Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 27. Apr. 2012 - 9 A 3/11
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten um die Auflösung der Grundschule Hörnum wegen Unterschreitens der durch die Mindestgrößenverordnung festgelegten Mindestschülerzahl. Träger der Grundschule ist der klagende Schulverband.
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Im Dezember 2008 und März 2009 beschlossen die Schulkonferenz und der Schulverband Hörnum-Rantum als damaliger Träger der „Grundschule auf der Düne“ in Hörnum, diese mit der Grundschule St. Nicolai in Westerland zusammenzuschließen, um so einen dauerhaften Erhalt der eigenen Schule sicherzustellen. Entsprechend beschlossen auch die Schulkonferenz und die aus einer Fusion der Gemeinden Westerland, Sylt-Ost und Rantum zum 01.01.2009 entstandene Gemeinde Sylt als Schulträgerin der Grundschule St. Nicolai im Sommer 2009 eine organisatorische Verbindung beider Grundschulen. Gemäß vereinbartem Konzept sollte die Grundschule St. Nicolai die Hauptstelle und die Grundschule Hörnum eine Außenstelle werden.
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Mit Schreiben vom 31.07.2009 beantragte die Gemeinde Sylt beim Beklagten die organisatorische Verbindung der beiden Grundschulen. Das Schulamt des Kreises Nordfriesland wies ergänzend darauf hin, dass die geplante Verbindung auch seiner Schulentwicklungsplanung entspreche. Zugleich arbeite man an einer Zusammenführung des Schulverbandes Hörnum-Rantum mit dem klagenden A.. Der Beklagte teilte der Gemeinde Sylt daraufhin mit Schreiben vom 17.08.2009 mit, dass dem Antrag auf organisatorische Verbindung entsprochen werden könne, wenn die Frage der Schulträgerschaft geklärt sei. Mit Schreiben vom 05.10.2009 gab auch der beteiligte Kreiselternbeirat eine positive Stellungnahme ab. Der Erhalt der Grundschule Hörnum sei sinnvoll, um den Kindern weite Schulwege zu ersparen.
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Die vom Kläger beantragte Genehmigung der beschlossenen Übertragung der Trägerschaft der Grundschule Hörnum auf den Kläger erteilte der Beklagte durch Bescheid vom 08.01.2010 und erinnerte zugleich daran, dass die Grundschule schon seit langem nicht mehr die erforderliche Mindestgröße aufweise und dass deshalb der angekündigte Antrag auf Genehmigung der organisatorischen Verbindung mit der Grundschule St. Nicolai erwartet werde, sobald auch die Trägerschaft für die neu entstehende Schule geklärt sei.
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Nach einem Gespräch auf Sylt u.a. zwischen Schulträger und Schulrat Ende April 2010 machte der Schulrat mit Blick auf die Grundschule Hörnum das „Angebot“, für die Schuljahre 2010/11 und 2011/12 eine Zuweisung von Lehrerwochenstunden vorzunehmen, die in Hörnum über die schülerbezogene Zuweisung hinaus 46 Stunden wöchentlichen Unterricht ermöglicht. Voraussetzung sei aber, dass der Kläger zum 31.07.2012 die Auflösung der Grundschule Hörnum beschließe. Eine organisatorische Verbindung erübrige sich damit. Auf der Grundlage der formal fortgeltenden Schulentwicklungsplanung beschloss die Verbandsversammlung des Klägers hingegen am 21.06.2010, den Schulbetrieb in Hörnum langfristig aufrechtzuerhalten und unterstützte damit die Anstrengungen der Elternschaft, der Lehrkräfte und der lokalen Politik für den Erhalt der Grundschule. Der Schulrat wurde entsprechend informiert. Um in Hörnum für die Jahrgangsstufen 1 – 4 einen übergreifenden Unterricht ermöglichen zu können, ordnete das Schulamt vorübergehend zwei Lehrkräfte von Morsum nach Hörnum ab.
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Mit Schreiben vom 04.08.2010 beantragte der Kläger beim Beklagten die Änderung der Mindestgrößenverordnung durch Aufnahme Hörnums in den Ausnahmekatalog des § 1 Abs. 3 MindGrVO. Der Antrag wurde abgelehnt mit der Begründung, dass die dort genannten Ausnahmen unter pädagogischen, schulorganisatorischen und wirtschaftlichen Erwägungen auf unabweisbare Ausnahmen beschränkt bleiben müssten. Die geografischen Besonderheiten der Insel Sylt seien nicht vergleichbar mit denen auf den in der Ausnahmeregelung genannten Inseln und Halligen, die nur eine Schule hätten und von wo aus ein Schulbesuch auf dem Festland für Grundschulkinder nicht möglich sei.
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Mit Schreiben vom 19.07.2010 hörte der Beklagte den Kläger zur nunmehr geplanten Auflösung der Grundschule Hörnum zum 31.07.2011 gemäß § 61 Abs. 2 SchulG an. Dazu wies der Kläger daraufhin, dass die Grundschule Hörnum bereits seit dem 01.01.2010 in seiner Trägerschaft stehe und dass die Herstellung einer einheitlichen Schulträgerschaft weiter vorbereitet werde. Die auch im Schulentwicklungsplan 2008 vorgesehene organisatorische Verbindung beider Schulen sei bereits mit Schreiben vom 31.07.2010 beantragt worden. Der Beklagte habe sich hierzu positiv geäußert. Zudem habe das Schulamt, obwohl die Schülerzahl unter 40 lag, die erforderlichen Lehrerwochenstunden zugewiesen. Dies komme einer Genehmigung gleich oder habe jedenfalls einen entsprechenden Vertrauenstatbestand geschaffen.
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Zum 01.08.2010 vereinbarten die Gemeinde Sylt und der Kläger den Wechsel der Schulträgerschaft für die Grundschule mit Förderzentrumsteil St. Nicolai, um die Schulträgerschaft zwecks Verbindung mit der Grundschule Hörnum beim Kläger zu vereinheitlichen. Der Kläger teilte dies dem Beklagten mit Schreiben vom 20.09.2010 mit, bat um entsprechende Genehmigung des Trägerwechsels und erneuerte seinen Antrag auf Genehmigung der organisatorischen Verbindung beider Schulen.
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Der Kreiselternbeirat teilte dem Kläger mit Schreiben vom 23.08.2010 mit, dass er die Schließung der Grundschule Hörnum nicht für wünschenswert halte, aber Zweifel daran habe, ob die angestrebte organisatorische Verbindung einen qualifizierten Unterricht sicherstelle und damit eine sinnvolle Alternative sei. Die Gemeinde Hörnum sprach sich gegen eine Schulschließung und für eine organisatorische Verbindung aus. Eine Beförderung von 6-jähigen Grundschulkindern mit einem öffentlichen Bus über 18 km sei nicht hinnehmbar, wenn vor Ort ein hervorragender Schulstandort vorhanden sei. Eine Gleichbehandlung mit Nordstrand sei geboten, weil auch dort über einen Straßendamm eine Verbindung zur nächsten Grundschule auf dem Festland bestehe.
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Mit Bescheid vom 15.11.2010, zugestellt am 16.12.2010, ordnete der Beklagte die Auflösung der Grundschule Hörnum zum 31.07.2011 an (§ 61 Abs. 2 SchulG) und lehnte zugleich den Antrag auf Genehmigung einer organisatorischen Verbindung mit der Grundschule mit Förderzentrumsteil St. Nicolai ab (§ 60 SchulG). Zum Trägerwechsel ergehe noch ein gesonderter Bescheid.
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Die Auflösung könne angeordnet werden, weil sich mit In-Kraft-Treten der Mindestgrößenverordnung zum 01.08.2007 und der seitdem geltenden Mindestzahl von 80 Schülerinnen und Schülern an Grundschulen die maßgebenden Voraussetzungen wesentlich geändert hätten und diese von der Grundschule Hörnum weder derzeit noch in absehbarer Zukunft erreicht werde. Im Rahmen der Ermessensbetätigung sei maßgeblich, dass die Schülerzahl schon seit vielen Jahren unter der Mindestzahl liege. Zurzeit besuchten nur 24 Kinder die Schule, davon zehn in Jahrgangsstufe 4, so dass im Schuljahr 2011/12 eine Zahl von unter 20 zu erwarten sei. Wegen des weiteren Rückgangs sei auch eine Aufrechterhaltung der Schule als Außenstelle innerhalb einer organisatorischen Verbindung nicht sinnvoll, weil sie dem Gebot sparsamen Ressourceneinsatzes widerspreche. Die schülerbezogene Lehrerzuweisung (Maßstab seien bei Grundschulen 22 Schülerinnen und Schüler pro Lerngruppe) müsse eine ausreichende Unterrichtsversorgung und die verbindlich vorgegebene Verlässlichkeit der Grundschule sichern, dies sei bei unter 20 Schülern insgesamt in den Jahrgangsstufen 1 - 4 auch bei Weiterführung als Außenstelle nicht möglich. Die geltende Mindestgrößenverordnung lasse eine Ausnahme nicht zu; eine Änderung komme nicht in Betracht. Ein Vertrauenstatbestand sei nicht geschaffen worden. Die ursprünglichen Planungen hätten aus den genannten Gründen aufgegeben werden müssen. Die aktuelle Lehrerwochenstundenzuweisung sei nur zur Überbrückung und im Interesse der gegenwärtig beschulten Kinder erfolgt, sei aber auf Dauer weder ökonomisch noch pädagogisch vertretbar. Ein Vertrauenstatbestand ergebe sich auch nicht daraus, dass die Schule schon längere Zeit unterhalb der Mindestschülerzahl liege. Nach Inkrafttreten der Mindestgrößenverordnung und gemäß dessen § 2 seien die Schulentwicklungsplanung zu aktualisieren und - bei sich verstetigender Tendenz - Anpassungsmaßnahmen einzuleiten gewesen. Dabei sei die angestrebte organisatorische Verbindung keine geeignete Anpassungsmaßnahme und mangels öffentlichen Bedürfnisses nicht genehmigungsfähig, da trotz jahrgangsübergreifenden Lernens nicht mal eine Lerngruppe mit 22 Kindern zustande komme. Dies widerspreche auch dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, § 7 Abs. 1 LHO. Frühere Erwartungen an einen relevanten Anstieg der Schülerzahlen würden sich nicht bestätigen, den örtlichen Kindergarten besuchten zurzeit nur 23 Kinder. Schließlich müsse die für Hörnumer Kinder entstehende Schulweglänge auch von anderen Kindern im Land bei noch längerer Fahrzeit täglich in Kauf genommen werden. Einen Ausgleich hierfür biete das bessere schulische Angebot mit qualifiziertem Fachunterricht in allen Fächern und Jahrgangsstufen.
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Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 10.01.2011 zunächst Anfechtungsklage erhoben und diese am 23.03.2011 hinsichtlich der weiter verfolgten Genehmigung einer organisatorischen Verbindung um einen Verpflichtungsantrag erweitert.
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Auf der Grundlage der gegenüber den Schulämtern für das Schuljahr 2011/12 vorgenommenen Planstellenzuweisungen hat der Beklagte im April 2011 die sofortige Vollziehung der Auflösung zum 31.07.2011 angeordnet.
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Der Kläger ist der Auffassung, dass er den Verpflichtungsantrag im Wege der sachdienlichen Klageänderung nicht verspätet eingebracht habe, weil die rechtzeitige Klageerhebung am 11.01.2011 nicht auf die Auflösung der Grundschule beschränkt gewesen sei, sondern sich auf den gesamten Bescheid vom 15.11.2010 bezogen habe. Im Übrigen sei der Anspruch auf Genehmigung der organisatorischen Verbindung auch unter dem Gesichtspunkt der ermessenswidrigen Auflösungsverfügung geltend gemacht. Der nachgereichte Verpflichtungsantrag beziehe sich deshalb auch auf die gleichen Gründe und enthalte nur eine Präzisierung des Antrags. In der Sache erkennbar gehe es dem Kläger um das Fortbestehen der Schule, die ihrerseits nur durch eine organisatorische Verbindung sicherzustellen sei.
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Die Auflösung der Schule greife in sein Recht auf Integrität als Schulträger ein, §§ 53, 56, 57 SchulG. Sie sei rechtswidrig, weil sie die Grenzen des von § 61 Abs. 2 SchulG eingeräumten Ermessens überschreite. Daraus ergebe sich zugleich die Begründetheit des Verpflichtungsbegehrens auf der Grundlage des § 60 Abs. 2 SchulG.
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Die Auflösung sei zunächst deshalb unverhältnismäßig, weil der Kläger einen Anspruch auf Zulassung einer Ausnahme von den Maßgaben der Mindestgrößenverordnung habe. Ihm stehe ein Anspruch auf Aufnahme Hörnums in die Ausnahmeklausel des § 1 Abs. 3 MindGrVO zu, weil die Verordnung in ihrer derzeitigen Fassung gegen die Ermächtigungsgrundlage des § 52 SchulG und der dieser innewohnenden Maßgabe, keine gleichheitswidrigen Regelungen zu treffen, verstoße. Der Gleichheitsverstoß liege darin begründet, dass die Ausnahmeregelung in § 1 Abs. 3 auf die Randlage der dort genannten Inseln abstelle, auf denen nur eine Schule bestehe und der Besuch einer Schule auf dem Festland nicht möglich sei. Insoweit befinde sich Hörnum auf Sylt in mindestens derselben Situation wie die mit dem Festland sturmflutsicher verbundene Halbinsel Nordstrand; beide Orte seien zwar keine Inseln, aber von beiden Orten aus sei der Schulbesuch wegen der Randlage erschwert und die Wegstrecke zur nächsten Schule in etwa gleich lang. Für eine Ungleichbehandlung von Nordstrand und Hörnum gebe es keine ausreichend gewichtigen Gründe. Der deshalb festzustellende Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz könne im vorliegenden Zusammenhang zwar nicht zu einem inzident zuzusprechenden Anspruch auf Änderung der Verordnung führen, mache die Ermessensbetätigung des Beklagten aber fehlerhaft, weil er einen solchen Anspruch fälschlich verneine. Vor einer neuen Entscheidung sei der Verordnungsgeber aufgerufen, den Gleichheitsverstoß zu beheben. Ebenfalls wegen der Randlage und der damit verbundenen unzumutbar langen Schulwege sei auch eine Ausnahmen nach § 1 Abs. 4 MindGrVO zu machen. Der Schulweg von einer Hörnumer Wohnung bis zur Schule in Westerland betrage leicht 45 min pro Wegstrecke. Ein solcher Zeitaufwand sei Schülerinnen und Schüler des Primarbereichs anerkanntermaßen nicht zumutbar. Zudem seien bei der Bestimmung der Unzumutbarkeit auch die Gefährlichkeit der Verkehrsverhältnisse sowie sonstige physische und psychische Belastungen zu berücksichtigen. Die angeordnete Auflösung sei weiter auch deshalb unverhältnismäßig, weil die Voraussetzungen einer organisatorischen Verbindung der Grundschule Hörnum mit der Grundschule mit Förderzentrumsteil St. Nicolai gemäß § 60 Abs. 2 SchulG erfüllt seien. Die nach § 52 SchulG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 MindGrVO festgesetzte Mindestschülerzahl werde bei einer solchen Verbindung erreicht und die Schulentwicklungsplanung des Schulträgers und des Kreises seien berücksichtigt. Ein weitergehendes öffentliches Bedürfnis nach organisatorischer Verbindung entsprechend § 58 Abs. 2 SchulG sei gegeben. Bei der gebotenen Würdigung und Abwägung aller entscheidungserheblichen Umstände des Einzelfalls seien v.a. die Bevölkerungszahl, die Dichte der Besiedelung, die Verkehrslage, die Schulverhältnisse in Nachbargemeinden und das erkennbare Interesse der Erziehungsberechtigten sowie der Schülerinnen und Schüler selbst zu berücksichtigen. Werde - wie hier - die Schwelle der Unzumutbarkeit des Schulwegs überschritten, sei deshalb auch ein öffentliches Bedürfnis nach dem Fortbestand eines Schulangebots in Hörnum gegeben; haushaltsrechtliche Erwägungen könnten ein unzumutbares Vorgehen gegenüber den Schülerinnen und Schülern nicht rechtfertigen. Lägen die Voraussetzungen der Genehmigung vor, sei diese mangels Ermessensspielraum auch zu erteilen. Auf die nur noch fehlende Genehmigung der organisatorischen Verbindung und der nur deshalb noch gegebenen Unterschreitung der Mindestgröße habe die Auflösung der Schule deshalb nicht gestützt werden dürfen. Schließlich stehe der Auflösung der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes als Aspekt des Rechtsstaatsprinzips entgegen, auf den sich der Kläger als Verbandskörperschaft nicht nur aus allgemeinen rechtsstaatlichen Erwägungen heraus berufen könne, sondern auch aufgrund der die Funktionsfähigkeit schützenden Art. 28 Abs. 2 GG und Art. 46 Abs. 1 LV. Der Beklagte habe vorprozessual einen entsprechenden Vertrauenstatbestand geschaffen und unterhalten, dann aber seine Auffassung geändert, ohne dass der Kläger hierfür eine Ursache gesetzt oder sich sonst die Sachlage vor Ort geändert hätte. Der Kläger habe sich darauf verlassen und die noch erforderlichen Beschlüsse zwecks Übertragung der Schulträgerschaft herbeigeführt. Zudem habe der Beklagte auch nicht die sonst übliche zweijährige Karenzzeit eingehalten.
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Der Kläger beantragt,
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den Bescheid vom 15.11.2010 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die unter dem 31.07.2009 beantragte Genehmigung der organisatorischen Verbindung der Grundschule auf der Düne mit der Grundschule mit Förderzentrumsanteil St. Nicolai zu erteilen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er meint, dass die Verpflichtungsklage wegen Ablaufs der Klagefrist schon unzulässig sei. Sie beziehe sich auf die Ablehnung der beantragten Genehmigung einer organisatorischen Verbindung und damit auf einen eigenständigen Verwaltungsakt, der nur rein äußerlich mit der ebenfalls eigenständigen Schulauflösung in einem Bescheid zusammengefasst worden sei. Die am 10.01.2011 fristwahrend erhobene Anfechtungsklage sei erkennbar nur auf die Schulauflösung beschränkt gewesen, sodass die Ablehnung der beantragten Genehmigung, die einen anderen Streitgegenstand beinhalte, Bestandskraft erlangt habe.
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Die Auflösung gemäß § 61 Abs. 2 SchulG sei rechtmäßig, weil sich die für das Weiterbestehen einer Schule maßgebenden Voraussetzungen mit In-Kraft-Treten der Mindestgrößenverordnung zum 01.08.2007 wesentlich geändert hätten. Die für Grundschulen vorgegebene Mindestzahl von 80 Schülerinnen und Schülern werde in Hörnum weder gegenwärtig noch künftig erreicht werden.
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Ermessensfehler lägen nicht vor. Ein Fortbestand der Schule sei weder mit dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (§ 7 Abs. 1 LHO) zu vereinbaren noch pädagogisch vertretbar, nachdem zum Schuljahresbeginn 2011/12 nur noch mit 15 Schülerinnen und Schülern zu rechnen sei. Die einer Schule zuzuweisenden Lehrerwochenstunden würden pro Schüler mit 1,14 Stunden berechnet, so dass der Grundschule nur 17,1 Lehrerwochenstunden zugewiesen werden könnten. Diese genügten nicht, um die vorgeschriebene Verlässlichkeit der Grundschule, einen qualifizierten Fachunterricht in allen Fächern und Jahrgangsstufen und die Wahrnehmung der gebotenen Aufsichtspflichten sicherzustellen. Hierzu bedürfe es bei jahrgangsübergreifendem Lernen mindestens 46 Lehrerwochenstunden, die wiederum erst bei 40 Schülerinnen und Schülern zu gewähren wären. Eine Zuweisung darüber hinausgehender Lehrerwochenstunden ginge zulasten anderer Grundschulen und der Bildungschancen der dortigen Schülerinnen und Schüler. Eine Ausnahme wie in § 1 Abs. 3 MindGrVO für bestimmte Inseln und Halligen vorgesehen komme nicht in Frage. Diese Ausnahmeregelung liege im Rahmen des dem Verordnungsgeber zustehenden Ermessens und verstoße in ihrer jetzigen Fassung nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz. Ihr lägen geografische Gegebenheiten zu Grunde, die Sylt nicht aufweise. Erfasst werden sollten Inseln und Halligen, auf denen jeweils nur eine Schule zur Verfügung stehe und die Schulkinder sonst eine Schule auf dem Festland besuchen müssten. Dies sei zwar auf Nordstrand, nicht aber auf Sylt der Fall, die dortigen Verhältnisse entsprächen eher denen auf Föhr und Fehmarn. Auch eine Ausnahme nach § 1 Abs. 4 MindGrVO scheide aus. Hier seien nur befristete Ausnahmen vorgesehen, um den verantwortlichen Stellen bei Unterschreiten der Mindestschülerzahl Gelegenheit zu geben, Beschulungsalternativen zu entwickeln. Der Fortbestand der Grundschule Hörnum seit In-Kraft-Treten der Mindestgrößenverordnung beruhe bereits auf dieser Ausnahmeregelung. Dessen ungeachtet bestehe auch kein unzumutbar langer Schulweg; je nach schulspezifischen und geografischen Bedingungen, insbesondere auch je nach Verkehrsinfrastruktur seien Schulwege inklusive Fußweg zum Bus von bis zu 60 min noch zumutbar. Ein solcher Weg müsse auch von anderen Grundschülern im Land tagtäglich bewältigt werden. Schließlich bleibe es dem Schulträger unbenommen, einen eigenen Schulbusverkehr einzurichten, wie es auch für die Schülerinnen und Schüler aus List erfolgt sei.
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Es bestehe auch kein Anspruch auf organisatorische Verbindung gemäß § 60 Abs. 2 SchulG, weil dafür kein öffentliches Bedürfnis i.S.d. § 58 Abs. 2 SchulG bestehe, eine Verbindung vielmehr dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit widerspreche. Als Träger öffentlicher Verwaltung könne sich der Kläger schließlich auch nicht auf einen Vertrauenstatbestand berufen, vielmehr habe auch er darauf zu achten, dass öffentliche Mittel sachgerecht verwendet würden. In durchgehender Kenntnis der geringen Schülerzahlen wäre ein solches Vertrauen auch zu keiner Zeit berechtigt gewesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und des beigezogenen Verwaltungsvorganges Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist vollumfänglich zulässig, aber unbegründet.
A.
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Nach Zustellung des angegriffenen Bescheides am 16.12.2010 hat der Kläger am 10.01.2011 unmittelbar, d.h. ohne Durchführung eines Vorverfahrens und rechtzeitig binnen eines Monats Anfechtungsklage erhoben (§ 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, § 74 Abs. 1 VwGO). Der auf Genehmigung der organisatorischen Verbindung gerichtete Verpflichtungsantrag wurde zwar erst im März 2011 eingebracht, ist deshalb aber nicht unzulässig. Bei der Einbringung dieses zusätzlichen Antrages handelt es sich um eine Klageänderung gemäß § 91 Abs. 1 VwGO. Sie ist zuzulassen, weil sie prozessökonomisch und damit sachdienlich ist. Die gleichzeitige Entscheidung über das Verbindungsbegehren drängt sich schon deshalb auf, weil der Kläger das Bestehen dieses Anspruchs als Begründung für die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Auflösung der Grundschule anführt. Mit dieser Entscheidung kann der zwischen den Beteiligten bestehende Streit über den Fortbestand der Grundschule Hörnum endgültig abgeschlossen werden.
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Gleichzeitig sind für das Verpflichtungsbegehren auch die übrigen Prozessvoraussetzungen erfüllt. Ihr Vorliegen wird von der Annahme der Sachdienlichkeit einer Klageänderung grundsätzlich nicht überspielt (BVerwG, Urt. v. 30.10.1997 - 3 C 35/96 - BVerwGE 105, 288, in juris Rn. 35 ff.; Kopp/ Schenke, VwGO, 17. Aufl., § 91 Rn. 31). Insbesondere war die Klagefrist nach § 74 Abs. 2 VwGO nicht mehr einzuhalten, weil der Kläger bereits die rechtzeitig erhobene Anfechtungsklage auf den gesamten Bescheid bezogen und damit nicht nur die Auflösung, sondern auch die zugleich enthaltene Ablehnung der Genehmigung erfasst hatte mit der Folge, dass diese jedenfalls nicht in Bestandskraft erwachsen konnte. Für die Bestimmung des Klagebegehrens (§ 88 VwGO) misst die Kammer nicht der Bezeichnung im Klagerubrum maßgebliche Bedeutung bei („Anfechtung der Anordnung der Auflösung der Grundschule“), sondern dem zugleich angekündigten Antrag („den in Ablichtung... beigefügten Bescheid ... aufzuheben“), dem kein Hinweis auf eine nur teilweise gewollte Anfechtung zu entnehmen ist. Eine zur Teilbestandskraft führende Teilanfechtung hätte eindeutig als gewollt erkennbar sein müssen (Kopp/ Schenke, a.a.O. Rn. 32). Davon kann auch in Anbetracht der ausdrücklich zunächst nur zur Fristwahrung erhobenen Klage und der im Schreiben vom 23.03.2011 (nur) vorgenommenen „Präzisierung“ des Antrages nicht ausgegangen werden. So beinhaltete die (klagändernde) Erweiterung vom Anfechtungs- zum Verpflichtungsantrag bezüglich der abgelehnten Genehmigung der Sache nach keinen neuen Streitgegenstand, sondern hielt sich im Rahmen der ursprünglichen Klagegründe. Die Erweiterung ist auch sachdienlich, weil eine isolierte Anfechtung der ausgesprochenen Ablehnung einer Genehmigung zu keiner Streit abschließenden Entscheidung geführt hätte.
B.
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Die Klage ist aber unbegründet, weil der Bescheid vom 15.11.2010 mit der angeordneten Auflösung der Hörnumer Grundschule und der zugleich ausgesprochenen Ablehnung der Genehmigung der beantragten organisatorischen Verbindung dieser Grundschule mit einer anderen Grundschule insgesamt rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 und 5 VwGO.
1.
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Die für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides maßgebliche Sach- und Rechtslage ist die zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Dies gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht nur für Verpflichtungsklagen, sondern auch für Anfechtungsklagen, wenn diese sich gegen einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung wenden (Urt. v. 25.04.2001 - 6 C 6/00 - BVerwGE 114, 160 in juris Rn. 18). Ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung liegt vor, wenn von ihm eine fortdauernde Rechtsbeeinträchtigung ausgeht (Urt. v. 28.01.1988 - 3 C 48/85 - NJW 1988, 2056, in juris Rn. 15). So liegt es auch hier. Die Auflösung der Grundschule Hörnum stellt sich als eine sich ständig aktualisierende Verpflichtung des Klägers dar, in Hörnum keine Grundschule mehr zu vorzusehen.
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Nach dem gegenwärtig geltenden Schulgesetz (i.d.F. v. 24.01.2007, GVOBl 2007, 39, zuletzt geändert durch G. v. 28.01.2011, GVOBl 2011, 23, ber. 2011, 48 und Ges. v. 22.03.2012, GVOBl 2012, 371, 385) wirken das Land und die Schulträger bei der Errichtung, Änderung und Auflösung von Schulen zusammen, § 57 SchulG. Ebenso wie über die Errichtung (§ 58 SchulG) kann der Schulträger zunächst auch über eine Änderung oder Auflösung selbst entscheiden, bedarf dafür aber einer Genehmigung der Schulaufsichtsbehörde, §§ 59 Satz 1, 58 Abs. 1 SchulG. Insbesondere die Genehmigung einer Auflösung setzt voraus, dass unter Berücksichtigung der Schulentwicklungsplanung ein öffentliches Bedürfnis für die geplante Maßnahme besteht, §§ 59 Satz 1, 58 Abs. 2 SchulG. Entsprechendes gilt nach § 60 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 SchulG für die organisatorische Verbindung durch Zusammenfassung von bestehenden Schulen oder Teilen davon zu einer neuen Schule. Dabei stellt § 60 Abs. 1 Satz 3 SchulG klar, dass die organisatorische Verbindung zu einer Auflösung vollständig eingebundener Schulen führt und dass § 58 Abs. 1 und 2 und § 59 Satz 1 keine Anwendung finden. Dies kann bei verständiger Würdigung des Regelungszusammenhanges und unter Berücksichtigung der Gesetzesbegründung nur bedeuten, dass weder für die mit jeder Verbindung einhergehenden Errichtung einer neuen Schule noch für die zugleich gesetzlich angeordnete Auflösung bisheriger Schulen die zuvor genannten Vorschriften der §§ 58 Abs. 1 und 2, § 59 Satz 1 SchulG gelten, weil das Verfahren, die Zuständigkeiten und die Voraussetzungen für die organisatorische Verbindung stattdessen zusammenfassend in § 60 geregelt sind, es hier also insbesondere bei der Genehmigung nicht auf ein öffentliches Bedürfnis ankommen soll, weil das bisherige Angebot im Ergebnis aufrechterhalten wird (vgl. LT-Drs. 16/1000 S. 193 zum insoweit unveränderten § 60 Abs. 1 - im Gesetzentwurf für das Schulgesetz 2007 noch § 62 Abs. 1). Die Genehmigungsvoraussetzungen sind stattdessen in § 60 Abs. 2 SchulG geregelt (dazu mit Stand bis zum 03.02.2011: Urt. der Kammer v. 21.04.2010 - 9 A 253/10 -) und durch das Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes vom 28.01.2011 (a.a.O.) nochmals geändert worden (dazu unten). Entschließt sich hingegen nicht der Schulträger zu einer Errichtung, Auflösung oder organisatorischen Verbindung, stellt aber die Schulaufsichtsbehörde fest, dass sich die für das Weiterbestehen einer Schule maßgebenden Voraussetzungen wesentlich geändert haben, kann diese nach Anhörung des Schulträgers u.a. die Änderung der Schule, deren Auflösung oder organisatorische Verbindung mit einer anderen Schule anordnen, § 61 Abs. 2 SchulG.
2.
- 32
Dies vorausgeschickt hat der Beklagte als zuständige Schulaufsichtsbehörde gemäß § 125 Abs. 2, § 126 Abs. 1 SchulG (vgl. Kammerurteil a.a.O.) von seinen Kompetenzen in rechtmäßiger Weise Gebrauch gemacht, indem er, statt die beantragte organisatorische Verbindung zu genehmigen, die Auflösung der Hörnumer Grundschule anordnete.
a.
- 33
Die materiellen Voraussetzungen des § 61 Abs. 2 SchulG für eine Auflösung liegen vor. Mit dem Inkrafttreten der Landesverordnung über die Bestimmung der Mindestgröße von öffentlichen allgemein bildenden Schulen und Förderzentren (MindGrVO v. 11.06.2007, NBl MBF Schl.-H. S. 145 ) auf der Grundlage des § 52 SchulG zum 01.08.2007 und dessen Bestimmung in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MindGrVO, wonach für Grundschulen eine Mindestschülerzahl von 80 Schülerinnen und Schülern gilt, hatten sich die für das Weiterbestehen der Hörnumer Grundschule maßgebenden Voraussetzungen wesentlich geändert. Unstreitig erfüllte sie diese Mindestschülerzahl schon seit Jahren nicht mehr. Laut Schulentwicklungsplan des Kreises vom 15.01.2008 lag die Schülerzahl schon seit 2003 unter 50. Bereits bei Erlass des Bescheides am 15.11.2010 besuchten nur noch 24 Kinder die Schule. Diese Tendenz hat sich bis heute weiter verstetigt. Der vom Beklagten aktualisierten Darstellung der Entwicklung hat der Kläger nicht widersprochen. Danach wäre für die im Schuljahr 2010/11 in Jahrgangsstufe 4 beschulten zehn Kinder zum folgenden Schuljahr 2011/12 nur ein Kind neu eingeschult worden, sodass sich eine Schülerzahl von nur noch 15 ergeben hätte. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich oder vorgetragen, dass dies absehbar ein nur vorübergehender Zustand gewesen wäre. Da Hörnum auch nicht unter den bestehenden Ausnahmekatalog des § 1 Abs. 3 MindGrVO fällt („Die Mindestgrößen gelten nicht für Schulen auf Helgoland, Amrum, Pellworm und Nordstrand sowie den Halligen“), liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Auflösung vor.
b.
- 34
Die Anordnung der Auflösung steht im Ermessen, Ermessensfehler i.S.d. § 114 Satz 1 VwGO sind entgegen der Auffassung des Klägers nicht erkennbar.
aa.
- 35
Insbesondere ergibt sich kein Ermessensfehler aus dem Umstand, dass der Schulstandort Hörnum im Ausnahmekatalog des § 1 Abs. 3 MindGrVO nicht vorgesehen ist und der Beklagte verkannt hätte, dass dem Kläger wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz ein Anspruch auf Aufnahme des Schulstandorts Hörnum zusteht, weil dieser sich ebenso wie Nordstrand in einer Randlage befindet, die zu einer unzumutbaren Schulweglänge führt. Losgelöst von der Frage, inwieweit sich der Kläger als Gebietskörperschaft des öffentlichen Rechts in Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben überhaupt auf das Grundrecht des Art. 3 Abs. 1 GG berufen kann, vermag die Kammer einen solchen Verstoß jedenfalls im Ergebnis nicht zu erkennen.
- 36
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebietet der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG „dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen. Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können“ (zuletzt BVerfG, Beschl. v. 07.02.2012 - 1 BvL 14/07 - in juris Rn. 40 m.w.N.).
- 37
Zur Ausnahmeregelung des § 1 Abs. 3 MindGrVO erläutert der Beklagte, der die Verordnung auf der Grundlage des § 52 SchulG selbst erlassen hat, dass sie aus pädagogischen, schulorganisatorischen und wirtschaftlichen Erwägungen auf „unabweisbare Ausnahmefälle“ beschränkt sei und deshalb nur solche Inseln und Halligen aufführe, auf denen nur eine Schule existiere und ein Schulbesuch auf dem Festland nicht möglich sei. Geografisch betrachtet gelte dies auch für Nordstrand, nicht aber für Sylt, weil es dort mehrere Grundschulen gebe; von Hörnum aus sei eine dieser Grundschulen auf dem Landweg und noch zumutbar mit öffentlichem Busverkehr zu erreichen. Das so beschriebene Regelungsziel erscheint der Kammer durchaus geeignet, den Ausnahmekatalog möglichst eng zu halten. Es erklärt allerdings nicht, warum auch Nordstrand erfasst ist. Zutreffend stellt der Kläger fest, dass Nordstrand keine Insel, sondern nur eine Halbinsel ist, weil hier über einen Damm eine feste Straßenverbindung zum Festland führt. Würde die einzige öffentliche Grundschule auf Nordstrand unter die Mindestschülerzahl fallen und wäre sie - den Ausnahmetatbestand hinweg gedacht - aufzulösen, müssten die Nordstrander Kinder mit dem Bus einen Schulweg von bis zu 18 km bis zur nächsten Grundschule in Hattstedt auf sich nehmen, wären aber nicht auf einen deutlich umständlicheren Schiffs- oder Fährverkehr angewiesen, wie die Schulkinder auf den anderen Inseln oder Halligen. Damit aber gehört Nordstrand nach der eigenen Definition und Zwecksetzung des Verordnungsgebers nicht in den Ausnahmekatalog, weil ein „unabweisbarer Ausnahmefall“ insoweit nicht gegeben ist. Maßgeblich bei der Beurteilung der Frage, ob ein „unabweisbarer Ausnahmefall“ gegeben ist, kann nicht allein die geografische Lage sein; maßgebliches Kriterium muss im vorliegenden Zusammenhang vielmehr die Frage sein, ob eine andere Schule über eine straßenmäßige (Fest-) Landverbindung oder nur über eine Verbindung per Schiff oder Fähre zu erreichen wäre. Denn einen solchen Schulweg, wie ihn die Nordstrander Kinder bei Auflösung der einzigen Grundschule zu bewältigen hätten, will der Beklagte gerade auch den Hörnumer Kindern - bis zur nächsten Grundschule auf Sylt, namentlich in Morsum, Tinnum oder Westerland - zumuten und mutet ihn aller Wahrscheinlichkeit nach auch schon jetzt anderen Schulkindern im ländlichen Raum zu.
- 38
Unter diesen Umständen kann offen bleiben, ob der Verordnungsgeber für Nordstrand eine gegenüber Hörnum ungleiche Begünstigung vorsieht. Jedenfalls behandelt er ohne erkennbaren angemessenen Sachgrund schon innerhalb der bestehenden Ausnahmeregelung Ungleiches gleich, indem er die Ausnahmeregelung über das selbst definierte Maß für Inseln und Halligen als „unabweisbare Ausnahmefälle“ hinaus auf die Nordstrander Halbinsel erstreckt, ohne dass für diese ungleiche Begünstigung ein angemessener Sachgrund ersichtlich wäre. Passt aber das vom Beklagten mit Blick auf das klägerische Ansinnen selbst definierte Differenzierungsziel schon nicht auf Nordstrand, ist also Nordstrand objektiv betrachtet zu Unrecht in die Ausnahmeregelung aufgenommen, würde der Kläger eine Gleichbehandlung im Unrecht verlangen, auf die Art. 3 Abs. 1 GG nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts keinen Anspruch vermittelt (BVerfG, Beschl. v. 12.09.2007 - 2 BvR 1413/06 - NVwZ-RR 2008, 44, in juris Rn. 16; Beschl. v. 17.01.1979 - 1 BvL 25/77 - BVerfGE 50, 142 ff, juris Rn. 59). Auf die Frage, ob und wie der Verordnungsgeber die festgestellte Ungleichbehandlung beheben könnte, kommt es von daher nicht an.
bb.
- 39
Der Beklagte hat auch nicht ermessensfehlerhaft übersehen, dass der Kläger einen Anspruch auf Ausnahme nach § 1 Abs. 4 MindGrVO hätte. Diese Regelung sieht keine auf Dauer angelegte, sondern nur eine zeitlich befristete Ausnahme vor, um dem Schulträger und dem Kreis die Möglichkeit zu verschaffen, bei Unterschreitung der Mindestgröße nach Maßgabe des § 2 MindGrVO zu reagieren, indem entweder die Schulentwicklungsplanung aktualisiert oder innerhalb der folgenden zwei Jahre andere geeignete Anpassungsmaßnahmen geprüft und ggf. eingeleitet werden. Insofern liefe das klägerische Begehren auf ein weiteres, seit In-Kraft-Treten der Mindestgrößenverordnung ohnehin schon praktiziertes ausnahmsweises Absehen von der vorgegebenen Mindestgröße hinaus und käme schon wegen der seitdem verstrichenen Zeit jetzt nicht mehr in Betracht. Während der bis zum Bescheiderlass schon verstrichenen drei Jahre hatten der Kreis und der Beklagte als Schulaufsichtsbehörde, ohne dass dies zu beanstanden wäre, festgestellt, dass sich die Unterschreitung der vorgegebenen Mindestschülerzahl in der Tendenz weiter verstetigt, eine Anpassungsmaßnahme, insbesondere eine organisatorische Verbindung, deswegen aber weder geboten noch sachlich zu rechtfertigen sei. Dies ergibt sich aus den nachfolgenden Ausführungen zur ermessensgerechten Abwägung der widerstreitenden Interessen an der Auflösung der Schule einerseits oder ihrer Aufrechterhaltung als Außenstelle nach organisatorischer Verbindung mit einer anderen Schule andererseits:
cc.
- 40
Aus dem Umstand, dass der Kläger unter Berufung auf einen entsprechenden Anspruch aus § 60 SchulG eine organisatorische Verbindung anstrebt, um so eine künftige Unterschreitung der Mindestschülerzahl zu vermeiden, folgt nicht, dass die vom Beklagten angeordnete Auflösung ermessensfehlerhaft wäre. Unter den gegebenen tatsächlichen Umständen ist es vielmehr nicht zu beanstanden, dass er im Rahmen der gebotenen Abwägung die Interessen des Klägers als Schulträger einschließlich der von ihm vorgetragenen Schülerinteressen an einem wohnortnahen Schulstandort zurückstellt und demgegenüber das öffentliche Interesse an der Auflösung der Hörnumer Grundschule überwiegen lässt.
- 41
Dabei lägen die gesetzlichen Voraussetzungen einer organisatorischen Verbindung zweier Schulen gleicher Schulart durch den Kläger als Schulträger gemäß § 60 Abs. 1 und 2 SchulG vor. Die von § 60 Abs. 2 Satz 1 und 2 SchulG geforderte Erfüllung der Mindestgröße durch zumindest eine Grundschule wäre in der Grundschule mit Förderzentrumsanteil St. Nicolai unstreitig gegeben. Sie verfügt gegenwärtig über 111 Schülerinnen und Schüler allein am Grundschulteil (http://schulportraets.schleswig-holstein.de/0702407/8-1/). Auf das Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses i.S.d. § 58 Abs. 2 SchulG kommt es nach der eindeutigen Aussage des § 60 Abs. 1 Satz 3 SchulG nicht an. Sobald der Beklagte auch den bereits zwischen der Gemeinde Sylt und dem Kläger zum 01.08.2010 vertraglich vereinbarten Trägerwechsel für die Grundschule St. Nicolai antragsgemäß genehmigen würde, wären auch die Vorgaben des hier anzuwendenden § 53 Satz 2 SchulG als sonstige Vorschrift des Schulgesetzes (so Urt. v. 21.4.2010 - 9 A 253/09 -) erfüllt.
- 42
Einen Anspruch auf Erteilung der Genehmigung könnte der Kläger dennoch nicht geltend machen, weil die Erteilung der Genehmigung im behördlichen Ermessen steht und der Beklagte dieses Ermessen im Ergebnis fehlerfrei ausgeübt hat. Dass auch insoweit ein behördliches Ermessen eröffnet ist, ergibt sich aus dem zum 04.02.2011 wie folgt neu gefassten § 60 Abs. 2 Satz 3 SchulG: „Bei der Genehmigung ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die organisatorische Verbindung der Schulentwicklungsplanung“ v.a. des Kreises entspricht. Diese Formulierung zeigt, insbesondere auch im Vergleich zur vorherigen Fassung („die Genehmigung setzt voraus, dass die organisatorische Verbindung den Anforderungen an die Schulentwicklungsplanung entspricht“, wie sie noch dem Urt. v. 21.4.2010 - 9 A 253/09 - zu Grunde lag), dass der Gesetzgeber der Schulaufsichtsbehörde auch bei der Entscheidung über eine vom Schulträger beantragte Genehmigung einen Ermessensspielraum einräumen wollte (LT-Drs. 17/858 S. 49: „bei der ... vorzunehmenden Ermessensentscheidung zur Genehmigung einer organisatorischen Verbindung ...“). Insofern mag die geplante organisatorische Verbindung bis heute der auf dem Stand vom 15.01.2008 befindlichen Schulentwicklungsplanung entsprechen und dies vom Schulrat und dem Beklagten auch nicht in Frage gestellt worden sein, doch soll nach der Gesetzesbegründung (a.a.O.) gerade dieser Umstand die Schulaufsichtsbehörde nicht mehr binden - sie muss also die Genehmigung nicht erteilen, wenn überwiegende Gründe des öffentlichen Interesses dagegen sprechen.
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Dass § 60 Abs. 2 SchulG in der bei Erlass des Bescheides geltenden Fassung für die Entscheidung über den Genehmigungsantrag noch keinen Ermessensspielraum eröffnete, während dies nach der heute maßgeblichen Rechtslage erforderlich ist, macht die erfolgte Ablehnung nicht wegen Ermessensausfalls rechtswidrig. Zum einen erörtert der Beklagte auf Seite 3 seines Bescheides die für ihn maßgeblichen Gesichtspunkte im Rahmen des (vermeintlichen) Tatbestandsmerkmals „öffentliches Bedürfnis“; zum anderen verweist er an dieser Stelle auf seine „Ausführungen zum sparsamen Ressourceneinsatz als ermessensleitendem Gesichtspunkt bei der Entscheidung gemäß § 61 Abs. 2 SchulG“. Daraus wird hinreichend ersichtlich, dass der Beklagte auch die Entscheidung über den Genehmigungsantrag unter Abwägung der widerstreitenden Interessen und auch sonst frei von Ermessensfehlern getroffen hat. Getragen wird dies in zulässiger Weise insbesondere durch die Bezugnahme auf die Ausführungen bei der Entscheidung gemäß § 61 Abs. 2 SchulG, weil beide Entscheidungen nur einheitlich in die eine oder andere Richtung getroffen werden können: die Entscheidungfür die Auflösung der Hörnumer Grundschule beinhaltet zugleich eine Entscheidung gegen die Aufrechterhaltung des Schulbetriebs, und sei es auch nur als Außenstelle im Rahmen einer organisatorischen Verbindung. Entsprechend muss das Überwiegen des öffentlichen Interesses an einer Auflösung zugleich ein Zurücktreten der für organisatorische Verbindung geltend gemachten Gesichtspunkte bedeuten.
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Die vom Beklagten angestellten Erwägungen zum überwiegenden öffentlichen Interesse sind sachgerecht und führen zu einem verhältnismäßigen Ergebnis. Dass die organisatorische Verbindung angesichts der festgestellten Schülerzahlen über die räumliche Distanz zwischen Haupt- und Außenstelle unwirtschaftlich wäre und deshalb dem Gebot sparsamen Ressourceneinsatzes widerspräche, wird vom Kläger nicht in Frage gestellt. Gleiches gilt für die Feststellung, dass trotz jahrgangsübergreifenden Lernens nicht einmal eine maßstäbliche Lerngruppe mit 22 Schülern (= 25 Lehrerwochenstunden) zustande käme. Mit einer schülerbezogenen Lehrerzuweisung wäre weder eine ausreichende Unterrichtsversorgung noch die in § 3 Abs. 1 GrundschulVO verbindlich vorgegebene Verlässlichkeit der Grundschule (34,5 Lehrerwochenstunden) gesichert. Eine Weiterführung als Außenstelle mit unter 20 Schülern würde im Übrigen nicht nur die eigene Unterrichtsversorgung und die gebotene Verlässlichkeit in Frage stellen, sondern diese zugleich an der Hauptstelle (Mutterschule) gefährden. Um einen qualifizierten Fachunterricht in allen Fächern und Jahrgangsstufen und die Wahrnehmung der gebotenen Aufsichtspflichten sicherzustellen, stellt der Beklagte demgegenüber das Interesse des Schulträgers an der Erhaltung des Schulstandorts zurück und weist darauf hin, dass auch andere Kinder entsprechende Schulwege auf sich nehmen müssten. Eine Unzumutbarkeit des Schulwegs sieht die Kammer auch deshalb nicht, weil für den Kläger bzw. die Gemeinde Hörnum die Möglichkeit besteht, für die Schulkinder einen eigenen Busverkehr zu organisieren. Der Kläger-Vertreter hat in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass ein solcher Busverkehr - ebenso wie dies für die Lister Kinder geschieht - von der Gemeinde mittlerweile auch organisiert ist. Dessen ungeachtet wird dieser Nachteil durch ein besseres schulisches Angebot mit qualifiziertem Fachunterricht in allen Fächern und Jahrgangsstufen ausgeglichen.
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Den hierzu in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Argumenten des Klägers zur gebotenen Einschränkung des Ermessensrahmens mit Rücksicht auf die Reichweite des verfassungsrechtlich geschützten Selbstverwaltungsrechts des kommunalen Schulträgers vermag die Kammer nicht zu folgen. Dabei kann offen bleiben, ob und wieweit das Schulwesen überhaupt noch vom kommunalen Selbstverwaltungsrecht im Sinne des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG / Art. 46 Abs. 1 LV erfasst wird (verneinend: Niehues, Schul- und Prüfungsrecht, 4. Aufl., Rn. 769). Auf jeden Fall können Umfang und Reichweite der Selbstverwaltungsangelegenheiten durch den Gesetzgeber näher geregelt werden, weil die Verfassung nur den - hier nicht in Rede stehenden - Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung schützt. Im Spannungsverhältnis zu der in Art. 7 Abs. 1 GG vorausgesetzten staatlichen Schulhoheit wird letzterer grundsätzlich der Vorrang einzuräumen sein (Niehues a.a.O. Rn. 770 m.w.N.). Entsprechend bestimmt § 47 SchulG, dass die Schulträger ihre Schulangelegenheiten in eigener Verantwortung als pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe verwalten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Zu ihren Aufgaben zählt § 48 Abs. 1 Nr. 1 SchulG u.a. die Aufstellung der örtlichen Schulentwicklungspläne, die Grundlage sind für die Entscheidung über Errichtung, Änderung, Auflösung oder Verbindung von Schulen (vgl. Niehues a.a.O. Rn. 782 m.w.N.) § 57 SchulG stellt demgegenüber klar, dass die Errichtung, Änderung und Auflösung von Schulen nicht den Schulträgern allein überlassen ist, sondern dass sie insoweit mit dem Land zusammenwirken. Umgesetzt wird dies über einen gesetzlichen Genehmigungsvorbehalt zugunsten der Schulaufsichtsbehörde (§ 58 Abs. 2, § 59 Satz 1, § 60 Abs. 2 SchulG); ggf. kann sie sogar selbst tätig werden (§ 61 Abs. 2 SchulG). Die kommunalen Schulträger müssen in diesen Zusammenhängen Einschränkungen hinnehmen, die sich daraus ergeben, dass das Schulwesen staatlich organisiert und das Land für das staatliche Lehrpersonal zuständig ist. Dies erklärt das berechtigte und nach dem Gesetz zu berücksichtigende Interesse der staatlichen Schulaufsichtsbehörde an der Einhaltung bestimmter schulischer Mindestgrößen.
dd.
- 46
Schließlich ist die Auflösung auch nicht deshalb ermessensfehlerhaft, weil der Beklagte vor Erlass des angefochtenen Bescheides einen Vertrauenstatbestand dahingehend geschaffen hätte, dass statt der Auflösung eine organisatorische Verbindung erfolgen solle. Zutreffend weist der Beklagte darauf hin, dass sich der Kläger auch als Träger des Selbstverwaltungsrechts nach Art. 28 Abs. 2 GG / Art. 46 Abs. 1 und 2 LV auf einen solchen Vertrauensschutz nicht berufen kann.
- 47
Ebenso wie juristische Personen des öffentlichen Rechts, insbesondere Gemeinden und Gemeindeverbände (und damit auch Schulverbände), gemäß Art. 19 Abs. 3 GG grundsätzlich nicht als Träger von Grundrechten in Frage kommen, weil die Grundrechte ihrem Wesen nach auf diese nicht anwendbar sind (vgl. nur BVerfG, Beschl. v. 29.5.2007 - 2 BvR 695/07 - in juris Rn 21 ff m.w.N.), so versagt das Bundesverwaltungsgericht sowohl den Behörden als auch den dem Staat eingegliederten öffentlich-rechtlichen Körperschaften mittelbarer Staatsverwaltung und den Gemeinden die Berufung auf die aus dem Rechtsstaatgebot abgeleiteten Vertrauensschutzgrundsätze gegenüber anderen Behörden. Da sie selbst an das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gebunden sind und sich nicht auf den Fortbestand rechtswidriger Zustände berufen können, haben auch sie darauf zu achten, dass öffentliche Mittel sachgerecht und rechtmäßig verwendet werden (BVerwG, Urt. v. 29.5.1980 - 5 C 11/78 - in juris Rn. 24 und Beschl. v. 29.4.1999 - 8 B 87/99 - in juris Rn. 4). Die demgegenüber vom Kläger angeführte Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes Rheinland-Pfalz (Beschl. v. 5.7.2007 - N 18/06 - in juris C II) führt zu keinem anderen Ergebnis. Im Falle einer echten gesetzlichen Rückwirkung hatte der Verfassungsgerichtshof ein ausnahmsweises Bedürfnis nach Absicherung der gemeindlichen Stellung durch Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes gegenüber einem rückwirkenden Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte Finanzhoheit angenommen und dies damit begründet, dass Gemeinden in finanzieller Hinsicht Planungssicherheit benötigten und vor einem nachträglichen Entzug ihrer Handlungsgrundlagen geschützt werden müssten. Die damit ausgesprochene Zuerkennung gemeindlichen Vertrauensschutzes ist weder verallgemeinerungsfähig noch hierher übertragbar. Selbst wenn die Träger des kommunalen Selbstverwaltungsrechts entgegen der o.g. Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht nur bei legislativen, sondern auch bei exekutiven Akten in ihrem Vertrauen auf deren Bestand geschützt werden könnten, kann dies jedenfalls dann nicht gelten, wenn die Exekutive im öffentlichen Interesse an einer sparsamen Wirtschaftsführung mit neuen Ermessenserwägungen auf einen noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt oder auf noch nicht abgeschlossene Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 10.4.2001 - 1 S 23/09 - in juris Rn. 34). Nichts anderes ist hier geschehen. Ein in der Vergangenheit abgeschlossener Sachverhalt mit finanzplanerischen Konsequenzen lag bei Kundgabe der Absicht, die Schule aufzulösen, statt sie organisatorisch mit einer anderen Schule zu verbinden, nicht vor. Dem Kläger war bewusst, dass die vertraglich vereinbarte Verbindung noch von der Genehmigung des Beklagten abhängt und dass es in Anbetracht sinkender Schülerzahlen außergewöhnlicher Aufwendungen bedurft hätte, um die Schule auch nur als Außenstelle zu halten. Das der organisatorischen Verbindung deshalb entgegenstehende öffentliche Interesse muss der Kläger, der als Schulverband selbst der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verpflichtet ist, akzeptieren.
3.
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Aus o.g. Gründen besteht schließlich weder ein Anspruch auf Genehmigung der organisatorischen Verbindung noch auf Neubescheidung des diesbezüglichen Antrags (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und 2 VwGO), so dass die Klage insgesamt ohne Erfolg bleibt.
4.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Urteil einreichenSchleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 27. Apr. 2012 - 9 A 3/11 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).
(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.
(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.
(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.
(1) Ein Abgeordneter darf zu keiner Zeit wegen seiner Abstimmung oder wegen einer Äußerung, die er im Bundestage oder in einem seiner Ausschüsse getan hat, gerichtlich oder dienstlich verfolgt oder sonst außerhalb des Bundestages zur Verantwortung gezogen werden. Dies gilt nicht für verleumderische Beleidigungen.
(2) Wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung darf ein Abgeordneter nur mit Genehmigung des Bundestages zur Verantwortung gezogen oder verhaftet werden, es sei denn, daß er bei Begehung der Tat oder im Laufe des folgenden Tages festgenommen wird.
(3) Die Genehmigung des Bundestages ist ferner bei jeder anderen Beschränkung der persönlichen Freiheit eines Abgeordneten oder zur Einleitung eines Verfahrens gegen einen Abgeordneten gemäß Artikel 18 erforderlich.
(4) Jedes Strafverfahren und jedes Verfahren gemäß Artikel 18 gegen einen Abgeordneten, jede Haft und jede sonstige Beschränkung seiner persönlichen Freiheit sind auf Verlangen des Bundestages auszusetzen.
(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn
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der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder - 2.
der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält.
(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.
(1) Die Anfechtungsklage muß innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist nach § 68 ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muß die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden.
(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.
(1) Eine Änderung der Klage ist zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.
(2) Die Einwilligung des Beklagten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn er sich, ohne ihr zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die geänderte Klage eingelassen hat.
(3) Die Entscheidung, daß eine Änderung der Klage nicht vorliegt oder zuzulassen sei, ist nicht selbständig anfechtbar.
(1) Die Anfechtungsklage muß innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist nach § 68 ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muß die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden.
(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.
Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
Tenor
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1. Artikel 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 des Gesetzes zur Gewährung eines Landeserziehungsgeldes und zur Ausführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes (Bayerisches Landeserziehungsgeldgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. November 1995 (Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 818), Artikel 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 des Bayerischen Gesetzes zur Zahlung eines Landeserziehungsgeldes und zur Ausführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes vom 26. März 2001 (Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 76), Artikel 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 des Bayerischen Gesetzes zur Zahlung eines Landeserziehungsgeldes und zur Ausführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. April 2004 (Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 133) und Artikel 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 des Gesetzes zur Neuordnung des Bayerischen Landeserziehungsgeldes vom 9. Juli 2007 (Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 442) sind mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar.
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2. Ersetzt der Gesetzgeber die verfassungswidrigen Regelungen nicht bis zum 31. August 2012 durch eine Neuregelung, tritt Nichtigkeit der beanstandeten Vorschriften ein.
Gründe
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A.
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Die Vorlage betrifft die Frage, ob es mit Art. 3 Abs. 1 GG und mit Art. 6 Abs. 1 GG vereinbar ist, dass Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Gewährung eines Landeserziehungsgeldes und zur Ausführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes (Bayerisches Landeserziehungsgeldgesetz - BayLErzGG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. November 1995 (GVBl S. 818) die Gewährung von Landeserziehungsgeld auf Deutsche und andere Personen beschränkt, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzen.
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I.
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Der Freistaat Bayern erließ 1989 ein Landeserziehungsgeldgesetz. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollten Leistungen nach diesem Gesetz zeitlich an den Bezug von Leistungen nach dem Gesetz über die Gewährung von Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub (Bundeserziehungsgeldgesetz - BErzGG) anschließen und es Eltern so ermöglichen, über einen längeren Zeitraum Elternzeit zu nehmen und ihre Kinder selbst zu betreuen. Erziehungsgeld wurde gemäß Art. 3 Abs. 1 BayLErzGG in der Fassung des Jahres 1995 ab dem Ende des Bezugs von Bundeserziehungsgeld für weitere zwölf Lebensmonate des Kindes, längstens bis zur Vollendung seines dritten Lebensjahres, gezahlt. Die Höhe des Landeserziehungsgeldes betrug nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 BayLErzGG 500 DM monatlich. Die Bezugsberechtigung war in Art. 1 Abs. 1 BayLErzGG geregelt. Berechtigt war nach der hier allein zur Prüfung gestellten Regelung des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG nur, wer die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besaß.
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Art. 1 Abs. 1 BayLErzGG hatte in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. November 1995 folgenden Wortlaut:
- 4
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(1) 1 Anspruch auf Landeserziehungsgeld hat, wer
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1. seine Hauptwohnung oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt seit der Geburt des Kindes, mindestens jedoch fünfzehn Monate in Bayern hat,
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2. mit einem nach dem 30. Juni 1989 geborenen Kind, für das ihm die Personensorge zusteht, in einem Haushalt lebt,
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3. dieses Kind selbst betreut und erzieht,
- 8
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4. keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt und
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5. die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzt.
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2 Der Anspruch auf Landeserziehungsgeld setzt nicht voraus, dass der Berechtigte zuvor Erziehungsgeld nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz bezogen hat.
-
II.
- 11
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In der Begründung des Gesetzentwurfs vom 11. April 1989 heißt es zur Einführung des Landeserziehungsgeldes, die Ergebnisse der Forschung und Praxis hätten in den letzten Jahren zu der allgemeinen Überzeugung geführt, dass die Qualität der Eltern-Kind-Beziehung in den ersten drei Lebensjahren die Grundlage für die Entwicklung einer stabilen Persönlichkeit bilde, die Sicherheit und Lebenstüchtigkeit mit emotionaler Bindungsfähigkeit, Verantwortungsbewusstsein und ausgeprägtem Gemeinschaftssinn verbinde. Die frühe soziale Prägung durch die Familie sei deshalb für Gesellschaft und Staat von besonderer Bedeutung. Die Einführung des Erziehungsgeldes und Erziehungsurlaubs für die ersten zwölf Lebensmonate durch das Bundeserziehungsgeldgesetz auf Bundesebene ab dem 1. Januar 1986 habe diese Erkenntnisse politisch umgesetzt. Der Landesgesetzgeber sei von der Richtigkeit des Erziehungsgeldgedankens zutiefst überzeugt. Angesichts einer anstehenden Verlängerung der Bezugsdauer des Bundeserziehungsgeldes habe sich die Bayerische Staatsregierung entschlossen, Landesleistungen der Familienförderung neu zu ordnen und ein Landeserziehungsgeld einzuführen. Das Landeserziehungsgeld verstehe sich als Anerkennung für die intensive Erziehungsleistung von Müttern und Vätern und solle zugleich die finanzielle Lage junger Familien verbessern (BayLTDrucks 11/11033, S. 4).
- 12
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Um "Mitnahmeeffekte" zu verhindern, müsse der Antragsteller seit der Geburt, mindestens aber seit 15 Monaten in Bayern seinen Hauptwohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben. Damit werde eine gezielte Förderung von "Landeskindern" gewährleistet (BayLTDrucks 11/11033, S. 5).
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III.
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1. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens ist polnische Staatsangehörige und begehrt Landeserziehungsgeld für die Betreuung ihres im Februar 2000, und damit vor dem Beitritt Polens zur Europäischen Union zum 1. Mai 2004 geborenen Kindes. Sie wohnt seit 1984 in M. und besitzt eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Seit 1988 hat sie wiederholt gearbeitet. So war sie längere Zeit als Fotolaborantin und kurzfristig in einem Textillager tätig. Seit 2002 arbeitete sie mit circa sieben Wochenstunden in der Gastronomie. Für das erste und zweite Lebensjahr ihres Kindes hatte sie Bundeserziehungsgeld in voller Höhe erhalten. Ihr Antrag auf Landeserziehungsgeld wurde zurückgewiesen, weil ihr aufgrund ihrer polnischen Staatsangehörigkeit Landeserziehungsgeld nicht zustehe. Nachdem auch ihr gegen die Ablehnung gerichteter Widerspruch erfolglos blieb, erhob sie Klage vor dem Sozialgericht München und begehrte die Gewährung von Landeserziehungsgeld unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids in der Fassung des Widerspruchsbescheids. Das Sozialgericht München setzte das Verfahren aus und legte zunächst dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof die Frage vor, ob Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz der Verfassung des Freistaats Bayern verstoße. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof entschied, die vorgelegte Regelung des Bayerischen Landeserziehungsgeldgesetzes sei mit der bayerischen Verfassung vereinbar (BayVerfGH, Entscheidung vom 19. Juli 2007 - Vf. 6-V-06 -, juris).
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2. Das Sozialgericht München hat das Verfahren sodann gemäß Art. 100 Abs. 1 GG, § 13 Nr. 11, § 80 Abs. 1 BVerfGG ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG verstößt und nichtig ist.
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Das vorlegende Gericht hält die zur Prüfung gestellte Norm für verfassungswidrig. Art. 3 Abs. 1 GG verlange eine umso strengere Kontrolle, je stärker sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken könne. Der hier zu berücksichtigende Schutz von Ehe und Familie sei nicht nur gegenüber Deutschen gewährleistet. Aufgrund von Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG erhielten Eltern bestimmter Staatsangehörigkeit unabhängig von der familiären Erziehungssituation und der Verfestigung ihres Aufenthalts in Bayern kein Landeserziehungsgeld. Es gebe keine Gründe, die diese Ungleichbehandlung nach Art und Gewicht rechtfertigen könnten.
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Die sachliche Differenzierung müsse von den Zielen des Erziehungsgeldgesetzes im Lichte des Ehe- und Familienschutzes ausgehen. Im Vordergrund stehe dabei, Eltern die eigene Betreuung ihrer Kinder durch Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit oder durch deren Einschränkung zu ermöglichen. Der Gesetzgeber handle im Einklang mit Art. 3 Abs. 1 GG, wenn er diejenigen Antragsteller ausschließe, die aus Rechtsgründen einer Erwerbstätigkeit nicht nachgehen könnten. Diese könnten das Hauptziel des Erziehungsgeldes, Kinderbetreuung unter Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit oder unter deren Einschränkung zu leisten, nicht erreichen. Diesem Ziel diene die Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit jedoch nicht, sie stehe dazu in keinem sachlichen Zusammenhang.
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Verfassungsrechtlich sei auch legitim, wenn der Gesetzgeber nur denjenigen Erziehungsgeld zukommen lasse, von denen erwartet werden könne, dass sie dauerhaft in Bayern blieben. Bei Sukzessivleistungen wie dem Erziehungsgeld werde die Zielerreichung durch eine Aufenthaltskontinuität des Empfängers wesentlich befördert. Diese Voraussetzung werde aber für alle Leistungsempfänger - nicht nur für ausländische Staatsangehörige - bereits durch die Voraussetzung der Vorwohnzeit des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayLErzGG erfüllt.
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Die gewählte Unterscheidung diene lediglich Fiskalinteressen. Die Verhinderung fiskalischer Mehrbelastungen könne die vorgenommene Differenzierung jedoch nicht begründen. Zwar könne der Gesetzgeber ohne Verfassungsverstoß von der Gewährung "freiwilliger familienpolitischer Zusatzleistungen", die nicht zum Familienlastenausgleich beziehungsweise nicht zum Existenzminimum des Kindes beitragen, absehen. Verzichtete der Gesetzgeber generell auf die Gewährung von Landeserziehungsgeld, würde dies auch die problematischen Differenzierungen zwischen verschiedenen Personengruppen beenden. Entscheide er sich jedoch dafür, eine derartige Leistung zu gewähren, dürften trotz der Freiwilligkeit der Leistung die Differenzierungsregeln des Art. 3 Abs. 1 GG nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben. Fiskalischen Interessen könne der Freistaat Bayern auch im Wege von Leistungskürzungen Rechnung tragen, ohne ausländische Staatsangehörige vom Leistungsbezug auszuschließen.
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Die Staatsangehörigkeit komme als Unterscheidungskriterium nicht in Betracht. Zwar könne sie nicht grundsätzlich als Differenzierungskriterium ausgeschlossen werden. Die Eignung als Differenzierungskriterium müsse jedoch konkret bezogen auf das zu regelnde Sachgebiet bestimmt werden. Sei durch die Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit ein Grundrecht beeinträchtigt, bedürfe es einer an der Schwere der Beeinträchtigung ausgerichteten Rechtfertigung. Eine solche Rechtfertigung sei nicht ersichtlich. Keinesfalls dürfe die Staatsangehörigkeit zu einem isolierten Differenzierungskriterium degenerieren. In eine solche Richtung weise jedoch der Beschluss des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, der das "Motiv einer gezielten Förderung der Landeskinder" in diese Richtung aufwerte.
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IV.
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Zu der Vorlage haben die Bayerische Staatsregierung, der 10. Senat des Bundessozialgerichts, der Deutsche Landkreistag, der Deutsche Familiengerichtstag sowie der Deutsche Juristinnenbund Stellung genommen.
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1. Die Bayerische Staatsregierung hält die vorgelegte Regelung für verfassungsgemäß. Der Gleichheitssatz verlange keine schematische Gleichbehandlung, sondern lasse Differenzierungen zu, die durch sachliche Erwägungen gerechtfertigt seien. Bei einer rechtsgewährenden Regelung komme dem Gesetzgeber für die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise eine besonders weitreichende Gestaltungsfreiheit zu. Der Gestaltungsspielraum im Bereich der Leistungsverwaltung ende erst dort, wo eine ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsdenken orientierten Betrachtungsweise vereinbar sei und mangels einleuchtender Gründe als willkürlich beurteilt werden müsse.
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Der Gesetzgeber habe diese Grenze nicht überschritten. Die Regelung differenziere nach der Staatsangehörigkeit und nicht - wie die vom Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 6. Juli 2004 (BVerfGE 111, 176) für mit der Verfassung unvereinbar erklärte Regelung über die Gewährung von Bundeserziehungsgeld - nach dem ausländerrechtlichen Aufenthaltsstatus. Das Kriterium der Staatsangehörigkeit ziele gerade nicht auf die Erwartung, dass der Ausländer dauerhaft in Bayern bleibe. Dieses Ziel werde durch die Vorwohndauer in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayLErzGG erreicht und gelte für Antragsteller aller Herkunftsländer. Das Gesetz bezwecke auch keine Förderung der Integration von Ausländern. Zu einer solchen Förderung sei der Gesetzgeber nicht verpflichtet.
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Vielmehr könnten bereits bloße finanzpolitische Überlegungen sachliche Gründe für die vorgelegte Norm darstellen. Das gelte jedenfalls für Leistungen, zu deren Gewährung keine Verpflichtung bestehe. Der Gesetzgeber müsse allerdings den Kreis der Betroffenen sachgerecht abgrenzen. Das Ermessen des Gesetzgebers sei jedoch nicht durch die Überlegungen des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 6. Juli 2004 (BVerfGE 111, 160) zur Gewährung von Kindergeld eingeschränkt. Die dortige Argumentation stehe in engem Zusammenhang mit dem Charakter des Kindergeldes als Komponente des dualen Systems des Familienlastenausgleichs. Die wirtschaftliche Belastung der Eltern solle teilweise ausgeglichen werden und diene damit der Einhaltung der in Art. 6 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 GG vorgegebenen Mindestvoraussetzungen, das Existenzminimum von Kindern steuerlich frei zu halten. Zur Zahlung des Erziehungsgeldes sei der Staat demgegenüber nicht verpflichtet. Das Landeserziehungsgeld könne ersatzlos wegfallen.
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Außerdem sei die Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit auch unter dem Gesichtspunkt der Gegenseitigkeit gerechtfertigt. Die Gegenseitigkeitsverbürgung sei eine Erscheinungsform des völkerrechtlichen Gegenseitigkeitsprinzips, das der Wahrnehmung eigener staatlicher Belange gegenüber anderen Staaten und der Verbesserung der Rechtsstellung deutscher Staatsbürger im Ausland diene. Die Bevorzugung von Deutschen bei der Erteilung von Leistungen im Vergleich zu ausländischen Staatsangehörigen, in deren Heimatländern Deutschen entsprechende Leistungen verwehrt blieben, sei gerechtfertigt. Andernfalls bestehe kein Anreiz für andere Staaten, Gegenseitigkeitsabkommen abzuschließen. Die Orientierung am Gegenseitigkeitsprinzip zeige sich auch darin, dass neben deutschen Staatsangehörigen auch Angehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union und Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum privilegiert würden. Denn gegenüber diesen Ländern bestünden völkerrechtliche Differenzierungsverbote.
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2. Der 10. Senat des Bundessozialgerichts teilt mit, er habe die Vorschrift noch nicht angewandt. Das Sozialgericht München habe beachtliche verfassungsrechtliche Argumente vorgebracht. Das Grundgesetz verbiete zwar nicht generell Ungleichbehandlungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Diese gehöre auch nicht zu den in Art. 3 Abs. 3 GG verbotenen Differenzierungskriterien. Prüfungsmaßstab sei daher allein der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Das Bundesverfassungsgericht habe in seiner Rechtsprechung stets betont, dass Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung verwehre und ihm insbesondere im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit für die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise ein weiter Gestaltungsspielraum zukomme. Für den Gesetzgeber ergäben sich allerdings aus dem allgemeinen Gleichheitssatz umso engere Grenzen, je stärker sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken könne. Der im vorliegenden Fall zu berücksichtigende Schutz von Ehe und Familie durch Art. 6 Abs. 1 GG enthalte keine Beschränkung auf Deutsche. Da es sich bei dem Differenzierungskriterium der Staatsangehörigkeit um ein personenbezogenes Merkmal handele, sei eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung angezeigt.
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Nach der Rechtsprechung des 10. Senats des Bundessozialgerichts gebe es zwischen dem Bundeserziehungsgeldgesetz und dem Bayerischen Landeserziehungsgeldgesetz nach Voraussetzungen und Zweck keine Unterschiede von Gewicht. Es stelle sich deshalb vor allem die Frage, ob die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit ein geeignetes Kriterium sei, um den mit dem Bundeserziehungsgeld und dem zeitlich nachfolgenden Landeserziehungsgeld verfolgten Zweck zu erreichen, Eltern die eigene Betreuung ihrer Kinder durch Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit oder durch deren Einschränkung zu ermöglichen. Auf diesen Punkt bezögen sich in erster Linie die verfassungsrechtlichen Bedenken des vorlegenden Gerichts.
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3. Der Deutsche Landkreistag hält die Argumentation des Sozialgerichts München für überzeugend. Fiskalische Ziele könnten die Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen.
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4. Auch der Deutsche Familiengerichtstag teilt die Bedenken des vorlegenden Gerichts. Zwar sei dem Gesetzgeber im Rahmen der gewährenden Staatstätigkeit ein weitreichender Gestaltungsspielraum zuzuerkennen. Staatlichem Handeln seien aber umso engere Grenzen gesetzt, je stärker sich eine Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken könne. Der gemäß Art. 6 GG gewährleistete Schutz von Ehe und Familie sei unabhängig von der Staatsangehörigkeit.
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Die Staatsangehörigkeit sei ein gleichheitswidriger Gegenstand der Differenzierung. Das Kriterium diene nicht der Verfolgung des Ziels des Bayerischen Landeserziehungsgeldgesetzes, Eltern im Anschluss an die Förderung durch das Bundeserziehungsgeldgesetz ein weiteres Jahr die eigene Betreuung ihrer Kinder zu ermöglichen, ohne einer Berufstätigkeit nachgehen zu müssen. Das legitime Interesse des dauerhaften Aufenthalts werde durch die Vorwohnzeit sichergestellt. Für eine Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit bestehe kein sachlicher Grund. Das Merkmal sei damit ausgrenzend und diskriminierend.
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Bei freiwilligen Leistungen wie dem Erziehungsgeld dürften fiskalische Interessen berücksichtigt werden. Trotzdem dürften Berechtigte nicht durch sachfremde Erwägungen von der Leistung ausgeschlossen werden. Könne der Gesetzgeber nur beschränkte Mittel einsetzen, stehe es ihm frei, die Leistung einzustellen, das Leistungsniveau abzusenken oder nicht diskriminierende Kriterien einzuführen.
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Die Staatsangehörigkeit stelle sich als ein familienfeindliches und Kinder ungleich behandelndes Abgrenzungskriterium dar. Das Ziel der Regelung, eine Betreuung kleiner Kinder in der gemäß Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Familie sicherzustellen beziehungsweise die ökonomische Grundlage für die Entscheidung zugunsten einer Betreuung in der Familie zu schaffen, würde vielmehr durch die Voraussetzung der privilegierten Staatsangehörigkeit konterkariert. Eltern mit nicht privilegierter Staatsangehörigkeit müssten einer Erwerbstätigkeit nachgehen und könnten sich im Gegensatz zu anderen Eltern nicht der Familienarbeit widmen, obwohl ihre Familien ebenso unter dem Schutz des Art. 6 GG ständen. Auch die Kinder von Eltern mit und ohne privilegierte Staatsangehörigkeit würden entgegen Art. 3 GG durch das Bayerische Landeserziehungsgeldgesetz ungleich behandelt.
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5. Der Deutsche Juristinnenbund schließt sich in seiner Stellungnahme der Auffassung des vorlegenden Gerichts an. Das Bayerische Landeserziehungsgeldgesetz sei eine Leistung zur Förderung von Familien. Dabei komme dem Gesetzgeber ein weiter Ermessensspielraum zu. Bei der Abgrenzung der Leistungsberechtigten dürfe aber nicht sachwidrig differenziert werden. Dies müsse nach dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG beurteilt werden. Prüfungsmaßstab bei Familienförderleistungen sei nicht das Willkürverbot, sondern das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Es sei zu prüfen, ob Gründe von solcher Art und solchem Gewicht vorlägen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten.
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Der Deutsche Juristinnenbund erklärt, beim Landeserziehungsgeld handele es sich um eine unter dem Aspekt der Gestaltungsfreiheit von Familien und der Förderung von Gleichberechtigung insgesamt verfassungsrechtlich und rechtspolitisch fragwürdige Leistung. Der Gesetzgeber habe sich allerdings noch im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen gehalten. Mit der Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit habe der Freistaat Bayern diese Grenze jedoch überschritten. Eine Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit sei zwar nicht generell unzulässig. In Bezug auf die Einhaltung des Gleichheitssatzes im Rahmen der Gewährung von Erziehungsgeld sei jedoch der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juli 2004 (BVerfGE 111, 176) zu beachten. Das Gericht habe zum Bundeserziehungsgeldgesetz Grundsätze formuliert, die bezogen auf die familienpolitischen Zwecke des Erziehungsgeldes auch beim Landeserziehungsgeld eine Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit sachwidrig erscheinen ließen. Die Förderung der Entscheidung für Kinder, die Abmilderung finanzieller Nachteile und die Anerkennung der Betreuungsleistung betreffe Eltern unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit. Das Bundesverfassungsgericht habe bereits entschieden, dass die Zwecke des Erziehungsgeldes bei Ausländern mit Aufenthaltserlaubnis und Aufenthaltsberechtigung nicht weniger zur Geltung kommen als bei Deutschen oder Ausländern mit anderen Aufenthaltstiteln. Wenn das Bundesverfassungsgericht schon einen Ausschluss von Personen mit bestimmten Aufenthaltstiteln für unzulässig erachtet habe, müsse eine an der Staatsangehörigkeit orientierte Differenzierung erst recht unzulässig sein. Eine Bezugsberechtigung ausländischer Eltern sei sinnvoll und der Integration dienlich. Fiskalische Argumente könnten nicht überzeugen.
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B.
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Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG verstößt nicht gegen Art. 6 GG, ist jedoch mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) unvereinbar, weil er Personen, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzen, generell vom Anspruch auf Landeserziehungsgeld ausschließt.
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I.
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Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG statuiert eine gesetzliche Bedingung des Anspruchs auf Landeserziehungsgeld. Die Vorschrift regelt damit die Voraussetzungen staatlicher Leistungsgewährung im Bereich der Familienförderung, greift jedoch nicht in die abwehrrechtlichen Verbürgungen des Familiengrundrechts, insbesondere des durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG speziell (vgl. BVerfGE 24, 119 <135>; 31, 194 <204>) geschützten Elternrechts ein.
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Ob das durch Art. 6 Abs. 1 und 2 GG gewährleistete Recht der Eltern, ihr familiäres Leben nach ihren Vorstellungen zu planen und zu verwirklichen und insbesondere in ihrer Erziehungsverantwortung zu entscheiden, ob und in welchem Entwicklungsstadium das Kind überwiegend von einem Elternteil allein, von beiden Eltern in wechselseitiger Ergänzung oder von einem Dritten betreut werden soll (vgl. BVerfGE 99, 216 <231>), dadurch beeinträchtigt ist, dass eine finanzielle Förderung nur für den Fall der eigenen Betreuung durch ein Elternteil, nicht aber für andere von den Eltern gewählte Formen der Kinderbetreuung vorgesehen ist, bedarf hier keiner Entscheidung. Dass Anspruch auf Landeserziehungsgeld nur hat, wer sein Kind selbst betreut und erzieht, ist in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BayLErzGG geregelt und folgt nicht aus dem hier allein zur Prüfung gestellten Staatsangehörigkeitserfordernis des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG.
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Die Regelung verletzt keine aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG abzuleitende Schutz- und Förderpflicht des Staats zugunsten der Familie. Ein Verstoß gegen Schutz- und Förderpflichten aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG käme nur in Betracht, wenn eine verfassungsrechtliche Pflicht des Freistaats Bayern bestünde, Familien durch die Gewährung von Erziehungsgeld zu fördern. Zwar umfasst der besondere Gewährleistungsgehalt der ausdrücklichen Schutzverpflichtung des Art. 6 Abs. 1 GG eine über die allgemeine grundrechtliche Schutzpflicht noch hinausgehende Förder- und Schutzpflicht des Staats für die Familie (vgl. auch BVerfGE 43, 108 <121>; 110, 412 <436>; 111, 160 <172>; Burgi, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz
, Art. 6 Rn. 51). Die Art. 6 Abs. 1 GG als Generalnorm des Familienschutzes eigene, nicht auf Deutsche beschränkte (vgl. BVerfGE 111, 176 <184>) Schutz- und Förderdimension erstreckt sich auf das speziellere elterliche Erziehungsrecht (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG). Aus dieser Schutz- und Förderpflicht ergibt sich die Aufgabe des Staats, die Pflege- und Erziehungstätigkeit der Eltern durch geeignete wirtschaftliche Maßnahmen zu unterstützen und zu fördern (vgl. Jestaedt, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz , Art. 6 Abs. 2 und 3 Rn. 21). Konkrete Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen lassen sich aus dem allgemeinen verfassungsrechtlichen Gebot, die Pflege- und Erziehungstätigkeit der Eltern zu unterstützen, jedoch nicht herleiten (vgl. BVerfGE 82, 60 <81 f.>; 87, 1 <36>; 107, 205 <213>; 110, 412 <445>). Insbesondere ist der Landesgesetzgeber verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, eine familienfördernde Leistung in Form eines Erziehungsgeldes zu gewähren.
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II.
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Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
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1. a) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfGE 98, 365 <385>). Er gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen (vgl. BVerfGE 79, 1 <17>; 126, 400 <416> m.w.N.; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 76). Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (vgl. BVerfGE 124, 199 <220>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 77). Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 55, 72 <88>; 88, 87 <97>; 93, 386 <397>; 99, 367 <389>; 105, 73 <110>; 107, 27 <46>; 110, 412 <432>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 77).
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Diesen allgemeinen Grundsätzen folgt auch die verfassungsrechtliche Beurteilung einer Norm, die Ausländer im Vergleich zu Deutschen anders behandelt. Der allgemeine Gleichheitssatz garantiert "allen Menschen" die Gleichbehandlung vor dem Gesetz und steht damit auch Ausländern zu (BVerfGE 30, 409 <412>). Gleiches gilt für den hier angesichts des familienpolitischen Charakters des Bayerischen Landeserziehungsgeldgesetzes zu berücksichtigenden Schutz der Familie (vgl. BVerfGE 111, 160 <169>; 111, 176 <184> m.w.N.). Art. 3 Abs. 1 GG verwehrt dem Gesetzgeber indessen nicht jede Ungleichbehandlung von Deutschen und Ausländern. Es ist dem Gesetzgeber nicht generell untersagt, nach der Staatsangehörigkeit zu differenzieren (vgl. BVerfGE 116, 243 <259>). Nach dem allgemeinen Gleichheitssatz bedarf es für die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit als Unterscheidungsmerkmal jedoch eines hinreichenden Sachgrundes. Dass die Staatsangehörigkeit kein generell unzulässiges Differenzierungsmerkmal ist, bedeutet nicht umgekehrt, dass eine grundlose Ungleichbehandlung von Ausländern und Deutschen vor Art. 3 Abs. 1 GG Bestand haben könnte (vgl. Gundel, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts Bd. IX, 3. Aufl. 2011, § 198 Rn. 86; Rüfner, in: Bonner Kommentar zum GG, Bd. I
, Art. 3 Abs. 1 Rn. 136; vgl. auch EGMR, Urteil vom 16. September 1996 - 17371/90 -, Rn. 42, Gaygusuz v. Österreich; Urteil vom 30. September 2003 - 40892/98 -, Rn. 46, Poirrez v. Frankreich). Die Entscheidung des Verfassungsgebers, den allgemeinen Gleichheitssatz als Menschenrecht auszugestalten, das nicht auf Deutsche beschränkt ist, liefe ansonsten ins Leere und verlöre damit ihren Sinn.
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Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den die Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (vgl. BVerfGE 117, 1 <30>; 122, 1 <23>; 126, 400 <416> m.w.N.; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 77). Dem Gesetzgeber kommt im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit für die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise grundsätzlich ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerfGE 99, 165 <178>; 106, 166 <175 f.>; 111, 176 <184>). Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich allerdings aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben (vgl. BVerfGE 88, 87 <96>; 111, 176 <184>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 78). Zudem verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen, je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für den Einzelnen verfügbar sind (vgl. BVerfGE 88, 87 <96>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 78) oder je mehr sie sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern (vgl. BVerfGE 88, 87 <96>; 124, 199 <220>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 78).
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b) Ausgehend von diesen Grundsätzen reichen die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die vorgelegte Regelung über das bloße Willkürverbot hinaus.
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aa) Die verfassungsrechtlichen Anforderungen erschöpfen sich hier schon deshalb nicht im bloßen Willkürverbot, weil die Verwehrung von Erziehungsgeld das durch Art. 6 Abs. 2 GG geschützte und nicht auf Deutsche beschränkte Elternrecht berührt (vgl. BVerfGE 111, 160 <169>; 111, 176 <184>). Auch wenn Art. 6 GG für sich genommen nicht verletzt ist (oben B. I.), ist das verfassungsrechtliche Elternrecht doch in seiner Schutz- und Förderdimension betroffen. Das Landeserziehungsgeld fördert eine bestimmte Form der Ausübung des Elternrechts, indem es die persönliche Betreuung des Kindes durch die Eltern unter Einschränkung ihrer Erwerbstätigkeit finanziell unterstützt. Mit der Verwehrung von Landeserziehungsgeld bleibt den Betroffenen dieses Element staatlicher Förderung des Elternrechts versagt. Bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung der Ungleichbehandlung ist dies zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 111, 160 <169>; 111, 176 <184>), auch wenn sich daraus angesichts des freiwilligen Charakters der staatlichen Leistung noch keine besonders strengen verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung ergeben (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 9. November 2011 - 1 BvR 1853/11 -, juris Rn. 11).
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bb) Eine Verschärfung der verfassungsrechtlichen Anforderungen gegenüber dem bloßen Willkürverbot folgt auch daraus, dass Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG mit der Staatsangehörigkeit an ein Merkmal anknüpft, das den antragstellenden Personen kaum verfügbar ist. Die Staatsangehörigkeit einer Person hängt grundsätzlich von der Staatsangehörigkeit ihrer Eltern oder dem Ort ihrer Geburt und damit von Umständen ab, die sie nicht beeinflussen kann. Eine Änderung der Staatsangehörigkeit ist nur unter Voraussetzungen möglich, die wiederum nicht allein im Belieben der Betroffenen stehen (vgl. BVerfGE 111, 160 <169 f.>).
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cc) Die Staatsangehörigkeit wird in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG trotz Ähnlichkeiten und Überschneidungen mit den dort genannten Merkmalen nicht als unzulässiges Differenzierungsmerkmal aufgeführt. Eine Unterscheidung anhand der Staatsangehörigkeit unterliegt darum nicht dem strengen Differenzierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG (vgl. BVerfGE 90, 27 <37>). Das schließt nicht aus, dass die Ungleichbehandlung ausländischer Staatsangehöriger in bestimmten Konstellationen hinsichtlich ihrer nachteiligen Auswirkungen auf die Betroffenen einer Unterscheidung nach den in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG genannten Merkmalen nahe kommt, so dass strenge verfassungsrechtliche Anforderungen an die Rechtfertigung der Ungleichbehandlung zu stellen sind (vgl. Osterloh, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 3 Rn. 297; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 11. Aufl. 2011, Art. 3 Rn. 127; Gundel, a.a.O. Rn. 86; König/Peters, in: Grote/Marauhn, EMRK/GG, 2006, Kap. 21 Rn. 138; vgl. auch EGMR, a.a.O.). Wie weit dies der Fall ist, bedarf keiner Entscheidung, da die vorgelegte Regelung bereits weniger strenge verfassungsrechtliche Anforderungen verfehlt.
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2. Die durch Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG bewirkte Ungleichbehandlung von Personen, die nicht eine der dort genannten Staatsangehörigkeiten besitzen, ist nach den vorgenannten Grundsätzen mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht vereinbar, weil es der Regelung auch in Anerkennung des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers an einem legitimen Zweck fehlt, der die Benachteiligung von ausländischen Staatsangehörigen tragen könnte und dem zu dienen die in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG getroffene Unterscheidung geeignet wäre.
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a) Der Ausschluss von Personen, die nicht über eine der in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG genannten Staatsangehörigkeiten verfügen, ist nicht durch die Zwecke des Bayerischen Landeserziehungsgeldgesetzes gerechtfertigt.
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Die Gewährung von Erziehungsgeld zielt vor allem darauf, Eltern die eigene Betreuung ihres Kindes durch Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit oder durch deren Einschränkung zu ermöglichen und damit die frühkindliche Entwicklung zu fördern (BayLTDrucks 11/11033, S. 4). Zwar ist die wirtschaftliche Unterstützung der Pflege- und Erziehungstätigkeit der Eltern angesichts des verfassungsrechtlichen Schutz- und Förderauftrags (Art. 6 Abs. 2 GG) ein legitimer Gesetzeszweck (oben B. I.), jedoch deckt dieser Zweck den in der vorgelegten Norm geregelten Leistungsausschluss nicht. Das Anliegen des Gesetzgebers, Eltern die persönliche Betreuung ihres Kindes zu ermöglichen und dadurch die frühkindliche Entwicklung zu fördern, kommt bei Ausländern und ihren Kindern auf gleiche Weise zum Tragen wie bei Deutschen. Der verfassungsrechtliche Schutz der Familie (Art. 6 GG) ist nicht auf Deutsche beschränkt.
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Die in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG vorgesehene Differenzierung dient auch nicht mittelbar der Verwirklichung des Gesetzeszwecks. Angesichts des Gesetzeszwecks wäre es verfassungsrechtlich zulässig, wenn der Leistungsbezug auf Personen beschränkt würde, die in Deutschland rechtmäßig erwerbstätig sein können. Der Gesetzgeber handelte im Einklang mit Art. 3 Abs. 1 GG, wenn er jene Ausländer vom Erziehungsgeldbezug ausschlösse, die aus Rechtsgründen einer Erwerbstätigkeit ohnehin nicht nachgehen dürften. Die Gewährung einer Sozialleistung, die Eltern einen Anreiz zum Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit geben will, verfehlt ihr Ziel, wenn eine solche Erwerbstätigkeit demjenigen Elternteil, der zur Betreuung des Kindes bereit ist, rechtlich nicht erlaubt ist (vgl. BVerfGE 111, 176 <185 f.>). Die vorgelegte Regelung ist jedoch zur Erreichung dieses Ziels nicht geeignet. Die Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit lässt noch weniger als die vom Bundesverfassungsgericht in den Beschlüssen vom 6. Juli 2004 (BVerfGE 111, 160 <174 f.>; 111, 176 <185 ff.>) beanstandete Anknüpfung an den Aufenthaltstitel Rückschlüsse darauf zu, ob eine Arbeitserlaubnis besteht oder nicht. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens war in Bayern rechtmäßig berufstätig, so dass ihr der Bezug von Landeserziehungsgeld einen Anreiz zur Einschränkung ihrer Berufstätigkeit zugunsten der Kinderbetreuung hätte bieten können.
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b) Der Ausschluss von Personen, die weder die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union noch die eines Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzen, kann nicht mit dem Ziel gerechtfertigt werden, eine Förderung auf Personen zu begrenzen, die dauerhaft in Bayern leben werden. In bestimmten Konstellationen mag die voraussehbare Dauer des Aufenthalts von ausländischen Staatsangehörigen in Deutschland eine ungleiche Behandlung rechtfertigen (vgl. BVerfGE 111, 160 <174>; 111, 176 <184>), ohne dass allerdings das Fehlen eines dauerhaften Aufenthalts automatisch jede Differenzierung hinsichtlich der Gewährung von Sozialleistungen legitimieren könnte (vgl. BVerfGE 116, 229 <239 f.>). Das Kriterium der Staatsangehörigkeit ist hier jedoch weder darauf gerichtet noch ist es geeignet, den Personenkreis zu erfassen, der voraussichtlich dauerhaft in Bayern ansässig sein wird. Die Staatsangehörigkeit gibt noch weniger als die - vom Bundesverfassungsgericht auch insofern bereits für unzureichend erklärte (vgl. BVerfGE 111, 160 <174>; 111, 176 <185>) - Art des Aufenthaltstitels verlässlich Aufschluss darüber, ob eine Person dauerhaft in Bayern ansässig sein wird.
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c) Der Ausschluss von Personen, die weder die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union noch die eines Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzen, kann nicht mit dem Ziel der Begünstigung sogenannter "Landeskinder" (vgl. BayVerfGH, a.a.O. Rn. 33) gerechtfertigt werden. Inwiefern eine Begünstigung von "Landeskindern" nach dem Grundgesetz zulässig ist, bedarf hier keiner Erörterung, da die vorgelegte Regelung nicht nach der Herkunft aus anderen Bundesländern, sondern nach der Staatsangehörigkeit unterscheidet und darum von vornherein nicht unter dem Gesichtspunkt der Förderung von "Landeskindern" gerechtfertigt werden kann. Anderes mag für die in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayLErzGG getroffene Regelung zur Vorwohnzeit in Bayern gelten (vgl. BayLTDrucks 11/11033, S. 5), die jedoch nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist.
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d) Sofern der Landesgesetzgeber "Mitnahmeeffekte" verhindern wollte, die daraus resultieren könnten, dass sich Personen kurzfristig in Bayern niederlassen, um in den Genuss der bayerischen Erziehungsgeldregelung zu gelangen, wird dieses Ziel ebenfalls mit der Regelung zur Vorwohndauer (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayLErzGG) erreicht (vgl. BayLTDrucks 11/11033, S. 5). Davon abgesehen wäre die Staatsangehörigkeit kein geeignetes Mittel zur Erreichung dieses Ziels, da sie, wie dargelegt, weder über die der Geburt vorausgegangene Aufenthaltszeit noch über die künftige Aufenthaltszeit in Bayern zuverlässig Aufschluss gibt.
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e) Fiskalische Interessen können die Schlechterstellung durch Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG nicht rechtfertigen. Soweit der Gesetzgeber eine Leistung freiwillig gewährt, darf er zwar durchaus berücksichtigen, welche finanziellen Mittel er angesichts der sonstigen Staatsaufgaben einsetzen kann (vgl. BVerfGE 102, 254 <303>). Finanzpolitische Belange dürfen aber nur dergestalt zur Geltung kommen, dass Berechtigte, die die Voraussetzungen eines Leistungsbezugs gleichermaßen erfüllen wie andere, nicht aufgrund sachfremder Differenzierung von der Leistung ausgeschlossen werden. Die bloße Absicht, das Leistungsvolumen zum Zwecke der Reduzierung staatlicher Ausgaben zu verringern, genügt für sich genommen nicht, um eine differenzierende Behandlung verschiedener Personengruppen zu rechtfertigen (vgl. BVerfGE 87, 1 <46> m.w.N. sowie BVerfGE 19, 76 <84 f.>; 76, 256 <311>; 93, 386 <402>; 107, 218 <253>; 122, 210 <233>). Ansonsten liefe das allgemeine Gleichbehandlungsgebot im Bereich staatlicher Geldleistungen leer, da sich der Gesetzgeber zur Begründung von Ungleichheiten stets auf die Absicht berufen könnte, staatliche Ausgaben durch Teileinsparungen verringern zu wollen (vgl. BVerfGE 121, 241 <258>). Staatliche Ausgaben zu vermeiden, ist ein legitimer Zweck, der jedoch eine Ungleichbehandlung von Personengruppen nicht zu rechtfertigen vermag. Ist ein darüber hinausgehender sachlicher Differenzierungsgrund nicht vorhanden, muss der Gesetzgeber finanzpolitischen Belangen durch eine Beschränkung der Leistungshöhe oder der Bezugsdauer für alle Berechtigten Rechnung tragen.
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f) Schließlich kann die Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit nicht mit dem völkerrechtlichen Prinzip der Gegenseitigkeit gerechtfertigt werden. Danach müssen ausländischen Staatsangehörigen in einem Staat bestimmte Vorteile nur dann eingeräumt werden, wenn die Staatsangehörigen des Gaststaats im jeweiligen Heimatstaat ebensolche Vorteile beanspruchen könnten. Dass ausländischen Staatsangehörigen Leistungen vorenthalten werden, die den eigenen Staatsangehörigen gewährt werden, kann etwa dem Ziel dienen, andere Staaten zu beeinflussen, internationalen Verträgen beizutreten oder Gegenseitigkeitsabkommen abzuschließen, welche Deutschen im Ausland einen erhöhten Schutz gewähren. Die im Falle fehlender Gegenseitigkeit gezielt herbeigeführte Benachteiligung Angehöriger der betroffenen Staaten kann unter Umständen verfassungsrechtlich hinzunehmen sein (vgl. BVerfGE 51, 1 <24>; 81, 208 <224>). Näherer Überprüfung bedürfte allerdings die Frage, inwiefern sich angesichts der Bundeskompetenz für die auswärtigen Beziehungen nach Art. 32 Abs. 1 GG auch ein Landesgesetzgeber im Verhältnis zu anderen Staaten auf den Gesichtspunkt der Gegenseitigkeit berufen kann.
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Die vorgelegte Regelung kann jedoch schon deshalb nicht mit dem Prinzip der Gegenseitigkeit gerechtfertigt werden, weil Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG nicht anhand der gegenseitigen Verbürgung entsprechender Leistungen unterscheidet (vgl. BayVerfGH, a.a.O. Rn. 36). Die vorgelegte Regelung stellt nicht auf die konkrete Gegenseitigkeit ab, sondern verlangt die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum. Möglicherweise bestehende Abkommen mit anderen Ländern werden ebenso wenig berücksichtigt wie die von einem Abkommen unabhängige Gewährung entsprechender Leistungen durch andere Staaten. Damit ist eine Prüfung der konkreten Gegenseitigkeitsvoraussetzungen im jeweiligen Leistungsfall nicht möglich. Selbst für den Fall, dass zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen vor deren Beitritt zur Europäischen Union ein Gegenseitigkeitsabkommen bestanden oder Polen davon unabhängig entsprechende Leistungen an Deutsche gewährt haben sollte, hätte dies bei der Vergabe von Landeserziehungsgeld nicht berücksichtigt werden können. Lässt eine Regelung keinen Raum zur Prüfung der konkreten Gegenseitigkeitsvoraussetzungen, schließt dies aber von vornherein aus, dass sie unter dem Gesichtspunkt völkerrechtlicher Gegenseitigkeit vor Art. 3 Abs. 1 GG Bestand haben könnte (vgl. BVerfGE 51, 1 <25>; 81, 208 <224>).
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g) Sonstige Zwecke, die die in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG getroffene Unterscheidung tragen könnten, sind nicht ersichtlich.
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C.
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I.
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Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt in der Regel zu ihrer Nichtigkeit (§ 82 Abs. 1 i.V.m. § 78 Satz 1 BVerfGG). Da dem Gesetzgeber hier aber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen, kommt nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht (vgl. BVerfGE 84, 168 <186 f.>; 92, 158 <186>). So könnte der Gesetzgeber auf die Voraussetzung der Staatsangehörigkeit ersatzlos verzichten. Er könnte aber auch eine Regelung schaffen, die an die Berechtigung zur Erwerbstätigkeit anknüpft (vgl. BVerfGE 111, 176 <189>). Der Gesetzgeber kann sich zudem dafür entscheiden, künftig gar kein oder allgemein ein geringeres Landeserziehungsgeld zu gewähren. Hinsichtlich der vor Inkrafttreten einer solchen Neuregelung anhängig gemachten Verfahren ist ihm dieser Weg indes versperrt, da jene Eltern, die die Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG erfüllen, Elterngeld bereits aufgrund bestands- beziehungsweise rechtskräftig abgeschlossener Verfahren erhalten haben oder haben werden, das ihnen nicht rückwirkend genommen werden kann. Die nachträgliche Abschaffung des Landeserziehungsgeldes benachteiligte damit erneut in gleichheitswidriger Weise diejenigen, die die mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbaren Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG nicht erfüllen.
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II.
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Entsprechend § 78 Satz 2 BVerfGG sind im Interesse der Rechtsklarheit auch die Nachfolgevorschriften in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 des Bayerischen Gesetzes zur Zahlung eines Landeserziehungsgeldes und zur Ausführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes vom 26. März 2001 (GVBl S. 76), in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 des Bayerischen Gesetzes zur Zahlung eines Landeserziehungsgeldes und zur Ausführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. April 2004 (GVBl S. 133) und in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Neuordnung des Bayerischen Landeserziehungsgeldes vom 9. Juli 2007 (GVBl S. 442), die keine inhaltliche Änderung gegenüber Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG 1995 aufweisen, für mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar zu erklären (vgl. BVerfGE 92, 53 <73>; 94, 241 <265 f.>, jeweils m.w.N.).
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III.
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Bescheide, die im Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Entscheidung bereits bestandskräftig sind, bleiben von ihr unberührt. Dies entspricht dem Grundgedanken des § 79 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG, der auch zur Anwendung kommt, wenn das Bundesverfassungsgericht eine Vorschrift für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt (vgl. BVerfGE 81, 363 <384>). Es bleibt dem Gesetzgeber unbenommen, im Zusammenhang mit dem Gegenstand der vorliegenden Entscheidung eine andere Regelung zu treffen (vgl. BVerfGE 94, 241 <266 f.>; 111, 115 <146>).
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IV.
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Für den Erlass einer Neuregelung bleibt dem Gesetzgeber eine Frist bis zum 31. August 2012. Kommt es bis zu diesem Zeitpunkt zu keiner verfassungsgemäßen Neuregelung, tritt Nichtigkeit der beanstandeten Vorschriften ein (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>).
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V.
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Noch nicht rechts- oder bestandskräftig abgeschlossene Gerichts- und Verwaltungsverfahren, in denen der Gewährung von Landeserziehungsgeld lediglich die Staatsangehörigkeit der Antragstellenden entgegensteht, bleiben ausgesetzt oder sind auszusetzen (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>; 116, 96 <135>) bis der Gesetzgeber die verfassungswidrige Norm durch eine Neuregelung ersetzt hat (vgl. BVerfGE 28, 324 <363>; 111, 160 <176>), oder entsprechend C. IV. Nichtigkeit eintritt (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>).
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.
(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.
(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.
(1) Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates.
(2) Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen.
(3) Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. Kein Lehrer darf gegen seinen Willen verpflichtet werden, Religionsunterricht zu erteilen.
(4) Das Recht zur Errichtung von privaten Schulen wird gewährleistet. Private Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen bedürfen der Genehmigung des Staates und unterstehen den Landesgesetzen. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die privaten Schulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte nicht genügend gesichert ist.
(5) Eine private Volksschule ist nur zuzulassen, wenn die Unterrichtsverwaltung ein besonderes pädagogisches Interesse anerkennt oder, auf Antrag von Erziehungsberechtigten, wenn sie als Gemeinschaftsschule, als Bekenntnis- oder Weltanschauungsschule errichtet werden soll und eine öffentliche Volksschule dieser Art in der Gemeinde nicht besteht.
(6) Vorschulen bleiben aufgehoben.
(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.
(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.
(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.
(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.
(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.
(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.
(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.