Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 17. Aug. 2009 - 11 K 237/09

bei uns veröffentlicht am17.08.2009

Tenor

Es wird festgestellt, dass das Verbot der Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland vom 19. bis 30.06.2008 durch die Bundespolizei rechtswidrig war.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines passrechtlichen Ausreiseverbots.
Der 1985 geborene Kläger beabsichtigte am 19.06.2008 nachmittags als Mitfahrer in einem Pkw von Frankreich aus am Grenzübergang Basel-Lysbüchel die Einreise in die Schweiz. Die Schweizer Behörden verweigerten dem Kläger und seinen Begleitern die Einreise für die Zeit bis zum 30.06.2008 und führten ihn der Bundespolizei am Grenzübergang Lörrach-Stetten zu. Dort wurde ihm dann mit Verfügung vom selben Tage und unter Aushändigung eines schriftlichen Bescheids und unter Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit die Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland bis zum Ablauf des 30.06.2008 untersagt. Zur Begründung wurde in der Verfügung ausgeführt: Das Reiseziel sei Basel gewesen. Der Kläger und seine Mitreisenden hätten über keine Eintrittskarten für das am selben Tage in Basel stattfindende EM-Fußballspiel besessen. Gegen den Kläger sei ein Verfahren wegen Verdachts des Landfriedensbruchs eingeleitet worden, welches später allerdings nach § 170 Abs. 2 StPO wieder eingestellt worden sei, weil ihm die Tat nicht hinreichend nachweisbar gewesen sei. Grundlage sei eine Auseinandersetzung mit Reutlinger Fans gewesen. Auch sei der Kläger wegen einer am 23.02.2007 begangenen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 10 TS zu EUR 20 verurteilt worden. Zudem sei festgestellt worden, dass er die Ausreise in die Schweiz nunmehr über Frankreich versucht habe. Unter Berücksichtigung dieser Erkenntnisse und der aufgrund der Ausreise möglichen Gefahren für einzelne Rechtsgüter bzw. die öffentliche Sicherung und/oder Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen oder das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland sei dies für die Bundespolizei nicht hinnehmbar. Das Ausreiseverbot sei geeignet und auch erforderlich, insbesondere verhindere es die Einreise in die Schweiz über Drittländer. Sie sei im Rahmen der Rechtsgüterabwägung auch verhältnismäßig.
Hiergegen erhob der Kläger am 04.07.2008 Widerspruch, den die Beklagte mit Bescheid vom 22.12.2008 als unzulässig zurück wies.
Am 19.01.2009 hat der Kläger Fortsetzungsfeststellungs-Klage zum Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben und er führt zur Begründung aus: Die Klage sei unter dem Gesichtspunkt des Rehabilitationsinteresses und des effektiven Rechtsschutzes zulässig. Auch sei die angefochtene Verfügung aus verschiedenen Gründen rechtswidrig. Die Ausreiseuntersagung setze voraus, dass Tatsachen sie rechtfertigten. Solche Tatsachen hätten nicht vorgelegen. Die Bezugnahme auf die sog. Polizeidatei "Gewalttäter Sport" sei rechtswidrig. Diese Datei sei, wie das VG Hannover und das OVG Lüneburg entschieden hätten, mangels erforderlicher verordnungsrechtlicher Rechtsgrundlage rechtswidrig und könne kein weltweites Ausreiseverbot rechtfertigen. Auch erfolge die Datenaufnahme und -Löschung nicht nach rechtsstaatlichen Gesichtspunkten, sondern willkürlich. Dafür gebe es zahlreiche Beispiele. Zudem treffe der dort zugrunde liegende Vorwurf, der Kläger habe sich an der Auseinandersetzung mit Reutlinger Fans..." nicht zu. Der Kläger habe sich an Auseinandersetzungen mit Reutlinger Fans nicht beteiligt. Ohnehin habe die Polizei am 02.06.2007 in Karlsruhe aus Anlass eines Regionalliga-Spiels nur eine mögliche Auseinandersetzung von Anhängern des KSC und des SSV Reutlingen verhindert und u.a. 40 KSC-Fans, die in der Nähe gestanden seien, festgenommen und ihre Personalien festgestellt. Gegen diese Personen seien Ermittlungsverfahren wegen Verdachts des Landfriedensbruchs eingeleitet worden. Diese Umstände seien am 28.01.2008 kurzerhand in die Gewalttäter Sport-Datei aufgenommen und nach Einstellung des Verfahrens am 07.02.2008 dennoch nicht gelöscht worden. Dies sei kein Einzelfall, sondern werde in vielen Fällen so gehandhabt. In einem Verfahren vor dem VG Schleswig habe die Beklagte die Rechtswidrigkeit dieser Verfahrensweise ausdrücklich eingeräumt. Auch sonst lägen keine Tatsachen vor, die das Ausreiseverbot gegen den Kläger hätten rechtfertigen können. Dies bestätige schon die "Checkliste zur Prüfung der Ein- und Ausreisevoraussetzungen", die von dem Grenzpolizisten zu bearbeiten gewesen sei, wie die Eintragungen in Ziff. 6. und 8. deutlich machten. Der Kläger habe damit nicht zur Szene gewaltbereiter Fußballfans gehört. Es hätten keine Anhaltspunkte für beabsichtigte Ausschreitungen vorgelegen, er habe sich nicht aggressiv verhalten. Ihm könne auch nicht vorgehalten werden, dass sie aus Frankreich in die Schweiz einreisen wollten. Sie hätten davor in Weil/Rhein eingekauft, seien dann wegen des langen Staus am dortigen Grenzübergang aber nach Lysbüchel ausgewichen. Schließlich sei die Ausreiseuntersagung auch dem Umfange nach in räumlicher wie in zeitlicher Hinsicht unverhältnismäßig. Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass das Verbot der Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland vom 19. bis 30.06.2008 durch die Bundespolizei rechtswidrig war.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verteidigt die streitgegenständliche Verfügung und führt dazu aus: Tatsachen, die der Verfügung zugrunde gelegt worden seien, sei gewesen, dass der Kläger am 02.06.2007 polizeilich in Erscheinung getreten sei und dabei erhebliches Gewaltpotential gezeigt habe. Er habe sich dabei aus Anlass einer Spielbegegnung zwischen KSC und SSV Reutlingen an einer Auseinandersetzung mit Reutlinger Fans in Karlsruhe beteiligt. Nur wegen nicht nachweisbarer Tatbeteiligung des Klägers sei das Verfahren eingestellt worden. Er habe zu der teilweise vermummten Gruppe gehört, aus welcher heraus Flaschen und Steine geworfen und kollektiv gegen andere Personen vorgegangen worden sei. Aufgrund einer gesamtpersönlichen Gefahrenprognose für den Kläger sei eine Einstellung in die Datei Gewalttäter Sport erfolgt und deren Aktualität werde durch den Gefährderbrief vom 30.05.2008 belegt. Außerdem seien zwei der Begleiter des Klägers schon mehrfach als gewalttätig in Erscheinung getreten, was die Prognose für die Gewaltbereitschaft des Klägers verschärft habe. Der Kläger habe auch keine Eintrittskarte für das EM-Spiel in Basel vorweisen können, seine Absicht, ein Public-Viewing in der Schweiz zu besuchen, hätte er auch außerhalb der Schweiz verwirklichen können. Aufgrund der vorhandenen Informationen habe der zuständige Beamte im Zeitpunkt des Verbots mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgehen davon können, dass sich der Kläger an gewalttätigen Auseinandersetzungen aus Anlass der EM 2008 in der Schweiz oder in Österreich beteiligen werde. Dies sei durch die Einschätzung der Schweizer Behörden auch bestätigt worden. Ein auf bestimmte Länder bezogenes Verbot sei nicht in Betracht gekommen, weil diese hätten umgangen werden können. Die Dauer des Verbots habe dem Umstand Rechnung getragen, dass sonst die Möglichkeit der Nutzung schneller Reisewege und -mittel bestanden hätte. Zudem hätte der Kläger - zum Beispiel für eine nachweisbare Urlaubsreise - jederzeit eine Ausnahme vom Ausreiseverbot erhalten können. Ermessensfehler seien nicht erkennbar. Schließlich seien die Bedenken gegenüber der Polizeidatei Gewalttäter Sport in der Rechtsprechung nur vereinzelt geäußert und von anderen Verwaltungsgerichten nicht geteilt worden. Auch stehe die Einstellung des Verfahrens der Datenspeicherung nicht entgegen, denn der Anfangsverdacht gegen den Kläger sei nicht ausgeräumt.
In Erwiderung hierauf führt der Kläger noch aus: Die Ausreiseuntersagung verstoße auch gegen das Schengen-Abkommen. Soweit es um die Beschädigung des Ansehens der Bundesrepublik Deutschland im Ausland gehe, wodurch erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet werden könnten, sei eine Ausnahme von der Aufhebung der Grenzkontrollen innerhalb der EU und der damit vertragsgebundenen Staaten wie der Schweiz nicht zu begründen. Diese setze vielmehr voraus, dass zu treffende Maßnahmen eine schwerwiegende Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit abwenden sollten. Die Beklagte habe auch nicht substantiiert dargelegt, wo und wie der Kläger sich an der Auseinandersetzung am 02.06.2007 beteiligt habe. Es habe nicht einmal eine Auseinandersetzung stattgefunden, vielmehr sei diese von der Polizei verhindert worden. Es sei auch keine den Kläger betreffende gesamtpersönliche Gefahrenprognose gestellt worden, sondern bei sämtlichen in Gewahrsam genommenen 40 KSC-Fans sei unterschiedslos und pauschal das Ermittlungsverfahren eingeleitet und die gleichlautende Eintragung in die Polizeidatei am 28.01.2008 veranlasst worden. Soweit die Beklagte auf den Gefährderbrief und die Einschätzung des PP Karlsruhe, der Kläger sei als "Karlsruher Ultra und somit als Problemfan" einzuschätzen, verweise, lagen diese Behauptungen im Zeitpunkt der Gefahrenprognose dem zuständigen Beamten nicht vor. Dieser habe mehrfach erfolglos versucht, von der Polizei in Karlsruhe konkrete Informationen über den Kläger zu erlangen, was auf der Checkliste vermerkt sei. Schließlich liege der Hinweis auf die Reisebegleiter und deren etwaige Verfehlungen neben der Sache, ebenso wie der Hinweis darauf, dass Public-Viewing auch außerhalb der Schweiz möglich gewesen wäre. Wegen des großen Interesses an den Spielen hätten die Veranstalter gerade an Spielorten mit kleinen Stadien extra Fanmeilen in Stadionnähe angelegt, um den vielen auswärtigen Besuchern doch noch ein gemeinschaftliches Fußballereignis zu ermöglichen. Letztlich könne auch das Argument nicht überzeugen, die Einschätzung der Beklagten sei von der der Schweizer Grenzbehörden bestätigt worden. Denn diese stützten sich ebenso auf die Polizeidatei Gewalttäter Sport.
10 
Das Gericht hat Einsicht in die Akten des VG Schleswig, Az. 14 A 3/07 genommen. Außerdem hat es die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Karlsruhe, Az. 640 Js 1591/08 sowie die Akten der Beklagten beigezogen. Hierauf, auf die gewechselten Schriftsätze und auf die Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
11 
Die Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der durch Zeitablauf erledigten Verbotsverfügung der Beklagten vom 19.06.2008 ist als Fortsetzungsfeststellungsklage analog § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO (vgl. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 07.12.2004, - 1 S 2218/03 -, mit weiteren Nachweisen) und auch sonst zulässig. Insbesondere fehlt dem Kläger nicht das Feststellungsinteresse, das in Fällen wie dem Vorliegenden aus dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG, vgl. dazu schon BVerwG, Urteil vom 29.04.1997, - ) und aus dem schützenswerten Rehabilitationsinteresse des Klägers, der durch die der Verfügung zugrunde gelegte Prognose krimineller Handlungen bezichtigt wurde, herrührt.
12 
Die Klage ist auch begründet. Die Verfügung, mit welcher dem Kläger am 19.06.2008 die Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland für die Dauer bis zum 30.06.2008 untersagt worden war, war rechtswidrig und hat den Kläger in seinen Rechten verletzt.
13 
Rechtsgrundlage der Verfügung ist § 10 Abs. 1 Satz 2 PassG.
14 
Die formellen Voraussetzungen für den Erlass des Ausreiseverbots wurden allerdings eingehalten, insbesondere war die zuständige Behörde der Beklagten gegenüber dem Kläger tätig geworden (vgl. § 10 Abs. 1 S. 2 PassG in Verbindung mit § 2 BPolG und § 2 Abs. 1 Nr. 5 der Verordnung über die Zuständigkeit der Bundespolizeibehörden in der seinerzeit gültigen Fassung vom 21.06.2005 (BGBl. I S. 1818).
15 
Jedoch lagen die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für das Ausreiseverbot nicht vor, so dass schon nicht das Ermessen der Beklagten eröffnet war.
16 
Nach § 10 Abs. 1 S. 2 PassG können die für die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs zuständigen Behörden einem Deutschen die Ausreise in das Ausland untersagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass bei ihm die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 PassG vorliegen. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG ist der Pass zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Passbewerber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Diese Bestimmung schränkt die Ausreisefreiheit, die als Ausfluss der allgemeinen Handlungsfreiheit durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt ist, in zulässiger Weise als Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung ein (vgl. BVerfG, Urteil vom 16.01.1957, BVerfGE 6, 32).
17 
Vorliegend war schon unklar, auf welche der genannten Alternativen die Beklagte die Verbotsverfügung überhaupt gestützt hat. Im Begründungsteil der schriftlichen Anordnung (s. dort auf S. 2 im 3. Absatz) sind "vorsichtshalber" alle drei Alternativen aufgeführt, allerdings mit den Verknüpfungen "und" sowie "und/oder", so dass offenbar ein universeller Textbaustein verwendet wurde, der zum jeweiligen Einzelfall durch Streichung passend zu machen gewesen wäre. Das ist unterblieben und so leidet die Verfügungsbegründung unter einer gewissen Unbestimmtheit. Da dem Ausreiseverbot die Absicht zugrunde lag, einen vermeintlichen Hooligan an der Ausreise zu hindern, damit er im Ausland nicht durch gewalttätige Aktionen auffällt, spricht einiges dafür, dass die Beklagte die Ausreiseuntersagung auf eine Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland stützen wollte (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 3. Alt. PassG).
18 
Die Frage, ob und mit welchem Gewicht durch die Anwesenheit eines deutschen Staatsangehörigen in einem anderen Land Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet werden, ist uneingeschränkt gerichtlich überprüfbar. Unter sonstigen erheblichen Belangen der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1, 3. Alt. PassG sind solche Interessen zu verstehen, die den beiden anderen Tatbestandsmerkmalen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG (innere oder äußere Sicherheit) in ihrer Gewichtigkeit zwar nicht gleichstehen, aber jedenfalls nahe kommen (vgl. BVerfG, Urteil vom 16.01.1957 a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 29.08.1968, DÖV 1969, 74 und Beschluss vom 17.09.1998, Buchholz 402.00 § 7 PassG Nr. 1). Als eine Gefährdung erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG können unter besonderen Umständen auch Handlungen gewertet werden, die geeignet sind, dem internationalen Ansehen Deutschlands zu schaden (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.08.1968 a.a.O.). Sprechen bestimmte Tatsachen dafür, dass von einem Deutschen bei seinem Aufenthalt im Ausland derartige Handlungen zu befürchten sind, so rechtfertigt dies als Vorsorgemaßnahme gegenüber einer solchen Gefahr den Erlass eines Ausreiseverbots, die Beschränkung des Geltungsbereichs eines Passes/Personalausweises oder den Erlass einer Meldeauflage (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.07.2007, BVerwGE 129, 142; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.05.1994, DVBl. 1995, 360; Beschluss vom 07.06.1995, NVwZ-RR 1996, 420; Beschluss vom 14.06.2000, NJW 2000, 3658 und Urteil vom 07.12.2004, VBlBW 2005, 231; OVG Bremen, Beschluss vom 28.06.2000, NordÖR 2001, 107).
19 
Wie in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, konnte und durfte die Beklagte im Grundsatz zu Recht davon ausgegangen, dass das gewalttätige Auftreten deutscher Hooligans im Ausland das internationale Ansehen der Bundesrepublik Deutschland schädigt. Diese Annahme ist schon dadurch gerechtfertigt, dass deutsche Hooligans anlässlich der Fußballweltmeisterschaft 1998 in Frankreich einem französischen Polizisten schwerste Verletzungen mit dauerhaften Folgeschäden zugefügt haben. Bei Hooligans handelt es sich um Personen, die in Gruppen Fußballspiele zum Anlass für gewalttätige Auseinandersetzungen nehmen und dabei auch schwere Straftaten begehen (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 14.06.2000, - 1 S 1271/00 -, ). Auch im Zusammenhang mit der Fußballeuropameisterschaft 2008 in der Schweiz und in Österreich war - wie das Gericht schon mit Urteil vom 27.06.2008 - 11 K 2506/08 - in einem Verfahren unter Beteiligung der Beklagten entschieden hat - nach allgemeiner Auffassung mit gewalttätigen Ausschreitungen deutscher Hooligans zu rechnen. Diese wären geeignet gewesen, das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland in der internationalen Gemeinschaft zu schädigen.
20 
Es lagen jedoch keine bestimmten Tatsachen vor, die hätten nahe legen können, dass der Kläger sich an solchen Ausschreitungen beteiligen würde. Insbesondere ist nicht zu erkennen, dass der Kläger selbst gerade zu dem Personenkreis gehörte, von dem bei einem Aufenthalt in der Schweiz vor, während oder nach der Fussball-EM 2008 in der Schweiz oder in Österreich ernsthaft eine Schädigung des Ansehens der Bundesrepublik Deutschland zu befürchten war. Unter Anwendung der Grundsätze zur sog. „Anscheinsgefahr“ (vgl. VGH Bad.-Württ. Urteil vom 07.12.2004, a.a.O.) ist es hierbei entscheidend, ob der handelnde Beamte aus der ex-ante-Sicht mit Blick auf die ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Informationen aufgrund hinreichender Anhaltspunkte vom Vorliegen einer Gefährdung ausgehen konnte und diese Prognose dem Urteil eines fähigen, besonnenen und sachkundigen Amtswalters entspricht (vgl. auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 22.07.2004, - 1 S 410/03 -, NJW 2005, 88; Urteil vom 10.05.1990, - 5 S 1842/89 -, VBlBW 1990, 469 und Beschluss vom 16.10.1990, - 8 S 2087/90 -, NVwZ 1991, 493; Wolf/Stephan, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 5. Aufl., § 1 RdNr. 34; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 5. Aufl., RdNr. 424).
21 
Zwar können die zur Gefahrenabwehr berufenen Behörden die legitime Aufgabe präventiven Rechtsgüterschutzes nur effektiv erfüllen, wenn sie unter Umständen auch auf unsicherer Tatsachengrundlage einschreiten. Um zu vermeiden, dass ein im Rahmen dieser Aufgabe als Dienstpflicht auferlegtes Handeln in die Illegalität gedrängt wird, ist bei der Beurteilung der Gefahr allein auf die Erkenntnismöglichkeiten des konkret handelnden Beamten zum Zeitpunkt des Einschreitens abzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.02.1974, - 1 C 31.72 -, BVerwGE 45, 51; Würtenberger/Heckmann/Riggert, a.a.O. RdNr. 425). Aber selbst bei Anwendung dieser Grundsätze der Anscheinsgefahr erweist sich der streitgegenständliche Bescheid nicht als rechtmäßig. Der Beamte der Bundespolizei durfte auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Informationen bei pflichtgemäßem Handeln nicht davon ausgehen, dass im Falle des Antragstellers bestimmte Tatsachen die Annahme einer Gefährdung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 3. Alt. PassG begründeten.
22 
Der streitgegenständliche Bescheid hat ausweislich der Begründung lediglich auf folgendes abgestellt:
23 
"Gegen Herrn E. wurde ein Verfahren wegen des Verdachtes des Landfriedensbruches eingeleitet, welches gem. § 170 II StPO eingestellt wurde, weil diese Tat nicht hinreichend nachweisbar war. Grundlage war eine Auseinandersetzung mit Reutlinger Fans.
24 
Des Weiteren wurde der Herr E. wegen Beleidigung durch das AG Stuttgart zu 10 TS zu 20 Euro verurteilt. Das Ereignisdatum war der 23.02.2007.
25 
Weiterhin wurde er jetzt bei der versuchten Ausreise über Frankreich in die Schweiz nach Basel festgestellt.
26 
Darüber hinaus erwähnt die Verfügung einleitend auch, dass
27 
alle Reisenden in dem Fahrzeug (…) über keine Eintrittskarten zu dem EM-Fußballspiel am heutigen Tag in Basel (verfügten).
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Grundlage dieser Erkenntnisse war, soweit es nicht um eigene Feststellungen im Zusammenhang mit der versuchten Ausreise des Klägers und seiner Begleiter von Frankreich aus in die Schweiz bzw. mit der Überstellung der Personen durch die Schweizer Polizei an die Bundespolizei ging, ausschließlich die Polizei-Datei "Gewalttäter Sport" des Informationssystems der Polizei (INPOL).
29 
Dieser Umstand steht für sich betrachtet der Verwertung von Erkenntnissen, um ein Ausreiseverbot zu rechtfertigen, nicht entgegen. Wie der VGH Bad.-Württ. (Urteil vom 07.12.2004, aaO.) entschieden und das Gericht in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, wird die Anwendbarkeit der Grundsätze über die Anscheinsgefahr nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Beklagte möglicherweise selbst den Anschein der Gefahr zurechenbar (mit-)verursacht hat. Dies wäre wohl der Fall gewesen, wenn die den Kläger betreffenden Einträge im Informationssystem der Polizei tatsächlich - wie vom Kläger geltend gemacht - zumindest teilweise unrichtig gewesen wären und überdies zum Zeitpunkt der Entscheidung der Bundespolizei bereits hätten gelöscht sein müssen und diese Mängel von einer anderen Behörde der Beklagten (etwa vom Bundeskriminalamt) zu verantworten gewesen wären.
30 
Unabhängig davon reichen die Erkenntnisse jedoch nicht im Ansatz aus, um bestimmte Tatsachen im Sinne des § 10 Abs. 1 S. 2 in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Nr. 1, 3. Alt. PassG anzunehmen.
31 
Die Aufnahme des Klägers in die polizeiliche Datei "Gewalttäter Sport" und die dem zugrunde liegende Einschätzung von (womöglich) szenekundigen Polizeibeamten allein sind keine solche Tatsachen, sondern allenfalls daraus oder aus anderen Fakten gezogene Schlussfolgerungen (vgl. OVG Bremen, Urteil vom 02.09.2008, - 1 A 161/06 -, , Rz. 70 mit weiteren Nachweisen). Dem entspricht auch die Rechtsprechung der erkennenden Kammer: Wie das Gericht bereits im Zusammenhang mit dem NATO-Gipfel im April 2009 (u.a. mit Beschluss vom 04.04.2009, - 11 K 1293/09 -, ) entschieden hat, kann eine „bestimmte Tatsache“ im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG nicht schon darin gesehen werden, dass es in einer sicherheitsrelevanten Datei überhaupt „Erkenntnisse“ gibt. Ohne weitergehende Informationen zum Anlass der Speicherung kann ein mit dem polizeilichen Informationssystem vertrauter Nutzungsberechtigter aus den abgerufenen INPOL-Daten bei sorgfältiger Überprüfung nur folgern, dass der Kläger unter polizeilicher Beobachtung stand und nach Einschätzung einer anderen Polizeidienststelle zum Spektrum „Gewalttäter Sport“ zählt.
32 
Auch die in der Datei vermerkte Eintragung eines gegen den Kläger eingeleiteten und später nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellten Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts des Landfriedensbruchs selbst reicht als Tatsachengrundlage für die Verfügung keinesfalls aus. Es fehlen nämlich hinreichend konkrete Hinweise darauf, worauf sich diese Einschätzung gründet. In der Datei ist/war nur der inhaltlich zumindest zweifelhafte Hinweis enthalten, die "Person beteiligte sich an der Auseinandersetzung mit Reutlinger Fans, Verfahren wegen Landfriedensbruch eingeleitet". Ohne genaue Kenntnis des der Eintragung des Betroffenen in dem Datenbestand INPOL zugrundeliegenden Geschehens ist eine realistische Gefahrenprognose aber nicht möglich (ebenso VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 04.04.2009 - 1 S 809/09).
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Offenbar hat dies auch der Beamte der Beklagten so gesehen, denn er hat ausweislich der Eintragungen in der sog. Check-Liste", die in den Akten der Beklagten vorliegt und offenbar eine standardisierte Handreichung für den einzelnen Beamten darstellt, mehrfach - erfolglos - versucht, telefonisch Auskünfte über den Kläger beim Polizeirevier und beim Polizeipräsidium Karlsruhe zu bekommen.
34 
Hinzu kommt, dass das Ermittlungsverfahren selbst ebenfalls keine hinreichende Grundlage für die Gefahrenprognose abgeben konnte. Das Verfahren wurde nach Durchführung eines, wie die vom Gericht beigezogenen Akten der Staatsanwaltschaft zeigen, umfänglichen Ermittlungsverfahrens eingestellt mit der Begründung: Es sei nicht ausreichend sicher auszuschließen, dass tatsächlich eine zumindest teilweise Durchmischung der angreifenden Gruppe mit an den Angriffen nicht beteiligten Personen stattgefunden habe. Hierauf deute insbesondere die Auswertung der Filmaufnahmen hin. Nach allem sei es nicht hinreichend sicher auszuschließen und daher zu Gunsten des Klägers anzunehmen, dass er tatsächlich nicht bei der angreifenden Gruppe dabei gewesen sei; eigenes Verhaltung im Sinne der §§ 125, 125a StGB sei ihm deshalb nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Wahrscheinlichkeit nachzuweisen.
35 
Unabhängig davon, dass dem Eintrag in der Datei "Gewalttäter Sport" diese im Einstellungsbeschluss vom 07.02.2008 zum Ausdruck kommenden Zweifel an der Beteiligung des Klägers an den von der Polizei im Übrigen verhinderten Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Fan-Gruppen am 02.06.2007 nicht entnommen werden konnten - die Datei enthält neben dem bereits erwähnten, objektiv zumindest sehr zweifelhaften Eintrag, der eine feststehende Mittäterschaft des Klägers suggeriert, auch den damit insoweit allerdings bedeutsamen weiteren Eintrag: "Einstellung gem. § 170 II StPO - Tat nicht hinreichend sicher nachweisbar" -, hätte allein schon der Umstand der Verfahrenseinstellung nach § 170 Abs. 2 StPO die Bedeutsamkeit des Ermittlungsverfahrens als zentrales Element für die Annahme einer Gefährdungsprognose zulasten des Klägers erheblich relativieren müssen.
36 
Wie der VGH Bad.-Württ. (aaO. unter Hinweis auf das Urteil des Senats vom 29.9.2003 - 1 S 2145/02 -) und im Anschluss daran die erkennende Kammer (vgl. Beschluss vom 04.04.2009, aaO.) ausgeführt haben, schließt diese Form der Verfahrenseinstellung einen gegen den Beschuldigten fortbestehenden Tatverdacht zwar nicht notwendig aus. Einem solchen „Restverdacht“ kommt jedoch im Verhältnis zu einer strafrechtlichen Verurteilung im Rahmen der Gefahrenprognose geringeres Gewicht zu.
37 
Es kommt hinzu, dass die dem Kläger angelastete Verdacht auf Mittäterschaft an einem Landfriedensbruchsdelikt vom 02.06.2007 am 19.06.2008 schon mehr als ein Jahr und damit zu lange zurück lag, als dass er der Prognose noch hätte zugrunde gelegt werden dürfen. Mit Blick auf den aus den Gesetzgebungsmaterialien erkennbaren Willen des Normgebers (vgl. dazu BTDrucks 14/2726, S. 6 zu Art. 1 Nr. 9) sowie in Ansehung des mit einer Ausreiseuntersagung verbundenen gravierenden Eingriffs in die grundrechtlich geschützte Ausreisefreiheit zur Wahrung des rechtsstaatlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ist zu fordern, dass die in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG vorausgesetzte Gefährdungslage hinreichende Aktualität aufweist. Jedenfalls im Regelfall bedarf es deshalb der Feststellung von Vorfällen (auch) aus jüngerer Zeit, um die Gefährdungsprognose zu begründen. Dies schließt es nicht aus, im Einzelfall auch auf zeitlich weiter zurückliegende Vorfälle zurückzugreifen. In einem solchen Fall muss jedoch unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls sorgfältig geprüft werden, ob die herangezogene Tatsache im Zeitpunkt der Entscheidung über die Ausreiseuntersagung noch so schwer wiegt, dass die Annahme einer hinreichend konkreten Gefährdungslage weiterhin gerechtfertigt (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 07.12.2004, aaO.). Dafür fehlte es vorliegend an jeglichen Anhaltspunkten. Innerhalb des Jahreszeitraums lag somit überhaupt kein Verhalten des Klägers vor, welches ihm im Rahmen der Prognose hätte zum Nachteil gereichen können, so dass eine Ausdehnung des Jahreszeitraums ausscheiden muss.
38 
Somit ergibt die ex-ante-Betrachtung insoweit, dass der Beamte, dem bekannt war, dass das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger mangels hinreichenden Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden war, hätte erkennen können und auch erkennen müssen, dass diese Eintragung ebenso wenig wie das Vorhandensein eines den Kläger betreffenden Datensatzes in der Datei "Gewalttäter Sport", für sich betrachtet, keine hinreichende Grundlage für eine Gefahrenprognose im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1, 3. Alt. PassG darstellen konnte.
39 
Schließlich konnten auch die übrigen dem Kläger in der Verfügung "angelasteten" Umstände - weder in Verbindung mit den gerade benannten Umständen, noch isoliert von diesen - ein Ausreiseverbot nicht begründen. Die dort erwähnte Verurteilung wegen Beleidigung liegt deutlich länger zurück als der dem Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruchs zugrunde gelegte Sachverhalt und gibt auch überhaupt keinen Hinweis auf eine mutmaßlich gewaltbereite Grundhaltung des Klägers; das Begehen eines Beleidigungsdeliktes könnte sogar eher für eine nicht gewaltbereite Persönlichkeit sprechen. Die Prognoserelevanz der weiter erwähnten Umständen (Einreiseversuch über Frankreich und das Fehlen von Eintrittskarten, Überstellung durch die Schweizer Grenzbehörden) bedarf unter diesen Voraussetzungen keiner weiteren Untersuchung.
40 
Im Übrigen, soweit nämlich in der Klageerwiderung auf weitere Erkenntnisse zur Person des Klägers hingewiesen worden ist (sog. Gefährderbrief, Einschätzung des Polizeipräsidiums Karlsruhe - beides auf welcher tatsächlichen Grundlage beruhend?), handelt es sich um Umstände, die der zuständige Beamte der Beklagten nicht kennen konnte und die deshalb auch nicht der Prognose über die Gefährdung des Ansehens der Bundesrepublik Deutschland durch gewalttätige Handlungen des Klägers in der Schweiz zugrunde gelegt werden konnten. Darauf hat schon der Prozessbevollmächtigte des Klägers zutreffend hingewiesen.
41 
Damit war schon das Ermessen nach § 10 Abs. 1 S. 2 PassG nicht eröffnet, Ermessenserwägungen sind in der streitgegenständlichen Verfügung ohnehin nicht erkennbar (vgl. zum Ausschluss eines sog. intendierten Ermessens insoweit OVG Bremen, aaO., Rz. 84). Deshalb braucht die vom Kläger weiterhin aufgeworfene Frage, ob das Verbot einer jeglichen Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland für einen Zeitraum von mehr als 10 Tagen in zeitlicher wie auch räumlicher Beziehung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprochen hat, nicht entschieden werden.
42 
Insgesamt ergibt sich aus diesen Gründen, dass die vom Kläger begehrte Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ausreiseverfügung vom 19.06.2008 vom Gericht zu treffen war.
43 
Da die Beklagte unterlegen ist, hat sie auch die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
11 
Die Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der durch Zeitablauf erledigten Verbotsverfügung der Beklagten vom 19.06.2008 ist als Fortsetzungsfeststellungsklage analog § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO (vgl. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 07.12.2004, - 1 S 2218/03 -, mit weiteren Nachweisen) und auch sonst zulässig. Insbesondere fehlt dem Kläger nicht das Feststellungsinteresse, das in Fällen wie dem Vorliegenden aus dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG, vgl. dazu schon BVerwG, Urteil vom 29.04.1997, - ) und aus dem schützenswerten Rehabilitationsinteresse des Klägers, der durch die der Verfügung zugrunde gelegte Prognose krimineller Handlungen bezichtigt wurde, herrührt.
12 
Die Klage ist auch begründet. Die Verfügung, mit welcher dem Kläger am 19.06.2008 die Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland für die Dauer bis zum 30.06.2008 untersagt worden war, war rechtswidrig und hat den Kläger in seinen Rechten verletzt.
13 
Rechtsgrundlage der Verfügung ist § 10 Abs. 1 Satz 2 PassG.
14 
Die formellen Voraussetzungen für den Erlass des Ausreiseverbots wurden allerdings eingehalten, insbesondere war die zuständige Behörde der Beklagten gegenüber dem Kläger tätig geworden (vgl. § 10 Abs. 1 S. 2 PassG in Verbindung mit § 2 BPolG und § 2 Abs. 1 Nr. 5 der Verordnung über die Zuständigkeit der Bundespolizeibehörden in der seinerzeit gültigen Fassung vom 21.06.2005 (BGBl. I S. 1818).
15 
Jedoch lagen die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für das Ausreiseverbot nicht vor, so dass schon nicht das Ermessen der Beklagten eröffnet war.
16 
Nach § 10 Abs. 1 S. 2 PassG können die für die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs zuständigen Behörden einem Deutschen die Ausreise in das Ausland untersagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass bei ihm die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 PassG vorliegen. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG ist der Pass zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Passbewerber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Diese Bestimmung schränkt die Ausreisefreiheit, die als Ausfluss der allgemeinen Handlungsfreiheit durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt ist, in zulässiger Weise als Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung ein (vgl. BVerfG, Urteil vom 16.01.1957, BVerfGE 6, 32).
17 
Vorliegend war schon unklar, auf welche der genannten Alternativen die Beklagte die Verbotsverfügung überhaupt gestützt hat. Im Begründungsteil der schriftlichen Anordnung (s. dort auf S. 2 im 3. Absatz) sind "vorsichtshalber" alle drei Alternativen aufgeführt, allerdings mit den Verknüpfungen "und" sowie "und/oder", so dass offenbar ein universeller Textbaustein verwendet wurde, der zum jeweiligen Einzelfall durch Streichung passend zu machen gewesen wäre. Das ist unterblieben und so leidet die Verfügungsbegründung unter einer gewissen Unbestimmtheit. Da dem Ausreiseverbot die Absicht zugrunde lag, einen vermeintlichen Hooligan an der Ausreise zu hindern, damit er im Ausland nicht durch gewalttätige Aktionen auffällt, spricht einiges dafür, dass die Beklagte die Ausreiseuntersagung auf eine Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland stützen wollte (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 3. Alt. PassG).
18 
Die Frage, ob und mit welchem Gewicht durch die Anwesenheit eines deutschen Staatsangehörigen in einem anderen Land Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet werden, ist uneingeschränkt gerichtlich überprüfbar. Unter sonstigen erheblichen Belangen der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1, 3. Alt. PassG sind solche Interessen zu verstehen, die den beiden anderen Tatbestandsmerkmalen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG (innere oder äußere Sicherheit) in ihrer Gewichtigkeit zwar nicht gleichstehen, aber jedenfalls nahe kommen (vgl. BVerfG, Urteil vom 16.01.1957 a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 29.08.1968, DÖV 1969, 74 und Beschluss vom 17.09.1998, Buchholz 402.00 § 7 PassG Nr. 1). Als eine Gefährdung erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG können unter besonderen Umständen auch Handlungen gewertet werden, die geeignet sind, dem internationalen Ansehen Deutschlands zu schaden (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.08.1968 a.a.O.). Sprechen bestimmte Tatsachen dafür, dass von einem Deutschen bei seinem Aufenthalt im Ausland derartige Handlungen zu befürchten sind, so rechtfertigt dies als Vorsorgemaßnahme gegenüber einer solchen Gefahr den Erlass eines Ausreiseverbots, die Beschränkung des Geltungsbereichs eines Passes/Personalausweises oder den Erlass einer Meldeauflage (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.07.2007, BVerwGE 129, 142; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.05.1994, DVBl. 1995, 360; Beschluss vom 07.06.1995, NVwZ-RR 1996, 420; Beschluss vom 14.06.2000, NJW 2000, 3658 und Urteil vom 07.12.2004, VBlBW 2005, 231; OVG Bremen, Beschluss vom 28.06.2000, NordÖR 2001, 107).
19 
Wie in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, konnte und durfte die Beklagte im Grundsatz zu Recht davon ausgegangen, dass das gewalttätige Auftreten deutscher Hooligans im Ausland das internationale Ansehen der Bundesrepublik Deutschland schädigt. Diese Annahme ist schon dadurch gerechtfertigt, dass deutsche Hooligans anlässlich der Fußballweltmeisterschaft 1998 in Frankreich einem französischen Polizisten schwerste Verletzungen mit dauerhaften Folgeschäden zugefügt haben. Bei Hooligans handelt es sich um Personen, die in Gruppen Fußballspiele zum Anlass für gewalttätige Auseinandersetzungen nehmen und dabei auch schwere Straftaten begehen (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 14.06.2000, - 1 S 1271/00 -, ). Auch im Zusammenhang mit der Fußballeuropameisterschaft 2008 in der Schweiz und in Österreich war - wie das Gericht schon mit Urteil vom 27.06.2008 - 11 K 2506/08 - in einem Verfahren unter Beteiligung der Beklagten entschieden hat - nach allgemeiner Auffassung mit gewalttätigen Ausschreitungen deutscher Hooligans zu rechnen. Diese wären geeignet gewesen, das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland in der internationalen Gemeinschaft zu schädigen.
20 
Es lagen jedoch keine bestimmten Tatsachen vor, die hätten nahe legen können, dass der Kläger sich an solchen Ausschreitungen beteiligen würde. Insbesondere ist nicht zu erkennen, dass der Kläger selbst gerade zu dem Personenkreis gehörte, von dem bei einem Aufenthalt in der Schweiz vor, während oder nach der Fussball-EM 2008 in der Schweiz oder in Österreich ernsthaft eine Schädigung des Ansehens der Bundesrepublik Deutschland zu befürchten war. Unter Anwendung der Grundsätze zur sog. „Anscheinsgefahr“ (vgl. VGH Bad.-Württ. Urteil vom 07.12.2004, a.a.O.) ist es hierbei entscheidend, ob der handelnde Beamte aus der ex-ante-Sicht mit Blick auf die ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Informationen aufgrund hinreichender Anhaltspunkte vom Vorliegen einer Gefährdung ausgehen konnte und diese Prognose dem Urteil eines fähigen, besonnenen und sachkundigen Amtswalters entspricht (vgl. auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 22.07.2004, - 1 S 410/03 -, NJW 2005, 88; Urteil vom 10.05.1990, - 5 S 1842/89 -, VBlBW 1990, 469 und Beschluss vom 16.10.1990, - 8 S 2087/90 -, NVwZ 1991, 493; Wolf/Stephan, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 5. Aufl., § 1 RdNr. 34; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 5. Aufl., RdNr. 424).
21 
Zwar können die zur Gefahrenabwehr berufenen Behörden die legitime Aufgabe präventiven Rechtsgüterschutzes nur effektiv erfüllen, wenn sie unter Umständen auch auf unsicherer Tatsachengrundlage einschreiten. Um zu vermeiden, dass ein im Rahmen dieser Aufgabe als Dienstpflicht auferlegtes Handeln in die Illegalität gedrängt wird, ist bei der Beurteilung der Gefahr allein auf die Erkenntnismöglichkeiten des konkret handelnden Beamten zum Zeitpunkt des Einschreitens abzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.02.1974, - 1 C 31.72 -, BVerwGE 45, 51; Würtenberger/Heckmann/Riggert, a.a.O. RdNr. 425). Aber selbst bei Anwendung dieser Grundsätze der Anscheinsgefahr erweist sich der streitgegenständliche Bescheid nicht als rechtmäßig. Der Beamte der Bundespolizei durfte auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Informationen bei pflichtgemäßem Handeln nicht davon ausgehen, dass im Falle des Antragstellers bestimmte Tatsachen die Annahme einer Gefährdung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 3. Alt. PassG begründeten.
22 
Der streitgegenständliche Bescheid hat ausweislich der Begründung lediglich auf folgendes abgestellt:
23 
"Gegen Herrn E. wurde ein Verfahren wegen des Verdachtes des Landfriedensbruches eingeleitet, welches gem. § 170 II StPO eingestellt wurde, weil diese Tat nicht hinreichend nachweisbar war. Grundlage war eine Auseinandersetzung mit Reutlinger Fans.
24 
Des Weiteren wurde der Herr E. wegen Beleidigung durch das AG Stuttgart zu 10 TS zu 20 Euro verurteilt. Das Ereignisdatum war der 23.02.2007.
25 
Weiterhin wurde er jetzt bei der versuchten Ausreise über Frankreich in die Schweiz nach Basel festgestellt.
26 
Darüber hinaus erwähnt die Verfügung einleitend auch, dass
27 
alle Reisenden in dem Fahrzeug (…) über keine Eintrittskarten zu dem EM-Fußballspiel am heutigen Tag in Basel (verfügten).
28 
Grundlage dieser Erkenntnisse war, soweit es nicht um eigene Feststellungen im Zusammenhang mit der versuchten Ausreise des Klägers und seiner Begleiter von Frankreich aus in die Schweiz bzw. mit der Überstellung der Personen durch die Schweizer Polizei an die Bundespolizei ging, ausschließlich die Polizei-Datei "Gewalttäter Sport" des Informationssystems der Polizei (INPOL).
29 
Dieser Umstand steht für sich betrachtet der Verwertung von Erkenntnissen, um ein Ausreiseverbot zu rechtfertigen, nicht entgegen. Wie der VGH Bad.-Württ. (Urteil vom 07.12.2004, aaO.) entschieden und das Gericht in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, wird die Anwendbarkeit der Grundsätze über die Anscheinsgefahr nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Beklagte möglicherweise selbst den Anschein der Gefahr zurechenbar (mit-)verursacht hat. Dies wäre wohl der Fall gewesen, wenn die den Kläger betreffenden Einträge im Informationssystem der Polizei tatsächlich - wie vom Kläger geltend gemacht - zumindest teilweise unrichtig gewesen wären und überdies zum Zeitpunkt der Entscheidung der Bundespolizei bereits hätten gelöscht sein müssen und diese Mängel von einer anderen Behörde der Beklagten (etwa vom Bundeskriminalamt) zu verantworten gewesen wären.
30 
Unabhängig davon reichen die Erkenntnisse jedoch nicht im Ansatz aus, um bestimmte Tatsachen im Sinne des § 10 Abs. 1 S. 2 in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Nr. 1, 3. Alt. PassG anzunehmen.
31 
Die Aufnahme des Klägers in die polizeiliche Datei "Gewalttäter Sport" und die dem zugrunde liegende Einschätzung von (womöglich) szenekundigen Polizeibeamten allein sind keine solche Tatsachen, sondern allenfalls daraus oder aus anderen Fakten gezogene Schlussfolgerungen (vgl. OVG Bremen, Urteil vom 02.09.2008, - 1 A 161/06 -, , Rz. 70 mit weiteren Nachweisen). Dem entspricht auch die Rechtsprechung der erkennenden Kammer: Wie das Gericht bereits im Zusammenhang mit dem NATO-Gipfel im April 2009 (u.a. mit Beschluss vom 04.04.2009, - 11 K 1293/09 -, ) entschieden hat, kann eine „bestimmte Tatsache“ im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG nicht schon darin gesehen werden, dass es in einer sicherheitsrelevanten Datei überhaupt „Erkenntnisse“ gibt. Ohne weitergehende Informationen zum Anlass der Speicherung kann ein mit dem polizeilichen Informationssystem vertrauter Nutzungsberechtigter aus den abgerufenen INPOL-Daten bei sorgfältiger Überprüfung nur folgern, dass der Kläger unter polizeilicher Beobachtung stand und nach Einschätzung einer anderen Polizeidienststelle zum Spektrum „Gewalttäter Sport“ zählt.
32 
Auch die in der Datei vermerkte Eintragung eines gegen den Kläger eingeleiteten und später nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellten Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts des Landfriedensbruchs selbst reicht als Tatsachengrundlage für die Verfügung keinesfalls aus. Es fehlen nämlich hinreichend konkrete Hinweise darauf, worauf sich diese Einschätzung gründet. In der Datei ist/war nur der inhaltlich zumindest zweifelhafte Hinweis enthalten, die "Person beteiligte sich an der Auseinandersetzung mit Reutlinger Fans, Verfahren wegen Landfriedensbruch eingeleitet". Ohne genaue Kenntnis des der Eintragung des Betroffenen in dem Datenbestand INPOL zugrundeliegenden Geschehens ist eine realistische Gefahrenprognose aber nicht möglich (ebenso VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 04.04.2009 - 1 S 809/09).
33 
Offenbar hat dies auch der Beamte der Beklagten so gesehen, denn er hat ausweislich der Eintragungen in der sog. Check-Liste", die in den Akten der Beklagten vorliegt und offenbar eine standardisierte Handreichung für den einzelnen Beamten darstellt, mehrfach - erfolglos - versucht, telefonisch Auskünfte über den Kläger beim Polizeirevier und beim Polizeipräsidium Karlsruhe zu bekommen.
34 
Hinzu kommt, dass das Ermittlungsverfahren selbst ebenfalls keine hinreichende Grundlage für die Gefahrenprognose abgeben konnte. Das Verfahren wurde nach Durchführung eines, wie die vom Gericht beigezogenen Akten der Staatsanwaltschaft zeigen, umfänglichen Ermittlungsverfahrens eingestellt mit der Begründung: Es sei nicht ausreichend sicher auszuschließen, dass tatsächlich eine zumindest teilweise Durchmischung der angreifenden Gruppe mit an den Angriffen nicht beteiligten Personen stattgefunden habe. Hierauf deute insbesondere die Auswertung der Filmaufnahmen hin. Nach allem sei es nicht hinreichend sicher auszuschließen und daher zu Gunsten des Klägers anzunehmen, dass er tatsächlich nicht bei der angreifenden Gruppe dabei gewesen sei; eigenes Verhaltung im Sinne der §§ 125, 125a StGB sei ihm deshalb nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Wahrscheinlichkeit nachzuweisen.
35 
Unabhängig davon, dass dem Eintrag in der Datei "Gewalttäter Sport" diese im Einstellungsbeschluss vom 07.02.2008 zum Ausdruck kommenden Zweifel an der Beteiligung des Klägers an den von der Polizei im Übrigen verhinderten Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Fan-Gruppen am 02.06.2007 nicht entnommen werden konnten - die Datei enthält neben dem bereits erwähnten, objektiv zumindest sehr zweifelhaften Eintrag, der eine feststehende Mittäterschaft des Klägers suggeriert, auch den damit insoweit allerdings bedeutsamen weiteren Eintrag: "Einstellung gem. § 170 II StPO - Tat nicht hinreichend sicher nachweisbar" -, hätte allein schon der Umstand der Verfahrenseinstellung nach § 170 Abs. 2 StPO die Bedeutsamkeit des Ermittlungsverfahrens als zentrales Element für die Annahme einer Gefährdungsprognose zulasten des Klägers erheblich relativieren müssen.
36 
Wie der VGH Bad.-Württ. (aaO. unter Hinweis auf das Urteil des Senats vom 29.9.2003 - 1 S 2145/02 -) und im Anschluss daran die erkennende Kammer (vgl. Beschluss vom 04.04.2009, aaO.) ausgeführt haben, schließt diese Form der Verfahrenseinstellung einen gegen den Beschuldigten fortbestehenden Tatverdacht zwar nicht notwendig aus. Einem solchen „Restverdacht“ kommt jedoch im Verhältnis zu einer strafrechtlichen Verurteilung im Rahmen der Gefahrenprognose geringeres Gewicht zu.
37 
Es kommt hinzu, dass die dem Kläger angelastete Verdacht auf Mittäterschaft an einem Landfriedensbruchsdelikt vom 02.06.2007 am 19.06.2008 schon mehr als ein Jahr und damit zu lange zurück lag, als dass er der Prognose noch hätte zugrunde gelegt werden dürfen. Mit Blick auf den aus den Gesetzgebungsmaterialien erkennbaren Willen des Normgebers (vgl. dazu BTDrucks 14/2726, S. 6 zu Art. 1 Nr. 9) sowie in Ansehung des mit einer Ausreiseuntersagung verbundenen gravierenden Eingriffs in die grundrechtlich geschützte Ausreisefreiheit zur Wahrung des rechtsstaatlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ist zu fordern, dass die in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG vorausgesetzte Gefährdungslage hinreichende Aktualität aufweist. Jedenfalls im Regelfall bedarf es deshalb der Feststellung von Vorfällen (auch) aus jüngerer Zeit, um die Gefährdungsprognose zu begründen. Dies schließt es nicht aus, im Einzelfall auch auf zeitlich weiter zurückliegende Vorfälle zurückzugreifen. In einem solchen Fall muss jedoch unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls sorgfältig geprüft werden, ob die herangezogene Tatsache im Zeitpunkt der Entscheidung über die Ausreiseuntersagung noch so schwer wiegt, dass die Annahme einer hinreichend konkreten Gefährdungslage weiterhin gerechtfertigt (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 07.12.2004, aaO.). Dafür fehlte es vorliegend an jeglichen Anhaltspunkten. Innerhalb des Jahreszeitraums lag somit überhaupt kein Verhalten des Klägers vor, welches ihm im Rahmen der Prognose hätte zum Nachteil gereichen können, so dass eine Ausdehnung des Jahreszeitraums ausscheiden muss.
38 
Somit ergibt die ex-ante-Betrachtung insoweit, dass der Beamte, dem bekannt war, dass das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger mangels hinreichenden Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden war, hätte erkennen können und auch erkennen müssen, dass diese Eintragung ebenso wenig wie das Vorhandensein eines den Kläger betreffenden Datensatzes in der Datei "Gewalttäter Sport", für sich betrachtet, keine hinreichende Grundlage für eine Gefahrenprognose im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1, 3. Alt. PassG darstellen konnte.
39 
Schließlich konnten auch die übrigen dem Kläger in der Verfügung "angelasteten" Umstände - weder in Verbindung mit den gerade benannten Umständen, noch isoliert von diesen - ein Ausreiseverbot nicht begründen. Die dort erwähnte Verurteilung wegen Beleidigung liegt deutlich länger zurück als der dem Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruchs zugrunde gelegte Sachverhalt und gibt auch überhaupt keinen Hinweis auf eine mutmaßlich gewaltbereite Grundhaltung des Klägers; das Begehen eines Beleidigungsdeliktes könnte sogar eher für eine nicht gewaltbereite Persönlichkeit sprechen. Die Prognoserelevanz der weiter erwähnten Umständen (Einreiseversuch über Frankreich und das Fehlen von Eintrittskarten, Überstellung durch die Schweizer Grenzbehörden) bedarf unter diesen Voraussetzungen keiner weiteren Untersuchung.
40 
Im Übrigen, soweit nämlich in der Klageerwiderung auf weitere Erkenntnisse zur Person des Klägers hingewiesen worden ist (sog. Gefährderbrief, Einschätzung des Polizeipräsidiums Karlsruhe - beides auf welcher tatsächlichen Grundlage beruhend?), handelt es sich um Umstände, die der zuständige Beamte der Beklagten nicht kennen konnte und die deshalb auch nicht der Prognose über die Gefährdung des Ansehens der Bundesrepublik Deutschland durch gewalttätige Handlungen des Klägers in der Schweiz zugrunde gelegt werden konnten. Darauf hat schon der Prozessbevollmächtigte des Klägers zutreffend hingewiesen.
41 
Damit war schon das Ermessen nach § 10 Abs. 1 S. 2 PassG nicht eröffnet, Ermessenserwägungen sind in der streitgegenständlichen Verfügung ohnehin nicht erkennbar (vgl. zum Ausschluss eines sog. intendierten Ermessens insoweit OVG Bremen, aaO., Rz. 84). Deshalb braucht die vom Kläger weiterhin aufgeworfene Frage, ob das Verbot einer jeglichen Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland für einen Zeitraum von mehr als 10 Tagen in zeitlicher wie auch räumlicher Beziehung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprochen hat, nicht entschieden werden.
42 
Insgesamt ergibt sich aus diesen Gründen, dass die vom Kläger begehrte Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ausreiseverfügung vom 19.06.2008 vom Gericht zu treffen war.
43 
Da die Beklagte unterlegen ist, hat sie auch die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO).

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 17. Aug. 2009 - 11 K 237/09

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Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 17. Aug. 2009 - 11 K 237/09 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

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(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 9. Juli 2002 - 7 K 1232/01 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Ausreiseuntersagung.
Der Kläger befand sich in der Nacht vom 20. auf den 21.7.2001 in einem Reisebus auf dem Weg zu dem am 22.7.2001 in Genua stattfindenden Weltwirtschaftsgipfel G 8. Gegen 0.10 Uhr wurde er am Grenzübergang Weil am Rhein Richtung Schweiz von Beamten des Bundesgrenzschutzes kontrolliert. Mit Verfügung vom 21.7.2001 untersagte das Bundesgrenzschutzamt Weil am Rhein dem Kläger befristet bis zum 22.7.2001, 22.00 Uhr, die Ausreise aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zum Weltwirtschaftsgipfel G 8 in Italien. Zur Begründung wurde ausgeführt, es bestünden Anhaltspunkte dafür, dass er beabsichtige, sich in Genua an gewaltsamen Ausschreitungen zu beteiligen. Nach vorliegenden Erkenntnissen sei der Kläger bereits polizeilich in Erscheinung getreten. Am 8.11.1996 sei er in Bonn im Zusammenhang mit einem Aufzug der linken Szene gegen eine als rechtsextrem eingestufte Gruppierung aufgefallen. Damals seien ihm Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, schwerer Landfriedensbruch, gefährliche Körperverletzung, Sachbeschädigung und Mitführen von Schusswaffen (Signalmunition) zur Last gelegt worden.
Noch am 21.7.2001 legte der Kläger gegen den Bescheid Widerspruch ein, der nicht beschieden wurde. Gleichzeitig beantragte er beim Verwaltungsgericht Freiburg vorläufigen Rechtsschutz (3 K 1170/01). Dieses Verfahren wurde von den Beteiligten übereinstimmend für erledigt erklärt.
Am 30.7.2001 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Freiburg Klage erhoben mit dem Antrag festzustellen, dass die Ausreiseuntersagung des Bundesgrenzschutzamtes Weil am Rhein vom 21.7.2001 rechtswidrig war. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass vorliegend keine Tatsachen gegeben seien, die die Annahme rechtfertigten, seine Ausreise zu dem G 8-Gipfel nach Genua gefährde erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland. Er habe sich bei dem Versuch der Ausreise in einer Gruppe friedlicher und unbescholtener Demonstranten aufgehalten und gehöre nicht zu einer Gruppierung, von der gewalttätige Auseinandersetzungen ernsthaft zu befürchten gewesen seien. Soweit das Bundesgrenzschutzamt sich in seiner Verfügung auf ein angebliches Strafverfahren aus dem Jahre 1996 berufe, seien diese Angaben sachlich falsch. Gegen ihn sei in diesem Zusammenhang lediglich ein Verfahren wegen des Verdachts des Landfriedensbruchs geführt worden, welches von der Staatsanwaltschaft Bonn nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei. Seither sei er weder strafrechtlich noch anderweitig polizeilich auffällig geworden. Zudem habe das Polizeipräsidium Bonn mit Schreiben vom 1.6.2001 seinem Antrag auf Vernichtung der erkennungsdienstlichen Unterlagen stattgegeben, da eine weitere Aufbewahrung nicht mehr als notwendig erachtet worden sei. Ihm sei mitgeteilt worden, dass die entsprechenden Maßnahmen bereits veranlasst worden seien.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Eine fahndungsmäßige Überprüfung des Klägers habe ergeben, dass dieser viermal in der Datei Landfriedensbruch ausgeschrieben gewesen sei. Diese Ausschreibungen ebenso wie die Erkenntnis, dass der Kläger am 8.11.1996 im Zusammenhang mit einem Aufzug der linken Szene in Erscheinung getreten sei, hätten die Annahme gerechtfertigt, der Kläger werde in Genua erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden.
Mit Urteil vom 9.7.2002 hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die Ausreiseuntersagung des Bundesgrenzschutzamtes Weil am Rhein vom 21.7.2001 rechtswidrig gewesen sei. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die vom Bundesgrenzschutzamt vorgenommene Bewertung, wonach beim Kläger Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass bei ihm die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG vorlägen, erweise sich - auch aus der Sicht zum maßgeblichen Zeitpunkt des Einschreitens - als fehlerhaft. Denn bei der Beurteilung sei von einer falschen Tatsachengrundlage ausgegangen worden und das Einschreiten sei auch nicht aus sonstigen Gründen gerechtfertigt gewesen. Nach der dem angefochtenen Bescheid beigefügten Begründung sei das Bundesgrenzschutzamt davon ausgegangen, dass dem Kläger im Zusammenhang mit einer Veranstaltung in Bonn am 8.11.1996 verschiedene Straftaten (Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, schwerer Landfriedensbruch, gefährliche Körperverletzung, Sachbeschädigung und Mitführen von Schusswaffen) zur Last gelegt worden seien. Das sich hiergegen wendende Vorbringen des Klägers stimme mit einer vom Gericht eingeholten Auskunft der Staatsanwaltschaft Bonn überein, wonach dort kein Ermittlungsverfahren wegen der in dem Bescheid genannten Straftaten „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, gefährliche Körperverletzung, Sachbeschädigung und Mitführen von Schusswaffen (Signalmunition)“ gegen den Kläger anhängig gewesen sei. Anhängig gewesen sei allerdings ein Ermittlungsverfahren wegen eines besonders schweren Falls des Landfriedensbruchs. Nach dem unbestrittenen Vorbringen des Klägers habe das Polizeipräsidium Bonn aber bereits mit Bescheid vom 1.6.2001 mitgeteilt, eine weitere Aufbewahrung der über den Kläger vorgehaltenen erkennungsdienstlichen Unterlagen sei nicht mehr notwendig und einer Vernichtung könne zugestimmt werden. Danach seien auch die notwendigen Maßnahmen der Vernichtung sowie Löschung entsprechender Einträge im Informationssystem der Polizei bereits veranlasst worden. Die Grundsätze der polizeilichen Anscheinsgefahr könnten vorliegend keine Anwendung finden. Denn die Beklagte habe den Anschein einer Gefahr durch die in ihren Verantwortungsbereich fallende fehlerhafte Speicherung selbst maßgeblich verursacht. Die Ausreiseuntersagung erweise sich auch nicht deshalb als im Ergebnis rechtmäßig, weil sie auch bei Berücksichtigung der zutreffenden Sachlage hätte verfügt werden können. Angesichts des längeren Zurückliegens der Vorwürfe, der bereits erfolgten Löschungsbewilligung des Polizeipräsidiums Bonn und des Umstandes, dass keine neueren Erkenntnisse über strafrechtliche Verfehlungen des Klägers vorgelegen hätten und bei der Überprüfung an der Grenze keine Anhaltspunkte für eine beabsichtigte Teilnahme des Klägers an gewalttätigen Aktionen festgestellt worden seien, könne im Ergebnis nicht davon ausgegangen werden, dass die Voraussetzungen einer Ausreiseuntersagung vorgelegen hätten.
Auf Antrag der Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 29.9.2003 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen.
Zur Begründung ihrer Berufung führt die Beklagte aus: Bei Verfügung der Ausreiseuntersagung sei nicht von einer falschen Tatsachengrundlage ausgegangen worden. Aus den bei Überprüfung der Datei Landfriedensbruch und einer erweiterten telefonischen Recherche über das Bundeskriminalamt gewonnenen Erkenntnissen hinsichtlich der gegen den Kläger im Jahre 1996 geführten Ermittlungen habe sich ergeben, dass dieser sich zumindest im Umfeld gewalttätiger Demonstrationsteilnehmer bewege. Trotz der gegenüber dem Kläger bewilligten Löschung seien diese Daten zum Zeitpunkt der Entscheidung am 21.7.2001 noch verfügbar gewesen, so dass auf sie habe zurückgegriffen werden können. Die Gefahrenprognose sei auch nicht deshalb zu beanstanden, weil der durch das Landeskriminalamt mitgeteilte Tatvorwurf unzutreffend sei. Maßgeblich für die Entscheidung vor Ort sei gewesen, dass der Kläger wegen Landfriedensbruchs oder einer artverwandten Straftat in Erscheinung getreten sei.
Die Beklagte beantragt,
10 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 9.7.2002 - 7 K 1232/01 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
12 
die Berufung zurückzuweisen.
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Er verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichts und führt aus: Das Verwaltungsgericht habe bei seiner Entscheidung nicht lediglich auf den fehlerhaften Inhalt der Inpol-Datei abgestellt, sondern maßgeblich auch darauf Bezug genommen, dass das Bundesgrenzschutzamt deren Inhalt falsch ausgewertet habe. Die Beamten des Bundesgrenzschutzes seien davon ausgegangen, dass er viermal zur Fahndung wegen Landfriedensbruchs ausgeschrieben gewesen sei und hätten sich damit über die Bedeutung der Eintragung im Irrtum befunden. Zudem hätten wegen des längeren Zurückliegens der Vorwürfe, der bereits erfolgten Löschungsbewilligung und des Fehlens neuerer Erkenntnisse über strafrechtliche Verfehlungen die Voraussetzungen einer Ausreiseuntersagung nicht vorgelegen.
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Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze im Zulassungs- und Berufungsverfahren sowie auf die dem Senat vorliegenden Behörden- und Gerichtsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
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Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
16 
Die vom Senat zugelassene und auch sonst zulässige Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässige (I.) Klage des Klägers begründet ist (II.).
17 
I. Die Klage des Klägers ist als Fortsetzungsfeststellungsklage in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft. Sie bezieht sich auf die Verfügung des Bundesgrenzschutzamtes Weil am Rhein vom 21.7.2001, mit der dem Kläger befristet bis zum 22.7.2001, 22.00 Uhr, die Ausreise aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zum Weltwirtschaftsgipfel G 8 nach Italien untersagt wurde und die sich durch den Fristablauf schon vor Klageerhebung erledigt hat. Der Senat geht in den Fällen der vorprozessualen Erledigung eines Verwaltungsakts von einer analogen Anwendung der Regelung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO aus (vgl. nur die Senatsurteile vom 18.12.2003 - 1 S 2211/02 -, VBlBW 2004, 214 und vom 26.1.1998 - 1 S 3280/96 -, NVwZ 1998, 761, 762, sowie die bisherige ständige Rechtsprechung des BVerwG, BVerwGE 12, 87, 90; 26, 161, 165; 49, 36, 39; 81, 226, 227; ausdrücklich offen gelassen unter Hinweis auf die Möglichkeit der allgemeinen Feststellungsklage im Urteil vom 14.7.1999 - 6 C 7.98 -, BVerwGE 109, 203, 208 f.). Im Übrigen würden sich unter den gegebenen Umständen die Sachurteilsvoraussetzungen nach § 43 VwGO und § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO in analoger Anwendung nicht unterscheiden.
18 
Die Klage ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere kann dem Kläger ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung nicht abgesprochen werden. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des erkennenden Senats ist anerkannt, dass insbesondere bei polizeilichen Maßnahmen auch die Art des Eingriffs, namentlich im grundrechtlich geschützten Bereich, verbunden mit dem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz, es erfordern kann, das Feststellungsinteresse anzuerkennen (vgl. Senatsurteil vom 18.12.2003, a.a.O., sowie BVerwG, Urteil vom 29.4.1997, Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 127). Mit der streitgegenständlichen Verfügung ist in schwerwiegender Weise jedenfalls in das durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Recht des Klägers auf Ausreisefreiheit eingegriffen worden (zur zusätzlichen Anwendbarkeit der Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 und Art. 8 GG vgl. VG Berlin, Urteil vom 17.12.2003 - 1 A 309.01 -, Juris, sowie VG Göttingen, Urteil vom 27.1.2004 - 1 A 1014/02, Juris). Vor diesem Hintergrund wäre es mit den Grundsätzen des Rechtsstaats unvereinbar, dem Kläger den Zugang zum Gericht zu versagen. Unabhängig davon ist auch aus Gründen der Rehabilitierung ein rechtlich anerkennenswertes Interesse des Klägers an der Klärung der Rechtmäßigkeit der Ausreiseuntersagung anzunehmen (zu dieser Voraussetzung vgl. BVerfG, Beschluss vom 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 -, DVBl. 2004, 822; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 19.3.1992, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 244). Denn in der Begründung der Verfügung heißt es, es bestünden Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger beabsichtige, sich in Genua an gewaltsamen Ausschreitungen zu beteiligen. Da hiermit ein kriminelles Verhalten des Klägers prognostiziert wird, ist das Ausreiseverbot geeignet, diskriminierend zu wirken.
19 
II. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass die Klage begründet ist. Die mit Verfügung vom 21.7.2001 ausgesprochene Ausreiseuntersagung war rechtswidrig (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO).
20 
Als Rechtsgrundlage der streitgegenständlichen Maßnahme kommt allein § 10 Abs. 1 Satz 2 des Passgesetzes i.d.F. des Gesetzes vom 1.5.2000 (BGBl. I S. 626) - PassG - in Betracht. Nach dieser Bestimmung können die für die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs zuständigen Behörden einem Deutschen die Ausreise in das Ausland untersagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass bei ihm die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 vorliegen. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG ist der Pass zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Passbewerber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Vorschrift bestehen nicht. Sie schränkt die Ausreisefreiheit, die als Ausfluss der allgemeinen Handlungsfreiheit durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt ist, in zulässiger Weise als Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung ein (vgl. BVerfG, Urteil vom 16.1.1957, BVerfGE 6, 32 ff.; Senatsbeschluss vom 7.6.1995, VBlBW 1996, 71).
21 
Die Beklagte hat die Ausreiseuntersagung auf eine Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland gestützt (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 3. Alt. PassG). Die Frage, ob und mit welchem Gewicht durch die Anwesenheit eines deutschen Staatsangehörigen in einem anderen Land Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet werden, unterliegt uneingeschränkt der richterlichen Überprüfung. Nach dem Wortlaut des Gesetzes müssen für die Feststellung einer solchen Gefährdung „bestimmte Tatsachen“ sprechen, die den beiden anderen Tatbestandsmerkmalen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 (innere oder äußere Sicherheit) in ihrer Gewichtigkeit zwar nicht gleichstehen, aber jedenfalls nahe kommen (vgl. BVerfGE 6, 32 ff.; BVerwG, Urteil vom 29.8.1968, DÖV 1969, 74 ff.; Beschlüsse des Senats vom 14.6.2000 - 1 S 1271/00 -, vom 7.6.1995, VBlBW 1996, 71 und vom 18.5.1994, DVBl. 1995, 360 sowie zuletzt Urteil des Senats vom 26.11.1997 - 1 S 1095/96 -, best. durch BVerwG, Beschluss vom 17.9.1998, Buchholz 402.00 § 7 PassG Nr. 1). Als eine Gefährdung erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG können unter besonderen Umständen auch Handlungen gewertet werden, die geeignet sind, dem internationalen Ansehen Deutschlands zu schaden (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 29.8.1968, a.a.O.). Sprechen bestimmte Tatsachen dafür, dass von einem Deutschen bei seinem Aufenthalt im Ausland derartige Handlungen zu befürchten sind, so kann dies ein Ausreiseverbot als Vorsorgemaßnahme rechtfertigen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 14.6.2000, a.a.O., sowie vom 7.6.1995, a.a.O.).
22 
An diesem Maßstab gemessen dürfte die Beklagte zwar zu Recht davon ausgegangen sein, dass im Zusammenhang mit der Durchführung des G 8-Gipfels in Genua mit gewalttätigen Ausschreitungen zu rechnen und dass eine Beteiligung gewaltbereiter deutscher Demonstranten geeignet war, das internationale Ansehen der Bundesrepublik Deutschland zu schädigen (vgl. bereits den Senatsbeschluss vom 4.8.2003 - 1 S 720/03 -). Nicht gerechtfertigt war jedoch die weitere Feststellung des Bundesgrenzschutzamtes, in der Person des Klägers lägen bestimmte Tatsachen vor, die die Annahme begründeten, auch von ihm würde eine solche Gefahr ausgehen.
23 
Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, die vom Bundesgrenzschutzamt vorgenommene Prognose sei bereits deshalb zu beanstanden, weil dabei von einer fehlerhaften Tatsachengrundlage ausgegangen worden sei. Die Grundsätze der Anscheinsgefahr fänden keine Anwendung, weil die Beklagte den Anschein einer Gefahr durch die in ihren Verantwortungsbereich fallende fehlerhafte Speicherung (bzw. noch nicht durchgeführte Löschung) der Daten des Klägers in der INPOL-Datei des Bundeskriminalamtes selbst maßgeblich verursacht habe. Nach Auffassung des Senats spricht indes einiges dafür, dass auch im vorliegenden Fall bei der Prüfung, ob eine Gefährdung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG vorlag, die Grundsätze der Anscheinsgefahr Geltung beanspruchten (unter 1. ). Diese Frage bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung. Denn die streitgegenständliche Verfügung war selbst bei Anwendung der Grundsätze der Anscheinsgefahr nicht rechtmäßig (unter 2.).
24 
1. Nach den Grundsätzen der Anscheinsgefahr ist es entscheidend, ob der handelnde Beamte aus der Ex-ante-Sicht mit Blick auf die ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Informationen aufgrund hinreichender Anhaltspunkte vom Vorliegen einer Gefährdung ausgehen konnte und diese Prognose dem Urteil eines fähigen, besonnenen und sachkundigen Amtswalters entspricht (vgl. Senatsurteil vom 22.7.2004 - 1 S 410/03 -, Urteil vom 10.5.1990 - 5 S 1842/89 -, VBlBW 1990, 469, 470 f. und Beschluss vom 16.10.1990 - 8 S 2087/90 -, NVwZ 1991, 493; Wolf/Stephan, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 5. Aufl., § 1 RdNr. 34; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 5. Aufl., RdNr. 424). Dabei beurteilt es sich auch nach den - ggf. eingeschränkten - Erkenntnismöglichkeiten zum Zeitpunkt des Einschreitens, ob dem Beamten ein Vorwurf gemacht werden kann, wenn er seiner Entscheidung Informationen zugrunde gelegt hat, die unvollständig oder falsch waren oder die aus Rechtsgründen nicht mehr hätten verwertet werden können.
25 
Die Anwendbarkeit dieser Grundsätze dürfte entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass die Beklagte möglicherweise selbst den Anschein der Gefahr zurechenbar (mit-) verursacht hat. Dies wäre wohl der Fall gewesen, wenn die den Kläger betreffenden Einträge im Informationssystem der Polizei tatsächlich - wie vom Kläger behauptet - teilweise unrichtig gewesen wären und überdies zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesgrenzschutzamts bereits hätten gelöscht sein müssen und diese Mängel von einer anderen Behörde der Beklagten (etwa vom Bundeskriminalamt) zu verantworten gewesen wären. Indes können die zur Gefahrenabwehr berufenen Behörden die legitime Aufgabe präventiven Rechtsgüterschutzes nur effektiv erfüllen, wenn sie auch auf unsicherer Tatsachengrundlage einschreiten. Um zu vermeiden, dass ein im Rahmen dieser Aufgabe als Dienstpflicht auferlegtes Handeln in die Illegalität gedrängt wird, ist bei der Beurteilung der Gefahr allein auf die Erkenntnismöglichkeiten des konkret handelnden Beamten zum Zeitpunkt des Einschreitens abzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.2.1974, BVerwGE 45, 51, 58; Würtenberger/Heckmann/Riggert, a.a.O., RdNr. 425). Vor diesem Hintergrund spricht einiges dafür, die Grundsätze der Anscheinsgefahr auch anzuwenden, wenn das Vorhandensein fehlerhafter oder aus Rechtsgründen nicht mehr verwertbarer Informationen auf dem Handeln einer anderen Behörde beruht und dem handelnden Beamten - am obigen Maßstab gemessen - kein Vorwurf gemacht werden kann, dass er diese Informationen seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat (zur Möglichkeit der „Kompensation“ auf der sog. Sekundärebene in solchen Fällen vgl. Würtenberger/Heckmann/Riggert, a.a.O., RdNrn. 867, 868, 915 m.w.N.; Wolf/Stephan, a.a.O., § 55 RdNr. 11; Schoch, JuS 1990, 504, 507; VGH Bad.-Württ., Urteile vom 8.9.1989, VBlBW 1990, 232, 233, und vom 10.5.1990, VBlBW 1990, 469, 471).
26 
2. Diese Frage kann jedoch letztlich offen bleiben. Denn die streitgegenständliche Verfügung erweist sich selbst bei Anwendung der Grundsätze der Anscheinsgefahr nicht als rechtmäßig. Der Beamte des Bundesgrenzschutzamtes durfte auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Informationen bei pflichtgemäßem Handeln nicht davon ausgehen, dass im Falle des Klägers bestimmte Tatsachen die Annahme eine Gefährdung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 3. Alt. PassG begründen.
27 
Seinem Wortlaut nach zwingt § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG mit dem Merkmal der „bestimmten Tatsachen“ nicht zu der Schlussfolgerung, einer Passversagung bzw. Ausreiseuntersagung dürften nur Tatsachen innerhalb eines bestimmten Zeitraums zugrunde gelegt werden. In der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Pass- und Personalausweisrechts vom 26.1.2000 heißt es, die Anordnung der Passbeschränkung setze „eine konkrete Gefährdungslage“ voraus. Es müssten „Tatsachen vorliegen, die auf eine Gefährlichkeit des Betroffenen schließen lassen und aufgrund derer damit zu rechnen ist, dass er bei dem bevorstehenden Anlass erneut gewalttätig wird“. Der Betroffene müsse „als gewaltbereiter Hooligan bekannt sein und in jüngerer Zeit, d.h. innerhalb der letzten zwölf Monate im Zusammenhang mit Gewalttaten oder als Teilnehmer an gewalttätigen Ausschreitungen aufgefallen sein“ (BTDrucks 14/2726, S. 6 zu Art. 1 Nr. 9). Der Senat entnimmt der Gesetzesbegründung zwar keine Auslegungsdirektive dahingehend, dass in die Gefährdungsprognose im Sinne einer starren zeitlichen Grenze nur Vorfälle innerhalb der letzten zwölf Monate einfließen dürften (so auch Breucker, Transnationale polizeiliche Gewaltprävention, 2003, S. 160 f., m.w.N.; ähnlich Medert/Süßmuth, Passrecht, § 7 RdNr. 12; a.A. Nolte, NVwZ 2001, 147, 151). Denn eine solche starre Grenze stünde einer sachgerechten einzelfallbezogenen Gefährdungsprognose entgegen. Individuellen Besonderheiten könnte nicht hinreichend Rechnung getragen werden, insbesondere wäre die für eine realitätsnahe Einschätzung der Gefährdungslage gebotene Beobachtung der persönlichen Entwicklung des Betroffenen über Jahre hinweg nicht möglich. Diesem Umstand kommt insbesondere auch deshalb nicht unerhebliche Bedeutung zu, weil Gewalttäter oftmals nur bestimmte Großveranstaltungen zum Anlass für Ausschreitungen nehmen, die in großen Zeitintervallen stattfinden (vgl. Breucker, a.a.O., S. 161).
28 
Jedoch ist mit Blick auf den aus den Gesetzgebungsmaterialien erkennbaren Willen des Normgebers sowie in Ansehung des mit einer Passversagung bzw. Ausreiseuntersagung verbundenen gravierenden Eingriffs in die grundrechtlich geschützte Ausreisefreiheit zur Wahrung des rechtsstaatlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu fordern, dass die in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG vorausgesetzte Gefährdungslage hinreichende Aktualität aufweist. Jedenfalls im Regelfall bedarf es deshalb der Feststellung von Vorfällen (auch) aus jüngerer Zeit, um die Gefährdungsprognose zu begründen. Dies schließt es nicht aus, im Einzelfall auch auf zeitlich weiter zurückliegende Vorfälle zurückzugreifen. In einem solchen Fall muss jedoch unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls sorgfältig geprüft werden, ob die herangezogene Tatsache im Zeitpunkt der Entscheidung über die Ausreiseuntersagung noch so schwer wiegt, dass die Annahme einer hinreichend konkreten Gefährdungslage weiterhin gerechtfertigt ist.
29 
Nach diesen Grundsätzen war die am 21.7.2001 angestellte Prognose der Beklagten, der Kläger werde sich im Falle seiner Ausreise auf dem G 8-Gipfel in Genua an gewalttätigen Ausschreitungen beteiligen und dadurch das internationale Ansehen der Bundesrepublik Deutschland schädigen, auf der Grundlage der von dem zuständigen Beamten des Bundesgrenzschutzamtes über den Kläger eingeholten Informationen nicht gerechtfertigt.
30 
Erkenntnisse aus jüngerer Zeit, von denen auf eine Beteiligung des Klägers an Gewalttätigkeiten G 8-Gipfel in Genua hätte geschlossen werden können, lagen nicht vor. Insbesondere konnten bei der Überprüfung an der Grenze aktuelle Anhaltspunkte für eine Absicht des Klägers, in Genua an gewalttätigen Aktionen teilzunehmen, nicht festgestellt werden. Der Kläger befand sich in einer als friedlich angesehenen Reisegruppe, welcher mit Ausnahme des Klägers vollständig die Ausreise gestattet wurde. Dies ist von der Beklagten auch nicht in Zweifel gezogen worden (vgl. Schriftsatz vom 26.7.2001, S. 27 der VG-Akte 3 K 1170/01).
31 
Dem steht nicht entgegen, dass jedenfalls nach Auffassung des zuständigen Bundesgrenzschutzamts die Verfügung auch darauf gestützt worden war, dass eine „fahndungsmäßige Überprüfung“ des Klägers ergeben habe, dass dieser „ 4 x (LKA München, LKA Düsseldorf, LKA Baden-Württemberg und PD Kaiserslautern) wegen Landfriedensbruchs ausgeschrieben“ sei (vgl. den Tagebucheintrag des Bundesgrenzschutzamtes, S. 55 der VG-Akte 7 K 1232/01, den INPOL-Auszug Personenfahndung, S. 57 der VG-Akte 7 K 1232/01 sowie den Schriftsatz des Bundesgrenzschutzamtes Weil am Rhein vom 26.7.2001 im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, S. 25 f. der VG-Akte 3 K 1170/01). Denn die insoweit von dem zuständigen Beamten abgerufenen Daten hinsichtlich „aktueller Ausschreibungen“ ließen jedenfalls bei pflichtgemäßer Beurteilung einen Schluss auf das Vorliegen hinreichend aktueller und für die im Rahmen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG anzustellende Gefährdungsprognose relevanter Auffälligkeiten des Klägers nicht zu.
32 
Unstreitig ist gegen den Kläger wegen seiner Beteiligung an einem Aufzug von Anhängern der linken Szene am 8.11.1996 in Bonn von der dortigen Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen eines besonders schweren Falls des Landfriedensbruchs durchgeführt worden. Dieses Ermittlungsverfahren hat zur Aufnahme der diesbezüglichen Daten des Klägers in eine von den Staatsschutzdienststellen des Bundeskriminalamtes und der Landeskriminalämter abrufbaren Verbunddatei des Informationssystems der Polizei (INPOL) geführt (zum Inhalt dieser Datei vgl. das Schreiben des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen an die Klägervertreter vom 14.9.2001, S. 45 der VG-Akte 7 K 1232/01). Darüber hinaus wurde mit Blick auf dieses Ermittlungsverfahren eine Speicherung von Daten des Klägers im „geschützten Bereich Landfriedensbruch“ veranlasst, dessen Bestand nur anlassbezogen und zeitlich sowie in der Regel auch räumlich begrenzt zur Abfrage freigegeben wird (vgl. das Schreiben vom 14.9.2001, a.a.O., sowie die Stellungnahme des Datenschutzbeauftragten des Bundeskriminalamtes vom 5.9.2001, S. 74 f. der VG-Akte 3 K 1170/01). Der Datenbestand dieser Datei kann im Vorfeld von Demonstrationen oder sonstigen Ereignissen in die Personenfahndungsdatei eingegeben werden, so dass nun u.a. auch die Polizeidienststellen der Länder sowie die Dienststellen des Bundesgrenzschutzes auf die Daten Zugriff haben (vgl. § 11 Abs. 2 BKAG sowie Bäumler, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 3. Aufl., J RdNrn. 181, 155). Bei Kontrollen soll dann auf die Personen, deren Daten in der Datei gespeichert sind, ein besonderes Augenmerk gerichtet werden, wobei jedoch grundsätzlich nur Maßnahmen ergriffen werden dürfen, die nach allgemeinem Polizeirecht zulässig sind (vgl. Bäumler, a.a.O., RdNr. 181). Im Zeitpunkt der Überprüfung des Klägers am 21.7.2001 an der Grenze bei Weil am Rhein war von den Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg aus Anlass des G 8-Gipfels in Genua und von den Ländern Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen aufgrund anderer Anlässe die Freigabe des geschützten Fahndungsbestandes beantragt worden.
33 
Bei dieser Sachlage konnte ein mit dem polizeilichen Informationssystem vertrauter Nutzungsberechtigter aus den von dem Grenzschutzbeamten abgerufenen Daten (vgl. S. 57 der VG-Akte) bei sorgfältiger Überprüfung nur folgern, dass der Kläger lediglich mit Blick auf das Ermittlungsverfahren wegen der Teilnahme an dem Aufzug am 8.11.1996 im „geschützten Bereich Landfriedensbruch“ geführt wurde und dass die Freigabe des geschützten Fahndungsbestandes zu Kontrollzwecken von vier Bundesländern beantragt worden war (vgl. auch die Stellungnahme des Datenschutzbeauftragten des Bundeskriminalamtes vom 5.9.2001, S. 74 f. der VG-Akte 3 K 1170/01). Sollte der zuständige Beamte demgegenüber aufgrund der Speicherung der Daten des Klägers in der Fahndungsdatei irrtümlich davon ausgegangen sein, gegen diesen lägen auch andere, insbesondere aktuellere Vorwürfe vor oder gar konkrete Fahndungsersuchen von Dienststellen verschiedener Bundesländer, würde es sich um eine pflichtwidrige Fehleinschätzung gehandelt haben, die nicht geeignet wäre, die Annahme einer Anscheinsgefahr zu rechtfertigen.
34 
Mithin stammten letztlich sämtliche Vorfälle, aus denen der zuständige Beamte nach den eingeholten Informationen bei pflichtgemäßer Beurteilung eine Gefährdung hat ableiten können, bereits aus dem Jahr 1996. Umstände, die trotz dieses langen Zeitraums die Annahme der Gefahr erneuter Gewalttätigkeiten und damit einer aktuellen Gefährdungslage hätten rechtfertigen können, vermag der Senat nicht festzustellen.
35 
Dies gilt zunächst für den von dem kontrollierenden Beamten des Bundesgrenzschutzamtes abgerufenen, objektiv möglicherweise teilweise unrichtigen Inhalt der INPOL-Verbunddatei hinsichtlich eines Ermittlungsverfahrens wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, schweren Landfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung, Sachbeschädigung und Mitführen von Schusswaffen (Signalmunition) im Zusammenhang mit der Teilnahme an einem Aufzug am 8.11.1996 in Bonn (vgl. das Schreiben des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen an die Klägervertreter vom 14.9.2001, S. 45 der VG-Akte 7 K 1232/01). Die Durchführung eines solchen Ermittlungsverfahrens stellt eine gravierende und im Hinblick auf die von der Beklagten prognostizierte Gefährdung (Teilnahme an Gewalttätigkeiten in Genua) auch einschlägige Vorbelastung dar. Insbesondere der Verdacht, der Kläger habe einen besonders schweren Fall des Landfriedenbruchs begangen, wiegt schwer angesichts der für dieses Delikt bestehenden Strafdrohung von 6 Monaten bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe (§ 125 a StGB). Andererseits darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass zum Zeitpunkt des behördlichen Handelns bereits ein Zeitraum von über 4 Jahren und 8 Monaten vergangen war, in dem der Kläger weder strafrechtlich in Erscheinung getreten noch sonst den Behörden im Zusammenhang mit der Teilnahme an gewalttätigen Demonstrationen aufgefallen ist. Dieser lange Zeitraum der Unauffälligkeit kann als Indiz dafür gewertet werden, dass sich seine Einstellung zur Anwendung von Gewalt geändert hat. Dies gilt um so mehr, als der Kläger im Zeitpunkt der Teilnahme an dem Aufzug erst 19 Jahre alt und somit noch Heranwachsender war und es nicht auszuschließen ist, dass es sich bei seinem Verhalten im Zusammenhang mit dem Aufzug am 8.11.1996 um eine jugendtypische Verfehlung gehandelt hat.
36 
Im Rahmen der Gefährdungsprognose war zugunsten des Klägers ferner zu berücksichtigen, dass damals keine strafrechtliche Verurteilung erfolgt, sondern das Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist. Ausweislich des handschriftlichen Vermerks auf dem von dem Beamten des Bundesgrenzschutzamtes zu dem Vorfall gefertigten Tagebucheintrag („StA Bonn 50 Js 666/96 (§ 170 II StPO)“, S. 55 der VG-Akte 7 K 1232/01) spricht vieles dafür, dass dem Grenzbeamten dieser Ausgang des Verfahrens bekannt war. Jedenfalls kann davon ausgegangen werden, dass ihm die Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO hätte bekannt sein müssen. Denn er kannte das Datum des zugrunde liegenden Vorfalls und hatte zudem telefonisch beim Bundeskriminalamt in Meckenheim recherchiert. Greifbare Anhaltspunkte, die aus seiner Sicht hätten nahe legen können, dass das bereits aus dem Jahr 1996 stammende Ermittlungsverfahren auf andere Weise als durch Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO geendet hatte, sind von der Beklagten nicht dargetan und auch sonst nicht erkennbar. Der Auffassung der Beklagten, der Umstand, dass es nicht zu einer strafrechtlichen Verurteilung gekommen sei, mindere nicht die Relevanz der Vorkommnisse für die Gefahrenprognose, kann so nicht gefolgt werden. Wie dargelegt, ist das gegen den Kläger eingeleitete Ermittlungsverfahren - für den zuständigen Grenzschutzbeamten erkennbar - gemäß § 170 Abs. 2 StPO, also wegen Fehlens eines hinreichenden Tatverdachts eingestellt worden. Zwar schließt diese Form der Verfahrenseinstellung einen gegen den Beschuldigten fortbestehenden Tatverdacht nicht notwendig aus (vgl. Senatsurteil vom 29.9.2003 - 1 S 2145/02 -). Einem solchen „Restverdacht“ kommt indes im Verhältnis zu einer strafrechtlichen Verurteilung im Rahmen der Gefahrenprognose geringeres Gewicht zu.
37 
Vor diesem Hintergrund ist nach Auffassung des Senats die dem Ermittlungsverfahren aus dem Jahre 1996 zukommende Indizwirkung durch den langen Zeitraum, in dem der Kläger - bezogen auf sein Verhalten im Zusammenhang mit Demonstrationen - unauffällig geblieben ist, maßgeblich entkräftet worden. Eine Ausreiseuntersagung war deshalb nicht mehr gerechtfertigt. Dies gilt auch, wenn berücksichtigt wird, dass dem Beamten ausweislich des Tagebucheintrags vom 21.7.2001 (a.a.O.) aufgrund einer telefonischen Recherche beim Bundeskriminalamt in Meckenheim bekannt war, dass der Kläger 1996 „mehrfach in Erscheinung getreten war“. Denn den beiden weiteren Ermittlungsverfahren aus dem Jahr 1996 (S. 47 der VG-Akte 7 K 1232/01) konnte unter dem hier allein erheblichen Gesichtspunkt einer Gefährdungsprognose im Hinblick auf Gewalttätigkeiten keine maßgebliche Bedeutung mehr zukommen. Dies gilt um so mehr, als sich diese auf über fünf Jahre zurückliegende Vorfälle vom Mai 1996 bezogen. Dem entspricht es, dass die Verfahren in der Begründung der Verfügung vom 21.7.2001 keine Erwähnung fanden und dass auch nur das Verfahren vom November 1996 Eingang in die INPOL-Verbunddatei gefunden hat.
38 
Da es nach alledem bereits am Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG fehlte, bedarf es keiner Prüfung, ob die Beklagte das ihr in dieser Bestimmung eingeräumte Ermessen („können“) auch rechtsfehlerfrei ausgeübt hat.
39 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
40 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.

Gründe

 
15 
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
16 
Die vom Senat zugelassene und auch sonst zulässige Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässige (I.) Klage des Klägers begründet ist (II.).
17 
I. Die Klage des Klägers ist als Fortsetzungsfeststellungsklage in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft. Sie bezieht sich auf die Verfügung des Bundesgrenzschutzamtes Weil am Rhein vom 21.7.2001, mit der dem Kläger befristet bis zum 22.7.2001, 22.00 Uhr, die Ausreise aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zum Weltwirtschaftsgipfel G 8 nach Italien untersagt wurde und die sich durch den Fristablauf schon vor Klageerhebung erledigt hat. Der Senat geht in den Fällen der vorprozessualen Erledigung eines Verwaltungsakts von einer analogen Anwendung der Regelung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO aus (vgl. nur die Senatsurteile vom 18.12.2003 - 1 S 2211/02 -, VBlBW 2004, 214 und vom 26.1.1998 - 1 S 3280/96 -, NVwZ 1998, 761, 762, sowie die bisherige ständige Rechtsprechung des BVerwG, BVerwGE 12, 87, 90; 26, 161, 165; 49, 36, 39; 81, 226, 227; ausdrücklich offen gelassen unter Hinweis auf die Möglichkeit der allgemeinen Feststellungsklage im Urteil vom 14.7.1999 - 6 C 7.98 -, BVerwGE 109, 203, 208 f.). Im Übrigen würden sich unter den gegebenen Umständen die Sachurteilsvoraussetzungen nach § 43 VwGO und § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO in analoger Anwendung nicht unterscheiden.
18 
Die Klage ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere kann dem Kläger ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung nicht abgesprochen werden. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des erkennenden Senats ist anerkannt, dass insbesondere bei polizeilichen Maßnahmen auch die Art des Eingriffs, namentlich im grundrechtlich geschützten Bereich, verbunden mit dem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz, es erfordern kann, das Feststellungsinteresse anzuerkennen (vgl. Senatsurteil vom 18.12.2003, a.a.O., sowie BVerwG, Urteil vom 29.4.1997, Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 127). Mit der streitgegenständlichen Verfügung ist in schwerwiegender Weise jedenfalls in das durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Recht des Klägers auf Ausreisefreiheit eingegriffen worden (zur zusätzlichen Anwendbarkeit der Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 und Art. 8 GG vgl. VG Berlin, Urteil vom 17.12.2003 - 1 A 309.01 -, Juris, sowie VG Göttingen, Urteil vom 27.1.2004 - 1 A 1014/02, Juris). Vor diesem Hintergrund wäre es mit den Grundsätzen des Rechtsstaats unvereinbar, dem Kläger den Zugang zum Gericht zu versagen. Unabhängig davon ist auch aus Gründen der Rehabilitierung ein rechtlich anerkennenswertes Interesse des Klägers an der Klärung der Rechtmäßigkeit der Ausreiseuntersagung anzunehmen (zu dieser Voraussetzung vgl. BVerfG, Beschluss vom 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 -, DVBl. 2004, 822; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 19.3.1992, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 244). Denn in der Begründung der Verfügung heißt es, es bestünden Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger beabsichtige, sich in Genua an gewaltsamen Ausschreitungen zu beteiligen. Da hiermit ein kriminelles Verhalten des Klägers prognostiziert wird, ist das Ausreiseverbot geeignet, diskriminierend zu wirken.
19 
II. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass die Klage begründet ist. Die mit Verfügung vom 21.7.2001 ausgesprochene Ausreiseuntersagung war rechtswidrig (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO).
20 
Als Rechtsgrundlage der streitgegenständlichen Maßnahme kommt allein § 10 Abs. 1 Satz 2 des Passgesetzes i.d.F. des Gesetzes vom 1.5.2000 (BGBl. I S. 626) - PassG - in Betracht. Nach dieser Bestimmung können die für die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs zuständigen Behörden einem Deutschen die Ausreise in das Ausland untersagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass bei ihm die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 vorliegen. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG ist der Pass zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Passbewerber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Vorschrift bestehen nicht. Sie schränkt die Ausreisefreiheit, die als Ausfluss der allgemeinen Handlungsfreiheit durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt ist, in zulässiger Weise als Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung ein (vgl. BVerfG, Urteil vom 16.1.1957, BVerfGE 6, 32 ff.; Senatsbeschluss vom 7.6.1995, VBlBW 1996, 71).
21 
Die Beklagte hat die Ausreiseuntersagung auf eine Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland gestützt (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 3. Alt. PassG). Die Frage, ob und mit welchem Gewicht durch die Anwesenheit eines deutschen Staatsangehörigen in einem anderen Land Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet werden, unterliegt uneingeschränkt der richterlichen Überprüfung. Nach dem Wortlaut des Gesetzes müssen für die Feststellung einer solchen Gefährdung „bestimmte Tatsachen“ sprechen, die den beiden anderen Tatbestandsmerkmalen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 (innere oder äußere Sicherheit) in ihrer Gewichtigkeit zwar nicht gleichstehen, aber jedenfalls nahe kommen (vgl. BVerfGE 6, 32 ff.; BVerwG, Urteil vom 29.8.1968, DÖV 1969, 74 ff.; Beschlüsse des Senats vom 14.6.2000 - 1 S 1271/00 -, vom 7.6.1995, VBlBW 1996, 71 und vom 18.5.1994, DVBl. 1995, 360 sowie zuletzt Urteil des Senats vom 26.11.1997 - 1 S 1095/96 -, best. durch BVerwG, Beschluss vom 17.9.1998, Buchholz 402.00 § 7 PassG Nr. 1). Als eine Gefährdung erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG können unter besonderen Umständen auch Handlungen gewertet werden, die geeignet sind, dem internationalen Ansehen Deutschlands zu schaden (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 29.8.1968, a.a.O.). Sprechen bestimmte Tatsachen dafür, dass von einem Deutschen bei seinem Aufenthalt im Ausland derartige Handlungen zu befürchten sind, so kann dies ein Ausreiseverbot als Vorsorgemaßnahme rechtfertigen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 14.6.2000, a.a.O., sowie vom 7.6.1995, a.a.O.).
22 
An diesem Maßstab gemessen dürfte die Beklagte zwar zu Recht davon ausgegangen sein, dass im Zusammenhang mit der Durchführung des G 8-Gipfels in Genua mit gewalttätigen Ausschreitungen zu rechnen und dass eine Beteiligung gewaltbereiter deutscher Demonstranten geeignet war, das internationale Ansehen der Bundesrepublik Deutschland zu schädigen (vgl. bereits den Senatsbeschluss vom 4.8.2003 - 1 S 720/03 -). Nicht gerechtfertigt war jedoch die weitere Feststellung des Bundesgrenzschutzamtes, in der Person des Klägers lägen bestimmte Tatsachen vor, die die Annahme begründeten, auch von ihm würde eine solche Gefahr ausgehen.
23 
Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, die vom Bundesgrenzschutzamt vorgenommene Prognose sei bereits deshalb zu beanstanden, weil dabei von einer fehlerhaften Tatsachengrundlage ausgegangen worden sei. Die Grundsätze der Anscheinsgefahr fänden keine Anwendung, weil die Beklagte den Anschein einer Gefahr durch die in ihren Verantwortungsbereich fallende fehlerhafte Speicherung (bzw. noch nicht durchgeführte Löschung) der Daten des Klägers in der INPOL-Datei des Bundeskriminalamtes selbst maßgeblich verursacht habe. Nach Auffassung des Senats spricht indes einiges dafür, dass auch im vorliegenden Fall bei der Prüfung, ob eine Gefährdung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG vorlag, die Grundsätze der Anscheinsgefahr Geltung beanspruchten (unter 1. ). Diese Frage bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung. Denn die streitgegenständliche Verfügung war selbst bei Anwendung der Grundsätze der Anscheinsgefahr nicht rechtmäßig (unter 2.).
24 
1. Nach den Grundsätzen der Anscheinsgefahr ist es entscheidend, ob der handelnde Beamte aus der Ex-ante-Sicht mit Blick auf die ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Informationen aufgrund hinreichender Anhaltspunkte vom Vorliegen einer Gefährdung ausgehen konnte und diese Prognose dem Urteil eines fähigen, besonnenen und sachkundigen Amtswalters entspricht (vgl. Senatsurteil vom 22.7.2004 - 1 S 410/03 -, Urteil vom 10.5.1990 - 5 S 1842/89 -, VBlBW 1990, 469, 470 f. und Beschluss vom 16.10.1990 - 8 S 2087/90 -, NVwZ 1991, 493; Wolf/Stephan, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 5. Aufl., § 1 RdNr. 34; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 5. Aufl., RdNr. 424). Dabei beurteilt es sich auch nach den - ggf. eingeschränkten - Erkenntnismöglichkeiten zum Zeitpunkt des Einschreitens, ob dem Beamten ein Vorwurf gemacht werden kann, wenn er seiner Entscheidung Informationen zugrunde gelegt hat, die unvollständig oder falsch waren oder die aus Rechtsgründen nicht mehr hätten verwertet werden können.
25 
Die Anwendbarkeit dieser Grundsätze dürfte entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass die Beklagte möglicherweise selbst den Anschein der Gefahr zurechenbar (mit-) verursacht hat. Dies wäre wohl der Fall gewesen, wenn die den Kläger betreffenden Einträge im Informationssystem der Polizei tatsächlich - wie vom Kläger behauptet - teilweise unrichtig gewesen wären und überdies zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesgrenzschutzamts bereits hätten gelöscht sein müssen und diese Mängel von einer anderen Behörde der Beklagten (etwa vom Bundeskriminalamt) zu verantworten gewesen wären. Indes können die zur Gefahrenabwehr berufenen Behörden die legitime Aufgabe präventiven Rechtsgüterschutzes nur effektiv erfüllen, wenn sie auch auf unsicherer Tatsachengrundlage einschreiten. Um zu vermeiden, dass ein im Rahmen dieser Aufgabe als Dienstpflicht auferlegtes Handeln in die Illegalität gedrängt wird, ist bei der Beurteilung der Gefahr allein auf die Erkenntnismöglichkeiten des konkret handelnden Beamten zum Zeitpunkt des Einschreitens abzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.2.1974, BVerwGE 45, 51, 58; Würtenberger/Heckmann/Riggert, a.a.O., RdNr. 425). Vor diesem Hintergrund spricht einiges dafür, die Grundsätze der Anscheinsgefahr auch anzuwenden, wenn das Vorhandensein fehlerhafter oder aus Rechtsgründen nicht mehr verwertbarer Informationen auf dem Handeln einer anderen Behörde beruht und dem handelnden Beamten - am obigen Maßstab gemessen - kein Vorwurf gemacht werden kann, dass er diese Informationen seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat (zur Möglichkeit der „Kompensation“ auf der sog. Sekundärebene in solchen Fällen vgl. Würtenberger/Heckmann/Riggert, a.a.O., RdNrn. 867, 868, 915 m.w.N.; Wolf/Stephan, a.a.O., § 55 RdNr. 11; Schoch, JuS 1990, 504, 507; VGH Bad.-Württ., Urteile vom 8.9.1989, VBlBW 1990, 232, 233, und vom 10.5.1990, VBlBW 1990, 469, 471).
26 
2. Diese Frage kann jedoch letztlich offen bleiben. Denn die streitgegenständliche Verfügung erweist sich selbst bei Anwendung der Grundsätze der Anscheinsgefahr nicht als rechtmäßig. Der Beamte des Bundesgrenzschutzamtes durfte auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Informationen bei pflichtgemäßem Handeln nicht davon ausgehen, dass im Falle des Klägers bestimmte Tatsachen die Annahme eine Gefährdung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 3. Alt. PassG begründen.
27 
Seinem Wortlaut nach zwingt § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG mit dem Merkmal der „bestimmten Tatsachen“ nicht zu der Schlussfolgerung, einer Passversagung bzw. Ausreiseuntersagung dürften nur Tatsachen innerhalb eines bestimmten Zeitraums zugrunde gelegt werden. In der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Pass- und Personalausweisrechts vom 26.1.2000 heißt es, die Anordnung der Passbeschränkung setze „eine konkrete Gefährdungslage“ voraus. Es müssten „Tatsachen vorliegen, die auf eine Gefährlichkeit des Betroffenen schließen lassen und aufgrund derer damit zu rechnen ist, dass er bei dem bevorstehenden Anlass erneut gewalttätig wird“. Der Betroffene müsse „als gewaltbereiter Hooligan bekannt sein und in jüngerer Zeit, d.h. innerhalb der letzten zwölf Monate im Zusammenhang mit Gewalttaten oder als Teilnehmer an gewalttätigen Ausschreitungen aufgefallen sein“ (BTDrucks 14/2726, S. 6 zu Art. 1 Nr. 9). Der Senat entnimmt der Gesetzesbegründung zwar keine Auslegungsdirektive dahingehend, dass in die Gefährdungsprognose im Sinne einer starren zeitlichen Grenze nur Vorfälle innerhalb der letzten zwölf Monate einfließen dürften (so auch Breucker, Transnationale polizeiliche Gewaltprävention, 2003, S. 160 f., m.w.N.; ähnlich Medert/Süßmuth, Passrecht, § 7 RdNr. 12; a.A. Nolte, NVwZ 2001, 147, 151). Denn eine solche starre Grenze stünde einer sachgerechten einzelfallbezogenen Gefährdungsprognose entgegen. Individuellen Besonderheiten könnte nicht hinreichend Rechnung getragen werden, insbesondere wäre die für eine realitätsnahe Einschätzung der Gefährdungslage gebotene Beobachtung der persönlichen Entwicklung des Betroffenen über Jahre hinweg nicht möglich. Diesem Umstand kommt insbesondere auch deshalb nicht unerhebliche Bedeutung zu, weil Gewalttäter oftmals nur bestimmte Großveranstaltungen zum Anlass für Ausschreitungen nehmen, die in großen Zeitintervallen stattfinden (vgl. Breucker, a.a.O., S. 161).
28 
Jedoch ist mit Blick auf den aus den Gesetzgebungsmaterialien erkennbaren Willen des Normgebers sowie in Ansehung des mit einer Passversagung bzw. Ausreiseuntersagung verbundenen gravierenden Eingriffs in die grundrechtlich geschützte Ausreisefreiheit zur Wahrung des rechtsstaatlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu fordern, dass die in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG vorausgesetzte Gefährdungslage hinreichende Aktualität aufweist. Jedenfalls im Regelfall bedarf es deshalb der Feststellung von Vorfällen (auch) aus jüngerer Zeit, um die Gefährdungsprognose zu begründen. Dies schließt es nicht aus, im Einzelfall auch auf zeitlich weiter zurückliegende Vorfälle zurückzugreifen. In einem solchen Fall muss jedoch unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls sorgfältig geprüft werden, ob die herangezogene Tatsache im Zeitpunkt der Entscheidung über die Ausreiseuntersagung noch so schwer wiegt, dass die Annahme einer hinreichend konkreten Gefährdungslage weiterhin gerechtfertigt ist.
29 
Nach diesen Grundsätzen war die am 21.7.2001 angestellte Prognose der Beklagten, der Kläger werde sich im Falle seiner Ausreise auf dem G 8-Gipfel in Genua an gewalttätigen Ausschreitungen beteiligen und dadurch das internationale Ansehen der Bundesrepublik Deutschland schädigen, auf der Grundlage der von dem zuständigen Beamten des Bundesgrenzschutzamtes über den Kläger eingeholten Informationen nicht gerechtfertigt.
30 
Erkenntnisse aus jüngerer Zeit, von denen auf eine Beteiligung des Klägers an Gewalttätigkeiten G 8-Gipfel in Genua hätte geschlossen werden können, lagen nicht vor. Insbesondere konnten bei der Überprüfung an der Grenze aktuelle Anhaltspunkte für eine Absicht des Klägers, in Genua an gewalttätigen Aktionen teilzunehmen, nicht festgestellt werden. Der Kläger befand sich in einer als friedlich angesehenen Reisegruppe, welcher mit Ausnahme des Klägers vollständig die Ausreise gestattet wurde. Dies ist von der Beklagten auch nicht in Zweifel gezogen worden (vgl. Schriftsatz vom 26.7.2001, S. 27 der VG-Akte 3 K 1170/01).
31 
Dem steht nicht entgegen, dass jedenfalls nach Auffassung des zuständigen Bundesgrenzschutzamts die Verfügung auch darauf gestützt worden war, dass eine „fahndungsmäßige Überprüfung“ des Klägers ergeben habe, dass dieser „ 4 x (LKA München, LKA Düsseldorf, LKA Baden-Württemberg und PD Kaiserslautern) wegen Landfriedensbruchs ausgeschrieben“ sei (vgl. den Tagebucheintrag des Bundesgrenzschutzamtes, S. 55 der VG-Akte 7 K 1232/01, den INPOL-Auszug Personenfahndung, S. 57 der VG-Akte 7 K 1232/01 sowie den Schriftsatz des Bundesgrenzschutzamtes Weil am Rhein vom 26.7.2001 im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, S. 25 f. der VG-Akte 3 K 1170/01). Denn die insoweit von dem zuständigen Beamten abgerufenen Daten hinsichtlich „aktueller Ausschreibungen“ ließen jedenfalls bei pflichtgemäßer Beurteilung einen Schluss auf das Vorliegen hinreichend aktueller und für die im Rahmen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG anzustellende Gefährdungsprognose relevanter Auffälligkeiten des Klägers nicht zu.
32 
Unstreitig ist gegen den Kläger wegen seiner Beteiligung an einem Aufzug von Anhängern der linken Szene am 8.11.1996 in Bonn von der dortigen Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen eines besonders schweren Falls des Landfriedensbruchs durchgeführt worden. Dieses Ermittlungsverfahren hat zur Aufnahme der diesbezüglichen Daten des Klägers in eine von den Staatsschutzdienststellen des Bundeskriminalamtes und der Landeskriminalämter abrufbaren Verbunddatei des Informationssystems der Polizei (INPOL) geführt (zum Inhalt dieser Datei vgl. das Schreiben des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen an die Klägervertreter vom 14.9.2001, S. 45 der VG-Akte 7 K 1232/01). Darüber hinaus wurde mit Blick auf dieses Ermittlungsverfahren eine Speicherung von Daten des Klägers im „geschützten Bereich Landfriedensbruch“ veranlasst, dessen Bestand nur anlassbezogen und zeitlich sowie in der Regel auch räumlich begrenzt zur Abfrage freigegeben wird (vgl. das Schreiben vom 14.9.2001, a.a.O., sowie die Stellungnahme des Datenschutzbeauftragten des Bundeskriminalamtes vom 5.9.2001, S. 74 f. der VG-Akte 3 K 1170/01). Der Datenbestand dieser Datei kann im Vorfeld von Demonstrationen oder sonstigen Ereignissen in die Personenfahndungsdatei eingegeben werden, so dass nun u.a. auch die Polizeidienststellen der Länder sowie die Dienststellen des Bundesgrenzschutzes auf die Daten Zugriff haben (vgl. § 11 Abs. 2 BKAG sowie Bäumler, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 3. Aufl., J RdNrn. 181, 155). Bei Kontrollen soll dann auf die Personen, deren Daten in der Datei gespeichert sind, ein besonderes Augenmerk gerichtet werden, wobei jedoch grundsätzlich nur Maßnahmen ergriffen werden dürfen, die nach allgemeinem Polizeirecht zulässig sind (vgl. Bäumler, a.a.O., RdNr. 181). Im Zeitpunkt der Überprüfung des Klägers am 21.7.2001 an der Grenze bei Weil am Rhein war von den Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg aus Anlass des G 8-Gipfels in Genua und von den Ländern Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen aufgrund anderer Anlässe die Freigabe des geschützten Fahndungsbestandes beantragt worden.
33 
Bei dieser Sachlage konnte ein mit dem polizeilichen Informationssystem vertrauter Nutzungsberechtigter aus den von dem Grenzschutzbeamten abgerufenen Daten (vgl. S. 57 der VG-Akte) bei sorgfältiger Überprüfung nur folgern, dass der Kläger lediglich mit Blick auf das Ermittlungsverfahren wegen der Teilnahme an dem Aufzug am 8.11.1996 im „geschützten Bereich Landfriedensbruch“ geführt wurde und dass die Freigabe des geschützten Fahndungsbestandes zu Kontrollzwecken von vier Bundesländern beantragt worden war (vgl. auch die Stellungnahme des Datenschutzbeauftragten des Bundeskriminalamtes vom 5.9.2001, S. 74 f. der VG-Akte 3 K 1170/01). Sollte der zuständige Beamte demgegenüber aufgrund der Speicherung der Daten des Klägers in der Fahndungsdatei irrtümlich davon ausgegangen sein, gegen diesen lägen auch andere, insbesondere aktuellere Vorwürfe vor oder gar konkrete Fahndungsersuchen von Dienststellen verschiedener Bundesländer, würde es sich um eine pflichtwidrige Fehleinschätzung gehandelt haben, die nicht geeignet wäre, die Annahme einer Anscheinsgefahr zu rechtfertigen.
34 
Mithin stammten letztlich sämtliche Vorfälle, aus denen der zuständige Beamte nach den eingeholten Informationen bei pflichtgemäßer Beurteilung eine Gefährdung hat ableiten können, bereits aus dem Jahr 1996. Umstände, die trotz dieses langen Zeitraums die Annahme der Gefahr erneuter Gewalttätigkeiten und damit einer aktuellen Gefährdungslage hätten rechtfertigen können, vermag der Senat nicht festzustellen.
35 
Dies gilt zunächst für den von dem kontrollierenden Beamten des Bundesgrenzschutzamtes abgerufenen, objektiv möglicherweise teilweise unrichtigen Inhalt der INPOL-Verbunddatei hinsichtlich eines Ermittlungsverfahrens wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, schweren Landfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung, Sachbeschädigung und Mitführen von Schusswaffen (Signalmunition) im Zusammenhang mit der Teilnahme an einem Aufzug am 8.11.1996 in Bonn (vgl. das Schreiben des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen an die Klägervertreter vom 14.9.2001, S. 45 der VG-Akte 7 K 1232/01). Die Durchführung eines solchen Ermittlungsverfahrens stellt eine gravierende und im Hinblick auf die von der Beklagten prognostizierte Gefährdung (Teilnahme an Gewalttätigkeiten in Genua) auch einschlägige Vorbelastung dar. Insbesondere der Verdacht, der Kläger habe einen besonders schweren Fall des Landfriedenbruchs begangen, wiegt schwer angesichts der für dieses Delikt bestehenden Strafdrohung von 6 Monaten bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe (§ 125 a StGB). Andererseits darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass zum Zeitpunkt des behördlichen Handelns bereits ein Zeitraum von über 4 Jahren und 8 Monaten vergangen war, in dem der Kläger weder strafrechtlich in Erscheinung getreten noch sonst den Behörden im Zusammenhang mit der Teilnahme an gewalttätigen Demonstrationen aufgefallen ist. Dieser lange Zeitraum der Unauffälligkeit kann als Indiz dafür gewertet werden, dass sich seine Einstellung zur Anwendung von Gewalt geändert hat. Dies gilt um so mehr, als der Kläger im Zeitpunkt der Teilnahme an dem Aufzug erst 19 Jahre alt und somit noch Heranwachsender war und es nicht auszuschließen ist, dass es sich bei seinem Verhalten im Zusammenhang mit dem Aufzug am 8.11.1996 um eine jugendtypische Verfehlung gehandelt hat.
36 
Im Rahmen der Gefährdungsprognose war zugunsten des Klägers ferner zu berücksichtigen, dass damals keine strafrechtliche Verurteilung erfolgt, sondern das Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist. Ausweislich des handschriftlichen Vermerks auf dem von dem Beamten des Bundesgrenzschutzamtes zu dem Vorfall gefertigten Tagebucheintrag („StA Bonn 50 Js 666/96 (§ 170 II StPO)“, S. 55 der VG-Akte 7 K 1232/01) spricht vieles dafür, dass dem Grenzbeamten dieser Ausgang des Verfahrens bekannt war. Jedenfalls kann davon ausgegangen werden, dass ihm die Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO hätte bekannt sein müssen. Denn er kannte das Datum des zugrunde liegenden Vorfalls und hatte zudem telefonisch beim Bundeskriminalamt in Meckenheim recherchiert. Greifbare Anhaltspunkte, die aus seiner Sicht hätten nahe legen können, dass das bereits aus dem Jahr 1996 stammende Ermittlungsverfahren auf andere Weise als durch Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO geendet hatte, sind von der Beklagten nicht dargetan und auch sonst nicht erkennbar. Der Auffassung der Beklagten, der Umstand, dass es nicht zu einer strafrechtlichen Verurteilung gekommen sei, mindere nicht die Relevanz der Vorkommnisse für die Gefahrenprognose, kann so nicht gefolgt werden. Wie dargelegt, ist das gegen den Kläger eingeleitete Ermittlungsverfahren - für den zuständigen Grenzschutzbeamten erkennbar - gemäß § 170 Abs. 2 StPO, also wegen Fehlens eines hinreichenden Tatverdachts eingestellt worden. Zwar schließt diese Form der Verfahrenseinstellung einen gegen den Beschuldigten fortbestehenden Tatverdacht nicht notwendig aus (vgl. Senatsurteil vom 29.9.2003 - 1 S 2145/02 -). Einem solchen „Restverdacht“ kommt indes im Verhältnis zu einer strafrechtlichen Verurteilung im Rahmen der Gefahrenprognose geringeres Gewicht zu.
37 
Vor diesem Hintergrund ist nach Auffassung des Senats die dem Ermittlungsverfahren aus dem Jahre 1996 zukommende Indizwirkung durch den langen Zeitraum, in dem der Kläger - bezogen auf sein Verhalten im Zusammenhang mit Demonstrationen - unauffällig geblieben ist, maßgeblich entkräftet worden. Eine Ausreiseuntersagung war deshalb nicht mehr gerechtfertigt. Dies gilt auch, wenn berücksichtigt wird, dass dem Beamten ausweislich des Tagebucheintrags vom 21.7.2001 (a.a.O.) aufgrund einer telefonischen Recherche beim Bundeskriminalamt in Meckenheim bekannt war, dass der Kläger 1996 „mehrfach in Erscheinung getreten war“. Denn den beiden weiteren Ermittlungsverfahren aus dem Jahr 1996 (S. 47 der VG-Akte 7 K 1232/01) konnte unter dem hier allein erheblichen Gesichtspunkt einer Gefährdungsprognose im Hinblick auf Gewalttätigkeiten keine maßgebliche Bedeutung mehr zukommen. Dies gilt um so mehr, als sich diese auf über fünf Jahre zurückliegende Vorfälle vom Mai 1996 bezogen. Dem entspricht es, dass die Verfahren in der Begründung der Verfügung vom 21.7.2001 keine Erwähnung fanden und dass auch nur das Verfahren vom November 1996 Eingang in die INPOL-Verbunddatei gefunden hat.
38 
Da es nach alledem bereits am Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG fehlte, bedarf es keiner Prüfung, ob die Beklagte das ihr in dieser Bestimmung eingeräumte Ermessen („können“) auch rechtsfehlerfrei ausgeübt hat.
39 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
40 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.

Sonstige Literatur

 
41 
Rechtsmittelbelehrung
42 
Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.
43 
Die Beschwerde ist beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Schubertstraße 11, 68165 Mannheim oder Postfach 10 32 64, 68032 Mannheim, innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils zu begründen.
44 
Die Beschwerde muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
45 
In der Begründung der Beschwerde muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
46 
Für das Beschwerdeverfahren besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde und für die Begründung. Danach muss sich jeder Beteiligte, soweit er einen Antrag stellt, durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen.
47 
Beschluss vom 7. Dezember 2004
48 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.000,-- EUR festgesetzt (§§ 25 Abs. 2, 14 Abs. 1, 13 Abs. 1 Satz 2 GKG a.F., vgl. § 72 Nr. 1 GKG i.d.F. des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts - Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - KostRMoG, BGBl. I, 2004, 718).
49 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Der Bundespolizei obliegt der grenzpolizeiliche Schutz des Bundesgebietes (Grenzschutz), soweit nicht ein Land im Einvernehmen mit dem Bund Aufgaben des grenzpolizeilichen Einzeldienstes mit eigenen Kräften wahrnimmt.

(2) Der Grenzschutz umfaßt

1.
die polizeiliche Überwachung der Grenzen,
2.
die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs einschließlich
a)
der Überprüfung der Grenzübertrittspapiere und der Berechtigung zum Grenzübertritt,
b)
der Grenzfahndung,
c)
der Abwehr von Gefahren,
3.
im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von 30 Kilometern und von der seewärtigen Begrenzung an bis zu einer Tiefe von 50 Kilometern die Abwehr von Gefahren, die die Sicherheit der Grenze beeinträchtigen.
Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, zur Sicherung des Grenzraumes das in Satz 1 Nr. 3 bezeichnete Gebiet von der seewärtigen Begrenzung an durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates auszudehnen, soweit die Grenzüberwachung im deutschen Küstengebiet dies erfordert. In der Rechtsverordnung ist der Verlauf der rückwärtigen Begrenzungslinie des erweiterten Grenzgebietes genau zu bezeichnen. Von der seewärtigen Begrenzung an darf diese Linie eine Tiefe von 80 Kilometern nicht überschreiten.

(3) Das Einvernehmen nach Absatz 1 ist in einer schriftlichen Vereinbarung zwischen dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat und dem beteiligten Land herzustellen, die im Bundesanzeiger bekanntzugeben ist. In der Vereinbarung ist die Zusammenarbeit zwischen der Bundespolizei und der Polizei des Landes zu regeln.

(4) Nimmt die Polizei eines Landes Aufgaben nach Absatz 1 im Einvernehmen mit dem Bund mit eigenen Kräften wahr, richtet sich die Durchführung der Aufgaben nach dem für die Polizei des Landes geltenden Recht.

(1) Örtlich sind die Bundespolizeidirektionen wie folgt zuständig:

1.
die Bundespolizeidirektion Bad Bramstedt
a)
in den Ländern Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern sowie
b)
auf See innerhalb und außerhalb des deutschen Küstenmeers und darüber hinaus auf den Seeschifffahrtsstraßen auf der Ems bis zur Seeschleuse Emden und auf der Jade, auf der Weser bis Bremerhaven und auf der Elbe bis zur Einfahrt zum Nord-Ostsee-Kanal;
2.
die Bundespolizeidirektion Hannover im Land Niedersachsen, im Land Bremen sowie in der Freien und Hansestadt Hamburg, soweit nicht die Bundespolizeidirektion Bad Bramstedt zuständig ist;
3.
die Bundespolizeidirektion Sankt Augustin im Land Nordrhein-Westfalen;
4.
die Bundespolizeidirektion Koblenz in den Ländern Rheinland-Pfalz, Saarland und Hessen, soweit nicht die Bundespolizeidirektion Flughafen Frankfurt am Main zuständig ist;
5.
die Bundespolizeidirektion Stuttgart im Land Baden-Württemberg;
6.
die Bundespolizeidirektion München im Freistaat Bayern;
7.
die Bundespolizeidirektion Pirna in den Freistaaten Sachsen und Thüringen sowie in dem Land Sachsen-Anhalt;
8.
die Bundespolizeidirektion Berlin in den Ländern Berlin und Brandenburg;
9.
die Bundespolizeidirektion Flughafen Frankfurt am Main auf dem Flughafen Frankfurt am Main;
10.
die Direktion Bundesbereitschaftspolizei im gesamten Bundesgebiet;
11.
die Bundespolizeidirektion 11 im gesamten Bundesgebiet.

(2) Abweichend von den in Absatz 1 festgelegten Zuständigkeiten sind die Bundespolizeibehörden bundesweit zuständig

1.
für die Wahrnehmung bahnpolizeilicher Aufgaben nach § 3 des Bundespolizeigesetzes, soweit dafür ein Einsatz über die in Absatz 1 festgelegten Zuständigkeitsbereiche hinaus zweckmäßig ist,
2.
für die Zurückschiebung an der Grenze , Abschiebungen an der Grenze und die Rückführung von Ausländern aus und in andere Staaten nach § 71 Absatz 3 Nummer 1 bis 1b und 1d des Aufenthaltsgesetzes,
3.
auf Weisung des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat oder der jeweils vorgesetzten Bundespolizeibehörde, soweit diese auch für den vorgesehenen Einsatzbereich zuständig ist,
4.
für die polizeiliche Sicherung eigener Einrichtungen nach § 1 Abs. 3 des Bundespolizeigesetzes.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 03.04.2009 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 03.04.2009 wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

 
Der vom Antragsteller gestellte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist nach § 80 Abs. 5 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 14 PassG statthaft und auch sonst zulässig. Da der Bescheid der Bundespolizeidirektion Stuttgart vom 03.04.2009 kraft Gesetzes (§ 14 PassG) sofort vollziehbar ist, war die in diesem Bescheid enthaltene Anordnung des sofortigen Vollzugs überflüssig.
Der Antrag ist auch begründet. Das Interesse des Antragstellers an einem vorläufigen Aufschub der Rechtswirkungen des Bescheids der Antragsgegnerin vom 03.04.2009 überwiegt das kraft Gesetzes anzunehmende (§ 14 PassG) öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung dieses Bescheids. Denn es bestehen bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids der Bundespolizeidirektion Stuttgart vom 03.04.2009.
Rechtsgrundlage der Verfügung ist § 10 Abs. 1 Satz 2 PassG. Danach können die für die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs zuständigen Behörden einem Deutschen die Ausreise in das Ausland untersagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass bei ihm die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 PassG vorliegen. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG ist der Pass zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Passbewerber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Diese Bestimmung schränkt die Ausreisefreiheit, die als Ausfluss der allgemeinen Handlungsfreiheit durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt ist, in zulässiger Weise als Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung ein (vgl. BVerfG, Urt. v. 16.01.1957 - 1 BvR 253/56 - BVerfGE 6, 32).
Die Antragsgegnerin hat die Ausreiseuntersagung ersichtlich auf eine Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland gestützt (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 3. Alt. PassG). Die Frage, ob und mit welchem Gewicht durch die Anwesenheit eines deutschen Staatsangehörigen in einem anderen Land Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet werden, ist uneingeschränkt gerichtlich überprüfbar. Unter sonstigen erheblichen Belangen der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 3 3. Alt. PassG sind solche Interessen zu verstehen, die den beiden anderen Tatbestandsmerkmalen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG (innere oder äußere Sicherheit) in ihrer Gewichtigkeit zwar nicht gleichstehen, aber jedenfalls nahe kommen (vgl. BVerfG, Urt. v. 16.01.1957 a.a.O.; BVerwG, Urt. v. 29.08.1968 - I C 67.67 - DÖV 1969, 74 und Beschl. v. 17.09.1998 - 1 B 28/98 - Buchholz 402.00 § 7 PassG Nr. 1). Als eine Gefährdung erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG können unter besonderen Umständen auch Handlungen gewertet werden, die geeignet sind, dem internationalen Ansehen Deutschlands zu schaden (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.08.1968 a.a.O.). Sprechen bestimmte Tatsachen dafür, dass von einem Deutschen bei seinem Aufenthalt im Ausland derartige Handlungen zu befürchten sind, so kann dies als Vorsorgemaßnahme gegenüber einer solchen Gefahr den Erlass eines Ausreiseverbots, die Beschränkung des Geltungsbereichs eines Passes/Personalausweises oder den Erlass einer Meldeauflage rechtfertigen (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.07.2007 - 6 C 39/06 - BVerwGE 129, 142; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 18.05.1994 - 1 S 667/94 - DVBl. 1995, 360; Beschl. v. 07.06.1995 - 1 S 3530/94 - NVwZ-RR 1996, 420; Beschl. v. 14.06.2000 - 1 S 1271/00 - NJW 2000, 3658 und Urt. v. 07.12.2004 - 1 S 2218/03 - VBlBW 2005, 231; OVG Bremen, Beschluss vom 28.06.2000 - 1 B 240/00 - NordÖR 2001, 107).
Nach Lage der Dinge dürfte die Antragsgegnerin zwar zu Recht davon ausgegangen sein, dass im Zusammenhang mit der Durchführung des NATO-Gipfels u.a. in Strasbourg auch mit gewalttätigen Ausschreitungen zu rechnen ist. Vorfälle bei internationalen Gipfel-Konferenzen in jüngster Vergangenheit (G20-Gipfel London 2009; G8-Gipfel Heiligendamm 2007), sowie zahlreiche auch im Internet kursierende entsprechende Aufrufe sprechen als Tatsachen ohne weiteres für eine solche Annahme.
Die Kammer hat in der vorliegenden Konstellation aber schon Zweifel, ob die Annahme der Antragsgegnerin zutrifft, durch ein vom Antragsteller befürchtetes gewalttätiges Verhalten anlässlich von Demonstrationen im Raum Strasbourg/Frankreich aus diesem Anlass könnte dem internationalen Ansehen Deutschlands Schaden zugefügt und damit erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet werden. Zwar hat die Rechtsprechung - gerade auch die der Kammer (vgl. Beschl. v. 28.09.2005 - 11 K 3156/05 - NJW 2006, 1017) für Ausschreitungen deutscher Fußball-"Hooligans" anlässlich von internationalen Fußballspielen im Ausland eine solche mögliche Schädigung des internationalen Ansehens Deutschlands angenommen. Von derartigen Vorfällen ist der vorliegende Sachverhalt jedoch weit entfernt. Anders als "Hooligans", die anlässlich von internationalen Sportveranstaltungen, namentlich Fußballspielen, ganz bewusst als Deutsche auch unter Verwendung nationaler Symbole im Ausland auftreten, findet der - auch der gewaltsame - Protest sogenannter "Gipfel-Gegner" (vgl. Internet: http://gipfelsoli.org) fernab solcher nationaler Bezüge in einem eher internationalen Rahmen statt. Es dürfte daher auch für die internationale Öffentlichkeit kaum eine Rolle spielen, welche Staatsangehörigkeit die Teilnehmer an entsprechenden Ausschreitungen haben. Der Kammer ist - gerade aus der allerjüngsten Vergangenheit im Zusammenhang mit Ausschreitungen auf dem G20-Gipfel in London - in den vergangenen Tagen keine Meldung in irgendeinem Medium erinnerlich, in der auf die Staatsangehörigkeit etwaiger Randalierer abgestellt worden wäre. Äußerstenfalls unter Berücksichtigung der tragischen Vorfälle in Lens/Frankreich im Jahre 1998, bei der ein französischer Gendarm von einer Gruppe deutscher „Hooligans“ auf das Schwerste verletzt wurde, ist unter Umständen die Befürchtung zulässig, käme es zu erneuten Verletzungen französischer Sicherheitskräfte durch gewalttätige - deutsche - Demonstranten anlässlich von Protesten im Raum Strasbourg/Frankreich in den kommenden Tagen, könnte die Frage der Nationalität der Randalierer gerade auch in der französischen Öffentlichkeit erneut in den Blick genommen und möglicherweise doch das internationale Ansehen der Bundesrepublik Deutschland beschädigt werden. Dies kann letztlich aber dahinstehen.
Denn nach dem Wortlaut des Gesetzes müssen für die Feststellung einer angenommenen Gefährdung ''bestimmte Tatsachen'' sprechen. Im Rahmen der summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten ist für die Kammer aber nicht zu erkennen, dass gerade der Antragsteller zu dem Personenkreis gehört, von dem bei einem Aufenthalt in Frankreich vor, während und nach dem NATO-Gipfel eine Schädigung des Ansehens der Bundesrepublik Deutschland ernsthaft zu befürchten ist. Unter Anwendung der Grundsätze zur sog. „Anscheinsgefahr“ (vgl. VGH Ba.-Wü., Urt. v. 07.12.2004 a.a.O.) ist es hierbei entscheidend, ob der handelnde Beamte aus der ex-ante-Sicht mit Blick auf die ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Informationen aufgrund hinreichender Anhaltspunkte vom Vorliegen einer Gefährdung ausgehen konnte und diese Prognose dem Urteil eines fähigen, besonnenen und sachkundigen Amtswalters entspricht (vgl. VGH Ba.-Wü., Urt. v. 07.12.2004 a.a.O.; Urt. v. 22.7.2004 - 1 S 410/03 - NJW 2005, 88; Urteil vom 10.5.1990 - 5 S 1842/89 - VBlBW 1990, 469 und Beschluss vom 16.10.1990 - 8 S 2087/90 - NVwZ 1991, 493; Wolf/Stephan, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 5. Aufl., § 1 RdNr. 34; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 5. Aufl., RdNr. 424).
Zwar können die zur Gefahrenabwehr berufenen Behörden die legitime Aufgabe präventiven Rechtsgüterschutzes nur effektiv erfüllen, wenn sie unter Umständen auch auf unsicherer Tatsachengrundlage einschreiten. Um zu vermeiden, dass ein im Rahmen dieser Aufgabe als Dienstpflicht auferlegtes Handeln in die Illegalität gedrängt wird, ist bei der Beurteilung der Gefahr allein auf die Erkenntnismöglichkeiten des konkret handelnden Beamten zum Zeitpunkt des Einschreitens abzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.2.1974 - 1 C 31.72 - BVerwGE 45, 51; Würtenberger/Heckmann/Riggert, a.a.O. RdNr. 425). Aber selbst bei Anwendung dieser Grundsätze der Anscheinsgefahr erweist sich der streitgegenständliche Bescheid nicht als rechtmäßig. Der Beamte der Bundespolizei durfte auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Informationen bei pflichtgemäßem Handeln nicht davon ausgehen, dass im Falle des Antragstellers bestimmte Tatsachen die Annahme einer Gefährdung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 3. Alt. PassG begründen.
Im angefochtenen Bescheid der Antragsgegnerin wird lediglich darauf abgestellt, es bestünden polizeiliche Erkenntnisse, die im Zusammenhang mit Verstößen bei Demonstrationen stünden. Seit dem Jahr 2004 seien zwei Verstöße gegen das Versammlungsgesetz und ein Eintrag wegen Hausfriedensbruchs bekannt. Außerdem habe der Antragsteller laut polizeilichem Auskunftssystem in der Vergangenheit bei internationalen Globalisierungsveranstaltungen Gefahren und Straftaten verursacht.
10 
Diese „Erkenntnisse“ werden jedoch nicht näher konkretisiert. Von der Antragsgegnerin wird auch nicht dargelegt, ob diese „Erkenntnisse“ zu strafrechtlichen Verurteilungen geführt haben. Zugunsten des Antragstellers ist deshalb zu unterstellen, dass strafrechtliche Verurteilungen nicht erfolgten. Der Umstand, dass es nicht zu strafrechtlichen Verurteilungen gekommen ist, mindert aber die Relevanz der von der Antragsgegnerin genannten „Erkenntnisse“ für die Gefahrenprognose. Einem Restverdacht kommt im Verhältnis zu einer strafrechtlichen Verurteilung im Rahmen der Gefahrenprognose ein geringeres Gewicht zu (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. vom 07.12.2004 aaO.). Auf derartige nicht weiter konkretisierte Hinweise wie im Bescheid der Antragsgegnerin vom 03.04.2009 kann sich eine rechtsstaatlich vertretbare Gefahrenprognose aber nicht stützen (ebenso VGH Bad.-Württ., Beschl. vom 04.04.2009 - 1 S 809/09 -).
11 
Zwar ist der Antragsteller im Datenbestand INPOL als „Gewalttäter links“ ausgeschrieben. Auch dieser Umstand lässt jedenfalls bei pflichtgemäßer Beurteilung einen Schluss auf das Vorliegen hinreichend aktueller und für die im Rahmen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG anzustellende Gefährdungsprognose relevanter Auffälligkeiten des Antragstellers nicht zu.
12 
Die Daten der Verbunddatei des Informationssystems der Polizei (INPOL) können - entsprechende Datenfreigaben vorausgesetzt - im Vorfeld von Demonstrationen oder sonstigen Ereignissen in die Personenfahndungsdatei eingegeben werden, so dass nun u.a. auch die Polizeidienststellen der Länder sowie die Dienststellen der Bundespolizei auf die Daten Zugriff haben (vgl. VGH Ba.-Wü. Urt. v. 07.12.2004 a.a.O. ; § 11 Abs. 2 BKAG sowie Bäumler, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 3. Aufl., J RdNrn. 181, 155). Bei Kontrollen soll dann auf die Personen, deren Daten in der Datei gespeichert sind, ein besonderes Augenmerk gerichtet werden, wobei jedoch grundsätzlich nur Maßnahmen ergriffen werden dürfen, die nach allgemeinem Polizeirecht zulässig sind (vgl. Bäumler, a.a.O., RdNr. 181). Eine „bestimmte Tatsache“ im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG kann aber nicht schon darin gesehen werden, dass es in einer sicherheitsrelevanten Datei überhaupt „Erkenntnisse“ gibt. Ohne weitergehende Informationen zum Anlass der Speicherung konnte ein mit dem polizeilichen Informationssystem vertrauter Nutzungsberechtigter aus den von dem Grenzschutzbeamten abgerufenen Daten bei sorgfältiger Überprüfung nur folgern, dass der Antragsteller unter polizeilicher Beobachtung stand und nach Einschätzung einer unbekannten Polizeidienststelle zum Spektrum „Gewalttäter/links“ zählt. Es fehlen jedoch sämtliche Hinweise darauf, worauf sich diese Einschätzung gründet. Insbesondere ist kein einzelnes tatsächliches Ereignis oder Geschehen bezeichnet, das diesen Eintrag erläutert. Ohne genaue Kenntnis des der Eintragung des Betroffenen in dem Datenbestand INPOL zugrundeliegenden Geschehens ist eine realistische Gefahrenprognose aber nicht möglich (ebenso VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 04.04.2009 - 1 S 809/09). Dies illustriert auch der in der Wochenzeitung „Die Zeit“ (Ausgabe 37/2001) enthaltene Bericht: ein Betroffener wurde nach Einstellung eines Ermittlungsverfahrens wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz nach Zahlung von 300,- D-Mark trotzdem von der bayerischen Polizei als „linksorientiert politisch motivierter Gewalttäter“ in die Gewalttäterdatei aufgenommen. Grundlage war ein Beschluss der Innenministerkonferenz vom 24. November 2000, wonach Beschuldigte darin schon dann aufgenommen werden, wenn ihre „Persönlichkeit“ Grund zu der Annahme liefert, „dass Strafverfahren gegen sie zu führen sind“. Als Anlass für eine Erfassung reicht aber schon ein Platzverweis oder eine Personalienfeststellung.
13 
Sollte der zuständige Beamte demgegenüber aufgrund der Speicherung der Daten des Antragstellers in der Fahndungsdatei INPOL irrtümlich davon ausgegangen sein, gegen diesen lägen auch andere Vorwürfe vor oder gar konkrete Fahndungsersuchen von Dienststellen verschiedener Bundesländer, würde es sich um eine pflichtwidrige Fehleinschätzung gehandelt haben, die nicht geeignet wäre, die Annahme einer Anscheinsgefahr zu rechtfertigen (vgl. VGH Bad.-Württ. Urt. v. 07.12.2004 a.a.O.).
14 
Der angegriffene Bescheid der Antragsgegnerin verstößt zudem gegen die Verordnung (EG) 562/2006 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 15.03.2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen - Schengener Grenzkodex (SGK) - (ABl. EG 2006 Nr. L 105/1).
15 
Gemäß Art. 1 SGK sieht die Verordnung vor, dass keine Grenzkontrollen in Bezug auf Personen stattfinden, die die Binnengrenzen zwischen den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union überschreiten, wobei Art. 2 Ziffer 9 und 10 SGK den Begriff der Grenzkontrollen näher definieren.
16 
Gemäß Art. 3 SGK findet diese Verordnung auf alle Personen, die die Binnengrenzen eines Mitgliedsstaats überschreiten, Anwendung, also auch auf den Antragsteller. Hierzu bestimmt Art. 20 SGK, dass die Binnengrenze unabhängig von der Staatsangehörigkeit der betreffenden Person an jeder Stelle ohne Personenkontrolle überschritten werden darf.
17 
Von den vorgenannten Bestimmungen kann allerdings nach Titel III Kapitel 2 - Vorübergehende Wiedereinführung von Grenzkontrollen an den Binnengrenzen -abgewichen werden. Von dieser Möglichkeit hat die Bundesrepublik Deutschland anlässlich des NATO-Gipfels Gebrauch gemacht. Nach dem in Art. 24 SGK festgelegten Verfahren hat sie gemäß Art. 23 Abs. 1 SGK erklärt, für einen begrenzten Zeitraum an den Binnengrenzen Grenzkontrollen wieder einzuführen und hierüber die anderen Mitgliedsstaaten und die Kommission gemäß Art. 24 SGK in Kenntnis gesetzt.
18 
Entscheidend ist insoweit, das Art. 23 SGK die vorübergehende Wiedereinführung von Grenzkontrollen an den Binnengrenzen nur im Falle einer schwerwiegenden Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit erlaubt. Zwar hat die Bundesrepublik Deutschland, indem sie das genannte Verfahren nach Art. 23 und 24 SGK gewählt hat, zu erkennen gegeben, dass sie im Zusammenhang mit dem NATO-Gipfel von diesen Voraussetzungen ausgeht. Diese Einschätzung ist im Grundsatz nicht zu beanstanden.
19 
Die Wiedereinführung der Grenzkontrollen ist in einem solchen Fall dann aber nur zulässig, wenn die anschließend darauf fußenden Maßnahmen eine schwerwiegende Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit abwenden sollen. Das entgegen den Bestimmungen des SGK vorübergehend wieder eingeführte Grenzregime darf dagegen zu anderen Zwecken nicht verwendet werden.
20 
Mit dem auf § 10 Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG fußenden streitgegenständlichen Bescheid will die Antragsgegnerin aber allein verhindern, dass das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland beschädigt und damit erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet werden. Eine solche Maßnahme dient nicht der Abwendung einer schwerwiegenden Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit. Ihre Anordnung im Rahmen der vorübergehend wieder eingeführten Grenzkontrollen an einer Binnengrenze verstößt daher gegen die Bestimmungen des SGK.
21 
Davon unberührt bleibt das Recht der Französischen Republik, die eine entsprechende vorübergehende Wiedereinführung von Grenzkontrollen erklärt hat, aus eben dem Grund der Abwendung einer schwerwiegenden Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit Einreiseverweigerungen auszusprechen.
22 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
23 
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs 2 GKG. Da vorliegend die Hauptsache vorweggenommen wird, ist eine Reduzierung des Regelstreitwerts nicht angezeigt.

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Wer sich an

1.
Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Sachen oder
2.
Bedrohungen von Menschen mit einer Gewalttätigkeit,
die aus einer Menschenmenge in einer die öffentliche Sicherheit gefährdenden Weise mit vereinten Kräften begangen werden, als Täter oder Teilnehmer beteiligt oder wer auf die Menschenmenge einwirkt, um ihre Bereitschaft zu solchen Handlungen zu fördern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Soweit die in Absatz 1 Nr. 1, 2 bezeichneten Handlungen in § 113 mit Strafe bedroht sind, gilt § 113 Abs. 3, 4 sinngemäß. Dies gilt auch in Fällen des § 114, wenn die Diensthandlung eine Vollstreckungshandlung im Sinne des § 113 Absatz 1 ist.

In besonders schweren Fällen des § 125 Abs. 1 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
eine Schußwaffe bei sich führt,
2.
eine andere Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
3.
durch eine Gewalttätigkeit einen anderen in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
4.
plündert oder bedeutenden Schaden an fremden Sachen anrichtet.

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 9. Juli 2002 - 7 K 1232/01 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Ausreiseuntersagung.
Der Kläger befand sich in der Nacht vom 20. auf den 21.7.2001 in einem Reisebus auf dem Weg zu dem am 22.7.2001 in Genua stattfindenden Weltwirtschaftsgipfel G 8. Gegen 0.10 Uhr wurde er am Grenzübergang Weil am Rhein Richtung Schweiz von Beamten des Bundesgrenzschutzes kontrolliert. Mit Verfügung vom 21.7.2001 untersagte das Bundesgrenzschutzamt Weil am Rhein dem Kläger befristet bis zum 22.7.2001, 22.00 Uhr, die Ausreise aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zum Weltwirtschaftsgipfel G 8 in Italien. Zur Begründung wurde ausgeführt, es bestünden Anhaltspunkte dafür, dass er beabsichtige, sich in Genua an gewaltsamen Ausschreitungen zu beteiligen. Nach vorliegenden Erkenntnissen sei der Kläger bereits polizeilich in Erscheinung getreten. Am 8.11.1996 sei er in Bonn im Zusammenhang mit einem Aufzug der linken Szene gegen eine als rechtsextrem eingestufte Gruppierung aufgefallen. Damals seien ihm Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, schwerer Landfriedensbruch, gefährliche Körperverletzung, Sachbeschädigung und Mitführen von Schusswaffen (Signalmunition) zur Last gelegt worden.
Noch am 21.7.2001 legte der Kläger gegen den Bescheid Widerspruch ein, der nicht beschieden wurde. Gleichzeitig beantragte er beim Verwaltungsgericht Freiburg vorläufigen Rechtsschutz (3 K 1170/01). Dieses Verfahren wurde von den Beteiligten übereinstimmend für erledigt erklärt.
Am 30.7.2001 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Freiburg Klage erhoben mit dem Antrag festzustellen, dass die Ausreiseuntersagung des Bundesgrenzschutzamtes Weil am Rhein vom 21.7.2001 rechtswidrig war. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass vorliegend keine Tatsachen gegeben seien, die die Annahme rechtfertigten, seine Ausreise zu dem G 8-Gipfel nach Genua gefährde erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland. Er habe sich bei dem Versuch der Ausreise in einer Gruppe friedlicher und unbescholtener Demonstranten aufgehalten und gehöre nicht zu einer Gruppierung, von der gewalttätige Auseinandersetzungen ernsthaft zu befürchten gewesen seien. Soweit das Bundesgrenzschutzamt sich in seiner Verfügung auf ein angebliches Strafverfahren aus dem Jahre 1996 berufe, seien diese Angaben sachlich falsch. Gegen ihn sei in diesem Zusammenhang lediglich ein Verfahren wegen des Verdachts des Landfriedensbruchs geführt worden, welches von der Staatsanwaltschaft Bonn nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei. Seither sei er weder strafrechtlich noch anderweitig polizeilich auffällig geworden. Zudem habe das Polizeipräsidium Bonn mit Schreiben vom 1.6.2001 seinem Antrag auf Vernichtung der erkennungsdienstlichen Unterlagen stattgegeben, da eine weitere Aufbewahrung nicht mehr als notwendig erachtet worden sei. Ihm sei mitgeteilt worden, dass die entsprechenden Maßnahmen bereits veranlasst worden seien.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Eine fahndungsmäßige Überprüfung des Klägers habe ergeben, dass dieser viermal in der Datei Landfriedensbruch ausgeschrieben gewesen sei. Diese Ausschreibungen ebenso wie die Erkenntnis, dass der Kläger am 8.11.1996 im Zusammenhang mit einem Aufzug der linken Szene in Erscheinung getreten sei, hätten die Annahme gerechtfertigt, der Kläger werde in Genua erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden.
Mit Urteil vom 9.7.2002 hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die Ausreiseuntersagung des Bundesgrenzschutzamtes Weil am Rhein vom 21.7.2001 rechtswidrig gewesen sei. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die vom Bundesgrenzschutzamt vorgenommene Bewertung, wonach beim Kläger Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass bei ihm die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG vorlägen, erweise sich - auch aus der Sicht zum maßgeblichen Zeitpunkt des Einschreitens - als fehlerhaft. Denn bei der Beurteilung sei von einer falschen Tatsachengrundlage ausgegangen worden und das Einschreiten sei auch nicht aus sonstigen Gründen gerechtfertigt gewesen. Nach der dem angefochtenen Bescheid beigefügten Begründung sei das Bundesgrenzschutzamt davon ausgegangen, dass dem Kläger im Zusammenhang mit einer Veranstaltung in Bonn am 8.11.1996 verschiedene Straftaten (Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, schwerer Landfriedensbruch, gefährliche Körperverletzung, Sachbeschädigung und Mitführen von Schusswaffen) zur Last gelegt worden seien. Das sich hiergegen wendende Vorbringen des Klägers stimme mit einer vom Gericht eingeholten Auskunft der Staatsanwaltschaft Bonn überein, wonach dort kein Ermittlungsverfahren wegen der in dem Bescheid genannten Straftaten „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, gefährliche Körperverletzung, Sachbeschädigung und Mitführen von Schusswaffen (Signalmunition)“ gegen den Kläger anhängig gewesen sei. Anhängig gewesen sei allerdings ein Ermittlungsverfahren wegen eines besonders schweren Falls des Landfriedensbruchs. Nach dem unbestrittenen Vorbringen des Klägers habe das Polizeipräsidium Bonn aber bereits mit Bescheid vom 1.6.2001 mitgeteilt, eine weitere Aufbewahrung der über den Kläger vorgehaltenen erkennungsdienstlichen Unterlagen sei nicht mehr notwendig und einer Vernichtung könne zugestimmt werden. Danach seien auch die notwendigen Maßnahmen der Vernichtung sowie Löschung entsprechender Einträge im Informationssystem der Polizei bereits veranlasst worden. Die Grundsätze der polizeilichen Anscheinsgefahr könnten vorliegend keine Anwendung finden. Denn die Beklagte habe den Anschein einer Gefahr durch die in ihren Verantwortungsbereich fallende fehlerhafte Speicherung selbst maßgeblich verursacht. Die Ausreiseuntersagung erweise sich auch nicht deshalb als im Ergebnis rechtmäßig, weil sie auch bei Berücksichtigung der zutreffenden Sachlage hätte verfügt werden können. Angesichts des längeren Zurückliegens der Vorwürfe, der bereits erfolgten Löschungsbewilligung des Polizeipräsidiums Bonn und des Umstandes, dass keine neueren Erkenntnisse über strafrechtliche Verfehlungen des Klägers vorgelegen hätten und bei der Überprüfung an der Grenze keine Anhaltspunkte für eine beabsichtigte Teilnahme des Klägers an gewalttätigen Aktionen festgestellt worden seien, könne im Ergebnis nicht davon ausgegangen werden, dass die Voraussetzungen einer Ausreiseuntersagung vorgelegen hätten.
Auf Antrag der Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 29.9.2003 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen.
Zur Begründung ihrer Berufung führt die Beklagte aus: Bei Verfügung der Ausreiseuntersagung sei nicht von einer falschen Tatsachengrundlage ausgegangen worden. Aus den bei Überprüfung der Datei Landfriedensbruch und einer erweiterten telefonischen Recherche über das Bundeskriminalamt gewonnenen Erkenntnissen hinsichtlich der gegen den Kläger im Jahre 1996 geführten Ermittlungen habe sich ergeben, dass dieser sich zumindest im Umfeld gewalttätiger Demonstrationsteilnehmer bewege. Trotz der gegenüber dem Kläger bewilligten Löschung seien diese Daten zum Zeitpunkt der Entscheidung am 21.7.2001 noch verfügbar gewesen, so dass auf sie habe zurückgegriffen werden können. Die Gefahrenprognose sei auch nicht deshalb zu beanstanden, weil der durch das Landeskriminalamt mitgeteilte Tatvorwurf unzutreffend sei. Maßgeblich für die Entscheidung vor Ort sei gewesen, dass der Kläger wegen Landfriedensbruchs oder einer artverwandten Straftat in Erscheinung getreten sei.
Die Beklagte beantragt,
10 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 9.7.2002 - 7 K 1232/01 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
11 
Der Kläger beantragt,
12 
die Berufung zurückzuweisen.
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Er verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichts und führt aus: Das Verwaltungsgericht habe bei seiner Entscheidung nicht lediglich auf den fehlerhaften Inhalt der Inpol-Datei abgestellt, sondern maßgeblich auch darauf Bezug genommen, dass das Bundesgrenzschutzamt deren Inhalt falsch ausgewertet habe. Die Beamten des Bundesgrenzschutzes seien davon ausgegangen, dass er viermal zur Fahndung wegen Landfriedensbruchs ausgeschrieben gewesen sei und hätten sich damit über die Bedeutung der Eintragung im Irrtum befunden. Zudem hätten wegen des längeren Zurückliegens der Vorwürfe, der bereits erfolgten Löschungsbewilligung und des Fehlens neuerer Erkenntnisse über strafrechtliche Verfehlungen die Voraussetzungen einer Ausreiseuntersagung nicht vorgelegen.
14 
Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze im Zulassungs- und Berufungsverfahren sowie auf die dem Senat vorliegenden Behörden- und Gerichtsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
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Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
16 
Die vom Senat zugelassene und auch sonst zulässige Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässige (I.) Klage des Klägers begründet ist (II.).
17 
I. Die Klage des Klägers ist als Fortsetzungsfeststellungsklage in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft. Sie bezieht sich auf die Verfügung des Bundesgrenzschutzamtes Weil am Rhein vom 21.7.2001, mit der dem Kläger befristet bis zum 22.7.2001, 22.00 Uhr, die Ausreise aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zum Weltwirtschaftsgipfel G 8 nach Italien untersagt wurde und die sich durch den Fristablauf schon vor Klageerhebung erledigt hat. Der Senat geht in den Fällen der vorprozessualen Erledigung eines Verwaltungsakts von einer analogen Anwendung der Regelung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO aus (vgl. nur die Senatsurteile vom 18.12.2003 - 1 S 2211/02 -, VBlBW 2004, 214 und vom 26.1.1998 - 1 S 3280/96 -, NVwZ 1998, 761, 762, sowie die bisherige ständige Rechtsprechung des BVerwG, BVerwGE 12, 87, 90; 26, 161, 165; 49, 36, 39; 81, 226, 227; ausdrücklich offen gelassen unter Hinweis auf die Möglichkeit der allgemeinen Feststellungsklage im Urteil vom 14.7.1999 - 6 C 7.98 -, BVerwGE 109, 203, 208 f.). Im Übrigen würden sich unter den gegebenen Umständen die Sachurteilsvoraussetzungen nach § 43 VwGO und § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO in analoger Anwendung nicht unterscheiden.
18 
Die Klage ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere kann dem Kläger ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung nicht abgesprochen werden. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des erkennenden Senats ist anerkannt, dass insbesondere bei polizeilichen Maßnahmen auch die Art des Eingriffs, namentlich im grundrechtlich geschützten Bereich, verbunden mit dem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz, es erfordern kann, das Feststellungsinteresse anzuerkennen (vgl. Senatsurteil vom 18.12.2003, a.a.O., sowie BVerwG, Urteil vom 29.4.1997, Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 127). Mit der streitgegenständlichen Verfügung ist in schwerwiegender Weise jedenfalls in das durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Recht des Klägers auf Ausreisefreiheit eingegriffen worden (zur zusätzlichen Anwendbarkeit der Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 und Art. 8 GG vgl. VG Berlin, Urteil vom 17.12.2003 - 1 A 309.01 -, Juris, sowie VG Göttingen, Urteil vom 27.1.2004 - 1 A 1014/02, Juris). Vor diesem Hintergrund wäre es mit den Grundsätzen des Rechtsstaats unvereinbar, dem Kläger den Zugang zum Gericht zu versagen. Unabhängig davon ist auch aus Gründen der Rehabilitierung ein rechtlich anerkennenswertes Interesse des Klägers an der Klärung der Rechtmäßigkeit der Ausreiseuntersagung anzunehmen (zu dieser Voraussetzung vgl. BVerfG, Beschluss vom 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 -, DVBl. 2004, 822; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 19.3.1992, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 244). Denn in der Begründung der Verfügung heißt es, es bestünden Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger beabsichtige, sich in Genua an gewaltsamen Ausschreitungen zu beteiligen. Da hiermit ein kriminelles Verhalten des Klägers prognostiziert wird, ist das Ausreiseverbot geeignet, diskriminierend zu wirken.
19 
II. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass die Klage begründet ist. Die mit Verfügung vom 21.7.2001 ausgesprochene Ausreiseuntersagung war rechtswidrig (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO).
20 
Als Rechtsgrundlage der streitgegenständlichen Maßnahme kommt allein § 10 Abs. 1 Satz 2 des Passgesetzes i.d.F. des Gesetzes vom 1.5.2000 (BGBl. I S. 626) - PassG - in Betracht. Nach dieser Bestimmung können die für die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs zuständigen Behörden einem Deutschen die Ausreise in das Ausland untersagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass bei ihm die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 vorliegen. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG ist der Pass zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Passbewerber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Vorschrift bestehen nicht. Sie schränkt die Ausreisefreiheit, die als Ausfluss der allgemeinen Handlungsfreiheit durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt ist, in zulässiger Weise als Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung ein (vgl. BVerfG, Urteil vom 16.1.1957, BVerfGE 6, 32 ff.; Senatsbeschluss vom 7.6.1995, VBlBW 1996, 71).
21 
Die Beklagte hat die Ausreiseuntersagung auf eine Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland gestützt (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 3. Alt. PassG). Die Frage, ob und mit welchem Gewicht durch die Anwesenheit eines deutschen Staatsangehörigen in einem anderen Land Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet werden, unterliegt uneingeschränkt der richterlichen Überprüfung. Nach dem Wortlaut des Gesetzes müssen für die Feststellung einer solchen Gefährdung „bestimmte Tatsachen“ sprechen, die den beiden anderen Tatbestandsmerkmalen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 (innere oder äußere Sicherheit) in ihrer Gewichtigkeit zwar nicht gleichstehen, aber jedenfalls nahe kommen (vgl. BVerfGE 6, 32 ff.; BVerwG, Urteil vom 29.8.1968, DÖV 1969, 74 ff.; Beschlüsse des Senats vom 14.6.2000 - 1 S 1271/00 -, vom 7.6.1995, VBlBW 1996, 71 und vom 18.5.1994, DVBl. 1995, 360 sowie zuletzt Urteil des Senats vom 26.11.1997 - 1 S 1095/96 -, best. durch BVerwG, Beschluss vom 17.9.1998, Buchholz 402.00 § 7 PassG Nr. 1). Als eine Gefährdung erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG können unter besonderen Umständen auch Handlungen gewertet werden, die geeignet sind, dem internationalen Ansehen Deutschlands zu schaden (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 29.8.1968, a.a.O.). Sprechen bestimmte Tatsachen dafür, dass von einem Deutschen bei seinem Aufenthalt im Ausland derartige Handlungen zu befürchten sind, so kann dies ein Ausreiseverbot als Vorsorgemaßnahme rechtfertigen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 14.6.2000, a.a.O., sowie vom 7.6.1995, a.a.O.).
22 
An diesem Maßstab gemessen dürfte die Beklagte zwar zu Recht davon ausgegangen sein, dass im Zusammenhang mit der Durchführung des G 8-Gipfels in Genua mit gewalttätigen Ausschreitungen zu rechnen und dass eine Beteiligung gewaltbereiter deutscher Demonstranten geeignet war, das internationale Ansehen der Bundesrepublik Deutschland zu schädigen (vgl. bereits den Senatsbeschluss vom 4.8.2003 - 1 S 720/03 -). Nicht gerechtfertigt war jedoch die weitere Feststellung des Bundesgrenzschutzamtes, in der Person des Klägers lägen bestimmte Tatsachen vor, die die Annahme begründeten, auch von ihm würde eine solche Gefahr ausgehen.
23 
Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, die vom Bundesgrenzschutzamt vorgenommene Prognose sei bereits deshalb zu beanstanden, weil dabei von einer fehlerhaften Tatsachengrundlage ausgegangen worden sei. Die Grundsätze der Anscheinsgefahr fänden keine Anwendung, weil die Beklagte den Anschein einer Gefahr durch die in ihren Verantwortungsbereich fallende fehlerhafte Speicherung (bzw. noch nicht durchgeführte Löschung) der Daten des Klägers in der INPOL-Datei des Bundeskriminalamtes selbst maßgeblich verursacht habe. Nach Auffassung des Senats spricht indes einiges dafür, dass auch im vorliegenden Fall bei der Prüfung, ob eine Gefährdung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG vorlag, die Grundsätze der Anscheinsgefahr Geltung beanspruchten (unter 1. ). Diese Frage bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung. Denn die streitgegenständliche Verfügung war selbst bei Anwendung der Grundsätze der Anscheinsgefahr nicht rechtmäßig (unter 2.).
24 
1. Nach den Grundsätzen der Anscheinsgefahr ist es entscheidend, ob der handelnde Beamte aus der Ex-ante-Sicht mit Blick auf die ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Informationen aufgrund hinreichender Anhaltspunkte vom Vorliegen einer Gefährdung ausgehen konnte und diese Prognose dem Urteil eines fähigen, besonnenen und sachkundigen Amtswalters entspricht (vgl. Senatsurteil vom 22.7.2004 - 1 S 410/03 -, Urteil vom 10.5.1990 - 5 S 1842/89 -, VBlBW 1990, 469, 470 f. und Beschluss vom 16.10.1990 - 8 S 2087/90 -, NVwZ 1991, 493; Wolf/Stephan, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 5. Aufl., § 1 RdNr. 34; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 5. Aufl., RdNr. 424). Dabei beurteilt es sich auch nach den - ggf. eingeschränkten - Erkenntnismöglichkeiten zum Zeitpunkt des Einschreitens, ob dem Beamten ein Vorwurf gemacht werden kann, wenn er seiner Entscheidung Informationen zugrunde gelegt hat, die unvollständig oder falsch waren oder die aus Rechtsgründen nicht mehr hätten verwertet werden können.
25 
Die Anwendbarkeit dieser Grundsätze dürfte entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass die Beklagte möglicherweise selbst den Anschein der Gefahr zurechenbar (mit-) verursacht hat. Dies wäre wohl der Fall gewesen, wenn die den Kläger betreffenden Einträge im Informationssystem der Polizei tatsächlich - wie vom Kläger behauptet - teilweise unrichtig gewesen wären und überdies zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesgrenzschutzamts bereits hätten gelöscht sein müssen und diese Mängel von einer anderen Behörde der Beklagten (etwa vom Bundeskriminalamt) zu verantworten gewesen wären. Indes können die zur Gefahrenabwehr berufenen Behörden die legitime Aufgabe präventiven Rechtsgüterschutzes nur effektiv erfüllen, wenn sie auch auf unsicherer Tatsachengrundlage einschreiten. Um zu vermeiden, dass ein im Rahmen dieser Aufgabe als Dienstpflicht auferlegtes Handeln in die Illegalität gedrängt wird, ist bei der Beurteilung der Gefahr allein auf die Erkenntnismöglichkeiten des konkret handelnden Beamten zum Zeitpunkt des Einschreitens abzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.2.1974, BVerwGE 45, 51, 58; Würtenberger/Heckmann/Riggert, a.a.O., RdNr. 425). Vor diesem Hintergrund spricht einiges dafür, die Grundsätze der Anscheinsgefahr auch anzuwenden, wenn das Vorhandensein fehlerhafter oder aus Rechtsgründen nicht mehr verwertbarer Informationen auf dem Handeln einer anderen Behörde beruht und dem handelnden Beamten - am obigen Maßstab gemessen - kein Vorwurf gemacht werden kann, dass er diese Informationen seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat (zur Möglichkeit der „Kompensation“ auf der sog. Sekundärebene in solchen Fällen vgl. Würtenberger/Heckmann/Riggert, a.a.O., RdNrn. 867, 868, 915 m.w.N.; Wolf/Stephan, a.a.O., § 55 RdNr. 11; Schoch, JuS 1990, 504, 507; VGH Bad.-Württ., Urteile vom 8.9.1989, VBlBW 1990, 232, 233, und vom 10.5.1990, VBlBW 1990, 469, 471).
26 
2. Diese Frage kann jedoch letztlich offen bleiben. Denn die streitgegenständliche Verfügung erweist sich selbst bei Anwendung der Grundsätze der Anscheinsgefahr nicht als rechtmäßig. Der Beamte des Bundesgrenzschutzamtes durfte auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Informationen bei pflichtgemäßem Handeln nicht davon ausgehen, dass im Falle des Klägers bestimmte Tatsachen die Annahme eine Gefährdung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 3. Alt. PassG begründen.
27 
Seinem Wortlaut nach zwingt § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG mit dem Merkmal der „bestimmten Tatsachen“ nicht zu der Schlussfolgerung, einer Passversagung bzw. Ausreiseuntersagung dürften nur Tatsachen innerhalb eines bestimmten Zeitraums zugrunde gelegt werden. In der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Pass- und Personalausweisrechts vom 26.1.2000 heißt es, die Anordnung der Passbeschränkung setze „eine konkrete Gefährdungslage“ voraus. Es müssten „Tatsachen vorliegen, die auf eine Gefährlichkeit des Betroffenen schließen lassen und aufgrund derer damit zu rechnen ist, dass er bei dem bevorstehenden Anlass erneut gewalttätig wird“. Der Betroffene müsse „als gewaltbereiter Hooligan bekannt sein und in jüngerer Zeit, d.h. innerhalb der letzten zwölf Monate im Zusammenhang mit Gewalttaten oder als Teilnehmer an gewalttätigen Ausschreitungen aufgefallen sein“ (BTDrucks 14/2726, S. 6 zu Art. 1 Nr. 9). Der Senat entnimmt der Gesetzesbegründung zwar keine Auslegungsdirektive dahingehend, dass in die Gefährdungsprognose im Sinne einer starren zeitlichen Grenze nur Vorfälle innerhalb der letzten zwölf Monate einfließen dürften (so auch Breucker, Transnationale polizeiliche Gewaltprävention, 2003, S. 160 f., m.w.N.; ähnlich Medert/Süßmuth, Passrecht, § 7 RdNr. 12; a.A. Nolte, NVwZ 2001, 147, 151). Denn eine solche starre Grenze stünde einer sachgerechten einzelfallbezogenen Gefährdungsprognose entgegen. Individuellen Besonderheiten könnte nicht hinreichend Rechnung getragen werden, insbesondere wäre die für eine realitätsnahe Einschätzung der Gefährdungslage gebotene Beobachtung der persönlichen Entwicklung des Betroffenen über Jahre hinweg nicht möglich. Diesem Umstand kommt insbesondere auch deshalb nicht unerhebliche Bedeutung zu, weil Gewalttäter oftmals nur bestimmte Großveranstaltungen zum Anlass für Ausschreitungen nehmen, die in großen Zeitintervallen stattfinden (vgl. Breucker, a.a.O., S. 161).
28 
Jedoch ist mit Blick auf den aus den Gesetzgebungsmaterialien erkennbaren Willen des Normgebers sowie in Ansehung des mit einer Passversagung bzw. Ausreiseuntersagung verbundenen gravierenden Eingriffs in die grundrechtlich geschützte Ausreisefreiheit zur Wahrung des rechtsstaatlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu fordern, dass die in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG vorausgesetzte Gefährdungslage hinreichende Aktualität aufweist. Jedenfalls im Regelfall bedarf es deshalb der Feststellung von Vorfällen (auch) aus jüngerer Zeit, um die Gefährdungsprognose zu begründen. Dies schließt es nicht aus, im Einzelfall auch auf zeitlich weiter zurückliegende Vorfälle zurückzugreifen. In einem solchen Fall muss jedoch unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls sorgfältig geprüft werden, ob die herangezogene Tatsache im Zeitpunkt der Entscheidung über die Ausreiseuntersagung noch so schwer wiegt, dass die Annahme einer hinreichend konkreten Gefährdungslage weiterhin gerechtfertigt ist.
29 
Nach diesen Grundsätzen war die am 21.7.2001 angestellte Prognose der Beklagten, der Kläger werde sich im Falle seiner Ausreise auf dem G 8-Gipfel in Genua an gewalttätigen Ausschreitungen beteiligen und dadurch das internationale Ansehen der Bundesrepublik Deutschland schädigen, auf der Grundlage der von dem zuständigen Beamten des Bundesgrenzschutzamtes über den Kläger eingeholten Informationen nicht gerechtfertigt.
30 
Erkenntnisse aus jüngerer Zeit, von denen auf eine Beteiligung des Klägers an Gewalttätigkeiten G 8-Gipfel in Genua hätte geschlossen werden können, lagen nicht vor. Insbesondere konnten bei der Überprüfung an der Grenze aktuelle Anhaltspunkte für eine Absicht des Klägers, in Genua an gewalttätigen Aktionen teilzunehmen, nicht festgestellt werden. Der Kläger befand sich in einer als friedlich angesehenen Reisegruppe, welcher mit Ausnahme des Klägers vollständig die Ausreise gestattet wurde. Dies ist von der Beklagten auch nicht in Zweifel gezogen worden (vgl. Schriftsatz vom 26.7.2001, S. 27 der VG-Akte 3 K 1170/01).
31 
Dem steht nicht entgegen, dass jedenfalls nach Auffassung des zuständigen Bundesgrenzschutzamts die Verfügung auch darauf gestützt worden war, dass eine „fahndungsmäßige Überprüfung“ des Klägers ergeben habe, dass dieser „ 4 x (LKA München, LKA Düsseldorf, LKA Baden-Württemberg und PD Kaiserslautern) wegen Landfriedensbruchs ausgeschrieben“ sei (vgl. den Tagebucheintrag des Bundesgrenzschutzamtes, S. 55 der VG-Akte 7 K 1232/01, den INPOL-Auszug Personenfahndung, S. 57 der VG-Akte 7 K 1232/01 sowie den Schriftsatz des Bundesgrenzschutzamtes Weil am Rhein vom 26.7.2001 im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, S. 25 f. der VG-Akte 3 K 1170/01). Denn die insoweit von dem zuständigen Beamten abgerufenen Daten hinsichtlich „aktueller Ausschreibungen“ ließen jedenfalls bei pflichtgemäßer Beurteilung einen Schluss auf das Vorliegen hinreichend aktueller und für die im Rahmen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG anzustellende Gefährdungsprognose relevanter Auffälligkeiten des Klägers nicht zu.
32 
Unstreitig ist gegen den Kläger wegen seiner Beteiligung an einem Aufzug von Anhängern der linken Szene am 8.11.1996 in Bonn von der dortigen Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen eines besonders schweren Falls des Landfriedensbruchs durchgeführt worden. Dieses Ermittlungsverfahren hat zur Aufnahme der diesbezüglichen Daten des Klägers in eine von den Staatsschutzdienststellen des Bundeskriminalamtes und der Landeskriminalämter abrufbaren Verbunddatei des Informationssystems der Polizei (INPOL) geführt (zum Inhalt dieser Datei vgl. das Schreiben des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen an die Klägervertreter vom 14.9.2001, S. 45 der VG-Akte 7 K 1232/01). Darüber hinaus wurde mit Blick auf dieses Ermittlungsverfahren eine Speicherung von Daten des Klägers im „geschützten Bereich Landfriedensbruch“ veranlasst, dessen Bestand nur anlassbezogen und zeitlich sowie in der Regel auch räumlich begrenzt zur Abfrage freigegeben wird (vgl. das Schreiben vom 14.9.2001, a.a.O., sowie die Stellungnahme des Datenschutzbeauftragten des Bundeskriminalamtes vom 5.9.2001, S. 74 f. der VG-Akte 3 K 1170/01). Der Datenbestand dieser Datei kann im Vorfeld von Demonstrationen oder sonstigen Ereignissen in die Personenfahndungsdatei eingegeben werden, so dass nun u.a. auch die Polizeidienststellen der Länder sowie die Dienststellen des Bundesgrenzschutzes auf die Daten Zugriff haben (vgl. § 11 Abs. 2 BKAG sowie Bäumler, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 3. Aufl., J RdNrn. 181, 155). Bei Kontrollen soll dann auf die Personen, deren Daten in der Datei gespeichert sind, ein besonderes Augenmerk gerichtet werden, wobei jedoch grundsätzlich nur Maßnahmen ergriffen werden dürfen, die nach allgemeinem Polizeirecht zulässig sind (vgl. Bäumler, a.a.O., RdNr. 181). Im Zeitpunkt der Überprüfung des Klägers am 21.7.2001 an der Grenze bei Weil am Rhein war von den Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg aus Anlass des G 8-Gipfels in Genua und von den Ländern Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen aufgrund anderer Anlässe die Freigabe des geschützten Fahndungsbestandes beantragt worden.
33 
Bei dieser Sachlage konnte ein mit dem polizeilichen Informationssystem vertrauter Nutzungsberechtigter aus den von dem Grenzschutzbeamten abgerufenen Daten (vgl. S. 57 der VG-Akte) bei sorgfältiger Überprüfung nur folgern, dass der Kläger lediglich mit Blick auf das Ermittlungsverfahren wegen der Teilnahme an dem Aufzug am 8.11.1996 im „geschützten Bereich Landfriedensbruch“ geführt wurde und dass die Freigabe des geschützten Fahndungsbestandes zu Kontrollzwecken von vier Bundesländern beantragt worden war (vgl. auch die Stellungnahme des Datenschutzbeauftragten des Bundeskriminalamtes vom 5.9.2001, S. 74 f. der VG-Akte 3 K 1170/01). Sollte der zuständige Beamte demgegenüber aufgrund der Speicherung der Daten des Klägers in der Fahndungsdatei irrtümlich davon ausgegangen sein, gegen diesen lägen auch andere, insbesondere aktuellere Vorwürfe vor oder gar konkrete Fahndungsersuchen von Dienststellen verschiedener Bundesländer, würde es sich um eine pflichtwidrige Fehleinschätzung gehandelt haben, die nicht geeignet wäre, die Annahme einer Anscheinsgefahr zu rechtfertigen.
34 
Mithin stammten letztlich sämtliche Vorfälle, aus denen der zuständige Beamte nach den eingeholten Informationen bei pflichtgemäßer Beurteilung eine Gefährdung hat ableiten können, bereits aus dem Jahr 1996. Umstände, die trotz dieses langen Zeitraums die Annahme der Gefahr erneuter Gewalttätigkeiten und damit einer aktuellen Gefährdungslage hätten rechtfertigen können, vermag der Senat nicht festzustellen.
35 
Dies gilt zunächst für den von dem kontrollierenden Beamten des Bundesgrenzschutzamtes abgerufenen, objektiv möglicherweise teilweise unrichtigen Inhalt der INPOL-Verbunddatei hinsichtlich eines Ermittlungsverfahrens wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, schweren Landfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung, Sachbeschädigung und Mitführen von Schusswaffen (Signalmunition) im Zusammenhang mit der Teilnahme an einem Aufzug am 8.11.1996 in Bonn (vgl. das Schreiben des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen an die Klägervertreter vom 14.9.2001, S. 45 der VG-Akte 7 K 1232/01). Die Durchführung eines solchen Ermittlungsverfahrens stellt eine gravierende und im Hinblick auf die von der Beklagten prognostizierte Gefährdung (Teilnahme an Gewalttätigkeiten in Genua) auch einschlägige Vorbelastung dar. Insbesondere der Verdacht, der Kläger habe einen besonders schweren Fall des Landfriedenbruchs begangen, wiegt schwer angesichts der für dieses Delikt bestehenden Strafdrohung von 6 Monaten bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe (§ 125 a StGB). Andererseits darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass zum Zeitpunkt des behördlichen Handelns bereits ein Zeitraum von über 4 Jahren und 8 Monaten vergangen war, in dem der Kläger weder strafrechtlich in Erscheinung getreten noch sonst den Behörden im Zusammenhang mit der Teilnahme an gewalttätigen Demonstrationen aufgefallen ist. Dieser lange Zeitraum der Unauffälligkeit kann als Indiz dafür gewertet werden, dass sich seine Einstellung zur Anwendung von Gewalt geändert hat. Dies gilt um so mehr, als der Kläger im Zeitpunkt der Teilnahme an dem Aufzug erst 19 Jahre alt und somit noch Heranwachsender war und es nicht auszuschließen ist, dass es sich bei seinem Verhalten im Zusammenhang mit dem Aufzug am 8.11.1996 um eine jugendtypische Verfehlung gehandelt hat.
36 
Im Rahmen der Gefährdungsprognose war zugunsten des Klägers ferner zu berücksichtigen, dass damals keine strafrechtliche Verurteilung erfolgt, sondern das Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist. Ausweislich des handschriftlichen Vermerks auf dem von dem Beamten des Bundesgrenzschutzamtes zu dem Vorfall gefertigten Tagebucheintrag („StA Bonn 50 Js 666/96 (§ 170 II StPO)“, S. 55 der VG-Akte 7 K 1232/01) spricht vieles dafür, dass dem Grenzbeamten dieser Ausgang des Verfahrens bekannt war. Jedenfalls kann davon ausgegangen werden, dass ihm die Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO hätte bekannt sein müssen. Denn er kannte das Datum des zugrunde liegenden Vorfalls und hatte zudem telefonisch beim Bundeskriminalamt in Meckenheim recherchiert. Greifbare Anhaltspunkte, die aus seiner Sicht hätten nahe legen können, dass das bereits aus dem Jahr 1996 stammende Ermittlungsverfahren auf andere Weise als durch Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO geendet hatte, sind von der Beklagten nicht dargetan und auch sonst nicht erkennbar. Der Auffassung der Beklagten, der Umstand, dass es nicht zu einer strafrechtlichen Verurteilung gekommen sei, mindere nicht die Relevanz der Vorkommnisse für die Gefahrenprognose, kann so nicht gefolgt werden. Wie dargelegt, ist das gegen den Kläger eingeleitete Ermittlungsverfahren - für den zuständigen Grenzschutzbeamten erkennbar - gemäß § 170 Abs. 2 StPO, also wegen Fehlens eines hinreichenden Tatverdachts eingestellt worden. Zwar schließt diese Form der Verfahrenseinstellung einen gegen den Beschuldigten fortbestehenden Tatverdacht nicht notwendig aus (vgl. Senatsurteil vom 29.9.2003 - 1 S 2145/02 -). Einem solchen „Restverdacht“ kommt indes im Verhältnis zu einer strafrechtlichen Verurteilung im Rahmen der Gefahrenprognose geringeres Gewicht zu.
37 
Vor diesem Hintergrund ist nach Auffassung des Senats die dem Ermittlungsverfahren aus dem Jahre 1996 zukommende Indizwirkung durch den langen Zeitraum, in dem der Kläger - bezogen auf sein Verhalten im Zusammenhang mit Demonstrationen - unauffällig geblieben ist, maßgeblich entkräftet worden. Eine Ausreiseuntersagung war deshalb nicht mehr gerechtfertigt. Dies gilt auch, wenn berücksichtigt wird, dass dem Beamten ausweislich des Tagebucheintrags vom 21.7.2001 (a.a.O.) aufgrund einer telefonischen Recherche beim Bundeskriminalamt in Meckenheim bekannt war, dass der Kläger 1996 „mehrfach in Erscheinung getreten war“. Denn den beiden weiteren Ermittlungsverfahren aus dem Jahr 1996 (S. 47 der VG-Akte 7 K 1232/01) konnte unter dem hier allein erheblichen Gesichtspunkt einer Gefährdungsprognose im Hinblick auf Gewalttätigkeiten keine maßgebliche Bedeutung mehr zukommen. Dies gilt um so mehr, als sich diese auf über fünf Jahre zurückliegende Vorfälle vom Mai 1996 bezogen. Dem entspricht es, dass die Verfahren in der Begründung der Verfügung vom 21.7.2001 keine Erwähnung fanden und dass auch nur das Verfahren vom November 1996 Eingang in die INPOL-Verbunddatei gefunden hat.
38 
Da es nach alledem bereits am Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG fehlte, bedarf es keiner Prüfung, ob die Beklagte das ihr in dieser Bestimmung eingeräumte Ermessen („können“) auch rechtsfehlerfrei ausgeübt hat.
39 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
40 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.

Gründe

 
15 
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
16 
Die vom Senat zugelassene und auch sonst zulässige Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässige (I.) Klage des Klägers begründet ist (II.).
17 
I. Die Klage des Klägers ist als Fortsetzungsfeststellungsklage in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft. Sie bezieht sich auf die Verfügung des Bundesgrenzschutzamtes Weil am Rhein vom 21.7.2001, mit der dem Kläger befristet bis zum 22.7.2001, 22.00 Uhr, die Ausreise aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zum Weltwirtschaftsgipfel G 8 nach Italien untersagt wurde und die sich durch den Fristablauf schon vor Klageerhebung erledigt hat. Der Senat geht in den Fällen der vorprozessualen Erledigung eines Verwaltungsakts von einer analogen Anwendung der Regelung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO aus (vgl. nur die Senatsurteile vom 18.12.2003 - 1 S 2211/02 -, VBlBW 2004, 214 und vom 26.1.1998 - 1 S 3280/96 -, NVwZ 1998, 761, 762, sowie die bisherige ständige Rechtsprechung des BVerwG, BVerwGE 12, 87, 90; 26, 161, 165; 49, 36, 39; 81, 226, 227; ausdrücklich offen gelassen unter Hinweis auf die Möglichkeit der allgemeinen Feststellungsklage im Urteil vom 14.7.1999 - 6 C 7.98 -, BVerwGE 109, 203, 208 f.). Im Übrigen würden sich unter den gegebenen Umständen die Sachurteilsvoraussetzungen nach § 43 VwGO und § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO in analoger Anwendung nicht unterscheiden.
18 
Die Klage ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere kann dem Kläger ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung nicht abgesprochen werden. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des erkennenden Senats ist anerkannt, dass insbesondere bei polizeilichen Maßnahmen auch die Art des Eingriffs, namentlich im grundrechtlich geschützten Bereich, verbunden mit dem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz, es erfordern kann, das Feststellungsinteresse anzuerkennen (vgl. Senatsurteil vom 18.12.2003, a.a.O., sowie BVerwG, Urteil vom 29.4.1997, Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 127). Mit der streitgegenständlichen Verfügung ist in schwerwiegender Weise jedenfalls in das durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Recht des Klägers auf Ausreisefreiheit eingegriffen worden (zur zusätzlichen Anwendbarkeit der Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 und Art. 8 GG vgl. VG Berlin, Urteil vom 17.12.2003 - 1 A 309.01 -, Juris, sowie VG Göttingen, Urteil vom 27.1.2004 - 1 A 1014/02, Juris). Vor diesem Hintergrund wäre es mit den Grundsätzen des Rechtsstaats unvereinbar, dem Kläger den Zugang zum Gericht zu versagen. Unabhängig davon ist auch aus Gründen der Rehabilitierung ein rechtlich anerkennenswertes Interesse des Klägers an der Klärung der Rechtmäßigkeit der Ausreiseuntersagung anzunehmen (zu dieser Voraussetzung vgl. BVerfG, Beschluss vom 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 -, DVBl. 2004, 822; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 19.3.1992, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 244). Denn in der Begründung der Verfügung heißt es, es bestünden Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger beabsichtige, sich in Genua an gewaltsamen Ausschreitungen zu beteiligen. Da hiermit ein kriminelles Verhalten des Klägers prognostiziert wird, ist das Ausreiseverbot geeignet, diskriminierend zu wirken.
19 
II. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass die Klage begründet ist. Die mit Verfügung vom 21.7.2001 ausgesprochene Ausreiseuntersagung war rechtswidrig (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO).
20 
Als Rechtsgrundlage der streitgegenständlichen Maßnahme kommt allein § 10 Abs. 1 Satz 2 des Passgesetzes i.d.F. des Gesetzes vom 1.5.2000 (BGBl. I S. 626) - PassG - in Betracht. Nach dieser Bestimmung können die für die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs zuständigen Behörden einem Deutschen die Ausreise in das Ausland untersagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass bei ihm die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 vorliegen. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG ist der Pass zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Passbewerber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Vorschrift bestehen nicht. Sie schränkt die Ausreisefreiheit, die als Ausfluss der allgemeinen Handlungsfreiheit durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt ist, in zulässiger Weise als Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung ein (vgl. BVerfG, Urteil vom 16.1.1957, BVerfGE 6, 32 ff.; Senatsbeschluss vom 7.6.1995, VBlBW 1996, 71).
21 
Die Beklagte hat die Ausreiseuntersagung auf eine Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland gestützt (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 3. Alt. PassG). Die Frage, ob und mit welchem Gewicht durch die Anwesenheit eines deutschen Staatsangehörigen in einem anderen Land Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet werden, unterliegt uneingeschränkt der richterlichen Überprüfung. Nach dem Wortlaut des Gesetzes müssen für die Feststellung einer solchen Gefährdung „bestimmte Tatsachen“ sprechen, die den beiden anderen Tatbestandsmerkmalen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 (innere oder äußere Sicherheit) in ihrer Gewichtigkeit zwar nicht gleichstehen, aber jedenfalls nahe kommen (vgl. BVerfGE 6, 32 ff.; BVerwG, Urteil vom 29.8.1968, DÖV 1969, 74 ff.; Beschlüsse des Senats vom 14.6.2000 - 1 S 1271/00 -, vom 7.6.1995, VBlBW 1996, 71 und vom 18.5.1994, DVBl. 1995, 360 sowie zuletzt Urteil des Senats vom 26.11.1997 - 1 S 1095/96 -, best. durch BVerwG, Beschluss vom 17.9.1998, Buchholz 402.00 § 7 PassG Nr. 1). Als eine Gefährdung erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG können unter besonderen Umständen auch Handlungen gewertet werden, die geeignet sind, dem internationalen Ansehen Deutschlands zu schaden (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 29.8.1968, a.a.O.). Sprechen bestimmte Tatsachen dafür, dass von einem Deutschen bei seinem Aufenthalt im Ausland derartige Handlungen zu befürchten sind, so kann dies ein Ausreiseverbot als Vorsorgemaßnahme rechtfertigen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 14.6.2000, a.a.O., sowie vom 7.6.1995, a.a.O.).
22 
An diesem Maßstab gemessen dürfte die Beklagte zwar zu Recht davon ausgegangen sein, dass im Zusammenhang mit der Durchführung des G 8-Gipfels in Genua mit gewalttätigen Ausschreitungen zu rechnen und dass eine Beteiligung gewaltbereiter deutscher Demonstranten geeignet war, das internationale Ansehen der Bundesrepublik Deutschland zu schädigen (vgl. bereits den Senatsbeschluss vom 4.8.2003 - 1 S 720/03 -). Nicht gerechtfertigt war jedoch die weitere Feststellung des Bundesgrenzschutzamtes, in der Person des Klägers lägen bestimmte Tatsachen vor, die die Annahme begründeten, auch von ihm würde eine solche Gefahr ausgehen.
23 
Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, die vom Bundesgrenzschutzamt vorgenommene Prognose sei bereits deshalb zu beanstanden, weil dabei von einer fehlerhaften Tatsachengrundlage ausgegangen worden sei. Die Grundsätze der Anscheinsgefahr fänden keine Anwendung, weil die Beklagte den Anschein einer Gefahr durch die in ihren Verantwortungsbereich fallende fehlerhafte Speicherung (bzw. noch nicht durchgeführte Löschung) der Daten des Klägers in der INPOL-Datei des Bundeskriminalamtes selbst maßgeblich verursacht habe. Nach Auffassung des Senats spricht indes einiges dafür, dass auch im vorliegenden Fall bei der Prüfung, ob eine Gefährdung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG vorlag, die Grundsätze der Anscheinsgefahr Geltung beanspruchten (unter 1. ). Diese Frage bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung. Denn die streitgegenständliche Verfügung war selbst bei Anwendung der Grundsätze der Anscheinsgefahr nicht rechtmäßig (unter 2.).
24 
1. Nach den Grundsätzen der Anscheinsgefahr ist es entscheidend, ob der handelnde Beamte aus der Ex-ante-Sicht mit Blick auf die ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Informationen aufgrund hinreichender Anhaltspunkte vom Vorliegen einer Gefährdung ausgehen konnte und diese Prognose dem Urteil eines fähigen, besonnenen und sachkundigen Amtswalters entspricht (vgl. Senatsurteil vom 22.7.2004 - 1 S 410/03 -, Urteil vom 10.5.1990 - 5 S 1842/89 -, VBlBW 1990, 469, 470 f. und Beschluss vom 16.10.1990 - 8 S 2087/90 -, NVwZ 1991, 493; Wolf/Stephan, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 5. Aufl., § 1 RdNr. 34; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 5. Aufl., RdNr. 424). Dabei beurteilt es sich auch nach den - ggf. eingeschränkten - Erkenntnismöglichkeiten zum Zeitpunkt des Einschreitens, ob dem Beamten ein Vorwurf gemacht werden kann, wenn er seiner Entscheidung Informationen zugrunde gelegt hat, die unvollständig oder falsch waren oder die aus Rechtsgründen nicht mehr hätten verwertet werden können.
25 
Die Anwendbarkeit dieser Grundsätze dürfte entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass die Beklagte möglicherweise selbst den Anschein der Gefahr zurechenbar (mit-) verursacht hat. Dies wäre wohl der Fall gewesen, wenn die den Kläger betreffenden Einträge im Informationssystem der Polizei tatsächlich - wie vom Kläger behauptet - teilweise unrichtig gewesen wären und überdies zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesgrenzschutzamts bereits hätten gelöscht sein müssen und diese Mängel von einer anderen Behörde der Beklagten (etwa vom Bundeskriminalamt) zu verantworten gewesen wären. Indes können die zur Gefahrenabwehr berufenen Behörden die legitime Aufgabe präventiven Rechtsgüterschutzes nur effektiv erfüllen, wenn sie auch auf unsicherer Tatsachengrundlage einschreiten. Um zu vermeiden, dass ein im Rahmen dieser Aufgabe als Dienstpflicht auferlegtes Handeln in die Illegalität gedrängt wird, ist bei der Beurteilung der Gefahr allein auf die Erkenntnismöglichkeiten des konkret handelnden Beamten zum Zeitpunkt des Einschreitens abzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.2.1974, BVerwGE 45, 51, 58; Würtenberger/Heckmann/Riggert, a.a.O., RdNr. 425). Vor diesem Hintergrund spricht einiges dafür, die Grundsätze der Anscheinsgefahr auch anzuwenden, wenn das Vorhandensein fehlerhafter oder aus Rechtsgründen nicht mehr verwertbarer Informationen auf dem Handeln einer anderen Behörde beruht und dem handelnden Beamten - am obigen Maßstab gemessen - kein Vorwurf gemacht werden kann, dass er diese Informationen seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat (zur Möglichkeit der „Kompensation“ auf der sog. Sekundärebene in solchen Fällen vgl. Würtenberger/Heckmann/Riggert, a.a.O., RdNrn. 867, 868, 915 m.w.N.; Wolf/Stephan, a.a.O., § 55 RdNr. 11; Schoch, JuS 1990, 504, 507; VGH Bad.-Württ., Urteile vom 8.9.1989, VBlBW 1990, 232, 233, und vom 10.5.1990, VBlBW 1990, 469, 471).
26 
2. Diese Frage kann jedoch letztlich offen bleiben. Denn die streitgegenständliche Verfügung erweist sich selbst bei Anwendung der Grundsätze der Anscheinsgefahr nicht als rechtmäßig. Der Beamte des Bundesgrenzschutzamtes durfte auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Informationen bei pflichtgemäßem Handeln nicht davon ausgehen, dass im Falle des Klägers bestimmte Tatsachen die Annahme eine Gefährdung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 3. Alt. PassG begründen.
27 
Seinem Wortlaut nach zwingt § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG mit dem Merkmal der „bestimmten Tatsachen“ nicht zu der Schlussfolgerung, einer Passversagung bzw. Ausreiseuntersagung dürften nur Tatsachen innerhalb eines bestimmten Zeitraums zugrunde gelegt werden. In der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Pass- und Personalausweisrechts vom 26.1.2000 heißt es, die Anordnung der Passbeschränkung setze „eine konkrete Gefährdungslage“ voraus. Es müssten „Tatsachen vorliegen, die auf eine Gefährlichkeit des Betroffenen schließen lassen und aufgrund derer damit zu rechnen ist, dass er bei dem bevorstehenden Anlass erneut gewalttätig wird“. Der Betroffene müsse „als gewaltbereiter Hooligan bekannt sein und in jüngerer Zeit, d.h. innerhalb der letzten zwölf Monate im Zusammenhang mit Gewalttaten oder als Teilnehmer an gewalttätigen Ausschreitungen aufgefallen sein“ (BTDrucks 14/2726, S. 6 zu Art. 1 Nr. 9). Der Senat entnimmt der Gesetzesbegründung zwar keine Auslegungsdirektive dahingehend, dass in die Gefährdungsprognose im Sinne einer starren zeitlichen Grenze nur Vorfälle innerhalb der letzten zwölf Monate einfließen dürften (so auch Breucker, Transnationale polizeiliche Gewaltprävention, 2003, S. 160 f., m.w.N.; ähnlich Medert/Süßmuth, Passrecht, § 7 RdNr. 12; a.A. Nolte, NVwZ 2001, 147, 151). Denn eine solche starre Grenze stünde einer sachgerechten einzelfallbezogenen Gefährdungsprognose entgegen. Individuellen Besonderheiten könnte nicht hinreichend Rechnung getragen werden, insbesondere wäre die für eine realitätsnahe Einschätzung der Gefährdungslage gebotene Beobachtung der persönlichen Entwicklung des Betroffenen über Jahre hinweg nicht möglich. Diesem Umstand kommt insbesondere auch deshalb nicht unerhebliche Bedeutung zu, weil Gewalttäter oftmals nur bestimmte Großveranstaltungen zum Anlass für Ausschreitungen nehmen, die in großen Zeitintervallen stattfinden (vgl. Breucker, a.a.O., S. 161).
28 
Jedoch ist mit Blick auf den aus den Gesetzgebungsmaterialien erkennbaren Willen des Normgebers sowie in Ansehung des mit einer Passversagung bzw. Ausreiseuntersagung verbundenen gravierenden Eingriffs in die grundrechtlich geschützte Ausreisefreiheit zur Wahrung des rechtsstaatlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu fordern, dass die in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG vorausgesetzte Gefährdungslage hinreichende Aktualität aufweist. Jedenfalls im Regelfall bedarf es deshalb der Feststellung von Vorfällen (auch) aus jüngerer Zeit, um die Gefährdungsprognose zu begründen. Dies schließt es nicht aus, im Einzelfall auch auf zeitlich weiter zurückliegende Vorfälle zurückzugreifen. In einem solchen Fall muss jedoch unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls sorgfältig geprüft werden, ob die herangezogene Tatsache im Zeitpunkt der Entscheidung über die Ausreiseuntersagung noch so schwer wiegt, dass die Annahme einer hinreichend konkreten Gefährdungslage weiterhin gerechtfertigt ist.
29 
Nach diesen Grundsätzen war die am 21.7.2001 angestellte Prognose der Beklagten, der Kläger werde sich im Falle seiner Ausreise auf dem G 8-Gipfel in Genua an gewalttätigen Ausschreitungen beteiligen und dadurch das internationale Ansehen der Bundesrepublik Deutschland schädigen, auf der Grundlage der von dem zuständigen Beamten des Bundesgrenzschutzamtes über den Kläger eingeholten Informationen nicht gerechtfertigt.
30 
Erkenntnisse aus jüngerer Zeit, von denen auf eine Beteiligung des Klägers an Gewalttätigkeiten G 8-Gipfel in Genua hätte geschlossen werden können, lagen nicht vor. Insbesondere konnten bei der Überprüfung an der Grenze aktuelle Anhaltspunkte für eine Absicht des Klägers, in Genua an gewalttätigen Aktionen teilzunehmen, nicht festgestellt werden. Der Kläger befand sich in einer als friedlich angesehenen Reisegruppe, welcher mit Ausnahme des Klägers vollständig die Ausreise gestattet wurde. Dies ist von der Beklagten auch nicht in Zweifel gezogen worden (vgl. Schriftsatz vom 26.7.2001, S. 27 der VG-Akte 3 K 1170/01).
31 
Dem steht nicht entgegen, dass jedenfalls nach Auffassung des zuständigen Bundesgrenzschutzamts die Verfügung auch darauf gestützt worden war, dass eine „fahndungsmäßige Überprüfung“ des Klägers ergeben habe, dass dieser „ 4 x (LKA München, LKA Düsseldorf, LKA Baden-Württemberg und PD Kaiserslautern) wegen Landfriedensbruchs ausgeschrieben“ sei (vgl. den Tagebucheintrag des Bundesgrenzschutzamtes, S. 55 der VG-Akte 7 K 1232/01, den INPOL-Auszug Personenfahndung, S. 57 der VG-Akte 7 K 1232/01 sowie den Schriftsatz des Bundesgrenzschutzamtes Weil am Rhein vom 26.7.2001 im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, S. 25 f. der VG-Akte 3 K 1170/01). Denn die insoweit von dem zuständigen Beamten abgerufenen Daten hinsichtlich „aktueller Ausschreibungen“ ließen jedenfalls bei pflichtgemäßer Beurteilung einen Schluss auf das Vorliegen hinreichend aktueller und für die im Rahmen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG anzustellende Gefährdungsprognose relevanter Auffälligkeiten des Klägers nicht zu.
32 
Unstreitig ist gegen den Kläger wegen seiner Beteiligung an einem Aufzug von Anhängern der linken Szene am 8.11.1996 in Bonn von der dortigen Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen eines besonders schweren Falls des Landfriedensbruchs durchgeführt worden. Dieses Ermittlungsverfahren hat zur Aufnahme der diesbezüglichen Daten des Klägers in eine von den Staatsschutzdienststellen des Bundeskriminalamtes und der Landeskriminalämter abrufbaren Verbunddatei des Informationssystems der Polizei (INPOL) geführt (zum Inhalt dieser Datei vgl. das Schreiben des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen an die Klägervertreter vom 14.9.2001, S. 45 der VG-Akte 7 K 1232/01). Darüber hinaus wurde mit Blick auf dieses Ermittlungsverfahren eine Speicherung von Daten des Klägers im „geschützten Bereich Landfriedensbruch“ veranlasst, dessen Bestand nur anlassbezogen und zeitlich sowie in der Regel auch räumlich begrenzt zur Abfrage freigegeben wird (vgl. das Schreiben vom 14.9.2001, a.a.O., sowie die Stellungnahme des Datenschutzbeauftragten des Bundeskriminalamtes vom 5.9.2001, S. 74 f. der VG-Akte 3 K 1170/01). Der Datenbestand dieser Datei kann im Vorfeld von Demonstrationen oder sonstigen Ereignissen in die Personenfahndungsdatei eingegeben werden, so dass nun u.a. auch die Polizeidienststellen der Länder sowie die Dienststellen des Bundesgrenzschutzes auf die Daten Zugriff haben (vgl. § 11 Abs. 2 BKAG sowie Bäumler, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 3. Aufl., J RdNrn. 181, 155). Bei Kontrollen soll dann auf die Personen, deren Daten in der Datei gespeichert sind, ein besonderes Augenmerk gerichtet werden, wobei jedoch grundsätzlich nur Maßnahmen ergriffen werden dürfen, die nach allgemeinem Polizeirecht zulässig sind (vgl. Bäumler, a.a.O., RdNr. 181). Im Zeitpunkt der Überprüfung des Klägers am 21.7.2001 an der Grenze bei Weil am Rhein war von den Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg aus Anlass des G 8-Gipfels in Genua und von den Ländern Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen aufgrund anderer Anlässe die Freigabe des geschützten Fahndungsbestandes beantragt worden.
33 
Bei dieser Sachlage konnte ein mit dem polizeilichen Informationssystem vertrauter Nutzungsberechtigter aus den von dem Grenzschutzbeamten abgerufenen Daten (vgl. S. 57 der VG-Akte) bei sorgfältiger Überprüfung nur folgern, dass der Kläger lediglich mit Blick auf das Ermittlungsverfahren wegen der Teilnahme an dem Aufzug am 8.11.1996 im „geschützten Bereich Landfriedensbruch“ geführt wurde und dass die Freigabe des geschützten Fahndungsbestandes zu Kontrollzwecken von vier Bundesländern beantragt worden war (vgl. auch die Stellungnahme des Datenschutzbeauftragten des Bundeskriminalamtes vom 5.9.2001, S. 74 f. der VG-Akte 3 K 1170/01). Sollte der zuständige Beamte demgegenüber aufgrund der Speicherung der Daten des Klägers in der Fahndungsdatei irrtümlich davon ausgegangen sein, gegen diesen lägen auch andere, insbesondere aktuellere Vorwürfe vor oder gar konkrete Fahndungsersuchen von Dienststellen verschiedener Bundesländer, würde es sich um eine pflichtwidrige Fehleinschätzung gehandelt haben, die nicht geeignet wäre, die Annahme einer Anscheinsgefahr zu rechtfertigen.
34 
Mithin stammten letztlich sämtliche Vorfälle, aus denen der zuständige Beamte nach den eingeholten Informationen bei pflichtgemäßer Beurteilung eine Gefährdung hat ableiten können, bereits aus dem Jahr 1996. Umstände, die trotz dieses langen Zeitraums die Annahme der Gefahr erneuter Gewalttätigkeiten und damit einer aktuellen Gefährdungslage hätten rechtfertigen können, vermag der Senat nicht festzustellen.
35 
Dies gilt zunächst für den von dem kontrollierenden Beamten des Bundesgrenzschutzamtes abgerufenen, objektiv möglicherweise teilweise unrichtigen Inhalt der INPOL-Verbunddatei hinsichtlich eines Ermittlungsverfahrens wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, schweren Landfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung, Sachbeschädigung und Mitführen von Schusswaffen (Signalmunition) im Zusammenhang mit der Teilnahme an einem Aufzug am 8.11.1996 in Bonn (vgl. das Schreiben des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen an die Klägervertreter vom 14.9.2001, S. 45 der VG-Akte 7 K 1232/01). Die Durchführung eines solchen Ermittlungsverfahrens stellt eine gravierende und im Hinblick auf die von der Beklagten prognostizierte Gefährdung (Teilnahme an Gewalttätigkeiten in Genua) auch einschlägige Vorbelastung dar. Insbesondere der Verdacht, der Kläger habe einen besonders schweren Fall des Landfriedenbruchs begangen, wiegt schwer angesichts der für dieses Delikt bestehenden Strafdrohung von 6 Monaten bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe (§ 125 a StGB). Andererseits darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass zum Zeitpunkt des behördlichen Handelns bereits ein Zeitraum von über 4 Jahren und 8 Monaten vergangen war, in dem der Kläger weder strafrechtlich in Erscheinung getreten noch sonst den Behörden im Zusammenhang mit der Teilnahme an gewalttätigen Demonstrationen aufgefallen ist. Dieser lange Zeitraum der Unauffälligkeit kann als Indiz dafür gewertet werden, dass sich seine Einstellung zur Anwendung von Gewalt geändert hat. Dies gilt um so mehr, als der Kläger im Zeitpunkt der Teilnahme an dem Aufzug erst 19 Jahre alt und somit noch Heranwachsender war und es nicht auszuschließen ist, dass es sich bei seinem Verhalten im Zusammenhang mit dem Aufzug am 8.11.1996 um eine jugendtypische Verfehlung gehandelt hat.
36 
Im Rahmen der Gefährdungsprognose war zugunsten des Klägers ferner zu berücksichtigen, dass damals keine strafrechtliche Verurteilung erfolgt, sondern das Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist. Ausweislich des handschriftlichen Vermerks auf dem von dem Beamten des Bundesgrenzschutzamtes zu dem Vorfall gefertigten Tagebucheintrag („StA Bonn 50 Js 666/96 (§ 170 II StPO)“, S. 55 der VG-Akte 7 K 1232/01) spricht vieles dafür, dass dem Grenzbeamten dieser Ausgang des Verfahrens bekannt war. Jedenfalls kann davon ausgegangen werden, dass ihm die Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO hätte bekannt sein müssen. Denn er kannte das Datum des zugrunde liegenden Vorfalls und hatte zudem telefonisch beim Bundeskriminalamt in Meckenheim recherchiert. Greifbare Anhaltspunkte, die aus seiner Sicht hätten nahe legen können, dass das bereits aus dem Jahr 1996 stammende Ermittlungsverfahren auf andere Weise als durch Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO geendet hatte, sind von der Beklagten nicht dargetan und auch sonst nicht erkennbar. Der Auffassung der Beklagten, der Umstand, dass es nicht zu einer strafrechtlichen Verurteilung gekommen sei, mindere nicht die Relevanz der Vorkommnisse für die Gefahrenprognose, kann so nicht gefolgt werden. Wie dargelegt, ist das gegen den Kläger eingeleitete Ermittlungsverfahren - für den zuständigen Grenzschutzbeamten erkennbar - gemäß § 170 Abs. 2 StPO, also wegen Fehlens eines hinreichenden Tatverdachts eingestellt worden. Zwar schließt diese Form der Verfahrenseinstellung einen gegen den Beschuldigten fortbestehenden Tatverdacht nicht notwendig aus (vgl. Senatsurteil vom 29.9.2003 - 1 S 2145/02 -). Einem solchen „Restverdacht“ kommt indes im Verhältnis zu einer strafrechtlichen Verurteilung im Rahmen der Gefahrenprognose geringeres Gewicht zu.
37 
Vor diesem Hintergrund ist nach Auffassung des Senats die dem Ermittlungsverfahren aus dem Jahre 1996 zukommende Indizwirkung durch den langen Zeitraum, in dem der Kläger - bezogen auf sein Verhalten im Zusammenhang mit Demonstrationen - unauffällig geblieben ist, maßgeblich entkräftet worden. Eine Ausreiseuntersagung war deshalb nicht mehr gerechtfertigt. Dies gilt auch, wenn berücksichtigt wird, dass dem Beamten ausweislich des Tagebucheintrags vom 21.7.2001 (a.a.O.) aufgrund einer telefonischen Recherche beim Bundeskriminalamt in Meckenheim bekannt war, dass der Kläger 1996 „mehrfach in Erscheinung getreten war“. Denn den beiden weiteren Ermittlungsverfahren aus dem Jahr 1996 (S. 47 der VG-Akte 7 K 1232/01) konnte unter dem hier allein erheblichen Gesichtspunkt einer Gefährdungsprognose im Hinblick auf Gewalttätigkeiten keine maßgebliche Bedeutung mehr zukommen. Dies gilt um so mehr, als sich diese auf über fünf Jahre zurückliegende Vorfälle vom Mai 1996 bezogen. Dem entspricht es, dass die Verfahren in der Begründung der Verfügung vom 21.7.2001 keine Erwähnung fanden und dass auch nur das Verfahren vom November 1996 Eingang in die INPOL-Verbunddatei gefunden hat.
38 
Da es nach alledem bereits am Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG fehlte, bedarf es keiner Prüfung, ob die Beklagte das ihr in dieser Bestimmung eingeräumte Ermessen („können“) auch rechtsfehlerfrei ausgeübt hat.
39 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
40 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.

Sonstige Literatur

 
41 
Rechtsmittelbelehrung
42 
Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.
43 
Die Beschwerde ist beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Schubertstraße 11, 68165 Mannheim oder Postfach 10 32 64, 68032 Mannheim, innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils zu begründen.
44 
Die Beschwerde muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
45 
In der Begründung der Beschwerde muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
46 
Für das Beschwerdeverfahren besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde und für die Begründung. Danach muss sich jeder Beteiligte, soweit er einen Antrag stellt, durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen.
47 
Beschluss vom 7. Dezember 2004
48 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.000,-- EUR festgesetzt (§§ 25 Abs. 2, 14 Abs. 1, 13 Abs. 1 Satz 2 GKG a.F., vgl. § 72 Nr. 1 GKG i.d.F. des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts - Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - KostRMoG, BGBl. I, 2004, 718).
49 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Der Bundespolizei obliegt der grenzpolizeiliche Schutz des Bundesgebietes (Grenzschutz), soweit nicht ein Land im Einvernehmen mit dem Bund Aufgaben des grenzpolizeilichen Einzeldienstes mit eigenen Kräften wahrnimmt.

(2) Der Grenzschutz umfaßt

1.
die polizeiliche Überwachung der Grenzen,
2.
die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs einschließlich
a)
der Überprüfung der Grenzübertrittspapiere und der Berechtigung zum Grenzübertritt,
b)
der Grenzfahndung,
c)
der Abwehr von Gefahren,
3.
im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von 30 Kilometern und von der seewärtigen Begrenzung an bis zu einer Tiefe von 50 Kilometern die Abwehr von Gefahren, die die Sicherheit der Grenze beeinträchtigen.
Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, zur Sicherung des Grenzraumes das in Satz 1 Nr. 3 bezeichnete Gebiet von der seewärtigen Begrenzung an durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates auszudehnen, soweit die Grenzüberwachung im deutschen Küstengebiet dies erfordert. In der Rechtsverordnung ist der Verlauf der rückwärtigen Begrenzungslinie des erweiterten Grenzgebietes genau zu bezeichnen. Von der seewärtigen Begrenzung an darf diese Linie eine Tiefe von 80 Kilometern nicht überschreiten.

(3) Das Einvernehmen nach Absatz 1 ist in einer schriftlichen Vereinbarung zwischen dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat und dem beteiligten Land herzustellen, die im Bundesanzeiger bekanntzugeben ist. In der Vereinbarung ist die Zusammenarbeit zwischen der Bundespolizei und der Polizei des Landes zu regeln.

(4) Nimmt die Polizei eines Landes Aufgaben nach Absatz 1 im Einvernehmen mit dem Bund mit eigenen Kräften wahr, richtet sich die Durchführung der Aufgaben nach dem für die Polizei des Landes geltenden Recht.

(1) Örtlich sind die Bundespolizeidirektionen wie folgt zuständig:

1.
die Bundespolizeidirektion Bad Bramstedt
a)
in den Ländern Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern sowie
b)
auf See innerhalb und außerhalb des deutschen Küstenmeers und darüber hinaus auf den Seeschifffahrtsstraßen auf der Ems bis zur Seeschleuse Emden und auf der Jade, auf der Weser bis Bremerhaven und auf der Elbe bis zur Einfahrt zum Nord-Ostsee-Kanal;
2.
die Bundespolizeidirektion Hannover im Land Niedersachsen, im Land Bremen sowie in der Freien und Hansestadt Hamburg, soweit nicht die Bundespolizeidirektion Bad Bramstedt zuständig ist;
3.
die Bundespolizeidirektion Sankt Augustin im Land Nordrhein-Westfalen;
4.
die Bundespolizeidirektion Koblenz in den Ländern Rheinland-Pfalz, Saarland und Hessen, soweit nicht die Bundespolizeidirektion Flughafen Frankfurt am Main zuständig ist;
5.
die Bundespolizeidirektion Stuttgart im Land Baden-Württemberg;
6.
die Bundespolizeidirektion München im Freistaat Bayern;
7.
die Bundespolizeidirektion Pirna in den Freistaaten Sachsen und Thüringen sowie in dem Land Sachsen-Anhalt;
8.
die Bundespolizeidirektion Berlin in den Ländern Berlin und Brandenburg;
9.
die Bundespolizeidirektion Flughafen Frankfurt am Main auf dem Flughafen Frankfurt am Main;
10.
die Direktion Bundesbereitschaftspolizei im gesamten Bundesgebiet;
11.
die Bundespolizeidirektion 11 im gesamten Bundesgebiet.

(2) Abweichend von den in Absatz 1 festgelegten Zuständigkeiten sind die Bundespolizeibehörden bundesweit zuständig

1.
für die Wahrnehmung bahnpolizeilicher Aufgaben nach § 3 des Bundespolizeigesetzes, soweit dafür ein Einsatz über die in Absatz 1 festgelegten Zuständigkeitsbereiche hinaus zweckmäßig ist,
2.
für die Zurückschiebung an der Grenze , Abschiebungen an der Grenze und die Rückführung von Ausländern aus und in andere Staaten nach § 71 Absatz 3 Nummer 1 bis 1b und 1d des Aufenthaltsgesetzes,
3.
auf Weisung des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat oder der jeweils vorgesetzten Bundespolizeibehörde, soweit diese auch für den vorgesehenen Einsatzbereich zuständig ist,
4.
für die polizeiliche Sicherung eigener Einrichtungen nach § 1 Abs. 3 des Bundespolizeigesetzes.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 03.04.2009 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 03.04.2009 wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

 
Der vom Antragsteller gestellte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist nach § 80 Abs. 5 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 14 PassG statthaft und auch sonst zulässig. Da der Bescheid der Bundespolizeidirektion Stuttgart vom 03.04.2009 kraft Gesetzes (§ 14 PassG) sofort vollziehbar ist, war die in diesem Bescheid enthaltene Anordnung des sofortigen Vollzugs überflüssig.
Der Antrag ist auch begründet. Das Interesse des Antragstellers an einem vorläufigen Aufschub der Rechtswirkungen des Bescheids der Antragsgegnerin vom 03.04.2009 überwiegt das kraft Gesetzes anzunehmende (§ 14 PassG) öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung dieses Bescheids. Denn es bestehen bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids der Bundespolizeidirektion Stuttgart vom 03.04.2009.
Rechtsgrundlage der Verfügung ist § 10 Abs. 1 Satz 2 PassG. Danach können die für die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs zuständigen Behörden einem Deutschen die Ausreise in das Ausland untersagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass bei ihm die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 PassG vorliegen. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG ist der Pass zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Passbewerber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Diese Bestimmung schränkt die Ausreisefreiheit, die als Ausfluss der allgemeinen Handlungsfreiheit durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt ist, in zulässiger Weise als Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung ein (vgl. BVerfG, Urt. v. 16.01.1957 - 1 BvR 253/56 - BVerfGE 6, 32).
Die Antragsgegnerin hat die Ausreiseuntersagung ersichtlich auf eine Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland gestützt (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 3. Alt. PassG). Die Frage, ob und mit welchem Gewicht durch die Anwesenheit eines deutschen Staatsangehörigen in einem anderen Land Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet werden, ist uneingeschränkt gerichtlich überprüfbar. Unter sonstigen erheblichen Belangen der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 3 3. Alt. PassG sind solche Interessen zu verstehen, die den beiden anderen Tatbestandsmerkmalen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG (innere oder äußere Sicherheit) in ihrer Gewichtigkeit zwar nicht gleichstehen, aber jedenfalls nahe kommen (vgl. BVerfG, Urt. v. 16.01.1957 a.a.O.; BVerwG, Urt. v. 29.08.1968 - I C 67.67 - DÖV 1969, 74 und Beschl. v. 17.09.1998 - 1 B 28/98 - Buchholz 402.00 § 7 PassG Nr. 1). Als eine Gefährdung erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG können unter besonderen Umständen auch Handlungen gewertet werden, die geeignet sind, dem internationalen Ansehen Deutschlands zu schaden (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.08.1968 a.a.O.). Sprechen bestimmte Tatsachen dafür, dass von einem Deutschen bei seinem Aufenthalt im Ausland derartige Handlungen zu befürchten sind, so kann dies als Vorsorgemaßnahme gegenüber einer solchen Gefahr den Erlass eines Ausreiseverbots, die Beschränkung des Geltungsbereichs eines Passes/Personalausweises oder den Erlass einer Meldeauflage rechtfertigen (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.07.2007 - 6 C 39/06 - BVerwGE 129, 142; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 18.05.1994 - 1 S 667/94 - DVBl. 1995, 360; Beschl. v. 07.06.1995 - 1 S 3530/94 - NVwZ-RR 1996, 420; Beschl. v. 14.06.2000 - 1 S 1271/00 - NJW 2000, 3658 und Urt. v. 07.12.2004 - 1 S 2218/03 - VBlBW 2005, 231; OVG Bremen, Beschluss vom 28.06.2000 - 1 B 240/00 - NordÖR 2001, 107).
Nach Lage der Dinge dürfte die Antragsgegnerin zwar zu Recht davon ausgegangen sein, dass im Zusammenhang mit der Durchführung des NATO-Gipfels u.a. in Strasbourg auch mit gewalttätigen Ausschreitungen zu rechnen ist. Vorfälle bei internationalen Gipfel-Konferenzen in jüngster Vergangenheit (G20-Gipfel London 2009; G8-Gipfel Heiligendamm 2007), sowie zahlreiche auch im Internet kursierende entsprechende Aufrufe sprechen als Tatsachen ohne weiteres für eine solche Annahme.
Die Kammer hat in der vorliegenden Konstellation aber schon Zweifel, ob die Annahme der Antragsgegnerin zutrifft, durch ein vom Antragsteller befürchtetes gewalttätiges Verhalten anlässlich von Demonstrationen im Raum Strasbourg/Frankreich aus diesem Anlass könnte dem internationalen Ansehen Deutschlands Schaden zugefügt und damit erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet werden. Zwar hat die Rechtsprechung - gerade auch die der Kammer (vgl. Beschl. v. 28.09.2005 - 11 K 3156/05 - NJW 2006, 1017) für Ausschreitungen deutscher Fußball-"Hooligans" anlässlich von internationalen Fußballspielen im Ausland eine solche mögliche Schädigung des internationalen Ansehens Deutschlands angenommen. Von derartigen Vorfällen ist der vorliegende Sachverhalt jedoch weit entfernt. Anders als "Hooligans", die anlässlich von internationalen Sportveranstaltungen, namentlich Fußballspielen, ganz bewusst als Deutsche auch unter Verwendung nationaler Symbole im Ausland auftreten, findet der - auch der gewaltsame - Protest sogenannter "Gipfel-Gegner" (vgl. Internet: http://gipfelsoli.org) fernab solcher nationaler Bezüge in einem eher internationalen Rahmen statt. Es dürfte daher auch für die internationale Öffentlichkeit kaum eine Rolle spielen, welche Staatsangehörigkeit die Teilnehmer an entsprechenden Ausschreitungen haben. Der Kammer ist - gerade aus der allerjüngsten Vergangenheit im Zusammenhang mit Ausschreitungen auf dem G20-Gipfel in London - in den vergangenen Tagen keine Meldung in irgendeinem Medium erinnerlich, in der auf die Staatsangehörigkeit etwaiger Randalierer abgestellt worden wäre. Äußerstenfalls unter Berücksichtigung der tragischen Vorfälle in Lens/Frankreich im Jahre 1998, bei der ein französischer Gendarm von einer Gruppe deutscher „Hooligans“ auf das Schwerste verletzt wurde, ist unter Umständen die Befürchtung zulässig, käme es zu erneuten Verletzungen französischer Sicherheitskräfte durch gewalttätige - deutsche - Demonstranten anlässlich von Protesten im Raum Strasbourg/Frankreich in den kommenden Tagen, könnte die Frage der Nationalität der Randalierer gerade auch in der französischen Öffentlichkeit erneut in den Blick genommen und möglicherweise doch das internationale Ansehen der Bundesrepublik Deutschland beschädigt werden. Dies kann letztlich aber dahinstehen.
Denn nach dem Wortlaut des Gesetzes müssen für die Feststellung einer angenommenen Gefährdung ''bestimmte Tatsachen'' sprechen. Im Rahmen der summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten ist für die Kammer aber nicht zu erkennen, dass gerade der Antragsteller zu dem Personenkreis gehört, von dem bei einem Aufenthalt in Frankreich vor, während und nach dem NATO-Gipfel eine Schädigung des Ansehens der Bundesrepublik Deutschland ernsthaft zu befürchten ist. Unter Anwendung der Grundsätze zur sog. „Anscheinsgefahr“ (vgl. VGH Ba.-Wü., Urt. v. 07.12.2004 a.a.O.) ist es hierbei entscheidend, ob der handelnde Beamte aus der ex-ante-Sicht mit Blick auf die ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Informationen aufgrund hinreichender Anhaltspunkte vom Vorliegen einer Gefährdung ausgehen konnte und diese Prognose dem Urteil eines fähigen, besonnenen und sachkundigen Amtswalters entspricht (vgl. VGH Ba.-Wü., Urt. v. 07.12.2004 a.a.O.; Urt. v. 22.7.2004 - 1 S 410/03 - NJW 2005, 88; Urteil vom 10.5.1990 - 5 S 1842/89 - VBlBW 1990, 469 und Beschluss vom 16.10.1990 - 8 S 2087/90 - NVwZ 1991, 493; Wolf/Stephan, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 5. Aufl., § 1 RdNr. 34; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 5. Aufl., RdNr. 424).
Zwar können die zur Gefahrenabwehr berufenen Behörden die legitime Aufgabe präventiven Rechtsgüterschutzes nur effektiv erfüllen, wenn sie unter Umständen auch auf unsicherer Tatsachengrundlage einschreiten. Um zu vermeiden, dass ein im Rahmen dieser Aufgabe als Dienstpflicht auferlegtes Handeln in die Illegalität gedrängt wird, ist bei der Beurteilung der Gefahr allein auf die Erkenntnismöglichkeiten des konkret handelnden Beamten zum Zeitpunkt des Einschreitens abzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.2.1974 - 1 C 31.72 - BVerwGE 45, 51; Würtenberger/Heckmann/Riggert, a.a.O. RdNr. 425). Aber selbst bei Anwendung dieser Grundsätze der Anscheinsgefahr erweist sich der streitgegenständliche Bescheid nicht als rechtmäßig. Der Beamte der Bundespolizei durfte auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Informationen bei pflichtgemäßem Handeln nicht davon ausgehen, dass im Falle des Antragstellers bestimmte Tatsachen die Annahme einer Gefährdung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 3. Alt. PassG begründen.
Im angefochtenen Bescheid der Antragsgegnerin wird lediglich darauf abgestellt, es bestünden polizeiliche Erkenntnisse, die im Zusammenhang mit Verstößen bei Demonstrationen stünden. Seit dem Jahr 2004 seien zwei Verstöße gegen das Versammlungsgesetz und ein Eintrag wegen Hausfriedensbruchs bekannt. Außerdem habe der Antragsteller laut polizeilichem Auskunftssystem in der Vergangenheit bei internationalen Globalisierungsveranstaltungen Gefahren und Straftaten verursacht.
10 
Diese „Erkenntnisse“ werden jedoch nicht näher konkretisiert. Von der Antragsgegnerin wird auch nicht dargelegt, ob diese „Erkenntnisse“ zu strafrechtlichen Verurteilungen geführt haben. Zugunsten des Antragstellers ist deshalb zu unterstellen, dass strafrechtliche Verurteilungen nicht erfolgten. Der Umstand, dass es nicht zu strafrechtlichen Verurteilungen gekommen ist, mindert aber die Relevanz der von der Antragsgegnerin genannten „Erkenntnisse“ für die Gefahrenprognose. Einem Restverdacht kommt im Verhältnis zu einer strafrechtlichen Verurteilung im Rahmen der Gefahrenprognose ein geringeres Gewicht zu (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. vom 07.12.2004 aaO.). Auf derartige nicht weiter konkretisierte Hinweise wie im Bescheid der Antragsgegnerin vom 03.04.2009 kann sich eine rechtsstaatlich vertretbare Gefahrenprognose aber nicht stützen (ebenso VGH Bad.-Württ., Beschl. vom 04.04.2009 - 1 S 809/09 -).
11 
Zwar ist der Antragsteller im Datenbestand INPOL als „Gewalttäter links“ ausgeschrieben. Auch dieser Umstand lässt jedenfalls bei pflichtgemäßer Beurteilung einen Schluss auf das Vorliegen hinreichend aktueller und für die im Rahmen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG anzustellende Gefährdungsprognose relevanter Auffälligkeiten des Antragstellers nicht zu.
12 
Die Daten der Verbunddatei des Informationssystems der Polizei (INPOL) können - entsprechende Datenfreigaben vorausgesetzt - im Vorfeld von Demonstrationen oder sonstigen Ereignissen in die Personenfahndungsdatei eingegeben werden, so dass nun u.a. auch die Polizeidienststellen der Länder sowie die Dienststellen der Bundespolizei auf die Daten Zugriff haben (vgl. VGH Ba.-Wü. Urt. v. 07.12.2004 a.a.O. ; § 11 Abs. 2 BKAG sowie Bäumler, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 3. Aufl., J RdNrn. 181, 155). Bei Kontrollen soll dann auf die Personen, deren Daten in der Datei gespeichert sind, ein besonderes Augenmerk gerichtet werden, wobei jedoch grundsätzlich nur Maßnahmen ergriffen werden dürfen, die nach allgemeinem Polizeirecht zulässig sind (vgl. Bäumler, a.a.O., RdNr. 181). Eine „bestimmte Tatsache“ im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG kann aber nicht schon darin gesehen werden, dass es in einer sicherheitsrelevanten Datei überhaupt „Erkenntnisse“ gibt. Ohne weitergehende Informationen zum Anlass der Speicherung konnte ein mit dem polizeilichen Informationssystem vertrauter Nutzungsberechtigter aus den von dem Grenzschutzbeamten abgerufenen Daten bei sorgfältiger Überprüfung nur folgern, dass der Antragsteller unter polizeilicher Beobachtung stand und nach Einschätzung einer unbekannten Polizeidienststelle zum Spektrum „Gewalttäter/links“ zählt. Es fehlen jedoch sämtliche Hinweise darauf, worauf sich diese Einschätzung gründet. Insbesondere ist kein einzelnes tatsächliches Ereignis oder Geschehen bezeichnet, das diesen Eintrag erläutert. Ohne genaue Kenntnis des der Eintragung des Betroffenen in dem Datenbestand INPOL zugrundeliegenden Geschehens ist eine realistische Gefahrenprognose aber nicht möglich (ebenso VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 04.04.2009 - 1 S 809/09). Dies illustriert auch der in der Wochenzeitung „Die Zeit“ (Ausgabe 37/2001) enthaltene Bericht: ein Betroffener wurde nach Einstellung eines Ermittlungsverfahrens wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz nach Zahlung von 300,- D-Mark trotzdem von der bayerischen Polizei als „linksorientiert politisch motivierter Gewalttäter“ in die Gewalttäterdatei aufgenommen. Grundlage war ein Beschluss der Innenministerkonferenz vom 24. November 2000, wonach Beschuldigte darin schon dann aufgenommen werden, wenn ihre „Persönlichkeit“ Grund zu der Annahme liefert, „dass Strafverfahren gegen sie zu führen sind“. Als Anlass für eine Erfassung reicht aber schon ein Platzverweis oder eine Personalienfeststellung.
13 
Sollte der zuständige Beamte demgegenüber aufgrund der Speicherung der Daten des Antragstellers in der Fahndungsdatei INPOL irrtümlich davon ausgegangen sein, gegen diesen lägen auch andere Vorwürfe vor oder gar konkrete Fahndungsersuchen von Dienststellen verschiedener Bundesländer, würde es sich um eine pflichtwidrige Fehleinschätzung gehandelt haben, die nicht geeignet wäre, die Annahme einer Anscheinsgefahr zu rechtfertigen (vgl. VGH Bad.-Württ. Urt. v. 07.12.2004 a.a.O.).
14 
Der angegriffene Bescheid der Antragsgegnerin verstößt zudem gegen die Verordnung (EG) 562/2006 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 15.03.2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen - Schengener Grenzkodex (SGK) - (ABl. EG 2006 Nr. L 105/1).
15 
Gemäß Art. 1 SGK sieht die Verordnung vor, dass keine Grenzkontrollen in Bezug auf Personen stattfinden, die die Binnengrenzen zwischen den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union überschreiten, wobei Art. 2 Ziffer 9 und 10 SGK den Begriff der Grenzkontrollen näher definieren.
16 
Gemäß Art. 3 SGK findet diese Verordnung auf alle Personen, die die Binnengrenzen eines Mitgliedsstaats überschreiten, Anwendung, also auch auf den Antragsteller. Hierzu bestimmt Art. 20 SGK, dass die Binnengrenze unabhängig von der Staatsangehörigkeit der betreffenden Person an jeder Stelle ohne Personenkontrolle überschritten werden darf.
17 
Von den vorgenannten Bestimmungen kann allerdings nach Titel III Kapitel 2 - Vorübergehende Wiedereinführung von Grenzkontrollen an den Binnengrenzen -abgewichen werden. Von dieser Möglichkeit hat die Bundesrepublik Deutschland anlässlich des NATO-Gipfels Gebrauch gemacht. Nach dem in Art. 24 SGK festgelegten Verfahren hat sie gemäß Art. 23 Abs. 1 SGK erklärt, für einen begrenzten Zeitraum an den Binnengrenzen Grenzkontrollen wieder einzuführen und hierüber die anderen Mitgliedsstaaten und die Kommission gemäß Art. 24 SGK in Kenntnis gesetzt.
18 
Entscheidend ist insoweit, das Art. 23 SGK die vorübergehende Wiedereinführung von Grenzkontrollen an den Binnengrenzen nur im Falle einer schwerwiegenden Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit erlaubt. Zwar hat die Bundesrepublik Deutschland, indem sie das genannte Verfahren nach Art. 23 und 24 SGK gewählt hat, zu erkennen gegeben, dass sie im Zusammenhang mit dem NATO-Gipfel von diesen Voraussetzungen ausgeht. Diese Einschätzung ist im Grundsatz nicht zu beanstanden.
19 
Die Wiedereinführung der Grenzkontrollen ist in einem solchen Fall dann aber nur zulässig, wenn die anschließend darauf fußenden Maßnahmen eine schwerwiegende Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit abwenden sollen. Das entgegen den Bestimmungen des SGK vorübergehend wieder eingeführte Grenzregime darf dagegen zu anderen Zwecken nicht verwendet werden.
20 
Mit dem auf § 10 Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG fußenden streitgegenständlichen Bescheid will die Antragsgegnerin aber allein verhindern, dass das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland beschädigt und damit erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet werden. Eine solche Maßnahme dient nicht der Abwendung einer schwerwiegenden Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit. Ihre Anordnung im Rahmen der vorübergehend wieder eingeführten Grenzkontrollen an einer Binnengrenze verstößt daher gegen die Bestimmungen des SGK.
21 
Davon unberührt bleibt das Recht der Französischen Republik, die eine entsprechende vorübergehende Wiedereinführung von Grenzkontrollen erklärt hat, aus eben dem Grund der Abwendung einer schwerwiegenden Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit Einreiseverweigerungen auszusprechen.
22 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
23 
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs 2 GKG. Da vorliegend die Hauptsache vorweggenommen wird, ist eine Reduzierung des Regelstreitwerts nicht angezeigt.

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Wer sich an

1.
Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Sachen oder
2.
Bedrohungen von Menschen mit einer Gewalttätigkeit,
die aus einer Menschenmenge in einer die öffentliche Sicherheit gefährdenden Weise mit vereinten Kräften begangen werden, als Täter oder Teilnehmer beteiligt oder wer auf die Menschenmenge einwirkt, um ihre Bereitschaft zu solchen Handlungen zu fördern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Soweit die in Absatz 1 Nr. 1, 2 bezeichneten Handlungen in § 113 mit Strafe bedroht sind, gilt § 113 Abs. 3, 4 sinngemäß. Dies gilt auch in Fällen des § 114, wenn die Diensthandlung eine Vollstreckungshandlung im Sinne des § 113 Absatz 1 ist.

In besonders schweren Fällen des § 125 Abs. 1 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
eine Schußwaffe bei sich führt,
2.
eine andere Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
3.
durch eine Gewalttätigkeit einen anderen in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
4.
plündert oder bedeutenden Schaden an fremden Sachen anrichtet.

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.