Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Beschluss, 23. März 2017 - 4 B 38/17

ECLI:ECLI:DE:VGSH:2017:0323.4B38.17.0A
bei uns veröffentlicht am23.03.2017

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung einer noch zu erhebenden Klage gegen den Widerspruchsbescheid des Antragsgegners vom 08.02.2017 wird angeordnet.

2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig

3. Der Streitwert wird auf 70,26 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin wendet sich gegen die Vollstreckung von Rundfunkbeiträgen durch den Antragsgegner. Die Antragstellerin ist seit Februar 1991 unter der Teilnehmernummer … bei dem Beigeladenen als Rundfunkteilnehmerin unter der rubrizierten Anschrift gemeldet.

2

Mit Bescheid vom 04.07.2014 setzte der Beigeladene Rundfunkbeiträge für den Zeitraum 01.10.2013 bis 31.03.2014 in Höhe von 107,88 € und einen Säumniszuschlag in Höhe von 8,- € fest. Mit Bescheid vom 01.04.2015 setzte der Beigeladene Rundfunkbeiträge für den Zeitraum 01.04.2014 bis 30.06.2014 in Höhe von 53,94 € und einen Säumniszuschlag in Höhe von 8,- € fest.

3

Mit Schreiben vom 31.07.2014 und 30.04.2015 legte die Antragstellerin gegen die Bescheide vom 04.07.2014 und 01.04.2015 Widerspruch ein. Der Beigeladene wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 05.12.2015 zurück.

4

Mit Bescheid vom 04.03.2016 setzte der Beigeladene Rundfunkbeiträge für den Zeitraum 01.07.2014 bis 31.12.2015 in Höhe von 319,32 € und einen Säumniszuschlag in Höhe von 8,- € fest. Mit Schreiben vom 16.03.2016 legte die Antragstellerin gegen den Festsetzungsbescheid Widerspruch ein. Diesen wies der Beigeladene mit Widerspruchsbescheid vom 05.04.2016 zurück.

5

Mit Schreiben vom 01.08.2016 richtete der Beigeladene ein Vollstreckungsersuchen an den Antragsgegner mit der Bitte, gegen die Antragstellerin die Zwangsvollstreckung für rückständige Rundfunkgebühren/Rundfunkbeiträge, Säumniszuschläge und Nebenforderungen in Höhe von insgesamt 417,87 € durchzuführen. Ausweislich des Schreibens des Beigeladenen seien die Voraussetzungen für die Zwangsvollstreckung erfüllt. Die Festsetzungsbescheide seien unanfechtbar geworden bzw. ein Rechtsbehelf habe keine aufschiebende Wirkung. Als Anlage war dem Vollstreckungsersuchen folgende Aufstellung über die rückständigen Forderungen beigefügt (vgl. Bl. 1 Beiakte A):

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6

Mit Schreiben vom 12.08.2016 teilte der Beigeladene dem Antragsgegner mit, dass sich der beizutreibende Betrag durch eine an ihn geleistete Zahlung um 226,36 € gemindert habe und ein Restbetrag in Höhe von 191,51 € verbleibe.

7

Unter dem 29.08.2016 kündigte der Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin die Vollstreckung wegen der Forderung des Beigeladenen an. Die Vollstreckungsankündigung enthielt folgende Aufstellung:

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8

Mit Schreiben vom 12.08.2016 teilte der Beigeladene dem Antragsgegner mit, dass sich der beizutreibende Betrag durch eine weitere an ihn geleistete Zahlung gemindert habe und ein Restbetrag in Höhe von 97,51 € verbleibe.

9

Mit Pfändungsauftrag vom 15.09.2016 wurde der Vollstreckungsbeamte des Antragsgegners angewiesen, wegen der Rückstände der Antragstellerin die Pfändung beweglicher Sachen vorzunehmen. Der Pfändungsauftrag enthielt die Angabe, dass Rundfunkbeiträge in Höhe von 191,51 € sowie bisherige Vollstreckungskosten in Höhe von 23,- € (gesamt 214,51 €) zu leisten seien. Von diesem Gesamtbetrag wurde handschriftlich ein Betrag von 94,- € abgezogen. Der Vollstreckungsbeamte vermerkte auf dem Antrag, dass er den Pflichtigen am 10.01.2017 nicht angetroffen habe (Bl. 6 Beiakte A).

10

Unter dem 26.01.2017 erließ der Antragsgegner gegenüber der Kreissparkasse Herzogtum Lauenburg eine Pfändungs- und Überweisungsverfügung. In dieser war angegeben, dass die Antragstellerin dem Beigeladenen folgende Beträge schuldet:

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11

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Pfändungs- und Überweisungsverfügung Bezug genommen (Bl. 11 ff. Beiakte A).

12

Ebenfalls unter dem 26.01.2017 erließ der Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin eine Pfändungs- und Überweisungsverfügung. In dieser ist die Kreissparkasse Herzogtum Lauenburg als Drittschuldner und der Beigeladene als Gläubiger angegeben. Die zu vollstreckende Forderung wurde wie folgt bezeichnet (vgl. Bl. 7 der Gerichtsakte):

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13

Mit Schriftsatz vom 31.01.2017 legte die Antragstellerin Widerspruch gegen die Pfändungs- und Überweisungsverfügung ein führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass diese nicht hinreichend bestimmt sei. Es fehle die Angabe des zu vollstreckenden Leistungsbescheides.

14

Der Antragsgegner wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 08.02.2017 zurück. Sowohl in der Vollstreckungsankündigung vom 29.08.2016 als auch in der Pfändungs- und Überweisungsverfügung vom 26.01.2017 sei die Forderung eindeutig bezeichnet worden. Der Vollstreckung seien auch diverse Bescheide und Mahnungen des Beigeladenen vorausgegangen.

15

Die Antragstellerin hat am 20.02.2017 einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Sie ist der Ansicht, dass die Pfändungs- und Überweisungsverfügung gegen § 269 Abs. 1 Nr. 1 LVwG verstoße. Der Antragsgegner hätte vor Beginn der Vollstreckung prüfen müssen, ob ein entsprechender Leistungsbescheid vorliegt. Aus der Nichtangabe eines Leistungsbescheides in der Pfändungs- und Überweisungsverfügung folge, dass es einen solchen nicht gebe. Zudem liege ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot vor. Zur inhaltlichen Bestimmtheit einer Pfändungsverfügung gehöre, dass in ihr der zu vollstreckende Leistungsbescheid angegeben wird.

16

Die Antragstellerin beantragt,

17

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 31.01.2017 gegen die Pfändungs- und Überweisungsverfügung des Antragsgegners vom 26.01.2017 wegen eines Betrages in Höhe von insgesamt 140,51 € an die Kreissparkasse Herzogtum- Lauenburg als Drittschuldner anzuordnen.

18

Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 01.03.2017 vorgetragen, dass in der Pfändungs- und Überweisungsverfügung genau bezeichnet worden sei, um welche Forderung für welchen Zeitraum und welchen Gläubiger es sich handelt. Es sei unschädlich, dass das Datum des Leistungsbescheides des Beigeladenen nicht explizit aufgeführt wurde. Die Antragstellerin hätte nicht mehrere Zahlungen geleistet, wenn sie die Leistungsbescheide nicht gekannt hätte.

19

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und mit Schriftsatz vom 03.03.2017 vorgetragen, dass der Antrag unzulässig sei, da die Antragstellerin gegen die benannten Widerspruchsbescheide keine Rechtsmittel eingelegt habe und diese bestandskräftig geworden seien.

II.

20

Der Antrag ist zulässig, er ist insbesondere statthaft. Das Gericht kann gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 1 VwGO die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VwGO ganz oder teilweise wieder anordnen. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Pfändungs- und Überweisungsverfügung des Antragsgegners entfalten gem. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO in Verbindung mit § 322 Abs. 1, § 248 Abs. 3 Allgemeines Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein (LVwG) keine aufschiebende Wirkung. Bei dem Erlass der Pfändungs- und Überweisungsverfügung handelt es sich um eine Maßnahme der Vollstreckung öffentlich-rechtlicher Geldforderungen gem. §§ 262 ff. LVwG. Die Pfändung einer Geldforderung erfolgt gem. § 300 LVwG durch den Erlass einer Pfändungsverfügung.

21

Der Antrag der Antragstellerin war nach verständiger Würdigung ihres Begehrens gem. §§ 122 Satz 1, 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass sie die aufschiebende Wirkung einer noch zu erheben Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 08.02.2017 begehrt. Durch den Erlass des Widerspruchsbescheides kann die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs nicht mehr angeordnet werden. Insoweit ist es gem. § 80 Abs. 5 Satz 2 VwGO unschädlich, dass die Klägerin noch keine Klage erhoben hat. Danach kann der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung schon vor Erhebung der Anfechtungsklage gestellt werden.

22

Der Antragstellerin fehlt auch nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für ihren Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Dem Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin steht insbesondere nicht entgegen, dass sie gegen die streitgegenständlichen Festsetzungs- und Widerspruchsbescheide keine Klage erhoben hat und diese somit bestandskräftig geworden sind. Bei der Pfändungs- und Überweisungsverfügung handelt es sich um einen eigenständig überprüfbaren und anfechtbaren Verwaltungsakt, der lediglich in dem Sinne im Zusammenhang mit den Festsetzungsbescheiden steht, als deren Vorliegen eine Voraussetzung der Zwangsvollstreckung ist. Für Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung bestehen jedoch weitere formelle und materielle Anforderungen, deren Vorliegen mit den entsprechenden Rechtsbehelfen überprüfbar ist.

23

Der Antragstellerin fehlt auch nicht deshalb das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für ihren Antrag, weil bislang gegen den am 09.02.2017 mit Zustellungsurkunde zugestellten Widerspruchsbescheid vom 08.02.2017 bei dem erkennenden Gericht keine Klage erhoben wurde. Unabhängig von der Beurteilung des von den Beteiligten aufgeworfenen Problems, ob der Antragsgegner auch die zuständige Widerspruchsbehörde gem. § 73 Abs. 1 VwGO ist, wäre eine eventuelle Klage gegen den Widerspruchsbescheid derzeit nicht verfristet. Die Klagefrist würde – entgegen dem in § 74 Abs. 1 VwGO normierten Grundsatz der Monatsfrist – gem. § 58 Abs. 2 VwGO ein Jahr betragen. Die im Widerspruchsbescheid vorhandene Rechtsbehelfsbelehrung ist unrichtig im Sinne von § 58 Abs. 2 VwGO. In der Belehrung fehlt der Hinweis auf die Möglichkeit, eine Klage bei dem erkennenden Gericht auch im Wege der elektronischen Kommunikation einzulegen. Der bloße Verweis auf die Möglichkeit, den Rechtsbehelf schriftlich oder zur Niederschrift zu erheben, ist in diesem Falle nicht ausreichend, weil sie geeignet ist, bei dem Betroffenen den Eindruck zu erwecken, trotz Eröffnung des Zugangs für die Übermittlung elektronischer Dokumente sei die Einlegung auf diesem Wege nicht zulässig (vgl. eingehend und m.w.N. VG Schleswig, Urt. v. 05.11.2015 – 1 A 24/15 – juris, dieser Entscheidung folgend VG Schleswig, Urt. v. 12.01.2017 – 4 A 157/15 – n.v.).

24

Die aufgeworfene Frage, ob der Antragsgegner für den Erlass des Widerspruchsbescheides vom 08.02.2017 gem. § 73 Abs. 1 VwGO sachlich zuständig gewesen ist, ist vorliegend nicht entscheidungserheblich und bedarf daher keiner Erörterung. Eine Verletzung der gesetzlichen Vorgaben für die sachliche Zuständigkeit würde jedenfalls nicht zur Nichtigkeit des Widerspruchsbescheides gem. § 113 LVwG führen.

25

Der Antrag ist begründet. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 1 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs bzw. einer Anfechtungsklage anordnen, wenn das Interesse der Antragstellerin am vorläufigen Nichtvollzug des streitgegenständlichen Verwaltungsaktes das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung dieses Verwaltungsaktes, hier der Pfändungs- und Überweisungsverfügung vom 26.01.2017, überwiegt. Die vom Gericht vorzunehmende Interessenabwägung hat sich an den voraussichtlichen Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu orientieren.

26

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe überwiegt das Interesse der Antragstellerin an dem Nichtvollzug der Pfändungs- und Überweisungsverfügung das behördliche Vollzugsinteresse. Nach der gebotenen summarischen Prüfung bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Pfändungs- und Überweisungsverfügung vom 26.01.2017.

27

Rechtsgrundlage für die Vollstreckung der vom Beigeladenen festgesetzten Rundfunkbeiträge und Säumniszuschläge sind §§ 262 ff., 300 LVwG.

28

Die in § 269 Abs. 1 LVwG normierten Voraussetzungen für den Beginn der Vollstreckung sind (überwiegend) erfüllt. § 269 Abs. 1 Nr. 1 LVwG bestimmt, dass die Vollstreckung erst dann beginnen darf, nachdem ein Verwaltungsakt vorliegt, durch den die Schuldnerin oder der Schuldner zur Leistung aufgefordert wird (Leistungsbescheid).

29

Die Antragstellerin wurde vom Beigeladenen durch den Erlass der Bescheide vom 04.07.2014, 01.04.2015 und 04.03.2016 aufgefordert, die dort festgesetzten Rundfunkbeiträge und Säumniszuschläge zu zahlen. Hierbei handelt es sich um Leistungsbescheide im Sinne von § 269 Abs. 1 Nr. 1 LVwG.

30

Ein Verstoß gegen § 269 Abs. 1 Nr. 1 LVwG liegt nicht deshalb vor, weil der Antragsgegner nicht selbst über die benannten Leistungsbescheide verfügte und sich von deren Vollstreckbarkeit überzeugt hat. § 269 Abs. 1 Nr. 1 LVwG verlangt lediglich, dass die der Vollstreckung zugrunde liegende Leistungsbescheide überhaupt vorliegen. Der Antragsgegner war daher grundsätzlich nicht verpflichtet, die Angaben des Beigeladenen über das Bestehen der Bescheide und deren Vollstreckbarkeit zu überprüfen. Sollte sich im Laufe des Vollstreckungsverfahrens jedoch herausstellen, dass die zu vollstreckenden Bescheide nicht existieren oder nicht wirksam geworden sind bzw. nicht vollstreckbar sind, ginge dies zu Lasten der Vollstreckungsbehörde.

31

Das Gericht geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass die benannten Festsetzungs- und Widerspruchsbescheide der Antragstellerin bekannt gegeben wurden und wirksam geworden sind. Die Antragstellerin hat gegen die jeweiligen Festsetzungsbescheide Widerspruch eingelegt und nicht geltend gemacht, die Widerspruchsbescheide vom 05.12.2016 und 05.04.2016 nicht erhalten zu haben. Während des gerichtlichen Verfahrens hat die Antragstellerin zudem vorgetragen, dass sie bezüglich der streitgegenständlichen Forderungen teilweise Zahlungen an den Beigeladenen geleistet hat.

32

Das Gericht hat hingegen ernstliche Zweifel daran, dass für die im Vollstreckungsersuchen des Beigeladenen benannten Mahngebühren in Höhe von 7,50 € ein entsprechender Leistungsbescheid vorliegt. Ausweislich des Vollstreckungsersuchens sollen die Mahngebühren mit Bescheid vom 04.07.2014 festgesetzt worden sein. In dem benannten Bescheid findet sich eine solche Kostenposition jedoch nicht. Eine Vollstreckung wegen dieses Betrages hätte somit nicht erfolgen dürfen.

33

Die Pfändungs- und Überweisungsverfügung vom 26.01.2017 ist jedenfalls deshalb offensichtlich rechtswidrig, weil sie gegen das in § 108 Abs. 1 LVwG normierte Bestimmtheitsgebot verstößt. Danach muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein.

34

Der Bestimmtheitsmangel folgt daraus, dass die zu vollstreckende(n) Forderung(en) in der Pfändungs- und Überweisungsverfügung nicht hinreichend konkret bezeichnet wurde(n). Die Pfändungs- und Überweisungsverfügung ist in § 300 LVwG geregelt. Diese Vorschrift enthält – im Gegensatz zu anderen landesrechtlichen Regelungen und zu § 260 Abgabenordnung (AO) – keine Vorgaben zur Bezeichnung des Schuldgrundes. Insoweit ist daher auf allgemeine, in der Rechtsprechung entwickelte, Grundsätze zur Vollstreckung öffentlich-rechtlicher Forderungen im Wege der Forderungspfändung zurückzugreifen.

35

Die Pfändungsverfügung muss als Verwaltungsakt die nötige Klarheit und Bestimmtheit so in sich tragen, dass Anordnung und Umfang der Pfändung mit Sicherheit zu ersehen und zu erkennen sind. Sie muss die gepfändete Forderung so genau bezeichnen, dass keine Verwechslungsmöglichkeit besteht und unzweifelhaft feststeht, welche Forderung Gegenstand der Zwangsvollstreckung sein soll (vgl. Schlatmann, in: Engelhardt/App/Schlatmann, VwVG VwZG, § 309 AO Rn 4 m.w.N.; Fritzsch, in: Koenig, Kommentar zur AO, § 309 Rn 39 m.w.N.). Zu den – vor allem anhand von § 260 AO dargestellten – Mindestanforderungen gegenüber dem Vollstreckungsschuldner gehört dabei, dass die Pfändungsverfügung grundsätzlich (Steuer)Art, Höhe und Zeitraum der Forderung angeben muss, aus denen sich der gepfändete und eingezogene Betrag ergibt (vgl. Werth, in: Klein, Abgabenordnung, 13. Aufl. 2016, § 260 Rn 2 m.w.N.).

36

Ob zur notwendigen Angabe des Schuldgrundes, d.h. bei der Bezeichnung der zu vollstreckenden Forderung, auch zwingend die Benennung des konkreten Leistungsbescheides gehört, wird in der Rechtsprechung offensichtlich nicht einheitlich beurteilt (vgl. beispielsweise VG Schwerin Beschl. v. 20.10.2015 – 6 B 1469/15 SN – BeckRS 2015, 56488 und VG Kassel, Beschl. v. 22.06.2015 – 1 L 677/15.KS – BeckRS 2015, 48904, die eine solche Voraussetzung jedenfalls nicht ausdrücklich formulieren).

37

Aus Gründen des Schutzes des Vollstreckungsschuldners und der Rechtssicherheit folgt die Kammer der – insbesondere in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung – vertretenen Auffassung, dass der Schuldner anhand der Angaben in der Pfändungs- und Überweisungsverfügung erkennen können muss, welche Forderung aus welchem Verwaltungsakt (bzw. welche Nebenforderung) gegen ihn vollstreckt wird (vgl. VG München, Beschl. v. 30.11.2005 – M 10 S 05.2069 -; VG Augsburg, Beschl. v. 17.03.2006 – Au 1 S 06.23 – jeweils nach juris). Nur wenn der Vollstreckungsschuldner dies weiß, kann er prüfen, ob die Voraussetzungen der Vollstreckung gegeben sind und ob sich folglich die Einlegung eines Rechtsbehelfs für ihn lohnt (vgl. BFH, Urt. v. 18.07.2000 – VII R 101/98 – BFHE 192, 232 ff.; VGH Mannheim, Urt. v. 07.06.1989 – 6 S 3244/88 – juris). Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss muss demzufolge klarstellen, auf welchem Bescheid bzw. welchen Bescheiden die Festsetzung der Abgabe beruht und um welche Art von Abgabe es sich handelt (vgl. auch VG München, Beschl. v. 18.03.2011 – M 10 E 11.1109 – juris, m.w.N.; VG Augsburg, Beschl. v. 08.01.2013 – Au 5 V 12.1392 - juris).

38

Nach Auffassung der Kammer erfordert das Selbstvollstreckungsrecht bei Verwaltungsakten, den Schuldgrund so genau und eindeutig wie möglich anzugeben. Schuldgrund ist dabei nicht bereits das Rechtsverhältnis zwischen dem Vollstreckungsschuldner und dem Gläubiger der Forderung. Dieser wird erst durch den konkreten Leistungsbescheid, welcher als Verwaltungsakt die Zahlungspflicht konkret regelt, gebildet (vgl. auch VG Neustadt [Weinstraße], Beschl. v. 19.05.2014 – 1 L 323/14.NW – juris, m.w.N.).

39

Den soeben dargestellten Anforderungen genügt die Bezeichnung der zu vollstreckenden Forderung in der streitbefangenen Pfändungs- und Überweisungsverfügung nicht. Zwar wurde vom Antragsgegner angeben, welche Forderungsart (Rundfunkbeiträge) in welcher Höhe und für welchen Zeitraum vollstreckt werden soll. Es fehlt jedoch die Angabe der jeweiligen Festsetzungsbescheide des Beigeladenen, welche die Grundlage der Gesamtforderung des Beigeladenen bildet.

40

Die vorliegende Konstellation zeigt exemplarisch, warum es aus objektiv-rechtlichen Gründen geboten ist, auch die jeweiligen Leistungsbescheide in die Bezeichnung des Schuldgrundes aufzunehmen. Bei dem vom Antragsgegner vollstreckten Betrag handelt es sich um eine Gesamtforderung, die sich aus mehreren Festsetzungsbescheiden zusammensetzt. Aus der Angabe in der Pfändungs- und Überweisungsverfügung lässt sich jedoch nicht erkennen, welche konkrete Beitragsforderung des Beigeladenen für welchen Zeitraum vollstreckt werden soll. Die jeweiligen Festsetzungsbescheide setzen nämlich für verschiedene Zeiträume Beitragsforderungen in unterschiedlicher Höhe fest. Hinzu kommt, dass die Antragstellerin vor und während des Vollstreckungsverfahrens Teilzahlungen geleistet hat. Aus der Pfändungs- und Überweisungsverfügung, die den Gesamtzeitraum Oktober 2013 bis Dezember 2015 und damit in zeitlicher Hinsicht alle drei Festsetzungsbescheide umfasst, lässt sich nicht erkennen, ob in welcher Höhe welche Teilforderungen des Beigeladenen – in Anwendung von § 14 der Satzung des Norddeutschen Rundfunks über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge – bereits erloschen sind.

41

Mit dem von der Kammer formulierten Bestimmtheitsgebot werden auch keine überzogenen Anforderungen an die Vollstreckungsbehörden bei der Ausstellung von Pfändungs- und Überweisungsverfügungen wegen der Vollstreckung von Rundfunkbeiträgen gestellt. Üblicherweise übermittelt der Beigeladene den Vollstreckungsbehörden – wie hier – mit dem Vollstreckungsersuchen eine Auflistung der maßgeblichen Festsetzungsbescheide. Diese Angaben könnten in die Bezeichnung der Forderung(en) in den während des Vollstreckungsverfahrens versandten Schriftsätzen und Bescheiden implementiert werden.

42

Des Weiteren genügt aber auch die schlichte Bezeichnung des Schuldgrundes mit „Rundfunkbeiträge“ vorliegend nicht den Bestimmtheitsanforderungen. Bestandteil der vom Beigeladenen an den Antragsgegner übermittelten Gesamtforderung waren auch Mahngebühren und Säumniszuschläge. Jedenfalls die vom Beigeladenen – hier vermeintlich - festgesetzten Mahngebühren können nicht unter den Begriff des Rundfunkbeitrags gefasst werden. Dieser Teil der Gesamtforderung hätte bei der Angabe des Schuldgrundes spezifiziert werden müssen. Überdies zeigt sich gerade bei den Mahngebühren die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit der Benennung des konkreten Leistungsbescheides, da entgegen der Angabe des Beigeladenen im Vollstreckungsersuchen vom 01.08.2016 mit Bescheid vom 04.07.2014 offensichtlich keine Mahngebühren festgesetzt wurden. Ob die vorgenannten Erwägungen auch für die gem. § 11 der Satzung des Norddeutschen Rundfunks über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge festgesetzten Säumniszuschläge gelten und diese nicht von dem Begriff „Rundfunkbeitrag“ erfasst werden, bedarf hier keiner Entscheidung.

43

Gegen die Beitreibung der vom Antragsgegner festgesetzten Gebühren und Auslagen bestehen ebenfalls teilweise rechtliche Bedenken.

44

Der in der Pfändungs- und Überweisungsverfügung mit „Pfändungsgebühr“ benannte Betrag in Höhe von 20,- € dürfte zwar zu Recht festgesetzt und gem. § 14 Abs. 2 der Landesverordnung über Kosten im Vollzugs- und Vollstreckungsverfahren (VVKVO) i. V. m. Anlage 3 zur VVKVO zutreffend berechnet worden sein. Rechtsgrundlage für die Erhebung von Pfändungsgebühren ist insoweit § 12 Nr. 2 i. V. m. § 14 Abs. 1 Nr. 2 VVKVO.

45

Allerdings hat das Gericht ernstliche Zweifel an der Berechtigung zur Festsetzung von „Vollstreckungsgebühren“ in Höhe von 23,- €. Zum einen ist fraglich, was unter dem Begriff Vollstreckungsgebühren zu verstehen ist. Die VVKVO enthält keinen Gebührentatbestand „Vollstreckungsgebühren“. Die als „numerus clausus“ zu verstehende Auflistung in § 12 VVKVO sieht keine Erhebung von Vollstreckungsgebühren vor. Aufgrund des Verlaufs der Vollstreckungsmaßnahmen geht das Gericht jedoch davon aus, dass hiermit wohl die Pfändungsgebühren gem. § 14 Abs. 1 Nr. 1 VVKVO für die Beauftragung des Vollstreckungsbeamten zur Vornahme einer Sachpfändung abgegolten werden sollten. Insofern dürfte jedoch der Gebührensatz falsch angesetzt worden sein. Im Zeitpunkt der Beauftragung des Vollstreckungsbeamten am 15.09.2016 (Bl. 6 Beiakte A), auf den es gem. § 18 Nr. 2 VVKVO (Entstehung der Gebührenschuld durch Erteilung des Vollstreckungsauftrags) ankommt, betrug die Höhe der für den Beigeladenen zu vollstreckenden Forderung ausweislich des Schreibens vom 09.09.2016 noch 97,51 €. Die Pfändungsgebühren hätten daher in Bezug auf diesen Betrag gem. Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 Nr. 1 VVKVO lediglich in Höhe von 20,- € festgesetzt werden dürfen. Die Vollstreckungsankündigung vom 29.08.2016 führt gem. § 18 VVKVO noch nicht zur Entstehung einer Gebührenschuld.

46

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und Abs. 3 VwGO. Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und ist somit kein Kostenrisiko eingegangen. Daher entspricht es gem. § 162 Abs. 3 VwGO auch der Billigkeit, seine außergerichtlichen Kosten nicht für erstattungsfähig zu erklären.

47

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Hierbei ist zunächst die Höhe des zur Vollstreckung bestimmten Betrages maßgeblich (140,51 €), wovon nach der Rechtsprechung der Kammer im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens die Hälfte anzusetzen war.


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Tenor 1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 26. März 2015 gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Antragsgegners vom 16. März 2015 (Az.: 01 - 88002964) wird angeordnet. Der Antragsgegner und der Beigelad
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Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 12. Juli 2017 - 8 A 190/15

bei uns veröffentlicht am 12.07.2017

Tenor Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben und soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens tra

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) §§ 88, 108 Abs. 1 Satz 1, §§ 118, 119 und 120 gelten entsprechend für Beschlüsse.

(2) Beschlüsse sind zu begründen, wenn sie durch Rechtsmittel angefochten werden können oder über einen Rechtsbehelf entscheiden. Beschlüsse über die Aussetzung der Vollziehung (§§ 80, 80a) und über einstweilige Anordnungen (§ 123) sowie Beschlüsse nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache (§ 161 Abs. 2) sind stets zu begründen. Beschlüsse, die über ein Rechtsmittel entscheiden, bedürfen keiner weiteren Begründung, soweit das Gericht das Rechtsmittel aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Hilft die Behörde dem Widerspruch nicht ab, so ergeht ein Widerspruchsbescheid. Diesen erläßt

1.
die nächsthöhere Behörde, soweit nicht durch Gesetz eine andere höhere Behörde bestimmt wird,
2.
wenn die nächsthöhere Behörde eine oberste Bundes- oder oberste Landesbehörde ist, die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat,
3.
in Selbstverwaltungsangelegenheiten die Selbstverwaltungsbehörde, soweit nicht durch Gesetz anderes bestimmt wird.
Abweichend von Satz 2 Nr. 1 kann durch Gesetz bestimmt werden, dass die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, auch für die Entscheidung über den Widerspruch zuständig ist.

(2) Vorschriften, nach denen im Vorverfahren des Absatzes 1 Ausschüsse oder Beiräte an die Stelle einer Behörde treten, bleiben unberührt. Die Ausschüsse oder Beiräte können abweichend von Absatz 1 Nr. 1 auch bei der Behörde gebildet werden, die den Verwaltungsakt erlassen hat.

(3) Der Widerspruchsbescheid ist zu begründen, mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen und zuzustellen. Zugestellt wird von Amts wegen nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes. Der Widerspruchsbescheid bestimmt auch, wer die Kosten trägt.

(1) Die Anfechtungsklage muß innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist nach § 68 ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muß die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.

(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. § 60 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt entsprechend.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen eine tierschutzrechtliche Ordnungsverfügung die Fortnahme, Unterbringung und Veräußerung dreier Pferde betreffend.

2

Der Kläger ist Eigentümer von drei Pferden (zwei Stuten, braun-schwarz und braun, im Dezember 2014 nach tierärztlicher Einschätzung ca. acht und zehn Jahre alt, ein Hengstfohlen, braun, im Dezember 2014 nach tierärztlicher Einschätzung ca. drei bis vier Monate alt). Gegen ihn besteht ein durch Bescheid des Amtes P...-L… vom 7. März 2002 ausgesprochenes unbefristetes Tierhaltungsverbot gemäß § 16a Abs. 1 Nr. 3 TierSchG für alle landwirtschaftlichen Nutztiere einschließlich Pferde. Die hiergegen gerichtete Klage wurde mit Urteil vom 18. Dezember 2003 rechtskräftig abgewiesen (1 A 231/02). Ein weiteres Verfahren die beantragte Aufhebung dieses Tierhaltungsverbots betreffend (1 A 81/08) ist durch Klagerücknahme beendet worden.

3

Der Kläger brachte ab dem 4. Dezember 2014 die oben genannten drei Pferde auf einer Fläche in R... an der T…er Straße in der Nähe der BAB 23 in einem Schuppen unter.

4

Aufgrund einer Vorortbegutachtung mit der Veterinäraufsicht des Kreises P..., vertreten durch die Amtstierärztin ..., stellte die Beklagte am 8. bzw. 9. Dezember 2014 fest, dass sich beide Stuten in einem mäßigen bis schlechten Ernährungs- und Pflegezustand befanden. Sie wiesen - teilweise offene, nässende - Druckstellen von zu eng sitzenden bzw. zu lange getragenen Halftern auf. Das Fohlen wies einen mäßigen Ernährungs- und Pflegezustand auf. Die Pferde konnten den teilweise baufälligen Stall nicht verlassen und hatten - vorbehaltlich der Versorgung durch dritte Personen - keinen Zugang zu Heu- und Wasserversorgung. Der als Gruppenbox genutzte, ca. 12,25 qm große Schuppen war über einen längeren Zeitraum nicht entmistet worden, eine trockene Liegefläche stand den Pferden nicht zur Verfügung. Nach Auskunft der helfenden Freiwilligen vor Ort gegenüber der Beklagten habe man das Geschehen über mehrere Tage beobachtet, habe aber zu keinem Zeitpunkt jemanden wahrnehmen können, der sich in einer wie auch immer gearteten Weise um die Tiere kümmere. Die maßgeblichen Angaben zum Zustand der Tiere und zu ihrer Auffindesituation sind in einem Bericht der Tierärztin ... festgehalten, den diese auf der Grundlage der am 8. Dezember 2014 vorgenommenen Vorortbesichtigung erstellt hatte. Auch zum Zeitpunkt des Vororttermins der Beklagten am 9. Dezember 2014 war der Halter bzw. Eigentümer der Tiere noch unbekannt bzw. konnte nicht ermittelt werden. Die Beklagte nahm daraufhin die Pferde in Gewahrsam und brachte sie anderweitig unter. Über dieses Vorgehen informierte sie den Kläger mittels eines fest am Schuppen angebrachten Aushangs.

5

Nachdem der Kläger sich als Eigentümer der Pferde bei der Beklagten gemeldet hatte, erließ die Beklagte unter dem 16. Dezember 2014 eine Ordnungsverfügung, dem Kläger zugestellt am 18. Dezember 2014, mit dem nachfolgenden Inhalt: Die am 9. Dezember 2014 vorgenommene Sicherstellung der Pferde wandele sich mit dem Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides in eine Fortnahme der Tiere (Ziff. 1). Der Kläger sei aufgrund des Tierhaltungsverbots aus dem Jahr 2002 nicht zur Veräußerung oder anderweitigen Unterbringung berechtigt, daher werde die Veräußerung durch die Beklagte erfolgen (Ziff. 2). Bezüglich der Ziff. 1 und 2 wurde die sofortige Vollziehung angeordnet. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass der Zustand der beiden Stuten habe erkennen lassen, dass sie über einen längeren Zeitraum unterversorgt waren. Die Tiere seien nur noch „Haut und Knochen" und vollständig abgemuskelt gewesen. Eine trockene Liegefläche habe nicht zur Verfügung gestanden. Insbesondere auch der fehlende Auslauf der Tiere führe zu einer gravierenden Beeinträchtigung des Wohlbefindens und ziehe so ein haltungsbedingtes Leiden der Tiere nach sich. Auch das Wohlbefinden des Jungtieres sei nicht, wie erforderlich, zumindest einmal täglich durch den Halter kontrolliert worden. Eine angemessene Versorgung der Tiere mit Nahrung und Wasser sei über einen längeren Zeitraum nicht sichergestellt gewesen. Es sei eine sofortige Änderung der Gesamtsituation der Tiere erforderlich gewesen. Insbesondere die Tatsache, dass freiwillige Helfer bereits seit mehreren Tagen ein Minimum an Versorgung sichergestellt hätten, müsse bei der Bewertung des Grades der Vernachlässigung berücksichtigt werden. Ohne diese Hilfe hätte sich, so die Beklagte, die Situation sehr viel dramatischer dargestellt. Die Beklagte habe daher mit einer Ersatzvornahme nach §§ 230, 238 LVwG zur Abwehr weiteren Schadens für die Tiere reagiert. Im Hinblick auf die dabei entstandenen Kosten und Auslagen werde ein gesonderter Bescheid ergehen. Die Fortnahme und kostenpflichtige anderweitige pflegliche Unterbringung sowie die Veräußerung der Tiere basierten auf § 16a Abs. 1 Ziff. 2 TierSchG. Eine tierschutzgemäße Haltung iSd § 2 TierSchG könne durch den Kläger wegen des bestehenden Tierhaltungsverbots aus dem Jahre 2002 nicht gewährleistet werden. Daher dürfe er auch die Tiere auch nicht verkaufen, verschenken oder anderweitig verwerten, was daher durch die Beklagte vorgenommen werde.

6

Der Kläger legte gegen den Bescheid am 19. Januar 2015 Widerspruch ein, ohne diesen näher zu begründen.

7

Der Kreis P... wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 5. Februar 2015, zugestellt am 6. Februar 2015, einem Freitag, zurück. Zur Begründung trug er vor, dass die Tiere weder verhaltensgemäß ernährt, gepflegt oder untergebracht gewesen seien. Dies werde in der Sache nicht bestritten. Dementsprechend habe die örtliche Ordnungsbehörde die Tiere im Wege einer Ersatzvornahme nach §§ 230, 238 LVwG sichergestellt. Der Kläger sei als Eigentümer und Verursacher der Unterbringungssituation Verhaltens- und Zustandsstörer iSd §§ 218, 219 LVwG. Die Fortnahme der Tiere und anderweitige pflegliche Unterbringung finde die Grundlage in § 16a Abs. 1 Nr. 2 TierSchG. Aufgrund des nach wie vor bestehenden Tierhaltungsverbotes könne eine dem § 2 TierSchG entsprechende Haltung nicht sichergestellt werden. Auch eine anderweitige Verfügung durch den Kläger über die Tiere sei daher ausgeschlossen. Es seien auch sofortige Maßnahmen zur Verbesserung des Gesamtzustandes der Tiere erforderlich gewesen. Zum Zeitpunkt der Sicherstellung der Tiere sei deren Eigentümer noch unbekannt gewesen, die entsprechende Ermittlung habe jedoch aufgrund des Zustandes der Tiere nicht abgewartet werden können. Der Widerspruchsbescheid enthielt die nachfolgende Rechtsbehelfsbelehrung:

8

„Gegen den Bescheid vom 16.11-2014 in der Form dieses Widerspruchsbescheides können Sie innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Bescheides Klage vor dem Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht in Schleswig, Brockdorff- Rantzau-Straße 13, 24837 Schleswig, erheben. Die Klage kann schriftlich erhoben oder zur Niederschrift bei dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichtes erklärt werden. Die Klage ist gegen die Gemeinde R..., Die Bürgermeisterin, Hauptstraße 60, 25462 R..., zu richten."

9

Der Kläger hat am 8. März 2015, einem Sonntag, per Fax Klage erhoben.

10

Zur Begründung trägt er vor, dass er die Pferde nur zum Zweck der Übergabe an Herrn ... für einige Tage in den Stall bringen ließ und dass sie von diesem versorgt werden sollten. Er selbst sei zum Zeitpunkt der Unterbringung nicht in der Lage gewesen, ein Pferd oder ein Kfz zu bewegen, weil er ausweislich eines beigelegten Attestes vom 16. Januar 2015 das rechte Handgelenk gebrochen habe und seit dem 1. Dezember 2014 arbeitsunfähig gewesen sei.

11

Der Kläger beantragt sinngemäß

12

den Bescheid der Beklagten vom 16. Dezember 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Februar 2015 aufzuheben.

13

Die Beklagte beantragt,

14

die Klage abzuweisen.

15

Die Beklagte verweist zur Begründung darauf, dass die Klage wegen der Überschreitung der Klagefrist bereits unzulässig sei.

16

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 9. April 2015, die Beklagte mit Schriftsatz vom 16. März 2015 das Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

17

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

18

Das Gericht kann gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben.

19

Unter Auslegung des klägerischen Begehrens iSd § 88 VwGO bzw. des schriftlichen Vorbringens richtet sich die vorliegende Klage (ausschließlich) gegen die Verfügung vom 16. Dezember 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Februar 2015, nicht aber gegen die tatsächliche „Sicherstellung“ der Pferde bereits am 9. Dezember 2014. Letztgenannte Maßnahme dürfte sich als Realdurchsetzung der zu diesem Zeitpunkt mangels Möglichkeit der Halterermittlung hypothetisch gebliebenen Fortnahmeanordnung iSd 230 LVwG darstellen. Zwar bestehen hier Zweifel daran, ob es sich tatsächlich, wie von der Beklagten u.a. in Bescheidbegründung vom 16. Dezember 2014 erläutert, um eine Ersatzvornahme iSd § 238 LVwG handelte (vgl. OVG Frankfurt/Oder, Beschl. v. 25.05.1998 - 4 E 24/98 -, Rn. 3, juris (Maßnahmen nach (damaligem) § 16a S. 2 Nr. 2 TierSchG als unmittelbare Ausführung außerhalb der Verwaltungsvollstreckung bzw. als ordnungsrechtliche Maßnahme sui generis ohne Regelungscharakter) und VGH Mannheim, Beschl. v. 17.03.2005 - 1 S 381/05 -, Rn. 6, juris (Pflicht zur Herausgabe von Tieren, die sich im Besitz des Halters befinden, als unvertretbare Handlung) sowie Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 2. Aufl., 2007, § 16a, Rn. 15, 17 (Fortnahmeanordnung richtet sich auf Duldung durch Adressaten, d.h. nur Zwangsgeld oder unmittelbarer Zwang als taugliche Zwangsmittel)). Allerdings wäre diese Maßnahme, vorbehaltlich eines - ausdrücklich zu stellenden, hier aber nicht ersichtlichen - Feststellungsantrags, erst inzident im Rahmen des angekündigten Kostenbescheides betreffend die Unterbringungskosten vom 9. Dezember 2014 bis 15. Dezember 2014 zu untersuchen. Die hier vorliegende Klage setzt an dem Zeitpunkt an, zu dem nach der Halterermittlung die Fortnahmeanordnung, u.a. als Grundlage für die Kostenerstattung über den 16. Dezember 2014 hinaus, erlassen wurde bzw. die (weitergehende) Veräußerungsanordnung erfolgte.

20

Die so verstandene Anfechtungsklage, gerichtet gegen den Bescheid vom 16. Dezember 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Februar 2015, ist zulässig, aber unbegründet.

21

1. Die Klage ist zulässig, insbesondere die hier maßgebliche Klagefrist ist gewahrt.

22

Nach der Zustellungsurkunde wurde der Widerspruchsbescheid dem Kläger am 6. Februar 2015 zugestellt. Die einmonatige Klagefrist für die Erhebung einer Anfechtungsklage iSd § 74 Abs. 1 S. 1 VwGO endete danach am Freitag, den 6. März 2015, während die Klage erst am Sonntag, den 8. März 2015, per Fax bei Gericht einging. Vorliegend gilt aber statt der einmonatigen Klagefrist des § 74 Abs. 1 S. 1 VwGO die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 S. 1 VwGO, weil sich die Rechtsbehelfsbelehrung des Widerspruchsbescheids vom 5. Februar 2015 mangels Hinweises auf die Möglichkeit, die Klage im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs einzulegen, als fehlerhaft erweist.

23

a) Der aufgrund des Art. 2 Nr. 2 des Gesetzes über die Verwendung elektronischer Kommunikationsformen in der Justiz (Justizkommunikationsgesetz - JKomG) vom 22. März 2005 (BGBl. I, S. 837) mit Wirkung zum 1. April 2005 eingefügte § 55a VwGO eröffnet die Möglichkeit, elektronische Schriftsätze im verwaltungsgerichtlichen Verfahren einzureichen. Nach § 55a Abs. 1 S. 1 VwGO setzt die elektronische Übermittlung voraus, dass die Bundesregierung oder Landesregierung diese für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich durch Rechtsverordnung zugelassen hat. Von dieser Ermächtigung des Bundesgesetzgebers hat Schleswig-Holstein durch den Erlass der Landesverordnung über den elektronischen Rechtsverkehr mit den Gerichten und Staatsanwaltschaften vom 12. Dezember 2006 (GVOBl. 2006, S. 361) Gebrauch gemacht. Gemäß § 1 der Verordnung in der Fassung vom 13. Januar 2015 ist iVm Nr. 14 der Anlage bei dem Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht seit dem 1. Februar 2015 in allen Verfahren die Einreichung elektronischer Dokumente eröffnet. Diese Möglichkeit ist in der Rechtsbehelfsbelehrung des Kreises P... als zuständiger Widerspruchsbehörde vom 5. Februar 2015, die lediglich auf die Möglichkeit, die Klage schriftlich zu erheben oder zur Niederschrift bei dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts zu erklären, hinweist, nicht genannt.

24

Ob ein solcher Mangel eine Rechtsbehelfsbelehrung fehlerhaft iSd § 58 Abs. 2 VwGO macht, ist umstritten. Die Tendenz geht dabei dahin, dass die Verwaltungs(ober)gerichte dazu neigen, die Fehlerhaftigkeit und damit den Lauf der Jahresfrist zu bejahen, während die überwiegende sozial- und finanzgerichtliche Rechtsprechung, einschließlich des Bundessozialgerichts und des Bundesfinanzhofs, die Fehlerhaftigkeit verneint.

25

Ausgangspunkt der Überlegungen ist, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Rechtsbehelfsbelehrung nicht nur dann unrichtig iSd § 58 Abs. 2 VwGO ist, wenn sie die in § 58 Abs. 1 VwGO zwingend geforderten Angaben nicht enthält, sondern auch, wenn sie geeignet ist, bei dem Betroffenen einen Irrtum über die formellen oder materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs hervorzurufen und ihn dadurch abzuhalten, den Rechtsbehelf überhaupt, rechtzeitig oder in der richtigen Form einzulegen (vgl. nur BVerwG, Urt. 21.03.2002 - 4 C 2/01 -, Rn. 12 mwN, juris). Im Hinblick auf die Formerfordernisse eines Rechtsbehelfs handelt es sich nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts um Hinweise, die § 58 Abs. 1 VwGO in der Aufzählung der erforderlichen Inhalte einer Rechtsbehelfsbelehrung nicht erfasst und die damit nicht zwingend enthalten sein müssen. Sofern die Belehrung dergestaltige Hinweise dennoch enthält, entsprechen diese Zusätze nur dann den Anforderungen des § 58 Abs. 1 VwGO, wenn sie keinen unzutreffenden oder irreführenden Inhalt haben, der generell geeignet ist, den Betroffenen von der (ordnungsgemäßen) Einlegung des Rechtsbehelfs abzuhalten. Nicht entscheidend ist, ob der beanstandete Zusatz der Belehrung im konkreten Fall tatsächlich einen Irrtum hervorgerufen und dazu geführt hat, dass das Rechtsmittel nicht oder nicht rechtzeitig eingelegt worden ist. Es genügt, dass der irreführende Zusatz objektiv geeignet ist, die Rechtsmitteleinlegung zu erschweren (vgl. nur BVerwG, Urt. v. 30.04.2009 - 3 C 23/08 -, Rn. 17 mwN, juris).

26

Zentraler Streitpunkt ist damit, ob eine Belehrung mit einem Formhinweis, der auf die schriftliche Erhebung und die Erklärung zur Niederschrift beschränkt ist, die Option des elektronischen Rechtsverkehrs trotz Möglichkeit bzw. Eröffnung beim Adressaten des Rechtsbehelfs aber nicht nennt, objektiv zur Erschwerung der Rechtsbehelfseinlegung geeignet ist.

27

b) Dies verneint ein Teil der Rechtsprechung mit den folgenden Begründungserwägungen: Zunächst sei eine Belehrung, die dem gesetzlichen Wortlaut entspreche - im verwaltungs(gerichtlichen) Verfahren § 70 Abs. 1 S. 1 bzw. § 81 Abs. 1 VwGO -, nach dem zugrunde zu legenden objektiven Empfängerhorizont nicht geeignet, eine Fehlvorstellung hervorzurufen (vgl. nur BFH, Beschl. v. 12.12.2012 - I B 127/12 -, Rn. 19; Urt. v. 20.11.2013  - X R 2/12 -, Rn. 15 ff., beide juris, zu den entsprechenden Vorschriften der AO sowie BFH, Urt. v. 05.03.2014 - VIII R 51/12 -, Rn 25 f.; Urt. v. 18.06.2015 - IV R 18/13 -, Rn. 20 ff., beide juris, zu den entsprechenden Vorschriften der FGO; ohne nähere Begründung auch VGH München, Beschl. v. 18.04.2011 - 20 ZB 11.349 -, Rn. 3, juris). Das Bundessozialgericht stellt weiter entscheidend darauf ab, dass der Gesetzgeber die Einlegung von Rechtsbehelfen auf elektronischem Wege durch die Aufnahme entsprechender Vorschriften lediglich zugelassen habe. Der Gesetzgeber habe aber keine Veranlassung gesehen, diese Option neben der schriftlichen und mündlichen (zur Niederschrift) Form als gleich gewichtige Form und weiteren Regelweg zu normieren (BSG, Urt. v. 14.03.2013 - B 13 R 19/12 R -, Rn. 21, juris; sich dem BSG anschließend Mey, SGb 2014, S. 99 (101)). Ausgehend vom Sinn und Zweck der Rechtsbehelfsbelehrung, nämlich zu verhüten, dass jemand aus Unkenntnis den Rechtsweg nicht ausschöpft, müsse eine „richtige“ Belehrung nicht stets allen tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten Rechnung tragen. Es reiche vielmehr aus, wenn sie die Beteiligten in die richtige Richtung lenke (BSG, a.a.O., Rn. 23). Dies sei bei einer Belehrung, die auf die „klassischen“ und allgemein gebräuchlichen Möglichkeiten der Einlegung hinweise, der Fall. Eine solche Belehrung zeige die offenstehenden Wege hinreichend klar und deutlich auf (BSG, a.a.O., Rn. 24). Im Übrigen verweist das Bundessozialgericht auf praktische Schwierigkeiten, die daraus entstehen können, dass etwa länderübergreifende Behörden tätig werden, die nach dem unterschiedlichen Grad der Eröffnung des elektronischen Rechtsverkehrs differenzieren müssten und daher Gefahr liefen, gehäuft unrichtige Rechtsbehelfsbelehrungen zu erlassen (BSG, a.a.O., Rn. 28). Dieser Rechtsprechung des Bundessozialgerichts schließt sich mit im Wesentlichen vergleichbarer Argumentation das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg an (LSG Potsdam, Urt. v. 25.09.2013 - L 34 AS 3215/12 -, Rn. 28 ff.; Urt. v. 23.01.2014 - L 3 R 1020/08 -, Rn. 24 ff., beide juris). Das Hessische Landessozialgericht verweist weiter darauf, dass für die Vollständigkeit einer Belehrung ohne Hinweis auf die Möglichkeit der elektronischen Datenübermittlung die Gefahr der Unübersichtlichkeit der Belehrung spreche. Bei einem Hinweis auf die Möglichkeit des elektronischen Rechtsverkehrs könne leicht der Eindruck erweckt werden, dass die Einlegung durch einfache E-Mail geschehen könne. Weitere Hinweise zur qualifizierten elektronischen Signatur und die Anmeldung zu diesem Verfahren seien daher unentbehrlich. Gerade diese Hinweise könnten die Belehrung aber so überfrachten, dass der Rechtsunkundige die notwendigen und für ihn naheliegenden Schritte nicht mehr erkennen könne (LSG Darmstadt, Urt. v. 20.06.2011 - l 7 AL 87/10 -, Rn. 23, juris). Das Oberverwaltungsgericht Bremen, das, soweit ersichtlich, als bisher einziges Verwaltungsobergericht nach ausführlicher Erörterung im Ergebnis die Fehlerhaftigkeit der Belehrung verneint, führt aus, dass die Einlegung eines Rechtsbehelfs im Wege der elektronischen Kommunikation zwar objektiv nicht der schriftlichen Einlegung gleichzustellen sei bzw. die erstgenannte Form keinen Unterfall der zweitgenannten darstelle. Darauf komme es aber auch nicht entscheidend an. Vielmehr sei ausschlaggebend, dass die elektronische Kommunikation, wenn sie denn die nach gesetzgeberischer Vorstellung erforderlichen Sicherheitsanforderungen erfüllen soll, mit erheblichem Informations- und Vorbereitungsaufwand verbunden sei und keine Vereinfachung des Rechtsschutzzugangs im Vergleich zur schriftlichen Erhebung oder zur Erklärung zur Niederschrift darstelle. Für einen durchschnittlichen Adressaten ziehe daher der fehlende Hinweis auf diese Möglichkeit kein Risiko für einen Verlust eines Rechtsmittels nach sich (OVG Bremen, Urt. v. 08.08.2012 - 2 A 53/12.A -, Rn. 26 f. und bestätigt im Beschluss v. 25.08.2015 - 2 LB 283/14 -, Rn. 32; vgl. auch VG Magdeburg, Urt. v. 22.07.2014 - 7 A 482/12 -, Rn. 14 ff.; VG Frankfurt, Urt. v. 08.07.2011 - 11 K 4808/10.F -, Rn. 23, alle juris; sich dem OVG Bremen ohne nähere Erläuterung anschließend Meissner/Schenk, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: 28. EL, 03/2015, §58, Rn. 44).

28

c) Im Gegensatz dazu erachtet die Mehrzahl der Verwaltungs(ober)gerichte eine solche unvollständige Rechtsbehelfsbelehrung für fehlerhaft iSd § 58 Abs. 2 VwGO mit der Folge des Laufs der Jahresfrist. Das Oberverwaltungsgericht Koblenz führt zur Begründung dieser Auffassung aus, dass nach dem allgemeinen Sprachgebrauch der Terminus „schriftlich" die Erstellung eines tatsächlich existierenden Dokumentes meine und die elektronische Form demnach nach dem objektiven Empfängerhorizont eine eigenständige dritte Form neben der schriftlichen und mündlichen (zur Niederschrift) Einlegung des Rechtsbehelfs darstelle (OVG Koblenz, Urt. v. 08.03.2012 - 1 A 11258/11 -, Rn. 27; vgl. dazu auch OVG Magdeburg, Urt. v. 14.10.2014 - 1 L 99/13 -, Rn. 33, beide juris; Löbner, SGb 2013, S. 267 (269)). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei von einem irreführenden Hinweis in einer Rechtsbehelfsbelehrung auszugehen, wenn die möglichen Arten der Einlegung eines Rechtsbehelfs nicht vollständig aufgeführt seien, weil hierdurch der Eindruck erweckt werden könne, nur die erwähnten Möglichkeiten seien zulässig (OVG Koblenz, a.a.O., Rn. 29; vgl. auch OVG Magdeburg, a.a.O., Rn. 34; OVG Magdeburg, Urt. v. 12.11.2013 - 1 L 15/13 -, Rn. 27, juris). Dies sei insbesondere dann zu besorgen, wenn etwa auf der Homepage der Stelle bzw. des Gerichts, bei dem der Rechtsbehelf einzulegen wäre, über die Möglichkeit des elektronischen Rechtsverkehrs informiert werde, die entsprechende Belehrung aber keinen entsprechenden Hinweis enthalte (OVG Koblenz, a.a.O., Rn. 30). Allein das Aufzeigen einer zusätzlichen, gleichberechtigten Option der Einlegung mache die Belehrung auch nicht unübersichtlich bzw. erwecke nicht den Eindruck, als sei dieser Weg nunmehr zwingend in Erwägung zu ziehen (OVG Koblenz, a.a.O., Rn. 31; ohne vertiefte Begründung ebenso OVG Berlin, Beschl. v. 05.03.2010 - OVG 2 S 106.09 - , Rn. 6; Beschl. v. 02.02.2011 - OVG 2 N 10.10 -, Rn. 3; OVG Münster, Beschl. v. 11.07.2013 - 19 B 406/13 -, Rn. 19, alle juris, sowie VG Cottbus, Urt. v. 23.01.2015 - 1 K 758/13 -, Rn. 22; VG Gelsenkirchen, Urt. v. 22.01.2015 - 5 K 587/14 -, Rn. 28; VG Potsdam, Urt. v. 19.05.2014 - 12 K 1994/13 -, Rn. 40; VG Trier, Urt. v. 22.09.2009 - 1 K 365/09.TR -, Rn. 25 ff., alle juris; sich dieser Rechtsprechung anschließend Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl., 2015, § 58, Rn. 12; v. Albedyll, in: Ba- der/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 5. Aufl., 2011, § 58, Rn. 14; Czybulka/Kluckert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., 2014, § 58, Rn. 66; Thiel, DVP 2013, S. 180 (184)).

29

d) Die erkennende Kammer schließt sich der letztgenannten Auffassung an und erachtet eine solchermaßen unvollständige Rechtsbehelfsbelehrung als fehlerhaft.

30

Es ist nach Überzeugung der Kammer nicht von vorneherein auszuschließen, dass die Nichtbenennung der Möglichkeit des elektronischen Rechtsverkehrs geeignet ist, die Einlegung des Rechtsbehelfs zu erschweren. Es ist nämlich nicht gerechtfertigt, bei der Beurteilung einer Belehrung nur einen eingeschränkten Adressatenkreis im Blick zu haben, nämlich den des „Durchschnittsbürgers“, für den der elektronische Rechtsverkehr in der Tat - jedenfalls momentan noch - regelmäßig mit einem nennenswerten Vorbereitungsund Informationsaufwand verbunden wäre. Selbst wenn bisher sogar Rechtsanwälte noch eher zögerlich von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, so stellen jedenfalls sie eine tatsächlich bestehende Zielgruppe dar, die diese Vorgehensweise nutzt und die sich mit einiger Wahrscheinlichkeit zukünftig weiter vergrößern wird. Da aus Gründen der Rechtsklarheit und -sicherheit mit dem Bundesverwaltungsgericht nur nach der generellen Eignung einer Rechtsbehelfsbelehrung, einen Irrtum zu verursachen, zu fragen ist, es aber nicht auf die konkrete Fehlerkausalität ankommt, kann mit Blick auf diese Zielgruppe auch nicht argumentiert werden, dass ihnen die Möglichkeiten des elektronischen Rechtsverkehrs an den jeweiligen Gerichten bzw. jeweiligen Behörden ohnehin bekannt sein dürfte. Weiter überzeugt die Differenzierung nach den potentiellen Adressaten der Belehrung - Wer ist spontan und ohne großen Aufwand in der Lage, den elektronischen Rechtsverkehr auch tatsächlich zu nutzen? - angesichts der vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommenen insgesamt sehr formalen Betrachtung der Rechtsbehelfsbelehrungen (BVerwG, Urt. v. 30.04.2009 - 3 C 23/08 -, Rn. 17, juris: „Das Ob und das Wie dieser Belehrung sind jedoch streng formalisiert.“) nicht. Auch das Argument, der Gesetzgeber habe eine bestimmte Form zwar zugelassen, aber nicht als gleichberechtigten Regelweg einführen wollen, steht der Annahme der Fehlerhaftigkeit nicht entgegen. Wie die verschiedenen, zur Verfügung gestellten Formen, ihre Zulässigkeit einmal vorausgesetzt, vom Bürger tatsächlich angenommen werden, vermag der Gesetzgeber nämlich nicht zu steuern. Es mag beispielsweise großräumig bemessene Gerichtsbezirke geben, in denen Bürger aus deren am Rande belegenen Regionen faktisch nie von der Möglichkeit Gebrauch machen, einen Rechtsbehelf zur Niederschrift beim Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts einzulegen. Dessen ungeachtet wird es, soweit ersichtlich, von niemandem in Betracht gezogen, diese Option als „Nichtregelfall“ aus der entsprechenden Rechtsbehelfsbelehrung zu entfernen. Auch soweit dieser Überlegung entgegenzusetzen sein könnte, dass die Erklärung zur Niederschrift jedenfalls nicht mit der Erhebung auf dem elektronischen Wege vergleichbar sei, führt dies nicht zu einer anderen Bewertung: Die Einschätzung nämlich, welcher Weg für die Wahrnehmung eines Rechtsbehelfs einfacher, bequemer, zeit- und aufwandsparender sei, ist eine rein subjektive, die sich ganz nach individuellem Alter, Bildungsgrad, Herkunftsort usw. richtet und sich daher einer generellen Kategorisierung entzieht.

31

Soweit im Übrigen darauf abgestellt wird, aus einer auf zwei Alternativen beschränkten Belehrung lasse sich nicht zwangsläufig ableiten, eine dritte, gesetzlich ebenfalls zulässige Form sei ausgeschlossen, ist dem grundsätzlich zuzustimmen. Eine solche Schlussfolgerung ist aber eben auch nicht ganz fernliegend. Versetzt man sich etwa in einen durchschnittlich gebildeten und interessierten Bürger hinein, ist davon auszugehen, dass er jedenfalls schon einmal von den Bemühungen des Gesetzgebers und auch der Behörden und der Justiz gehört hat, mit den fortlaufenden technischen Neuerungen Schritt zu halten und diesen auch im Kontakt mit dem Bürger Rechnung zu tragen. Angesichts der wachsenden Verbreitung der Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs ist es nicht auszuschließen, dass er selbst in bestimmten Bereichen schon einmal damit in Kontakt gekommen ist. Sieht er sich dann einer Rechtsbehelfsbelehrung gegenüber, die diese Möglichkeit ausspart, so liegt es näher, dass er davon ausgeht, dass sie ihm in der konkreten Situation nicht zur Verfügung steht, als dass er sich überlegt, dass sie dort nur deswegen nicht genannt wird, weil sie noch verhältnismäßig selten genutzt wird.

32

Die Besorgnis, eine Belehrung, die auch auf die elektronische Möglichkeit hinweist, werde aufgrund der aufzunehmenden Details zu unübersichtlich, überfordere ihren Adressaten und erweise sich schon aufgrund ihrer schieren Informationsfülle als potentiell irrtumsanfällig, ist ebenfalls nachvollziehbar. Allerdings gibt es auch diesbezüglich Wege, deutlich zu machen, dass z.B. das Einsenden einer einfachen E-Mail nicht ausreichend ist. So kann etwa ausdrücklich auf besondere Voraussetzungen und Anforderungen des elektronischen Rechtsverkehrs durch Verweis auf die entsprechende Landesverordnung hingewiesen werden, ohne dass beispielsweise alle Details der technischen Ausstattung, etc. in der Belehrung wiedergegeben werden müssten. Auch im Zusammenhang mit dem Erfordernis der Schriftlichkeit werden in der Rechtsbehelfsbelehrung regelmäßig nicht die besonderen Anforderungen an die Verdeutlichung der Urheberschaft und des Willens, die Erklärung in den (gerichtlichen) Verkehr zu bringen (vgl. nur Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl., 2015, § 81, Rn. 5 ff.), erläutert.

33

Im Ergebnis ist damit die Klage trotz Überschreitung der Monatsfrist zulässig.

34

2. Die Klage ist aber unbegründet. Die im Bescheid vom 16. Dezember 2014 enthaltene Fortnahmeanordnung (Ziff. 1) sowie die weiter enthaltene Anordnung der Veräußerung (Ziff. 2) sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.

35

a) Rechtsgrundlage für die Anordnung der Fortnahme der Tiere ist § 16a des Tierschutzgesetzes (TierSchG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Mai 2006 (BGBl. I S. 1206, 1313), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 28. Juli 2014 (BGBl. I S. 1308) als spezialgesetzliche Befugnisnorm des Tierschutzrechts. Gemäß § 16a Abs. 1 S. 1 TierSchG trifft die zuständige Behörde die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Nach § 16a Abs. 1 S. 2 Nr. 2, 1. Halbsatz TierSchG kann sie insbesondere ein Tier, das nach dem Gutachten des beamteten Tierarztes mangels Erfüllung der Anforderungen des § 2 TierSchG erheblich vernachlässigt ist oder schwerwiegende Verhaltensstörungen aufzeigt, dem Halter fortnehmen und so lange auf dessen Kosten anderweitig pfleglich unterbringen, bis eine den Anforderungen des § 2 TierSchG entsprechende Haltung des Tieres durch den Halter sichergestellt ist. Nach § 2 Nrn. 1 und 2 TierSchG muss, wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, dieses seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen und darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden. Diese allgemein formulierten und durch unbestimmte Rechtsbegriffe gekennzeichneten Haltungsgrundsätze lassen sich durch Auslegung - insbesondere unter Berücksichtigung des in § 1 S. 1 TierSchG niedergelegten Zwecks des Tierschutzgesetzes, nämlich "aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen" - sowie mit Hilfe des einschlägigen tiermedizinischen und verhaltenswissenschaftlichen Schrifttums sowie sachverständiger Äußerungen, namentlich den vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz herausgegebenen sachverständigen “Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten“ vom 9. Juni 2009, in ausreichender Form konkretisierten (so bereits VGH München, Beschl. v. 15.07.2002 - 25 CS 02.1371 -, Rn. 2, juris; VG Aachen, Urt. v. 11.09.2003 - 6 L 734/03 -, Rn. 14, juris, beide im Hinblick auf die Vorgängerversion der genannten Leitlinien). In diesen Leitlinien wird insbesondere ausgeführt, dass sich Pferde unter natürlichen Bedingungen im Sozialverband bis zu 16 Stunden täglich bewegen. Mangelnde Bewegung kann danach die Ursache von Verhaltensstörungen sein, bedingt Schäden, insbesondere am Bewegungsapparat und an den Atemorganen, und beeinträchtigt den gesamten Stoffwechsel (Ziff. 2.1.2). Weiter verbringen danach Fohlen bis zu einem Alter von einem Jahr etwa 50% ihrer täglichen Gesamtruhezeit im Liegen, wobei Pferde eine trockene und verformbare Liegefläche benötigen, die so groß bemessen ist, dass alle in Gruppenhaltung gehaltenen Tiere auch gleichzeitig liegen können (Ziff. 2.1.3). Des weiteren ist bei der Haltung zu beachten, dass das angeborene Verhalten und der Verdauungsapparat des Pferdes auf eine kontinuierliche Nahrungsaufnahme eingestellt sind, so dass entsprechendes Futter, geschützt vor Verderb und Verschmutzung, kontinuierlich bereit gestellt werden muss. Wasser muss Pferden grundsätzlich ständig zur Verfügung stehen, mindestens jedoch dreimal täglich bis zur Sättigung verabreicht werden (Ziff. 2.1.4). Im Übrigen muss das Wohlbefinden der Pferde mindestens einmal täglich überprüft werden (Ziff. 2.2).

36

Diese Bedingungen waren nach den von der Beklagten dargelegten Erkenntnissen des Verwaltungsverfahrens nicht erfüllt. Vielmehr stellten sich die Pferde zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides mangels Erfüllung der Anforderungen des § 2 TierSchG durch den Kläger als erheblich vernachlässigt dar. Eine erhebliche Vernachlässigung liegt vor, wenn diese sich nach Art oder Dauer gewichtig darstellt, d.h. wenn einzelne Gebote aus § 2 TierSchG für einen längeren Zeitraum und/oder in besonders intensiver Form verletzt worden sind (Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 2. Aufl., 2007, § 16a, Rn. 15). So liegt es hier.

37

Nach den sich aus dem Verwaltungsvorgang der Beklagten ergebenden Feststellungen der Amtstierärztin ... vom 8. Dezember 2014 wurden die Pferde vom Kläger in einem baufälligen Schuppen gehalten, ohne dass ihnen eine Möglichkeit zum Auslauf zur Verfügung stand oder im Laufe des Tages wenigstens zeitweilig gewährt wurde. Auch die Tatsache, dass die Pferde keinen Zugang zu ausreichend Futter- und Wasserversorgung hatten und der körperliche Zustand der Pferde, wie er von der Tierärztin beschrieben wurde, erlauben den Rückschluss darauf, dass die Tiere jedenfalls über mehrere Tage nicht ausreichend versorgt wurden. Dem steht auch nicht entgegen, dass sich der Zustand nach Auffassung und Befund der Tierärztin nicht ganz so dramatisch darstellte, wie es die Beklagte in ihrem Bescheid vom 16. Dezember 2014 formulierte. Insbesondere finden sich in dem tierärztlichen Vermerk keine Hinweise darauf, dass die Stuten „gänzlich abgemuskelt“ bzw. nur noch „Haut und Knochen“ waren. Auch eine entsprechende Dokumentation etwa mittels Lichtbildern findet sich nicht bei den Verwaltungsakten. Nichtsdestotrotz ist die Kammer nach den Darlegungen der Beklagten überzeugt, dass es im Wesentlichen der (Not-Versorgung durch die freiwilligen Helfer geschuldet war, dass die Tiere sich nicht in einem Zustand an der Grenze zur lebensgefährlichen Unterversorgung befanden. Weiter weisen die zum Zeitpunkt der Begutachtung vorgefundenen und amtstierärztlich dokumentierten Druckstellen darauf hin, dass eine ausreichende (tierärztliche) Versorgung und Pflege der Tiere über einen längeren Zeitraum nicht erfolgte. Diese Haltungsbedingungen schränkten die Ernährungs-, Pflege- und Unterbringungsbedürfnisse iSd § 2 Nr. 1 TierSchG sowie die Bewegungsbedürfnisse iSd § 2 Nr. 2 TierSchG der beiden Stuten und des Fohlens in nicht hinzunehmender Weise ein bzw. erfüllen die Anforderungen, die § 2 TierSchG - konkretisiert durch die oben genannten Leitlinien - an eine artgerechte Haltung von Pferden stellt, nicht. Vor dem Hintergrund, dass die mangelhaften Zustände jedenfalls bereits mehrere Tage andauerten, also gerade nicht nur vorübergehender Natur waren, und angesichts der Erkenntnis, dass Pferde als Lauf- und Fluchttiere durch Bewegungsentzug besonders empfindlich in ihren artspezifischen Bedürfnissen beeinträchtigt werden, lag eine nach Art und Dauer gewichtige und damit erhebliche Vernachlässigung der Tiere vor. Dieses Ergebnis wird auch nicht dadurch erschüttert, dass der Kläger vorträgt, ein Herr... habe die Pferde in seinem Auftrag versorgen sollen. Denn selbst das Zutreffen dieses Vorbringens unterstellt, ändert dies nichts an dem tierschutzrechtlichen Verstoß gegen § 2 Nr. 1 und 2 TierSchG durch den Kläger. Die Tiere zeigten sich bei ihrem Auffinden in dem beschriebenen mangelhaften Ernährungs- und Pflegezustand, so dass davon auszugehen ist, dass die Versorgung, selbst wenn sie durch Herrn ... erfolgen sollte bzw. erfolgte, unzureichend war bzw. die Versorgung nicht vom Kläger im Rahmen seiner Verantwortung als Eigentümer und Halter hinreichend sichergestellt und überprüft worden ist.

38

Die unzureichenden Haltungsbedingungen bzw. die erhebliche Vernachlässigung sind auch aufgrund eines Gutachtens im Sinne der Vorschrift festgestellt worden. An das Gutachten, das nach § 16a Abs. 1 S. 2 Nr. 2 TierSchG vorliegen muss, sind generell keine hohen Anforderungen zu stellen. § 16a Abs. 1 S. 2 Nr. 2 TierSchG bestimmt nicht näher, in welcher Form die Begutachtung erfolgen muss. Es ist daher als ausreichend anzusehen, wenn ein Sachverständiger - vorliegend die Amtstierärztin der Beklagten - eine Aussage zu einer sein bzw. ihr Fachgebiet betreffenden Frage macht (so auch VG Aachen, Urt. v. 11.09.2003 - 6 L 734/03 -, Rn. 15, juris).

39

Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte das ihr nach § 16a Abs. 1 S. 2 Nr. 2 TierSchG eingeräumte Ermessen iSd § 114 S. 1 VwGO fehlerhaft ausgeübt hat, sind nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich. Sie hat sich ausweislich ihrer Begründung entscheidend von der in § 1 TierSchG festgeschriebenen Zielsetzung und nicht von sachfremden Erwägungen leiten lassen. Keinen Einfluss auf die behördliche Reaktion auf die Vernachlässigung hat, ob der der Halter schuldhaft bzw. vorwerfbar gehandelt hat (Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 2. Aufl., 2007, § 16a, Rn. 15). Insoweit vermag der vom Kläger - überdies auch erst im Klageverfahren - vorgetragene Umstand des Bruchs seiner rechten Hand keinen Einfluss auf die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 16. Dezember 2014 zu nehmen.

40

b) Auch die im Bescheid vom 16. Dezember 2014 in Ziff. 2 enthaltene Veräußerung der Pferde ist in rechtmäßiger Weise angeordnet worden. Diese Anordnung findet ihre Grundlage in § 16a Abs. 1 S. 2 Nr. 2, 2. Halbsatz TierSchG. Nach dieser Vorschrift kann die zuständige Behörde das Tier nach der Fortnahme veräußern, wenn entweder eine anderweitige Unterbringung des Tieres nicht möglich ist oder nach Fristsetzung durch die zuständige Behörde eine den Anforderungen des § 2 TierSchG entsprechende Haltung durch den Halter nicht sicherzustellen ist. Die Vorschrift räumt der zuständigen Behörde damit die Option ein, dem Halter nicht nur lediglich vorübergehend den Besitz zu entziehen. Die Behörde ist vielmehr auch befugt, das Eigentum an dem Tier dauerhaft zu entziehen. Eine entsprechende Anordnung lässt als rechtsgestaltender Verwaltungsakt die rechtliche Befugnis zur Eigentumsübertragung auf die Behörde übergehen (VGH Mannheim, Beschl. v. 17.03.2005 - 1 S 381/05 -, Rn. 14, juris). Zum Zeitpunkt der Veräußerungsanordnung am 16. Dezember 2014 waren die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Veräußerung erfüllt. In Ansehung des nach wie vor Geltung beanspruchenden umfassenden und unbefristeten Tierhaltungsverbots vom 7. März 2002 ist eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Haltung der Tiere durch den Kläger auf nicht absehbare Zeit unmöglich. Einer entsprechenden Fristsetzung zur Herstellung verträglicher Haltungsbedingungen dem Kläger gegenüber bedurfte es wegen dieser Unmöglichkeit nicht (vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 17.03.2005 - 1 S 381/05 -, Rn. 14, juris, für den Fall eines zugleich angeordneten Tierhaltungsverbots). Auch im Rahmen dieser Anordnung sind Ermessensfehler iSd § 114 S. 1 VwGO nicht ersichtlich. Insbesondere die dem dauerhaften Entzug offenbar zugrundeliegende Einschätzung der Beklagten, das Tierhaltungsverbotes aus dem Jahr 2002 werde auch in Zukunft Geltung beanspruchen, ist nicht zu beanstanden, nachdem sich der Kläger hiergegen bereits erfolglos zur Wehr gesetzt hatte.

41

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

42

4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 2, 63 Abs. 2 GKG.


(1) Hilft die Behörde dem Widerspruch nicht ab, so ergeht ein Widerspruchsbescheid. Diesen erläßt

1.
die nächsthöhere Behörde, soweit nicht durch Gesetz eine andere höhere Behörde bestimmt wird,
2.
wenn die nächsthöhere Behörde eine oberste Bundes- oder oberste Landesbehörde ist, die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat,
3.
in Selbstverwaltungsangelegenheiten die Selbstverwaltungsbehörde, soweit nicht durch Gesetz anderes bestimmt wird.
Abweichend von Satz 2 Nr. 1 kann durch Gesetz bestimmt werden, dass die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, auch für die Entscheidung über den Widerspruch zuständig ist.

(2) Vorschriften, nach denen im Vorverfahren des Absatzes 1 Ausschüsse oder Beiräte an die Stelle einer Behörde treten, bleiben unberührt. Die Ausschüsse oder Beiräte können abweichend von Absatz 1 Nr. 1 auch bei der Behörde gebildet werden, die den Verwaltungsakt erlassen hat.

(3) Der Widerspruchsbescheid ist zu begründen, mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen und zuzustellen. Zugestellt wird von Amts wegen nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes. Der Widerspruchsbescheid bestimmt auch, wer die Kosten trägt.

Im Vollstreckungsauftrag oder in der Pfändungsverfügung ist für die beizutreibenden Geldbeträge der Schuldgrund anzugeben.

(1) Soll eine Geldforderung gepfändet werden, so hat die Vollstreckungsbehörde dem Drittschuldner schriftlich zu verbieten, an den Vollstreckungsschuldner zu zahlen, und dem Vollstreckungsschuldner schriftlich zu gebieten, sich jeder Verfügung über die Forderung, insbesondere ihrer Einziehung, zu enthalten (Pfändungsverfügung). Die elektronische Form ist ausgeschlossen.

(2) Die Pfändung ist bewirkt, wenn die Pfändungsverfügung dem Drittschuldner zugestellt ist. Die an den Drittschuldner zuzustellende Pfändungsverfügung soll den beizutreibenden Geldbetrag nur in einer Summe, ohne Angabe der Steuerarten und der Zeiträume, für die er geschuldet wird, bezeichnen. Die Zustellung ist dem Vollstreckungsschuldner mitzuteilen.

(3) Bei Pfändung des Guthabens eines Kontos des Vollstreckungsschuldners bei einem Kreditinstitut gelten die §§ 833a und 907 der Zivilprozessordnung entsprechend.

Im Vollstreckungsauftrag oder in der Pfändungsverfügung ist für die beizutreibenden Geldbeträge der Schuldgrund anzugeben.

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 26. März 2015 gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Antragsgegners vom 16. März 2015 (Az.: 01 - 88002964) wird angeordnet.

Der Antragsgegner und der Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte.

2. Der Streitwert wird auf 37,81 Euro festgesetzt.

Gründe

1

1. Das vorläufige Rechtsschutzersuchen des Antragstellers ist – soweit es entsprechend der Bezeichnung „Eilantrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen das Amt Stralendorf Vollstreckungsbehörde“ als ein Anordnungsverfahren nach § 123 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) verstanden werden sollte – unstatthaft und damit unzulässig. Denn nach § 123 Abs. 5 VwGO gelten die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a VwGO. Vorläufiger Rechtsschutz kann hier aber nur nach § 80 Abs. 5 VwGO gewährt werden, wie sich aus den Gründen zu 2. ergibt.

2

2. Entsprechend dem Rechtsschutzziel des Antragsstellers, die Vollstreckung aus der Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Antragsgegners vom 16. März 2015 abzuwenden, legt die Kammer das vorläufige Rechtsschutzersuchen des anwaltlich nicht vertretenen Antragstellers gemäß den §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO sach- und interessengerecht dahingehend aus,

3

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Antragsgegners vom 16. März 2015 anzuordnen.

4

3. Das so zu verstehende vorläufige Rechtsschutzersuchen ist gemäß § 80 Abs. 5 VwGO zulässig (a.) und begründet (b.).

5

a. Es ist statthaft, denn die grundsätzlich mit dem Widerspruch verbundene aufschiebende Wirkung aus § 80 Abs. 1 VwGO ist hier kraft Gesetzes ausgeschlossen, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 111 Abs. 6 des Verwaltungsverfahrens-, Zustellungs- und Vollstreckungsgesetzes des Landes Mecklenburg-Vorpommern (VwVfG M-V), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 9. April 2015 (GVOBl. M-V S. 110). Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung stellt eine Maßnahme in der Verwaltungsvollstreckung öffentlich-rechtlicher Geldforderungen in Form eines auch den Antragsteller als Vollstreckungsschuldner belastenden Verwaltungsaktes dar.

6

§ 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO sieht vor, dass das Gericht der Hauptsache in diesen Fällen auf Antrag die aufschiebende Wirkung anordnen kann. Bei dem Antragsteller besteht auch weiterhin ein Rechtsschutzbedürfnis, obwohl bereits eine Kontopfändung stattgefunden hat. Dies hat nicht zwingend den Entfall des Rechtsschutzbedürfnisses und damit die Unzulässigkeit des Antrages bzw. die Erledigung in der Hauptsache zur Folge. Die Aussetzung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung führt bereits dazu, dass der Antragsgegner die Kontenpfändung aufzuheben und den an ihn überwiesenen Geldbetrag zurück zu überweisen hat. Eines zusätzlichen Vollzugsfolgenbeseitigungsantrages nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO bedarf es nicht notwendigerweise.

7

b. Der Eilantrag ist auch begründet. Das Gericht ordnet die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs oder einer Klage an, wenn das Interesse des Betroffenen, von den behördlichen Maßnahmen vorerst verschont zu bleiben, gegenüber dem öffentlichen Interesse an dem sofortigen Vollzug überwiegt. Diese Abwägung fällt in der Regel zu Lasten des Antragstellers aus, wenn bereits im Eilrechtsschutzverfahren zu erkennen ist, dass sein Rechtsbehelf offensichtlich keinen Erfolg haben wird. Dagegen überwiegt das Interesse an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung in aller Regel, wenn sich der Rechtsbehelf als offensichtlich begründet erweist. Dies ist vorliegend der Fall, denn die Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Antragsgegners vom 16. März 2015 wird einer rechtlichen Überprüfung in einem etwaigen Klageverfahren voraussichtlich nicht standhalten.

8

Gemäß Art. 1 (Rundfunkbeitragsstaatsvertrag) § 10 Abs. 6 Satz 1 des Fünfzehnten Staatsvertrags zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge in der Fassung des Gesetzes zum Fünfzehnten Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 4. Juli 2011 (GVOBl. M-V 2011, 766), zuletzt geändert durch Gesetz zum Sechzehnten Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 11. März 2015 (GVOBl. M-V 2015, 82), werden Rundfunkbeitragsfestsetzungsbescheide im Verwaltungsvollstreckungsverfahren vollstreckt. Hierfür sind gemäß § 3 Satz 1 der Landesverordnung über die zuständigen Behörden für die Vollstreckung öffentlich-rechtlicher Geldforderungen und zur Festsetzung des Ausgleichsbetrages bei Vollstreckungshilfe - VollstrZustKLVO M-V -) vom 6. Oktober 2004 (GVOBl. M-V 2004, 485) u.a. die Amtsvorsteher der Ämter zuständig.

9

Gemäß § 111 Abs. 1 VwVfG M-V gelten für öffentlich-rechtliche Geldforderungen der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden rechtsfähigen Anstalten des öffentlichen Rechts die §§ 1 bis 3 und 5 des Verwaltungs-Vollstreckungsgesetzes (VwVG) einschließlich der in § 5 Abs. 1 VwVG aufgeführten Vorschriften der Abgabenordnung (AO) mit Ausnahme des § 249 AO. Allein die Verweisung auf das Verwaltungs-Vollstreckungs-gesetz des Bundes führt nicht dazu, dass aus der Verwaltungsvollstreckung nach Landesrecht eine solche nach Bundesrecht wird (so aber unter Verweis auf § 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO wohl VG Greifswald, Beschl. v. 10.8.2011 - 3 B 714/11-, juris Rn. 5).

10

Gemäß § 3 Abs. 1 VwVG wird die Vollstreckung gegen den Vollstreckungsschuldner durch Vollstreckungsanordnung (hier: Vollstreckungsersuchen) eingeleitet; eines vollstreckbaren Titels bedarf es nicht. Voraussetzungen für die Einleitung der Vollstreckung sind nach Abs. 2 der Leistungsbescheid, durch den der Schuldner zur Leistung aufgefordert worden ist, die Fälligkeit der Leistung und der Ablauf einer Frist von einer Woche seit Bekanntgabe des Leistungsbescheides oder, wenn die Leistung erst danach fällig wird, der Ablauf einer Frist von einer Woche nach Eintritt der Fälligkeit. Schließlich soll vor Anordnung der Vollstreckung der Schuldner mit einer Zahlungsfrist von einer weiteren Woche besonders gemahnt werden (Abs. 3).

11

Hieran gemessen spricht zwar vieles dafür, dass nach § 3 VwVG die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen eingehalten worden sind (aa.). Der Antragsgegner dürfte jedoch die rechtlichen Anforderungen an eine rechtmäßige Pfändungsverfügung verkannt haben. Unschädlich ist dabei, dass er sich selbst als Vollstreckungsgläubiger bezeichnete (bb.). Hierzu im Einzelnen:

12

aa. Entgegen der Rechtsauffassung des Antragstellers liegt ein ordnungsgemäßes Vollstreckungsersuchen des Beitragsgläubigers, also des Beigeladenen vor. Ein solches Vollstreckungsersuchen ist nach § 10 Abs. 5 Satz 2 RdFunkBeitrStVtr MV ausdrücklich erforderlich, wenn Beitragsforderungen des Beigeladenen durch den Antragsgegner vollstreckt werden.

13

Nach § 10 Abs. 7 Satz 1 RdFunkBeitrStVtr MV nimmt jede Landesrundfunkanstalt die ihr nach diesem Staatsvertrag zugewiesenen Aufgaben und die damit verbundenen Rechte und Pflichten ganz oder teilweise durch die im Rahmen einer nichtrechtsfähigen öffentlich-rechtlichen Verwaltungsgemeinschaft betriebene Stelle der öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalten selbst wahr.

14

Vorliegend erfolgte das Vollstreckungsersuchen durch den ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice in Köln mit Anschreiben vom 1. Oktober 2014, in dem u.a. die Rechtsgrundlagen der Vollstreckung auf der Rückseite genannt wurden.

15

Aus dem Ersuchen geht für den Antragsgegner nach Auffassung der Kammer eindeutig hervor, dass der Beitragsservice lediglich für den Beigeladenen und nicht in eigener Zuständigkeit tätig wurde. Dies ergibt sich zum einen aus dem Briefkopf, in dem der Beigeladene auf der linken Seite aufgeführt ist, und zum anderen aus der „Unterschrift“, die wiederum den Namen des Beigeladenen trägt.

16

Auch der Einwand des Antragstellers, dass das Vollstreckungsersuchen des Beigeladenen vom 1. Oktober 2014 zu Unrecht maschinell erstellt worden sei und dass das Ersuchen zudem in rechtswidriger Weise weder mit einem Siegel noch mit einer Unterschrift versehen sei, vermag die offensichtliche Rechtswidrigkeit der Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Antragsgegners vom 16. März 2015 insoweit nicht aufzuzeigen. Denn selbst wenn es keine ausdrückliche rundfunkrechtliche bzw. vollstreckungsrechtliche Vorschrift geben sollte, nach der bei einer Vollstreckungsanordnung, die mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird, Unterschrift und Dienstsiegel fehlen darf, dürfte diese Lücke mit Hilfe eines Erst-Recht-Schlusses nach § 37 Abs. 5 VwVfG M-V zu schließen sein.

17

Im Übrigen würde ein formeller Verstoß, selbst wenn er vorläge, auch keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der Forderungspfändung haben. Bei dem Vollstreckungsersuchen handelt es sich um eine behördeninterne Maßnahme ohne Außenwirkung, durch die der betreffende Beitragsschuldner auch nicht in eigenen Rechten verletzt werden kann (vgl. § 42 Abs. 2 VwGO).

18

Das Gericht hat auch keinen Zweifel daran, dass die der Forderungspfändung zugrunde liegenden Rundfunkbeitragsfestsetzungsbescheide des Beigeladenen vom 1. Dezember 2013, 3. Januar 2014 und 4. April 2014 dem Antragsteller zugegangen sind.

19

Allgemeine Voraussetzung für die Verwaltungsvollstreckung ist, dass ein Leistungsbescheid vorhanden ist (§ 3 Abs. 2 Buchst. a VwVG) und dieser vollstreckt werden kann. Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 VwVfG M-V wird ein Verwaltungsakt gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunktwirksam, in dem er ihm bekanntgegeben wird. Aus § 41 Abs. 2 Satz 1 VwVfG M-V folgt, dass ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekanntgegeben gilt. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes nachzuweisen (§ 41 Abs. 2 Satz 2 VwVfG M-V). Dies bedeutet, dass die gesetzliche Bekanntgabefiktion dann nicht eingreift, wenn berechtigte Zweifel daran bestehen, dass im konkreten Fall die auf der Erfahrung des täglichen Lebens beruhende Vermutung, dass eine gewöhnliche Postsendung den Empfänger binnen weniger Tage erreicht, zutrifft. Dann trägt die Behörde das Risiko der Nichterweislichkeit des Zugangs. Das schlichte Bestreiten des Betroffenen, der Verwaltungsakt sei ihm nicht zugegangen, reicht jedoch regelmäßig nicht aus, um die Zugangsfiktion des § 41 Abs. 2 Satz 1 VwVfG M-V zu entkräften. Vielmehr muss das Vorbringen des Adressaten im Einzelfall zumindest ernsthafte Zweifel am Zugang begründen (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 23.9.2008, - 4 ME 279/08 -, juris Rn. 4). Nach § 5 Abs. 1 VwVG i.V.m. § 251 Abs. 1 Satz 1 AO können Verwaltungsakte vollstreckt werden, soweit nicht ihre Vollziehung ausgesetzt oder die Vollziehung durch Einlegung eines Rechtsbehelfs gehemmt ist.

20

Der Antragsteller hat den Rundfunkbeitragsfestsetzungsbescheid des Beigeladenen vom 1. Dezember 2013 zweifelsfrei erhalten, da er hiergegen per E-Mail am 6. Dezember 2013 einen in der Folgezeit nicht bearbeiteten Widerspruch erhoben hat, wie sich aus den beigezogenen Verwaltungsvorgängen der Beigeladenen ergibt. Trotz des Widerspruchs ist der Rundfunkbeitragsfestsetzungsbescheid des Beigeladenen gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO kraft Gesetzes vollziehbar. Auf die Frage, ob bei der Widerspruchseinlegung das Formerfordernis eingehalten worden ist und dem Antragsteller womöglich Widereinsetzung in die versäumte Widerspruchsfrist zu gewähren ist, weil er in dem Antwortschreiben des Beitragsservice vom 10. Dezember 2013 auf diesen Umstand nicht hingewiesen wurde, kommt es daher nicht an.

21

Fraglich ist damit allein, ob die weiteren, vom Antragsteller nicht angefochtenen Rundfunkbeitragsfestsetzungsbescheide des Beigeladenen vom 3. Januar 2014 und 4. April 2014 ihm zugegangen sind. Der Antragsgegner hat vorliegend die Voraussetzungen der gesetzlichen Zugangsvermutung des § 41 Abs. 2 Satz 1 VwVfG M-V durch Übersendung der sogenannten History-Aufstellung nachgewiesen. Aus diesen ergibt sich, dass die in Rede stehenden Bescheide am 9. Januar 2014 und 11. April 2014 zur Post aufgegeben worden sind. Da damit – anders als in der Vergangenheit – die Aufgabe der Bescheide zur Post ausreichend belegt und dokumentiert ist, genügt das bloße Bestreiten des Erhalts von Bescheiden, die aus objektiver Sicht auch an die jeweils zutreffende Anschrift des Antragstellers gerichtet waren, nicht. Ernsthafte und für das Gericht nachvollziehbare Zweifel am Zugang der Bescheide hat der Antragsteller nicht (ausreichend) glaubhaft gemacht. Die Bekanntgabe gilt daher gemäß § 41 Abs. 2 Satz 1 VwVfG M-V mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bewirkt. Ob die Leistungsbescheide auch nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises als zugegangen gelten, kommt es nach alledem nicht mehr an.

22

Auch die übrigen Vollstreckungsvoraussetzungen des § 3 Abs. 2 VwVG liegen vor. Danach waren die mit den Leistungsbescheiden des Beigeladenen vom 1. Dezember 2013, 3. Januar 2014 und 4. April 2014 festgesetzten Rundfunkbeiträge fällig, weil der Rundfunkbeitrag gemäß § 7 Abs. 3 RdFunkBeitrStVtr MV monatlich geschuldet und in der Mitte eines Dreimonatszeitraums für jeweils drei Monate zu leisten ist. Der öffentlich-rechtliche Rundfunkbeitrag wird nicht erst mit Zugang eines Bescheides, sondern bereits kraft Gesetztes fällig. Der Antragsteller ist mit Schreiben vom 1. Juni 2014 auch ergebnislos gemahnt worden. Das Mahnschreiben ist dem Antragsteller tatsächlich zugegangen, wie seine E-Mail vom 6. Juni 2014 belegt.

23

bb. Zwar durfte sich der Antragsgegner in seiner Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 16. März 2015 selbst als Gläubiger bezeichnen. Die Bezeichnung der Voll-streckungsforderung mit „Rundfunkbeiträge“ genügt aber nicht den Anforderungen des § 260 AO, weil jedenfalls der Antragsteller als Vollstreckungsschuldner umfassend über Art, Höhe und Zeitraum der der Pfändung zugrunde liegenden Ansprüche zu unterrichten ist.

24

Nach Auffassung des VG Göttingen (vgl. Beschl. v. 26.1. 2015 - 2 B 11/15 -, juris Rn. 2) leidet die Pfändungs- und Einziehungsverfügung an einem offenkundigen Rechtsmangel, wenn die Vollstreckungsbehörde sich in der Verfügung einer eigenen Forderung berühme und sich selbst als Vollstreckungsgläubigerin bezeichne. Sie vollstrecke Forderungen des Norddeutschen Rundfunks gemäß § 10 Abs. 6 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag i.V.m. § 7 Abs. 1 und 4 Nds.VwVG. Die Bezeichnung des falschen Gläubigers mache die Pfändungs- und Einziehungsverfügung rechtswidrig.

25

Diese Entscheidung ist auf den vorliegenden Fall schon deswegen nicht übertragbar, weil der Landesgesetzgeber das Recht der Verwaltungsvollstreckung nicht einheitlich in einem Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz, sondern in verschiedenen Gesetzen (§§ 79 ff. des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern - SOG M-V - und § 111 VwVfG M-V) geregelt hat.

26

§ 111 VwVfG M-V wiederum regelt die Verwaltungsvollstreckung von öffentlich-rechtlichen Geldforderungen unvollständig und bedient sich der Verweisungstechnik auf die Vorschriften des Verwaltungs-Vollstreckungsgesetzes, die ihrerseits auf die Vorschriften der Abgabenordnung verweisen. Hierdurch entsteht eine für den Rechtsanwender nicht einfach zu durchdringende Verweisungskette, die letztlich bei der Vollstreckungsbehörde spezielle abgabenrechtliche Kenntnisse voraussetzt.

27

Eine Besonderheit der Abgabenordnung ist § 5 Abs. 1 VwVG i.V.m. § 252 AO. Danach wird im Vollstreckungsverfahren die Körperschaft, der die Vollstreckungsbehörde angehört, als Gläubigerin der zu vollstreckenden Ansprüche fingiert. Durch die gesetzliche Fiktion wird etwa die Verfolgung von Drittrechten erleichtert, weil der Dritte keine Ermittlungen darüber anstellen muss, gegen wen er als Vollstreckungsgläubiger zu klagen hat. Damit durfte sich der Antragsgegner als Gläubiger bezeichnen.

28

Ungeachtet dessen hat der Antragsgegner mit der äußerst knappen Bezeichnung der Vollstreckungsforderung mit „Rundfunkbeiträge“ gegen § 260 AO verstoßen, weil die Pfändungsverfügung grundsätzlich Art, Höhe und Zeitraum der Ansprüche angeben muss, aus denen sich der gepfändete und eingezogene Betrag ergibt. Dies gilt mit Blick auf § 309 Abs. 2 Satz 2 und § 314 Abs. 1 Satz 2 AO jedenfalls gegenüber dem Vollstreckungs-, nicht aber Drittschuldner. Nur in der dem Drittschuldner zuzustellenden Pfändungs- und Einziehungsverfügung soll danach lediglich der beizutreibende Geldbetrag in einer Summe angegeben werden, aber nicht die Abgabenart und die Zeiträume, für die der Betrag geschuldet wird (SächsOVG, Beschl. v. 3.12.2012 – 5 A 769/10 -, juris Rn. 14 mit Verweis auf BFH, Urt. v. 27.6.2006 - VII R 34/05 -, juris Rn. 20; zur Modifikation des § 260 AO nur gegenüber dem Drittschuldner durch § 309 Abs. 2 Satz 2 AO: BFH, Urt. v. 18.7.2000 - VII R 101/98 -, juris Rn. 15).

29

Hinsichtlich der Bezeichnung der Vollstreckungsforderung hätte der Antragsgegner beachten müssen, dass der Antragsteller dem Beigeladenen keine Rundfunkbeiträge in Höhe von 144,35 € schuldet. Vielmehr belaufen sich die zu vollstreckenden Rundfunkbeiträge auf lediglich 53,91 €, wie der Antragsgegner der dem Vollstreckungsersuchen beigefügten Aufstellung unschwer hätte entnehmen können. Darüber hinaus setzt sich der zu vollstreckende Gesamtbetrag aus 24,- € Säumniszuschläge und 2,50 € Mahngebühren zusammen, die der Antragsgegner in den lfd. Nrn. 3 und 4 “ Bezeichnung der vollstreckbar erklärten Geldforderung“ hätte eintragen müssen. Gleiches gilt für die vollstreckungsrechtlichen Kosten (Gebühren und Auslagen in Höhe von insgesamt 26,90 €), die der Antragsgegner nur teilweise unter der lfd. Nr. 5 eingetragen hat.

30

Da Rundfunkbeiträge für bestimmte Zeiträume erhoben werden, hätten auch die Zeiträume, für die die Beträge geschuldet werden, angegeben werden müssen. Das Feld „Zeitraum“ ist aber unbesetzt. Aus der Aufstellung der rückständigen Forderungen als Anlage zum Vollstreckungsersuchen ergeben sich aber die Rundfunkbeitragszeiträume, die den Rundfunkbeitragsfestsetzungsbescheiden des Beigeladenen vom 1. Dezember 2013, 3. Januar 2014 und 4. April 2014 zugrunde liegen.

31

Ob die ohne Leistungsbescheid im Vollstreckungsverfahren geltend gemachten Mahngebühren sowie Vollstreckungskosten vorläufig vollstreckbar sind, bedarf hier keiner weiteren Vertiefung.

32

Hinsichtlich der Höhe der Forderung merkt die Kammer im Übrigen noch an, dass sich das Vollstreckungsersuchen lediglich auf einen beizutreibenden Betrag in Höhe von 80,41 € erstreckte. Für die Vollstreckung weiterer Rundfunkbeitragsfestsetzungsbescheide des Beigeladenen bedurfte es eines weiteren Vollstreckungsersuchens. Die lediglich informative Mitteilung des aktuellen Rückstandes des Beitragskontos in Höhe von 124,35 € berechtigt den Antragsgegner nicht, gegen den Willen des Vollstreckungsschuldner eine Vollstreckung in dieser Höhe durchzuführen.

33

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1 und 3 i.V.m. 159 VwGO.

34

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Stand: Juli 2013; ¼ des Streitwerts der Hauptsache). Eine weitere Reduzierung des Werts im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes hält das Gericht nicht für geboten.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.