Chancengleichheit im Arbeitsleben vermitteln, den er benötigt, weil er infolge seiner Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX nicht erlangen oder nicht beibehalten kann (vgl. § 2 Abs. 3 SGB IX). Deshalb findet - wie ausgeführt - u.a. auch der besondere öffentlich-rechtliche Kündigungsschutz auf Gleichgestellte wie auf Scherbehinderte Anwendung. Es ist deshalb Aufgabe der Integrationsämter, darauf zu achten, dass nicht nur die schwerbehinderten Menschen, sondern auch Personen, die ihnen gleichgestellt sind, diesen besonderen öffentlich-rechtlichen Kündigungsschutz erfahren.
33 
Der Beklagte hat diesen Umstand nicht in seine Ermessenserwägungen eingestellt und es bestehen auch keine Hinweise darauf, dass er sich dessen überhaupt bewusst war. Dieses Defizit beinhaltet zugleich auch einen Aufklärungsmangel. Denn der Beklagte hätte in Kenntnis der Bedeutung der genannten Regelung in dem vereinbarten Interessenausgleich Feststellungen treffen müssen, ob und ggfs. wie sich eine etwa an die Gewichtung der Schwerbehinderung anlehnende Berücksichtigung der Gleichstellung auf die Sozialauswahl zulasten des Klägers ausgewirkt hätte (zum Umfang der Amtsermittlungspflicht vgl. BVerwG, Urteil vom 02.07.1992, aaO.).
34 
Schließlich kann keinesfalls ausgeschlossen werden, dass die Ermessensentscheidung des Beklagten bei entsprechender Sachkenntnis anders ausgefallen wäre. Unter arbeitsrechtlichen Gesichtpunkten führt eine fehlerhafte Sozialauswahl nur dann ausnahmsweise nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung, wenn der Arbeitnehmer auch bei einer zutreffenden Sozialauswahl zweifelsfrei als sozial stärkerer Arbeitnehmer zur Kündigung angestanden hätte (vgl. Becker u.a., Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz, 6.A., § 1 KSchG, Anm. 632 mit weiteren Nachweisen). Die muss im Rahmen der Ermessensbetätigung nach § 85 SGB IX auch Berücksichtigung finden, wenn diese ausnahmsweise die Sozialauswahl in die Erwägungen einstellen muss.
35 
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 und § 154 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladene keinen Klage(-abweisungs) antrag gestellt und somit kein Kostenrisiko auf sich genommen hat, trägt sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst (§ 162 Abs. 3 VwGO. - Gemäß § 188 S. 2 ist das Verfahren gerichtskostenfrei.

(1) Kommt zwischen Unternehmer und Betriebsrat ein Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung zustande, so ist dieser schriftlich niederzulegen und vom Unternehmer und Betriebsrat zu unterschreiben; § 77 Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend. Das Gleiche gilt für eine Einigung über den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen (Sozialplan). Der Sozialplan hat die Wirkung einer Betriebsvereinbarung. § 77 Abs. 3 ist auf den Sozialplan nicht anzuwenden.

(2) Kommt ein Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung oder eine Einigung über den Sozialplan nicht zustande, so können der Unternehmer oder der Betriebsrat den Vorstand der Bundesagentur für Arbeit um Vermittlung ersuchen, der Vorstand kann die Aufgabe auf andere Bedienstete der Bundesagentur für Arbeit übertragen. Erfolgt kein Vermittlungsersuchen oder bleibt der Vermittlungsversuch ergebnislos, so können der Unternehmer oder der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen. Auf Ersuchen des Vorsitzenden der Einigungsstelle nimmt ein Mitglied des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit oder ein vom Vorstand der Bundesagentur für Arbeit benannter Bediensteter der Bundesagentur für Arbeit an der Verhandlung teil.

(3) Unternehmer und Betriebsrat sollen der Einigungsstelle Vorschläge zur Beilegung der Meinungsverschiedenheiten über den Interessenausgleich und den Sozialplan machen. Die Einigungsstelle hat eine Einigung der Parteien zu versuchen. Kommt eine Einigung zustande, so ist sie schriftlich niederzulegen und von den Parteien und vom Vorsitzenden zu unterschreiben.

(4) Kommt eine Einigung über den Sozialplan nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle über die Aufstellung eines Sozialplans. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

(5) Die Einigungsstelle hat bei ihrer Entscheidung nach Absatz 4 sowohl die sozialen Belange der betroffenen Arbeitnehmer zu berücksichtigen als auch auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit ihrer Entscheidung für das Unternehmen zu achten. Dabei hat die Einigungsstelle sich im Rahmen billigen Ermessens insbesondere von folgenden Grundsätzen leiten zu lassen:

1.
Sie soll beim Ausgleich oder bei der Milderung wirtschaftlicher Nachteile, insbesondere durch Einkommensminderung, Wegfall von Sonderleistungen oder Verlust von Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung, Umzugskosten oder erhöhte Fahrtkosten, Leistungen vorsehen, die in der Regel den Gegebenheiten des Einzelfalles Rechnung tragen.
2.
Sie hat die Aussichten der betroffenen Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt zu berücksichtigen. Sie soll Arbeitnehmer von Leistungen ausschließen, die in einem zumutbaren Arbeitsverhältnis im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens oder eines zum Konzern gehörenden Unternehmens weiterbeschäftigt werden können und die Weiterbeschäftigung ablehnen; die mögliche Weiterbeschäftigung an einem anderen Ort begründet für sich allein nicht die Unzumutbarkeit.
2a.
Sie soll insbesondere die im Dritten Buch des Sozialgesetzbuches vorgesehenen Förderungsmöglichkeiten zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit berücksichtigen.
3.
Sie hat bei der Bemessung des Gesamtbetrages der Sozialplanleistungen darauf zu achten, dass der Fortbestand des Unternehmens oder die nach Durchführung der Betriebsänderung verbleibenden Arbeitsplätze nicht gefährdet werden.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.