Verwaltungsgericht Stuttgart Beschluss, 04. Apr. 2009 - 11 K 1293/09

bei uns veröffentlicht am04.04.2009

Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 03.04.2009 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 03.04.2009 wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

 
Der vom Antragsteller gestellte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist nach § 80 Abs. 5 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 14 PassG statthaft und auch sonst zulässig. Da der Bescheid der Bundespolizeidirektion Stuttgart vom 03.04.2009 kraft Gesetzes (§ 14 PassG) sofort vollziehbar ist, war die in diesem Bescheid enthaltene Anordnung des sofortigen Vollzugs überflüssig.
Der Antrag ist auch begründet. Das Interesse des Antragstellers an einem vorläufigen Aufschub der Rechtswirkungen des Bescheids der Antragsgegnerin vom 03.04.2009 überwiegt das kraft Gesetzes anzunehmende (§ 14 PassG) öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung dieses Bescheids. Denn es bestehen bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids der Bundespolizeidirektion Stuttgart vom 03.04.2009.
Rechtsgrundlage der Verfügung ist § 10 Abs. 1 Satz 2 PassG. Danach können die für die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs zuständigen Behörden einem Deutschen die Ausreise in das Ausland untersagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass bei ihm die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 PassG vorliegen. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG ist der Pass zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Passbewerber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Diese Bestimmung schränkt die Ausreisefreiheit, die als Ausfluss der allgemeinen Handlungsfreiheit durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt ist, in zulässiger Weise als Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung ein (vgl. BVerfG, Urt. v. 16.01.1957 - 1 BvR 253/56 - BVerfGE 6, 32).
Die Antragsgegnerin hat die Ausreiseuntersagung ersichtlich auf eine Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland gestützt (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 3. Alt. PassG). Die Frage, ob und mit welchem Gewicht durch die Anwesenheit eines deutschen Staatsangehörigen in einem anderen Land Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet werden, ist uneingeschränkt gerichtlich überprüfbar. Unter sonstigen erheblichen Belangen der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 3 3. Alt. PassG sind solche Interessen zu verstehen, die den beiden anderen Tatbestandsmerkmalen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG (innere oder äußere Sicherheit) in ihrer Gewichtigkeit zwar nicht gleichstehen, aber jedenfalls nahe kommen (vgl. BVerfG, Urt. v. 16.01.1957 a.a.O.; BVerwG, Urt. v. 29.08.1968 - I C 67.67 - DÖV 1969, 74 und Beschl. v. 17.09.1998 - 1 B 28/98 - Buchholz 402.00 § 7 PassG Nr. 1). Als eine Gefährdung erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG können unter besonderen Umständen auch Handlungen gewertet werden, die geeignet sind, dem internationalen Ansehen Deutschlands zu schaden (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.08.1968 a.a.O.). Sprechen bestimmte Tatsachen dafür, dass von einem Deutschen bei seinem Aufenthalt im Ausland derartige Handlungen zu befürchten sind, so kann dies als Vorsorgemaßnahme gegenüber einer solchen Gefahr den Erlass eines Ausreiseverbots, die Beschränkung des Geltungsbereichs eines Passes/Personalausweises oder den Erlass einer Meldeauflage rechtfertigen (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.07.2007 - 6 C 39/06 - BVerwGE 129, 142; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 18.05.1994 - 1 S 667/94 - DVBl. 1995, 360; Beschl. v. 07.06.1995 - 1 S 3530/94 - NVwZ-RR 1996, 420; Beschl. v. 14.06.2000 - 1 S 1271/00 - NJW 2000, 3658 und Urt. v. 07.12.2004 - 1 S 2218/03 - VBlBW 2005, 231; OVG Bremen, Beschluss vom 28.06.2000 - 1 B 240/00 - NordÖR 2001, 107).
Nach Lage der Dinge dürfte die Antragsgegnerin zwar zu Recht davon ausgegangen sein, dass im Zusammenhang mit der Durchführung des NATO-Gipfels u.a. in Strasbourg auch mit gewalttätigen Ausschreitungen zu rechnen ist. Vorfälle bei internationalen Gipfel-Konferenzen in jüngster Vergangenheit (G20-Gipfel London 2009; G8-Gipfel Heiligendamm 2007), sowie zahlreiche auch im Internet kursierende entsprechende Aufrufe sprechen als Tatsachen ohne weiteres für eine solche Annahme.
Die Kammer hat in der vorliegenden Konstellation aber schon Zweifel, ob die Annahme der Antragsgegnerin zutrifft, durch ein vom Antragsteller befürchtetes gewalttätiges Verhalten anlässlich von Demonstrationen im Raum Strasbourg/Frankreich aus diesem Anlass könnte dem internationalen Ansehen Deutschlands Schaden zugefügt und damit erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet werden. Zwar hat die Rechtsprechung - gerade auch die der Kammer (vgl. Beschl. v. 28.09.2005 - 11 K 3156/05 - NJW 2006, 1017) für Ausschreitungen deutscher Fußball-"Hooligans" anlässlich von internationalen Fußballspielen im Ausland eine solche mögliche Schädigung des internationalen Ansehens Deutschlands angenommen. Von derartigen Vorfällen ist der vorliegende Sachverhalt jedoch weit entfernt. Anders als "Hooligans", die anlässlich von internationalen Sportveranstaltungen, namentlich Fußballspielen, ganz bewusst als Deutsche auch unter Verwendung nationaler Symbole im Ausland auftreten, findet der - auch der gewaltsame - Protest sogenannter "Gipfel-Gegner" (vgl. Internet: http://gipfelsoli.org) fernab solcher nationaler Bezüge in einem eher internationalen Rahmen statt. Es dürfte daher auch für die internationale Öffentlichkeit kaum eine Rolle spielen, welche Staatsangehörigkeit die Teilnehmer an entsprechenden Ausschreitungen haben. Der Kammer ist - gerade aus der allerjüngsten Vergangenheit im Zusammenhang mit Ausschreitungen auf dem G20-Gipfel in London - in den vergangenen Tagen keine Meldung in irgendeinem Medium erinnerlich, in der auf die Staatsangehörigkeit etwaiger Randalierer abgestellt worden wäre. Äußerstenfalls unter Berücksichtigung der tragischen Vorfälle in Lens/Frankreich im Jahre 1998, bei der ein französischer Gendarm von einer Gruppe deutscher „Hooligans“ auf das Schwerste verletzt wurde, ist unter Umständen die Befürchtung zulässig, käme es zu erneuten Verletzungen französischer Sicherheitskräfte durch gewalttätige - deutsche - Demonstranten anlässlich von Protesten im Raum Strasbourg/Frankreich in den kommenden Tagen, könnte die Frage der Nationalität der Randalierer gerade auch in der französischen Öffentlichkeit erneut in den Blick genommen und möglicherweise doch das internationale Ansehen der Bundesrepublik Deutschland beschädigt werden. Dies kann letztlich aber dahinstehen.
Denn nach dem Wortlaut des Gesetzes müssen für die Feststellung einer angenommenen Gefährdung ''bestimmte Tatsachen'' sprechen. Im Rahmen der summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten ist für die Kammer aber nicht zu erkennen, dass gerade der Antragsteller zu dem Personenkreis gehört, von dem bei einem Aufenthalt in Frankreich vor, während und nach dem NATO-Gipfel eine Schädigung des Ansehens der Bundesrepublik Deutschland ernsthaft zu befürchten ist. Unter Anwendung der Grundsätze zur sog. „Anscheinsgefahr“ (vgl. VGH Ba.-Wü., Urt. v. 07.12.2004 a.a.O.) ist es hierbei entscheidend, ob der handelnde Beamte aus der ex-ante-Sicht mit Blick auf die ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Informationen aufgrund hinreichender Anhaltspunkte vom Vorliegen einer Gefährdung ausgehen konnte und diese Prognose dem Urteil eines fähigen, besonnenen und sachkundigen Amtswalters entspricht (vgl. VGH Ba.-Wü., Urt. v. 07.12.2004 a.a.O.; Urt. v. 22.7.2004 - 1 S 410/03 - NJW 2005, 88; Urteil vom 10.5.1990 - 5 S 1842/89 - VBlBW 1990, 469 und Beschluss vom 16.10.1990 - 8 S 2087/90 - NVwZ 1991, 493; Wolf/Stephan, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 5. Aufl., § 1 RdNr. 34; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 5. Aufl., RdNr. 424).
Zwar können die zur Gefahrenabwehr berufenen Behörden die legitime Aufgabe präventiven Rechtsgüterschutzes nur effektiv erfüllen, wenn sie unter Umständen auch auf unsicherer Tatsachengrundlage einschreiten. Um zu vermeiden, dass ein im Rahmen dieser Aufgabe als Dienstpflicht auferlegtes Handeln in die Illegalität gedrängt wird, ist bei der Beurteilung der Gefahr allein auf die Erkenntnismöglichkeiten des konkret handelnden Beamten zum Zeitpunkt des Einschreitens abzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.2.1974 - 1 C 31.72 - BVerwGE 45, 51; Würtenberger/Heckmann/Riggert, a.a.O. RdNr. 425). Aber selbst bei Anwendung dieser Grundsätze der Anscheinsgefahr erweist sich der streitgegenständliche Bescheid nicht als rechtmäßig. Der Beamte der Bundespolizei durfte auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Informationen bei pflichtgemäßem Handeln nicht davon ausgehen, dass im Falle des Antragstellers bestimmte Tatsachen die Annahme einer Gefährdung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 3. Alt. PassG begründen.
Im angefochtenen Bescheid der Antragsgegnerin wird lediglich darauf abgestellt, es bestünden polizeiliche Erkenntnisse, die im Zusammenhang mit Verstößen bei Demonstrationen stünden. Seit dem Jahr 2004 seien zwei Verstöße gegen das Versammlungsgesetz und ein Eintrag wegen Hausfriedensbruchs bekannt. Außerdem habe der Antragsteller laut polizeilichem Auskunftssystem in der Vergangenheit bei internationalen Globalisierungsveranstaltungen Gefahren und Straftaten verursacht.
10 
Diese „Erkenntnisse“ werden jedoch nicht näher konkretisiert. Von der Antragsgegnerin wird auch nicht dargelegt, ob diese „Erkenntnisse“ zu strafrechtlichen Verurteilungen geführt haben. Zugunsten des Antragstellers ist deshalb zu unterstellen, dass strafrechtliche Verurteilungen nicht erfolgten. Der Umstand, dass es nicht zu strafrechtlichen Verurteilungen gekommen ist, mindert aber die Relevanz der von der Antragsgegnerin genannten „Erkenntnisse“ für die Gefahrenprognose. Einem Restverdacht kommt im Verhältnis zu einer strafrechtlichen Verurteilung im Rahmen der Gefahrenprognose ein geringeres Gewicht zu (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. vom 07.12.2004 aaO.). Auf derartige nicht weiter konkretisierte Hinweise wie im Bescheid der Antragsgegnerin vom 03.04.2009 kann sich eine rechtsstaatlich vertretbare Gefahrenprognose aber nicht stützen (ebenso VGH Bad.-Württ., Beschl. vom 04.04.2009 - 1 S 809/09 -).
11 
Zwar ist der Antragsteller im Datenbestand INPOL als „Gewalttäter links“ ausgeschrieben. Auch dieser Umstand lässt jedenfalls bei pflichtgemäßer Beurteilung einen Schluss auf das Vorliegen hinreichend aktueller und für die im Rahmen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG anzustellende Gefährdungsprognose relevanter Auffälligkeiten des Antragstellers nicht zu.
12 
Die Daten der Verbunddatei des Informationssystems der Polizei (INPOL) können - entsprechende Datenfreigaben vorausgesetzt - im Vorfeld von Demonstrationen oder sonstigen Ereignissen in die Personenfahndungsdatei eingegeben werden, so dass nun u.a. auch die Polizeidienststellen der Länder sowie die Dienststellen der Bundespolizei auf die Daten Zugriff haben (vgl. VGH Ba.-Wü. Urt. v. 07.12.2004 a.a.O. ; § 11 Abs. 2 BKAG sowie Bäumler, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 3. Aufl., J RdNrn. 181, 155). Bei Kontrollen soll dann auf die Personen, deren Daten in der Datei gespeichert sind, ein besonderes Augenmerk gerichtet werden, wobei jedoch grundsätzlich nur Maßnahmen ergriffen werden dürfen, die nach allgemeinem Polizeirecht zulässig sind (vgl. Bäumler, a.a.O., RdNr. 181). Eine „bestimmte Tatsache“ im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG kann aber nicht schon darin gesehen werden, dass es in einer sicherheitsrelevanten Datei überhaupt „Erkenntnisse“ gibt. Ohne weitergehende Informationen zum Anlass der Speicherung konnte ein mit dem polizeilichen Informationssystem vertrauter Nutzungsberechtigter aus den von dem Grenzschutzbeamten abgerufenen Daten bei sorgfältiger Überprüfung nur folgern, dass der Antragsteller unter polizeilicher Beobachtung stand und nach Einschätzung einer unbekannten Polizeidienststelle zum Spektrum „Gewalttäter/links“ zählt. Es fehlen jedoch sämtliche Hinweise darauf, worauf sich diese Einschätzung gründet. Insbesondere ist kein einzelnes tatsächliches Ereignis oder Geschehen bezeichnet, das diesen Eintrag erläutert. Ohne genaue Kenntnis des der Eintragung des Betroffenen in dem Datenbestand INPOL zugrundeliegenden Geschehens ist eine realistische Gefahrenprognose aber nicht möglich (ebenso VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 04.04.2009 - 1 S 809/09). Dies illustriert auch der in der Wochenzeitung „Die Zeit“ (Ausgabe 37/2001) enthaltene Bericht: ein Betroffener wurde nach Einstellung eines Ermittlungsverfahrens wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz nach Zahlung von 300,- D-Mark trotzdem von der bayerischen Polizei als „linksorientiert politisch motivierter Gewalttäter“ in die Gewalttäterdatei aufgenommen. Grundlage war ein Beschluss der Innenministerkonferenz vom 24. November 2000, wonach Beschuldigte darin schon dann aufgenommen werden, wenn ihre „Persönlichkeit“ Grund zu der Annahme liefert, „dass Strafverfahren gegen sie zu führen sind“. Als Anlass für eine Erfassung reicht aber schon ein Platzverweis oder eine Personalienfeststellung.
13 
Sollte der zuständige Beamte demgegenüber aufgrund der Speicherung der Daten des Antragstellers in der Fahndungsdatei INPOL irrtümlich davon ausgegangen sein, gegen diesen lägen auch andere Vorwürfe vor oder gar konkrete Fahndungsersuchen von Dienststellen verschiedener Bundesländer, würde es sich um eine pflichtwidrige Fehleinschätzung gehandelt haben, die nicht geeignet wäre, die Annahme einer Anscheinsgefahr zu rechtfertigen (vgl. VGH Bad.-Württ. Urt. v. 07.12.2004 a.a.O.).
14 
Der angegriffene Bescheid der Antragsgegnerin verstößt zudem gegen die Verordnung (EG) 562/2006 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 15.03.2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen - Schengener Grenzkodex (SGK) - (ABl. EG 2006 Nr. L 105/1).
15 
Gemäß Art. 1 SGK sieht die Verordnung vor, dass keine Grenzkontrollen in Bezug auf Personen stattfinden, die die Binnengrenzen zwischen den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union überschreiten, wobei Art. 2 Ziffer 9 und 10 SGK den Begriff der Grenzkontrollen näher definieren.
16 
Gemäß Art. 3 SGK findet diese Verordnung auf alle Personen, die die Binnengrenzen eines Mitgliedsstaats überschreiten, Anwendung, also auch auf den Antragsteller. Hierzu bestimmt Art. 20 SGK, dass die Binnengrenze unabhängig von der Staatsangehörigkeit der betreffenden Person an jeder Stelle ohne Personenkontrolle überschritten werden darf.
17 
Von den vorgenannten Bestimmungen kann allerdings nach Titel III Kapitel 2 - Vorübergehende Wiedereinführung von Grenzkontrollen an den Binnengrenzen -abgewichen werden. Von dieser Möglichkeit hat die Bundesrepublik Deutschland anlässlich des NATO-Gipfels Gebrauch gemacht. Nach dem in Art. 24 SGK festgelegten Verfahren hat sie gemäß Art. 23 Abs. 1 SGK erklärt, für einen begrenzten Zeitraum an den Binnengrenzen Grenzkontrollen wieder einzuführen und hierüber die anderen Mitgliedsstaaten und die Kommission gemäß Art. 24 SGK in Kenntnis gesetzt.
18 
Entscheidend ist insoweit, das Art. 23 SGK die vorübergehende Wiedereinführung von Grenzkontrollen an den Binnengrenzen nur im Falle einer schwerwiegenden Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit erlaubt. Zwar hat die Bundesrepublik Deutschland, indem sie das genannte Verfahren nach Art. 23 und 24 SGK gewählt hat, zu erkennen gegeben, dass sie im Zusammenhang mit dem NATO-Gipfel von diesen Voraussetzungen ausgeht. Diese Einschätzung ist im Grundsatz nicht zu beanstanden.
19 
Die Wiedereinführung der Grenzkontrollen ist in einem solchen Fall dann aber nur zulässig, wenn die anschließend darauf fußenden Maßnahmen eine schwerwiegende Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit abwenden sollen. Das entgegen den Bestimmungen des SGK vorübergehend wieder eingeführte Grenzregime darf dagegen zu anderen Zwecken nicht verwendet werden.
20 
Mit dem auf § 10 Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG fußenden streitgegenständlichen Bescheid will die Antragsgegnerin aber allein verhindern, dass das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland beschädigt und damit erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet werden. Eine solche Maßnahme dient nicht der Abwendung einer schwerwiegenden Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit. Ihre Anordnung im Rahmen der vorübergehend wieder eingeführten Grenzkontrollen an einer Binnengrenze verstößt daher gegen die Bestimmungen des SGK.
21 
Davon unberührt bleibt das Recht der Französischen Republik, die eine entsprechende vorübergehende Wiedereinführung von Grenzkontrollen erklärt hat, aus eben dem Grund der Abwendung einer schwerwiegenden Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit Einreiseverweigerungen auszusprechen.
22 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
23 
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs 2 GKG. Da vorliegend die Hauptsache vorweggenommen wird, ist eine Reduzierung des Regelstreitwerts nicht angezeigt.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 07. Dez. 2004 - 1 S 2218/03

bei uns veröffentlicht am 07.12.2004

Tenor Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 9. Juli 2002 - 7 K 1232/01 - wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand
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Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 17. Aug. 2009 - 11 K 237/09

bei uns veröffentlicht am 17.08.2009

Tenor Es wird festgestellt, dass das Verbot der Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland vom 19. bis 30.06.2008 durch die Bundespolizei rechtswidrig war. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Tatbestand

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 9. Juli 2002 - 7 K 1232/01 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Ausreiseuntersagung.
Der Kläger befand sich in der Nacht vom 20. auf den 21.7.2001 in einem Reisebus auf dem Weg zu dem am 22.7.2001 in Genua stattfindenden Weltwirtschaftsgipfel G 8. Gegen 0.10 Uhr wurde er am Grenzübergang Weil am Rhein Richtung Schweiz von Beamten des Bundesgrenzschutzes kontrolliert. Mit Verfügung vom 21.7.2001 untersagte das Bundesgrenzschutzamt Weil am Rhein dem Kläger befristet bis zum 22.7.2001, 22.00 Uhr, die Ausreise aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zum Weltwirtschaftsgipfel G 8 in Italien. Zur Begründung wurde ausgeführt, es bestünden Anhaltspunkte dafür, dass er beabsichtige, sich in Genua an gewaltsamen Ausschreitungen zu beteiligen. Nach vorliegenden Erkenntnissen sei der Kläger bereits polizeilich in Erscheinung getreten. Am 8.11.1996 sei er in Bonn im Zusammenhang mit einem Aufzug der linken Szene gegen eine als rechtsextrem eingestufte Gruppierung aufgefallen. Damals seien ihm Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, schwerer Landfriedensbruch, gefährliche Körperverletzung, Sachbeschädigung und Mitführen von Schusswaffen (Signalmunition) zur Last gelegt worden.
Noch am 21.7.2001 legte der Kläger gegen den Bescheid Widerspruch ein, der nicht beschieden wurde. Gleichzeitig beantragte er beim Verwaltungsgericht Freiburg vorläufigen Rechtsschutz (3 K 1170/01). Dieses Verfahren wurde von den Beteiligten übereinstimmend für erledigt erklärt.
Am 30.7.2001 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Freiburg Klage erhoben mit dem Antrag festzustellen, dass die Ausreiseuntersagung des Bundesgrenzschutzamtes Weil am Rhein vom 21.7.2001 rechtswidrig war. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass vorliegend keine Tatsachen gegeben seien, die die Annahme rechtfertigten, seine Ausreise zu dem G 8-Gipfel nach Genua gefährde erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland. Er habe sich bei dem Versuch der Ausreise in einer Gruppe friedlicher und unbescholtener Demonstranten aufgehalten und gehöre nicht zu einer Gruppierung, von der gewalttätige Auseinandersetzungen ernsthaft zu befürchten gewesen seien. Soweit das Bundesgrenzschutzamt sich in seiner Verfügung auf ein angebliches Strafverfahren aus dem Jahre 1996 berufe, seien diese Angaben sachlich falsch. Gegen ihn sei in diesem Zusammenhang lediglich ein Verfahren wegen des Verdachts des Landfriedensbruchs geführt worden, welches von der Staatsanwaltschaft Bonn nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei. Seither sei er weder strafrechtlich noch anderweitig polizeilich auffällig geworden. Zudem habe das Polizeipräsidium Bonn mit Schreiben vom 1.6.2001 seinem Antrag auf Vernichtung der erkennungsdienstlichen Unterlagen stattgegeben, da eine weitere Aufbewahrung nicht mehr als notwendig erachtet worden sei. Ihm sei mitgeteilt worden, dass die entsprechenden Maßnahmen bereits veranlasst worden seien.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Eine fahndungsmäßige Überprüfung des Klägers habe ergeben, dass dieser viermal in der Datei Landfriedensbruch ausgeschrieben gewesen sei. Diese Ausschreibungen ebenso wie die Erkenntnis, dass der Kläger am 8.11.1996 im Zusammenhang mit einem Aufzug der linken Szene in Erscheinung getreten sei, hätten die Annahme gerechtfertigt, der Kläger werde in Genua erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden.
Mit Urteil vom 9.7.2002 hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die Ausreiseuntersagung des Bundesgrenzschutzamtes Weil am Rhein vom 21.7.2001 rechtswidrig gewesen sei. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die vom Bundesgrenzschutzamt vorgenommene Bewertung, wonach beim Kläger Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass bei ihm die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG vorlägen, erweise sich - auch aus der Sicht zum maßgeblichen Zeitpunkt des Einschreitens - als fehlerhaft. Denn bei der Beurteilung sei von einer falschen Tatsachengrundlage ausgegangen worden und das Einschreiten sei auch nicht aus sonstigen Gründen gerechtfertigt gewesen. Nach der dem angefochtenen Bescheid beigefügten Begründung sei das Bundesgrenzschutzamt davon ausgegangen, dass dem Kläger im Zusammenhang mit einer Veranstaltung in Bonn am 8.11.1996 verschiedene Straftaten (Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, schwerer Landfriedensbruch, gefährliche Körperverletzung, Sachbeschädigung und Mitführen von Schusswaffen) zur Last gelegt worden seien. Das sich hiergegen wendende Vorbringen des Klägers stimme mit einer vom Gericht eingeholten Auskunft der Staatsanwaltschaft Bonn überein, wonach dort kein Ermittlungsverfahren wegen der in dem Bescheid genannten Straftaten „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, gefährliche Körperverletzung, Sachbeschädigung und Mitführen von Schusswaffen (Signalmunition)“ gegen den Kläger anhängig gewesen sei. Anhängig gewesen sei allerdings ein Ermittlungsverfahren wegen eines besonders schweren Falls des Landfriedensbruchs. Nach dem unbestrittenen Vorbringen des Klägers habe das Polizeipräsidium Bonn aber bereits mit Bescheid vom 1.6.2001 mitgeteilt, eine weitere Aufbewahrung der über den Kläger vorgehaltenen erkennungsdienstlichen Unterlagen sei nicht mehr notwendig und einer Vernichtung könne zugestimmt werden. Danach seien auch die notwendigen Maßnahmen der Vernichtung sowie Löschung entsprechender Einträge im Informationssystem der Polizei bereits veranlasst worden. Die Grundsätze der polizeilichen Anscheinsgefahr könnten vorliegend keine Anwendung finden. Denn die Beklagte habe den Anschein einer Gefahr durch die in ihren Verantwortungsbereich fallende fehlerhafte Speicherung selbst maßgeblich verursacht. Die Ausreiseuntersagung erweise sich auch nicht deshalb als im Ergebnis rechtmäßig, weil sie auch bei Berücksichtigung der zutreffenden Sachlage hätte verfügt werden können. Angesichts des längeren Zurückliegens der Vorwürfe, der bereits erfolgten Löschungsbewilligung des Polizeipräsidiums Bonn und des Umstandes, dass keine neueren Erkenntnisse über strafrechtliche Verfehlungen des Klägers vorgelegen hätten und bei der Überprüfung an der Grenze keine Anhaltspunkte für eine beabsichtigte Teilnahme des Klägers an gewalttätigen Aktionen festgestellt worden seien, könne im Ergebnis nicht davon ausgegangen werden, dass die Voraussetzungen einer Ausreiseuntersagung vorgelegen hätten.
Auf Antrag der Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 29.9.2003 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen.
Zur Begründung ihrer Berufung führt die Beklagte aus: Bei Verfügung der Ausreiseuntersagung sei nicht von einer falschen Tatsachengrundlage ausgegangen worden. Aus den bei Überprüfung der Datei Landfriedensbruch und einer erweiterten telefonischen Recherche über das Bundeskriminalamt gewonnenen Erkenntnissen hinsichtlich der gegen den Kläger im Jahre 1996 geführten Ermittlungen habe sich ergeben, dass dieser sich zumindest im Umfeld gewalttätiger Demonstrationsteilnehmer bewege. Trotz der gegenüber dem Kläger bewilligten Löschung seien diese Daten zum Zeitpunkt der Entscheidung am 21.7.2001 noch verfügbar gewesen, so dass auf sie habe zurückgegriffen werden können. Die Gefahrenprognose sei auch nicht deshalb zu beanstanden, weil der durch das Landeskriminalamt mitgeteilte Tatvorwurf unzutreffend sei. Maßgeblich für die Entscheidung vor Ort sei gewesen, dass der Kläger wegen Landfriedensbruchs oder einer artverwandten Straftat in Erscheinung getreten sei.
Die Beklagte beantragt,
10 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 9.7.2002 - 7 K 1232/01 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
11 
Der Kläger beantragt,
12 
die Berufung zurückzuweisen.
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Er verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichts und führt aus: Das Verwaltungsgericht habe bei seiner Entscheidung nicht lediglich auf den fehlerhaften Inhalt der Inpol-Datei abgestellt, sondern maßgeblich auch darauf Bezug genommen, dass das Bundesgrenzschutzamt deren Inhalt falsch ausgewertet habe. Die Beamten des Bundesgrenzschutzes seien davon ausgegangen, dass er viermal zur Fahndung wegen Landfriedensbruchs ausgeschrieben gewesen sei und hätten sich damit über die Bedeutung der Eintragung im Irrtum befunden. Zudem hätten wegen des längeren Zurückliegens der Vorwürfe, der bereits erfolgten Löschungsbewilligung und des Fehlens neuerer Erkenntnisse über strafrechtliche Verfehlungen die Voraussetzungen einer Ausreiseuntersagung nicht vorgelegen.
14 
Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze im Zulassungs- und Berufungsverfahren sowie auf die dem Senat vorliegenden Behörden- und Gerichtsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
15 
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
16 
Die vom Senat zugelassene und auch sonst zulässige Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässige (I.) Klage des Klägers begründet ist (II.).
17 
I. Die Klage des Klägers ist als Fortsetzungsfeststellungsklage in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft. Sie bezieht sich auf die Verfügung des Bundesgrenzschutzamtes Weil am Rhein vom 21.7.2001, mit der dem Kläger befristet bis zum 22.7.2001, 22.00 Uhr, die Ausreise aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zum Weltwirtschaftsgipfel G 8 nach Italien untersagt wurde und die sich durch den Fristablauf schon vor Klageerhebung erledigt hat. Der Senat geht in den Fällen der vorprozessualen Erledigung eines Verwaltungsakts von einer analogen Anwendung der Regelung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO aus (vgl. nur die Senatsurteile vom 18.12.2003 - 1 S 2211/02 -, VBlBW 2004, 214 und vom 26.1.1998 - 1 S 3280/96 -, NVwZ 1998, 761, 762, sowie die bisherige ständige Rechtsprechung des BVerwG, BVerwGE 12, 87, 90; 26, 161, 165; 49, 36, 39; 81, 226, 227; ausdrücklich offen gelassen unter Hinweis auf die Möglichkeit der allgemeinen Feststellungsklage im Urteil vom 14.7.1999 - 6 C 7.98 -, BVerwGE 109, 203, 208 f.). Im Übrigen würden sich unter den gegebenen Umständen die Sachurteilsvoraussetzungen nach § 43 VwGO und § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO in analoger Anwendung nicht unterscheiden.
18 
Die Klage ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere kann dem Kläger ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung nicht abgesprochen werden. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des erkennenden Senats ist anerkannt, dass insbesondere bei polizeilichen Maßnahmen auch die Art des Eingriffs, namentlich im grundrechtlich geschützten Bereich, verbunden mit dem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz, es erfordern kann, das Feststellungsinteresse anzuerkennen (vgl. Senatsurteil vom 18.12.2003, a.a.O., sowie BVerwG, Urteil vom 29.4.1997, Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 127). Mit der streitgegenständlichen Verfügung ist in schwerwiegender Weise jedenfalls in das durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Recht des Klägers auf Ausreisefreiheit eingegriffen worden (zur zusätzlichen Anwendbarkeit der Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 und Art. 8 GG vgl. VG Berlin, Urteil vom 17.12.2003 - 1 A 309.01 -, Juris, sowie VG Göttingen, Urteil vom 27.1.2004 - 1 A 1014/02, Juris). Vor diesem Hintergrund wäre es mit den Grundsätzen des Rechtsstaats unvereinbar, dem Kläger den Zugang zum Gericht zu versagen. Unabhängig davon ist auch aus Gründen der Rehabilitierung ein rechtlich anerkennenswertes Interesse des Klägers an der Klärung der Rechtmäßigkeit der Ausreiseuntersagung anzunehmen (zu dieser Voraussetzung vgl. BVerfG, Beschluss vom 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 -, DVBl. 2004, 822; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 19.3.1992, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 244). Denn in der Begründung der Verfügung heißt es, es bestünden Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger beabsichtige, sich in Genua an gewaltsamen Ausschreitungen zu beteiligen. Da hiermit ein kriminelles Verhalten des Klägers prognostiziert wird, ist das Ausreiseverbot geeignet, diskriminierend zu wirken.
19 
II. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass die Klage begründet ist. Die mit Verfügung vom 21.7.2001 ausgesprochene Ausreiseuntersagung war rechtswidrig (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO).
20 
Als Rechtsgrundlage der streitgegenständlichen Maßnahme kommt allein § 10 Abs. 1 Satz 2 des Passgesetzes i.d.F. des Gesetzes vom 1.5.2000 (BGBl. I S. 626) - PassG - in Betracht. Nach dieser Bestimmung können die für die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs zuständigen Behörden einem Deutschen die Ausreise in das Ausland untersagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass bei ihm die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 vorliegen. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG ist der Pass zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Passbewerber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Vorschrift bestehen nicht. Sie schränkt die Ausreisefreiheit, die als Ausfluss der allgemeinen Handlungsfreiheit durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt ist, in zulässiger Weise als Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung ein (vgl. BVerfG, Urteil vom 16.1.1957, BVerfGE 6, 32 ff.; Senatsbeschluss vom 7.6.1995, VBlBW 1996, 71).
21 
Die Beklagte hat die Ausreiseuntersagung auf eine Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland gestützt (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 3. Alt. PassG). Die Frage, ob und mit welchem Gewicht durch die Anwesenheit eines deutschen Staatsangehörigen in einem anderen Land Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet werden, unterliegt uneingeschränkt der richterlichen Überprüfung. Nach dem Wortlaut des Gesetzes müssen für die Feststellung einer solchen Gefährdung „bestimmte Tatsachen“ sprechen, die den beiden anderen Tatbestandsmerkmalen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 (innere oder äußere Sicherheit) in ihrer Gewichtigkeit zwar nicht gleichstehen, aber jedenfalls nahe kommen (vgl. BVerfGE 6, 32 ff.; BVerwG, Urteil vom 29.8.1968, DÖV 1969, 74 ff.; Beschlüsse des Senats vom 14.6.2000 - 1 S 1271/00 -, vom 7.6.1995, VBlBW 1996, 71 und vom 18.5.1994, DVBl. 1995, 360 sowie zuletzt Urteil des Senats vom 26.11.1997 - 1 S 1095/96 -, best. durch BVerwG, Beschluss vom 17.9.1998, Buchholz 402.00 § 7 PassG Nr. 1). Als eine Gefährdung erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG können unter besonderen Umständen auch Handlungen gewertet werden, die geeignet sind, dem internationalen Ansehen Deutschlands zu schaden (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 29.8.1968, a.a.O.). Sprechen bestimmte Tatsachen dafür, dass von einem Deutschen bei seinem Aufenthalt im Ausland derartige Handlungen zu befürchten sind, so kann dies ein Ausreiseverbot als Vorsorgemaßnahme rechtfertigen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 14.6.2000, a.a.O., sowie vom 7.6.1995, a.a.O.).
22 
An diesem Maßstab gemessen dürfte die Beklagte zwar zu Recht davon ausgegangen sein, dass im Zusammenhang mit der Durchführung des G 8-Gipfels in Genua mit gewalttätigen Ausschreitungen zu rechnen und dass eine Beteiligung gewaltbereiter deutscher Demonstranten geeignet war, das internationale Ansehen der Bundesrepublik Deutschland zu schädigen (vgl. bereits den Senatsbeschluss vom 4.8.2003 - 1 S 720/03 -). Nicht gerechtfertigt war jedoch die weitere Feststellung des Bundesgrenzschutzamtes, in der Person des Klägers lägen bestimmte Tatsachen vor, die die Annahme begründeten, auch von ihm würde eine solche Gefahr ausgehen.
23 
Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, die vom Bundesgrenzschutzamt vorgenommene Prognose sei bereits deshalb zu beanstanden, weil dabei von einer fehlerhaften Tatsachengrundlage ausgegangen worden sei. Die Grundsätze der Anscheinsgefahr fänden keine Anwendung, weil die Beklagte den Anschein einer Gefahr durch die in ihren Verantwortungsbereich fallende fehlerhafte Speicherung (bzw. noch nicht durchgeführte Löschung) der Daten des Klägers in der INPOL-Datei des Bundeskriminalamtes selbst maßgeblich verursacht habe. Nach Auffassung des Senats spricht indes einiges dafür, dass auch im vorliegenden Fall bei der Prüfung, ob eine Gefährdung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG vorlag, die Grundsätze der Anscheinsgefahr Geltung beanspruchten (unter 1. ). Diese Frage bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung. Denn die streitgegenständliche Verfügung war selbst bei Anwendung der Grundsätze der Anscheinsgefahr nicht rechtmäßig (unter 2.).
24 
1. Nach den Grundsätzen der Anscheinsgefahr ist es entscheidend, ob der handelnde Beamte aus der Ex-ante-Sicht mit Blick auf die ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Informationen aufgrund hinreichender Anhaltspunkte vom Vorliegen einer Gefährdung ausgehen konnte und diese Prognose dem Urteil eines fähigen, besonnenen und sachkundigen Amtswalters entspricht (vgl. Senatsurteil vom 22.7.2004 - 1 S 410/03 -, Urteil vom 10.5.1990 - 5 S 1842/89 -, VBlBW 1990, 469, 470 f. und Beschluss vom 16.10.1990 - 8 S 2087/90 -, NVwZ 1991, 493; Wolf/Stephan, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 5. Aufl., § 1 RdNr. 34; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 5. Aufl., RdNr. 424). Dabei beurteilt es sich auch nach den - ggf. eingeschränkten - Erkenntnismöglichkeiten zum Zeitpunkt des Einschreitens, ob dem Beamten ein Vorwurf gemacht werden kann, wenn er seiner Entscheidung Informationen zugrunde gelegt hat, die unvollständig oder falsch waren oder die aus Rechtsgründen nicht mehr hätten verwertet werden können.
25 
Die Anwendbarkeit dieser Grundsätze dürfte entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass die Beklagte möglicherweise selbst den Anschein der Gefahr zurechenbar (mit-) verursacht hat. Dies wäre wohl der Fall gewesen, wenn die den Kläger betreffenden Einträge im Informationssystem der Polizei tatsächlich - wie vom Kläger behauptet - teilweise unrichtig gewesen wären und überdies zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesgrenzschutzamts bereits hätten gelöscht sein müssen und diese Mängel von einer anderen Behörde der Beklagten (etwa vom Bundeskriminalamt) zu verantworten gewesen wären. Indes können die zur Gefahrenabwehr berufenen Behörden die legitime Aufgabe präventiven Rechtsgüterschutzes nur effektiv erfüllen, wenn sie auch auf unsicherer Tatsachengrundlage einschreiten. Um zu vermeiden, dass ein im Rahmen dieser Aufgabe als Dienstpflicht auferlegtes Handeln in die Illegalität gedrängt wird, ist bei der Beurteilung der Gefahr allein auf die Erkenntnismöglichkeiten des konkret handelnden Beamten zum Zeitpunkt des Einschreitens abzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.2.1974, BVerwGE 45, 51, 58; Würtenberger/Heckmann/Riggert, a.a.O., RdNr. 425). Vor diesem Hintergrund spricht einiges dafür, die Grundsätze der Anscheinsgefahr auch anzuwenden, wenn das Vorhandensein fehlerhafter oder aus Rechtsgründen nicht mehr verwertbarer Informationen auf dem Handeln einer anderen Behörde beruht und dem handelnden Beamten - am obigen Maßstab gemessen - kein Vorwurf gemacht werden kann, dass er diese Informationen seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat (zur Möglichkeit der „Kompensation“ auf der sog. Sekundärebene in solchen Fällen vgl. Würtenberger/Heckmann/Riggert, a.a.O., RdNrn. 867, 868, 915 m.w.N.; Wolf/Stephan, a.a.O., § 55 RdNr. 11; Schoch, JuS 1990, 504, 507; VGH Bad.-Württ., Urteile vom 8.9.1989, VBlBW 1990, 232, 233, und vom 10.5.1990, VBlBW 1990, 469, 471).
26 
2. Diese Frage kann jedoch letztlich offen bleiben. Denn die streitgegenständliche Verfügung erweist sich selbst bei Anwendung der Grundsätze der Anscheinsgefahr nicht als rechtmäßig. Der Beamte des Bundesgrenzschutzamtes durfte auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Informationen bei pflichtgemäßem Handeln nicht davon ausgehen, dass im Falle des Klägers bestimmte Tatsachen die Annahme eine Gefährdung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 3. Alt. PassG begründen.
27 
Seinem Wortlaut nach zwingt § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG mit dem Merkmal der „bestimmten Tatsachen“ nicht zu der Schlussfolgerung, einer Passversagung bzw. Ausreiseuntersagung dürften nur Tatsachen innerhalb eines bestimmten Zeitraums zugrunde gelegt werden. In der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Pass- und Personalausweisrechts vom 26.1.2000 heißt es, die Anordnung der Passbeschränkung setze „eine konkrete Gefährdungslage“ voraus. Es müssten „Tatsachen vorliegen, die auf eine Gefährlichkeit des Betroffenen schließen lassen und aufgrund derer damit zu rechnen ist, dass er bei dem bevorstehenden Anlass erneut gewalttätig wird“. Der Betroffene müsse „als gewaltbereiter Hooligan bekannt sein und in jüngerer Zeit, d.h. innerhalb der letzten zwölf Monate im Zusammenhang mit Gewalttaten oder als Teilnehmer an gewalttätigen Ausschreitungen aufgefallen sein“ (BTDrucks 14/2726, S. 6 zu Art. 1 Nr. 9). Der Senat entnimmt der Gesetzesbegründung zwar keine Auslegungsdirektive dahingehend, dass in die Gefährdungsprognose im Sinne einer starren zeitlichen Grenze nur Vorfälle innerhalb der letzten zwölf Monate einfließen dürften (so auch Breucker, Transnationale polizeiliche Gewaltprävention, 2003, S. 160 f., m.w.N.; ähnlich Medert/Süßmuth, Passrecht, § 7 RdNr. 12; a.A. Nolte, NVwZ 2001, 147, 151). Denn eine solche starre Grenze stünde einer sachgerechten einzelfallbezogenen Gefährdungsprognose entgegen. Individuellen Besonderheiten könnte nicht hinreichend Rechnung getragen werden, insbesondere wäre die für eine realitätsnahe Einschätzung der Gefährdungslage gebotene Beobachtung der persönlichen Entwicklung des Betroffenen über Jahre hinweg nicht möglich. Diesem Umstand kommt insbesondere auch deshalb nicht unerhebliche Bedeutung zu, weil Gewalttäter oftmals nur bestimmte Großveranstaltungen zum Anlass für Ausschreitungen nehmen, die in großen Zeitintervallen stattfinden (vgl. Breucker, a.a.O., S. 161).
28 
Jedoch ist mit Blick auf den aus den Gesetzgebungsmaterialien erkennbaren Willen des Normgebers sowie in Ansehung des mit einer Passversagung bzw. Ausreiseuntersagung verbundenen gravierenden Eingriffs in die grundrechtlich geschützte Ausreisefreiheit zur Wahrung des rechtsstaatlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu fordern, dass die in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG vorausgesetzte Gefährdungslage hinreichende Aktualität aufweist. Jedenfalls im Regelfall bedarf es deshalb der Feststellung von Vorfällen (auch) aus jüngerer Zeit, um die Gefährdungsprognose zu begründen. Dies schließt es nicht aus, im Einzelfall auch auf zeitlich weiter zurückliegende Vorfälle zurückzugreifen. In einem solchen Fall muss jedoch unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls sorgfältig geprüft werden, ob die herangezogene Tatsache im Zeitpunkt der Entscheidung über die Ausreiseuntersagung noch so schwer wiegt, dass die Annahme einer hinreichend konkreten Gefährdungslage weiterhin gerechtfertigt ist.
29 
Nach diesen Grundsätzen war die am 21.7.2001 angestellte Prognose der Beklagten, der Kläger werde sich im Falle seiner Ausreise auf dem G 8-Gipfel in Genua an gewalttätigen Ausschreitungen beteiligen und dadurch das internationale Ansehen der Bundesrepublik Deutschland schädigen, auf der Grundlage der von dem zuständigen Beamten des Bundesgrenzschutzamtes über den Kläger eingeholten Informationen nicht gerechtfertigt.
30 
Erkenntnisse aus jüngerer Zeit, von denen auf eine Beteiligung des Klägers an Gewalttätigkeiten G 8-Gipfel in Genua hätte geschlossen werden können, lagen nicht vor. Insbesondere konnten bei der Überprüfung an der Grenze aktuelle Anhaltspunkte für eine Absicht des Klägers, in Genua an gewalttätigen Aktionen teilzunehmen, nicht festgestellt werden. Der Kläger befand sich in einer als friedlich angesehenen Reisegruppe, welcher mit Ausnahme des Klägers vollständig die Ausreise gestattet wurde. Dies ist von der Beklagten auch nicht in Zweifel gezogen worden (vgl. Schriftsatz vom 26.7.2001, S. 27 der VG-Akte 3 K 1170/01).
31 
Dem steht nicht entgegen, dass jedenfalls nach Auffassung des zuständigen Bundesgrenzschutzamts die Verfügung auch darauf gestützt worden war, dass eine „fahndungsmäßige Überprüfung“ des Klägers ergeben habe, dass dieser „ 4 x (LKA München, LKA Düsseldorf, LKA Baden-Württemberg und PD Kaiserslautern) wegen Landfriedensbruchs ausgeschrieben“ sei (vgl. den Tagebucheintrag des Bundesgrenzschutzamtes, S. 55 der VG-Akte 7 K 1232/01, den INPOL-Auszug Personenfahndung, S. 57 der VG-Akte 7 K 1232/01 sowie den Schriftsatz des Bundesgrenzschutzamtes Weil am Rhein vom 26.7.2001 im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, S. 25 f. der VG-Akte 3 K 1170/01). Denn die insoweit von dem zuständigen Beamten abgerufenen Daten hinsichtlich „aktueller Ausschreibungen“ ließen jedenfalls bei pflichtgemäßer Beurteilung einen Schluss auf das Vorliegen hinreichend aktueller und für die im Rahmen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG anzustellende Gefährdungsprognose relevanter Auffälligkeiten des Klägers nicht zu.
32 
Unstreitig ist gegen den Kläger wegen seiner Beteiligung an einem Aufzug von Anhängern der linken Szene am 8.11.1996 in Bonn von der dortigen Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen eines besonders schweren Falls des Landfriedensbruchs durchgeführt worden. Dieses Ermittlungsverfahren hat zur Aufnahme der diesbezüglichen Daten des Klägers in eine von den Staatsschutzdienststellen des Bundeskriminalamtes und der Landeskriminalämter abrufbaren Verbunddatei des Informationssystems der Polizei (INPOL) geführt (zum Inhalt dieser Datei vgl. das Schreiben des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen an die Klägervertreter vom 14.9.2001, S. 45 der VG-Akte 7 K 1232/01). Darüber hinaus wurde mit Blick auf dieses Ermittlungsverfahren eine Speicherung von Daten des Klägers im „geschützten Bereich Landfriedensbruch“ veranlasst, dessen Bestand nur anlassbezogen und zeitlich sowie in der Regel auch räumlich begrenzt zur Abfrage freigegeben wird (vgl. das Schreiben vom 14.9.2001, a.a.O., sowie die Stellungnahme des Datenschutzbeauftragten des Bundeskriminalamtes vom 5.9.2001, S. 74 f. der VG-Akte 3 K 1170/01). Der Datenbestand dieser Datei kann im Vorfeld von Demonstrationen oder sonstigen Ereignissen in die Personenfahndungsdatei eingegeben werden, so dass nun u.a. auch die Polizeidienststellen der Länder sowie die Dienststellen des Bundesgrenzschutzes auf die Daten Zugriff haben (vgl. § 11 Abs. 2 BKAG sowie Bäumler, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 3. Aufl., J RdNrn. 181, 155). Bei Kontrollen soll dann auf die Personen, deren Daten in der Datei gespeichert sind, ein besonderes Augenmerk gerichtet werden, wobei jedoch grundsätzlich nur Maßnahmen ergriffen werden dürfen, die nach allgemeinem Polizeirecht zulässig sind (vgl. Bäumler, a.a.O., RdNr. 181). Im Zeitpunkt der Überprüfung des Klägers am 21.7.2001 an der Grenze bei Weil am Rhein war von den Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg aus Anlass des G 8-Gipfels in Genua und von den Ländern Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen aufgrund anderer Anlässe die Freigabe des geschützten Fahndungsbestandes beantragt worden.
33 
Bei dieser Sachlage konnte ein mit dem polizeilichen Informationssystem vertrauter Nutzungsberechtigter aus den von dem Grenzschutzbeamten abgerufenen Daten (vgl. S. 57 der VG-Akte) bei sorgfältiger Überprüfung nur folgern, dass der Kläger lediglich mit Blick auf das Ermittlungsverfahren wegen der Teilnahme an dem Aufzug am 8.11.1996 im „geschützten Bereich Landfriedensbruch“ geführt wurde und dass die Freigabe des geschützten Fahndungsbestandes zu Kontrollzwecken von vier Bundesländern beantragt worden war (vgl. auch die Stellungnahme des Datenschutzbeauftragten des Bundeskriminalamtes vom 5.9.2001, S. 74 f. der VG-Akte 3 K 1170/01). Sollte der zuständige Beamte demgegenüber aufgrund der Speicherung der Daten des Klägers in der Fahndungsdatei irrtümlich davon ausgegangen sein, gegen diesen lägen auch andere, insbesondere aktuellere Vorwürfe vor oder gar konkrete Fahndungsersuchen von Dienststellen verschiedener Bundesländer, würde es sich um eine pflichtwidrige Fehleinschätzung gehandelt haben, die nicht geeignet wäre, die Annahme einer Anscheinsgefahr zu rechtfertigen.
34 
Mithin stammten letztlich sämtliche Vorfälle, aus denen der zuständige Beamte nach den eingeholten Informationen bei pflichtgemäßer Beurteilung eine Gefährdung hat ableiten können, bereits aus dem Jahr 1996. Umstände, die trotz dieses langen Zeitraums die Annahme der Gefahr erneuter Gewalttätigkeiten und damit einer aktuellen Gefährdungslage hätten rechtfertigen können, vermag der Senat nicht festzustellen.
35 
Dies gilt zunächst für den von dem kontrollierenden Beamten des Bundesgrenzschutzamtes abgerufenen, objektiv möglicherweise teilweise unrichtigen Inhalt der INPOL-Verbunddatei hinsichtlich eines Ermittlungsverfahrens wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, schweren Landfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung, Sachbeschädigung und Mitführen von Schusswaffen (Signalmunition) im Zusammenhang mit der Teilnahme an einem Aufzug am 8.11.1996 in Bonn (vgl. das Schreiben des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen an die Klägervertreter vom 14.9.2001, S. 45 der VG-Akte 7 K 1232/01). Die Durchführung eines solchen Ermittlungsverfahrens stellt eine gravierende und im Hinblick auf die von der Beklagten prognostizierte Gefährdung (Teilnahme an Gewalttätigkeiten in Genua) auch einschlägige Vorbelastung dar. Insbesondere der Verdacht, der Kläger habe einen besonders schweren Fall des Landfriedenbruchs begangen, wiegt schwer angesichts der für dieses Delikt bestehenden Strafdrohung von 6 Monaten bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe (§ 125 a StGB). Andererseits darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass zum Zeitpunkt des behördlichen Handelns bereits ein Zeitraum von über 4 Jahren und 8 Monaten vergangen war, in dem der Kläger weder strafrechtlich in Erscheinung getreten noch sonst den Behörden im Zusammenhang mit der Teilnahme an gewalttätigen Demonstrationen aufgefallen ist. Dieser lange Zeitraum der Unauffälligkeit kann als Indiz dafür gewertet werden, dass sich seine Einstellung zur Anwendung von Gewalt geändert hat. Dies gilt um so mehr, als der Kläger im Zeitpunkt der Teilnahme an dem Aufzug erst 19 Jahre alt und somit noch Heranwachsender war und es nicht auszuschließen ist, dass es sich bei seinem Verhalten im Zusammenhang mit dem Aufzug am 8.11.1996 um eine jugendtypische Verfehlung gehandelt hat.
36 
Im Rahmen der Gefährdungsprognose war zugunsten des Klägers ferner zu berücksichtigen, dass damals keine strafrechtliche Verurteilung erfolgt, sondern das Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist. Ausweislich des handschriftlichen Vermerks auf dem von dem Beamten des Bundesgrenzschutzamtes zu dem Vorfall gefertigten Tagebucheintrag („StA Bonn 50 Js 666/96 (§ 170 II StPO)“, S. 55 der VG-Akte 7 K 1232/01) spricht vieles dafür, dass dem Grenzbeamten dieser Ausgang des Verfahrens bekannt war. Jedenfalls kann davon ausgegangen werden, dass ihm die Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO hätte bekannt sein müssen. Denn er kannte das Datum des zugrunde liegenden Vorfalls und hatte zudem telefonisch beim Bundeskriminalamt in Meckenheim recherchiert. Greifbare Anhaltspunkte, die aus seiner Sicht hätten nahe legen können, dass das bereits aus dem Jahr 1996 stammende Ermittlungsverfahren auf andere Weise als durch Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO geendet hatte, sind von der Beklagten nicht dargetan und auch sonst nicht erkennbar. Der Auffassung der Beklagten, der Umstand, dass es nicht zu einer strafrechtlichen Verurteilung gekommen sei, mindere nicht die Relevanz der Vorkommnisse für die Gefahrenprognose, kann so nicht gefolgt werden. Wie dargelegt, ist das gegen den Kläger eingeleitete Ermittlungsverfahren - für den zuständigen Grenzschutzbeamten erkennbar - gemäß § 170 Abs. 2 StPO, also wegen Fehlens eines hinreichenden Tatverdachts eingestellt worden. Zwar schließt diese Form der Verfahrenseinstellung einen gegen den Beschuldigten fortbestehenden Tatverdacht nicht notwendig aus (vgl. Senatsurteil vom 29.9.2003 - 1 S 2145/02 -). Einem solchen „Restverdacht“ kommt indes im Verhältnis zu einer strafrechtlichen Verurteilung im Rahmen der Gefahrenprognose geringeres Gewicht zu.
37 
Vor diesem Hintergrund ist nach Auffassung des Senats die dem Ermittlungsverfahren aus dem Jahre 1996 zukommende Indizwirkung durch den langen Zeitraum, in dem der Kläger - bezogen auf sein Verhalten im Zusammenhang mit Demonstrationen - unauffällig geblieben ist, maßgeblich entkräftet worden. Eine Ausreiseuntersagung war deshalb nicht mehr gerechtfertigt. Dies gilt auch, wenn berücksichtigt wird, dass dem Beamten ausweislich des Tagebucheintrags vom 21.7.2001 (a.a.O.) aufgrund einer telefonischen Recherche beim Bundeskriminalamt in Meckenheim bekannt war, dass der Kläger 1996 „mehrfach in Erscheinung getreten war“. Denn den beiden weiteren Ermittlungsverfahren aus dem Jahr 1996 (S. 47 der VG-Akte 7 K 1232/01) konnte unter dem hier allein erheblichen Gesichtspunkt einer Gefährdungsprognose im Hinblick auf Gewalttätigkeiten keine maßgebliche Bedeutung mehr zukommen. Dies gilt um so mehr, als sich diese auf über fünf Jahre zurückliegende Vorfälle vom Mai 1996 bezogen. Dem entspricht es, dass die Verfahren in der Begründung der Verfügung vom 21.7.2001 keine Erwähnung fanden und dass auch nur das Verfahren vom November 1996 Eingang in die INPOL-Verbunddatei gefunden hat.
38 
Da es nach alledem bereits am Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG fehlte, bedarf es keiner Prüfung, ob die Beklagte das ihr in dieser Bestimmung eingeräumte Ermessen („können“) auch rechtsfehlerfrei ausgeübt hat.
39 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
40 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.

Gründe

 
15 
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
16 
Die vom Senat zugelassene und auch sonst zulässige Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässige (I.) Klage des Klägers begründet ist (II.).
17 
I. Die Klage des Klägers ist als Fortsetzungsfeststellungsklage in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft. Sie bezieht sich auf die Verfügung des Bundesgrenzschutzamtes Weil am Rhein vom 21.7.2001, mit der dem Kläger befristet bis zum 22.7.2001, 22.00 Uhr, die Ausreise aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zum Weltwirtschaftsgipfel G 8 nach Italien untersagt wurde und die sich durch den Fristablauf schon vor Klageerhebung erledigt hat. Der Senat geht in den Fällen der vorprozessualen Erledigung eines Verwaltungsakts von einer analogen Anwendung der Regelung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO aus (vgl. nur die Senatsurteile vom 18.12.2003 - 1 S 2211/02 -, VBlBW 2004, 214 und vom 26.1.1998 - 1 S 3280/96 -, NVwZ 1998, 761, 762, sowie die bisherige ständige Rechtsprechung des BVerwG, BVerwGE 12, 87, 90; 26, 161, 165; 49, 36, 39; 81, 226, 227; ausdrücklich offen gelassen unter Hinweis auf die Möglichkeit der allgemeinen Feststellungsklage im Urteil vom 14.7.1999 - 6 C 7.98 -, BVerwGE 109, 203, 208 f.). Im Übrigen würden sich unter den gegebenen Umständen die Sachurteilsvoraussetzungen nach § 43 VwGO und § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO in analoger Anwendung nicht unterscheiden.
18 
Die Klage ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere kann dem Kläger ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung nicht abgesprochen werden. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des erkennenden Senats ist anerkannt, dass insbesondere bei polizeilichen Maßnahmen auch die Art des Eingriffs, namentlich im grundrechtlich geschützten Bereich, verbunden mit dem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz, es erfordern kann, das Feststellungsinteresse anzuerkennen (vgl. Senatsurteil vom 18.12.2003, a.a.O., sowie BVerwG, Urteil vom 29.4.1997, Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 127). Mit der streitgegenständlichen Verfügung ist in schwerwiegender Weise jedenfalls in das durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Recht des Klägers auf Ausreisefreiheit eingegriffen worden (zur zusätzlichen Anwendbarkeit der Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 und Art. 8 GG vgl. VG Berlin, Urteil vom 17.12.2003 - 1 A 309.01 -, Juris, sowie VG Göttingen, Urteil vom 27.1.2004 - 1 A 1014/02, Juris). Vor diesem Hintergrund wäre es mit den Grundsätzen des Rechtsstaats unvereinbar, dem Kläger den Zugang zum Gericht zu versagen. Unabhängig davon ist auch aus Gründen der Rehabilitierung ein rechtlich anerkennenswertes Interesse des Klägers an der Klärung der Rechtmäßigkeit der Ausreiseuntersagung anzunehmen (zu dieser Voraussetzung vgl. BVerfG, Beschluss vom 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 -, DVBl. 2004, 822; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 19.3.1992, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 244). Denn in der Begründung der Verfügung heißt es, es bestünden Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger beabsichtige, sich in Genua an gewaltsamen Ausschreitungen zu beteiligen. Da hiermit ein kriminelles Verhalten des Klägers prognostiziert wird, ist das Ausreiseverbot geeignet, diskriminierend zu wirken.
19 
II. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass die Klage begründet ist. Die mit Verfügung vom 21.7.2001 ausgesprochene Ausreiseuntersagung war rechtswidrig (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO).
20 
Als Rechtsgrundlage der streitgegenständlichen Maßnahme kommt allein § 10 Abs. 1 Satz 2 des Passgesetzes i.d.F. des Gesetzes vom 1.5.2000 (BGBl. I S. 626) - PassG - in Betracht. Nach dieser Bestimmung können die für die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs zuständigen Behörden einem Deutschen die Ausreise in das Ausland untersagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass bei ihm die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 vorliegen. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG ist der Pass zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Passbewerber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Vorschrift bestehen nicht. Sie schränkt die Ausreisefreiheit, die als Ausfluss der allgemeinen Handlungsfreiheit durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt ist, in zulässiger Weise als Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung ein (vgl. BVerfG, Urteil vom 16.1.1957, BVerfGE 6, 32 ff.; Senatsbeschluss vom 7.6.1995, VBlBW 1996, 71).
21 
Die Beklagte hat die Ausreiseuntersagung auf eine Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland gestützt (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 3. Alt. PassG). Die Frage, ob und mit welchem Gewicht durch die Anwesenheit eines deutschen Staatsangehörigen in einem anderen Land Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet werden, unterliegt uneingeschränkt der richterlichen Überprüfung. Nach dem Wortlaut des Gesetzes müssen für die Feststellung einer solchen Gefährdung „bestimmte Tatsachen“ sprechen, die den beiden anderen Tatbestandsmerkmalen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 (innere oder äußere Sicherheit) in ihrer Gewichtigkeit zwar nicht gleichstehen, aber jedenfalls nahe kommen (vgl. BVerfGE 6, 32 ff.; BVerwG, Urteil vom 29.8.1968, DÖV 1969, 74 ff.; Beschlüsse des Senats vom 14.6.2000 - 1 S 1271/00 -, vom 7.6.1995, VBlBW 1996, 71 und vom 18.5.1994, DVBl. 1995, 360 sowie zuletzt Urteil des Senats vom 26.11.1997 - 1 S 1095/96 -, best. durch BVerwG, Beschluss vom 17.9.1998, Buchholz 402.00 § 7 PassG Nr. 1). Als eine Gefährdung erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG können unter besonderen Umständen auch Handlungen gewertet werden, die geeignet sind, dem internationalen Ansehen Deutschlands zu schaden (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 29.8.1968, a.a.O.). Sprechen bestimmte Tatsachen dafür, dass von einem Deutschen bei seinem Aufenthalt im Ausland derartige Handlungen zu befürchten sind, so kann dies ein Ausreiseverbot als Vorsorgemaßnahme rechtfertigen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 14.6.2000, a.a.O., sowie vom 7.6.1995, a.a.O.).
22 
An diesem Maßstab gemessen dürfte die Beklagte zwar zu Recht davon ausgegangen sein, dass im Zusammenhang mit der Durchführung des G 8-Gipfels in Genua mit gewalttätigen Ausschreitungen zu rechnen und dass eine Beteiligung gewaltbereiter deutscher Demonstranten geeignet war, das internationale Ansehen der Bundesrepublik Deutschland zu schädigen (vgl. bereits den Senatsbeschluss vom 4.8.2003 - 1 S 720/03 -). Nicht gerechtfertigt war jedoch die weitere Feststellung des Bundesgrenzschutzamtes, in der Person des Klägers lägen bestimmte Tatsachen vor, die die Annahme begründeten, auch von ihm würde eine solche Gefahr ausgehen.
23 
Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, die vom Bundesgrenzschutzamt vorgenommene Prognose sei bereits deshalb zu beanstanden, weil dabei von einer fehlerhaften Tatsachengrundlage ausgegangen worden sei. Die Grundsätze der Anscheinsgefahr fänden keine Anwendung, weil die Beklagte den Anschein einer Gefahr durch die in ihren Verantwortungsbereich fallende fehlerhafte Speicherung (bzw. noch nicht durchgeführte Löschung) der Daten des Klägers in der INPOL-Datei des Bundeskriminalamtes selbst maßgeblich verursacht habe. Nach Auffassung des Senats spricht indes einiges dafür, dass auch im vorliegenden Fall bei der Prüfung, ob eine Gefährdung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG vorlag, die Grundsätze der Anscheinsgefahr Geltung beanspruchten (unter 1. ). Diese Frage bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung. Denn die streitgegenständliche Verfügung war selbst bei Anwendung der Grundsätze der Anscheinsgefahr nicht rechtmäßig (unter 2.).
24 
1. Nach den Grundsätzen der Anscheinsgefahr ist es entscheidend, ob der handelnde Beamte aus der Ex-ante-Sicht mit Blick auf die ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Informationen aufgrund hinreichender Anhaltspunkte vom Vorliegen einer Gefährdung ausgehen konnte und diese Prognose dem Urteil eines fähigen, besonnenen und sachkundigen Amtswalters entspricht (vgl. Senatsurteil vom 22.7.2004 - 1 S 410/03 -, Urteil vom 10.5.1990 - 5 S 1842/89 -, VBlBW 1990, 469, 470 f. und Beschluss vom 16.10.1990 - 8 S 2087/90 -, NVwZ 1991, 493; Wolf/Stephan, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 5. Aufl., § 1 RdNr. 34; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 5. Aufl., RdNr. 424). Dabei beurteilt es sich auch nach den - ggf. eingeschränkten - Erkenntnismöglichkeiten zum Zeitpunkt des Einschreitens, ob dem Beamten ein Vorwurf gemacht werden kann, wenn er seiner Entscheidung Informationen zugrunde gelegt hat, die unvollständig oder falsch waren oder die aus Rechtsgründen nicht mehr hätten verwertet werden können.
25 
Die Anwendbarkeit dieser Grundsätze dürfte entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass die Beklagte möglicherweise selbst den Anschein der Gefahr zurechenbar (mit-) verursacht hat. Dies wäre wohl der Fall gewesen, wenn die den Kläger betreffenden Einträge im Informationssystem der Polizei tatsächlich - wie vom Kläger behauptet - teilweise unrichtig gewesen wären und überdies zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesgrenzschutzamts bereits hätten gelöscht sein müssen und diese Mängel von einer anderen Behörde der Beklagten (etwa vom Bundeskriminalamt) zu verantworten gewesen wären. Indes können die zur Gefahrenabwehr berufenen Behörden die legitime Aufgabe präventiven Rechtsgüterschutzes nur effektiv erfüllen, wenn sie auch auf unsicherer Tatsachengrundlage einschreiten. Um zu vermeiden, dass ein im Rahmen dieser Aufgabe als Dienstpflicht auferlegtes Handeln in die Illegalität gedrängt wird, ist bei der Beurteilung der Gefahr allein auf die Erkenntnismöglichkeiten des konkret handelnden Beamten zum Zeitpunkt des Einschreitens abzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.2.1974, BVerwGE 45, 51, 58; Würtenberger/Heckmann/Riggert, a.a.O., RdNr. 425). Vor diesem Hintergrund spricht einiges dafür, die Grundsätze der Anscheinsgefahr auch anzuwenden, wenn das Vorhandensein fehlerhafter oder aus Rechtsgründen nicht mehr verwertbarer Informationen auf dem Handeln einer anderen Behörde beruht und dem handelnden Beamten - am obigen Maßstab gemessen - kein Vorwurf gemacht werden kann, dass er diese Informationen seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat (zur Möglichkeit der „Kompensation“ auf der sog. Sekundärebene in solchen Fällen vgl. Würtenberger/Heckmann/Riggert, a.a.O., RdNrn. 867, 868, 915 m.w.N.; Wolf/Stephan, a.a.O., § 55 RdNr. 11; Schoch, JuS 1990, 504, 507; VGH Bad.-Württ., Urteile vom 8.9.1989, VBlBW 1990, 232, 233, und vom 10.5.1990, VBlBW 1990, 469, 471).
26 
2. Diese Frage kann jedoch letztlich offen bleiben. Denn die streitgegenständliche Verfügung erweist sich selbst bei Anwendung der Grundsätze der Anscheinsgefahr nicht als rechtmäßig. Der Beamte des Bundesgrenzschutzamtes durfte auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Informationen bei pflichtgemäßem Handeln nicht davon ausgehen, dass im Falle des Klägers bestimmte Tatsachen die Annahme eine Gefährdung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 3. Alt. PassG begründen.
27 
Seinem Wortlaut nach zwingt § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG mit dem Merkmal der „bestimmten Tatsachen“ nicht zu der Schlussfolgerung, einer Passversagung bzw. Ausreiseuntersagung dürften nur Tatsachen innerhalb eines bestimmten Zeitraums zugrunde gelegt werden. In der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Pass- und Personalausweisrechts vom 26.1.2000 heißt es, die Anordnung der Passbeschränkung setze „eine konkrete Gefährdungslage“ voraus. Es müssten „Tatsachen vorliegen, die auf eine Gefährlichkeit des Betroffenen schließen lassen und aufgrund derer damit zu rechnen ist, dass er bei dem bevorstehenden Anlass erneut gewalttätig wird“. Der Betroffene müsse „als gewaltbereiter Hooligan bekannt sein und in jüngerer Zeit, d.h. innerhalb der letzten zwölf Monate im Zusammenhang mit Gewalttaten oder als Teilnehmer an gewalttätigen Ausschreitungen aufgefallen sein“ (BTDrucks 14/2726, S. 6 zu Art. 1 Nr. 9). Der Senat entnimmt der Gesetzesbegründung zwar keine Auslegungsdirektive dahingehend, dass in die Gefährdungsprognose im Sinne einer starren zeitlichen Grenze nur Vorfälle innerhalb der letzten zwölf Monate einfließen dürften (so auch Breucker, Transnationale polizeiliche Gewaltprävention, 2003, S. 160 f., m.w.N.; ähnlich Medert/Süßmuth, Passrecht, § 7 RdNr. 12; a.A. Nolte, NVwZ 2001, 147, 151). Denn eine solche starre Grenze stünde einer sachgerechten einzelfallbezogenen Gefährdungsprognose entgegen. Individuellen Besonderheiten könnte nicht hinreichend Rechnung getragen werden, insbesondere wäre die für eine realitätsnahe Einschätzung der Gefährdungslage gebotene Beobachtung der persönlichen Entwicklung des Betroffenen über Jahre hinweg nicht möglich. Diesem Umstand kommt insbesondere auch deshalb nicht unerhebliche Bedeutung zu, weil Gewalttäter oftmals nur bestimmte Großveranstaltungen zum Anlass für Ausschreitungen nehmen, die in großen Zeitintervallen stattfinden (vgl. Breucker, a.a.O., S. 161).
28 
Jedoch ist mit Blick auf den aus den Gesetzgebungsmaterialien erkennbaren Willen des Normgebers sowie in Ansehung des mit einer Passversagung bzw. Ausreiseuntersagung verbundenen gravierenden Eingriffs in die grundrechtlich geschützte Ausreisefreiheit zur Wahrung des rechtsstaatlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu fordern, dass die in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG vorausgesetzte Gefährdungslage hinreichende Aktualität aufweist. Jedenfalls im Regelfall bedarf es deshalb der Feststellung von Vorfällen (auch) aus jüngerer Zeit, um die Gefährdungsprognose zu begründen. Dies schließt es nicht aus, im Einzelfall auch auf zeitlich weiter zurückliegende Vorfälle zurückzugreifen. In einem solchen Fall muss jedoch unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls sorgfältig geprüft werden, ob die herangezogene Tatsache im Zeitpunkt der Entscheidung über die Ausreiseuntersagung noch so schwer wiegt, dass die Annahme einer hinreichend konkreten Gefährdungslage weiterhin gerechtfertigt ist.
29 
Nach diesen Grundsätzen war die am 21.7.2001 angestellte Prognose der Beklagten, der Kläger werde sich im Falle seiner Ausreise auf dem G 8-Gipfel in Genua an gewalttätigen Ausschreitungen beteiligen und dadurch das internationale Ansehen der Bundesrepublik Deutschland schädigen, auf der Grundlage der von dem zuständigen Beamten des Bundesgrenzschutzamtes über den Kläger eingeholten Informationen nicht gerechtfertigt.
30 
Erkenntnisse aus jüngerer Zeit, von denen auf eine Beteiligung des Klägers an Gewalttätigkeiten G 8-Gipfel in Genua hätte geschlossen werden können, lagen nicht vor. Insbesondere konnten bei der Überprüfung an der Grenze aktuelle Anhaltspunkte für eine Absicht des Klägers, in Genua an gewalttätigen Aktionen teilzunehmen, nicht festgestellt werden. Der Kläger befand sich in einer als friedlich angesehenen Reisegruppe, welcher mit Ausnahme des Klägers vollständig die Ausreise gestattet wurde. Dies ist von der Beklagten auch nicht in Zweifel gezogen worden (vgl. Schriftsatz vom 26.7.2001, S. 27 der VG-Akte 3 K 1170/01).
31 
Dem steht nicht entgegen, dass jedenfalls nach Auffassung des zuständigen Bundesgrenzschutzamts die Verfügung auch darauf gestützt worden war, dass eine „fahndungsmäßige Überprüfung“ des Klägers ergeben habe, dass dieser „ 4 x (LKA München, LKA Düsseldorf, LKA Baden-Württemberg und PD Kaiserslautern) wegen Landfriedensbruchs ausgeschrieben“ sei (vgl. den Tagebucheintrag des Bundesgrenzschutzamtes, S. 55 der VG-Akte 7 K 1232/01, den INPOL-Auszug Personenfahndung, S. 57 der VG-Akte 7 K 1232/01 sowie den Schriftsatz des Bundesgrenzschutzamtes Weil am Rhein vom 26.7.2001 im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, S. 25 f. der VG-Akte 3 K 1170/01). Denn die insoweit von dem zuständigen Beamten abgerufenen Daten hinsichtlich „aktueller Ausschreibungen“ ließen jedenfalls bei pflichtgemäßer Beurteilung einen Schluss auf das Vorliegen hinreichend aktueller und für die im Rahmen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG anzustellende Gefährdungsprognose relevanter Auffälligkeiten des Klägers nicht zu.
32 
Unstreitig ist gegen den Kläger wegen seiner Beteiligung an einem Aufzug von Anhängern der linken Szene am 8.11.1996 in Bonn von der dortigen Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen eines besonders schweren Falls des Landfriedensbruchs durchgeführt worden. Dieses Ermittlungsverfahren hat zur Aufnahme der diesbezüglichen Daten des Klägers in eine von den Staatsschutzdienststellen des Bundeskriminalamtes und der Landeskriminalämter abrufbaren Verbunddatei des Informationssystems der Polizei (INPOL) geführt (zum Inhalt dieser Datei vgl. das Schreiben des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen an die Klägervertreter vom 14.9.2001, S. 45 der VG-Akte 7 K 1232/01). Darüber hinaus wurde mit Blick auf dieses Ermittlungsverfahren eine Speicherung von Daten des Klägers im „geschützten Bereich Landfriedensbruch“ veranlasst, dessen Bestand nur anlassbezogen und zeitlich sowie in der Regel auch räumlich begrenzt zur Abfrage freigegeben wird (vgl. das Schreiben vom 14.9.2001, a.a.O., sowie die Stellungnahme des Datenschutzbeauftragten des Bundeskriminalamtes vom 5.9.2001, S. 74 f. der VG-Akte 3 K 1170/01). Der Datenbestand dieser Datei kann im Vorfeld von Demonstrationen oder sonstigen Ereignissen in die Personenfahndungsdatei eingegeben werden, so dass nun u.a. auch die Polizeidienststellen der Länder sowie die Dienststellen des Bundesgrenzschutzes auf die Daten Zugriff haben (vgl. § 11 Abs. 2 BKAG sowie Bäumler, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 3. Aufl., J RdNrn. 181, 155). Bei Kontrollen soll dann auf die Personen, deren Daten in der Datei gespeichert sind, ein besonderes Augenmerk gerichtet werden, wobei jedoch grundsätzlich nur Maßnahmen ergriffen werden dürfen, die nach allgemeinem Polizeirecht zulässig sind (vgl. Bäumler, a.a.O., RdNr. 181). Im Zeitpunkt der Überprüfung des Klägers am 21.7.2001 an der Grenze bei Weil am Rhein war von den Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg aus Anlass des G 8-Gipfels in Genua und von den Ländern Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen aufgrund anderer Anlässe die Freigabe des geschützten Fahndungsbestandes beantragt worden.
33 
Bei dieser Sachlage konnte ein mit dem polizeilichen Informationssystem vertrauter Nutzungsberechtigter aus den von dem Grenzschutzbeamten abgerufenen Daten (vgl. S. 57 der VG-Akte) bei sorgfältiger Überprüfung nur folgern, dass der Kläger lediglich mit Blick auf das Ermittlungsverfahren wegen der Teilnahme an dem Aufzug am 8.11.1996 im „geschützten Bereich Landfriedensbruch“ geführt wurde und dass die Freigabe des geschützten Fahndungsbestandes zu Kontrollzwecken von vier Bundesländern beantragt worden war (vgl. auch die Stellungnahme des Datenschutzbeauftragten des Bundeskriminalamtes vom 5.9.2001, S. 74 f. der VG-Akte 3 K 1170/01). Sollte der zuständige Beamte demgegenüber aufgrund der Speicherung der Daten des Klägers in der Fahndungsdatei irrtümlich davon ausgegangen sein, gegen diesen lägen auch andere, insbesondere aktuellere Vorwürfe vor oder gar konkrete Fahndungsersuchen von Dienststellen verschiedener Bundesländer, würde es sich um eine pflichtwidrige Fehleinschätzung gehandelt haben, die nicht geeignet wäre, die Annahme einer Anscheinsgefahr zu rechtfertigen.
34 
Mithin stammten letztlich sämtliche Vorfälle, aus denen der zuständige Beamte nach den eingeholten Informationen bei pflichtgemäßer Beurteilung eine Gefährdung hat ableiten können, bereits aus dem Jahr 1996. Umstände, die trotz dieses langen Zeitraums die Annahme der Gefahr erneuter Gewalttätigkeiten und damit einer aktuellen Gefährdungslage hätten rechtfertigen können, vermag der Senat nicht festzustellen.
35 
Dies gilt zunächst für den von dem kontrollierenden Beamten des Bundesgrenzschutzamtes abgerufenen, objektiv möglicherweise teilweise unrichtigen Inhalt der INPOL-Verbunddatei hinsichtlich eines Ermittlungsverfahrens wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, schweren Landfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung, Sachbeschädigung und Mitführen von Schusswaffen (Signalmunition) im Zusammenhang mit der Teilnahme an einem Aufzug am 8.11.1996 in Bonn (vgl. das Schreiben des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen an die Klägervertreter vom 14.9.2001, S. 45 der VG-Akte 7 K 1232/01). Die Durchführung eines solchen Ermittlungsverfahrens stellt eine gravierende und im Hinblick auf die von der Beklagten prognostizierte Gefährdung (Teilnahme an Gewalttätigkeiten in Genua) auch einschlägige Vorbelastung dar. Insbesondere der Verdacht, der Kläger habe einen besonders schweren Fall des Landfriedenbruchs begangen, wiegt schwer angesichts der für dieses Delikt bestehenden Strafdrohung von 6 Monaten bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe (§ 125 a StGB). Andererseits darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass zum Zeitpunkt des behördlichen Handelns bereits ein Zeitraum von über 4 Jahren und 8 Monaten vergangen war, in dem der Kläger weder strafrechtlich in Erscheinung getreten noch sonst den Behörden im Zusammenhang mit der Teilnahme an gewalttätigen Demonstrationen aufgefallen ist. Dieser lange Zeitraum der Unauffälligkeit kann als Indiz dafür gewertet werden, dass sich seine Einstellung zur Anwendung von Gewalt geändert hat. Dies gilt um so mehr, als der Kläger im Zeitpunkt der Teilnahme an dem Aufzug erst 19 Jahre alt und somit noch Heranwachsender war und es nicht auszuschließen ist, dass es sich bei seinem Verhalten im Zusammenhang mit dem Aufzug am 8.11.1996 um eine jugendtypische Verfehlung gehandelt hat.
36 
Im Rahmen der Gefährdungsprognose war zugunsten des Klägers ferner zu berücksichtigen, dass damals keine strafrechtliche Verurteilung erfolgt, sondern das Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist. Ausweislich des handschriftlichen Vermerks auf dem von dem Beamten des Bundesgrenzschutzamtes zu dem Vorfall gefertigten Tagebucheintrag („StA Bonn 50 Js 666/96 (§ 170 II StPO)“, S. 55 der VG-Akte 7 K 1232/01) spricht vieles dafür, dass dem Grenzbeamten dieser Ausgang des Verfahrens bekannt war. Jedenfalls kann davon ausgegangen werden, dass ihm die Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO hätte bekannt sein müssen. Denn er kannte das Datum des zugrunde liegenden Vorfalls und hatte zudem telefonisch beim Bundeskriminalamt in Meckenheim recherchiert. Greifbare Anhaltspunkte, die aus seiner Sicht hätten nahe legen können, dass das bereits aus dem Jahr 1996 stammende Ermittlungsverfahren auf andere Weise als durch Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO geendet hatte, sind von der Beklagten nicht dargetan und auch sonst nicht erkennbar. Der Auffassung der Beklagten, der Umstand, dass es nicht zu einer strafrechtlichen Verurteilung gekommen sei, mindere nicht die Relevanz der Vorkommnisse für die Gefahrenprognose, kann so nicht gefolgt werden. Wie dargelegt, ist das gegen den Kläger eingeleitete Ermittlungsverfahren - für den zuständigen Grenzschutzbeamten erkennbar - gemäß § 170 Abs. 2 StPO, also wegen Fehlens eines hinreichenden Tatverdachts eingestellt worden. Zwar schließt diese Form der Verfahrenseinstellung einen gegen den Beschuldigten fortbestehenden Tatverdacht nicht notwendig aus (vgl. Senatsurteil vom 29.9.2003 - 1 S 2145/02 -). Einem solchen „Restverdacht“ kommt indes im Verhältnis zu einer strafrechtlichen Verurteilung im Rahmen der Gefahrenprognose geringeres Gewicht zu.
37 
Vor diesem Hintergrund ist nach Auffassung des Senats die dem Ermittlungsverfahren aus dem Jahre 1996 zukommende Indizwirkung durch den langen Zeitraum, in dem der Kläger - bezogen auf sein Verhalten im Zusammenhang mit Demonstrationen - unauffällig geblieben ist, maßgeblich entkräftet worden. Eine Ausreiseuntersagung war deshalb nicht mehr gerechtfertigt. Dies gilt auch, wenn berücksichtigt wird, dass dem Beamten ausweislich des Tagebucheintrags vom 21.7.2001 (a.a.O.) aufgrund einer telefonischen Recherche beim Bundeskriminalamt in Meckenheim bekannt war, dass der Kläger 1996 „mehrfach in Erscheinung getreten war“. Denn den beiden weiteren Ermittlungsverfahren aus dem Jahr 1996 (S. 47 der VG-Akte 7 K 1232/01) konnte unter dem hier allein erheblichen Gesichtspunkt einer Gefährdungsprognose im Hinblick auf Gewalttätigkeiten keine maßgebliche Bedeutung mehr zukommen. Dies gilt um so mehr, als sich diese auf über fünf Jahre zurückliegende Vorfälle vom Mai 1996 bezogen. Dem entspricht es, dass die Verfahren in der Begründung der Verfügung vom 21.7.2001 keine Erwähnung fanden und dass auch nur das Verfahren vom November 1996 Eingang in die INPOL-Verbunddatei gefunden hat.
38 
Da es nach alledem bereits am Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG fehlte, bedarf es keiner Prüfung, ob die Beklagte das ihr in dieser Bestimmung eingeräumte Ermessen („können“) auch rechtsfehlerfrei ausgeübt hat.
39 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
40 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.

Sonstige Literatur

 
41 
Rechtsmittelbelehrung
42 
Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.
43 
Die Beschwerde ist beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Schubertstraße 11, 68165 Mannheim oder Postfach 10 32 64, 68032 Mannheim, innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils zu begründen.
44 
Die Beschwerde muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
45 
In der Begründung der Beschwerde muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
46 
Für das Beschwerdeverfahren besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde und für die Begründung. Danach muss sich jeder Beteiligte, soweit er einen Antrag stellt, durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen.
47 
Beschluss vom 7. Dezember 2004
48 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.000,-- EUR festgesetzt (§§ 25 Abs. 2, 14 Abs. 1, 13 Abs. 1 Satz 2 GKG a.F., vgl. § 72 Nr. 1 GKG i.d.F. des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts - Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - KostRMoG, BGBl. I, 2004, 718).
49 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Das Bundeskriminalamt kann Telefonanrufe aufzeichnen, die über Rufnummern eingehen, die der Öffentlichkeit bekannt gegeben wurden

1.
für die Entgegennahme sachdienlicher Hinweise im Zusammenhang mit der Erfüllung der Aufgaben nach den §§ 4 bis 8 oder
2.
im Hinblick auf ein bestimmtes Ereignis,
soweit dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist. Die Aufzeichnungen sind sofort und spurenlos zu löschen, sobald sie nicht mehr zur Aufgabenerfüllung erforderlich sind, spätestens jedoch nach 30 Tagen, es sei denn, sie werden im Einzelfall zur Erfüllung der Aufgaben nach den §§ 4 bis 6 benötigt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.