Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Beschluss, 25. Apr. 2018 - 5 L 364/18.NW

ECLI:ECLI:DE:VGNEUST:2018:0425.5L364.18.00
bei uns veröffentlicht am25.04.2018

Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller vom 22. März 2018 gegen die Ziffer 3 der Verfügungen der Antragsgegnerin vom 13. März 2018 wird angeordnet, soweit darin die Ersatzvornahme der in Ziffer 1 genannten Verpflichtung angedroht worden ist.

Ferner wird die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller gegen die Ziffer 4 der genannten Verfügungen wiederhergestellt.

Im Übrigen wird der Antrag der Antragsteller auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Ziffern 1 und 2 der genannten Verfügungen abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens zu ¾ und die Antragsgegnerin zu ¼.

Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 200.000 € festgesetzt.

Gründe

1

Das vorläufige Rechtsschutzgesuch der Antragsteller ist zulässig (A.), in der Sache aber nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet (B.).

2

A. Der ausdrücklich gestellte Antrag der Antragsteller, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Verfügungen der Antragsgegnerin vom 13. März 2018 wiederherzustellen, bedarf zunächst der Auslegung nach § 88 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO –. Die Antragsteller begehren die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alt. VwGO, soweit sie sich gegen die für sofort vollziehbar erklärten Ziffern 1, 2 und 4 in den Bescheiden vom 13. März 2018 wenden. Dagegen hat der Widerspruch gegen die gleichzeitig in Ziffer 3 verfügte Ersatzvornahmeandrohung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 20 Ausführungsgesetz zur Verwaltungsgerichtsordnung – AGVwGO – kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung. Statthaft ist insoweit daher der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. VwGO.

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Die so verstandenen Anträge sind auch ansonsten zulässig, insbesondere sind die Antragsteller als Adressaten belastender Verwaltungsakte antragsbefugt gemäß § 42 Abs. 2 VwGO analog.

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B. Der Antrag ist in der Sache teilweise begründet. Soweit sich die Antragsteller gegen die beiden Grundverfügungen in den Ziffern 1 und 2 in den Bescheiden vom 13. März 2018 wenden, bleibt ihr Antrag erfolglos (dazu I.). Dagegen ist das Begehren gegen die Androhung der Ersatzvornahme in Ziffer 3 teilweise (dazu II.) und hinsichtlich der Kostenanforderung in Ziffer 4 vollständig begründet (dazu III.)

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I. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffern 1 und 2 in den Bescheiden vom 13. März 2018 ist sowohl formell (dazu 1.) als auch materiell offensichtlich rechtmäßig (dazu 2.). Ferner besteht auch ein besonderes Vollzugsinteresse (dazu 3.).

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1. Die Antragsgegnerin hat in formeller Hinsicht die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffer 1 der Beseitigungsverfügung vom 13. März 2018 ausreichend nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet, indem sie u.a. ausgeführt hat, die Anordnung des Sofortvollzuges bezüglich der Ziffern 1 und 2 der Verfügung sei gerechtfertigt, da die Beseitigung von Gefahren für die öffentliche Sicherheit im öffentlichen Interesse liege. Dies gelte insbesondere dann, wenn die Wertigkeit der gefährdeten Schutzgüter besonders hoch einzustufen sei. Da vorliegend zumindest die Gesundheit von Menschen durch die vorhandenen schwach gebundenen Materialien (Amphibol-Asbest) gefährdet sei, reiche nur eine geringe Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts aus, um die Maßnahme zu rechtfertigen. Aus diesem Grund könne nicht bis zum Abschluss eines möglichen Widerspruchsverfahrens gewartet werden. Weiterhin sei hier auch zu berücksichtigen, dass die Brandruine jederzeit einstürzen könne und damit eine erhöhte Faserfreisetzung gegeben wäre. Damit liegt eine auf den konkreten Einzelfall abgestellte und nicht lediglich formelhafte Begründung des besonderen Vollzugsinteresses vor. Ob die von der Antragsgegnerin angeführte Begründung inhaltlich zutreffend ist und die Anordnung der sofortigen Vollziehung zu rechtfertigen vermag, ist im Rahmen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO unbeachtlich; dies ist erst bei der gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vom Gericht eigenständig vorzunehmenden Interessenbewertung zu erörtern (s. z.B. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 3. April 2012 – 1 B 10136/12.OVG –, BauR 2012, 1362).

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Die Antragsgegnerin hat ferner nicht deshalb verfahrensfehlerhaft gehandelt, weil sie vor der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffern 1 und 2 des Bescheids vom 13. März 2018 dem Antragsteller keine Gelegenheit gegeben hat, sich dazu zu äußern. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 i. V. m. Abs. 3 Satz 1 VwGO ist kein Verwaltungsakt, sondern eine verfahrensrechtliche Nebenentscheidung zum Verwaltungsakt, so dass § 28 Abs. 1 VwVfG insoweit nicht zugrunde zu legen ist (vgl. z.B. Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 80 Rn. 80). Eine analoge Anwendung von § 28 Abs. 1 VwVfG kommt mangels Vorliegens einer ungeplanten Regelungslücke gleichfalls nicht in Betracht (s. z.B. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 17. Oktober 2017 – 2 B 11451/17 –, juris).

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2. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffern 1 und 2 der Verfügung vom 13. März 2018 ist auch in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden.

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Für das Interesse des Betroffenen, einstweilen nicht dem Vollzug der behördlichen Maßnahmen ausgesetzt zu sein, sind zunächst die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs von Belang. Ein überwiegendes Interesse eines Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist in der Regel anzunehmen, wenn die im Eilverfahren allein mögliche und gebotene summarische Überprüfung ergibt, dass der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist. Denn an der Vollziehung eines ersichtlich rechtswidrigen Verwaltungsakts kann kein öffentliches Vollzugsinteresse bestehen. Ist der Verwaltungsakt dagegen offensichtlich rechtmäßig, so überwiegt das Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Antragstellers nur dann, wenn zusätzlich ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts besteht. Kann aufgrund der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Überprüfung nicht festgestellt werden, ob der Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig oder offensichtlich rechtswidrig ist, so beschränkt sich die verwaltungsgerichtliche Kontrolle des Sofortvollzuges des Verwaltungsakts auf die Durchführung einer Interessenabwägung, die je nach Fallkonstellation zugunsten des Antragstellers oder des Antragsgegners ausgehen kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 2007 – 2 BvR 695/07 –, NVwZ 2007, 1176).

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Nach diesen Grundsätzen überwiegt vorliegend das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ziffern 1 und 2 des Bescheids vom 13. März 2018 das private Interesse der Antragsteller, diesen bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens einstweilen nicht nachkommen zu müssen. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung ergibt sich daraus, dass die angefochtenen Ziffern 1 und 2 des Bescheids vom 13. März 2018 offensichtlich rechtmäßig sind und mit ihrer Durchsetzung nicht bis zur Bestandskraft, deren Eintritt noch nicht abzusehen ist, abgewartet werden kann.

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Rechtsgrundlage für die von der Antragsgegnerin in der Ziffer 1 des Bescheids vom 13. März 2018 verfügte Verpflichtung der Antragsteller zur Vorlage einer schriftlichen Beauftragung eines Fachbetriebes (Auftragsbescheinigung) zum Abbruch und der anschließenden Beseitigung des durch Brand beschädigten Gebäudeteils auf dem Grundstück Flurstück-Nr. …. in Landau ist § 59 Abs. 1 Satz 1 Landesbauordnung – LBauO –. Danach haben die Bauaufsichtsbehörden bei der Errichtung, Änderung, Instandhaltung, Nutzung, Nutzungsänderung und dem Abbruch baulicher Anlagen sowie anderer Anlagen und Einrichtungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 darüber zu wachen, dass die baurechtlichen und sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften und die aufgrund dieser Vorschriften erlassenen Anordnungen eingehalten werden; sie haben zu diesem Zweck nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen Maßnahmen zu treffen.

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Ferner konnte die Antragsgegnerin die Ziffer 2 des Bescheids vom 13. März 2018, in der den Antragstellern aufgegeben wurde, den durch Brand geschädigten Gebäudeteil auf dem Grundstück Flurstücks-Nr. …. restlos durch eine geeignete Fachfirma beseitigen zu lassen, zutreffend auf die Vorschrift des § 82 Satz 1 LBauO stützen. Danach kann die Bauaufsichtsbehörde die nach § 54 Abs. 2 LBauO verantwortlichen Personen verpflichten, eine Anlage, soweit diese nicht genutzt wird und im Verfall begriffen ist, abzubrechen oder zu beseitigen.

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Die Voraussetzungen für den Erlass der beiden Grundverfügungen liegen nach der allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage hier vor.

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2.1. Verfahrensrechtliche Bedenken gegen die Ziffern 1 und 2 des Bescheids vom 13. März 2018 bestehen nicht, da die Antragsteller vor Erlass der Bescheide gemäß § 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz – LVwVfG – i. V. m. § 28 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG – mit Schreiben vom 7. Februar 2018 angehört worden sind.

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2.2. Die in Ziffer 1 des Bescheids vom 13. März 2018 verfügte Verpflichtung der Antragsteller zur Vorlage einer Auftragsbescheinigung zum Abbruch und der anschließenden Beseitigung des durch Brand beschädigten Gebäudeteils auf dem Grundstück Flurstück-Nr. …. in Landau ist nach Auffassung der Kammer ebenso materiell-rechtlich offensichtlich rechtmäßig wie die Aufforderung, den durch Brand geschädigten Gebäudeteil auf dem Grundstück Flurstücks-Nr. …. restlos durch eine geeignete Fachfirma beseitigen zu lassen.

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2.2.1. Zunächst sind die Regelungen in den Ziffern 1 und 2 des angegriffenen Bescheids entgegen der Ansicht der Antragsteller im Sinne des § 1 LVwVfG i.V.m. § 37 Abs. 1 LVwVfG inhaltlich hinreichend bestimmt.

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§ 37 Abs. 1 VwVfG regelt für den Verwaltungsakt allgemeine Bestimmtheitsanforderungen und konkretisiert damit ein die materielle Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts betreffendes Erfordernis rechtsstaatlicher Verwaltung (Stelkens in: Stelkens/Bonk/ Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Auflage 2018, § 37 Rn. 2). Das Bestimmtheitsgebot verlangt, dass der Adressat eines Verwaltungsakts in der Lage sein muss zu erkennen, was von ihm gefordert wird, und zwar in dem Sinne, dass der behördliche Wille keiner unterschiedlichen subjektiven Bewertung zugänglich ist (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11. Juli 2017 – 5 S 2067/15 –, juris). Zum anderen muss der Verwaltungsakt Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung sein können. Im Einzelnen richten sich die Anforderungen nach den Besonderheiten des Einzelfalls, insbesondere nach dem Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes und dem mit ihm verfolgten Zweck (BVerwG, Beschluss vom 13. Oktober 2010 – 7 B 50.10 –, juris). Dabei muss sich die „Regelung“ (§ 35 Satz 1 VwVfG) nicht unmittelbar und allein aus dem Entscheidungssatz ergeben. Es reicht aus, wenn sie sich aus dem gesamten Inhalt des Bescheids, aus dem Zusammenhang, aus der von der Behörde gegebenen Begründung oder aus den den Beteiligten bekannten näheren Umständen des Erlasses im Wege einer am Grundsatz von Treu und Glauben orientierten Auslegung unzweifelhaft erkennen lässt (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. April 2001 – 6 C 6.00 –, NVwZ 2001, 1399; OVG Weimar, Beschluss vom 1. September 2000 – 4 ZK0 131/00 –, NVwZ-RR 2001, 212; vgl. zu einer Nutzungsuntersagung auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13. April 2011 – 8 S 668/11 –, juris). Erst wenn auch unter Anwendung der anerkannten Auslegungsgrundsätze keine Klarheit über den Behördenwillen geschaffen werden kann bzw. Widersprüchlichkeiten nicht beseitigt werden können, ist Unbestimmtheit anzunehmen (Stelkens in: Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 37 Rn. 7 m.w.N.). Auf Mehrdeutigkeit beruhende Unklarheiten über den Inhalt des Verwaltungsakts gehen zulasten der Behörde (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17. Juni 2015 – 13 A 1215/12 –, juris; BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2012 – 9 C 7/11 –, juris; VG Berlin, Beschluss vom 20. Februar 2018 – 27 L 546.17 –, juris).

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Gemessen an diesen Maßstäben sind die Ziffern 1 und 2 der Bescheide vom 13. März 2018 inhaltlich noch hinreichend bestimmt. Die Antragsgegner beschränkt die Verfügungen auf „den durch Brand geschädigten Gebäudeteil“ auf dem Grundstück Flurstück-Nr. ….. Auf diesem Grundstück stehen zwei in Nord-Süd-Richtung aneinander gebaute Gebäude(teile) mit den Hausnummern A-Straße … und A-Straße ….. Dadurch, dass die Antragsgegnerin sich im Betreff der Bescheide vom 13. März 2018 ausdrücklich nur auf die A-Straße … bezogen hat, sind die Antragsteller als Adressaten der Bescheide in der Lage zu erkennen, was von ihnen gefordert wird. Soweit auch in dem Gebäudeteil A-Straße …. Spuren des Brandes zu erkennen sind, ist dieser Gebäudeteil von der Verfügung ausdrücklich nicht betroffen.

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2.2.2. Die Voraussetzungen des § 82 Satz 1 LBauO sind gegeben.

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2.2.2.1. Der „durch Brand beschädigte Gebäudeteil“ A-Straße …. auf dem Grundstück Flurstück-Nr. …. wird nicht genutzt.

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Das Tatbestandsmerkmal „nicht genutzt“ ist im Lichte der Eigentumsgarantie des Art. 14 Grundgesetz – GG – restriktiv auszulegen. Daher reicht es für die Annahme des Vorliegens dieser Tatbestandsvoraussetzung nicht aus, dass die tatsächliche Nutzung einer baulichen Anlage nur für eine kurze Zeitspanne unterblieben ist. Vielmehr muss eine „Nichtnutzung“ i.S. von § 82 LBauO über einen längeren Zeitraum – mindestens über mehrere Jahre hinweg – bestehen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 22. April 1999 – 1 A 11193/98 –, NVwZ-RR 1999, 718 und Beschluss vom 21. Juli 2015 – 8 A 10516/15.OVG –, NVwZ-RR 2015, 846). Letztlich sind für die Frage, ob eine bauliche Anlage nicht mehr genutzt wird, die Umstände des Einzelfalles maßgeblich (Kerkmann in: Jeromin, LBauO RP, 4. Auflage 2016, § 82 Rn. 5).

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Davon ausgehend wird die hier in Streit stehende bauliche Anlage auf dem Grundstück Flurstück-Nr. …. seit mehr als zweieinhalb Jahren nicht mehr genutzt, nachdem der betreffende Gebäudeteil am 10. Juli 2015 durch einen Brand schwer geschädigt wurde und teilweise eingestürzt ist (s. dazu die Lichtbilder in den Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakte). Die Antragsteller, die u.a. das Grundstück Flurstück-Nr. … mit Kaufvertrag vom 24. April 2012 an die …… mbH …verkauft haben, haben auch keine (beabsichtigte) Nutzung geltend gemacht. Vielmehr steht schon seit geraumer Zeit fest, dass der Gebäudeteil A-Straße ... abgerissen werden wird. Die Antragsteller haben hierzu mit der B-SachversicherungsAG vor dem Landgericht Frankenthal am 18. Januar 2017 einen gerichtlichen Vergleich geschlossen, in dem sich die B-SachversicherungsAG verpflichtet hat, den Abbruch zu organisieren und die Kosten zu tragen.

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2.2.2.2. Der durch Brand beschädigte Gebäudeteil A-Straße …. auf dem Grundstück Flurstück-Nr. …. ist auch „im Verfall begriffen“. Dieses Tatbestandsmerkmal ist erfüllt, wenn die bauliche Anlage in ihrer baulichen Substanz beeinträchtigt und eine Vergrößerung der bereits vorhandenen Schäden zu erwarten ist, ohne dass eine völlige Unbrauchbarkeit oder Zerstörung der Bausubstanz eingetreten sein müsste (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 21. Juli 2015 – 8 A 10516/15.OVG –, NVwZ-RR 2015, 846). Die Ursache (z.B. Abnutzung, Brand, Verwitterung, Vernachlässigung) für das Verfallen der baulichen Anlage ist unerheblich (Kerkmann in: Jeromin, a.a.O., § 82 Rn. 6).

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Danach ist hier von einem Verfall auszugehen. Wie sich aus den in den Verwaltungsakten befindlichen sowie von den Antragstellern und der Antragsgegnerin ergänzend zu den Gerichtsakten gereichten Lichtbildern ergibt, ist die Substanz der von den angefochtenen Verfügungen erfassten baulichen Anlage in der A-Straße …. insgesamt so stark beeinträchtigt, dass eine bloße Instandsetzung – die ohnehin nicht beabsichtigt ist – ausscheidet. Soweit die Antragsteller in diesem Zusammenhang geltend machen, es sei lediglich ein geringfügiger Teil der im Eigentum der Antragsteller stehenden Immobilie nicht erhaltungswürdig, ist dies nicht nachvollziehbar. Sämtliche Fotos der Antragsteller und der Antragsgegnerin sowie die Luftbildaufnahmen auf google.maps sowie http://map1.naturschutz.rlp.de/ kartendienste_naturschutz/ index.php zeigen, dass der gesamte Gebäudekomplex in der A-Straße …. schwer beschädigt ist und nur komplett neu aufgebaut werden könnte. Von einer erhaltenswerten Bausubstanz kann daher keine Rede sein. Vielmehr ist ausweislich der den derzeitigen Zustand der baulichen Anlagen dokumentierenden Lichtbilder anzunehmen, dass eine Zunahme der schon vorhandenen Schäden an der Bausubstanz erwartet werden kann.

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Darauf, ob die in Streit stehende bauliche Anlage noch standsicher ist, kommt es im Rahmen des § 82 Satz 1 LBauO nicht an. Für den Erlass einer Abbruchverfügung ist es nicht erforderlich, dass von den baulichen Anlagen unmittelbar Gefahren für die Allgemeinheit ausgehen (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 21. Juli 2015 – 8 A 10516/15.OVG –, NVwZ-RR 2015, 846). Es genügt vielmehr, dass eine Zunahme der schon vorhandenen Schäden an der Bausubstanz erwartet werden kann. Hieran bestehen vorliegend keine ernstlichen Zweifel.

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2.2.2.3. Die Abbruchverfügung der Antragsgegnerin erweist sich auch als ermessensfehlerfrei, insbesondere auch als verhältnismäßig.

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(1) Das Abbruchverlangen einer nicht genutzten und im Verfall begriffenen baulichen Anlage stellt sich vor dem Hintergrund, dass § 82 Satz 1 LBauO die Bauaufsichtsbehörde dazu ermächtigt, den Verfallsprozess im Interesse des Orts- und Landschaftsbildes und der Beseitigung städtebaulicher Missstände durch den Erlass einer Abbruchanordnung abzukürzen, nur dann als eine unverhältnismäßige Einschränkung der Eigentumsgarantie in Art. 14 Abs. 1 GG dar, wenn der Verfallsprozess unterbrochen und die Bausubstanz einer Wiederverwendung zugeführt wird. Bloße verbale Absichtsbekundungen des Eigentümers sind dafür allerdings nicht ausreichend (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 21. Juli 2015 – 8 A 10516/15.OVG –, NVwZ-RR 2015, 846; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 15. November 2013 – 1 LA 65/13 –, BauR 2014, 1132). Vielmehr muss sich aufgrund objektiver Umstände die ernsthafte Absicht des Eigentümers feststellen lassen, innerhalb einer angemessenen Zeitspanne die noch vorhandene Bausubstanz zu sanieren und sie einer Wiederverwendung zuzuführen. Solche Anhaltspunkte sind vorliegend von vornherein nicht gegeben, da bereits geklärt ist, dass die Ruine abgerissen werden soll.

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(2) Die Antragsgegnerin hat die Verfügung zu Recht gegen die Antragsteller gerichtet. Nach § 54 Abs. 2 Satz 1 LBauO ist u.a. die Eigentümerin oder der Eigentümer dafür verantwortlich, dass bauliche Anlagen sowie Grundstücke den baurechtlichen Vorschriften entsprechen. Die Antragsteller sind nach wie vor Eigentümer des Grundstücks Flurstück-Nr. …. und damit taugliche Adressaten der Abbruchanordnung. Sie hatten zwar mit Kaufvertrag vom 24. April 2012 u.a. das Grundstück Flurstück-Nr. …. an die …. verkauft und in § 6 des Vertrages mit der …., für die eine Auflassungsvormerkung ins Grundbuch eingetragen wurde, vereinbart, dass die Besitzübergabe an dem streitgegenständlichen Teil des Grundstücks zum 31. Dezember 2015 erfolgen sollte. Zur Besitzübergabe kam es im Anschluss an den Brand am 10. Juli 2015 bisher allerdings nicht. Auch haben die Antragsteller gegen das Urteil des Landgerichts Landau vom 1. Februar 2018 in dem Verfahren …., in dem die Antragsteller u.a die Löschung der Auflassungsvormerkung mit der Begründung erwirken wollten, der Kaufvertrag sei rückgängig zu machen, Rechtsmittel eingelegt, so dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt offen ist, ob das Eigentum an dem Grundstück überhaupt auf die …. übertragen werden wird. Bei einer rechtsgeschäftlichen Eigentumsübertragung endet die Zustandshaftung des bisherigen Eigentümers erst mit der Eintragung des neuen Eigentümers im Grundbuch (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30. April 1996 – 10 S 2163/95 –, NVwZ-RR 1997, 267). Diese ist, wie ausgeführt, bisher nicht erfolgt. Die vor den Zivilgerichten geführten Rechtsstreitigkeiten der Antragsteller wegen des Verkaufs des Grundstücks und des Umstands, dass die Baulichkeiten vor der Eigentumsübertragung auf die …. niedergebrannt sind, sind daher für das vorliegende Verfahren irrelevant (vgl. auch VG Neustadt, Beschluss vom 18. Oktober 2017 – 4 L 1103/17.NW – zur abfallrechtlichen Anordnung der Antragsgegnerin gegenüber den Antragstellern, mit Asbest kontaminierte Materialien zu entsorgen).

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(3) Es ist auch nicht ermessensfehlerhaft, den Antragstellern aufzugeben, den Abriss nur durch eine geeignete Fachfirma durchführen zu lassen. Zwar ist der zur Beseitigung Verpflichtete grundsätzlich berechtigt, den Abbruch selbst vorzunehmen oder durch einen Dritten seiner Wahl vornehmen zu lassen. Vorliegend besteht jedoch die Besonderheit, dass in dem streitgegenständlichen Gebäudeteil Baumaterialien verarbeitet wurden, in denen Asbest nachgewiesen wurde (s. dazu u.a. die Ergebnismitteilung Nr. …… der SGS-TÜV Saar GmbH vom 23. Januar 2018 und das Gutachten Nr. …… zur Sanierungsdringlichkeit des Dipl. Bauing. H vom 5. April 2018). In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, in welchem Ausmaß das abzureißende Gebäude mit Asbest belastet ist. Maßgebend ist alleine, dass Asbestprodukte in dem Gebäude vorhanden sind und deshalb der Abbruch nur durch eine geeignete Fachfirma vorgenommen werden darf. Dies folgt aus Nr. 2.4.2. Abs. 3 des Anhangs I zu § 8 Absatz 8 und § 11 Absatz 3 der Verordnung zum Schutz vor Gefahrstoffen (GefahrstoffverordnungGefStoffV –), wonach Abbruch-, Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten mit Asbest nur von Fachbetrieben durchgeführt werden dürfen, deren personelle und sicherheitstechnische Ausstattung für diese Tätigkeiten geeignet ist. Bei den Arbeiten ist dafür zu sorgen, dass mindestens eine weisungsbefugte sachkundige Person vor Ort tätig ist. Ferner bestimmt Abs. 4 des genannten Anhangs I zur GefStoffV, dass Abbruch- und Sanierungsarbeiten bei Vorhandensein von Asbest in schwach gebundener Form nur von Fachbetrieben durchgeführt werden darf, die von der zuständigen Behörde zur Ausführung dieser Tätigkeiten zugelassen worden sind. Soweit die Antragsteller geltend machen, der Sachverständige Dipl. Bauing. H habe beim Ortstermin nur festgebundene Asbestprodukte wie Dach- und Fassadenplatten, Lüftungskanäle, Rohrleitungen, Fensterbänke und Arbeitsplatten vorgefunden, ist anzumerken, dass der streitgegenständliche Gebäudeteil durch den Brand schwer beschädigt ist und zumindest nicht ausgeschlossen werden kann, dass im Falle des Abrisses die Asbestverkleidungen weiter beeinträchtigt werden. Das Zerbrechen von Asbestwerkstoffen ist aber geeignet, Asbestfasern freizusetzen. Aus diesem Grund sind die Abbrucharbeiten nur durch eine geeignete Fachfirma durchzuführen.

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(4) Die Antragsteller können auch nicht mit Erfolg einwenden, die Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin sei ermessensfehlerhaft, weil sie finanziell nicht in der Lage seien, den Abriss vornehmen zu lassen. Zwar darf auf der Primärebene auch die fehlende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Sanierungspflichtigen in die Ermessenserwägungen eingestellt werden (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13. März 2014 – 10 S 2210/12 –, juris). Ferner hat die Ordnungsbehörde, ordnet sie Sanierungsmaßnahmen an, in der Grundverfügung bereits über die Begrenzung der Kostenbelastung des Zustandsverantwortlichen zu entscheiden, wenn die Kostenbelastung wegen fehlender Zumutbarkeit von Verfassungs wegen begrenzt ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Februar 2000 – 1 BvR 242/91 –, NJW 2000, 2573; BVerwG, Beschluss vom 6. Mai 2006 – 6 C 6.04 –).

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Hierzu war die Antragsgegnerin vorliegend nicht verpflichtet. Sie geht zwar in dem Bescheid vom 13. März 2018 von einem Betrag in Höhe von 400.000 € aus, der voraussichtlich aufgewendet werden muss, um den Abbruch durchzuführen. Es bestehen aber keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Kosten von vornherein außer Verhältnis zu dem Wert des Grundstücks im Innenstadtbereich von Landau stehen. In diesem Zusammenhang ist im Übrigen zu berücksichtigen, dass die Antragsteller gemäß dem vor dem Landgericht Frankenthal am 18. Januar 2017 geschlossenen Vergleich von der B-SachversicherungsAG als Versicherungsleistung einen Betrag von 775.000 € erhalten haben und die Versicherung zusätzlich die Kosten des Abrisses übernehmen wird, muss die Antragsgegnerin auf der Primärebene nicht von einer fehlenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Antragsteller ausgehen. Entsprechende Ermessenserwägungen sind daher nicht erforderlich.

32

(5) Die Abbruchanordnung ist auch verhältnismäßig.

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Eine Unverhältnismäßigkeit der Abbruchanordnung ergibt sich insbesondere nicht aus der in Ziffer 1 der Verfügungen vom 13. März 2018 gesetzten Frist von sechs Wochen nach Bekanntgabe der Bescheide. Es handelt sich bei dieser Frist um die Einräumung einer Zwangsvollstreckungsabwendungsfrist. Dass dies hier in den Grundverfügungen geschehen ist, auf die die Ersatzvornahmeandrohung in Ziffer 3 der Bescheide vom 13. März 2018 ausdrücklich Bezug nimmt, hat keinerlei Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der Abbruchanordnung. Denn eine Vollstreckungsfrist kann grundsätzlich auch in der Grundverfügung gesetzt werden (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 14. Februar 2011 – 2 M 245/10 –, NVwZ-RR 2011, 667;

Bay. VGH, Beschluss vom 19. November 2008 – 9 CS 08.953 –, juris; Hess. VGH, Beschluss vom 28. Oktober 1997 – 4 UE 3676/95 –, BRS 59 Nr. 206). Die Frage, ob die dem Betroffenen gesetzte Frist angemessen ist, ist allein der Ebene der Vollstreckung zuzuordnen.

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2.2.3. Die Antragsgegnerin konnte daneben die in Ziffer 1 der Bescheide vom 13. März 2018 verfügte Verpflichtung der Antragsteller zur Vorlage einer schriftlichen Beauftragung eines Fachbetriebes (Auftragsbescheinigung) zum Abbruch und der anschließenden Beseitigung des durch Brand beschädigten Gebäudeteils auf dem Grundstück Flurstück-Nr. …. zu Recht auf § 59 Abs. 1 Satz 1 LBauO stützen. Inhaltlich sind von dieser Ermächtigung alle Maßnahmen gedeckt, die erforderlich sind, um der Überwachungsaufgabe nachzukommen und die Einhaltung des Rechts sicherzustellen. Hier haben die Antragsteller aufgrund der Anordnung in Ziffer 2 der Bescheide vom 13. März 2018 den Abbruch durch eine geeignete Fachfirma vornehmen zu lassen. Um überprüfen zu können, ob es sich um einen geeigneten Fachbetrieb handelt (vgl. Nr. 2.4.2. Abs. 3 und Abs. 4 des Anhangs I zu § 8 Abs. 8 und § 11 Abs. 3 GefStoffV), ist es nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin von den Antragstellern die Vorlage einer Auftragsbescheinigung verlangt. In Bezug auf die den Antragstellern gesetzte Frist von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Bescheids gilt das oben zur Abbruchanordnung Gesagte.

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3. Nach Auffassung der Kammer ist auch ein besonderes Vollzugsinteresse in Bezug auf die Ziffern 1 und 2 der Bescheide vom 13. März 2018 gegeben. Dies ergibt sich aus Folgendem:

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Das Gebäude in der A-Straße …. ist, wie aus den zahlreichen Lichtbilder deutlich wird, erheblich beschädigt und als einheitlicher Baukörper nicht mehr vorhanden. Es sind erst am vergangenen Wochenende wieder Bauteile eingestürzt. Die Brandruine kann in ihrem jetzigen Zustand nicht mehr bloß instandgesetzt werden und muss daher ohnehin abgerissen werden. Insofern ist die vorliegende Konstellation nicht vergleichbar mit den Fällen, in denen gemäß § 81 Satz 1 LBauO die Beseitigung einer intakten Bausubstanz angeordnet wird. Dort besteht ein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung einer Beseitigungsanordnung, die mit der Vernichtung wesentlicher Bausubstanz verbunden ist, grundsätzlich nicht, da der Sofortvollzug in unangemessener Weise das Ergebnis des Hauptsacheverfahrens vorwegnimmt. In der Regel vermögen im Rahmen des § 81 Satz 1 LBauO nur konkrete Gefahren für Leib, Leben, Gesundheit oder bedeutende Sachwerte die sofortige Vollziehung einer Beseitigungsanordnung zu rechtfertigen. Da vorliegend aber feststeht, dass der streitgegenständliche Gebäudeteil nicht wieder instandgesetzt werden kann, sondern abgerissen werden muss, bevor ein neues Bauwerk errichtet werden kann, ist losgelöst von der Frage, in welchem Umfang die Brandruine mit Asbestprodukten belastet ist, im Interesse des Orts- und Landschaftsbildes und der Beseitigung städtebaulicher Missstände kein plausibler Grund dafür ersichtlich, mit dem Abbruch bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens zuzuwarten. Die Interessenabwägung muss daher hier zu Lasten der Antragsteller ausfallen.

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II. Soweit sich die Antragsteller ferner gegen die gegen die Androhung der Ersatzvornahme in Ziffer 3 der streitgegenständlichen Bescheide wenden, ist der Antrag dagegen teilweise begründet.

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1. Da es sich bei dem Verlangen, die schriftliche Beauftragung eines Fachbetriebs vorzulegen, nicht um eine vertretbare Handlung handelt, scheidet der Erlass einer auf § 66 i.V.m. § 63 Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz – LVwVG – gestützten Ersatzvornahmeandrohung als taugliches Zwangsmittel aus. Insofern war diesbezüglich die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller anzuordnen.

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2. Im Gegensatz dazu bestehen an der Rechtmäßigkeit der Androhung der Ersatzvornahme in Bezug auf die Ziffer 2 der Bescheide vom 13. März 2018 keine ernstlichen Zweifel.

40

Wird die Verpflichtung, eine Handlung vorzunehmen, deren Vornahme durch einen anderen möglich ist (vertretbare Handlung), nicht erfüllt, so kann die Vollstreckungsbehörde gemäß § 63 Abs. 1 LVwVG auf Kosten des Vollstreckungsschuldners die Handlung selbst ausführen oder einen anderen mit der Ausführung beauftragen. Das Zwangsmittel der Ersatzvornahme ist gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 LVwVG vorher schriftlich anzudrohen. Die Androhung hat zur Erfüllung der Verpflichtung eine angemessene Frist zu bestimmen (§ 66 Abs. 1 Satz 3 LVwVG). Wird die Ersatzvornahme angedroht, so sollen in der Androhung die voraussichtlichen Kosten angegeben werden (§ 66 Abs. 4 LVwVG). Die schriftliche Androhung ist zuzustellen (§ 66 Abs. 6 Satz 1 LVwVG).

41

Die Voraussetzungen der §§ 63 i.V.m. 66 LVwVG sind hier gegeben.

42

Die den Antragstellern aufgegebene Verpflichtung in der Ziffer 2 der Bescheide vom 13. März 2018, den durch Brand geschädigten Gebäudeteil auf dem Grundstück Flurstück-Nr. …. restlos durch eine geeignete Fachfirma beseitigen zu lassen, knüpft nicht an die Verpflichtung in der Ziffer 1 des genannten Bescheids an, die Auftragsbescheinigung vorzulegen, sondern hat eigenständige Bedeutung, so dass die Antragsteller aus der gegenwärtigen Rechtswidrigkeit der Ziffer 3 i.V.m. Ziffer 1 nicht auf die Rechtswidrigkeit der Ziffer 3 i.V.m. Ziffer 2 schließen können.

43

Die den Antragstellern gesetzte Frist ist angemessen. Die Frist ist so zu bemessen, dass es dem Pflichtigen möglich und zumutbar ist, seine Verpflichtung bis zu ihrem Ablauf zu erfüllen (Troidl in: Engelhardt/App/Schlatmann, VwVG VwZG, 11. Auflage 2017, § 13 VwVG Rn. 3). Zwar haben die Antragsteller angegeben, es sei ihnen nicht möglich, innerhalb der ihnen gesetzten Frist von sechs Wochen eine geeignete Fachfirma zu finden. Jedoch hat die Antragsgegnerin drei Angebote von Firmen eingeholt, die bereit wären, den Abbruch zeitnah vorzunehmen. Gegebenenfalls können sich die Antragsteller dieser Firmen bedienen. Eine Unzumutbarkeit kann die Kammer jedenfalls nicht erkennen.

44

III. Soweit sich die Antragsteller schließlich gegen die für sofort vollziehbar erklärte Kostenanforderung in Ziffer 4 der Bescheide vom 13. März 2018 wenden, ist ihr Antrag begründet.

45

Ohne näher darauf einzugehen, ob die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffer 4 der Bescheide vom 13. März 2018 rechtmäßig ist, fehlt es jedenfalls an der materiellen Rechtmäßigkeit der Kostenanforderung.

46

Rechtsgrundlage für die Kostenanforderung ist § 63 Abs. 2 Satz 1 LVwVG. Danach kann bestimmt werden, dass der Vollstreckungsschuldner die voraussichtlichen Kosten der Ersatzvornahme im Voraus zu zahlen hat. Diese Befugnis trägt dem Interesse der Vollstreckungsbehörde Rechnung, wegen der Kosten nicht in Vorlage treten zu müssen; ferner verstärkt sie den Druck auf den Betroffenen, der von ihm geforderten Handlung nachzukommen.

47

Zu den Kosten der Ersatzvornahme zählen grundsätzlich alle Kosten, die im Zusammenhang mit der Ersatzvornahme entstanden sind. Hier hat die Antragsgegnerin verfügt, dass die Antragsteller den Betrag in Höhe von 400.000 € nach Ablauf der Frist aus Ziffer 1 oder ggf. Ziffer 2 dieser Verfügung zu überweisen hätten, sofern sie „den Verpflichtungen nach Ziffer 1 oder Ziffer 2 dieser Verfügung nicht fristgerecht nachkommen sollten“. Da, wie oben ausgeführt, die Androhung der Ersatzvornahme in Bezug auf die Ziffer 1 der Bescheide vom 13. März 2018 offensichtlich rechtswidrig ist, ist die Antragsgegnerin nicht befugt, bei Nichterfüllung der Ziffer 1 durch die Antragsteller diesen aufzugeben, einen Betrag in Höhe von 400.000 € zu überweisen. Ungeachtet dessen wäre ein Betrag in Höhe von 400.000 € für das Nichtvorlegen einer Auftragsbescheinigung unverhältnismäßig. Soweit die Antragsgegnerin in ihrem Schriftsatz an das Gericht vom 20. April 2018 ausgeführt hat, sie stelle klar, dass die Ziffer 4 der Bescheide vom 13. März 2018 sich nur auf die voraussichtlichen Kosten der Ersatzvornahme nach Ziffer 2 beziehe, führt dies nicht zu einer anderen rechtlichen Bewertung. Die inhaltliche Änderung eines erlassenen Verwaltungsakts kann nicht durch bloße „Klarstellung“ in einem gerichtlichen Eilverfahren erfolgen, sondern muss durch Änderung des Verwaltungsakts im behördlichen Verfahren vorgenommen werden.

48

Infolgedessen braucht die Kammer sich nicht mehr mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die Antragsgegnerin aus fiskalischen Interessen hier rechtlich zulässig die sofortige Vollziehung der Ziffer 4 anordnen durfte (vgl. dazu VG Neustadt/Wstr., Beschluss vom 4. September 2009 – 3 L 736/09.NW –, juris).

49

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2, 63 Gerichtskostengesetz – GKG – i. V. m. den Ziffern 1.5, 1.7.2 und 9.5. des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom Juli 2013. Die Kammer hält es für sachgerecht, vorliegend von einem Hauptsachestreitwert von 400.000 € auszugehen, der sich an den von der Antragsgegnerin geschätzten Abrisskosten orientiert. Dieser Betrag ist gemäß Ziffer 1.5 des genannten Streitwertkatalogs im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auf die Hälfte zu reduzieren. Die von den Antragstellern in Ziffer 1 der Bescheide vom 13. März 2018 ferner geforderte Auftragsbescheinigung bleibt, da sie unmittelbar mit der Ziffer 2 zusammenhängt, streitwertmäßig ebenso außer Betracht wie die Zwangsmittelandrohung in Ziffer 3 der Bescheide vom 13. März 2018 (s. Ziffer 1.7.2 des o.g. Streitwertkatalogs). Die Ziffer 4 steht letztlich ebenfalls in unmittelbarem Zusammenhang mit der Ziffer 2, so dass sie nach Ansicht der Kammer nicht streitwerterhöhend wirkt. Jedoch hat sie für die Antragsteller eine maßgebliche eigenständige Bedeutung und muss daher bei der Verteilung der Kosten berücksichtigt werden. Die Kammer hält es danach für angemessen, den Antragstellern ¾ und der Antragsgegnerin ¼ der Kosten des Verfahrens aufzubürden.

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(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden. (2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist

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Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

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(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. (2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach de

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Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.

(2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn

1.
eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint;
2.
durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde;
3.
von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll;
4.
die Behörde eine Allgemeinverfügung oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen will;
5.
Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen.

(3) Eine Anhörung unterbleibt, wenn ihr ein zwingendes öffentliches Interesse entgegensteht.

Auf die Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu 1) wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 14. Juli 2017, soweit mit der Beschwerde angegriffen, abgeändert und der Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 13. Februar 2017 auch hinsichtlich Ziffern I und II des Bescheides abgelehnt.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge einschließlich der im Beschwerdeverfahren angefallenen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1) tragen; ihre im erstinstanzlichen Verfahren angefallenen außergerichtlichen Kosten trägt diese Beteiligte selbst. Die übrigen Beigeladenen haben ihre im Verfahren beider Rechtszüge angefallenen außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird, zugleich unter teilweiser Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 14. Juli 2017, für beide Rechtszüge auf jeweils 500.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

A.

1

Die Beteiligten streiten über die vorläufige Vollziehbarkeit eines Bescheides, mit dem die Antragsgegnerin als Landesmedienanstalt die Antragstellerin als Veranstalterin eines privaten Fernsehvollprogramms verpflichtet hat, Sendezeiten für unabhängige Dritte („Drittsendezeiten“) zugunsten der Beigeladenen einzuräumen.

2

Die Verpflichtung zur Einräumung von „Drittsendezeiten“ in der Form von sog. Fensterprogrammen ergibt sich aus den im Rundfunkstaatsvertrag (RStV) enthaltenen gesetzlichen Vorgaben, nach denen die Genehmigung zur Ausstrahlung eines privaten Fernsehvollprogramms unter anderem davon abhängig gemacht wird, dass bestimmte Zeitanteile innerhalb des ausgestrahlten Programms weiteren Veranstaltern (sog. Fensterprogrammveranstalter) eingeräumt werden. Voraussetzung dafür ist, dass der Hauptprogrammveranstalter bei Einleitung des Verfahrens zur Einräumung von Drittsendezeiten im Durchschnitt der letzten zwölf Monate einen Zuschaueranteil von 10 v. H. oder – falls der Hauptprogrammveranstalter einer Sendergruppe angehört – diese Sendergruppe insgesamt einen Zuschaueranteil von 20 v. H. erreicht oder überschritten hat.

3

Bestandteil des Vergabeverfahrens ist darüber hinaus die Feststellung über die Bemessung der auszuschreibenden Sendezeiten für unabhängige Dritte. Der Umfang beträgt nach den Vorgaben des Rundfunkstaatsvertrags grundsätzlich 260 Minuten pro Woche. Er kann allerdings durch die Anrechnung von sog. Regionalfensterprogrammen um maximal 80 Minuten auf dann insgesamt 180 Minuten pro Woche reduziert werden. Eine derartige Anrechnung, die zwischen den Beteiligten nach Grund und Höhe nicht in Streit steht, wurde auch für den diesem Verfahren zugrundeliegenden Zulassungszeitraum vorgenommen.

4

In den vorangegangenen Zulassungszeiträumen waren in den entsprechenden Ausschreibungsverfahren jeweils die Beigeladene zu 1) und eine weitere Anbieterin, die Firma N., von der Antragsgegnerin berechtigt worden, im Hauptprogramm der Antragstellerin Fensterprogramme zu veranstalten. Die Geltungsdauer der letzten Zulassung endete zum 31. Mai 2013.

5

Die durch Bescheid der Antragsgegnerin vom 17. April 2012 erfolgte Zulassung der Beigeladenen zu 1) und der Firma N. als Fensterprogrammveranstalterinnen für den Zeitraum vom 1. Juni 2013 bis 31. Mai 2018 wurde nach der von der Antragstellerin seinerzeit erhobenen Klage durch Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 5. September 2012 (Az. 5 K 417/12.NW) aufgehoben. Auf die Klagen weiterer abgelehnter Mitbewerberinnen hat das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße durch Urteile vom gleichen Tag (Az. 5 K 404/12.NW und 5 K 452/12.NW) die Antragsgegnerin des Weiteren verpflichtet, über die Zulassungsanträge dieser Bewerber unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Mit Eintritt der Rechtskraft dieser Urteile war die von den Beteiligten so bezeichnete „1. Runde“ des Zulassungsverfahrens beendet.

6

Nach Ergehen der vorgenannten Urteile beschloss die Antragsgegnerin seinerzeit, das Auswahl- und Zulassungsverfahren der Drittsendezeiten zur Behebung der vom Verwaltungsgericht aufgezeigten Mängel ohne eine erneute Ausschreibung fortzusetzen („2. Runde“ des Zulassungsverfahrens). Mit Bescheid vom 23. Juli 2013 wurden der Firma N. und der Beigeladenen zu 1) daraufhin Zulassungen zur Veranstaltung von Drittsendezeiten für je zwei Sendezeitschienen erteilt, die Anträge weiterer Mitbewerber abgelehnt und die bestehende Zulassung der Antragstellerin entsprechend beschränkt. Zugleich ordnete die Antragsgegnerin den Sofortvollzug an.

7

Gegen diesen Bescheid hat die Antragstellerin Klage erhoben und zugleich die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung dieser Klage beantragt. Diesem Antrag gab das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße durch Beschluss vom 5. März 2014 (5 L 753/13.NW) hinsichtlich der Firma N. mit der Maßgabe statt, dass ihr eine Übergangszeit bis zum 30. Juni 2014 eingeräumt werde, in der sie auf der Basis der seinerzeit noch bestehenden Finanzierungsvereinbarung mit der Antragstellerin ihre Fensterprogramme ausstrahlen dürfe.

8

Auf die hiergegen von der Antragstellerin, der Antragsgegnerin sowie der Firma N. eingelegten Beschwerden ordnete der Senat durch Beschluss vom 23. Juli 2014 (2 B 10323/14.OVG) die aufschiebende Wirkung der jeweiligen Klagen auch hinsichtlich der Firma N. an. In einem weiteren Beschwerdeverfahren entschied der Senat durch Beschluss vom 8. September 2014 (2 B 10327/14.OVG) gleichfalls zugunsten der dortigen Beschwerdeführerin, einer weiteren Mitbewerberin in dem Vergabeverfahren zur Zulassung als Fensterprogrammveranstalterin.

9

Unmittelbar nach Erhalt der Senatsentscheidungen in diesen Eilverfahren stellte die Antragstellerin noch im September 2014 die Ausstrahlung der überregionalen Fensterprogramme in ihrem Fernsehvollprogramm ein. Dieser Zustand dauert bis zum heutigen Tag an. Die Antragstellerin strahlt seither in ihrem Fernsehprogramm lediglich einige von der Beigeladenen zu 1) hergestellte Sendungen auf privatrechtlicher Grundlage als Auftragsproduktionen aus.

10

Nach Einstellung der überregionalen Fensterprogramme durch die Antragstellerin diskutierte die Versammlung der Antragsgegnerin in ihrer Sitzung vom 8. Dezember 2014 das weitere Vorgehen. Zur möglichst umgehenden Beendigung eines Zustands, in dem trotz der gerichtlicherseits festgestellten Verpflichtung zur Einräumung von Sendezeiten für unabhängige Dritte keine überregionalen Fensterprogramme mehr ausgestrahlt wurden, erörterte die Versammlung auf der Grundlage einer entsprechenden Beschlussempfehlung des Rechts- und Zulassungsausschusses vier verschiedene Möglichkeiten, den nicht rundfunkstaatsvertragskonformen Zustand so zeitnah wie möglich zu beenden (hierzu im Einzelnen: Beschlussvorlagen für die Sitzungen des Rechts- und Zulassungsausschusses am 24. November 2014 und der Versammlung am 8. Dezember 2014, Bl. 3 bis 6 sowie 27 bis 30 der Verwaltungsakte – VA –).

11

Nach intensiver Diskussion der Vor- und Nachteile der sich bietenden Handlungsoptionen, bei der insbesondere auch eine bei Abschluss des Vergabeverfahrens noch verbleibende Restlaufzeit von wenigstens drei Jahren als erforderlich angesehen wurde, beauftragte die Versammlung die Verwaltung, eine Neuausschreibung für den noch laufenden Zulassungszeitraum in die Wege zu leiten. Zugleich sollten die Hauptsacheverfahren vor dem Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße durchführt werden, sofern nicht die Zulassungsbescheide vom 23. Juli 2013 einvernehmlich mit der Firma N. und der Beigeladenen zu 1) zurückgenommen werden könnten (Bl. 34 VA). In der nachfolgenden Sitzung vom 23. Februar 2015 wurde dieser Auftrag zur Herbeiführung einer einvernehmlichen Lösung nochmals bestätigt (Bl. 89 VA).

12

Die aufgrund dieser Aufträge unternommenen Versuche der Verwaltung der Antragsgegnerin, mit den vorgenannten Beteiligten einvernehmlich die nach dem Rundfunkstaatsvertrag für die Gewährleistung der Meinungsvielfalt vorgesehenen Sendezeiten für unabhängige Dritte im Programm der Antragstellerin für den laufenden Zulassungszeitraum zu vergeben, führten bis Sommer 2015 zu keinem Ergebnis, unter anderem, weil die Antragstellerin der Auffassung war, hierzu nicht verpflichtet zu sein und dass vor einer erneuten Vergabe von Sendezeiten für unabhängige Ditte erst der maßgebliche Zuschaueranteil gemäß § 26 Abs. 4 RStV festgestellt werden müsse (s. Schreiben vom 8. Mai 2015, Bl. 308 VA).

13

Während dessen hob das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße seinerzeit im noch anhängigen Hauptsacheverfahren durch Urteile vom 21. April 2015 (Az.: 5 K 695/13.NW, 5 K 749/13.NW und 5 K 752/13.NW) den Zulassungsbescheid der Antragsgegnerin vom 23. Juli 2013 auf. Hiergegen legte weder die Antragsgegnerin noch die Firma N. Rechtsmittel ein. Lediglich die in allen drei Verfahren – wie hier – Beigeladene zu 1) legte Berufung ein (Az.: 2 A 10733/15.OVG, 2 A 10734/15.OVG und 2 A 10821/15.OVG).

14

Im Verlauf der dann folgenden Erörterungsgespräche wies die Antragstellerin stets darauf hin, sie behalte sich rechtliche Schritte gegen das ihrer Auffassung nach zu Unrecht eingeleitete und auch sonst mit Fehlern behaftete Ausschreibungs- und Vergabeverfahren vor. Im Erörterungsverfahren verlangte die Antragstellerin zunächst, die Sendezeiten sämtlich auf den Programmtag Mittwoch in der Zeit von 22:15 bis 00:15 und vom 00:15 bis 01:15 Uhr (sog. Sendezeitschienen) zu legen. Die Antragsgegnerin kam diesem Vorschlag nach.

15

Nachdem sich im Hinblick auf eine Vergabe der Drittsendezeiten für den laufenden Zulassungszeitraum keine Einigung zwischen der Antragstellerin, der Beigeladenen zu 1) und der Firma N. erzielen ließ, verzichtete diese gegenüber der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 13. Oktober 2015 unwiderruflich auf sämtliche Rechte aus ihrer früheren Zulassung als Fensterprogrammveranstalterin. Dies geschehe vor allem, um den Weg für eine zügige Neuausschreibung, Neuauswahl und Neulizenzierung freizumachen, damit im Programm der Antragstellerin wieder Drittsendezeiten aufgenommen werden könnten (Bl. 419 f. VA).

16

Daraufhin und wegen des auch ihrer Auffassung nach feststehenden Scheiterns des Versuchs einer einvernehmlichen Vergabe der restlichen Sendezeiten für unabhängige Dritte im Programm der Antragstellerin für den laufenden Zulassungszeitraum beantragte die Antragsgegnerin durch den stellvertretenden Direktor ihrer Verwaltung mit Schreiben vom 19. Oktober 2015 bei der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich – KEK – gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 RStV die Feststellung der Zuschaueranteile des Fernsehvollprogramms der Antragstellerin sowie der Sendergruppe ProSiebenSat.1 Media SE, der die Antragstellerin angehört. In diesem Schreiben wurde unter anderem darauf hingewiesen, dass eine außergerichtliche Einigung während des noch laufenden Berufungsverfahrens nicht gelungen sei und aktuell auch nicht mehr möglich erscheine. Vorbehaltlich der entsprechenden Entscheidung der Gremien sah deshalb die Verwaltung der Antragsgegnerin den Weg einer Neuausschreibung für fünf Jahre als naheliegend an.

17

Sowohl der Rechts- und Zulassungsausschuss als auch die Versammlung der Antragsgegnerin stimmten in ihren Sitzungen vom 9. November 2015 der von der Verwaltung ins Auge gefassten neuen Ausschreibung zu. Dieses neue Vergabeverfahren solle allerdings nur dann durchgeführt werden, wenn die KEK das Erreichen der maßgeblichen Zuschaueranteile auch positiv festgestellt habe.

18

In ihren Sitzungen vom 10. und 27. November 2015 beschloss die KEK, dass sich unter Zugrundelegung der von der AGF/GfK-Fernsehforschung ermittelten und veröffentlichten Daten über die Zuschaueranteile für die, von der KEK als maßgeblich angesehene, Referenzperiode in der Zeit von Oktober 2014 bis September 2015 für den Hauptprogrammveranstalter („SAT.1“) ein durchschnittlicher Zuschaueranteil in Höhe von 8,08 % und für die Sendergruppe ProSiebenSat.1 Media SE in Höhe von 20,04 % ergebe. Unter Anrechnung der im Hauptprogramm von SAT.1 ausgestrahlten Regionalfensterprogramme betrage der Umfang der danach auszuschreibenden Drittsendezeiten 180 Minuten pro Woche, davon mindestens 75 Minuten in der Sendezeit von 19:00 Uhr bis 23:30 Uhr (KEK 846-1).

19

Mit Schreiben vom 26. November 2015 rückte die Antragstellerin von ihren bisherigen Vorstellungen zu den in der Ausschreibung aufzunehmenden Sendezeitschienen ab. Sie verlangte nunmehr eine Platzierung auf Dienstag, 23:10 Uhr bis 01:15 Uhr sowie Samstag von 19:00 bis 19:55 Uhr (jeweils Programmtage).

20

In ihrer Sitzung vom 16. Januar 2016 kam die Versammlung der Antragsgegnerin auch diesen Sendezeitwünschen der Antragstellerin nach und beschloss die Ausschreibung von Sendezeit für unabhängige Dritte nunmehr so, wie sie anschließend im Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz und auf der Homepage der Antragsgegnerin am 25. Januar 2016 veröffentlicht wurde. Die Bewerbungsfrist lief bis zum 10. März 2016. Der Text der Ausschreibung lautet (auszugsweise):

21

„Die LMK beabsichtigt, jeweils eine Zulassung für folgende drei Sendezeitschienen im bundesweit verbreiteten Programm Sat.1 (Hauptprogramm) zur Verbreitung von Programmen unabhängiger Dritter nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen zu erteilen:

22

1. Sendezeitschiene: Dienstag, 23:10 Uhr bis 00:15 Uhr (65 Minuten

23

2. Sendezeitschiene: Dienstag, 00:15 Uhr bis 01:15 Uhr (60 Minuten)

24

3. Sendezeitschiene: Samstag, 19:00 Uhr bis 19:55 Uhr (55 Minuten).

25

1) Ausschreibung, Auswahlverfahren und Zulassungsentscheidung erfolgen hinsichtlich des Zeitraums bis zum 31. Mai 2018 unter Vorbehalt: Hinsichtlich der letzten durch die LMK mit Laufzeit bis zum 31. Mai 2018 erteilten Zulassungen von Anbietern von Sendezeit für unabhängige Dritte im Programm Sat.1 von Juli 2013 sind Rechtsstreitigkeiten anhängig. Sollten die betreffenden Zulassungen vor der gegenständlichen Auswahlentscheidung rechtskräftig bestätigt werden, sind diese Ausschreibung und ein anschließendes Auswahlverfahren gegenstandslos. Die gegenständlichen Zulassungsentscheidungen werden für die Zeit bis zum 31. Mai 2018 unter den Vorbehalt des zeitweiligen Widerrufs (ganz oder teilweise) für den Fall der rechtskräftigen Bestätigung der früher erteilten Erlaubnisse gestellt. Im Falle des Widerrufs wäre die ggf. aufgenommene Sendetätigkeit bis zum 31. Mai 2018 einzustellen. Eine Entschädigung für Vermögensnachteile wird nicht gewährt.

26

2) […]

27

3) Die Zulassung gilt voraussichtlich ab dem 1. Juli 2016 für die Dauer von fünf Jahren, solange nicht die Zulassung des Hauptprogrammveranstalters endet, nicht verlängert oder nicht neu erteilt wird.

28

4) – 8) […]

29

9) Die Anträge müssen folgende Angaben enthalten:

30

a) – i) […]

31

j): Die Erklärung des Antragstellers, dass er den Antrag in Kenntnis des unter Ziff.1 erklärten und erläuterten Vorbehalts stellt.“

32

Das aus mehreren Teilabschnitten bestehende Auswahlverfahren wurde einvernehmlich mit der Antragstellerin durchgeführt, die ihre Mitwirkung jedoch wiederum in jedem Verfahrensabschnitt ausdrücklich unter Vorbehalt der Rechtmäßigkeit des Verfahrens stellte. Von insgesamt 63 Bewerbern wählte die Antragsgegnerin letztlich die drei Beigeladenen als Fensterprogrammveranstalter aus.

33

Die Auswahlentscheidung wurde durch die Versammlung der Antragsgegnerin am 26. September 2016 beschlossen; zugleich wurde wegen der Eilbedürftigkeit des Vergabeverfahrens der Hauptausschuss der Antragsgegnerin ermächtigt, die Feststellung der Herstellung des Benehmens mit der KEK im Umlaufverfahren treffen zu dürfen.

34

Die KEK entschied mit Beschluss aufgrund der Sitzungen vom 11. und 17. Oktober 2016, dass gegen die von der Antragsgegnerin vorgeschlagene Auswahl der Fensterprogrammveranstalter keine Bedenken aus Gründen der Sicherung der Meinungsvielfalt bestünden. In der Beschlussbegründung bezweifelte die KEK allerdings auch, ob der mit den Fensterprogrammen bezweckte Vielfaltsbeitrag bei den überwiegend auf die Nachtzeit festgelegten Sendezeitschienen erreicht werden könne. Diese Platzierung sei, auch vor dem Hintergrund des Zuschaueranteilsabzugs gemäß § 26 Abs. 2 Satz 3 RStV, der sich nur rechtfertigen ließe, wenn durch die Platzierung der Drittsendezeiten die „mehr als nur theoretische“ Möglichkeit bestehe, einen entsprechend hohen Zuschaueranteil zu erreichen, als ungünstig zu qualifizieren. Überdies befremde es, dass auch die Beigeladene zu 1) für eine Sendezeitschiene ausgewählt worden sei. Diese beliefere die Antragstellerin nämlich bereits seit 1988, mithin schon vor Einführung der Drittsendezeitenregelung als von der Antragstellerin beauftragte Unternehmerin mit Sendungen in deren Hauptprogramm (KEK 846-2).

35

Die Feststellung des damit hergestellten Benehmens erfolgte durch Beschluss des Hauptausschusses der Antragsgegnerin im Umlaufverfahren.

36

In der Sitzung vom 5. Dezember 2016 bestätigte die Versammlung der Antragsgegnerin zunächst die Entscheidung des Hauptausschusses über die Benehmensherstellung zur Auswahl der Bewerber und stellte sodann fest, dass damit die benannten Bewerber ausgewählt seien. Außerdem beschloss die Versammlung vorbehaltlich des Benehmens mit der KEK, dass den Beigeladenen Zulassungen erteilt würden, für die nähere Maßgaben (u. a. der Vorbehalt entsprechend der Ankündigung in der Ausschreibung für die Zeit bis 31. Mai 2018) festgelegt wurden. Anschließend wurden zwischen der Antragstellerin und den Beigeladenen Finanzierungsvereinbarungen abgeschlossen.

37

Nach weiterem Schriftwechsel sowie einem entsprechenden Beschluss des Hauptausschusses der Antragsgegnerin im Umlaufverfahren im Dezember 2016 beschloss die KEK in ihrer 224. Sitzung am 10. Januar 2017 je für die einzelnen Sendezeitschienen, dass gegen die vorgesehenen Zulassungsentscheidungen keine Bedenken aus Gründen der Sicherung der Meinungsvielfalt bestünden (KEK 846-3).

38

Die Feststellung des hergestellten Benehmens durch die KEK durch den Hauptausschuss der Antragsgegnerin und der Auftrag an die Verwaltung, die Zulassungsanträge zu bescheiden, erfolgte wiederum im Umlaufverfahren im Januar 2017.

39

Unmittelbar nach Ergehen des Beschlusses der KEK nahm die Beigeladene zu 1) ihre Berufungen in den noch laufenden Verfahren vor dem Senat (Az. 2 A 10733/15.OVG, 2 A 10734/15.OVG und 2 A 10821/15.OVG) zurück. Die Berufungsverfahren wurden daraufhin mit Beschlüssen des Senats vom 3. Februar 2017 eingestellt. Die Urteile des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 21. April 2015 (Az.: 5 K 695/13.NW, 5 K 749/13.NW und 5 K 752/13.NW), mit denen der Zulassungsbescheid der Antragsgegnerin vom 23. Juli 2013 aufgehoben worden war, wurden mit Zustellung der Einstellungsbeschlüsse des Senats rechtskräftig.

40

Anschließend ergingen am 13. Februar 2017 die den Gegenstand dieses Eilverfahrens bildenden Zulassungsbescheide. Der Lizenzzeitraum wurde, beginnend ab dem 1. März 2017, auf fünf Jahre festgelegt. Den ausgewählten Firmen wurde des Weiteren ein zeitlicher Vorlauf zugestanden, indem sie verpflichtet wurden, den Sendebetrieb bis spätestens 1. Juni 2017 aufzunehmen.

41

Die Versammlung der Antragsgegnerin bestätigte die Entscheidungen des Hauptausschusses, die der Bescheiderteilung vorausgegangen waren, nachträglich in ihrer Sitzung am 13. März 2017.

42

Gegen den Bescheid vom 13. Februar 2017 hat die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße am 14. März 2017 Anfechtungsklage erhoben (5 K 313/17.NW) und mit Schriftsatz vom gleichen Tag den vorliegenden Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gestellt. Zur Begründung hat sie vor allem geltend gemacht, wegen des in späteren Referenzzeiträumen nachhaltig gesunkenen Zuschaueranteils in mehrfacher Hinsicht nicht mehr zur Einräumung von Drittsendezeiten verpflichtet zu sein. Dies ergebe sich zum einen aus den seit Jahren stetig gefallenen Zuschaueranteilen, die in 50 der von ihr herangezogenen 52 Referenzperioden unter den nach dem Rundfunkstaatsvertrag vorausgesetzten Mindestanteilen gelegen hätten. Diese Entwicklung hätte die Antragsgegnerin berücksichtigen müssen. Maßgeblich für die Bestimmung des Zuschaueranteils sei nämlich der Jahreswert, der unmittelbar dem Bescheiderlass (13. Februar 2017) vorausgegangen sei. Selbst wenn dieser Referenzzeitraum abzulehnen wäre, müsste der Jahreswert zugrunde gelegt werden, der neun Monate vor dem Beginn des Lizenzierungszeitraums liege. Hilfsweise sei jedenfalls der durchschnittliche Jahres-Zuschaueranteil maßgeblich, der unmittelbar der Veröffentlichung der Ausschreibung im Staatsanzeiger (25. Januar 2016) vorausgegangen sei. Wenn dies abzulehnen wäre, so müsste der durchschnittliche Jahres-Zuschaueranteil zugrunde gelegt werden, der dem Beschluss der Versammlung der Antragsgegnerin vom 8. Dezember 2015 vorausgegangen sei. Wiederum hilfsweise sei der Zuschaueranteil maßgeblich, der unmittelbar dem, dem angegriffenen Bescheid zugrunde gelegten, Beschluss der KEK vom 27. November 2015 vorausgegangen sei. In sämtlichen dieser Referenzzeiträume hätten die relevanten Zuschaueranteile unter den Schwellenwerten des § 26 Abs. 5 RStV gelegen. Keinesfalls dürfe der Zeitpunkt des Schreibens der Verwaltung der Antragsgegnerin an die KEK vom 19. Oktober 2015 als Verfahrenseinleitung angesehen werden.

43

Die Bestimmung des Zuschaueranteils sei im Übrigen auch in Bezug auf die von ihr in ihrem Programm ausgestrahlten Regionalfensterprogramme rechtswidrig erfolgt. Diese hätten zum einen schon deshalb bei der Bestimmung der Zuschaueranteile herausgerechnet werden müssen, weil sie nicht bundesweit zu empfangen seien. Zum anderen seien diese Regionalfensterprogramme nicht ihrem Programm einzubeziehen, weil sie ihr als Fremdprogramme nicht zuzurechnen seien. Dies gelte selbst in den Ländern, in denen diese Regionalfensterprogramme durch Tochtergesellschaften der Sendergruppe ProSiebenSat1 Media SE ausgestrahlt würden. Denn diese müssten redaktionell von ihr unabhängig sein.

44

Es sei auch zu Unrecht der Durchschnitt der Zuschaueranteile zugrunde gelegt worden. Richtigerweise hätte nach den Sehanteilen (Sehdauer des Programms in Monaten) gewichtet werden müssen.

45

Die Neuausschreibung und Vergabe der Drittsendezeiten an die Beigeladenen sei des Weiteren fehlerhaft während der zum Zeitpunkt der Bescheiderteilung noch bestehenden Zulassung der Beigeladenen zu 1) erfolgt. Die neuen Fensterprogramme seien vom Zuschnitt mit den vorherigen Drittsendezeitschienen insofern nicht kompatibel. Hier sei auch die Sperrwirkung der bis zur Berufungsrücknahme am 7. Februar 2017 noch laufenden Gerichtsverfahren betreffend den Bescheid vom 23. Juli 2013 nicht beachtet worden.

46

Darüber hinaus hält die Antragstellerin den angefochtenen Zulassungsbescheid auch aus zahlreichen anderen Gründen für rechtswidrig. So gründe der Bescheid zur Zulassung der Beigeladenen unter entsprechender Beschränkung ihrer eigenen Zulassung im Hinblick auf bestimmte Verfahrensschritte auf einen Beschluss des funktional hierfür nicht zuständigen Hauptausschusses. Dieser Fehler sei auch nicht durch den Beschluss der Versammlung geheilt worden. Den Verwaltungsvorgängen sei zudem nicht zu entnehmen, ob die Versammlung überhaupt beschlussfähig gewesen sei. Die Verfahrensfehler seien weder unbeachtlich noch könnten sie geheilt werden. Es handele sich vielmehr um „absolute“ Verfahrensfehler, die sie – die Antragstellerin – in ihren Grundrechten beeinträchtigten. Schließlich sei der Sofortvollzug ohne vorherige Anhörung und nicht im Benehmen mit der KEK ergangen sowie rechtsirrig begründet worden. Für die Anordnung des Sofortvollzuges sei im Übrigen nicht die Versammlung, sondern die ZAK (Kommission für Zulassung und Aufsicht) zuständig gewesen.

47

Die Antragsgegnerin hat beantragt, den Antrag abzulehnen. Sie ist den Ausführungen der Antragstellerin im Einzelnen sowie unter Hinweis auf eine Stellungnahme der KEK vom 15. Mai 2017 zur Frage der rechtsgültigen Ermittlung von Zuschaueranteilen für die Festlegung von vielfaltssichernden Maßnahmen nach dem Rundfunkstaatsvertrag entgegengetreten.

48

Die Beigeladenen haben sich im erstinstanzlichen Verfahren weder geäußert noch Anträge gestellt.

49

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin im Hinblick auf die im angefochtenen Bescheid enthaltenen Ablehnungen anderer Bewerber als unzulässig angesehen. Im Übrigen hat die Vorinstanz dem Antrag stattgegeben. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts erweise sich der angefochtene Bescheid bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig. Die Beigeladenen hätten nicht als Fensterprogrammveranstalterinnen zugelassen werden dürfen und die Zulassung der Antragstellerin hätte nicht entsprechend beschränkt werden dürfen, weil das Verfahren nicht im Einklang mit den einschlägigen Vorschriften des Rundfunkstaatsvertrags durchgeführt worden sei. Das Zulassungsverfahren hätte nicht eingeleitet und eine Ausschreibung nicht vorgenommen werden dürfen, solange das Zulassungsverfahren für den Lizenzzeitraum vom 1. Juni 2013 bis 31. Mai 2018, das in der Berufungsinstanz beim Senat anhängig gewesen sei, noch nicht rechtsbeständig beendet worden sei. Die in der Ausschreibung enthaltenen Vorbehalte seien nicht geeignet gewesen, dieses Problem zu beheben. Der in den Zulassungsbescheiden enthaltene Widerrufsvorbehalt sei nicht geeignet gewesen, spätere Zulassungskollisionen zu vermeiden. Die dort formulierten Vorbehalte hätten nicht „funktionieren“ können, weil die gewählte Konstruktion nicht habe sicherstellen können, dass die Zulassungszeiträume sich nicht überschneiden. Außerdem seien die Schwierigkeiten nicht ausreichend berücksichtigt worden, die aus dem unterschiedlichen Zuschnitt der wöchentlichen Sendezeitschienen resultierten. Unabhängig davon habe die Bestimmung der Zuschaueranteile für das neue Zulassungsverfahren nicht auf der richtigen Referenzperiode beruht, so dass die Antragstellerin voraussichtlich nicht zur Bereitstellung von Drittsendezeiten verpflichtet gewesen sei.

50

Gegen diesen Beschluss richten sich die von der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu 1) eingelegten Beschwerden, mit denen sie die Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses und die Ablehnung des Antrags der Antragstellerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage beantragen. Sie sind beide mit unterschiedlicher Begründung der Auffassung, dass das Vergabeverfahren an keinen formellen oder inhaltlichen Fehlern leide.

51

Die Antragstellerin hält dagegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts für zutreffend und tritt den Beschwerden unter weitgehender Bezugnahme auf ihre bereits erstinstanzlich vorgebrachten Einwände sowie mit ergänzenden Ausführungen, die sich vornehmlich auf die Ausführungen der Beschwerdeführerinnen beziehen, entgegen. Sie ist nach wie vor der Auffassung, dass das neue Zulassungsverfahren nicht habe durchgeführt werden dürfen, solange das zu diesem Zeitpunkt noch laufende Berufungsverfahren für den Lizenzzeitraum vom 1. Juni 2013 bis 31. Mai 2018 noch nicht rechtskräftig beendet gewesen sei. Diesen Fehler habe auch die von der Antragsgegnerin gewählte Vorbehaltskonstruktion nicht beheben können. Insofern sei insbesondere der Vortrag der Antragsgegnerin ungeeignet, an den zutreffenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts etwas zu ändern. Es habe vor allem keine regulatorische Notlage vorgelegen; insofern erweise sich die Argumentation der Antragsgegnerin als Zirkelschluss. Die Antragsgegnerin hätte entweder die Rechtskraft eines Urteils über den seinerzeit noch streitbefangenen Zulassungsbescheid vom 23. Juli 2013 abwarten oder diesen Bescheid vollständig widerrufen müssen. Die Vorbehaltskonstruktion hätte sie, die Antragstellerin, vor allem auch wegen der unterschiedlichen Gesamtlaufzeiten in ihren Rechten verletzt. Insoweit habe es auch an einer dialogischen Auseinandersetzung der Antragsgegnerin mit ihren Vorstellungen gefehlt.

52

Darüber hinaus seien bereits die ersten Verfahrensschritte zur Einleitung des Verfahrens und zur Ermittlung des Zuschaueranteils nicht den Vorgaben des Rundfunkstaatsvertrags entsprechend durchgeführt worden. Insbesondere sei nicht auf das Schreiben vom 19. Oktober 2015 abzustellen. Dieses Schreiben könne schon deshalb nicht als Verfahrenseinleitung gewertet werden, weil ein vorheriger Beschluss der Versammlung gefehlt habe. Bei der Einleitung eines neuen Drittsendezeitenverfahrens handele es sich auch nicht um eine bloße Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung. Im Übrigen habe zum damaligen Zeitpunkt noch eine entgegenstehende Beschlusslage der Versammlung bestanden. Das Schreiben vom 19. Oktober 2015 habe deshalb auch unter den Vorbehalt eines möglichen neuen Drittsendezeitenverfahrens gestanden. Dann könne es aber auch nicht als Verfahrenseinleitung gewertet werden. Diese Fehler seien weder unbeachtlich noch hätten sie geheilt werden können.

53

In der nachfolgenden Zeit habe ihr Zuschaueranteil bei richtiger Berechnung stets unter den Schwellenwerten von 10 v. H. beziehungsweise 20 v. H. gelegen. Die Berechnungsweise der KEK sei im Übrigen fehlerhaft. Auch für die Ermittlung des Jahresdurchschnitts sei nicht auf ein arithmetisches Mittel, sondern auf gewichtete Marktanteile abzustellen. Diese Gewichtung müsse anhand der Sehdauer vorgenommen werden. Nur diese Betrachtungsweise entspräche den Vorgaben des Rundfunkstaatsvertrages. Regionalfenster, das Programm „wetter.com TV“ sowie die Online-Aktivitäten der Sendergruppe ProSiebenSat.1 Media SE seien nicht zu berücksichtigen.

54

Unabhängig hiervon erweise sich der angefochtene Bescheid auch aus anderen Gründen als rechtswidrig, auf die das Verwaltungsgericht nicht mehr habe eingehen müssen. So seien selbst bei einem Überschreiten der Schwellenwerte diese nur sechs bis neun Monate vor Beginn des Lizenzierungszeitraums änderungsfest. Dieser Zeitraum sei im vorliegenden Vergabeverfahrens aber überschritten. Der Senat habe in seinen Entscheidungen vom 23. Juli und 8. September 2014 auf einen Zeitraum von neun Monaten abgestellt. Es bestehe kein Grund, etwa wegen der Quantität der Bewerbungen, hiervon abzuweichen. Schützenswerte Interessen von potentiellen Bewerbern stünden dem nicht entgegen. Dies zeige auch das vorliegende Verfahren. Richtigerweise sei für die Bestimmung des Zuschaueranteils ohnehin auf das Datum des Erlasses des Zulassungsbescheides abzustellen.

55

Zuletzt müsse auch eine Interessenabwägung zu ihren Gunsten ausfallen, da sie durch einzuräumende Drittsendezeiten erheblich in ihren verfassungsmäßig gesicherten Grundrechten verletzt würde. Grundrechte potentieller Fensterprogrammveranstalter müssten demgegenüber ebenso zurücktreten wie die Interessen der Allgemeinheit an einer Vielfaltssicherung im privaten Rundfunk.

56

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten sowie die von der Antragsgegnerin und der KEK vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen, die sämtlich Gegenstand der Beratung des Senats waren.

B.

57

Die zulässigen Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu 1) haben auch in der Sache Erfolg.

58

I. Das Verwaltungsgericht hätte den von der Antragstellerin gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alternative 2 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO – gestellten Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 13. Februar 2017 auch hinsichtlich der Ziffern I und II des Bescheides ablehnen müssen. Im Rahmen dieses Eilverfahrens kann schon nicht festgestellt werden, dass der angefochtene Bescheid, wie die Antragstellerin und ihr folgend das Verwaltungsgericht meinen, offensichtlich rechtswidrig ist (1.). Selbst wenn der Ausgang der vor dem Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße erhobenen Klage der Antragstellerin (Az. 5 K 313/17.NW) zu ihren Gunsten als offen anzusehen wäre, so fiele jedenfalls die in diesem rundfunkrechtlichen Eilverfahren dann zu treffende Folgenabwägung zu Lasten der Antragstellerin aus (2.).

59

1. Die in dem angefochtenen Bescheid der Antragsgegnerin unter den Ziffern I und II erfolgten Zulassungen der Beigeladenen als Fensterprogrammveranstalter und die dementsprechende Beschränkung der Zulassung der Antragstellerin vom 26. August 2008 leiden an keinen offensichtlichen formellen Fehlern (a). Sie halten auch inhaltlich der – im Rahmen dieses Eilverfahrens in tatsächlicher Hinsicht nur summarisch möglichen – verwaltungsgerichtlichen Rechtmäßigkeitskontrolle stand. Die Antragsgegnerin hat bei ihrer Feststellung, die Antragstellerin sei zur Einräumung von Drittsendezeiten in ihrem Hauptprogramm verpflichtet, ebenso wie bei der sich daran anschließenden Ausschreibung und Auswahl der Bewerber für die ausgeschriebenen Drittsendezeitlizenzen zu Gunsten der Beigeladenen jedenfalls nicht offensichtlich grundrechtlich oder einfachgesetzlich geschützte Rechte der Antragstellerin verletzt (b).

60

a) Der Bescheid der Antragsgegnerin vom 13. Februar 2017 ist in formeller Hinsicht rechtmäßig. Entgegen der Rechtsauffassung der Antragstellerin waren im gesamten Verfahren bis zum Erlass des Bescheides vom 13. Februar 2017 stets die zuständigen Organe der Antragsgegnerin beteiligt (aa). Der Bescheid ist auch sonst formell fehlerfrei zustande gekommen (bb). Selbst wenn dies anders zu sehen wäre, so wäre ein – insoweit unterstellter – Formalfehler jedenfalls unbeachtlich bzw. geheilt (cc). Der von der Antragsgegnerin gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 1 VwGO angeordnete Sofortvollzug unterliegt gleichfalls keinen rechtlichen Bedenken (dd).

61

aa) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin war der stellvertretende Direktor der Antragsgegnerin befugt, das Verfahren zur Vergabe der Sendezeiten für unabhängige Dritte durch die das Verfahren eröffnende Anfrage bei der KEK einzuleiten. Die Einleitung eines solchen Verfahrens gehört zu den Aufgaben, die der Direktorin der Antragsgegnerin bzw. ihrem Vertreter als einem der handlungsberechtigten Organe nach §§ 39 Satz 1, 44 LMG in Verbindung mit § 3 und § 12 der Hauptsatzung der Landeszentrale für Medien und Kommunikation vom 18. April 2005 (StAnz. S. 612) in der Fassung vom 21. Juni 2010 (StAnz. S. 904) übertragen worden sind. Nach § 12 Abs. 1 der Hauptsatzung ist der Direktor über die sich aus § 44 LMG ergebenden Aufgaben hinaus nämlich für alle Angelegenheiten zuständig, die der Versammlung nicht zugewiesen sind. Ist – wie hier – ein stellvertretender Direktor gewählt, vertritt dieser nach Satz 2 der vorgenannten Vorschrift die Direktorin im Falle der Verhinderung.

62

Das Vorgehen entspricht auch insofern den Vorgaben der Hauptsatzung der Antragsgegnerin, als der Direktorin bzw. ihrem Stellvertreter sämtliche Vertretungen der Antragsgegnerin nach außen obliegen. Bei der Einleitung des Verfahrens handelt es sich entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht um eine Aufgabe, die der Versammlung zugewiesen ist. Die Aufgaben der Versammlung sind vielmehr abschließend in § 42 LMG festgelegt. Die Einleitung eines Verfahrens zur Vergabe von Sendezeiten unabhängiger Dritter lässt sich vor allem nicht § 42 Nr. 9 LMG (Entscheidung über die Erteilung oder die Entziehung von Zulassungen) zuordnen. Bei der Einleitung des – mehrstufig ausgestalteten – Verfahrens zur Vergabe von überregionalen Fensterprogrammen geht es lediglich im letzten Schritt um die Erteilungen der Zulassungen der Fensterprogrammveranstalter bzw. der Einschränkung der Zulassung des Hauptprogrammveranstalters. Die Beauftragung der KEK zur Feststellung der maßgeblichen Zuschaueranteile ist zwar der Beginn dieses Verfahrens. Die bloße Einleitung des Verfahrens im Sinne von § 27 Abs. 1 RStV lässt sich hingegen nicht unter den Tatbestand „Entscheidung über die Erteilung“ von Zulassungen im Sinne des § 42 Nr. 9 LMG fassen. Damit ist vielmehr erkennbar die eigentliche Zulassung, das heißt die Entscheidung über die Vergabe der Lizenz als solche, gemeint.

63

Unabhängig von diesen Erwägungen war der stellvertretende Direktor der Verwaltung der Antragsgegnerin bei realitätsnaher Betrachtungsweise aber ohnehin von der Versammlung bereits durch den Beschluss vom 8. Dezember 2014 (bestätigt durch weiteren Beschluss vom 23. Februar 2015) mit der Einleitung eines – gegebenenfalls auch über den 31. Mai 2018 hinausgehenden – Verfahrens zur Vergabe von Sendezeiten beauftragt worden. Dies folgt aus dem zutreffenden Verständnis der Diskussion der Versammlung in ihrer Sitzung vom 8. Dezember 2014 (Bl. 27 bis 30 VA). In dieser Sitzung wurden die rechtlichen Möglichkeiten erörtert, die sich als Folge der Beschlüsse des Senats vom 23. Juli 2014 und 8. September 2014 ergaben. Nachdem der Rechts- und Zulassungsausschuss in der Beschlussvorlage vom 24. November 2014 mehrere unterschiedliche Möglichkeiten aufgezeigt hatte, um den durch das Verhalten der Antragstellerin mitverursachten, nicht rundfunkstaatsvertragskonformen, Zustand zu beenden (s. im Einzelnen Bl. 3 bis 6 VA), entschied sich die Versammlung für die Einleitung eines neuen Auswahlverfahrens, zunächst nur bis zum Ende der seinerzeit noch mehr als drei Jahre laufenden Zulassungsperiode. Den Mitgliedern der Versammlung ging es jedoch unabhängig hiervon bei allen diskutierten Lösungsmöglichkeiten erkennbar stets um eine rechtssichere sowie – vor allem – auch zeitnahe Vergabe der überregionalen Fensterprogramme.

64

In exakt diesem Sinne handelte der stellvertretende Direktor der Antragsgegnerin, als er wenige Tage nach der Rückgabe der Lizenz durch die Firma N. am 13. Oktober 2017 das Verfahren zur Vergabe der zu diesem Zeitpunkt (immer noch) nicht ausgestrahlten Drittsendezeiten in Gang setzte, ohne einen weiteren Versammlungsbeschluss abzuwarten. Das dem stellvertretenden Direktor der Antragsgegnerin von der Versammlung in dieser Angelegenheit umfassend übertragende Mandat rechtfertigte in Ansehung der zum damaligen Zeitpunkt bereits seit mehr als einem Jahr nicht mehr gesendeten überregionalen Fensterprogramme sein Verhalten. Im Übrigen bestätigte die Versammlung der Antragsgegnerin kurze Zeit später die Handlungsweise des stellvertretenden Direktors der LMK. Die Verfahrenseinleitung erfolgte damit formell rechtswirksam am 19. Oktober 2015.

65

bb) Es liegt des Weiteren – entgegen der Rechtsansicht der Antragstellerin – kein Verfahrensfehler vor, wenn vor der Zulassungsentscheidung die erforderliche Feststellung der Herstellung des Benehmens mit der KEK nicht unmittelbar die Versammlung, sondern zunächst der Hauptausschuss im Umlaufverfahren getroffen hat. Zu dieser Verfahrensweise wurde der Hauptausschuss von der Versammlung nämlich zuvor am 5. Dezember 2016 ausdrücklich ermächtigt (vgl. Bl. 1414 VA). Zwar war die Möglichkeit der Einberufung der Versammlung seinerzeit nicht von vornherein ausgeschlossen, jedoch hat die Antragsgegnerin insofern auf die bestehenden Abstimmungsschwierigkeiten unter den Mitgliedern der Versammlung bei einem kurzfristigen Ansetzen einer ungeplanten Sitzung während des laufenden Jahres hingewiesen. Das ist vor dem Hintergrund des konkreten Verfahrens und der Vielzahl von Terminen der Versammlung gerade in dieser Angelegenheit ohne Weiteres nachvollziehbar, zumal die Mitglieder der Versammlung ihre Tätigkeit ehrenamtlich ausüben (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 der Hauptsatzung). Diese müssen deshalb die Sitzungen stets mit ihren hauptberuflichen Verpflichtungen und bereits zuvor feststehenden Terminen in Übereinstimmung bringen. Die Möglichkeit der sofortigen Einberufung und Durchführung einer außerplanmäßigen Sitzung der Versammlung stand der Verwaltung, die sämtliche Verfahrensschritte einleiten und koordinieren musste, von daher nicht ohne Weiteres zur Verfügung. Der Beschluss des Hauptausschusses stand zudem unter dem Vorbehalt der (dann am 13. März 2017 auch erfolgten) Zustimmung der Versammlung. Spätestens durch diese Bestätigung liegt diese Verfahrenshandlung formgültig vor.

66

Die von der Antragsgegnerin gewählte Verfahrensweise war in der damaligen Situation auch naheliegend, weil aus mehreren Gründen eine Eilbedürftigkeit im Sinne von § 10 Abs. 3 der Geschäftsordnung der Landeszentrale für Medien und Kommunikation vom 18. April 2005 (StAnz. S. 612) in der Fassung vom 20. Juni 2016 (StAnz. S. 675) vorlag. Zum einen wurden zum fraglichen Zeitpunkt aufgrund der Einstellung des Sendebetriebs durch die Antragstellerin seit mehr als zwei Jahren keine überregionalen Fensterprogramme mehr ausgestrahlt, was schon für sich genommen die – sogar rundfunkverfassungsrechtlich begründete – Eilbedürftigkeit hinreichend belegt.

67

Hinzu kommt, dass sich die Antragstellerin bereits in dem Verfahren zur „2. Runde“ (und so auch in diesem Verfahren) stets auf die ihrer Meinung nach bestehende zeitliche „Verfallsdauer“ bei den von der KEK festgestellten Überschreitungen der Schwellenwerte des § 26 Abs. 5 RStV berufen hat. In Anbetracht des zuvor an den Tag gelegten Verhaltens der Antragstellerin durfte die Antragsgegnerin in der „3. Runde“ davon ausgehen, dass in diesem Zulassungsverfahren eine besondere Eile geboten war, um der entsprechenden (dann auch tatsächlich vorgetragenen) Rüge der Antragstellerin vorzubeugen. Schon wegen dieses bekannten, zu erwartenden und letztlich auch eingetretenen Verhaltens der Antragstellerin war die Antragsgegnerin berechtigt, die Feststellung der Herstellung des Benehmens mit der KEK durch ihren Hauptausschuss im Umlaufverfahren zu treffen.

68

bb) Sonstige schwere oder unheilbare Verfahrensfehler sind nicht ersichtlich. Die Antragsgegnerin hat das Zulassungsverfahren für die Vergabe der Sendezeiten für unabhängige Dritte im Hauptprogramm der Antragstellerin in Übereinstimmung mit den hierbei zu beachtenden gesetzlichen Regeln durchgeführt. In diesem Sinne hat sie sich in jeder Phase des Verfahrens nach den Vorstellungen der Antragstellerin gerichtet und sowohl geänderte Forderungen in Bezug auf die Sendezeitschienen als auch die Wünsche in Bezug auf die auszuwählenden Bewerber umgesetzt. Formelle Fehler sind ihr hierbei erkennbar nicht unterlaufen.

69

Dies gilt auch in Bezug auf die von der Antragstellerin in formeller Hinsicht erhobene Rüge der Unzulässigkeit des Verfahrens wegen des Entstehens paralleler Zulassungszeiträume. Eine derartige „Sperrwirkung“ für die am 19. Oktober 2015 erfolgte Verfahrenseinleitung bestand nicht. Inwieweit sich Überschneidungen in den Zulassungszeiträumen auf die Frage der inhaltlichen Einhaltung der Vorgaben des Rundfunkstaatsvertrages bei dem mit der Klage angefochtenen Bescheid der Antragsgegnerin vom 13. Februar 2017 auswirken, ist keine Frage seiner formellen, sondern materiellen Rechtmäßigkeit.

70

Soweit die Antragstellerin die ihrer Ansicht nach nicht vorliegende Beschlussfähigkeit der Versammlung der LMK rügt, ist dem die Antragsgegnerin im Einzelnen unter Vorlage der entsprechenden Anwesenheitslisten (vgl. Bl. 288 bis 299 der Gerichtsakte – GA –) entgegengetreten. Hierauf hat die Antragstellerin bislang nicht substantiiert repliziert.

71

cc) Da, wie vorstehend dargelegt, keine formellen Fehler vorliegen, kommt es weder auf die von der Antragstellerin in ihren Schriftsätzen vom 25. April und 6. Oktober 2017 diskutierte Frage einer Unbeachtlichkeit der von ihr – unzutreffend – gesehenen Formalfehler noch auf die von ihr zugleich erörterte Frage der Zulässigkeit einer Fehlerheilung gemäß § 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz – LVwVG – i. V. m. §§ 45, 46 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG – an. Selbst wenn dies anders zu sehen wäre, so wären die von ihr gerügten Formalfehler jedenfalls unbeachtlich oder aber geheilt. Denn die von der Antragstellerin gerügten Verfahrensmängel sind, ihr Vorhandensein unterstellt, in jedem Fall nicht als „absolute“ Formalfehler anzusehen. Es handelt sich vielmehr um von der Antragstellerin bereits im Zulassungsverfahren aufgeworfene Fragen, die von der Antragsgegnerin – wie ausgeführt – in dem auch vom Senat zugrunde gelegten Sinne beantwortet werden durften.

72

dd) Keinen rechtlichen Bedenken unterliegt die in dem Bescheid vom 13. Februar 2017 unter der Ziffer VI gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO erfolgte besondere Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Zulassung der Beigeladenen als Fensterprogrammveranstalterinnen. Insbesondere ist die Begründung des Sofortvollzuges nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 i. V. m. Abs. 3 Satz 1 VwGO ordnungsgemäß. Die von der Antragstellerin hiergegen erhobenen Einwände (insbesondere in ihrem Schriftsatz vom 25. April 2017, S. 41 ff.) gehen fehl.

73

Die Regelung in § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO normiert eine formelle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit eines Verwaltungsaktes. Die Vollziehungsanordnung ist danach grundsätzlich mit einer gesonderten, auf den konkreten Einzelfall abgestellten und nicht lediglich formelhaften, formblattmäßig oder pauschalen Begründung des öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes zu versehen. Auch reicht die bloße Wiederholung des Gesetzestextes (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 1 VwGO) nicht aus. Notwendig ist vielmehr eine auf die Umstände des konkreten Falles bezogene Darlegung des besonderen Interesses gerade an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts. Insbesondere muss die Vollziehbarkeitsanordnung erkennen lassen, dass sich die Behörde des rechtlichen Ausnahmecharakters der Anordnung bewusst ist. Die Begründung kann durchaus knapp ausfallen; aus ihr muss jedoch hervorgehen, dass und warum die Verwaltung im konkreten Fall dem sofortigen Vollziehbarkeitsinteresse Vorrang vor dem Aufschubinteresse des Betroffenen einräumt (vgl. W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke [Hrsg.], VwGO, 23. Aufl. 2017, § 80 Rn. 84; Windhorst, in: Gärditz [Hrsg.], VwGO, 2013, § 80 Rn. 148; Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier [Hrsg.], VwGO, Loseblattkommentar, Stand Oktober 2016, § 80 Rn. 248).

74

Die von der Behörde nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO vorzunehmende Begründung hat zudem den Zweck, den oder die Betroffenen in die Lage zu versetzen, durch Kenntnis der Gründe, die die Behörde zur Vollziehungsanordnung veranlasst haben, seine bzw. ihre Rechte wirksam wahrzunehmen und die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels abzuschätzen (vgl. W.-R. Schenke, a.a.O., § 80 Rn. 84; Schoch, a.a.O., § 80 Rn. 245). Das Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO gebietet indes nicht, dass die Behörde mit substantiierten tatsächlichen Feststellungen im Einzelnen das besondere Vollzugsinteresse begründet.

75

Das besondere Vollzugsinteresse ist vorliegend in diesem Sinne hinreichend begründet worden. Die Antragsgegnerin hat ausführlich und nicht bloß floskelhaft dargelegt, weshalb sie ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung der Zulassung der Beigeladenen und der Beschränkung der Zulassung der Antragstellerin annimmt. Diese Begründung stellt eine auf den konkreten Fall abstellende, nicht nur formelhafte Begründung dar, ohne dass es darauf ankommt, ob die von ihr angeführten Gründe zutreffen oder die widerstreitenden Interessen inhaltlich ermessens- und oder sachgerecht abgewogen wurden. Letzteres ist eine Frage, die der Senat nachfolgend im Sinne der von ihm selbst zu treffenden Interessenabwägung zu berücksichtigen hat; für die von der Antragstellerin problematisierten Frage der formellen Rechtmäßigkeit der Vollziehungsanordnung ist dies nicht von Belang.

76

Eine vorherige Anhörung gemäß § 1 LVwVfG i. V. m. § 28 Abs. 1 VwVfG war entgegen der Rechtsmeinung der Antragstellerin nicht erforderlich. Die Anordnung des Sofortvollzugs im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 i. V. m. Abs. 3 Satz 1 VwGO ist kein Verwaltungsakt, sondern eine verfahrensrechtliche Nebenentscheidung zum Verwaltungsakt, so dass § 28 Abs. 1 VwVfG insoweit nicht zugrunde zu legen ist (vgl. Puttler, in: Sodan/Ziekow [Hrsg.], VwGO, 4. Aufl. 2014, § 80 Rn. 80; W.-R. Schenke, a.a.O. § 80 Rn. 82; Schoch, a.a.O., § 80 Rn. 258; jeweils m.w.N.). Eine analoge Anwendung von § 28 Abs. 1 VwVfG kommt mangels Vorliegens einer ungeplanten Regelungslücke gleichfalls nicht in Betracht. Unabhängig hiervon wäre der formelle Fehler einer vor Erlass der Vollziehungsanordnung unterbliebenen Anhörung der Antragstellerin im Rechtsbehelfsverfahren jedenfalls gemäß § 1 LVwVG i. V. m. § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG geheilt worden.

77

Um den Sofortvollzug des Bescheides vom 13. Februar 2017 anzuordnen, war auch kein Benehmen mit der KEK herzustellen. Das Benehmenserfordernis nach § 36 Abs. 5 Satz 2 RStV bezieht sich nur auf den materiell-rechtlichen Inhalt der Auswahlentscheidung und der nachfolgenden Zulassung, nicht auf deren verfahrensmäßige Umsetzung im Einzelnen. Die entgegenstehende Rechtsansicht der Antragstellerin ist im Übrigen mit dem Eilbedürfnis, das jeder Anordnung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO immanent ist, nicht vereinbar.

78

b) Der danach in formeller Hinsicht rechtsfehlerfrei zustande gekommene Bescheid der Antragsgegnerin vom 13. Februar 2017 hält auch in der Sache mit dem in einem summarischen Verfahren allein zugrunde zu legenden Sachverhalt, das heißt nach Aktenlage unter Berücksichtigung des – gegebenenfalls glaubhaft gemachten – Vorbringens der Beteiligten, einer rechtlichen Überprüfung stand. Die Antragsgegnerin hat mit ihrer Feststellung, die Antragstellerin sei zur Einräumung von Drittsendezeiten in ihrem Hauptprogramm verpflichtet, ebenso wie bei der sich daran anschließenden Auswahlentscheidung für die Vergabe der Drittsendezeitlizenzen zu Gunsten der Beigeladenen den in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz – GG –, Art. 10 Abs. 1 Satz 3 Verfassung für Rheinland-Pfalz – LV – niedergelegten Grundsatz der Rundfunkfreiheit jedenfalls nicht offensichtlich zu Lasten der Antragstellerin verletzt; weitere grundgesetzlich geschützte Interessen der Antragstellerin sind ebenso offensichtlich nicht betroffen.

79

aa) Die Verpflichtung privater Rundfunkveranstalter zur Einräumung von Sendezeit für unabhängige Dritte gemäß § 26 Abs. 5 des Rundfunkstaatsvertrags vom 31. August 1991 (GVBl. 1991 S. 369) in der Fassung des 18. Rundfunkänderungsstaatsvertrages vom 9. September 2015 (GVBl. 2015 S. 410) ist Ausfluss der Gewährleistung der Rundfunkfreiheit in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 10 Abs. 1 Satz 3 LV. Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass Rundfunk nicht nur Übermittler, sondern auch (Mit-)Gestalter im permanenten Prozess der öffentlichen Meinungs- und Willensbildung ist und dass gerade dem Fernsehen aufgrund seiner Breitenwirkung, seiner Aktualität, des von ihm vermittelten Anscheins der Authentizität und des Miterlebens sowie seiner bequemen Verfügbarkeit besondere, wenn nicht herausragende Bedeutung für die Deckung des Informationsbedarfs der Bevölkerung zukommt. Der Rundfunk, insbesondere das Fernsehen, ist auch heute noch eines der mächtigsten Kommunikationsmittel und Massenmedien (vgl. auch VerfGH RP, Urteil vom 13. Mai 2014 – VGH B 35/12 –, AS 42, 258 [288 f.]), das wegen seiner weitreichenden Wirkungen und Möglichkeiten sowie der Gefahr des Missbrauchs zum Zwecke einseitiger Einflussnahme auf die öffentliche Meinung nicht dem freien Spiel der Kräfte überlassen werden darf.

80

Wie das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung ausführt, ist die Rundfunkfreiheit im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG; Art. 10 Abs. 1 Satz 3 LV eine dienende Freiheit. Sie dient der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung, und zwar in einem umfassenden, nicht auf bloße Berichterstattung oder die Vermittlung politischer Meinungen beschränkten Sinn. Freie Meinungsbildung vollzieht sich in einem Prozess der Kommunikation. Sie setzt auf der einen Seite die Freiheit voraus, Meinungen zu äußern und zu verbreiten, auf der anderen Seite die Freiheit, geäußerte Meinungen zur Kenntnis zu nehmen, sich zu informieren. Indem Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 LV Meinungsäußerungs-, Meinungsverbreitungs- und Informationsfreiheit als Grundrechte gewährleistet, sucht er zugleich diesen Prozess verfassungsrechtlich zu schützen. Der Rundfunk ist Medium und Faktor des verfassungsrechtlich geschützten Prozesses, in dem sich die Meinungsbildung vollzieht. Angesichts seiner herausragenden kommunikativen Bedeutung wird freie Meinungsbildung nur in dem Maß gelingen, wie der Rundfunk seinerseits frei, umfassend und wahrheitsgemäß informiert. Unter den Bedingungen der modernen Massenkommunikation bildet daher der grundrechtliche Schutz der Vermittlungsfunktion des Rundfunks eine unerlässliche Voraussetzung der Erreichung des Normziels von Art. 5 Abs. 1 GG bzw. Art. 10 Abs. 1 LV (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 16. Juni 1981 – 1 BvL 89/78 –, BVerfGE 57, 295 [319]; und vom 26. Oktober 2005 – 1 BvR 396/98 –, BVerfGE 114, 371 [387]).

81

Aus der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Rundfunkfreiheit folgt daher nicht nur ein Abwehrrecht des Rundfunkveranstalters, sondern zugleich die Pflicht des Gesetzgebers zu deren gesetzlicher Ausgestaltung. Meinungsbildung vollzieht sich insoweit in einem Prozess der Kommunikation, der gleichermaßen die Freiheit zur Meinungsäußerung und -verbreitung wie auch die Freiheit voraussetzt, geäußerte Meinungen zur Kenntnis zu nehmen und sich zu informieren.

82

Die Rundfunkfreiheit ist dergestalt eine der Freiheit der Meinungsbildung dienende Freiheit: Sie bildet unter den Bedingungen der modernen Massenkommunikation eine notwendige Ergänzung und Verstärkung der Meinungsfreiheit und dient der Aufgabe, freie und umfassende Meinungsbildung durch den Rundfunk zu gewährleisten. Die grundrechtliche Gewährleistung einer bloßen Staatsfreiheit allein ermöglicht keine freie und umfassende Meinungsbildung durch den Rundfunk. Hierzu bedarf es vielmehr einer positiven Ordnung, die sicherstellt, dass die Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk in möglichster Breite und Vollständigkeit Ausdruck findet und dass auf diese Weise eine umfassende Information geboten wird. Hierbei hat der Gesetzgeber nicht bloß dafür Sorge zu tragen, dass dieses maßgebliche Instrument der Meinungsbildung nicht dem Staat, sondern auch, dass es nicht einer oder einzelnen gesellschaftlichen Gruppe überlassen wird, dass die in Betracht kommenden gesellschaftlichen Kräfte im Gesamtprogramm zu Wort kommen und dass die Freiheit der Berichterstattung unangetastet bleibt. Dem dienenden Charakter der Rundfunkfreiheit würde ein Verständnis von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 10 Abs. 1 Satz 3 LV, das sich in der Abwehr staatlicher Einflussnahme erschöpfte und den Rundfunk im Übrigen den gesellschaftlichen Kräften überließe, nicht gerecht. Zwar entfaltet das Grundrecht der Rundfunkfreiheit seinen Schutz auch und zuerst gegenüber dem Staat. Daneben bedarf es jedoch einer positiven Ordnung, die sicherstellt, dass der Rundfunk ebenso wenig wie dem Staat einzelnen gesellschaftlichen Gruppen ausgeliefert wird, sondern die Vielfalt der Themen und Meinungen aufnimmt und wiedergibt, die in der Gesellschaft insgesamt eine Rolle spielen. Zu diesem Zweck sind materielle, organisatorische und prozedurale Regelungen notwendig, die an der Aufgabe der Rundfunkfreiheit orientiert und geeignet sind zu bewirken, was Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 LV in seiner Gesamtheit gewährleisten will. Wie diese Ordnung im Einzelnen ausgestaltet wird, ist Sache der gesetzgeberischen Entscheidung. Das Grundgesetz schreibt weder ein bestimmtes Modell vor noch zwingt es zu konsistenter Verwirklichung des einmal gewählten Modells. Von verfassungs wegen kommt es vielmehr allein auf die Gewährleistung freier und umfassender Berichterstattung an (vgl. BVerfG, Urteil vom 5. Februar 1991 – 1 BvF 1/85 –, BVerfGE 83, 238 [316] m.w.N.)

83

Dem steht nicht entgegen, dass das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 20. Februar 1998 (1 BvR 661/94, BVerfGE 97, 298 ff.) auch ein Grundrecht der Veranstalter auf Rundfunkfreiheit anerkennt. Denn das Bundesverfassungsgericht hat unabhängig davon auch in jüngeren Entscheidungen den „dienenden Charakter“ der Rundfunkfreiheit mehrfach bestätigt (so etwa im Urteil vom 11. September 2007 – 1 BvR 2270/05 –, BVerfGE 119, 181 [214]).

84

Die Verpflichtung der Veranstalter von Fernsehvollprogrammen, bei einem Erreichen von bestimmten Zuschaueranteilen gemäß § 26 Abs. 5 RStV binnen sechs Monaten nach Feststellung und Mitteilung durch die zuständige Landesmedienanstalt Sendezeit für unabhängige Dritte nach Maßgabe von § 31 RStV einzuräumen, ist damit Bestandteil und Ausfluss der Gewährleistung der Rundfunkfreiheit in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 10 Abs. 1 Satz 3 LV (vgl. Trute, in: Hahn/Vesting [Hrsg.], RStV-Kommentar, 3. Auflage 2012, § 26 Rn. 80).

85

Die vorgenannten verfassungsrechtlichen Vorgaben prägen das Rundfunkrecht insgesamt und sind daher auch dort maßgebend und maßstabbildend, wo der Gesetzgeber – dem Handlungsauftrag der objektiven Rundfunkfreiheit folgend – einfachrechtliche Maßnahmen zur Gewährleistung der Meinungsvielfalt trifft. Wo dies, wie in § 26 Abs. 5, § 31 RStV, durch die Verpflichtung des Hauptprogrammveranstalters erfolgt, bei Überschreiten eines bestimmten Marktanteils Sendezeit für unabhängige Dritte einzuräumen, eröffnen Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 10 Abs. 1 Satz 3 LV insoweit ein dreifaches Spannungsfeld, als die Rundfunkfreiheit sowohl in ihrer objektiv-rechtlichen Ausprägung zugunsten aufsichtsrechtlicher Maßnahmen als auch subjektiv-rechtlich (zugunsten des Hauptprogramm- und des überregionalen Fensterprogrammveranstalters) streitet bzw. streiten kann. Diese einander oftmals widerstreitenden verfassungsrechtlichen Positionen sind nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz schon auf der Ebene des einfachen Rechts einander so zuzuordnen und dergestalt zum Ausgleich zu bringen, dass sie jeweils möglichst weitgehend wirksam werden (vgl. zum Vorstehenden: OVG RP, Beschlüsse vom 23. Juli 2014 – 2 B 10323/14.OVG –, ZUM-RD 2015, 35; und vom 22. Juni 2017 – 2 A 10449/16.OVG –; juris).

86

Danach besteht für die Antragstellerin nur in diesem Rahmen eine grundgesetzlich geschützte Position im Hinblick auf freie und ungeschmälerte Ausübung der wirtschaftlichen Betätigung als Veranstalterin eines privaten Fernsehvollprogramms. Dieses Recht steht ihr mit anderen Worten nur insoweit zu, wie die Vorgaben des Rundfunkstaatsvertrages dieses Grundrecht gestalten. Und darüber hinaus ist in den Blick zu nehmen, dass sich ausgewählte Fensterprogrammveranstalter (in dem ihnen durch eine Vergabeentscheidung eingeräumten Umfang) gleichfalls auf die Rundfunkfreiheit berufen können.

87

Voraussetzung für eine nach den vorstehend dargestellten Grundsätzen verfassungsrechtlich in zulässiger Weise erfolgende Einschränkung des Rechts der Hauptprogrammveranstalterin im Sinne der Gewährleistung einer „objektiven Rundfunkfreiheit“ ist allerdings, dass die für die rundfunkrechtlichen Zulassungen zuständige Aufsichtsbehörde (hier: die Antragsgegnerin als zuständige Landesmedienanstalt) die verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen Vorgaben im Anwendungsfall in jedem einzelnen Fall vollständig beachtet. Das ist bei dem hier zur summarischen Überprüfung gestellten Verfahren zur Einräumung von Sendezeit für unabhängige Dritte nach Maßgabe von § 31 RStV aber offensichtlich der Fall gewesen.

88

bb) Entgegen der Meinung der Antragstellerin wurde das Vergabeverfahren am 19. Oktober 2015 mit der schriftlichen Aufforderung der Verwaltung der Antragsgegnerin an die KEK, die nach § 27 Abs. 1 RStV maßgeblichen Zuschaueranteile festzustellen, rechtswirksam eingeleitet. Nur dieser Zeitpunkt ist nach dem eindeutigen und keiner anderen Auslegung zugänglichen Wortlaut der hierfür allein heranziehbaren Regelung des § 27 Abs. 1 Satz 2 RStV maßgeblich. Danach ist für die Feststellung des Vorliegens einer Verpflichtung zu Ausstrahlung von überregionalen Fensterprogrammen allein die Bestimmung des „bei Einleitung“ des Verfahrens im Durchschnitt der letzten zwölf Monate erreichten Zuschaueranteiles maßgeblich. Weder kommt es auf die spätere Beschlussfassung der Versammlung, noch auf den Zeitpunkt der Ausschreibung im Staatsanzeiger noch auf die Bekanntgabe der Drittsendezeitzulassungen an die Beteiligten noch auf sonstige spätere Zeitpunkte an. Denn bei sämtlichen der vorgenannten, von der Antragstellerin auch noch in ihrem letzten Schriftsatz vom 6. Oktober 2017 als maßgeblich bezeichneten, Zeitpunkte handelt es sich um (weitere) Handlungen innerhalb des – dann aber bereits eingeleiteten – Vergabeverfahrens. Insbesondere ein Abstellen auf den Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 13. Februar 2017 ist weder mit dem Wortlaut noch mit Sinn und Zweck der zu berücksichtigenden rundfunkrechtlichen Regelungen vereinbar.

89

Die rechtliche Fixierung auf den Anfangszeitpunkt des Vergabeverfahrens hat der Senat im Übrigen bereits in seinen den Beteiligten bekannten Beschlüssen vom 23. Juli und 8. September 2014 (2 B 10323/14.OVG und 2 B 10327/14.OVG) im Einzelnen dargelegt. Hieran wird auch unter Berücksichtigung der im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Argumente der Antragstellerin (Schriftsatz vom 6. Oktober 2017, S. 16 ff.) festgehalten.

90

Soweit der Senat in diesen Entscheidungen auch den – regelmäßig späteren Zeitpunkt – der Ausschreibung der Sendezeiten für unabhängige Dritte im Staatsanzeiger als einen denkbaren Anknüpfungszeitpunkt für die Bestimmung der Zuschaueranteile angesehen hat, wird dem nicht weiter nachgegangen. Im Interesse der Rechtsklarheit – vor allem auch für künftige Fälle – wird nunmehr allein der Zeitpunkt des von der Landesmedienanstalt erstmals „nach außen“ dokumentierten Willens, die konzentrationsrechtliche Maßnahme der Drittsendezeiten mit der Beauftragung zur Feststellung der Zuschaueranteile einzuleiten, als maßgeblich angesehen. Diese Sichtweise entspricht nicht zuletzt der von der KEK ganz offensichtlich in ständiger Verwaltungspraxis bei allen Hauptprogrammveranstaltern einheitlich erfolgten Handhabung (vgl. hierzu die Ausführungen der KEK in ihrer Stellungnahme vom 15. Mai 2017, Anlage zum Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 23. Mai 2017, Bl. 269 ff. GA). Sie ist auch sachgerecht, finden doch bis zur Ausschreibung der Sendezeiten im Staatsanzeiger bereits mehrere Verfahrenshandlungen und sogar Erörterungen mit dem Hauptprogrammveranstalter statt. Den rechtlich mit erheblichen Konsequenzen versehenen Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung fiktiv auf einem Zeitpunkt zu verlegen, in dem bereits zuvor mehrere, für die spätere Vergabeentscheidung mitbestimmende (vgl. OVG RP, Beschluss vom 23. Juli 2014 – 2 B 10323/14.OVG –, Beschlussabdruck S. 28 ff.) Verfahrensschritte durchgeführt worden sind, ist nicht nur denkgesetzlich schwer zu begründen. Eine solche Rechtsansicht führt bei einer dann sich zu diesem Zeitpunkt ggf. ergebenden Unterschreitung der Schwellenwerte des § 26 Abs. 5 RStV zu einer überflüssigen Inanspruchnahme der Ressourcen der Landesmedienanstalten. Dies belegt nicht zuletzt dieses Vergabeverfahren, das bis zur Ausschreibung im Staatsanzeiger bereits mehrere Monate in Anspruch nahm und schon in diesem Verfahrensstadium durch zahlreiche Erörterungen und Gespräche mit der Antragstellerin geprägt war.

91

Das Abstellen auf einen späteren Zeitpunkt mag aus Sicht des Hauptprogrammveranstalters wünschenswert sein, wie es die Antragstellerin unter Berufung auf verschiedene Literaturmeinungen (Schriftsatz vom 25. April 2017, S. 11) vertritt. De lege lata widerspricht dies jedoch dem von den Verfassern des Rundfunkstaatsvertrages eindeutig und klar zum Ausdruck gebrachten Willen. Wenn in § 27 Abs. 1 RStV von der „Einleitung“ des Verfahrens die Rede ist, so soll dadurch erkennbar auf denfrühesten in einem Vergabeverfahren möglichen Zeitpunkt abgestellt werden. Jede andere Sichtweise hielte sich nicht mehr an die – nicht überschreitbare – Grenze einer Wortlautauslegung. Dieser frühe Zeitpunkt kann nur im Herantreten einer Landesmedienanstalt an die KEK, mit dem erstmals der Beginn des Verfahrens der Vergabe von Sendezeiten an unabhängige Dritte dokumentiert wird, gesehen werden. Auch kann nur dieser Zeitpunkt von der KEK als zuständiges Organ der Landesmedienanstalten für den Beginn des nach § 27 Abs. 1 RStV zwölf Monate umfassenden Referenzzeitraumes berücksichtigt werden.

92

Eine „Ausschreibung unter Vorbehalt“, wie ihn die Antragstellerin in dem hier zu beurteilenden Vergabeverfahren zu erkennen meint, ändert an diesem Ergebnis nichts. Zum einen ist schon nicht erkennbar, unter welchem rechtlichen Gesichtspunkt sich an der – auch im Vorbehaltsfall bereits erfolgten – „Einleitung“ des Verfahrens etwas ändern sollte, wenn das Vergabeverfahren von im weiteren Verlauf zu erfüllenden oder festzustellenden zusätzlichen Voraussetzungen abhängig gemacht wird. Jedenfalls ändert sich für die den Zuschaueranteil ermittelnde KEK an ihrem Feststellungsauftrag und damit zugleich an der nach „außen“ rechtswirksamen Verfahrenseinleitung durch einen Vorbehalt der Landesmedienanstalt, die insofern immer auch weitere Voraussetzungen bei der Vergabe von Drittsendezeiten zu beachten hat, nichts. Der Gefahr einer nur punktuellen Bestimmung der maßgeblichen Zuschaueranteile wird im Interesse der Hauptprogrammveranstalter durch den Jahreszeitraum, innerhalb dessen die durchschnittlichen Schwellenwerte erreicht werden müssen, entgegengewirkt.

93

Wie der Senat in seinen vorgenannten Beschlüssen vom 23. Juli und 8. September 2014 allerdings auch ausgeführt hat, ist nicht jede zu einem beliebigen Zeitpunkt vorgenommene Einleitung des Vergabeverfahrens durch die Landesmedienanstalt rechtmäßig. Um einem Missbrauch vorzubeugen, steht die mit der Verfahrenseinleitung verbundene Bestimmung des Anfangspunktes des Referenzzeitraumes in einem gebundenen, das heißt vor allem auf missbräuchliche Verwendung zu überprüfenden, Ermessen der Antragsgegnerin.

94

Eine derartige Ermessensentscheidung ist in einem rundfunkrechtlichen Eilverfahren gerichtlich nur daraufhin zu überprüfen, ob die Landesmedienanstalt die Grenzen des ihr eingeräumten Beurteilungsspielraums eingehalten oder überschritten hat. Die Verwaltungsgerichte haben dabei nachzuprüfen, ob die Behörde die gültigen Verfahrensbestimmungen eingehalten hat, von einem richtigen Verständnis des anzuwendenden Gesetzesbegriffs ausgegangen ist, den erheblichen Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt hat und sich bei der eigentlichen Beurteilung an allgemein gültige Wertungsmaßstäbe gehalten, insbesondere rundfunkrechtliche Grundsätze (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 10 Abs. 1 Satz 3 LV) und das Willkürverbot (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 77 Abs. 2 LV) nicht verletzt hat. Nach allen in diesem Eilverfahren vom Senat zu berücksichtigenden Erkenntnissen hat die Antragsgegnerin ihr Ermessen vorliegend in diesem Sinne ermessensfehlerfrei ausgeübt.

95

Maßgeblich für diese Einschätzung ist die im Einleitungszeitpunkt aufgrund der vorangegangenen Eilbeschlüsse des Senats und dem anschließenden Verhalten der Antragstellerin vorliegende – atypische – Situation bei der Feststellung der Verpflichtung der Ausschreibung und Zulassung von Sendezeiten für unabhängige Dritte. Die Ausschreibung der überregionalen Fensterprograme musste nämlich nicht wegen des, sich regelmäßig verlässlich vorhersehbaren, Endes eines vorangehenden Zulassungszeitraums erfolgen, sondern weil nach der Einstellung der überregionalen Fensterprogramme durch die Antragstellerin im September 2014 unvermittelt eine mit dem Rundfunkstaatsvertrag nicht konforme Situation eintrat. In einer solchen atypischen Situation kommt es für die Frage der rechtmäßigen Einleitung eines neuen Zulassungsverfahrens für Veranstalter von überregionalen Fensterprogrammen weder auf einen neun Monate umfassenden Zeitraum, wie ihn der Senat in den vorgenannten Eilbeschlüssen als „Normalfall“ angesehen hat, an noch sind spätere Zeitpunkte heranzuziehen. Entscheidend und verfassungsrechtlich geboten war allein, den ab September 2014 eingetretenen rundfunkstaatsvertragswidrigen Zustand so schnell und rechtssicher wie möglich zu beenden. Diesen Anforderungen wird das von der Antragsgegnerin nach Ergehen der Eilbeschlüsse des Senats vom 23. Juli und 8. September 2014 von Anfang konsensual ausgerichtete Vergabeverfahren gerecht. Hierzu sind folgende Bemerkungen veranlasst:

96

Vom Ergehen der Eilbeschlüsse des Senats im Juli und September 2014 bis etwa Ende Juli 2015 hat sich die Antragsgegnerin zunächst über mehrere Monate intensiv bemüht, mit der Antragstellerin und den ursprünglich ausgewählten Fensterprogrammanbietern, der Firma N. sowie der Beigeladenen zu 1), eine einvernehmliche Regelung zur Drittsendezeitenvergabe zu erzielen. Nachdem dies im Sommer 2015 von der Antragsgegnerin – zu Recht – als gescheitert angesehen werden musste, verdichtete sich zu diesem Zeitpunkt erstmals die Annahme zur Gewissheit, dass die Antragstellerin trotz der vom Senat unzweideutig festgestellten Verpflichtung zur Einräumung von Drittsendezeiten die Vergabe eines Fensterprogrammanteils an die frühere Lizenzinhaberin N. nicht akzeptieren werde. Da diese aber durch den früheren Bescheid zum damaligen Zeitpunkt ausgewählt war, konnte eine zügige und rechtssichere Vergabe eines Fensterprogramms an eine andere Bewerberin erstmals zu dem Zeitpunkt ins Auge gefasst werden, indem diese Fensterprogrammanbieterin rechtsverbindlich auf ihre Rechte aus dem Bescheid vom 23. Juli 2013 verzichten würde.

97

Diese Situation trat am 13. Oktober 2015 ein, als die Firma N., und zwar ausdrücklich auch, um „den Weg für eine zügige Neuausschreibung, Neuauswahl und Neulizenzierung freizumachen, damit im Programm der Antragstellerin wieder Drittsendezeiten aufgenommen werden“ könnten, unwiderruflich auf ihre früheren Rechte aus dem vorgenannten Bescheid verzichtete. Seit der Einstellung der überregionalen Fensterprogramme durch die Antragstellerin sah sich die Antragsgegnerin jetzt erstmals wieder in der Lage, ein rechtssicheres neues Auswahlverfahren einzuleiten.

98

Mit der Rückgabe der Lizenz durch die Fa. N. stand aber zugleich fest, dass die ursprüngliche Vergabe der Fensterprogrammzulassungen für den Zeitraum vom 1. April 2013 bis 31. Mai 2018 schon mangels eines Veranstalters für die damalige 1. und 2. Sendezeitschiene in der ursprünglichen Ausgestaltung, das heißt mit allen ursprünglich ausgewählten Fensterprogrammanbietern, schon in tatsächlicher Hinsicht nicht mehr durchführbar war. Zumindest eine Teilausschreibung der Drittsendezeiten wäre damit notwendig geworden. Da sich die Beigeladene zu 1) gleichfalls auf die neu auszuschreibenden Sendezeitschienen bewerben konnte und auch beworben hat, konnte diese demgegenüber – ungeachtet der laufenden Berufungsverfahren gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 21. April 2015 (5 K 752/13.NW) – ihre Bewerberrechte wahren und in das neue Vergabeverfahren einbezogen werden.

99

Wenn die Verwaltung der Antragsgegnerin in dieser Situation – entsprechend dem ihr von der Versammlung bereits am 8. Dezember 2014 erteilten Auftrag – nur wenige Tage später, nämlich am 19. Oktober 2015, die KEK verbindlich mit der Ermittlung der maßgeblichen Zuschaueranteile beauftragte, so hat die Antragsgegnerin durch ihr in zuständiger Weise handelndes Organ (dem stellvertretenden Direktor der LMK) das ihr zustehende Ermessen zur zeitnahen Behebung des seit der Einstellung der überregionalen Fensterprogramme durch die Antragstellerin verfassungsrechtlich nicht zulässigen Zustands in jeder Hinsicht rundfunkstaatsvertragskonform ausgeübt.

100

Dieses Schreiben ist der Antragsgegnerin, weil vom Beschluss der Versammlung vom 8. Dezember 2014 bei zutreffender Lesart umfasst, auch zuzurechnen. Der anschließend gefasste Beschluss der Versammlung der Antragsgegnerin vom 9. November 2015 hat die – zu diesem Zeitpunkt dann aber bereits vollzogene – Verfahrenseinleitung dementsprechend nur noch behördenintern bestätigt.

101

Hinzu kommt ein Weiteres: Der einen Monat später erfolgte Beschluss der Versammlung ändert auch deshalb an der – auch nach außen – wirksamen Verfahrenseinleitung nichts, weil die Versammlung nach dem enumerativen Aufgabenkatalog des § 42 LMG für eine Verfahrenseinleitung schon nicht zuständig gewesen wäre. Die Aufgabe der Versammlung ist es insoweit lediglich, die behördeninterne Willensbildung abzuschließen. Die Entscheidung, trotz des noch laufenden Berufungsverfahrens in Bezug auf die „2. Runde“ ein neues Zulassungsverfahren einzuleiten, um den seit Mitte September 2014 bestehenden rundfunkstaatsvertragswidrigen Zustand zu beenden, erfolgte jedoch bereits zuvor durch das Schreiben des stellvertretenden Direktors der LMK vom 19. Oktober 2015.

102

In diesem Schreiben hat die Antragsgegnerin eine Feststellung der Zuschaueranteile auch eindeutig im Zusammenhang mit einer neuen Ausschreibung der Drittsendezeiten für den Hauptprogrammveranstalter für einen Zeitraum von fünf Jahren erbeten. Dies stellte sowohl gegenüber der KEK als auch gegenüber der Antragstellerin und den sonst Betroffenen die maßgebliche Verfahrenseinleitung im Sinne der rundfunkrechtlichen Vorschriften dar. Wenn die KEK auf der Grundlage der schriftlichen Verfahrenseinleitung den maßgeblichen Referenzzeitraum der letzten zwölf Monate auf den Zeitraum von Oktober 2014 bis September 2015 festgelegt hat, so ist dies aus Rechtsgründen nach alledem nicht zu beanstanden.

103

cc) Des Weiteren ist der mit Beschluss der KEK in den Sitzungen vom 10. und 27. November 2015 ermittelte Marktanteil der Sendergruppe der Antragstellerin (ProSiebenSat1) nach den Erkenntnismitteln das summarischen Eilverfahrens zutreffend mit einem Zuschaueranteil von 20,04 % aller deutschsprachigen Programme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und des bundesweit empfangbaren privaten Rundfunks festgestellt worden.

104

aaa) Dies gilt insbesondere für die von der KEK in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Senats zugrunde gelegte Berechnungsmethode. Diese steht offensichtlich mit den Vorgaben des Rundfunkstaatsvertrags in Einklang. Maßgeblich ist nach § 27 Abs. 1 Satz 2 RStV der im Durchschnitt der letzten zwölf Monate erreichte Zuschaueranteil der für die Hauptprogrammveranstalterin einzubeziehenden Programme. Der „Durchschnitt“ ist dabei aus dem Quotienten der Summe der monatlichen Zuschaueranteile und der Anzahl der einzubeziehenden (zwölf) Monate zu bilden. Dieser Vorgabe entsprechend hat die KEK für die Ermittlung des maßgeblichen Zuschaueranteils die von der AGF/GfK-Fernsehforschung für die Monate Oktober 2014 bis September 2015 ausgewiesenen jeweils einzeln gewichteten Marktanteilsdaten für das Programm Sat1 sowie die der ProSiebenSat1 Media SE zurechenbaren Programme mit zwölf Nachkommastellen errechnet und die so ermittelten Werte sodann durch die Anzahl der betrachteten zwölf Monate geteilt. Nur diese Berechnungsmethode ergibt den Zwölf-Monats-Durchschnitt.

105

Demgegenüber widerspricht eine auf den Zwölf-Monats-Zeitraum vorgenommene Berechnung nach der von der Antragstellerin gewählten Formel unter Einbeziehung von gewichteten „Sehdauern“ schon dem Wortlaut des Rundfunkstaatsvertrages. Die Antragstellerin bildet zudem keinen Durchschnitt, sondern addiert die Ergebnisse für alle Monate des Referenzzeitraums aus der Rechnung „Marktanteil (AGF) des Programms“ mal „Sehdauer des Programms im Monat“ geteilt durch die Summe aller monatlichen Sehdauern des Programms im Referenzzeitraum. Eine derartige Berechnungsmethode, die entgegen den Vorgaben des Rundfunkstaatsvertrages unterschiedliche Sehgewohnheiten der Zuschauer von Fernsehprogrammen einbezieht, lässt sich weder mit dem Wortlaut noch mit der Systematik des Rundfunkstaatsvertrages in Einklang bringen.

106

Unabhängig hiervon kommt es auf die zwischen den Beteiligten umstrittene Berechnungsmethode für die Feststellung des Erreichens beziehungsweise Überschreitens des Schwellenwerts für die Bestimmung der Zuschaueranteile nicht weiter an. Denn auch bei Zugrundelegung der auf den Referenzzeitraum gewichteten Werte entsprechend der Berechnungsweise der Antragstellerin ergibt sich ein relevanter Zuschaueranteil von 20,003345049391 % für die Sendergruppe ProSiebenSat1 Media SE (Schriftsatz vom 25. April 2017, S. 6).

107

Davon abgesehen sind im Rahmen des vorliegenden Beschwerdeverfahrens die von der KEK der Antragsgegnerin mitgeteilten Zuschaueranteile nicht in vollem Umfang, insbesondere nicht wie in einem Hauptsacheverfahren, zu überprüfen. Eine derartig ins Einzelne gehende Überprüfung des dem Beschluss der KEK vom 27. November 2015 zugrunde gelegten Datenmaterials in tatsächlicher Hinsicht würde dem Charakter des Eilverfahrens als lediglich summarisches Verfahren widersprechen. Eine gegebenenfalls erforderlich werdende Ermittlung der Marktanteilsdaten muss daher dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Verfassungsmäßige Rechte der Antragstellerin sind hierdurch, wie nachfolgend aufgezeigt werden wird, im Verhältnis zu dem insoweit vorrangigen Interesse an der Sicherung von Meinungsvielfalt (auch) im privaten Rundfunk für die Dauer der Anfechtungsklage der Antragstellerin nicht verletzt.

108

bbb) Schon im Rahmen dieses Eilverfahrens lässt sich aber sagen, dass bei der Berechnung der Zuschaueranteile der Sendergruppe die im Hauptprogramm der Antragstellerin aufgenommenen Regionalfensterprogramme nicht, wie die Antragstellerin meint, herauszurechnen sind. Diese sind vielmehr in dem Zuschaueranteil des von der Antragstellerin verbreiteten Fernsehprogramms einzubeziehen, weil Regionalfensterprogramme bereits dem klaren Wortlaut von § 25 Abs. 4 RStV gemäß „in den“ beiden bundesweit verbreiteten reichweitenstärksten Fernsehvollprogrammen „aufzunehmen“ sind. Bereits diese Wortwahl belegt, dass die Regionalfensterprogramme Bestandteile des Fernsehvollprogramms sind.

109

Bestätigt wird das Ergebnis dieser Wortlautauslegung in eindeutiger Weise durch die gesetzlichen Definitionen der Fensterprogramme in den einleitenden Vorschriften (Abschnitt I: Allgemeine Vorschriften) des Rundfunkstaatsvertrages, insbesondere in § 2 RStV („Begriffsbestimmungen“). Sowohl in § 2 Abs. 2 Nr. 5 als auch in Nr. 6 RStV bestimmt der Gesetzgeber die rechtlichen Begriffe der Fensterprogramme als zeitlich begrenzte Rundfunkprogramme, die – so wörtlich – „im Rahmen eines Hauptprogramms“ ausgestrahlt werden. Auch diese Wortwahl belegt klar, dass der Gesetzgeber den regionalen und überregionalen Fensterprogrammen, ungeachtet der den Veranstaltern zuerkannten eigenen Zulassung (die nur ihrer Unabhängigkeit zum Hauptprogrammveranstalter zu dienen bestimmt ist), keinen eigenständigen rundfunkrechtlichen Programmcharakter zuerkennt.

110

Hinzu kommt ein methodischer Einwand, dem sich die Rechtskonstruktion der Antragstellerin ausgesetzt sieht: Würden die Fensterprogramme aus dem Hauptprogramm von „SAT.1“ herausgerechnet, so müsste sogleich die Frage beantwortet werden, was dann mit den derart „frei gewordenen“ Zuschaueranteilen geschehen soll. Wollte man nicht auf die abwegige Konstruktion zurückgreifen, diese nun den Konkurrenzprogrammen der Antragstellerin zuzuschlagen, so bliebe nur, die dann keinem Hauptprogramm mehr zuzuordnenden Fensterprogramme als eigenständige Programme in den Zuschaueranteilserhebungen aufzunehmen. Sie infolge der Herausrechnung bei der Ermittlung der Zuschaueranteile vollständig zu eliminieren, kann insoweit nicht ernsthaft vertreten werden.

111

Darüber hinaus entspricht die Berücksichtigung der Fensterprogramme der ständigen Berechnungspraxis der KEK. Da dieses Gremium fachlich in der Art eines „Sachverständigenrats“ besetzt ist (§ 35 Abs. 5 RStV) und bei der Erfüllung ihrer Aufgaben gemäß § 35 Abs. 8 Satz 1 RStV an Weisungen nicht gebunden ist, können deren Feststellungen in der Art eines Sachverständigengutachtens betrachtet werden. Jedenfalls im Rahmen dieses Eilverfahrens legt der Senat die Feststellungen der KEK zu den Zuschaueranteilen als fachlich fundierte Auffassung zugrunde. Der Senat folgt hierbei insbesondere auch der Argumentation der KEK, wonach bei einem Entfallen der Berücksichtigung von Fensterprogrammen die dann entstehenden Lücken im Programmfluss durch eigene Programminhalte des Hauptprogrammveranstalters auszufüllen wären. Dies würde in der Summe aber sogar zu einem Anstieg der zurechenbaren Zuschaueranteile führen. Dabei sieht der Senat es als nachvollziehbar an, wenn die KEK davon ausgeht, dass die eigenen Inhalte des Hauptprogrammveranstalters Zuschaueranteile mindestens in einer Größenordnung erzielen würde, die jedenfalls nicht in nennenswertem Umfang hinter den durch die Fensterprogramme erzielten Werten zurückbleiben würden (vgl. auch Dörr/Petri, in: Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner [Hrsg.], RStV, Loseblatt-Kommentar, Stand April 2017, § 27 Rn. 8).

112

Hinzu kommt, dass die Programme in einigen Ländern (Nordrhein-Westfalen und Hamburg) durch zwar redaktionell unabhängige, rechtlich jedoch als der Mediengruppe ProSiebenSat1 Media SE angehörende Tochtergesellschaften ausgestrahlt werden und auch sonst, etwa durch die Benennung „17:30 SAT.1 Regional“ bzw. „SAT.1 Bayern“ nach außen wirksam dem Hauptprogramm der Antragstellerin („SAT.1“) zuzurechnen sind.

113

Auch stimmt die Argumentation der Antragstellerin, wonach die Regionalfensterprogramme auch deshalb nicht bei der Bestimmung des Zuschaueranteils berücksichtigt werden dürften, weil sie nicht bundesweit verbreitet werden, mit den sich nach der Aktenlage ergebenden – im summarischen Verfahren nach den vorstehenden Erwägungen allein zu berücksichtigenden – Fakten nicht überein. Entgegen ihrer Darstellung sind die Regionalfensterprogramme nämlich sowohl über Satellit als auch via IPTV empfangbar (vgl. die unter Punkt 3.2.2 des Beschlusses der KEK vom 10./27. November 2015 aufgeführte Tabelle zur Reichweite der Regionalfenster [vgl. S. 10 des Beschlusses, Bl. 486 VA]).

114

Darüber hinaus werden Regionalfensterprogramme rundfunkrechtlich bereits durch den nach § 26 Abs. 2 RSV vorgesehenen Bonus von zwei Prozentpunkten bei der Ermittlung der marktbeherrschenden Konzentration berücksichtigt. Da der Rundfunkstaatsvertrag ausdrücklich keine weitere Anrechnung vornimmt, ist im Umkehrschluss auch kein Anhalt für die Annahme der Antragstellerin vorhanden, dieser sei bei der Ermittlung des Zuschaueranteils (nochmals) zu ihren Gunsten zu berücksichtigten.

115

Die Frage, ob die Regionalfensterprogramme in rechtlicher Hinsicht aus dem gemäß § 27 Abs. 1 RStV von der KEK zu ermittelnden Zuschaueranteil herauszurechnen sind, kann jedoch im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens auch noch aus einem anderen Grund dahinstehen: Die Einbeziehung der Regionalfensterprogramme wirkt sich im Ergebnis sogar zugunsten der Antragstellerin aus. Bei ihrer rechtlichen Argumentation übersieht die Antragstellerin, dass eine Herausrechnung der Regionalfensterprogramme, wenn sie rundfunkstaatsvertragskonform erfolgen soll, nicht nur bei dem der Mediengruppe ProSiebenSat1 Media SE zugehörenden Fernsehprogramm „SAT.1“, sondern konsequenterweise dann auch bei dem Konkurrenzsender „RTL“ und den öffentlich-rechtlichen Sendern erfolgen müsste. Da zumindest Letztere jedoch in jedem einzelnen des der ARD angeschlossenen Sendebereichs, sogar in einem ganz überwiegend erheblich größeren zeitlichen Umfang, regionale Berichterstattung durchführen, müssten deren Zuschaueranteile aus Gründen der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 17 Abs. 1 LV) gleichfalls um diese Sendeanteile vermindert werden. Nach einer derartigen Herausrechnung würde sich indessen zwangsläufig der Zuschaueranteil der Mediengruppe, der die Antragstellerin angehört, erhöhen. In ihrer Stellungnahme vom 15. Mai 2017 hat die KEK daher nachvollziehbar einen sich dann ergebenden Zuschaueranteil der Mediengruppe ProSiebenSat1 Media SE von 22,8 Prozent errechnet. Auch insoweit gilt: Eine ins Einzelnen gehende Nachprüfung dieser (allerdings in hohem Maße nachvollziehbaren) Feststellungen der KEK widerspricht dem Eilcharakter des vorliegenden Beschwerdeverfahrens.

116

Festzuhalten bleibt damit, dass Regionalfensterprogramme bei der Ermittlung nicht herauszurechnen sind. Der von der KEK zulässigerweise festgestellte Zuschaueranteil beträgt demnach für die Referenzperiode von Oktober 2014 bis September 2015 für die Sendergruppe 20,04 Prozent und liegt damit über dem Schwellenwert des § 26 Abs. 5 Satz 2 RStV.

117

ccc) An diesem Ergebnis ändert der weitere Einwand der Antragstellerin, für die Sendergruppe ProSiebenSat1 Media SE seien in den letzten Jahren bei 50 von 52 Referenzperioden stark abnehmende Zuschaueranteile festzustellen, nichts. Zum einen hat die Antragsgegnerin die Berechnungsmethode, mit der die Antragstellerin für die 52 „Referenzperioden“ in 50 Fällen zwischen einem und zwei Prozentpunkten unter dem Schwellenwert liegenden Zuschaueranteile festgestellt haben will, substantiiert bestritten. Auch insofern müssten deshalb die maßgeblichen Zahlenwerte im Hauptsacheverfahren zunächst durch die KEK ermittelt und in das gerichtliche Verfahren eingeführt werden.

118

Zum zweiten ist die Auffassung der Antragstellerin, bei jedem auch nur geringfügigen Sinken von Zuschaueranteilen unterhalb der Schwellenwerte des § 26 Abs. 5 Satz 2 RStV läge bereits ein stark abnehmender Zuschaueranteil im Sinne der Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschluss vom 23. Juli 2014 – 2 B 10323/14.OVG –, Beschlussabdruck S. 19) vor, aber auch nicht zutreffend. Ein derartiger, zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit beachtlicher, Zuschauerrückgang kann nur dann zugrunde gelegt werden, wenn die Anteile so weit sinken, dass sie – erstens – stetig und eindeutig eine Tendenz unterhalb der Schwellenwert aufzeigen und – zweitens – in jeder der nach der Verfahrenseinleitung ermittelten Durchschnittswerte erheblich unter den Schwellenwerten des § 26 Abs. 5 RStV liegen. Nur geringfügig unter dem Zwanzig-Prozent-Wert liegende Anteile im Umfang von nur einem Prozentpunkt oder gar geringer reichen hierfür nicht aus.

119

Die erstgenannte Voraussetzung rechtfertigt sich aus der erheblichen Dauer, die ein Zulassungsverfahren bei den Sendezeiten für unabhängige Dritte bis zur Erteilung eines Zulassungsbescheides benötigt. Der vom Senat in der sog. 2. Runde noch als maßgeblich zugrunde gelegte Zeitraum von neun Monaten hat sich, wie dieses Verfahren deutlich macht, als zu kurz bemessen herausgestellt. Gerade bei einer Vielzahl von zu prüfenden Bewerbungen (hier: 63 Bewerber) ist ein Zeitraum von einem Jahr als erforderlich anzusehen. Fallen in dieser Zeit die Zuschaueranteile jeweils nur knapp unterhalb der Schwellenwerte des § 26 Abs. 5 RStV, so entfällt allein hierdurch nicht die Verpflichtung des Hauptprogrammveranstalters zur Aufnahme von überregionalen Fensterprogrammen in ihr Fernsehvollprogramm. Ansonsten hätte es im Übrigen der Hauptprogrammveranstalter in der Hand, durch ein wenig konsensuales Verhalten während des (komplexen) Zulassungsverfahrens nach § 31 RStV mit den danach erforderlichen dialogischen Auseinandersetzungen und sonstigen Abstimmungen, etwa bei den nach erfolgter Auswahl mit den Bewerbern abzuschließenden Finanzierungsvereinbarungen, sich eine für ihn günstigere Rechtsposition zu verschaffen.

120

dd) In materiell-rechtlicher Hinsicht haben die KEK und – darauf gründend – die Antragsgegnerin zutreffend den Referenzzeitraum von Oktober 2014 bis September 2015 zugrunde gelegt. Maßgebend für das Verfahren zur Vergabe der Drittsendezeitlizenzen sind gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 RStV die bei Einleitung des Verfahrens im Durchschnitt der letzten zwölf Monate erreichten Zuschaueranteile der einzubeziehenden Programme. Wie vorstehend dargelegt, wurde das Verfahren mit Schreiben des stellvertretenden Direktors der Verwaltung der Antragsgegnerin am 19. Oktober 2015 eingeleitet. Die Verfahrenseinleitung und die damit von der KEK zugrunde gelegte Referenzperiode halten einer rechtlichen Überprüfung stand.

121

Vor allem musste die Antragsgegnerin – entgegen der Auffassung der Antragstellerin – nicht bis zum rechtskräftigen Abschluss des Berufungsverfahrens vor dem Senat betreffend die „2. Runde“ der Drittsendezeitvergabe (2 A 10734/15.OVG) zuwarten. Dies hätte nämlich zu einer nicht hinnehmbaren Perpetuierung des verfassungsrechtlich und einfachgesetzlich nicht zulässigen Zustandes geführt, der eingetreten war, nachdem die Antragstellerin unmittelbar nach Zustellung der am 23. Juli und 8. September 2014 ergangenen Eilentscheidungen des Senats die weitere Ausstrahlung der überregionalen Fensterprogramme einstellte. Da der Senat in den vorgenannten Beschlüssen aber die Verpflichtung der Antragstellerin zur Ausstrahlung von Sendezeiten für unabhängige Dritte klar und eindeutig festgestellt hatte, besteht seit Mitte September 2014 ein verfassungs- und rundfunkstaatsvertragswidriger Zustand, der bis heute andauert. Zur Behebung dieses, mit dem gesetzgeberischen Zweck der Drittsendezeiten, auch im privaten Rundfunk Meinungsvielfalt zu gewährleisten, nicht zu vereinbarenden Zustandes war die Antragsgegnerin nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, das Verfahren zur Vergabe der Zulassungen für die überregionalen Fensterprogramme im Hauptprogramm von SAT.1 so schnell wie möglich neu einzuleiten.

122

Die Berechtigung der Antragsgegnerin, das Verfahren zur Vergabe der Drittsendezeitlizenzen schon vor dem rechtskräftigen Abschluss des – zum Zeitpunkt der Einleitung des neuen Zulassungsverfahrens im Oktober 2015 noch weit mehr als ein Jahr laufenden – Berufungsverfahrens einzuleiten, folgt darüber hinaus nicht nur allein aus den Vorgaben von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 10 Abs. 1 Satz 3 LV und §§ 25, 26 und 31 RStV, sondern vor allem aus dem Vorliegen der atypischen Ausgangslage, den die Antragsgegnerin durch die Einstellung der Ausstrahlung von Sendezeiten für unabhängige Dritte trotz der vom Senat festgestellten Verpflichtung zur Einräumung von Drittsendezeiten berücksichtigen durfte.

123

In dieser besonderen Verfahrenssituation standen der Antragsgegnerin in tatsächlicher Hinsicht nur drei verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. Sie hätte – erstens – den verfassungs- und rundfunkstaatsvertragswidrigen Zustand so belassen können wie er war. Diese Möglichkeit wäre zwar mit den seit dem Jahr 2013 erkennbaren Interessen der Antragstellerin, von der Verpflichtung zur Ausstrahlung von Fensterprogrammen unmittelbar und vollständig freigestellt zu werden, kompatibel gewesen. Mit den gesetzlichen Vorgaben ist diese Option allerdings nicht zu vereinbaren.

124

Die Antragsgegnerin hätte – zweitens – die Drittsendezeitlizenzen für den verbleibenden Zeitraum bis zum 31. März 2018 neu ausschreiben und sodann die Fensterprogrammzulassungen für den sich dann nur noch ergebenden Restzeitraum vergeben können. Diese Option wäre aber gleichfalls nicht zielführend gewesen. Denn dies hätte in Anbetracht der bereits im Oktober 2015 absehbaren Dauer des Rechtsmittelverfahrens der Beigeladenen zu 1) – auf das die Antragsgegnerin keinerlei Einfluss hatte – zu demselben Ergebnis geführt: Wegen des als sicher anzusehenden Rechtsmittels gegen eine (wie auch immer ausgefallene) Entscheidung des Senats hätte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das Gerichtsverfahren in allen Instanzen nicht vor dem 31. März 2018 abgeschlossen werden können. Auch diese Möglichkeit wäre daher zwar mit den Interessen der Antragstellerin, nicht aber mit den Vorgaben von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 10 Abs. 1 Satz 3 LV und §§ 25, 26 und 31 RStV vereinbar gewesen.

125

Um den nach der Einstellung der Ausstrahlung überregionaler Fensterprogramme im September 2014 eingetretenen verfassungs- und rundfunkstaatsvertragswidrigen Zustand zeitnah und rechtssicher zu beenden, war demzufolge eine vollständige Neuausschreibung für einen neu beginnenden Lizenzzeitraum von vollen fünf Jahren naheliegend.

126

Dieser Option stand nicht entgegen, dass – wie die Antragstellerin und ihr folgend das Verwaltungsgericht meinen – bei einem Erfolg des Rechtsmittels der Beigeladenen zu 1) in Bezug auf ihre zu dem Zeitpunkt noch existente (wenn auch durch die Antragstellerin angefochtene) Zulassung für den Zeitraum vom 1. Juni 2013 bis 31. Mai 2018 zwei sich überschneidende Rundfunkzulassungen, und dies auch noch in Bezug auf verschieden gestaltete Sendezeitschienen, entstanden wären. Eine derartige Rechtsfolge konnte nämlich schon deshalb nicht eintreten, weil die Ausschreibung und Vergabe der überregionalen Fensterprogramme von Beginn an unter der auflösenden Bedingung eines Erfolges des Rechtsmittels der Beigeladenen zu 1) in dem Berufungsverfahren stand und sich sämtliche Bewerber mit der von der Antragsgegnerin hierfür in die Ausschreibung aufgenommenen Widerrufsoption einverstanden erklärt hatten.

127

Die von der Antragsgegnerin in die Ausschreibung aufgenommene Widerrufsoption konnte entgegen der Auffassung der Antragstellerin und des Verwaltungsgerichts auch „funktionieren“. Denn ausweislich des Ausschreibungstextes war in jedem Fall gewährleistet, dass selbst bei einem Neuzuschnitt der Sendezeitschienen (der im Übrigen ausschließlich den während des Ausschreibungsverfahrens von der Antragstellerin geforderten geänderten Vorgaben geschuldet ist) eine Überschneidung der verschiedenen Zeitanteile erst gar nicht eintreten konnte. Dies folgt aus dem in der Ausschreibung aufgenommenen und von allen Bewerbern akzeptierten Vorbehalt, nach dem die Zulassungsentscheidungen wegen des zum Zeitpunkt der Ausschreibung beim Senat noch anhängigen Berufungsverfahrens für die Zeit bis zum 31. Mai 2018 „ganz oder teilweise“ unter den Vorbehalt des zeitweiligen Widerrufs für den Fall der rechtskräftigen Bestätigung der früher erteilten Erlaubnisse gestellt wurden. Im Falle des Widerrufs wäre dann die ggf. aufgenommene Sendetätigkeit bis zum 31. Mai 2018 auch einzustellen gewesen. Mit dieser rechtlichen Konstruktion war gewährleistet, dass eine sich überschneidende Vergabe der Drittsendezeiten erst gar nicht eintreten konnte.

128

Wäre der Vorbehaltsfall eingetreten und hätte die Beigeladene zu 1) nach einem Erfolg ihrer Berufung ihre ursprüngliche Zulassung bis zum 31. Mai 2018 nutzen können, so wäre nach den nachvollziehbaren Angaben der Antragsgegnerin das Fensterprogramm über die auf diese Bewerberin entfallene ursprüngliche dritte und vierte Sendezeitschiene mit einem wöchentlichen Anteil vom 75 Minuten ausgestrahlt worden. Dann wäre zum einen der Widerrufsvorbehalt gegenüber dieser Bewerberin ausgeübt worden und die neue Zulassung für den Zeitraum bis zum 31. Mai 2018 widerrufen worden.

129

In unmittelbarer Konsequenz hätte die Antragsgegnerin vom Widerrufsvorbehalt Gebrauch machen und den zeitlichen Anteil der Beigeladenen zu 2) oder 3) um zehn Minuten wöchentlich kürzen können. Auch hiermit hatten sich diese Bewerberinnen ausdrücklich einverstanden erklärt. Ein Rechtsnachteil zu Lasten der Antragstellerin wurde durch die von der Antragsgegnerin gewählte Vorbehaltskonstruktion mithin unter allen denkbaren Gesichtspunkten verhindert.

130

Dies gilt auch im Hinblick auf den Vergabezeitraum. Die im Vorbehaltsfall wieder aufgelebte Zulassungsdauer zugunsten der Beigeladenen zu 1) wäre in dem hier zu betrachtenden Zulassungszeitraum vom 1. März 2017 bis 28. Februar 2022 durch den Vorbehaltsverzicht in die Zulassung bis zum 31. Mai 2018 sowie durch Kürzungen der erteilten Neuzulassungen vollständig integriert worden. Mit derartigen Kürzungen der Vergabezeiträume hatten sich wiederum alle Beigeladenen ausdrücklich einverstanden erklärt (vgl. hierzu im Einzelnen die Ausführungen im Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 1. September 2017, S. 6).

131

Selbst wenn man den vorstehenden Ausführungen – etwa im Hinblick auf die Frage der gesamten Lizenzierungsdauer – nicht folgen wollte (vgl. hierzu den Schriftsatz der Antragstellerin vom 6. Oktober 2017, S. 9 ff.), so ergibt sich dennoch keine Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 13. Februar 2017. Denn zu dem als Anknüpfung für die gerichtliche Beurteilung seiner Rechtmäßigkeit frühestmöglichen Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bescheides an die Beteiligten (vgl. § 43 Abs. 1 Satz 1 VwVfG) hatte die Beigeladene zu 1) ihre Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 21. April 2015 bereits zurückgenommen. Der von der Antragstellerin als problematisch angesehene Fall einer Überschneidung von Zulassungszeiträumen konnte damit bereits aus tatsächlichen Gründen nicht eintreten. Da der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage eines Bescheides mit begünstigenden wie belastenden Wirkungen jedenfalls nicht vor der Bekanntgabe der (letzten) Verwaltungsentscheidung liegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Dezember 1985 – 4 C 23/83 –, NJW 1986, 1186; W.-R. Schenke/R. P. Schenke [Hrsg.], in: Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2017, § 113 Rn. 41; Jörg Schmidt, in: Eyermann/Fröhler [Hrsg.], VwGO, 11. Aufl. 2000, § 113 Rn. 45; Knauff, in: Gärditz [Hrsg.], VwGO, 2013, § 113 Rn. 18; Wolff, in: Sodan/Ziekow [Hrsg.], 4. Aufl. 2014, § 113 Rn. 99), konnte die lediglich bis zum 7. Februar 2017 – rein theoretisch – mögliche Kollision mit unterschiedlichen Drittsendezeiten und Zulassungszeiträumen erst gar nicht eintreten.

132

Eine Rechtsbetroffenheit der Antragstellerin bei der durch den Bescheid vom 13. Februar 217 erstmals seit September 2014 wieder eintretenden Verpflichtung zur Einräumung von Sendezeiten für unabhängige Dritte konnte mit anderen Worten schon deshalb nicht zur einer Überschneidung von wöchentlichen Sendezeiten oder Problemen im Hinblick auf die gesamte Dauer der Ausstrahlung von Fensterprogrammen eintreten, weil die Zulassungen für die Beigeladenen erst erfolgten, nachdem die Beigeladene zu 1) ihre Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 21. April 2015 zurückgenommen hatte.

133

Unabhängig von allem Vorstehenden hätte sich die zur Drittsendezeit verpflichtete Antragstellerin durch mögliche Fehler bei der Auswahl der Fensterprogrammveranstalter bzw. der Lizenzinhaber für die jeweiligen Sendezeitschienen auch mangels Betroffenheit in eigenen Rechten nicht erfolgreich berufen können. Durch die vorstehend dargestellten Kürzungen bzw. Verschiebungen in den wöchentlichen Fensterprogrammen und der gesamten Drittsendezeitdauer wären allenfalls die (zeitlich) betroffenen Rechtspositionen der Beigeladenen, nicht aber subjektive Rechte der Antragstellerin verletzt worden. Im Gegenteil ist die Sendergruppe, der die Antragstellerin angehört, von September 2014 bis zum heutigen Zeitpunkt, mithin für mittlerweile mehr als drei Jahre, von jeder Verpflichtung zur Einräumung von Drittsendezeiten freigestellt gewesen. Die Durchführung einer neuen Ausschreibung, verbunden mit einem dadurch neu festzulegenden Fünf-Jahres-Zeitraum erfolgte erst, als die Bemühungen der Antragsgegnerin zur Vergabe der überregionalen Fensterprogramme für den restlichen Zeitraum der sog. 2. Runde als gescheitert anzusehen waren. Die dabei neue Festschreibung des (neuen) Endzeitpunktes auf den 28. Februar 2022 ist die zwangsläufige und verfassungsrechtlich wie einfachgesetzlich notwendige Folge des Scheiterns einer einvernehmlichen Regelung, die zumindest auch in den Verantwortungsbereich der Antragstellerin fällt. Subjektive Rechte werden – selbst bei einer Unterstellung der Anwendbarkeit der „Vorbehaltskonstruktion“ der Antragsgegnerin – durch die rechtlichen Konsequenzen eines neuen Vergabeverfahren unter keinen denkbaren Gesichtspunkten verletzt.

134

d) Auch im Übrigen sind die Ausschreibung, die Auswahl und die Vergabe der Sendezeiten für unabhängige Dritte unter den materiell-rechtlichen Gesichtspunkten der Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG; Art. 10 Abs. 1 Satz 3 LV) nicht zu beanstanden. Dies gilt namentlich für die Frage der höchstzulässigen Dauer des Auswahlverfahrens. Die Antragsgegnerin hat das Auswahlverfahren unter den immerhin 63 Bewerbern mit der gebotenen und in Anbetracht der besonderen Umstände möglichen Beschleunigung durchgeführt.

135

Das gesamte Verfahren hat zudem die besonderen Vergabevoraussetzungen, insbesondere in Bezug auf die notwendige dialogische Auseinandersetzung mit den Wünschen und Vorstellungen der Antragstellerin als Hauptprogrammveranstalterin gemäß § 31 RStV sowie die einzelnen Beteiligungen der Organe sowie der KEK, beachtet. In diesem Zusammenhang vorzuwerfende Rechtsfehler zeigt die Antragstellerin nicht auf; sie sind auch sonst nicht ersichtlich.

136

e) Hat die Antragsgegnerin aus diesen Erwägungen sämtliche einfachgesetzlichen und verfassungsrechtlichen Vorgaben im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 10 Abs. 1 Satz 3 LV beachtet, so sind auch weitere grundrechtlich geschützte Interessen der Antragstellerin offensichtlich nicht verletzt worden. Dies gilt namentlich in Bezug auf die von der Antragstellerin angeführten Grundrechte aus Art. 14 Abs. 1, 12 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG (jeweils i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG). In ihren Schriftsätzen vom 25. April und 6. Oktober 2017 werden diese Grundrechte zwar jeweils benannt, jedoch finden sich keinerlei Ausführungen zur Schutzbereichsbetroffenheit, zum Eingriffscharakter oder zur Frage der Rechtmäßigkeit der vorgenommenen Einschränkung dieser Grundrechte. Insofern fehlt es für einen Erfolg des Eilantrags schon an der notwendigen Glaubhaftmachung bzw. einer ausreichenden Darlegung der von der Antragstellerin als betroffen bezeichneten Grundrechte.

137

Eine solche Verletzung vermag der Senat namentlich für die Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG nicht zu erkennen. Die Beschränkungen der Berufsausübung der Antragstellerin sind in einem durch den Rundfunkstaatsvertrag und den Landesmediengesetzen regulierten Markt zulässig. Anhaltspunkte für eine Verfassungswidrigkeit der maßgeblichen Vorschriften des Rundfunkstaatsvertrags oder des Landesmediengesetzes bestehen nicht (vgl. zur vergleichbaren Situation bei den Regionalfensterprogrammen: OVG RP, Beschluss vom 22. Juni 2017 – 2 A 10449/16.OVG –, juris, Rn. 91 ff.); sie werden auch von der Antragstellerin nicht substantiiert dargetan. Die Pflicht zur Finanzierung von überregionalen Fensterprogrammen sind als bloße Schmälerungen von Gewinnerwartungen, die als solche nicht der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG unterfallen, gerechtfertigt (OVG RP, Beschluss vom 22. Juni 2017, a.a.O.).

138

Gleiches gilt für die von der Antragstellerin ohne nähere Darlegung oder Herleitung als verletzt gerügte allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG). Eine Verletzung dieses sog. Auffanggrundrechts ist weder von der Antragstellerin dargetan worden noch ist sie sonst erkennbar.

139

f) Aus all diesen Gründen leidet der mit der Klage der Antragstellerin in der Hauptsache angefochtene Bescheid der Antragsgegnerin vom 13. Februar 2017 weder in formeller Hinsicht noch materiell-rechtlich an einem im Eilverfahren gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO erkennbaren Fehler. Die Anfechtungsklage der Antragstellerin hat – vorbehaltlich sich im Hauptsacheverfahren gegebenenfalls anders darstellender tatsächlicher Umstände – offensichtlich keinen Erfolg.

140

2. Doch selbst wenn man zugunsten der Antragstellerin den Ausgang des Hauptsacheverfahrens als offen ansehen wollte, geböte jedenfalls die in diesem rundfunkrechtlichen Eilverfahren zugleich zu treffende Folgenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an einer zeitnahen und effektiven Gewährleistung der Meinungsvielfalt im Medienbereich, den Interessen der ausgewählten Beigeladenen sowie dem Privatinteresse der Antragstellerin an einer ungeschmälerten Ausübung des Sendebetriebes ihres Privatsenders die Ablehnung ihres Eilantrags (vgl. zu den Grundsätzen einer derartigen Interessenabwägungen im Bereich von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG: BVerfG, Kammerbeschluss vom 17. August 2017 – 1 BvR 1741/17 –, juris).

141

a) Die Verpflichtung des Veranstalters eines privaten Fernsehhauptprogramms zur Einräumung von Sendezeiten für unabhängige Dritte stellt einen Eingriff in den Schutzbereich der Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 10 Abs. 1 Satz 3 LV dar. Diese umfasst zwar die grundrechtlich geschützte Position im Hinblick auf freie und ungeschmälerte Ausübung der wirtschaftlichen Betätigung als Veranstalterin eines privaten Fernsehvollprogramms. Für die Gewährleistung dieses Grundrechts gilt dies indes Art. 5 Abs. 2 GG, Art. 10 Abs. 2 LV nur, soweit die Vorgaben des Rundfunkstaatsvertrages und der Landesmediengesetze reichen und im Einzelfall eingehalten werden. Dies folgt schon aus der Funktion der Rundfunkfreiheit als „dienendes“ Grundrecht (vgl. oben unter B. I. 1. b aa). Die einfachgesetzliche Ausgestaltung und anschließende Umsetzung der rechtlichen Vorgaben durch die Landesmedienanstalt hat in diesem Sinne einerseits der Bedeutung der Rundfunkfreiheit für die Allgemeinheit Rechnung zu tragen und zugleich in Bezug auf den Veranstalter eines privaten Fernsehvollprogramms den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 14. Juli 1994 – 1 BvR 1595/92 –, BVerfGE 91, 125 [138 f.]; und vom 19. Dezember 2007 – 1 BvR 620/07 –, BVerfGE 119, 309 [321]).

142

Sind wie hier Tatbestände zu beurteilen, die unter anderem durch eine Ermessensausübung einer Landesmedienanstalt vorgeprägt sind, so sind bei der gerichtlichen Überprüfung in einem in tatsächlicher Hinsicht stets nur summarisch möglichen Eilverfahren einerseits die Gewährleistung von Meinungsvielfalt als unverzichtbarer Bestandteil der Rundfunkfreiheit und andererseits der Schutz des allgemeinen Freiheitsrechts des Veranstalters eines privaten Fernsehvollprogramms, in die Abwägung einzubeziehen. Daneben sind auch, allerdings in geringerem Umfang, auch die verfassungsmäßigen Rechte der Veranstalter von privaten Fensterprogrammen in der Abwägung zu berücksichtigen.

143

b) Diese Folgenabwägung kann im vorliegenden Fall – unabhängig von den sich vorstehend unter B. I. 1. dargelegten rechtlichen Erwägungen – nur dazu führen, den begehrten Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 13. Februar 2017 abzulehnen. Maßgeblich hierfür sind die Folgen, die bei dem jeweiligen Ausgang des Eilverfahrens eintreten würden.

144

aa) Würde die vom Verwaltungsgericht beschlossene Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin in diesem Beschwerdeverfahren bestätigt, erwiese sich die Klage aber später als unbegründet, so würden für die Dauer des Hauptsacheverfahrens, gegebenenfalls über die vollen fünf Jahre, keine überregionalen Fensterprogramme im Fernsehprogramm der Antragstellerin ausgestrahlt. Dass diese Annahme in zeitlicher Hinsicht realistisch ist, zeigt gerade der Sachstand in dem bereits seit dem 1. Juni 2013 begonnenen Zulassungszeitraum, der infolge der von der Antragstellerin eingelegten Rechtsbehelfe und der nicht möglich gewesenen konsensualen Lösung nach Ergehen der Eilbeschlüsse des Senats vom 23. Juli und 8. September 2014 schon jetzt nahezu vollständig ohne jede Drittsendezeitverpflichtung abgelaufen ist. Es ist daher in hohem Maße wahrscheinlich, dass diese Folge bei einer weiteren Eilentscheidung zugunsten der Antragstellerin erneut einträte. Um eine weitere Perpetuierung dieses verfassungsrechtlich wie rundfunkstaatsvertraglich nicht konformen Zustandes zu verhindern, ist der Sofortvollzug in Ziffer VI des Bescheides vom 13. Februar 2017 zur Recht angeordnet worden.

145

bb) Dabei durften, wenn auch in erheblich geringerem Maße, die Folgen für die Fensterprogrammveranstalter einbezogen werden. Diese haben zum – maßgeblichen – Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides am 13. Februar 2017 nicht nur mehr ein Anwartschaftsrecht, sondern ein zum Vollrecht erstarktes eigenes Recht auf Ausübung ihres mit dem Bescheid lizenzierten und damit im Rahmen der Rundfunkfreiheit zu berücksichtigenden eigenen Interesses am Sofortvollzug der Zulassung.

146

cc) Diese, für die Gewährleistung von Meinungsvielfalt und die unabhängige Dritten als Fensterprogrammveranstalter bedeutsamen Folgen bei einem Suspensiveffekt der Anfechtungsklage der Antragstellerin sind diejenigen Rechtswirkungen gegenüberzustellen, die einträten, wenn die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage in diesem Beschwerdeverfahren nicht bestätigt würde, sich aber diese Klage später als begründet erwiese. Diese Folgen sind in der Abwägung als geringer zu bewerten. Die mit Zustellung dieses Beschlusses eintretende Verpflichtung der Antragstellerin, im Umfang von 180 Minuten Sendezeiten für unabhängige Dritte in ihrem Hauptprogramm einzuräumen (vgl. den Beschluss der KEK aufgrund der Sitzungen vom 10./27. November 2017) beeinträchtigt das Recht der Sendergruppe auf freie Programmgestaltung (nur im Hinblick auf diese ist der Schwellenwert des § 26 Abs. 5 RStV überschritten) unter Zugrundelegung der gesamten Sendezeit der aus neun verschiedenen Programmen bestehenden Sendergruppe bei einer unterstellten Sendedauer von 24 Stunden je Sender lediglich in einer Größenordnung von noch nicht einmal 0,2 Prozent (genau 0,1984126984 Prozent). Bei dieser Sachlage kann von einem „schweren Eingriff in den verfassungsrechtlichen Kernbereich“ der Rundfunkfreiheit – ungeachtet des ohnehin nur im Rahmen des „dienenden“ Charakters anzuerkennenden – Individualgrundrechts nicht ausgegangen werden.

147

Hinzu kommt, dass die Antragstellerin nach Ergehen der Beschlüsse des Senats vom 23. Juli und 8. September 2014 ohnehin die Sendungen zumindest der Beigeladenen zu 1) auf freiwilliger vertraglicher Basis als Auftragsproduktion weitergeführt hat. Von den 180 Minuten müssen im Rahmen dieser Folgenabwägung auch diese Sendezeiten, die offenbar mit der – von ihr so bezeichneten – „Programmfarbe“ der Antragstellerin konform gehen, abgezogen werden. Dies hat für die Grundrechtsbetroffenheit eine weitere Reduktion der „Belastung“ durch die Fensterprogramme für unabhängige Dritte im Vollprogramm der Antragstellerin zur Folge. Eine schwere und unerträgliche Beeinträchtigung der von der Antragstellerin unzutreffend stets nur als „Freiheitsrecht“ verstandenen Rundfunkfreiheit ist nach alledem nicht zu besorgen.

148

Die Grundrechtsbetroffenheit der Antragstellerin kann, gerade vor dem Hintergrund der Rundfunkfreiheit als „dienendes“ Grundrecht, jedenfalls in der Gesamtbetrachtung insgesamt nur als geringfügig angesehen werden. Die hieraus nach dem bisherigen Sachstand zu erwartenden Nachteile für die Antragstellerin wiegen jedenfalls in der Gesamtabwägung nicht so schwer, dass schon im Verfahren des Eilrechtsschutzes die Ausstrahlung von überregionalen Fensterprogrammen für die Dauer des Hauptsacheverfahrens verhindert werden müssten. Eine solche Rechtsfolge würde sich im Gegenteil – auch in Anbetracht der Erfahrungen aus den vorangegangenen Eilverfahren – im Ergebnis als eine „Vorwegnahme der Hauptsache“ darstellen.

149

Die Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu 1) haben aus diesen Gründen Erfolg; der Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 13. Februar 2017 ist abzulehnen. Der nach der Beratung des Senats am 27. Oktober 2017 eingegangene Schriftsatz der Antragstellerin vom 26. Oktober 2017 wurde nachträglich in die Überlegungen des Senats einbezogen. Er gibt keine Veranlassung, von den vorstehenden Gründen abzurücken.

150

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die Antragstellerin auch zur Übernahme der im Beschwerdeverfahren angefallenen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1) zu verpflichten, weil diese ebenso wie die Antragsgegnerin das Rechtsmittel der Beschwerde eingelegt und sich somit selbst im Fall des Unterliegens nach § 154 Abs. 3 VwGO einem Kostenrisiko ausgesetzt hat. Eine Kostentragungspflicht in Bezug auf die außergerichtlichen Kosten der übrigen Beigeladenen entspricht nicht gemäß § 162 Abs. 3 VwGO der Billigkeit, da diese weder im Eilverfahren Sachanträge gestellt noch das Rechtsmittel eingelegt haben (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO). Gleiches gilt hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1) in der ersten Instanz. Denn diese Beteiligte hat dort keinen Sachantrag gestellt.

151

III. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 Gerichtskostengesetz in der ab 1. August 2013 geltenden Fassung des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts vom 23. Juli 2013 (BGBl. I S. 3714) in Verbindung mit Ziffer 37.4 der Empfehlungen des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (LKRZ 2014, 169; vgl. auch OVG RP, Beschluss vom 23. Juli 2013 – 2 A 11197/12.OVG –, NVwZ-RR 2013, 862). Eine Reduzierung des Streitwertes gemäß Nr. 1.5 des Streitwertkataloges erfolgt nicht, weil mit dieser Entscheidung sowie der voraussichtlichen zeitlichen Dauer des noch anhängigen Hauptsacheverfahrens die Hauptsache im Wesentlichen vorweggenommen wird.

152

IV. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein.

(2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich oder elektronisch zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und der Betroffene dies unverzüglich verlangt. Ein elektronischer Verwaltungsakt ist unter denselben Voraussetzungen schriftlich zu bestätigen; § 3a Abs. 2 findet insoweit keine Anwendung.

(3) Ein schriftlicher oder elektronischer Verwaltungsakt muss die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten. Wird für einen Verwaltungsakt, für den durch Rechtsvorschrift die Schriftform angeordnet ist, die elektronische Form verwendet, muss auch das der Signatur zugrunde liegende qualifizierte Zertifikat oder ein zugehöriges qualifiziertes Attributzertifikat die erlassende Behörde erkennen lassen. Im Fall des § 3a Absatz 2 Satz 4 Nummer 3 muss die Bestätigung nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes die erlassende Behörde als Nutzer des De-Mail-Kontos erkennen lassen.

(4) Für einen Verwaltungsakt kann für die nach § 3a Abs. 2 erforderliche Signatur durch Rechtsvorschrift die dauerhafte Überprüfbarkeit vorgeschrieben werden.

(5) Bei einem schriftlichen Verwaltungsakt, der mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird, können abweichend von Absatz 3 Unterschrift und Namenswiedergabe fehlen. Zur Inhaltsangabe können Schlüsselzeichen verwendet werden, wenn derjenige, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, auf Grund der dazu gegebenen Erläuterungen den Inhalt des Verwaltungsaktes eindeutig erkennen kann.

(6) Einem schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakt, der der Anfechtung unterliegt, ist eine Erklärung beizufügen, durch die der Beteiligte über den Rechtsbehelf, der gegen den Verwaltungsakt gegeben ist, über die Behörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf einzulegen ist, den Sitz und über die einzuhaltende Frist belehrt wird (Rechtsbehelfsbelehrung). Die Rechtsbehelfsbelehrung ist auch der schriftlichen oder elektronischen Bestätigung eines Verwaltungsaktes und der Bescheinigung nach § 42a Absatz 3 beizufügen.

Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 22. Februar 2011 - 6 K 91/11 - , soweit er den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ablehnt, geändert. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die baurechtliche Entscheidung der Antragsgegnerin vom 2. Dezember 2010 wird auch insoweit wiederhergestellt, als dem Antragsteller mit Nr. 1 dieser Entscheidung die Nutzung seines Grundstückes Flst.-Nr. .../... in ...-... als Holzlagerplatz untersagt wird.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.250,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Die Beschwerde ist zulässig (§§ 146, 147 VwGO) und begründet. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die baurechtliche Entscheidung der Antragsgegnerin vom 02.12.2010 ist auch insoweit wiederherzustellen, als ihm die Nutzung seines Grundstückes ...-... .../... in ...-... als Holzlagerplatz „mit sofortiger Wirkung“ untersagt wurde (Nr. 1 der angefochtenen baurechtlichen Entscheidung).
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes diesbezüglich mit der Begründung abgelehnt, Rechtsgrundlage der Nutzungsuntersagung sei § 65 Satz 2 LBO. Danach könne die Baurechtsbehörde die Nutzung einer baulichen Anlage untersagen, wenn sie im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt werde. Ein solcher Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften setze mit Rücksicht auf den durch Art. 14 GG gewährleisteten Bestandsschutz voraus, dass die Nutzung nicht durch eine erforderliche Baugenehmigung gedeckt sei und seit ihrem Beginn fortlaufend gegen materielles Baurecht verstoße. Ob eine Nutzungsuntersagung erlassen werde, stehe demnach im Ermessen der Baurechtsbehörde. Es bestünden Zweifel, ob eine Baugenehmigung erforderlich sei. Der Lagerplatz gelte gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 LBO als bauliche Anlage. Die Änderung der Nutzung des Grundstücks des Antragstellers als Lagerplatz sei dann nicht genehmigungspflichtig, wenn der Lagerplatz zu den im Anhang zur LBO aufgeführten verfahrensfreien Vorhaben gehöre. Das sei dann der Fall, wenn es sich dabei um einen Lagerplatz im Innenbereich bis 100 m² Nutzfläche (Nr. 11 h des Anhangs zur LBO) handele. Diese Frage bedürfe im vorliegenden Eilverfahren keiner Klärung. Denn die Nutzung des Grundstücks des Antragstellers als Lagerplatz sei jedenfalls materiell baurechtswidrig. Ihr stünden bauplanungsrechtliche Vorschriften entgegen. Der Lagerplatz liege im Bereich des qualifizierten Bebauungsplans „Kistelberg“. Die ausgeübte Nutzung widerspreche den Festsetzungen des Bebauungsplans, der für das Grundstück eine Festsetzung als Kleingarten enthalte. Bedenken gegen die Wirksamkeit des Bebauungsplans seien weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Es lägen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Festsetzung der als Kleingärten ausgewiesenen Fläche funktionslos geworden sei. Bei einer am 25.11.2010 durchgeführten Bauüberwachung sei festgestellt worden, dass auf dem Grundstück mehrere Holzlegen in verschiedenen Größen errichtet worden seien. Anhand der erstellten Fotos werde deutlich, dass der Antragsteller in erheblichem Umfang Holzlagerung auf seinem Grundstück betreibe. Eine derart weitgehende Nutzung des Grundstücks als Lagerplatz sei nicht mehr mit dem Charakter eines Kleingartengebiets vereinbar. Eine Kleingartenanlage sei kein Baugebiet im Sinne der Baunutzungsverordnung, sondern ein Unterfall der Grünflächennutzung. Sie werde im Bundeskleingartengesetz näher geregelt. Die im Bebauungsplan gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB (= § 9 Abs. 1 Nr. 8 BBauG von 1960) festsetzbaren Flächen für Dauerkleingärten bezögen sich inhaltlich auf das Kleingartenrecht. Wesensmerkmal des Kleingartens sei die Nutzung fremden Landes, das heiße der Begriff sei durch Pachtverhältnisse oder ähnliche obligatorische Verhältnisse gekennzeichnet. Als Nutzung stehe nicht die bauliche Nutzung, sondern die Gartennutzung im Vordergrund, welche notwendigerweise die Gewinnung von Gartenbauerzeugnissen für den Eigenbedarf beinhalte. Diese Ausführungen halten der Überprüfung im Beschwerdeverfahren nicht stand.
Der Antragsteller macht geltend, die baurechtliche Entscheidung sei - wie bereits in der Antragsschrift vom 10.01.2011 ausgeführt worden sei - gemäß § 44 Abs. 2 Nr. 4 LVwVfG nichtig, weil sie aus tatsächlichen Gründen von niemandem ausgeführt werden könne. Die Antragsgegnerin habe die Nutzung des Grundstückes als Holzlagerplatz „mit sofortiger Wirkung“ untersagt und damit keinerlei Reaktionsmöglichkeit zur Befolgung der Anordnung gegeben. Es sei nicht möglich, „innerhalb einer logischen Sekunde“ nach Zugang der Anordnung die Nutzung aufzugeben, da es naturgemäß einige Zeit benötige, um das Holz von dem Grundstück wegzubringen. Mit dieser Erwägung habe sich allerdings das Verwaltungsgericht an keiner Stelle seiner Entscheidung auseinandergesetzt.
Ob bereits dieser Einwand des Antragstellers zutrifft, kann offen bleiben. Nach § 44 Abs. 2 Nr. 4 LVwVfG ist ein Verwaltungsakt ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 LVwVfG nichtig, den aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann, der also jemanden zu einer objektiv unmöglichen Leistung verpflichtet. An diesem Mangel könnte die „mit sofortiger Wirkung“ ausgesprochene Untersagung, das Grundstück als Holzlagerplatz zu nutzen, leiden. Dem Antragsteller ist darin zuzustimmen, dass ihm objektiv Unmögliches abverlangt würde, wenn er „sofort“ nach Bekanntgabe und damit dem Wirksamwerden der baurechtlichen Entscheidung (§ 43 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG) das auf dem Grundstück gelagerte Holz von dort entfernt haben müsste. So ließe sich die baurechtliche Entscheidung nach dem für die Auslegung von Verwaltungsakten maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 20.04.2005 - 9 C 4.04 - BVerwGE 123, 292 = NVwZ 2005, 1070 <1071>) unter Umständen auch verstehen. Die Nutzungsuntersagung mag - jedenfalls in erster Linie - auf ein Unterlassen abzielen, das dem Antragsteller ohne Befolgungsfrist möglich ist und wofür auch der Gesetzgeber im Vollstreckungsrecht keine Fristsetzung vorschreibt (vgl. § 20 Abs. 1 Satz 2 LVwVG). Gleichzeitig legt der Wortlaut der getroffenen Anordnung es jedoch nahe, dass neben der Anordnung, neue Holzlagerungen zu unterlassen, eine Beseitigungsverfügung hinsichtlich des bereits gelagerten Holzes mit umfasst sein sollte. Bei diesem Verständnis der „Nutzungsuntersagung“ kann eine objektive Möglichkeit der Ausführung wohl nur angenommen werden, wenn man die Befolgungsfrist allein dem Vollstreckungsrecht zuordnet (siehe allgemein zur Bestimmung der vollstreckungsrechtlichen Erfüllungsfrist im Grundverwaltungsakt Sadler, VwVG, 7. Aufl., § 13 Rn. 71) und damit die „sofortige Wirkung“ (zum Begriff „sofort“ siehe ebenfalls Sadler a.a.O. § 13 Rn. 41) von der „Nutzungsuntersagung“ als solcher löst. Dies erscheint aber fraglich.
Unabhängig davon muss die Beschwerde Erfolg haben, weil die „Nutzungsuntersagung“ jedenfalls den gesetzlichen Bestimmtheitsanforderungen nicht genügt. Der Prüfungsmaßstab des Senats beschränkt sich nach der ausdrücklichen normativen Anordnung in § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die vom Beschwerdeführer dargelegten Gründe. Unter solchen sind im Blick auf § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO grundsätzlich nur diejenigen Gründe zu verstehen, die der Beschwerdeführer innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung des Verwaltungsgerichts vorgebracht hat (vgl. hierzu und zu Ausnahmen: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 09.01.2008 - 3 S 2016/07 - VBlBW 2008, 223 sowie Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 146 Rn. 42 f.). Auf die Vorschrift des § 37 LVwVfG zur Bestimmtheit von Verwaltungsakten nimmt die Beschwerdebegründung zwar nicht ausdrücklich Bezug. Dem Vorbringen des Antragstellers ist indes zu entnehmen, dass er die Anordnung der Antragsgegnerin für widersinnig, weil nicht ausführbar hält. Daraus wird noch hinreichend deutlich, dass er sich auch gegen deren inhaltliche Bestimmtheit wendet. Damit dringt der Antragsteller durch.
Das Verwaltungsgericht hätte die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers auch im Hinblick auf die Untersagung der Holzlagerung wiederherstellen müssen, weil die baurechtliche Entscheidung insoweit zu unbestimmt ist. Ein Verwaltungsakt muss nach § 37 Abs. 1 LVwVfG inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Das Bestimmtheitsgebot verlangt, dass der Adressat eines Verwaltungsakts in der Lage sein muss zu erkennen, was von ihm gefordert wird, und zwar in dem Sinne, dass der behördliche Wille keiner unterschiedlichen subjektiven Bewertung zugänglich ist. Zum Anderen muss der Verwaltungsakt Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung sein können. Im Einzelnen richten sich die Anforderungen nach den Besonderheiten des Einzelfalls, insbesondere nach dem Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes und dem mit ihm verfolgten Zweck (BVerwG, Beschluss vom 13.10.2010 - 7 B 50.10 - juris Rn. 8 und Urteil vom 02.07.2008 - 7 C 38.07 - BVerwGE 131, 259 m.w.N.). Dabei muss sich die „Regelung“ (§ 35 Satz 1 LVwVfG) nicht unmittelbar und allein aus dem Entscheidungssatz ergeben. Es reicht aus, wenn sie sich aus dem gesamten Inhalt des Bescheides, insbesondere seiner Begründung sowie den weiteren, den Beteiligten bekannten oder ohne Weiteres erkennbaren Umständen, unzweifelhaft erkennen lässt (BVerwG, Urteil vom 25.04.2001 - 6 C 6.00 - BVerwGE 114, 160 m.w.N.). Daran fehlt es hier. Die baurechtliche Entscheidung vom 02.12.2010 versetzt den Antragsteller nicht in die Lage zu erkennen, was von ihm gefordert wird. Gemäß dem Entscheidungssatz wird dem Antragsteller die Nutzung seines Grundstückes als Holzlagerplatz mit sofortiger Wirkung untersagt. Als Rechtsgrundlage wird im Vorspann auf Seite 1 der Entscheidung § 47 in Verbindung mit § 65 LBO genannt. In der Begründung wird die Untersagung unter § 65 LBO gefasst, wobei inhaltlich auf § 65 Satz 2 LBO (Untersagung der Nutzung einer baulichen Anlage) Bezug genommen wird. Allerdings wird nichts weiter dazu ausgeführt, welche „bauliche Anlage“ gemeint ist; vielmehr ist allein davon die Rede, dass die Nutzung „des Grundstückes“ zur Holzablagerung baurechtswidrig sei. Es findet sich an keiner Stelle eine genauere Umschreibung dessen, was vom Antragsteller verlangt wird. Unter diesen Umständen erschließt sich nicht, welche Anforderungen die baurechtliche Entscheidung stellt. Das Verwaltungsgericht hat in konsequenter Anknüpfung an § 65 Satz 2 LBO angenommen, die Nutzung der baulichen Anlage „Lagerplatz“ (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 LBO) werde untersagt. Hierfür lässt sich anführen, dass die Antragsgegnerin ihre Entscheidung offensichtlich auf § 65 Satz 2 LBO stützen wollte. Zudem ergäbe es wenig Sinn, mehr als eine Unterlassung, namentlich auch eine Räumung des Grundstückes „mit sofortiger Wirkung“ zu verlangen. Gegen die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Auslegung spricht jedoch der Wortlaut des Entscheidungssatzes, wonach die Nutzung „des Grundstückes“ als Holzlagerplatz untersagt wird. Auch dürfte die Entscheidung nach ihrem Zweck - im Sinne einer auf § 65 Satz 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 12 Nr. 2 LBO zu stützenden Beseitigungsanordnung - darauf abzielen, die Holzbestände vom Grundstück zu entfernen. Insgesamt bleibt unter diesen widersprüchlichen Umständen der Inhalt der Entscheidung unklar. Die Unklarheit der getroffenen Regelung wird im Übrigen durch die - für die Auslegung der Entscheidung indes nicht berücksichtigungsfähige - Beschwerdeerwiderung der Antragsgegnerin noch bestätigt. Danach „soll durch die Verfügung erreicht werden, dass der Beschwerdeführer ab sofort keine weiteren rechtswidrigen Holzlegen mehr auf dem Grundstück errichtet. Mit anderen Worten hat die Verfügung die Funktion, den Beschwerdeführer von weiterem baurechtswidrigem Tun abzuhalten. Was die bereits bestehenden Holzlegen anbelangt, kann mit dem Beschwerdeführer noch vereinbart werden, bis wann diese spätestens zu beseitigen sind. Insoweit ist jedenfalls derzeit nicht beabsichtigt, vom Verwaltungszwang Gebrauch zu machen.“ Damit lässt die Antragsgegnerin eine Beschränkung des Entscheidungsinhalts auf die Errichtung neuer Holzlegen erkennen; zugleich zeigt sie selbst auf, dass auch die Beseitigung des vorhandenen Holzbestandes im Raum steht.
Darauf, ob auch das weitere Vorbringen des Antragstellers - namentlich zur etwaigen Funktionslosigkeit des Bebauungsplans, zur behaupteten materiellen Baurechtmäßigkeit der Holzlagerung und zur Ermessensausübung der Antragsgegnerin - geeignet wäre, die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung in Frage zu stellen, kommt es nicht an.
II.
Die im Hinblick auf den Erfolg der Beschwerde für beide Instanzen unter Berücksichtigung der hälftigen Kostenteilung in erster Instanz insgesamt neu zu fassende Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG (Hälfte des Streitwerts erster Instanz).
10 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 20. März 2012 geändert.

Der Bescheid der Beklagten vom 3. Januar 2010 (gemeint 2011) wird zu Ziff. 1 und Ziff. 2 aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen trägt die Beklagte.

Die Entscheidung ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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Tatbestand

1

Die Klägerin, die ein Kalkwerk im Gebiet der beklagten Gemeinde betreibt, wendet sich gegen die Heranziehung zu Abwasserbeiträgen durch die Beklagte.

2

Mit zwei Bescheiden vom 27. Dezember 2006 setzte die Beklagte Abwasserbeiträge in Höhe von insgesamt 1 004 000,45 € fest. Adressiert waren die Beitragsbescheide unter der Anschrift der Klägerin an die "... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH". Als Beitragsschuldner wird "die in der Anschrift genannte Person" bezeichnet. In einem der Bescheide brachte die Beklagte 127 822,97 € Vorausleistung in Abzug, die von der "... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH" aufgrund eines an sie adressierten Vorausleistungsbescheides vom 14. Dezember 2001 entrichtet worden waren.

3

Die "... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH" wurde mit Verschmelzungsvertrag vom 28. August 2001 gemeinsam mit (vier) weiteren Gesellschaften der ...-Gruppe zum 27. Dezember 2001 durch Eintragung in das Handelsregister mit der "Heidelberger ... GmbH" als übernehmendem Rechtsträger verschmolzen. Die Beklagte teilte der "Heidelberger ... GmbH" unter dem 28. August 2002 mit, dass die Bauarbeiten zum Anschluss der M. Schmutzwasserentsorgung an die Kläranlage des örtlichen Zweckverbandes abgeschlossen seien und es daher möglich sei, die Grundstücke der "Heidelberger ... GmbH" an den öffentlichen Schmutzwasserkanal anzuschließen. Ferner enthält das Schreiben einen Hinweis, dass über die zu entrichtenden Beiträge gesonderte Bescheide ergehen werden. Die Firma der "Heidelberger ... GmbH" wurde im Dezember 2002 in "... Deutschland GmbH" geändert. Die Klägerin ist im Wege einer weiteren Verschmelzung am 20. Juli 2009 als übernehmender Rechtsträger Rechtsnachfolgerin der "... Deutschland GmbH" und damit Eigentümerin der beitragspflichtigen Grundstücke geworden.

4

Der von der "... Deutschland GmbH" gegen die Bescheide eingelegte Widerspruch wurde zurückgewiesen. Die daraufhin erhobene Klage hatte vor dem Verwaltungsgericht Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof hat die erstinstanzliche Entscheidung mit Urteil vom 28. April 2010 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die angegriffenen Bescheide seien inhaltlich hinreichend bestimmt. Aus den Bescheiden ergebe sich insbesondere eindeutig, an wen sie sich richteten; danach schulde die "... Deutschland GmbH" die festgesetzten Abwasserbeiträge und nicht deren im Zeitpunkt des Erlasses der Bescheide erloschene Rechtsvorgängerin. Die Bescheide führten zwar im Adressfeld die "... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH" als Adressatin auf, die lediglich bis zum 27. Dezember 2001 Eigentümerin der im Bescheid genannten Grundstücke des Kalkwerks gewesen sei. Im Zeitpunkt des Zugangs der Bescheide hätten die Organe der "... Deutschland GmbH" die Bescheide auf Grundlage der für sie ohne Weiteres erkennbaren Umstände des Einzelfalls und unter Berücksichtigung von Treu und Glauben aber nur so verstehen können, dass die "... Deutschland GmbH" als aktuelle Eigentümerin der Grundstücke des Kalkwerks zum Beitrag herangezogen werden sollte. Eine andere Entscheidung rechtfertige auch nicht die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, wonach ein Verwaltungsakt unwirksam sei, wenn er sich gegen ein nicht oder nicht mehr existentes Steuersubjekt richte. Ob sich ein Verwaltungsakt gegen ein nicht existentes Steuersubjekt richte, könne erst nach erfolgter Auslegung und damit nicht allein aufgrund des Wortlauts des Adressfeldes gesagt werden.

5

Mit ihrer vom Senat mit Beschluss vom 28. April 2011 zugelassenen Revision macht die Klägerin in erster Linie geltend: Die Beitragsbescheide seien inhaltlich unbestimmt und damit nichtig, da vor ihrem Erlass das Vermögen der "... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH" einschließlich der beitragspflichtigen Grundstücke durch Verschmelzung auf die Rechtsvorgängerin der Klägerin übergegangen und die "... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH" erloschen sei. Darauf, ob die Rechtsvorgängerin der Klägerin hätte wissen müssen, dass die Bescheide an sie gerichtet gewesen seien, komme es nicht an. Der Verwaltungsgerichtshof habe durch seine Auslegung die Bescheide in Wahrheit umgedeutet und deren Unbestimmtheit erst herbeigeführt. Tatsächlich habe seitens der Beklagten auch kein Erklärungsirrtum vorgelegen, da der Sachbearbeiter den Bescheid bewusst an die noch im Grundbuch als Eigentümerin eingetragene "... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH" adressiert habe.

6

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 28. April 2010 zu ändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 29. April 2009 zurückzuweisen.

7

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

8

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Die Bescheide seien auslegungsfähig. Dabei komme es nicht darauf an, wie ein außenstehender Dritter, sondern allein wie der Betroffene sie nach den ihm bekannten Umständen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen musste. Der Klägerin sei sofort klar gewesen, dass sie die Adressatin der Bescheide und Beitragsschuldnerin gewesen sei. Aus der den Bescheiden beigefügten Liste der der Beitragspflicht unterliegenden Grundstücke und der Vorkorrespondenz hätte sie dies jedenfalls ohne Weiteres erkennen können und müssen.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerin, auf die das Abgabenschuldverhältnis im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergegangen ist (§ 45 Abs. 1 Satz 1 AO) und die das Verfahren ihrer Rechtsvorgängerin aufgenommen hat (§ 173 VwGO i.V.m. den entsprechend anwendbaren §§ 239 ff. ZPO), ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil ist mit Bundesrecht vereinbar (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

10

Die vom Verwaltungsgerichtshof vertretene Auffassung, die Beitragsbescheide der Beklagten, die an eine schon mehrere Jahre zuvor durch gesellschaftsrechtliche Verschmelzung erloschene und damit als Rechtssubjekt nicht mehr existente GmbH adressiert sind, seien inhaltlich hinreichend bestimmt, weil sich die Rechtsnachfolgerin der Gesellschaft als Inhaltsadressatin ansehen musste, betrifft im Ausgangspunkt irrevisibles Landesrecht. Denn die Anforderungen an die Bestimmtheit von Heranziehungsbescheiden zu Abwasserbeiträgen ergeben sich hier zunächst aus § 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b, Nr. 4 Buchst. c des baden-württembergischen Kommunalabgabengesetzes in Verbindung mit § 119 Abs. 1, § 157 Abs. 1 Satz 2 der kraft Verweisung im Kommunalabgabengesetz ebenfalls nur als Landesrecht zur Anwendung kommenden Abgabenordnung (stRspr; vgl. Beschlüsse vom 2. Juli 1990 - BVerwG 5 B 37.90 - Buchholz 310 § 137 VwGO Nr. 160 S.10 und vom 25. März 1996 - BVerwG 8 B 48.96 - Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 79 S. 53; Urteil vom 19. März 2009 - BVerwG 9 C 10.08 - Buchholz 406.11 § 133 BauGB Nr. 135 Rn. 9). Unter bundesrechtlichen und damit revisiblen Gesichtspunkten ist deshalb lediglich fraglich, ob die Auslegung und Anwendung von Landesrecht mit den Anforderungen, die das allgemeine Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) an die Bestimmtheit von Abgabenbescheiden stellt, vereinbar ist. Dies ist der Fall.

11

1. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass der Adressat eines Verwaltungsakts zwar einerseits hinreichend bestimmt bezeichnet sein muss, dass aber andererseits ein Verwaltungsakt mit Blick auf die Bezeichnung des Inhaltsadressaten auslegungsfähig sein und die Auslegung etwaige Zweifel an der Bestimmtheit beseitigen kann. Dabei kommt es nicht darauf an, wie ein außenstehender Dritter, sondern allein wie der Betroffene selbst nach den ihm bekannten Umständen den Verwaltungsakt unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen musste. Die Annahme der Nichtigkeit eines Abgabenbescheides wegen Unbestimmtheit scheidet danach aus, wenn die (vorrangige) Auslegung des Bescheides etwaige Zweifel an der Bestimmtheit beseitigt (Urteil vom 25. Februar 1994 - BVerwG 8 C 2.92 - Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 68 S. 4; Beschlüsse vom 25. März 1996 a.a.O. S. 53 f. und vom 6. September 2008 - BVerwG 7 B 10.08 - juris Rn. 24). Diese Auslegungsgrundsätze hat das Berufungsgericht seinem Urteil zugrunde gelegt.

12

Weiter gehende Anforderungen an die Auslegung von Bescheiden aufgrund des rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebots folgen nicht aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Unbestimmtheit und Nichtigkeit von an den nicht mehr existenten Rechtsvorgänger des Steuerschuldners adressierten Steuerbescheiden. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geht der Bundesfinanzhof davon aus, dass konstituierender Bestandteil jedes Verwaltungsakts die Angabe des Inhaltsadressaten ist, d.h. desjenigen, dem gegenüber der Einzelfall geregelt werden soll (BFH, Urteil vom 13. Dezember 2007 - IV R 91/05 - juris Rn. 14). Weiterhin in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Bestimmtheit von Verwaltungsakten lässt der Bundesfinanzhof es grundsätzlich genügen, wenn die Identität des Inhaltsadressaten eines Steuerverwaltungsakts durch Auslegung anhand der dem Betroffenen bekannten Umstände einschließlich dem Bescheid beigefügten Unterlagen und zeitlich vorhergehender Bescheide hinreichend sicher bestimmt werden kann (BFH, Beschluss vom 29. Juni 1988 - IV B 70/88 - juris Rn. 22 und Urteil vom 1. Dezember 2004 - II R 10/02 - juris Rn. 9 m.w.N. ). Diese Grundsätze erfahren nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs jedoch dann eine Einschränkung, wenn sich der in seiner Bezeichnung des Adressaten eindeutige Abgabenbescheid gegen ein nicht oder nicht mehr existierendes Steuersubjekt richtet. Das ist unter anderem dann der Fall, wenn der Adressat des Abgabenbescheides eine Gesellschaft ist, die bei Erlass des Bescheides durch Umwandlung erloschen war (BFH, Großer Senat, Beschluss vom 21. Oktober 1985 - GrS 4/84 - BFHE 145, 110, BStBl II 1986, 230; Urteil vom 25. Januar 2006 - I R 52/05 - juris Rn. 9, 13). Ferner können nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs Fehler in der Bezeichnung des Steuerschuldners im Fall der Rechtsnachfolge im weiteren Verfahren nicht geheilt werden (BFH, Großer Senat, Beschluss vom 21. Oktober 1985 a.a.O.). Die Tatsache, dass sich der Empfänger eines Bescheides mit unrichtiger Bezeichnung des Steuerschuldners als Adressat angesehen hat, sei unbeachtlich, weil die objektive Richtigkeit oder Unrichtigkeit eines Bescheides nicht vom Verhalten der Beteiligten abhängen könne. Eine Auslegung eines Steuerbescheides hinsichtlich des Inhaltsadressaten kommt danach nur dann in Betracht, wenn dessen Bezeichnung im Bescheid selbst mehrdeutig ist (BFH, Urteil vom 13. Dezember 2007 a.a.O. Rn. 16, 19).

13

Die Frage, ob das Berufungsgericht bei seiner Auslegung diesen vom Bundesfinanzhof für die Fälle der Rechtsnachfolge entwickelten Grundsätzen gerecht geworden ist, stünde einer revisionsgerichtlichen Überprüfung nur dann offen, wenn die vom Bundesfinanzhof vorgenommenen Einschränkungen der allgemeinen Auslegungsregeln bei der Ermittlung des Inhaltsadressaten eines Abgabenverwaltungsakts durch den rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatz geboten und damit Teil des Bundesrechts (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) wären. Dies ist nicht der Fall.

14

Das Bundesverfassungsgericht hat das im allgemeinen Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) wurzelnde, der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit dienende Bestimmtheitsgebot vor allem im Zusammenhang mit der hinreichenden Bestimmtheit von Gesetzen konturiert. Danach sind gesetzliche Tatbestände so zu fassen, dass die Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach ausrichten können. Welche Anforderungen an die Bestimmtheit zu stellen sind, lässt sich indes nicht generell und abstrakt festlegen, sondern hängt auch von der Eigenart des zu ordnenden Lebenssachverhalts und dem Zweck der betroffenen Norm (BVerfG, Beschlüsse vom 17. Juli 2003 - 2 BvL 1/99 u.a. - BVerfGE 108, 186 <235> und vom 18. Mai 2004 - 2 BvR 2374/99 - BVerfGE 110, 370 <396 f.>) sowie den jeweiligen Grundrechtsauswirkungen und der Art und Intensität des zugelassenen behördlichen Eingriffs ab (BVerfG, Beschluss vom 24. November 1981 - 2 BvL 4/80 - BVerfGE 59, 104 <114>; Urteil vom 27. Juli 2005 - 1 BvR 668/04 - BVerfGE 113, 348 <375 f.>; BVerwG, Beschluss vom 20. August 1997 - BVerwG 8 B 170.97 - BVerwGE 105, 144 <147>). Auch bei öffentlich-rechtlichen Abgaben kommt es für die hinreichende Bestimmtheit des Gesetzes auf die Eigenart des geregelten Sachbereichs wie auf das Betroffensein von Grundrechten an. Für alle Abgaben gilt als allgemeiner Grundsatz, dass abgabenbegründende Tatbestände so bestimmt sein müssen, dass der Abgabenpflichtige die auf ihn entfallende Abgabe in gewissem Umfang vorausberechnen kann. Dabei genügt es im Bereich des Gebühren- und Beitragsrechts, dass für den Abgabenschuldner die Höhe der zu erwartenden Abgabe im Wesentlichen abschätzbar ist, so dass für ihn unzumutbare Unsicherheiten nicht entstehen können (BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 2003 a.a.O. S. 236; BVerwG, Beschluss vom 20. August 1997 a.a.O. S. 148 f.).

15

Aus diesen Grundsätzen lassen sich Rückschlüsse auf die verfassungsrechtlich gebotene Bestimmtheit von Verwaltungsakten ziehen. Auch bei ihnen dient das Bestimmtheitsgebot der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit und verlangt, dass ein rechtsstaatlicher Mindeststandard eingehalten wird (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl. 2011, § 37 Rn. 2). Der Adressat muss in der Lage sein zu erkennen, was von ihm gefordert wird; zudem muss der Verwaltungsakt geeignete Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung sein können. Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit eines Verwaltungsakts nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden und mit dem Verwaltungsakt umzusetzenden materiellen Rechts (vgl. Urteil vom 18. April 1997 - BVerwG 8 C 43.95 - BVerwGE 104, 301 = Buchholz 401.0 § 191 AO Nr. 7). Dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot lässt sich von daher nicht entnehmen, dass es in Fällen der Rechtsnachfolge von Verfassungs wegen ausgeschlossen ist, einen an ein erloschenes Rechtssubjekt als Beitragsschuldner adressierten Abgabenbescheid im Wege der Auslegung als an den Rechtsnachfolger des Adressaten gerichtet zu verstehen. Bei Beachtung der anerkannten Auslegungsgrundsätze ist auch in diesen Fällen in einer dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot genügenden Weise gesichert, dass für den durch Auslegung des Bescheides ermittelten Inhaltsadressaten keine unzumutbaren Unsicherheiten über seine Betroffenheit sowie über Grund, Höhe und Fälligkeit der Abgabenschuld entstehen. Die von dem Bundesfinanzhof in Auslegung einfach-rechtlicher Normen der Abgabenordnung vertretene Auffassung, ein im Fall der Rechtsnachfolge an den Rechtsvorgänger gerichteter Abgabenbescheid sei unwirksam und könne nicht dahin ausgelegt werden, dass Inhaltsadressat der Rechtsnachfolger sei, geht mithin über das durch Bundes(verfassungs)recht Gebotene hinaus und ist damit einer revisionsgerichtlichen Überprüfung hier entzogen.

16

2. Die Auslegung der angefochtenen Beitragsbescheide durch das Berufungsgericht hält einer revisionsgerichtlichen Überprüfung ebenfalls stand. Dabei kann offen bleiben, ob das Revisionsgericht zur selbständigen Auslegung von Verwaltungsakten befugt ist (so Urteile vom 14. Dezember 2005 - BVerwG 10 C 6.04 - BVerwGE 125, 9 Rn. 19 und vom 25. Februar 1994 a.a.O.) oder ob es jedenfalls dann, wenn das Berufungsgericht ein Auslegungsergebnis - wie hier - näher begründet hat, darauf beschränkt ist, die Auslegung des Tatrichters daraufhin zu überprüfen, ob sie auf einem Rechtsirrtum beruht oder ob sie einen Verstoß gegen allgemeine Erfahrungssätze, Denkgesetze oder Auslegungsregeln erkennen lässt oder einen umstrittenen Prozessstoff zu Unrecht unberücksichtigt gelassen hat (Urteil vom 4. Dezember 2001 - BVerwG 4 C 2.00 - BVerwGE 115, 274 <280>; vgl. auch Neumann, in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 3. Aufl. 2010, § 137 Rn. 166 ff.). Denn die Vorinstanz ist ohne Verstoß gegen die anerkannten Auslegungsregeln oder einen sonstigen Rechtsverstoß zu einer Auslegung der angegriffenen Beitragsbescheide gelangt, die der Senat teilt.

17

Die Rüge der Revision, die Bescheide seien aufgrund der Adressierung an die "... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH" hinsichtlich ihres Inhaltsadressaten eindeutig und daher nicht der Auslegung zugänglich, übersieht, dass nach der Ermittlung des Wortlauts einer Erklärung in einem zweiten Schritt auch die außerhalb der Begleitumstände liegenden Umstände in die Auslegung einzubeziehen sind, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Selbst ein klarer Wortlaut einer Erklärung stellt keine Grenze für die Auslegung anhand der Gesamtumstände dar. Die Feststellung, dass eine Erklärung eindeutig ist, lässt sich erst durch eine alle Umstände berücksichtigende Auslegung treffen (BGH, Urteile vom 19. Januar 2000 - VIII ZR 275/98 - NJW-RR 2000, 1002 <1003> und vom 19. Dezember 2001 - XII ZR 281/99 - NJW 2002, 1260 <1261>). Eine solche umfassende Auslegung hat der Verwaltungsgerichtshof vorgenommen, indem er berücksichtigt hat, dass der Klägerin ihre Eigentümerstellung hinsichtlich der in der Anlage zu den Bescheiden genau bezeichneten Grundstücke ebenso bekannt war wie ihre Beitragspflicht aufgrund des Anschlusses ihres Betriebs an die neu errichtete Schmutzwasserentsorgungsanlage der Beklagten. Als weiteren wesentlichen und der Klägerin bekannten Teil der Vorgeschichte der Bescheide hat der Verwaltungsgerichtshof den an die "... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH" gerichteten und beglichenen Vorausleistungsbescheid vom 14. Dezember 2001 und insbesondere das nach Erlöschen der "... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH" an deren Rechtsnachfolgerin gerichtete Schreiben der Beklagten vom 28. August 2002, mit dem die Klägerin als Grundstückseigentümerin über ihre bevorstehende Heranziehung zu den Kosten des Klärwerks informiert wurde, angesehen. Die Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, der Rechtsvorgängerin der Klägerin habe aufgrund dieser Umstände bei Erhalt der Bescheide "auf den ersten Blick" klar sein müssen, dass sie selbst als aktuelle Eigentümerin der Grundstücke des Kalkwerks und nicht die bereits seit Jahren erloschene "... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH" herangezogen werden sollte und lediglich die Adressierung versehentlich fehlerhaft war, weist einen Rechtsfehler nicht auf.

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Die Rüge der Klägerin, bei einer eindeutigen Adressierung eines Bescheides könne sich aus einem zeitlich vorangehenden Bescheid allenfalls ergeben, dass unklar sei, welches Rechtssubjekt der später ergangene Bescheid betreffe, übersieht, dass die Auslegung stets einer Gesamtbetrachtung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls bedarf und das Berufungsgericht gerade nicht nur auf die Ankündigung der Beklagten, die Rechtsvorgängerin der Klägerin heranziehen zu wollen, sondern zusätzlich darauf abgestellt hat, dass für die Klägerin ohne Weiteres erkennbar war, dass sie für den ihr gewährten Vorteil des Anschlusses an die kommunale Kläranlage beitragspflichtig und daher Adressatin der Beitragsforderung war. Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge der Klägerin, bei einer Auslegung nach § 133 BGB sei der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen und der Sachbearbeiter der Beklagten habe nach den tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts in den Bescheiden bewusst und gewollt die "... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH" als Adressatin bezeichnet. Entsprechend den zu empfangsbedürftigen Willenserklärungen im Zivilrecht entwickelten Grundsätzen ist bei Verwaltungsakten nicht auf den wirklichen Willen des Erklärenden (sog. natürliche Auslegung), sondern - wie oben dargelegt - auf die objektive Erklärungsbedeutung (sog. normative Auslegung), wie sie der Empfänger verstehen musste, abzustellen (stRspr, Urteil vom 2. September 1999 - BVerwG 2 C 22.98 - BVerwGE 109, 283 <286>; BFH, Urteil vom 26. August 1982 - IV R 31/82 - BFHE 136, 351 m.w.N; vgl. zum Zivilrecht Ellenberger, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 71. Aufl. 2012, § 133 Rn. 7, 9). Dass der Abgabenbescheid Grundlage für die Zwangsvollstreckung gegen den Abgabenschuldner ist, führt zu keiner anderen Beurteilung. Soweit die Klägerin unter Hinweis auf zivilrechtliche Grundsätze geltend macht, aufgrund der Formenstrenge des Zwangsvollstreckungsverfahrens komme eine Auslegung eines Titels durch außerhalb des Titels liegende Umstände nicht in Betracht, übersieht sie, dass auch im Zivilrecht Umstände außerhalb des Titels berücksichtigt werden können, wenn dem nicht berechtigte Schutzinteressen des Vollstreckungsschuldners entgegenstehen. Solche verneint der Bundesgerichtshof dann, wenn Prozess- und Vollstreckungsgericht identisch sind und daher auch das Vollstreckungsgericht über die für die Auslegung des Titels erforderlichen Kenntnisse verfügt (BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2003 - I ZB 45/02 - BGHZ 156, <339>). Hiermit vergleichbar ist die Situation bei der zwangsweisen Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Abgaben durch die den Abgabenbescheid erlassende Behörde, die zudem bei der Vollstreckung weitergehenden rechtlichen Bindungen als ein privater Gläubiger unterworfen ist.


Tenor

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 10. März 2015 wird abgelehnt.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Zulassungsverfahren wird auf 18.750,00 € festgesetzt.

Gründe

1

Der Berufungszulassungsantrag hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 5 VwGO liegen nicht vor.

2

Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen die Verfügung vom 17. Dezember 2013, wonach der Kläger ein ihm gehörendes Gebäude überwiegend abbrechen soll, mit der Begründung abgewiesen, dass die Behörde sich zu Recht auf die Ermächtigung in § 82 Satz 1 LBauO gestützt habe. Danach dürfe der Abbruch baulicher Anlagen verlangt werden, soweit diese nicht genutzt würden und im Verfall begriffen seien. Das Haus des Klägers werde unstreitig seit über 20 Jahren, wahrscheinlich aber bereits seit der Zeit vor dem Erwerb durch den Kläger im Jahr 1993, nicht mehr genutzt. Es sei auch „im Verfall begriffen“, weil es in seiner baulichen Substanz beeinträchtigt und eine Vergrößerung der bereits vorhandenen Schäden zu erwarten sei. Der schlechte Zustand des Hauses und die Notwendigkeit von Sanierungsmaßnahmen ergebe sich schon aus dem Gutachten des Sachverständigen L. vom August 2010, ferner aber auch aus den Feststellungen im Verkehrswertgutachten des Sachverständigen B. vom Dezember 2014. Ohne eine umfassende Sanierung des Hauses sei eine Nutzung auf keinen Fall möglich. Selbst wenn das Haus noch standsicher wäre, würde dies der Annahme eines Verfallsprozesses nicht entgegenstehen. Das Vorliegen einer unmittelbaren Gefahr sei hierfür nicht erforderlich. Der Erlass der Abbruchanordnung sei auch nicht unverhältnismäßig. Der Kläger habe nicht erkennen lassen, dass er die ernsthafte Absicht habe, das Haus innerhalb einer angemessenen Zeitspanne zu sanieren und wiederzuverwenden. Dies gelte auch für eine – von dem Kläger als ausreichend angesehene – Sanierung auf relativ niedrigem Niveau. Der Kläger habe seit vielen Jahren weder aus eigener Initiative zum Erhalt des Gebäudes beigetragen, noch sei er den dazu getroffenen Anordnungen der Bauaufsichtsbehörde nachgekommen. Eine ernsthafte Nutzungsabsicht sei nicht erkennbar.

3

1. An der Richtigkeit dieses Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

4

Nach § 82 Satz 1 LBauO kann die Bauaufsichtsbehörde den Abbruch einer baulichen Anlage anordnen, soweit diese nicht genutzt wird und im Verfall begriffen ist. Diese Ermächtigungsgrundlage ist bei einer im Lichte der Eigentumsgarantie erfolgenden Auslegung und Anwendung mit Art. 14 GG vereinbar (vgl. OVG RP, Urteil vom 22. April 1999 – 1 A 11193/98.OVG –, AS 27, 353 (357) – zu der Vorgängervorschrift in § 78a LBauO 1995). Insbesondere sind die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigung hinreichend bestimmt.

5

So wird ein Gebäude „nicht genutzt“ i.S.v. § 82 Satz 1 LBauO, wenn eine Nutzung über einen längeren Zeitraum – mindestens über mehrere Jahre hinweg – nicht erfolgt (vgl. OVG RP, a.a.O., S. 354). Diese Voraussetzung liegt hier vor, da das Haus des Klägers unstreitig seit über 20 Jahren, wahrscheinlich sogar seit der Zeit vor dem Erwerb des Hauses durch den Kläger im Jahre 1993, nicht mehr genutzt worden ist. Das Haus ist auch „im Verfall begriffen“. Diese Tatbestandsvoraussetzung ist erfüllt, wenn das Gebäude in seiner baulichen Substanz beeinträchtigt und eine Vergrößerung der bereits vorhandenen Schäden zu erwarten ist; wobei eine völlige Unbrauchbarkeit oder Zerstörung der Bausubstanz nicht eingetreten sein muss (vgl. OVG RP, a.a.O., S. 354). Auch diese Voraussetzung ist hier erfüllt.

6

Wie sich aus den zahlreichen in den Akten befindlichen Fotografien ergibt, ist die Substanz des Gebäudes stark beeinträchtigt. Nach dem Gutachten des Dipl.-Ing. L. vom 9. August 2010 weist vor allem die Südseite des Gebäudes starke Mängel auf, die die Standsicherheit dieses Wandteils und damit des gesamten Gebäudes gefährdet. Der Sanierungsbedarf dieses Gebäudeteils wird von dem Kläger auch im Berufungszulassungsverfahren anerkannt. Nach den Feststellungen im Verkehrswertgutachten des Sachverständigen B. vom 8. Dezember 2014 sind die Treppen im Hausinneren „nur unter Lebensgefahr“ begehbar, was von dem Kläger in seinem Schriftsatz vom 5. März 2015 ebenfalls nicht bestritten wird (vgl. S. 8 dieses Schriftsatzes). Darüber hinaus fehlen dem Gebäude in weitem Umfang die Fenster; die provisorisch angebrachten Plastikplanen sind überwiegend verschlissen bzw. abgerissen. Aus dieser Gesamtschau geht hervor, dass das Gebäude des Klägers seit Jahrzehnten in einem Verfallsprozess begriffen ist.

7

In einem solchen Fall ermächtigt § 82 Satz 1 LBauO die Bauaufsichtsbehörde dazu, den Verfallsprozess im Interesse des Orts- und Landschaftsbildes und der Beseitigung städtebaulicher Missstände durch den Erlass einer Abbruchanordnung abzukürzen. Hierin liegt eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums, denn eine abgängige Bausubstanz, die sich als städtebaulichen Missstand darstellt, genießt angesichts der Sozialbindung des Eigentums keinen eigentumsrechtlichen Bestandsschutz mehr (vgl. OVG RP, a.a.O., S. 357; Guckelberger, NVwZ 2010, 743 [744 und 746]). Die auf die Nichtnutzung und den Verfallsprozess eines Gebäudes abstellende Ermächtigung erfordert daher – entgegen der Auffassung des Klägers – auch keine unmittelbar drohende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, wenn auch baurechtswidrige Zustände regelmäßig – wie hier - mit erfüllt sein werden. Umgekehrt erweist sich das Abbruchverlangen wegen eines im Verfall begriffenen Gebäudes dann als eine unverhältnismäßige Einschränkung der Eigentumsgarantie in Art. 14 Abs. 1 GG, wenn der Verfallsprozess unterbrochen und die Bausubstanz einer Wiederverwendung zugeführt wird.

8

Aber auch vor diesem Hintergrund hat das Verwaltungsgericht zutreffend entschieden, dass der Beklagte hier in verhältnismäßiger Art und Weise von der Eingriffsermächtigung Gebrauch gemacht hat. Denn für die Unverhältnismäßigkeit des Einschreitens sind bloße verbale Absichtsbekundungen des Eigentümers nicht ausreichend (vgl. OVG Nds., Beschluss vom 15. November 2013 – 1 LA 65/13 –, BauR 2014, 1132 und juris, Rn. 12). Vielmehr muss sich aufgrund objektiver Umstände die ernsthafte Absicht des Eigentümers feststellen lassen, innerhalb einer angemessenen Zeitspanne die noch vorhandene Bausubstanz zu sanieren und sie einer Wiederverwendung zuzuführen. Je länger das Bauwerk ungenutzt und je weniger an Bausubstanz vorhanden ist, desto mehr konkrete Anhaltspunkte müssen für eine ernsthafte, zeitnahe Wiederverwendungsabsicht des Eigentümers vorhanden sein (vgl. OVG RP, a.a.O., S. 355).

9

Wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, fehlt es hier an solchen objektiven Umständen. Der Kläger hat im erstinstanzlichen Verfahren über die Behauptung hinaus, in den nächsten ein bis zwei Jahren Renovierungsarbeiten durchführen zu wollen, nicht konkret dargelegt, durch welche Maßnahmen er den Verfallsprozess stoppen und das Haus einer Wiederverwendung zuführen will. Lediglich im Verlauf des Berufungszulassungsverfahrens hat er - auf Anraten seines Prozessbevollmächtigten (vgl. Schriftsatz vom 19. Juni 2015, S. 6) - Arbeiten an der Süd-Ostecke des Gebäudes vorgenommen. So hat er im parallelen Eilrechtsschutzverfahren - 8 B 10554/15.OVG - mit Schriftsatz vom 6. Juli 2015 vortragen lassen, über dem Kellereingang einen Stahlträger eingezogen und den entsprechenden Bereich der Süd-Ostkante ausbetoniert zu haben. Mit diesen Maßnahmen hat er aber schon nicht den bestandskräftigen, auf den Feststellungen von Dipl.-Ing. L. beruhenden Standsicherheitsanforderungen aus der Sanierungsverfügung des Beklagten vom 5. Juli 2012 genügt. Wie sich aus dem Feststellungs-/Abnahmevermerk des Baukontrolleurs vom 6. Juli 2015 und den dazu erstellten Fotos ergibt, ist der Einbau des Stahlträgers vollkommen unfachmännisch und ohne die in der Verfügung vom 5. Juli 2012 geforderte Überwachung durch einen Fachingenieur erfolgt. Durch die Maßnahme habe sich das Mauerwerk über dem Sturz weiter destabilisiert; der Riss im Außenmauerwerk unterhalb des Fensters habe sich vergrößert; die beigemauerten Ziegelsteine seien nicht im Verband hergestellt worden, was sich ebenfalls nachteilig auf die Standsicherheit des Gebäudes auswirke; es bestehe weiterhin die Gefahr, dass jederzeit Gebäudeteile auf die Straße stürzten.

10

Diese Maßnahme kann nicht als ernsthafter Versuch gewertet werden, den Verfallsprozess des Gebäudes zu stoppen und dessen Sanierung mit dem Ziel einer Wiederverwendung der Bausubstanz in angemessener Zeit einzuleiten. Vielmehr ist der unfachmännische Einbau eines Stahlträgers offensichtlich nur dem Druck des Verfahrens geschuldet. Darüber hinaus lässt der Kläger weiterhin jegliche nachvollziehbare Darlegung dazu vermissen, welche weiteren Maßnahmen zur Sanierung des Hauses in welchen Abständen angegangen werden und von welchen Mitteln diese Maßnahmen getragen werden sollen. Das Gebäude des Klägers ist demnach weiterhin im Verfall begriffen.

11

2. Die Berufung ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zuzulassen.

12

Für das Verwaltungsgericht bestand – ebenso wie für den Senat – kein Anlass zur Durchführung einer Ortsbesichtigung. Der Zustand des Hauses ist durch die zahlreichen, den Bauzustand kontinuierlich über die letzten Jahre hinweg dokumentierenden Lichtbilder sowie die ausführlichen Feststellungen im Standsicherheitsgutachten von Dipl.-Ing. L. und dem Verkehrswertgutachten des Sachverständigen B. ausreichend dokumentiert, so dass sich die Durchführung einer Ortsbesichtigung erübrigt (vgl. ebenso: OVG RP, a.a.O., S. 355).

13

Das Verwaltungsgericht war auch nicht verpflichtet, den für den 10. März 2015 anberaumten Termin der mündlichen Verhandlung zu verlegen. Die Terminsänderung liegt im Ermessen des Gerichts (§ 173 VwGO i.V.m. § 227 Abs. 1 ZPO). Der in erster Instanz nicht anwaltlich vertretene Kläger hat einen Terminsverlegungsantrag nicht gestellt. Wie sich aus dem Protokoll zur mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts ergibt, hat er lediglich vor dem Termin dem Gericht gegenüber angekündigt, „wahrscheinlich krankheitshalber nicht kommen zu können“ (vgl. Bl. 136 der Gerichtsakte). Hätte er ein Interesse daran gehabt, im Termin vor dem Verwaltungsgericht seinen Standpunkt zu vertreten, hätte es nahegelegen, um die Verlegung des Termins zu bitten. Dies ist nicht geschehen. Angesichts des Hinweises in der Ladung vom 21. Januar 2015, dass im Fall seines Ausbleibens auch ohne ihn „Beweis erhoben, verhandelt und entschieden werden“ könne und angesichts des ausführlichen, 11-seitigen Schriftsatzes des Klägers vom 5. März 2015 durfte das Verwaltungsgericht davon ausgehen, dass der Kläger mit einer Verhandlung und Entscheidung der Sache auch ohne seine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung einverstanden war.

14

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

15

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 GKG (vgl. insofern auch den Beschluss des Senats vom heutigen Tage im Verfahren des Klägers - 8 E 10517/15.OVG -).

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.


Tenor

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 10. März 2015 wird abgelehnt.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Zulassungsverfahren wird auf 18.750,00 € festgesetzt.

Gründe

1

Der Berufungszulassungsantrag hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 5 VwGO liegen nicht vor.

2

Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen die Verfügung vom 17. Dezember 2013, wonach der Kläger ein ihm gehörendes Gebäude überwiegend abbrechen soll, mit der Begründung abgewiesen, dass die Behörde sich zu Recht auf die Ermächtigung in § 82 Satz 1 LBauO gestützt habe. Danach dürfe der Abbruch baulicher Anlagen verlangt werden, soweit diese nicht genutzt würden und im Verfall begriffen seien. Das Haus des Klägers werde unstreitig seit über 20 Jahren, wahrscheinlich aber bereits seit der Zeit vor dem Erwerb durch den Kläger im Jahr 1993, nicht mehr genutzt. Es sei auch „im Verfall begriffen“, weil es in seiner baulichen Substanz beeinträchtigt und eine Vergrößerung der bereits vorhandenen Schäden zu erwarten sei. Der schlechte Zustand des Hauses und die Notwendigkeit von Sanierungsmaßnahmen ergebe sich schon aus dem Gutachten des Sachverständigen L. vom August 2010, ferner aber auch aus den Feststellungen im Verkehrswertgutachten des Sachverständigen B. vom Dezember 2014. Ohne eine umfassende Sanierung des Hauses sei eine Nutzung auf keinen Fall möglich. Selbst wenn das Haus noch standsicher wäre, würde dies der Annahme eines Verfallsprozesses nicht entgegenstehen. Das Vorliegen einer unmittelbaren Gefahr sei hierfür nicht erforderlich. Der Erlass der Abbruchanordnung sei auch nicht unverhältnismäßig. Der Kläger habe nicht erkennen lassen, dass er die ernsthafte Absicht habe, das Haus innerhalb einer angemessenen Zeitspanne zu sanieren und wiederzuverwenden. Dies gelte auch für eine – von dem Kläger als ausreichend angesehene – Sanierung auf relativ niedrigem Niveau. Der Kläger habe seit vielen Jahren weder aus eigener Initiative zum Erhalt des Gebäudes beigetragen, noch sei er den dazu getroffenen Anordnungen der Bauaufsichtsbehörde nachgekommen. Eine ernsthafte Nutzungsabsicht sei nicht erkennbar.

3

1. An der Richtigkeit dieses Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

4

Nach § 82 Satz 1 LBauO kann die Bauaufsichtsbehörde den Abbruch einer baulichen Anlage anordnen, soweit diese nicht genutzt wird und im Verfall begriffen ist. Diese Ermächtigungsgrundlage ist bei einer im Lichte der Eigentumsgarantie erfolgenden Auslegung und Anwendung mit Art. 14 GG vereinbar (vgl. OVG RP, Urteil vom 22. April 1999 – 1 A 11193/98.OVG –, AS 27, 353 (357) – zu der Vorgängervorschrift in § 78a LBauO 1995). Insbesondere sind die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigung hinreichend bestimmt.

5

So wird ein Gebäude „nicht genutzt“ i.S.v. § 82 Satz 1 LBauO, wenn eine Nutzung über einen längeren Zeitraum – mindestens über mehrere Jahre hinweg – nicht erfolgt (vgl. OVG RP, a.a.O., S. 354). Diese Voraussetzung liegt hier vor, da das Haus des Klägers unstreitig seit über 20 Jahren, wahrscheinlich sogar seit der Zeit vor dem Erwerb des Hauses durch den Kläger im Jahre 1993, nicht mehr genutzt worden ist. Das Haus ist auch „im Verfall begriffen“. Diese Tatbestandsvoraussetzung ist erfüllt, wenn das Gebäude in seiner baulichen Substanz beeinträchtigt und eine Vergrößerung der bereits vorhandenen Schäden zu erwarten ist; wobei eine völlige Unbrauchbarkeit oder Zerstörung der Bausubstanz nicht eingetreten sein muss (vgl. OVG RP, a.a.O., S. 354). Auch diese Voraussetzung ist hier erfüllt.

6

Wie sich aus den zahlreichen in den Akten befindlichen Fotografien ergibt, ist die Substanz des Gebäudes stark beeinträchtigt. Nach dem Gutachten des Dipl.-Ing. L. vom 9. August 2010 weist vor allem die Südseite des Gebäudes starke Mängel auf, die die Standsicherheit dieses Wandteils und damit des gesamten Gebäudes gefährdet. Der Sanierungsbedarf dieses Gebäudeteils wird von dem Kläger auch im Berufungszulassungsverfahren anerkannt. Nach den Feststellungen im Verkehrswertgutachten des Sachverständigen B. vom 8. Dezember 2014 sind die Treppen im Hausinneren „nur unter Lebensgefahr“ begehbar, was von dem Kläger in seinem Schriftsatz vom 5. März 2015 ebenfalls nicht bestritten wird (vgl. S. 8 dieses Schriftsatzes). Darüber hinaus fehlen dem Gebäude in weitem Umfang die Fenster; die provisorisch angebrachten Plastikplanen sind überwiegend verschlissen bzw. abgerissen. Aus dieser Gesamtschau geht hervor, dass das Gebäude des Klägers seit Jahrzehnten in einem Verfallsprozess begriffen ist.

7

In einem solchen Fall ermächtigt § 82 Satz 1 LBauO die Bauaufsichtsbehörde dazu, den Verfallsprozess im Interesse des Orts- und Landschaftsbildes und der Beseitigung städtebaulicher Missstände durch den Erlass einer Abbruchanordnung abzukürzen. Hierin liegt eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums, denn eine abgängige Bausubstanz, die sich als städtebaulichen Missstand darstellt, genießt angesichts der Sozialbindung des Eigentums keinen eigentumsrechtlichen Bestandsschutz mehr (vgl. OVG RP, a.a.O., S. 357; Guckelberger, NVwZ 2010, 743 [744 und 746]). Die auf die Nichtnutzung und den Verfallsprozess eines Gebäudes abstellende Ermächtigung erfordert daher – entgegen der Auffassung des Klägers – auch keine unmittelbar drohende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, wenn auch baurechtswidrige Zustände regelmäßig – wie hier - mit erfüllt sein werden. Umgekehrt erweist sich das Abbruchverlangen wegen eines im Verfall begriffenen Gebäudes dann als eine unverhältnismäßige Einschränkung der Eigentumsgarantie in Art. 14 Abs. 1 GG, wenn der Verfallsprozess unterbrochen und die Bausubstanz einer Wiederverwendung zugeführt wird.

8

Aber auch vor diesem Hintergrund hat das Verwaltungsgericht zutreffend entschieden, dass der Beklagte hier in verhältnismäßiger Art und Weise von der Eingriffsermächtigung Gebrauch gemacht hat. Denn für die Unverhältnismäßigkeit des Einschreitens sind bloße verbale Absichtsbekundungen des Eigentümers nicht ausreichend (vgl. OVG Nds., Beschluss vom 15. November 2013 – 1 LA 65/13 –, BauR 2014, 1132 und juris, Rn. 12). Vielmehr muss sich aufgrund objektiver Umstände die ernsthafte Absicht des Eigentümers feststellen lassen, innerhalb einer angemessenen Zeitspanne die noch vorhandene Bausubstanz zu sanieren und sie einer Wiederverwendung zuzuführen. Je länger das Bauwerk ungenutzt und je weniger an Bausubstanz vorhanden ist, desto mehr konkrete Anhaltspunkte müssen für eine ernsthafte, zeitnahe Wiederverwendungsabsicht des Eigentümers vorhanden sein (vgl. OVG RP, a.a.O., S. 355).

9

Wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, fehlt es hier an solchen objektiven Umständen. Der Kläger hat im erstinstanzlichen Verfahren über die Behauptung hinaus, in den nächsten ein bis zwei Jahren Renovierungsarbeiten durchführen zu wollen, nicht konkret dargelegt, durch welche Maßnahmen er den Verfallsprozess stoppen und das Haus einer Wiederverwendung zuführen will. Lediglich im Verlauf des Berufungszulassungsverfahrens hat er - auf Anraten seines Prozessbevollmächtigten (vgl. Schriftsatz vom 19. Juni 2015, S. 6) - Arbeiten an der Süd-Ostecke des Gebäudes vorgenommen. So hat er im parallelen Eilrechtsschutzverfahren - 8 B 10554/15.OVG - mit Schriftsatz vom 6. Juli 2015 vortragen lassen, über dem Kellereingang einen Stahlträger eingezogen und den entsprechenden Bereich der Süd-Ostkante ausbetoniert zu haben. Mit diesen Maßnahmen hat er aber schon nicht den bestandskräftigen, auf den Feststellungen von Dipl.-Ing. L. beruhenden Standsicherheitsanforderungen aus der Sanierungsverfügung des Beklagten vom 5. Juli 2012 genügt. Wie sich aus dem Feststellungs-/Abnahmevermerk des Baukontrolleurs vom 6. Juli 2015 und den dazu erstellten Fotos ergibt, ist der Einbau des Stahlträgers vollkommen unfachmännisch und ohne die in der Verfügung vom 5. Juli 2012 geforderte Überwachung durch einen Fachingenieur erfolgt. Durch die Maßnahme habe sich das Mauerwerk über dem Sturz weiter destabilisiert; der Riss im Außenmauerwerk unterhalb des Fensters habe sich vergrößert; die beigemauerten Ziegelsteine seien nicht im Verband hergestellt worden, was sich ebenfalls nachteilig auf die Standsicherheit des Gebäudes auswirke; es bestehe weiterhin die Gefahr, dass jederzeit Gebäudeteile auf die Straße stürzten.

10

Diese Maßnahme kann nicht als ernsthafter Versuch gewertet werden, den Verfallsprozess des Gebäudes zu stoppen und dessen Sanierung mit dem Ziel einer Wiederverwendung der Bausubstanz in angemessener Zeit einzuleiten. Vielmehr ist der unfachmännische Einbau eines Stahlträgers offensichtlich nur dem Druck des Verfahrens geschuldet. Darüber hinaus lässt der Kläger weiterhin jegliche nachvollziehbare Darlegung dazu vermissen, welche weiteren Maßnahmen zur Sanierung des Hauses in welchen Abständen angegangen werden und von welchen Mitteln diese Maßnahmen getragen werden sollen. Das Gebäude des Klägers ist demnach weiterhin im Verfall begriffen.

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2. Die Berufung ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zuzulassen.

12

Für das Verwaltungsgericht bestand – ebenso wie für den Senat – kein Anlass zur Durchführung einer Ortsbesichtigung. Der Zustand des Hauses ist durch die zahlreichen, den Bauzustand kontinuierlich über die letzten Jahre hinweg dokumentierenden Lichtbilder sowie die ausführlichen Feststellungen im Standsicherheitsgutachten von Dipl.-Ing. L. und dem Verkehrswertgutachten des Sachverständigen B. ausreichend dokumentiert, so dass sich die Durchführung einer Ortsbesichtigung erübrigt (vgl. ebenso: OVG RP, a.a.O., S. 355).

13

Das Verwaltungsgericht war auch nicht verpflichtet, den für den 10. März 2015 anberaumten Termin der mündlichen Verhandlung zu verlegen. Die Terminsänderung liegt im Ermessen des Gerichts (§ 173 VwGO i.V.m. § 227 Abs. 1 ZPO). Der in erster Instanz nicht anwaltlich vertretene Kläger hat einen Terminsverlegungsantrag nicht gestellt. Wie sich aus dem Protokoll zur mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts ergibt, hat er lediglich vor dem Termin dem Gericht gegenüber angekündigt, „wahrscheinlich krankheitshalber nicht kommen zu können“ (vgl. Bl. 136 der Gerichtsakte). Hätte er ein Interesse daran gehabt, im Termin vor dem Verwaltungsgericht seinen Standpunkt zu vertreten, hätte es nahegelegen, um die Verlegung des Termins zu bitten. Dies ist nicht geschehen. Angesichts des Hinweises in der Ladung vom 21. Januar 2015, dass im Fall seines Ausbleibens auch ohne ihn „Beweis erhoben, verhandelt und entschieden werden“ könne und angesichts des ausführlichen, 11-seitigen Schriftsatzes des Klägers vom 5. März 2015 durfte das Verwaltungsgericht davon ausgehen, dass der Kläger mit einer Verhandlung und Entscheidung der Sache auch ohne seine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung einverstanden war.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

15

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 GKG (vgl. insofern auch den Beschluss des Senats vom heutigen Tage im Verfahren des Klägers - 8 E 10517/15.OVG -).

(1) Der Arbeitgeber hat bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen die folgenden Schutzmaßnahmen zu ergreifen:

1.
geeignete Gestaltung des Arbeitsplatzes und geeignete Arbeitsorganisation,
2.
Bereitstellung geeigneter Arbeitsmittel für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen und geeignete Wartungsverfahren zur Gewährleistung der Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten bei der Arbeit,
3.
Begrenzung der Anzahl der Beschäftigten, die Gefahrstoffen ausgesetzt sind oder ausgesetzt sein können,
4.
Begrenzung der Dauer und der Höhe der Exposition,
5.
angemessene Hygienemaßnahmen, insbesondere zur Vermeidung von Kontaminationen, und die regelmäßige Reinigung des Arbeitsplatzes,
6.
Begrenzung der am Arbeitsplatz vorhandenen Gefahrstoffe auf die Menge, die für den Fortgang der Tätigkeiten erforderlich ist,
7.
geeignete Arbeitsmethoden und Verfahren, welche die Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten nicht beeinträchtigen oder die Gefährdung so gering wie möglich halten, einschließlich Vorkehrungen für die sichere Handhabung, Lagerung und Beförderung von Gefahrstoffen und von Abfällen, die Gefahrstoffe enthalten, am Arbeitsplatz.

(2) Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass

1.
alle verwendeten Stoffe und Gemische identifizierbar sind,
2.
gefährliche Stoffe und Gemische innerbetrieblich mit einer Kennzeichnung versehen sind, die ausreichende Informationen über die Einstufung, über die Gefahren bei der Handhabung und über die zu beachtenden Sicherheitsmaßnahmen enthält; vorzugsweise ist eine Kennzeichnung zu wählen, die der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 entspricht,
3.
Apparaturen und Rohrleitungen so gekennzeichnet sind, dass mindestens die enthaltenen Gefahrstoffe sowie die davon ausgehenden Gefahren eindeutig identifizierbar sind.
Kennzeichnungspflichten nach anderen Rechtsvorschriften bleiben unberührt. Solange der Arbeitgeber den Verpflichtungen nach Satz 1 nicht nachgekommen ist, darf er Tätigkeiten mit den dort genannten Stoffen und Gemischen nicht ausüben lassen. Satz 1 Nummer 2 gilt nicht für Stoffe, die für Forschungs- und Entwicklungszwecke oder für wissenschaftliche Lehrzwecke neu hergestellt worden sind und noch nicht geprüft werden konnten. Eine Exposition der Beschäftigten bei Tätigkeiten mit diesen Stoffen ist zu vermeiden.

(3) Der Arbeitgeber hat gemäß den Ergebnissen der Gefährdungsbeurteilung nach § 6 sicherzustellen, dass die Beschäftigten in Arbeitsbereichen, in denen sie Gefahrstoffen ausgesetzt sein können, keine Nahrungs- oder Genussmittel zu sich nehmen. Der Arbeitgeber hat hierfür vor Aufnahme der Tätigkeiten geeignete Bereiche einzurichten.

(4) Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass durch Verwendung verschließbarer Behälter eine sichere Lagerung, Handhabung und Beförderung von Gefahrstoffen auch bei der Abfallentsorgung gewährleistet ist.

(5) Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass Gefahrstoffe so aufbewahrt oder gelagert werden, dass sie weder die menschliche Gesundheit noch die Umwelt gefährden. Er hat dabei wirksame Vorkehrungen zu treffen, um Missbrauch oder Fehlgebrauch zu verhindern. Insbesondere dürfen Gefahrstoffe nicht in solchen Behältern aufbewahrt oder gelagert werden, durch deren Form oder Bezeichnung der Inhalt mit Lebensmitteln verwechselt werden kann. Sie dürfen nur übersichtlich geordnet und nicht in unmittelbarer Nähe von Arznei-, Lebens- oder Futtermitteln, einschließlich deren Zusatzstoffe, aufbewahrt oder gelagert werden. Bei der Aufbewahrung zur Abgabe oder zur sofortigen Verwendung muss eine Kennzeichnung nach Absatz 2 deutlich sichtbar und lesbar angebracht sein.

(6) Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass Gefahrstoffe, die nicht mehr benötigt werden, und entleerte Behälter, die noch Reste von Gefahrstoffen enthalten können, sicher gehandhabt, vom Arbeitsplatz entfernt und sachgerecht gelagert oder entsorgt werden.

(7) Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass Stoffe und Gemische, die als akut toxisch Kategorie 1, 2 oder 3, spezifisch zielorgantoxisch Kategorie 1, krebserzeugend Kategorie 1A oder 1B oder keimzellmutagen Kategorie 1A oder 1B eingestuft sind, unter Verschluss oder so aufbewahrt oder gelagert werden, dass nur fachkundige und zuverlässige Personen Zugang haben. Tätigkeiten mit diesen Stoffen und Gemischen dürfen nur von fachkundigen oder besonders unterwiesenen Personen ausgeführt werden. Satz 2 gilt auch für Tätigkeiten mit Stoffen und Gemischen, die als reproduktionstoxisch Kategorie 1A oder 1B oder als atemwegssensibilisierend eingestuft sind. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Kraftstoffe an Tankstellen oder sonstigen Betankungseinrichtungen sowie für Stoffe und Gemische, die als akut toxisch Kategorie 3 eingestuft sind, sofern diese vormals nach der Richtlinie 67/548/EWG oder der Richtlinie 1999/45/EG als gesundheitsschädlich bewertet wurden. Hinsichtlich der Bewertung als gesundheitsschädlich sind die entsprechenden nach § 20 Absatz 4 Nummer 1 bekannt gegebenen Regeln und Erkenntnisse zu berücksichtigen.

(8) Der Arbeitgeber hat bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen nach Anhang I Nummer 2 bis 5 sowohl die §§ 6 bis 18 als auch die betreffenden Vorschriften des Anhangs I Nummer 2 bis 5 zu beachten.

(1) Der Arbeitgeber hat auf der Grundlage der Gefährdungsbeurteilung Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten und anderer Personen vor physikalisch-chemischen Einwirkungen zu ergreifen. Er hat die Maßnahmen so festzulegen, dass die Gefährdungen vermieden oder so weit wie möglich verringert werden. Dies gilt insbesondere bei Tätigkeiten einschließlich Lagerung, bei denen es zu Brand- und Explosionsgefährdungen kommen kann. Dabei hat der Arbeitgeber Anhang I Nummer 1 und 5 zu beachten. Die Vorschriften des Sprengstoffgesetzes und der darauf gestützten Rechtsvorschriften bleiben unberührt.

(2) Zur Vermeidung von Brand- und Explosionsgefährdungen hat der Arbeitgeber Maßnahmen nach folgender Rangfolge zu ergreifen:

1.
gefährliche Mengen oder Konzentrationen von Gefahrstoffen, die zu Brand- oder Explosionsgefährdungen führen können, sind zu vermeiden,
2.
Zündquellen oder Bedingungen, die Brände oder Explosionen auslösen können, sind zu vermeiden,
3.
schädliche Auswirkungen von Bränden oder Explosionen auf die Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten und anderer Personen sind so weit wie möglich zu verringern.

(3) Arbeitsbereiche, Arbeitsplätze, Arbeitsmittel und deren Verbindungen untereinander müssen so konstruiert, errichtet, zusammengebaut, installiert, verwendet und instand gehalten werden, dass keine Brand- und Explosionsgefährdungen auftreten.

(4) Bei Tätigkeiten mit organischen Peroxiden hat der Arbeitgeber über die Bestimmungen der Absätze 1 und 2 sowie des Anhangs I Nummer 1 hinaus insbesondere Maßnahmen zu treffen, die die

1.
Gefahr einer unbeabsichtigten Explosion minimieren und
2.
Auswirkungen von Bränden und Explosionen beschränken.
Dabei hat der Arbeitgeber Anhang III zu beachten.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 3. April 2012 - 6 K 3427/11 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Beteiligten streiten über die dem Kläger durch die Bodenschutz- und Altlastenbehörde auferlegte Verpflichtung, seine persönlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse anhand von Unterlagen nachzuweisen.
Der Kläger betrieb von 1969 bis 1995 auf dem Grundstück ...... (...) in ..., welches nicht in seinem Eigentum stand, eine chemische Reinigung. Auf diesem Grundstück wurde im Jahre 2003 im Rahmen einer Gefahrverdachtserkundung eine hohe bis sehr hohe Belastung der Bodenluft mit leichtflüchtigen, halogenierten Kohlenwasserstoffen (LHKW) sowie eine Grundwasserverunreinigung festgestellt. Das Landratsamt ... forderte mit einer für sofort vollziehbar erklärten Verfügung vom 21.09.2009 den Grundstückseigentümer auf, eine erweiterte Detailuntersuchung nach § 9 Abs. 2 BBodSchG durchzuführen. Mit Beschluss vom 07.12.2009 (Az. 6 K 2978/09) stellte das Verwaltungsgericht Karlsruhe die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen diese Verfügung mit der Begründung her, sie leide an einem Ermessensfehler, da die Auswahl des herangezogenen Grundstückseigentümers als Störer allein auf der Erwägung beruhe, der weiter in Betracht kommende Handlungsstörer - also der Kläger des gegenständlichen Verfahrens -sei vermögenslos; der Kläger habe seine Vermögenslosigkeit stets nur behauptet, nicht jedoch im erforderlichen Umfang nachgewiesen. Die Störerauswahl könne nicht lediglich auf mehr oder weniger wahrscheinliche Erwartungen gestützt werden, sondern setze eine Sachverhaltsermittlung durch die Behörde voraus. Daraufhin hob das Landratsamt am 18.12.2009 seine Verfügung vom 21.09.2009 auf.
Im Anschluss hieran hörte das Landratsamt den Kläger mit Schreiben vom 12.01.2010 als weiteren möglichen Sanierungsverantwortlichen an und gab ihm Gelegenheit, sich zur der beabsichtigten Entscheidung, insbesondere auch zu seinen aktuellen Finanz- und Vermögensverhältnissen, bis zum 19.02.2010 zu äußern und diese durch Vorlage beglaubigter Kopien nachzuweisen. Nachdem eine Stellungnahme seitens des Klägers ausblieb, wandte sich das Landratsamt mit Schreiben vom 26.02.2010 erneut an den Kläger. In diesem Schreiben forderte das Landratsamt den Kläger „formell auf, die Nachweise über Ihre aktuellen Einkommens- und Vermögensverhältnisse bis zum 17.03.2010 vorzulegen“. Die Behörde wies den Kläger darauf hin, dass die Verweigerung der Vorlage der erforderlichen Unterlagen und Auskünfte eine Ordnungswidrigkeit nach § 17 LBodSchAG darstelle und mit einer Geldbuße bis zu 10.000,-- EUR geahndet werden könne; bei Nichterfüllung der Auskunftspflicht werde ohne weitere Anhörung ein Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet und ein angemessenes Bußgeld festgesetzt. Hiergegen legte der Kläger am 17.03.2010 Widerspruch ein.
In der Folgezeit wurde tatsächlich ein Ordnungswidrigkeitenverfahren durchgeführt und ein Bußgeld in Höhe von 1.000,-- EUR verhängt; der Bußgeldbescheid ist nach Aktenlage noch nicht rechtskräftig. Am 06.09.2010, also noch vor Erlass eines Widerspruchsbescheides, erließ das Landratsamt ... eine weitere Verfügung gegenüber dem Kläger, mit der es ihn - anstelle des Grundstückseigentümers - als Pflichtigen zur Durchführung der erweiterten Detailuntersuchung entsprechend § 9 Abs. 2 BBodSchG heranzieht. Zur Begründung wird darauf hingewiesen, dass die Störerauswahl nun auf den Kläger gefallen sei, da er trotz mehrmaliger Aufforderung seine wahren Vermögens- und Einkommensverhältnisse nicht offengelegt habe. Deshalb sei von seiner Leistungsfähigkeit auszugehen, so dass die pflichtgemäße Ermessensausübung zu einer Heranziehung des Klägers als Verursacher der Bodenverunreinigung führe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.12.2011 wies das Regierungspräsidium Karlsruhe den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte das Regierungspräsidium aus, der Widerspruch sei zwar zulässig, er bleibe jedoch in der Sache ohne Erfolg. Das Schreiben vom 26.02.2010 stelle einen Verwaltungsakt im Sinne von § 35 LVwVfG dar, insbesondere komme ihm Regelungswirkung zu. Die Bodenschutzbehörde habe ihr Auskunftsverlangen in nicht zu beanstandender Weise auf die Rechtsgrundlage des § 3 Abs. 2 Satz 1 LBodSchAG gestützt, die eine Verpflichtung zur Erteilung der erforderlichen Auskünfte statuiere. Hiervon sei auch die Vorlage von Nachweisen hinsichtlich der Einkommens- und Vermögensverhältnissen einer als Sanierungspflichtiger in Betracht kommenden Person erfasst. Die Kenntnis dieser persönlichen Verhältnisse sei für die Bodenschutzbehörde zur Ausübung des Ermessens erforderlich. Im Rahmen der Störerauswahl sei insbesondere der Aspekt der effektiven Gefahrenabwehr zu berücksichtigen; für eine wirksame und zügige Gefahrenabwehr komme es auch auf die finanzielle Leistungsfähigkeit eines zu verpflichtenden Störers an. Voraussetzung für eine fehlerfreie Ermessensausübung sei in jedem Fall, dass die Behörde bei ihrem Handeln von zutreffenden und vollständig ermittelten Tatsachen ausgehe; hierzu sei im vorliegenden Fall die Kenntnis der Behörde von den finanziellen Verhältnissen der in Betracht kommenden Störer erforderlich. Der zu erteilenden Auskunft seien Nachweise über Einkommens- und Vermögensverhältnisse als beglaubigte Kopien beizufügen, bloße Behauptungen reichten nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Karlsruhe nicht.
Der Kläger hat am 23.12.2011 Klage bei dem Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend, die von der Behörde herangezogene Bestimmung des § 3 Abs. 2 LBodSchAG stelle keine Rechtsgrundlage für die aufgegebene Verpflichtung zur Glaubhaftmachung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse dar. Der Anwendungsbereich dieser Norm sei auf „sachliche“ Informationen zur Erfüllung der behördlichen Aufgabe begrenzt. Persönliche Angaben potentiell Sanierungspflichtiger könnten nicht auf der Grundlage des § 3 Abs. 2 LBodSchAG gefordert werden. Er sei daher nicht verpflichtet, intime Daten - wie seine persönlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse - gegenüber dem Umweltamt preiszugeben. Die Bestimmung des § 3 Abs. 2 LBodSchAG sei nach dem Willen des Gesetzgebers und aus verfassungsrechtlichen Gründen einschränkend auszulegen. Sowohl den Gesetzesmaterialien zu der streitgegenständlichen baden-württembergischen Norm als auch den Gesetzesmaterialien anderer Bundesländer zu identischen Normen wie etwa der in Schleswig-Holstein gültigen sei zu entnehmen, dass der Gesetzgeber lediglich an die Erteilung sachlicher, vor allem grundstücksbezogener Informationen gedacht habe. Werde § 3 Abs. 2 LBodSchAG nicht teleologisch reduziert ausgelegt, sei die gesamte Norm aufgrund eines Verstoßes gegen Art. 20 Abs. 3 und Art. 1 Abs. 1 GG nichtig. Im Übrigen sei die Kenntnis der Einkommens- und Vermögensverhältnisse für die Aufgabenerfüllung der Umweltbehörde überhaupt nicht erforderlich; bei Nichterteilung der Auskunft könne sie ohne Weiteres von der Leistungsfähigkeit des in Anspruch genommenen Sanierungsverantwortlichen auszugehen.
Mit Urteil vom 03.04.2012 hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe die Klage als unbegründet abgewiesen. Die Klage sei als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 1. Alt. VwGO statthaft, da es sich bei dem behördlichen Schreiben vom 26.02.2010 um einen Verwaltungsakt im Sinne von § 35 Satz 1 LVwVfG handele. Mit dieser förmlichen Aufforderung stelle das Landratsamt bindend fest, in welchem Umfang der Kläger Informationen über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu erteilen habe; durch die Anordnung werde das Rechtsverhältnis zwischen Behörde und Betroffenem in verbindlicher Weise geregelt. Der Verwaltungsakt habe sich auch nicht durch die am 06.09.2010 ergangene Verfügung auf andere Weise im Sinne von § 43 Abs. 2 LVwVfG erledigt. Denn der mit der Verfügung vom 26.02.2010 erstrebte Regelungszweck, nämlich die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers aufzuklären, um eine ermessensfehlerfreie Störerauswahl treffen zu können, sei nach wie vor erreichbar. Die Klage bleibe jedoch in der Sache ohne Erfolg, da die Behörde die Verfügung in zutreffender Weise auf die Bestimmung des § 3 Abs. 2 LBodSchAG gestützt habe. Der Kläger komme aufgrund von Tatsachen als Verursacher einer schädlichen Bodenveränderung in Betracht. Die Bestimmung ermächtige die Bodenschutzbehörde zur Erhebung sämtlicher Informationen, die zur sachgemäßen Aufgabenerfüllung erforderlich seien. Hierzu könnten im Einzelfall auch Nachweise über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse eines Verursachers einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast gehören, soweit deren Kenntnis zur ordnungsgemäßen Ausübung des Ermessens über die Störerheranziehung erforderlich sei. Im Rahmen der Störerauswahl dürfe die Behörde im Hinblick auf eine effektive Gefahrenbeseitigung auch die finanzielle Leistungsfähigkeit der möglichen Verantwortlichen mit einbeziehen. Für die vom Kläger vorgeschlagene einschränkende Auslegung des § 3 Abs. 2 Satz 1 LBodSchAG ließen sich der allein maßgeblichen baden-württembergischen Gesetzesbegründung keine Anhaltspunkte entnehmen. Mit der vom Kläger gewählten Auslegung bzw. teleologischen Reduktion der Norm dahingehend, dass lediglich sachliche Informationen erfasst seien, würde der Regelungsgehalt weitestgehend leerlaufen, da der Bodenschutzbehörde sachliche Informationen in aller Regel ohne weiteres bereits bekannt seien oder durch fachtechnisches Personal ermittelt werden könnten. Dagegen bestehe für die Behörde keine Möglichkeit, selbst Erkundigungen hinsichtlich der Einkommens- und Vermögensverhältnisse eines potentiell Sanierungsverantwortlichen anzustellen. Die so verstandene Bestimmung des § 3 Abs. 2 Satz 1 LBodSchAG verstoße weder gegen den Bestimmtheitsgrundsatz noch gegen die grundrechtliche Garantie der allgemeinen Handlungsfreiheit. Die Verpflichtung zur Auskunftserteilung und zur Überlassung von Unterlagen stelle ein geeignetes Mittel zur Erreichung des gesetzgeberischen Zieles dar, eine rasche und sichere Beurteilung von schädlichen Bodenveränderungen und Altlasten zu ermöglichen; ein hierzu gleich geeignetes, aber milderes Mittel sei nicht ersichtlich.
Mit Beschluss vom 09.11.2012 - dem Kläger zugestellt am 14.11.2012 - hat der Senat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Mit einem per Telefax am 11.12.2012 eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger die Berufung unter Stellung eines Antrags begründet. Zur Begründung wiederholt und vertieft der Kläger seinen bisherigen Sachvortrag, wonach die Norm des § 3 Abs. 2 Satz 1 LBodSchAG einer einschränkenden Auslegung bedürfe und lediglich dingliche Informationen, nicht jedoch Auskünfte über Einkommens- und Vermögensverhältnisse, erfasse. Das Verwaltungsgericht verkenne bei seiner Argumentation, dass sich § 3 Abs. 2 LBodSchAG von vornherein nur auf sachliche Informationen beziehe. Dies ergebe sich unmittelbar aus den Gesetzesmaterialien, wo ausschließlich Beispiele für sachliche Informationen genannt würden. Die vom Verwaltungsgericht vorgeschlagene unangemessen weite Auslegung führe dazu, dass die Behörde auf der Grundlage von § 3 Abs. 2 Satz 1 LBodSchAG höchstpersönliche Daten von lediglich entfernt in Betracht kommenden Sanierungsverantwortlichen erheben könne. Bei der vom Verwaltungsgericht für richtig gehaltenen Auslegung stünden der Bodenschutzbehörde daher weitergehende Kompetenzen als einer Steuerbehörde zu, ohne jedoch den Einschränkungen des Abgabengeheimnisses zu unterliegen. Vergleichbare Datenerhebungskompetenzen auf der Grundlage einer Generalermächtigung gebe es auch in anderen Rechtsgebieten nicht; vielmehr seien im Bereich des Abgaben- und Sozialrechts gesetzliche Einschränkungen normiert, um die Datenerhebung in Einklang mit rechtsstaatlichen Anforderungen zu bringen. Schließlich sei die angefochtene Verfügung vom 26.02.2010 auch unabhängig von der fehlenden Rechtsgrundlage rechtwidrig. Die Verfügung genüge nicht dem Bestimmtheitsgrundsatz, da unklar bleibe, welche Nachweise die Behörde genau erwarte. Im Übrigen sei nicht nachvollziehbar, woraus sich ein Anspruch auf die Vorlage von beglaubigten Kopien ergeben solle; auch insoweit fehle es an einer Ermächtigungsgrundlage. Die verfügte Verpflichtung zur Vorlage von Einkommens- und Vermögensnachweisen verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, nachdem die Behörde lediglich den Kläger, nicht jedoch den als Zustandsstörer in Betracht kommenden Grundstückseigentümer mit einem Auskunftsverlangen in Anspruch genommen habe. Schließlich sei die auferlegte Verpflichtung auch unverhältnismäßig. Die Kenntnis der Einkommens- und Vermögensverhältnisse potentieller Störer sei bereits nicht für die Aufgabenerfüllung der Bodenschutzbehörde erforderlich. Vielmehr dürfe die Behörde bei der Störerauswahl grundsätzlich von der Leistungsfähigkeit der Beteiligten ausgehen; es sei dann Sache des in Anspruch Genommenen, sich im Rahmen einer freien Entscheidung auf seine Leistungsunfähigkeit zu berufen und diese dann nachzuweisen.
Der Kläger beantragt,
10 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 3. April 2012 - 6 K 3427/11 - zu ändern und den Bescheid des Landratsamts ... vom 26.02.2010 sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 12.12.2011 aufzuheben.
11 
Der Beklagte beantragt,
12 
die Berufung zurückzuweisen.
13 
Der Beklagte tritt der Berufung entgegen und verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichts. Zutreffend habe das Verwaltungsgericht im einzelnen näher dargelegt, dass die Bestimmung des § 3 Abs. 2 Satz 1 LBodSchAG bei dem von dem Kläger vorgeschlagenen Normverständnis weitgehend leerliefe. Denn die sachlichen Gegebenheiten in Bezug auf Immobilien seien der Bodenschutzbehörde häufig bekannt oder für diese leicht ermittelbar; von größerer Bedeutung für die behördliche Ausgabenerfüllung seien daher Auskünfte über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse potentieller Sanierungsverant-wortlicher. Das vom Verwaltungsgericht gefundene Auslegungsergebnis verletze den Kläger nicht in seinen Grundrechten. Der vom Kläger geltend gemachte Verstoß gegen die Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG liege ersichtlich nicht vor; der allein in Betracht kommende Eingriff in den Auffangtatbestand des Art. 2 Abs. 1 GG sei verhältnismäßig und gerechtfertigt. Die Verpflichtung zur Auskunftserteilung und Überlassung von Unterlagen sei geeignet, die legitimen Gemeinwohlbelange des Bodenschutzes zu erreichen, ein gleich effektives milderes Mittel stehe der Behörde nicht zur Verfügung. Fehl gehe die Annahme des Klägers, die Bodenschutzbehörde könne den Betroffenen ohne die Preisgabe persönlicher Daten in Anspruch nehmen und ihm überlassen, sich im Einzelfall auf seine finanzielle Leistungsunfähigkeit zu berufen. Zum einen stelle das materielle Recht eine derartige Vermutungsregel bezüglich der Leistungsfähigkeit nicht auf, zum anderen sei dieses Vorgehen aus Sicht der Bodenschutzbehörde nicht gleichermaßen geeignet wie die Einholung konkreter Auskünfte. Durch die vom Kläger vorgeschlagene Vorgehensweise sei nicht sichergestellt, dass die Behörde die Kosten einer etwa vorgenommenen Ersatzvornahme erstattet erhalte.
14 
Dem Senat liegen die einschlägigen Akten des Verwaltungsgerichts sowie 1 Bd. Behördenakten des Landratsamts ... und die Widerspruchsakte des Regierungspräsidiums Karlsruhe vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird hierauf und auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
15 
Der Senat kann gemäß § 101 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO über die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben.
16 
Die zulässige, insbesondere rechtzeitig unter Stellung eines Antrags begründete Berufung des Klägers ist unbegründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass die Klage zulässig ist (dazu unter 1.), jedoch in der Sache ohne Erfolg bleibt (dazu unter 2.).
17 
1. Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Klage als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 1. Alt. VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig ist. Das Schreiben des Landratsamts ... vom 26.02.2010 stellt einen Verwaltungsakt dar (dazu unter 1.1), der sich bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht erledigt hat (dazu unter 1.2).
18 
1.1 Bei der im Schreiben des Landratsamts vom 26.02.2010 enthaltenen Aufforderung an den Kläger, Nachweise über seine aktuellen Einkommens- und Vermögensverhältnisse vorzulegen, handelt es sich um einen Verwaltungsakt im Sinne von § 35 Satz 1 LVwVfG. Für die Frage, ob eine Erklärung der Behörde als Verwaltungsakt zu qualifizieren ist, ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung neben dem Wortlaut und dem objektiven Erklärungswert - insbesondere unter Berücksichtigung der Regelungsbefugnis der Behörde und dem Regelungsgehalt - auf die äußere Form (z.B. Bezeichnung als Bescheid oder Verfügung) sowie eine gegebenenfalls beigefügte bzw. fehlende Rechtsbehelfsbelehrung abzustellen. Das Fehlen einer Rechtsbehelfsbelehrung kann ein Indiz gegen das Vorliegen eines Verwaltungsaktes sein, schließt jedoch für sich allein das Vorliegen eines Verwaltungsaktes nicht zwingend aus. Unklarheiten hinsichtlich der von der Behörde gewählten Verwaltungsakt-Form gehen zu deren Lasten; bei Auslegungszweifeln ist bei belastenden Verwaltungsakten das für den Betroffenen weniger belastende Auslegungsergebnis vorzuziehen (vgl. Senatsurteil vom 14.02.2012 - 10 S 1115/10 - DÖV 2012, 570; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15.10.2009 - 2 S 1457/09 - VBlBW 2010,119).
19 
Bei Anwendung dieser Grundsätze ist das Schreiben des Landratsamts vom 26.02.2010 als einseitig verbindliche Regelung anzusehen, obwohl es nicht als Bescheid bezeichnet ist und ihm keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war. Wie das Verwaltungsgericht und die Widerspruchsbehörde zutreffend ausgeführt haben, kommt der auferlegten Verpflichtung Regelungswirkung zu. Eine Regelung ist anzunehmen, wenn die Maßnahme der Behörde darauf gerichtet ist, eine verbindliche Rechtsfolge zu setzen, d.h. wenn Rechte des Betroffenen unmittelbar begründet, geändert, aufgehoben, mit bindender Wirkung festgestellt oder verneint werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.05.1987 - 7 C 83.84 -BVerwGE 77, 268). Zwar stellen unselbständige Verfahrenshandlungen wie die Aufforderung zur Mitwirkung grundsätzlich keine Regelung dar, da sie eine solche lediglich vorbereiten und das Verwaltungsverfahren durch sie nicht abgeschlossen wird (vgl. hierzu näher Stuhlfauth in: Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, 4. Aufl. 2014, Rn 62 ff. zu § 35). Allerdings kann auch Vorbereitungsmaßnahmen ausnahmsweise eine Verwaltungsaktqualität zukommen; dies ist namentlich dann der Fall, wenn behördliche Datenerhebungen unmittelbar den Rechtskreis des Bürgers berühren und eine verbindliche Entscheidung über deren Umfang getroffen wird (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24.04.1990 - 8 A 1662/88 - NVwZ 1990, 1192; OLG Hamm, Beschluss vom 22.10.1992 - 3 Ss Owi 539/92 - NVwZ-RR 1993, 244). In diesem Fall muss nämlich die Möglichkeit bestehen, bereits gegen die vorbereitende hoheitliche Maßnahme verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Entsprechendes gilt in dem hier vorliegenden Fall. Der Aufforderung kommt Regelungscharakter zu, weil über den Umfang der geltend gemachten Auskunfts- und Vorlagepflicht entschieden wird, mithin die Behörde entscheidet, worüber, in welchem Umfang und wie der in Anspruch genommene potentielle Störer Auskunft zu erteilen hat. Es handelt sich somit um eine gesetzeskonkretisierende Verfügung, mit der sich die aus § 3 Abs. 2 Satz 1 LBodSchAG ergebende Handlungspflicht verbindlich festgestellt und in Form eines Verwaltungsaktes konkretisiert wird. Letzteres ist von Bedeutung, weil die Behörde nur einen den Einzelfall regelnden Verwaltungsakt, nicht aber den allgemeinen gesetzlichen Befehl mit Zwangsmitteln durchsetzen kann (vgl. Senatsurteil vom 31.05.2011 - 10 S 794/09 - ESVGH 61, 246).
20 
Unabhängig hiervon ist die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage bereits deshalb zu bejahen, weil das Regierungspräsidium in seinem Widerspruchsbescheid die Verwaltungsaktqualität der Maßnahme ausdrücklich anerkannt und der Entscheidung damit die Gestalt eines Verwaltungsaktes gegeben hat. Aus dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) folgt, dass eine behördliche Entscheidung in der Weise angegriffen werden kann, in der sie sich äußerlich für den Adressaten darstellt. Qualifiziert die mit der Ausgangsbehörde nicht identische Widerspruchsbehörde im Widerspruchsbescheid eine Regelung als Verwaltungsakt, ist gegen die so gestaltete Maßnahme die Anfechtungsklage statthaft (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.06.1987 - 8 C 21.86 -BVerwGE 78, 3).
21 
1.2 Dieser Verwaltungsakt hat sich auch nicht durch die Inanspruchnahme des Klägers als Handlungsstörer mit Verfügung vom 06.09.2010 erledigt. Nach § 43 Abs. 2 LVwVfG bleibt ein Verwaltungsakt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Die Erledigung eines Verwaltungsakts tritt ein, wenn dieser nicht mehr geeignet ist, rechtliche Wirkungen zu entfalten oder wenn die ihm ursprünglich innewohnende Steuerungsfunktion entfallen ist (BVerwG, Urteil vom 25.09.2008 - 7 C 5.08 - NVwZ 2009, 122; Senatsbeschluss vom 25.01.2010 - 10 S 2701/09 - VBlBW 2010, 204). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Denn das Landratsamt leitet immer noch Rechtsfolgen aus seiner Verfügung vom 26.02.2010 her. So begründet es die Entscheidung über die Heranziehung des Klägers zu Maßnahmen nach § 9 Abs. 2 BBodSchG mit Bescheid vom 06.09.2010 ausdrücklich mit der Verletzung der aufgegebenen Pflicht aus dem verfahrensgegenständlichen Verwaltungsakt. Zudem hat die Behörde ein Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen nicht erfolgter Auskunftserteilung eingeleitet und gegen den Kläger ein Bußgeld festgesetzt. Der streitgegenständliche Verwaltungsakt bildet nach wie vor die Grundlage des Auskunftsverlangens des Landesamts und kann Gegenstand der Verwaltungsvollstreckung sein.
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2. Die Klage bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Die mit Bescheid vom 26.02.2010 ausgesprochene Verpflichtung des Klägers, Nachweise über seine aktuellen Einkommens- und Vermögensverhältnisse vorzulegen, in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 12.12.2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger deshalb nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass auf der Grundlage von § 3 Abs. 2 Satz 1 LBodSchAG auch die Erteilung von Auskünften über persönliche Verhältnisse des potentiell Sanierungsverantwortlichen verlangt werden kann (dazu unter 2.1). Gegen die Rechtmäßigkeit der Verfügung vom 26.02.2010 bestehen nicht die von dem Kläger geltend gemachten formellen und inhaltlichen Bedenken (dazu unter 2.2).
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2.1 Das Verwaltungsgericht geht zutreffend davon aus, dass § 3 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes zur Ausführung des Bundes-Bodenschutzgesetzes (Landes-Bodenschutz- und Altlastengesetz - LBodSchAG - vom 14.12.2004 - GBl. 2004, 908) die tragende Rechtsgrundlage für die Verfügung vom 26.02.2010 ist. Danach hat, wer aufgrund von Tatsachen als Verursacher einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast in Betracht kommt, dessen Gesamtrechtsnachfolger, der Eigentümer, der frühere Eigentümer und der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück der Bodenschutz- und Altlastenbehörde und deren Beauftragten auf Verlangen Auskünfte zu erteilen und Unterlagen vorzulegen, die diese zur Erfüllung der Aufgaben nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz oder nach diesem Gesetz benötigen.
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Die Auslegung anhand der klassischen Auslegungsmethoden ergibt, dass auch die von der Behörde angeforderten Unterlagen solche im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 LBodSchAG sind. Für dieses auch vom Verwaltungsgericht vertretene Normverständnis spricht bereits der Wortlaut von § 3 Abs. 2 Satz 1 LBodSchAG (dazu unter 2.1.1). Entgegen der Auffassung des Klägers ist eine abweichende restriktive Auslegung weder bei systematischer Betrachtung (dazu unter 2.1.2) noch aufgrund der Gesetzesbegründung (dazu unter 2.1.3) geboten. Für das hier vertretene Auslegungsergebnis spricht vor allem auch der Sinn und Zweck der Bestimmung (dazu unter 2.1.4). Schließlich ist eine Reduktion der Norm auch nicht erforderlich, um verfassungsrechtlichen Anforderungen, insbesondere im Hinblick auf die Garantie der informationellen Selbstbestimmung gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, Genüge zu tun (dazu unter 2.1.5).
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2.1.1 Bereits der Wortlaut von § 3 Abs. 2 Satz 1 LBodSchAG spricht dafür, dass auch Informationen und Unterlagen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen eines potentiell Sanierungsverantwortlichen auf der Grundlage dieser Bestimmung verlangt werden können. In der Norm ist nämlich nur von Unterlagen die Rede, die die Bodenschutz- und Altlastenbehörde „zur Erfüllung ihrer Aufgaben“ benötigt. Es handelt sich mithin um eine (eingeschränkte) Generalklausel, wie sie der Gesetzgeber gerade im Bereich der Gefahrenabwehr häufig verwendet. Teil der Aufgaben der Bodenschutzbehörde ist es auch, im Rahmen der Ermessensausübung eine Entscheidung über die Heranziehung mehrerer in Betracht kommender Pflichtigen für die diversen im Bundes-Bodenschutz-gesetz vorgesehenen Erkundungs- und Sanierungsmaßnahmen zu treffen. Die fehlerfreie Ausübung dieses Ermessens kann dabei auch Ermittlungen zu der finanziellen und wirtschaftlichen Lage der in Betracht kommenden Sanierungspflichtigen voraussetzen. Für das von dem Kläger vertretene Auslegungsergebnis, wonach lediglich „sachliche“ Informationen und entsprechende Unterlagen verlangt werden können, findet sich jedenfalls im Wortlaut der Bestimmung kein Anhaltspunkt.
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2.1.2 Entgegen der Auffassung der Berufung führt auch die systematische Auslegung zu keinem eindeutigen Ergebnis. Wie der Kläger richtigerweise feststellt, werden in vergleichbaren Eingriffsnormen, welche Behörden zur Datenerhebung ermächtigen, häufig deutlich restriktivere Voraussetzungen normiert. Im vom Kläger angeführten Bereich des Sozialrechts ermächtigt § 60 SGB I Sozialbehörden dazu, von den Antragstellern Nachweise für ihre Bedürftigkeit und vergleichbare Unterlagen zu verlangen. In dieser Norm wird auch ausdrücklich klargestellt, dass Unterlagen über die persönlichen Verhältnisse des Antragstellers verlangt werden können. Richtig ist auch, dass der Gesetzgeber mit der Normierung des Sozialgeheimnisses in § 35 SGB I besondere Vorkehrungen hinsichtlich des Umgangs mit Sozialdaten geschaffen hat und dabei unter anderem sicherstellt, dass diese Daten ausschließlich für die in diesem Gesetz genannten Zwecke verwendet werden. Ähnliche Regelungen finden sich - worauf die Berufung zutreffend hinweist - in steuer- und abgabenrechtlichen Vorschriften. Daraus lässt sich jedoch nicht das von dem Kläger angeführte systematische Argument herleiten, dass in allen anderen Fällen der staatlichen Eingriffsverwaltung kein weniger strenges Regelungskonzept zulässig sei. Ansonsten wäre der Gesetzgeber stets an sein strengstes Konzept für alle zukünftigen Normgebungen gebunden. Die gesetzesübergreifende Systematik gibt mithin kein eindeutiges Auslegungsergebnis vor.
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2.1.3 Schließlich bietet auch die Begründung der Landesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung des Bundes-Bodenschutzgesetzes und zur Änderung abfallrechtlicher und wasserrechtlicher Vorschriften vom 20.10.2004 (LT-Drs. 13/3677, S. 1 ff.) keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür, dass sich der Anwendungsbereich des § 3 Abs. 2 Satz 1 LBodSchAG lediglich auf „sachliche“ Informationen und damit nicht auf Angaben über Einkommens- und Vermögensverhältnisse bezieht. Zur Erläuterung des § 3 Abs. 2 und 3 LBodSchAG wird in der Begründung zum Gesetzentwurf ausgeführt, dass den Behörden auch solche Informationen zugänglich sein müssten, welche sie nicht selbst oder nur unter unverhältnismäßigem Aufwand beschaffen könnten (vgl. LT-Drs. 13/3677, S. 29). Zur Qualität der Informationen oder inhaltlichen Einschränkungen schweigt die Begründung. Es werden lediglich einzelne Beispiele wie die historische Erkundung und die Änderung der Grundstücksnutzung und -bewirtschaftung genannt. Dem Kläger ist deshalb zwar zuzugeben, dass die Begründung zu § 3 Abs. 2 und 3 LBodSchAG vorrangig diejenigen Informationserhebungen im Blick hat, die er als „sachliche“ Informationen bezeichnet und nicht solche, welche die persönlichen Verhältnisse des Pflichtigen betreffen. Der Senat vermag dem Schluss des Klägers, daraus lasse sich eine Einschränkung auf die sachliche Qualität der vorzulegenden Informationen herleiten, allerdings nicht zu folgen. Wie der Gesetzesbegründung zu entnehmen ist, handelt es sich bei den genannten Beispielen um „besonders augenfällige“, also solche, denen der Gesetzgeber besondere Bedeutung zumisst. Daraus folgt aber nicht, dass andere Bereiche damit einem Zugriff entzogen sind. Gerade bei der hier in Rede stehenden Gefahrenabwehr wäre es schlicht nicht möglich, alle Bereiche, die von einer Befugnisnorm erfasst werden, bereits im Rahmen der Gesetzesbegründung aufzuführen und zu berücksichtigen. Gerade vor diesem Hintergrund hat sich der Gesetzgeber zur Schaffung einer (eingeschränkten) Generalklausel unter Verwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen entschlossen. Trifft der Gesetzgeber aber die Entscheidung, unbestimmte Rechtsbegriffe zu verwenden, um so eine Befugnisnorm für eine Vielzahl von gefahrenabwehrrechtlichen Situationen zu schaffen, wäre es sinnwidrig, ihn gerade an den in der Gesetzesbegründung aufgeführten Beispielen festzuhalten und den Anwendungsbereich der Norm hierauf zu beschränken. Hätte der Gesetzgeber tatsächlich eine derartige Beschränkung des Anwendungsbereichs von § 3 Abs. 2 Satz 1 LBodSchAG regeln wollen, hätte er diese Absicht deutlich gemacht, wie sich aus den vorgenommenen Einschränkungen hinsichtlich der Beschaffungspflicht von Dritten ergibt. Danach sind im Bereich der Amtsermittlung nach § 9 Abs. 1 BBodSchG und gegenüber Dritten, welche nicht Pflichtige nach § 9 Abs. 2 und § 10 Abs. 1 BBodSchG sind, nur solche Auskünfte und Unterlagen pflichtgemäß vorzulegen, auf welche die Betroffenen ohne Weiteres Zugriff haben, eine Beschaffungspflicht bei Dritten werde nicht begründet (vgl. LT-Drs. 13/3677, S. 29). Hier zeigt sich anhand der Formulierung der klare Ausnahmecharakter („nur“) und die Klarstellung der Grenzen des unbestimmten Rechtsbegriffs („wird nicht begründet“). Ähnlich verhält es sich mit der Ausnahme für Informationen, durch welche der Pflichtige sich oder nahe Angehörige in die Gefahr der Strafverfolgung bringen würde (§ 3 Abs. 2 Satz 2 LBodSchAG). Diese tatsächlich vom Gesetzgeber beabsichtigten Einschränkungen sind mithin als solche klar im Tatbestand formuliert. Hinsichtlich der hier in Rede stehenden Frage der Qualität der Informationen wird eine derartige ausdrückliche Einschränkung indes weder im Tatbestand noch in der Gesetzesbegründung vorgenommen.
28 
Entgegen der Auffassung des Klägers führt auch die Betrachtung der Gesetzesmaterialien zu verwandten Regelungen anderer Bundesländer zu keinem abweichenden Auslegungsergebnis. Derartigen Gesetzesmaterialien kann insoweit nur eine indizielle Bedeutung zukommen, da die Motive der Gesetzgeber anderer Bundesländer keinen sicheren Rückschluss für die Auslegung des baden-württembergischen Gesetzes ermöglicht. Ein Vergleich der Gesetzesbegründung zu wortgleichen (vgl. Niedersachsen, § 1 Abs. 1 NBodSchG) oder ähnlichen Formulierungen (vgl. Bayern, Art. 1 Satz 2 BayBodSchG; Berlin, § 2 Abs. 3 Bln BodSchG; Bremen, § 4 Abs. 1 BremBodSchG; Hamburg, § 1 Abs. 2 und 3 HambBodSchG; Nordrhein-Westfalen, § 3 Abs. 1 LBodSchG; Rheinland-Pfalz, § 5 Abs. 1 LBodSchG; Saarland, § 2 Abs. 1 SBodSchG; Sachsen, § 10 Abs. 2 SächsABG; Sachsen-Anhalt, § 3 BodSchAG LSA; Schleswig-Holstein, § 2 Abs. 1 LBodSchG; Thüringen, § 2 Abs. 3 ThürBodSchG) in den Ausführungsgesetzen anderer Bundesländer zum Bundes-Bodenschutzgesetz bestätigt tendenziell das hier vertretene Auslegungsergebnis. So statuiert die wortgleiche Regelung in § 1 Abs. 1 des niedersächsischen Bodenschutzgesetzes (NBodSchG) laut der Gesetzesbegründung ausdrücklich eine „umfassende Auskunftspflicht“, welche ebenfalls nur insoweit eingeschränkt wird, als die Auskunft einer strafrechtlichen Selbstbezichtigung oder Bezichtigung naher Angehöriger gleichkäme (vgl. LT-Drs. 14/380, Begründung zu § 1, S. 11). Eine weitergehende Eingrenzung wird nicht vorgenommen. Auch finden sich hier keine besonders aufgelisteten Beispiele für den möglichen Inhalt eines Auskunftsbegehrens. Eine solche umfassende Auskunftserteilung hat der jeweilige Gesetzgeber auch in anderen Bundesländern mit ähnlich formulierten oder inhaltsgleichen Voraussetzungen im Blick (vgl. etwa hinsichtlich Bayern, LT-Drs. 14/31, S. 11; Bremen, LT-Drs. 15/1188, S. 13; Hamburg, LT-Drs. 16/4508, S. 8; Nordrhein-Westfalen, LT-Drs. 12/4475, S. 39; Sachsen-Anhalt, LT-Drs. 3/4909, S. 19; Schleswig-Holstein, LT-Drs. 15/1049, S. 26; Thüringer Landtagsdrucksache 3/3413, S. 14). Neben der Auskunftspflicht, welche inhaltlich der in § 3 Abs. 2 Satz 1 LBodSchAG Baden-Württemberg gleichkommt, haben Hessen und Mecklenburg-Vorpommern darüber hinaus noch eine klarstellende Regelung bezüglich Angaben zu Tatsachen, welche die Sanierungsverantwortlichkeit oder die wirtschaftlichen Verhältnisse betreffen, aufgenommen. So heißt es wortgleich in § 4 Abs. 4 HAltBodSchG und § 2 Abs. 4 LBodSchG M-V, dass die Bodenschutzbehörde bei Angaben über Tatsachen, welche die Sanierungsverantwortlichkeit oder die wirtschaftlichen Verhältnisse des Sanierungspflichtigen betreffen, verlangen kann, dass die Angaben durch eine Versicherung an Eides statt glaubhaft gemacht werden. Hieraus kann indes nicht geschlossen werden, dass die Landesgesetzgeber damit eine spezielle Ermächtigungsgrundlage gerade für die Vorlage von personenbezogenen Daten zur Leistungsfähigkeit geschaffen haben und diese nötig sei, da die allgemeine Regelung zu Auskünften nur die grundstücksbezogenen Daten erfasse. Diesem Schluss steht bereits entgegen, dass ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 4 Abs. 4 HAltBodschG und § 2 Abs. 4 LBodSchG M-V der Zweck dieser Regelungen allein darin besteht, die Richtigkeitsgewähr der Auskünfte zu erhöhen, da die Abgabe falscher eidesstattlicher Versicherungen einen Straftatbestand erfüllt (vgl. Hessen LT-Drs. 16/7240, S. 15 und Mecklenburg-Vorpommern LT-Drs. 5/4169, S. 26). Durch diese Vorschriften soll nur die Glaubhaftmachung durch eidesstattliche Versicherung genauer geregelt werden (vergleichbar mit der Regelung des § 27 LVwVfG). Eine Ermächtigungsgrundlage für das Auskunftsverlangen hinsichtlich persönlicher Daten wird in diesen gesonderten Regelungen gerade nicht geschaffen. Dieses ist vielmehr von der allgemeinen und mit der Regelung des § 3 Abs. 2 Satz 1 LBodSchAG Baden-Württemberg vergleichbaren Norm des § 4 Abs. 1 Satz 2 HAltBodSchG und § 2 Abs. 1 Satz 2 LBodSchG M-V gedeckt. Laut der hessischen Gesetzesbegründung räumt diese Regelung der Behörde ein Auskunftsrecht ein, das nur durch die oben genannte Gefahr der strafrechtlichen Selbstbezichtigung und das Kriterium, dass die Auskunft zur Aufgabenerfüllung nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz und nach diesem Gesetz „benötigt“ werde, eingeschränkt wird (vgl. Hessen, LT-Drs. 16/7240, S. 14). Damit sind hier die gleichen Voraussetzungen wie nach § 3 Abs. 2 LBodSchAG maßgeblich. Eine einschränkende Auslegung des Tatbestands ist mithin auch nach dem Gesetzgeberwillen anderer Bundesländer nicht geboten.
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2.1.4 Entscheidend muss vor dem Hintergrund der im Ergebnis nicht vollständig stringenten grammatischen und historischen Auslegung die Frage sein, welcher Normzweck mit § 3 Abs. 2 Satz 1 LBodSchAG verfolgt wird. Sinn und Zweck der Vorschrift sprechen jedoch eindeutig dafür, auch die persönlichen Informationen unter die Norm zu subsumieren. Der Kläger macht geltend, es sei eine teleologische Begrenzung des Wortlauts dahingehend geboten, dass lediglich „sachliche“ Informationen auf dieser Grundlage erlangt werden können. Dem ist indes nicht zuzustimmen. Telos des § 3 Abs. 2 LBodSchAG ist nämlich gerade, der Behörde die Erfüllung ihrer Aufgaben nach dem BundesBodenschutzgesetz zu ermöglichen und ihr die hierzu erforderlichen Instrumente in die Hand zu geben. Zu diesen Aufgaben gehört es auch, bei mehreren in Betracht kommenden Erkundungs- bzw. Sanierungspflichtigen im Rahmen der Ermessensausübung eine sachgerechte Störerauswahl zu treffen. Fehl geht die Erwägung des Klägers, hierzu seien Auskünfte über die persönlichen, insbesondere wirtschaftlichen Verhältnisse eines Sanierungspflichtigen nicht zwingend notwendig.
30 
Im Falle einer sogenannten Störermehrheit ist bei der behördlichen Auswahlentscheidung, welcher Störer mit einer Verfügung herangezogen wird, zwischen der primären Ebene und der sekundären Ebene zu unterscheiden; dabei sind die Auswahlkriterien nicht notwendigerweise identisch (vgl. hierzu ausführlich Senatsurteil vom 18.12.2012 - 10 S 744/12 - VBlBW 2013, 189). Auf der hier in Rede stehenden primären Ebene geht es aus einer ex ante-Sicht um die Gefahrenabwehr. Leitender Gesichtspunkt für die Störerauswahl ist die Effektivität der Gefahrenabwehr; anzustreben ist die schnelle und wirksame Gefahrenbeseitigung. Ein gesetzliches Rangverhältnis zur gefahrenabwehrrechtlichen Heranziehung von Störern gibt es dabei grundsätzlich nicht. Bei der Ausübung ihres Auswahlermessens hat sich die Behörde in erster Linie von dem Gesichtspunkt der effektiven Gefahrenabwehr unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes leiten zu lassen. Dies schließt nicht aus, dass daneben auch andere Gesichtspunkte berücksichtigt werden; dies kann z.B. die größere Gefahrennähe eines der Störer sein. Ferner darf die Behörde bereits auf der Primärebene den Gesichtspunkt der gerechten Lastenverteilung berücksichtigen (vgl. zum Ganzen Senatsurteile vom 24.01.2012 - 10 S 1476/11 - NVwZ-RR 2012, 387; sowie vom 30.04.1996 - 10 S 2163/95 - VBlBW 1996, 351). In diesem Rahmen darf auch die fehlende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Sanierungspflichtigen in die Ermessenserwägungen auf der Primärebene eingestellt werden (vgl. Senatsurteil vom 30.04.1996 - 10 S 2163/95 -, a.a.O.). Die Behörde hat ihre Ermessensentscheidung aber auch insoweit auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage zu treffen und darf von der Leistungsunfähigkeit eines Betroffenen nicht ohne nähere Überprüfung ausgehen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 16.11.1992 - 1 S 2727/91 -, NVwZ-RR 1994, 52; sowie vom 28.06.1989 - 5 S 721/88 -, VBlBW 1990, 31). Die Kenntnis der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der in Betracht kommenden Sanierungsverantwortlichen ist für die Ermessensentscheidung der Bodenschutzbehörde mithin immer dann erforderlich, wenn sie sich bei der Störerauswahl - nach dem oben Gesagten in zulässiger Weise - von dem Gesichtspunkt der gerechten Lastenverteilung neben dem primären Gesichtspunkt der Effektivität des behördlichen Handelns leiten lässt.
31 
Fehl geht vor diesem Hintergrund die Auffassung des Klägers, die Bodenschutzbehörde könne bei verweigerter Vorlage von Unterlagen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen eines Sanierungsverantwortlichen aufgrund nicht ordnungsgemäßer Mitwirkung zu seinen Lasten davon ausgehen, er sei wirtschaftlich leistungsfähig, und ihn auf dieser Grundlage als Störer in Anspruch nehmen. Dabei bedarf keiner abschließenden Klärung, ob und gegebenenfalls unter welchen konkreten Voraussetzungen eine Behörde trotz ihrer Amtsermittlungspflicht gemäß § 24 LVwVfG aufgrund unterbliebener Mitwirkung auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen bestimmter an sich aufzuklärender Umstände schließen darf (vgl. hierzu näher Schenk in: Obermayer/Funke-Kaiser, a.a.O., Rn 140 zu § 24). Denn eine effektive Aufgabenerfüllung wäre selbst dann nicht gewährleistet, wenn die Bodenschutzbehörde grundsätzlich von der Leistungsfähigkeit der Beteiligten ausgehen dürfte und es an ihnen läge, das Gegenteil durch Vorlage aussagekräftiger Unterlagen nachzuweisen. Zutreffend weist der Beklagte darauf hin, dass die Bodenschutzbehörde dann Gefahr liefe, spätestens zum Zeitpunkt der Vollstreckung der Kosten einer etwaigen Ersatzvornahme festzustellen, dass die Leistungsfähigkeit des für die Maßnahme Herangezogenen tatsächlich nicht gegeben war.
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2.1.5 Der Anwendungsbereich des § 3 Abs. 2 Satz 1 LBodSchAG ist auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht derart zu reduzieren, dass die Vorschrift nur zur Anforderung von Nachweisen hinsichtlich sachlicher Informationen berechtigt. Zwar stellt die Verpflichtung zur Vorlage von Unterlagen über Eigentums- und Vermögensverhältnisse auf der Grundlage von § 3 Abs. 2 Satz 1 LBodSchAG einen Eingriff in das grundrechtlich garantierte Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar (dazu unter 2.1.5.1). Der Eingriff erfolgt indes auf einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage und steht auch sonst mit den materiellen Gewährleistungen des Grundgesetzes im Einklang (dazu unter 2.1.5.2).
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2.1.5.1 Die dem Kläger auferlegte Verpflichtung zur Erteilung von Auskünften über seine wirtschaftlichen Verhältnisse stellt sich als ein Eingriff in sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Das durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährt unter anderem die aus dem Gedanken der Selbstbestimmung folgende Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden, d.h. über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten selbst zu bestimmen (Recht auf informationelle Selbstbestimmung). In dieses Recht wird nicht nur eingegriffen, wenn der Staat von Einzelnen die Bekanntgabe persönlicher Daten verlangt oder diese der automatisierten Datenverarbeitung zuführt. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schützt vielmehr generell vor staatlicher Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten einschließlich staatlicher Datenübermittlung (vgl. grundlegend BVerfG, Urteil vom 15.12.1983 - 1 BvR 209/83 u.a. - BVerfGE 65, 1; Urteil vom 27.06.1991 - 2 BvR 1493/89 - BVerfGE 84, 239; Kammerbeschluss vom 14.12.2000 - 2 BvR 1741/99 u.a. - BVerfGE 103, 21; BVerwG, Urteil vom 09.03.2005 - 6 C 3.04 - NJW 2005, 2330). Dabei sind unter personenbezogenen Daten Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person zu verstehen (vgl. BVerfG, Urteil vom 15.12.1983 - 1 BvR 209/83 u.a. - a.a.O. - unter Verweis auf § 2 Abs. 1 BDSG a.F.), also alle Informationen über eine natürliche Person, unabhängig davon, welcher Aspekt der Person angesprochen wird. Um Informationen dieser Art handelt es sich bei den Unterlagen, die der Kläger der Bodenschutz- und Altlastenbehörde vorlegen soll. Gerade die von dem Kläger geforderten Nachweise über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse stellen personenbezogene Daten eines Einzelnen dar, die nicht zur allgemeinen Verbreitung bestimmt sind. Auch liegt ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung vor. Ein Eingriff in die Gewährleistung des Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG liegt in jeder Form staatlicher Erhebung oder Verarbeitung personenbezogener, auch manuell registrierter Daten, wobei die bloße Kenntnisnahme genügt (vgl. näher Di Fabio in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 66. Ergänzungslieferung 2012, Rn 175 zu Art. 2 GG). Dementsprechend stellt auch die vorliegende Verpflichtung zur Vorlage entsprechender Nachweise über die wirtschaftlichen Verhältnisse einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar.
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2.1.5.2 Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Eingriff in sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung im vorliegenden Fall gerechtfertigt. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung wird nicht schrankenlos gewährt. Der Einzelne muss vielmehr Einschränkungen dieses Rechts im überwiegendem Allgemeininteresse hinnehmen (vgl. BVerfGE, Urteile vom 15.12.1983 - 1 BvR 209/83 u.a. - a.a.O.; vom 15.12.1999 - 1 BvR 653/96 - BVerfGE 101, 361; sowie vom 03.03.2004 - 1 BvR 2378/98 - BVerfGE 109, 279). Solche Beschränkungen bedürfen aber nach Art. 2 Abs. 1 GG einer ausreichend bestimmten gesetzlichen Grundlage und müssen dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit genügen. Außerdem hat der Gesetzgeber organisatorische und verfahrensrechtliche Vorkehrungen zu treffen, welche der Gefahr einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts entgegenwirken. Namentlich muss er sicherstellen, dass die Verwendung personenbezogener Informationen nur zu einem Zweck erfolgt, der auch ihre Erhebung rechtfertigen konnte oder könnte (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.06.2004 - 3 C 41.03 - BVerwGE 121, 115, m.w.N.).
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2.1.5.2.1 Die Vorschrift des § 3 Abs. 2 Satz 1 LBodSchAG ist als Ermächtigungsgrundlage für die Erhebung von Daten über die wirtschaftlichen Verhältnisse eines potentiell Sanierungsverantwortlichen hinreichend bestimmt. Die so verstandene Vorschrift genügt dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot. Das aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitende Bestimmtheitsgebot verlangt vom Normgeber, die Rechtsvorschriften so genau zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 17.11.1992 - 1 BvR 8/87 - BVerfGE 87, 234; Beschluss vom 18.05.2004 - 2 BvR 2374/99 -BVerfGE 110, 370). Die Auslegungsbedürftigkeit einer Regelung nimmt ihr jedoch nicht die verfassungsrechtlich gebotene Bestimmtheit. Der Bestimmtheitsgrundsatz verbietet es dem Gesetzgeber nicht, Generalklauseln und unbestimmte Rechtsbegriffe zu verwenden. Die Vielfalt der Verwaltungsaufgaben lässt sich nicht immer in klar umrissene Begriffe einfangen. Der Gesetzgeber muss sich abstrakter und unbestimmter Formulierungen bedienen können, um die Veraltungsbehörden in die Lage zu versetzen, den besonderen Umständen des einzelnen Falles und den schnell wechselnden Situationen des Lebens gerecht zu werden. Zwar darf der Gesetzgeber die Grenzziehung im einzelnen nicht mittels einer vagen Generalklausel dem Ermessen der Verwaltung überlassen; an die tatbestandliche Fixierung dürfen aber auch keine nach der konkreten Sachlage unerfüllbaren Anforderungen gestellt werden. Welche Anforderungen an das Ausmaß der erforderlichen Bestimmtheit im Einzelfall zu stellen sind, lässt sich danach nicht allgemein festlegen. Der Grad der jeweils zu fordernden Bestimmtheit einer Regelung hängt vielmehr von der Eigenart des geregelten Sachverhalts ab, insbesondere auch davon, in welchem Umfang der zu regelnde Sachverhalt einer genaueren begrifflichen Umschreibung überhaupt zugänglich ist. Darüber hinaus ist auch auf die Intensität der Auswirkungen der Regelung für den Betroffenen Bedacht zu nehmen. Je schwerwiegender die Auswirkungen sind, desto höhere Anforderungen werden an die Bestimmtheit der Ermächtigung zu stellen sein. Insoweit berührt sich das Bestimmtheitsgebot mit dem Verfassungsgrundsatz des Vorbehalts des Gesetzes, der fordert, dass der Gesetzgeber die entscheidenden Grundlagen des zu regelnden Rechtsbereichs, die den Freiheits- und Gleichheitsbereich des Bürgers wesentlich betreffen, selbst festlegt und dies nicht dem Handeln der Verwaltung überlässt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 08.01.1981 - 2 BvL 3/77, 9/77 -NJW 1981, 1311). Im Fall der Datenerhebung ist zur Wahrung der Bestimmtheit eine aufgaben- und bereichsspezifische Regelung der Eingriffstatbestände zu gewährleisten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.02.2007 - 1 BvR 2368/06 - DVBl. 2007, 497).
36 
Gemessen hieran stellt die Vorschrift des § 3 Abs. 2 Satz 1 LBodSchAG eine hinreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage für die Erhebung von Daten zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen eines potentiell Sanierungsverantwortlichen dar. Die Norm bietet hinreichend konkrete Maßstäbe für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Datenerhebung durch die Bodenschutz- und Altlastenbehörde; der Betroffene kann in ausreichendem Maße voraussehen, bei welcher Gelegenheit und zu welchem Zweck von ihm Daten erhoben werden dürfen. So beschränkt die Vorschrift die Datenerhebung bereits auf das Aufgabengebiet der Bodenschutz- und Altlastenbehörde. Darüber hinaus ist die Datenerhebung durch das Gebot der Erforderlichkeit hinreichend eingeschränkt. Die Behörde darf auf der Grundlage von § 3 Abs. 2 Satz 1 LBodSchAG lediglich Auskünfte und Unterlagen einholen, die zur Erfüllung der Aufgaben des Bodenschutzes und der in diesem Rahmen zu treffenden Ermessensentscheidungen erforderlich sind. Durch diese Vorgaben der Norm wird auch der Kreis der in Betracht kommenden Auskunftspflichtigen eingegrenzt. Die Bodenschutzbehörde darf auf der Grundlage von § 3 Abs. 2 Satz 1 LBodSchAG lediglich Auskünfte von Personen einholen, die als potentiell Erkundungs- oder Sanierungspflichtige gemäß § 9 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 3 BBodSchG in Betracht kommen. Entgegen der Meinung des Klägers ist es deshalb auch bei dem hier vertretenen Normverständnis der Bodenschutzbehörde nicht möglich, Unterlagen von beliebigen Dritten heranzuziehen. Vielmehr wird die Erhebung von Daten über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nur im Ausnahmefall möglich sein, nämlich wenn ein Betroffener - wie hier - sich selbst auf seine wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit beruft. Gerade aufgrund des Ausnahmecharakters war der Gesetzgeber nicht gehalten, präzisere und einschränkendere Regelungen hinsichtlich einer Datenerhebung zu wirtschaftlichen Verhältnissen durch die Bodenschutz- und Altlastenbehörde zu treffen. Vielmehr war es dem Gesetzgeber unbenommen, sich auch hinsichtlich der Datenerhebung auf unbestimmte Rechtsbegriffe zu beschränken, wie sie der Gesetzgeber im Bereich der Gefahrenabwehr häufig verwendet, um so dem Erfordernis der Effektivität beim Umgang mit Gefahren jedweder Art zu begegnen. Die Mannigfaltigkeit und Verschiedenartigkeit von gefahrenabwehrrechtlich relevanten Situationen macht es besonders schwer, präzisere Normeingrenzungen vorzunehmen, die die erforderliche Gefahrenabwehr in allen denkbaren Situationen sicherstellen.
37 
2.1.5.2.2 Die Erhebung von Daten zu den persönlichen Verhältnissen eines potentiell Sanierungspflichtigen auf der Grundlage von § 3 Abs. 2 Satz 1 LBodSchAG genügt auch dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Dieses verlangt, dass eine Grundrechtseinschränkung von hinreichenden Gründen des Gemeinwohls gerechtfertigt wird, das gewählte Mittel zu Erreichung des Zwecks geeignet und erforderlich ist und bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze des Zumutbaren noch gewahrt ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.03. 1988 - 1 BvL 49/86 - BVerfGE 78, 77).
38 
Bei der hier von der Bodenschutzbehörde wahrgenommenen Aufgabe der Klärung der Sanierungsverantwortlichkeit für eine Bodenverunreinigung handelt es sich um einen Gemeinwohlbelang von hohem Rang. Der Staat ist von Verfassungs wegen verpflichtet, den Boden und das Grundwasser als Bestandteile der natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen (Art. 20a GG). Mit Blick auf diese Verpflichtung hat der Gesetzgeber mit Einführung des Bundes-Bodenschutzgesetzes und des Landes-Bodenschutz- und Altlastengesetzes Regelungen geschaffen, die der Verwaltung Befugnisse einräumen, deren Anwendung bzw. Ausübung dem Zweck zu dienen hat, schädliche Bodenveränderungen abzuwehren, den Boden und Altlasten sowie hierdurch verursachte Gewässerverunreinigungen zu sanieren und Vorsorge gegen nachteilige Einwirkungen auf den Boden zu treffen. Die Verwaltung und die Gerichte haben Art. 20a GG als verfassungsrechtliche Wertentscheidung sowohl bei der Auslegung als auch bei der Anwendung der Bestimmungen des einfachen Rechts zu beachten (vgl. Senatsbeschluss vom 03.09.2002 - 10 S 957/02 - VBlBW 2004, 100). Ferner gebietet es die Grundentscheidung des Gesetzgebers, in erster Linie die nach § 4 BBodSchG Verantwortlichen zur Erkundung und Sanierung von Altlasten heranzuziehen, aber auch die Begrenztheit der verfügbaren öffentlichen Mittel und der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), dass die für eine Altlast Verantwortlichen ihren Erkundungs- und Sanierungspflichten zeitnah nachkommen. Die Datenerhebung aufgrund von § 3 Abs. 2 Satz 1 LBodSchAG dient deshalb einem wichtigen Gemeinwohlbelang. Wie oben näher dargelegt, ist die Kenntnis der wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse des potentiell Sanierungspflichtigen hier im Einzelfall erforderlich, um der Bodenschutzbehörde eine sachgerechte Ermessensausübung zu ermöglichen. Auch sind keine milderen, gleich wirksamen Maßnahmen denkbar. Insbesondere stellt die vom Kläger vorgeschlagene Vermutungsregel dahingehend, die Behörde könne die Leistungsfähigkeit eines potentiell Sanierungspflichtigen bis zu dem freiwilligen Nachweis des Gegenteils unterstellen (dazu unter 2.2.2.3), nicht in gleich wirksamem Maße die Effektivität des Verwaltungshandelns sichern. Bei der erforderlichen Gesamtabwägung überwiegt das von der Behörde wahrgenommene öffentliche Interesse des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen das private Interesse des Klägers an der Geheimhaltung seiner wirtschaftlichen Situation.
39 
2.1.5.2.3 Entgegen der Annahme des Klägers bestehen auch ausreichende organisatorische und verfahrensrechtliche Vorkehrungen, um der Gefahr einer missbräuchlichen Verwendung der erhobenen Daten entgegenzuwirken. Zutreffend weist der Kläger zwar darauf hin, dass keine sondergesetzlichen Geheimnisschutzregelungen für die Datenerhebung und -verarbeitung durch die Bodenschutz- und Altlastenbehörde bestehen, wie sie etwa für die Tätigkeit der Finanzbehörden (§ 30 AO) und der Sozialbehörden (§ 35 SGB I) geschaffen worden sind. Dies hat indes nicht zur Folge, dass die von der Bodenschutzbehörde erhobenen Daten nicht in hinreichendem Maße geschützt sind. Der gebotene Datenschutz wird vielmehr dadurch gewährleistet, dass in § 12 Abs. 3 LBodSchAG auf die Bestimmungen des Landesdatenschutzgesetzes verwiesen wird. Das Landesdatenschutzgesetz enthält zahlreiche Vorschriften zur Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten, die den erforderlichen Datenschutz sicherstellen. So wird in § 6 LDSG den bei öffentlichen Stellen beschäftigten Personen ein umfassendes Datengeheimhaltungsgebot auferlegt, das einer missbräuchlichen Weitergabe entgegensteht. Ferner werden in § 9 LDSG detaillierte technische und organisatorische Maßnahmen normiert, um eine unbefugte Verwendung und Zweckänderung der erhobenen Daten zu verhindern. Diesem Zweck dienen auch die im zweiten Abschnitt (§ 13 ff.) des Landesdatenschutzgesetzes geregelten Rechtsgrundlagen der Datenverarbeitung. Schließlich werden in § 21 ff. LDSG den Betroffenen zahlreiche Rechte eingeräumt, die ihnen eine Wahrung ihrer Geheimhaltungsinteressen ermöglichen.
40 
Fehl geht auch die Auffassung der Berufung, einer allgemeinen Verwaltungsbehörde sei es anders als Finanz- und Sozialbehörden nicht möglich, effektiv Auskunftsansprüche Dritter abzuwehren und somit die Daten Betroffener zu sichern. Insbesondere besteht auch im Geltungsbereich des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes kein uneingeschränktes Akteneinsichtsrecht Dritter, das einen effektiven Geheimnisschutz nicht ermöglichen würde. Vielmehr ist eine Verwaltungsbehörde gemäß § 29 Abs. 2 LVwVfG zur Verweigerung der Akteneinsicht an Dritte berechtigt und regelmäßig im Rahmen einer Ermessensreduzierung auf Null sogar verpflichtet, soweit berechtigte Geheimhaltungsinteressen einer anderen Person entgegenstehen. Auch spezialgesetzlich gewährte Informationsansprüche bestehen grundsätzlich nicht, soweit dem der Schutz persönlicher Daten Dritter entgegensteht. So wird etwa gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG (das über die Verweisung in § 3 Abs. 1 LUIG für den Vollzug der Umweltgesetze durch Landesbehörden einschlägig ist) der allgemeine Informationsanspruch dann ausgeschlossen, sofern durch die Erteilung der Information personenbezogene Daten offenbart würden. Schließlich ermöglicht die Vorschrift über das in-camera-Verfahren in § 99 Abs. 2 VwGO der Behörde eine effektive Geheimhaltung der erhobenen wirtschaftlichen Daten Dritter auch im Rahmen eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und schränkt insoweit die Vorlage- und Auskunftspflicht gegenüber dem Gericht und dritten Prozessbeteiligten ein. Bei einer Gesamtschau der anwendbaren Verfahrensvorschriften ist daher der Geheimnisschutz durch die Bodenschutz- und Altlastenbehörde in gleich effektivem Maße wie im Bereich der Sozial- und Finanzverwaltung gewährleistet, obwohl die dort geltenden Geheimhaltungsvorschriften nicht anwendbar sind. Zur Schaffung ähnlicher spezialgesetzlicher Vorschriften für die Tätigkeit der Bodenschutz- und Altlastenbehörde war der Gesetzgeber bereits deshalb nicht gehalten, weil die Erhebung sensibler persönlicher Daten nicht den Regelfall darstellt, sondern - wie oben näher dargestellt -auf Ausnahmefälle beschränkt sein wird.
41 
2.2 Gegen die Rechtmäßigkeit der Verfügung vom 26.02.2010 bestehen schließlich nicht die von dem Kläger geltend gemachten formell- (dazu unter 2.2.1) und materiell-rechtlichen Bedenken (dazu unter 2.2.2).
42 
2.2.1 Die Aufforderung zur Vorlage von Nachweisen hinsichtlich der finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers mit Bescheid vom 26.02.2010 ist formell rechtmäßig, insbesondere hinreichend bestimmt. Das Bestimmtheitsgebot des § 37 Abs. 1 LVwVfG verlangt, dass aus der getroffenen Regelung, d. h. aus dem Entscheidungssatz im Zusammenhang mit den Gründen und den sonstigen bekannten oder ohne weiteres erkennbaren Umständen, für den Adressaten der Inhalt der Regelung so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein muss, dass er sein Verhalten danach richten kann. Abzustellen ist dabei nicht auf die Vorstellungen oder den subjektiven wirklichen oder gegebenenfalls hypothetischen Willen der Behörde, sondern auf den objektiven Erklärungswert und Erklärungsinhalt des dem Betroffenen Mitgeteilten, so wie dieses nach Treu und Glauben verstanden werden darf und muss. Unklarheiten gehen hierbei zu Lasten der Behörde. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick darauf, dass der befehlende Verwaltungsakt ohne weitere Erklärungen als Grundlage für die Vollstreckung und die spätere Durchsetzung von Kostenersatzansprüchen geeignet sein muss. Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit eines Verwaltungsakts nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden und mit dem Verwaltungsakt umzusetzenden materiellen Rechts (vgl. BVerwG, Urteile vom 15.02.1990 - 4 C 41.87 - BVerwGE 84, 335; sowie vom 16.10.2013 - 8 C 21.12 - juris; Senatsurteil vom 08.03.2013 - 10 S 1190/09 - VBlBW 2013, 455).
43 
Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die dem Kläger mit Bescheid vom 26.02.2010 auferlegte Verpflichtung, „Nachweise über die aktuellen Einkommens- und Vermögensverhältnisse“ vorzulegen, noch inhaltlich hinreichend bestimmt. Der von der Behörde verwendete Begriff der Einkommens- und Vermögensverhältnisse ist bereits nach dem allgemeinen Sprachgebrauch auf die Höhe der Einkünfte und die Höhe des Vermögens eines Betroffenen bezogen. Bei der gebotenen objektiven Auslegung des Bescheids aus dem Empfängerhorizont musste sich dem Kläger daher aufdrängen, dass er zum Nachweis seiner Einkommensverhältnisse primär den Einkommensteuerbescheid bzw. etwaige Bescheide über die Nichterzielung von Einkünften (z.B. Leistungsbescheide der Sozialbehörden) und hinsichtlich der geforderten Darlegung der Vermögensverhältnisse Kontoauszüge oder Grundbuchauszüge vorzulegen hat. Zutreffend weist der Beklagte im Übrigen darauf hin, dass es der Bodenschutz- und Altlastenbehörde mangels Überblick über die wirtschaftliche Situation des Klägers bei Erlass der Verfügung nicht möglich war, nach konkret bezeichneten Einkommens- und Vermögensarten und zu deren Nachweis geeigneten Unterlagen zu fragen. Bei einer weitergehenden Präzisierung der vorzulegenden Unterlagen liefe die Behörde Gefahr, nicht notwendige Unterlagen anzufordern und sich dabei dem Vorwurf einer unverhältnismäßigen Vorgehensweise auszusetzen.
44 
2.2.2 Die Verfügung vom 26.02.2010 ist auch materiell rechtmäßig.
45 
2.2.2.1 Zutreffend hat das Verwaltungsgericht im Einzelnen näher dargelegt, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs. 2 Satz 1 LBodSchAG vorliegen. Der Kläger kommt aufgrund von Tatsachen als Verursacher einer schädlichen Bodenveränderung und damit als Sanierungsverantwortlicher gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. BBodSchG in Betracht. Wie die vom Landratsamt im Wege der Ersatzvornahme durchgeführte Gefahrenverdachtserkundung im Jahre 2003 zutage gefördert hat, ist die Bodenluft des besagten Grundstücks mit hohen bis sehr hohen Konzentrationen von leichtflüchtigen, halogenierten Kohlenwasserstoffen belastet; ferner wurde eine Grundwasserverunreinigung festgestellt. Aufgrund dieser Untersuchungen ist davon auszugehen, dass die sanierungsrelevanten Eintragungen im Boden ganz oder zumindest teilweise dem Betrieb der Reinigung des Klägers zuzuordnen sind. Zu Recht ist das Landratsamt davon ausgegangen, dass aufgrund dieser - im Einzelnen zwischen den Beteiligten nicht umstrittenen - Befunde eine Heranziehung des Klägers als (Mit-)Verursacher einer Bodenverunreinigung in Betracht kommt. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang der von dem Kläger im Verwaltungsverfahren aufgeworfene Gesichtspunkt, dass möglicherweise ein weiterer (namentlich nicht bekannter) früherer Betreiber der Reinigung ebenfalls zu der Bodenverunreinigung beigetragen hat. Nach der Rechtsprechung des Senats kann bei mehreren Handlungsverantwortlichen jeder Verursacher auf die vollständige Beseitigung der Störung in Anspruch genommen werden; aus Gründen der Verhältnismäßigkeit setzt dies lediglich eine Erheblichkeit des Verursachungsbeitrags voraus (vgl. Senatsurteil vom 18.12.2012 - 10 S 744/12 - a.a.O.; Senatsbeschluss vom 03.09.2002 - 10 S 957/02 - a.a.O. - jeweils m.w.N.). Auch in Fällen dieser Art ist nicht zwangsläufig allein der Grundstückseigentümer oder Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft nach § 4 Abs. 3 BBodSchG zur Verantwortung zu ziehen, vielmehr hat der Gesetzgeber die Haftung des Verursachers einer Bodenverunreinigung gleichrangig neben diejenige des Grundstückseigentümers und Inhabers der tatsächlichen Sachherrschaft gestellt.
46 
2.2.2.2 Entgegen der Auffassung der Berufung werden materiell-rechtliche Bedenken gegen die Verfügung vom 26.02.2010 auch nicht dadurch begründet, dass von dem Kläger die Vorlage von „beglaubigten Kopien“ zur Glaubhaftmachung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse gefordert wird. Bei der gebotenen Auslegung der Verfügung vom 26.02.2010 dürfte dem Kläger diese Verpflichtung so nicht auferlegt worden sein. Dagegen spricht, dass der Kläger mit der Verfügung vom 26.02.2010 ausdrücklich lediglich zur Vorlage von Nachweisen über die aktuellen Einkommens- und Vermögensverhältnisse aufgefordert wurde; von den im Anhörungsschreiben vom 12.01.2010 erwähnten beglaubigten Kopien ist in der Verfügung zumindest nicht mehr ausdrücklich die Rede. Bei der nach dem oben Gesagten vorzunehmenden objektiven Auslegung aus dem Empfängerhorizont ist die Verfügung vielmehr so zu verstehen, dass dem Kläger die Vorlage aussagekräftiger Nachweise hinsichtlich seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse auferlegt wird. Dieser Verpflichtung kann entweder durch die Vorlage beglaubigter Kopien oder von Originalen, die von der Behörde zu beglaubigen sind (vgl. § 33 LVwVfG), nachgekommen werden. Gegen die so verstandene Verfügung bestehen nicht die vom Kläger geltend gemachten Bedenken. Die Rechtsgrundlage des § 3 Abs. 2 Satz 1 LBodSchAG deckt zur Erhöhung der inhaltlichen Richtigkeitsgewähr die von der Behörde aufgestellten Anforderungen hinsichtlich der Glaubhaftmachung durch Vorlage beglaubigter Kopien oder von Originalen.
47 
2.2.2.3 Des weiteren erweist sich die Verfügung vom 26.02.2010 nicht als unverhältnismäßig. Wie oben bereits in anderem Zusammenhang näher dargestellt, ist die Behörde zur sachgerechten Ausübung des Ermessens darauf angewiesen, über Kenntnis der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der als Störer in Betracht kommenden Personen zu verfügen; die vom Kläger vorgeschlagene Vermutung der Leistungsfähigkeit eines Störers bis zum Nachweis des Gegenteils trägt demnach nicht. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass das Landratsamt mit Bescheid vom 06.09.2010 in der Sache die vom Kläger postulierte Vermutung aufgegriffen und ihn als finanziell leistungsfähig angesehen hat. Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass dies allenfalls Bedenken gegen die Verfügung vom 06.09.2010 aufwirft, die Rechtmäßigkeit des hier gegenständlichen Auskunftsverlangens indes unberührt lässt.
48 
2.2.2.4 Fehl geht schließlich die Rüge des Klägers, das Landratsamt habe unter Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG Nachweise hinsichtlich der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit lediglich von ihm als potentiellen Handlungsstörer, nicht aber von dem Grundstückseigentümer als ebenso sanierungsverantwortlichen Zustandsstörer verlangt. Keiner Klärung bedarf in diesem Zusammenhang, ob eine derartige einseitig nur an den Handlungsstörer gerichtete Aufforderung zum Nachweis seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse tatsächlich einen vor Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu rechtfertigenden Gleichheitsverstoß darstellen würde. Gegen eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung könnte bereits sprechen, dass die Bodenschutz- und Altlastenbehörde für eine ordnungsgemäße Störerauswahl regelmäßig nicht auf Kenntnis der Vermögensverhältnisse des Grundstückseigentümers als Zustandsstörer angewiesen sein dürfte. Denn dieser verfügt mit dem Grundstück über einen erheblichen Vermögenswert; auch ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seine Haftung aus Zumutbarkeitsgesichtspunkten regelmäßig auf den Wert des Grundstücks begrenzt (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 16.02.2000 - 1 BvR 242/91 - BVerfGE 102, 1). Unabhängig von diesen rechtlichen Erwägungen geht die Annahme des Klägers an dem Sachverhalt vorbei. Ausweislich der Verwaltungsakten hat das Landratsamt mit Schreiben vom 02.03.2010 auch den Grundstückseigentümer als potentiellen Zustandsstörer zum Nachweis seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse aufgefordert. Entgegen der Annahme des Klägers hat das Landratsamt gerade keine Ungleichbehandlung von Handlungs- und Zustandsstörer vorgenommen.
49 
Nach alldem bleibt die Berufung des Klägers ohne Erfolg.
50 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
51 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
52 
Beschluss vom 13. März 2013
53 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß §§ 63 Abs. 2, 47, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
54 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
15 
Der Senat kann gemäß § 101 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO über die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben.
16 
Die zulässige, insbesondere rechtzeitig unter Stellung eines Antrags begründete Berufung des Klägers ist unbegründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass die Klage zulässig ist (dazu unter 1.), jedoch in der Sache ohne Erfolg bleibt (dazu unter 2.).
17 
1. Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Klage als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 1. Alt. VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig ist. Das Schreiben des Landratsamts ... vom 26.02.2010 stellt einen Verwaltungsakt dar (dazu unter 1.1), der sich bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht erledigt hat (dazu unter 1.2).
18 
1.1 Bei der im Schreiben des Landratsamts vom 26.02.2010 enthaltenen Aufforderung an den Kläger, Nachweise über seine aktuellen Einkommens- und Vermögensverhältnisse vorzulegen, handelt es sich um einen Verwaltungsakt im Sinne von § 35 Satz 1 LVwVfG. Für die Frage, ob eine Erklärung der Behörde als Verwaltungsakt zu qualifizieren ist, ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung neben dem Wortlaut und dem objektiven Erklärungswert - insbesondere unter Berücksichtigung der Regelungsbefugnis der Behörde und dem Regelungsgehalt - auf die äußere Form (z.B. Bezeichnung als Bescheid oder Verfügung) sowie eine gegebenenfalls beigefügte bzw. fehlende Rechtsbehelfsbelehrung abzustellen. Das Fehlen einer Rechtsbehelfsbelehrung kann ein Indiz gegen das Vorliegen eines Verwaltungsaktes sein, schließt jedoch für sich allein das Vorliegen eines Verwaltungsaktes nicht zwingend aus. Unklarheiten hinsichtlich der von der Behörde gewählten Verwaltungsakt-Form gehen zu deren Lasten; bei Auslegungszweifeln ist bei belastenden Verwaltungsakten das für den Betroffenen weniger belastende Auslegungsergebnis vorzuziehen (vgl. Senatsurteil vom 14.02.2012 - 10 S 1115/10 - DÖV 2012, 570; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15.10.2009 - 2 S 1457/09 - VBlBW 2010,119).
19 
Bei Anwendung dieser Grundsätze ist das Schreiben des Landratsamts vom 26.02.2010 als einseitig verbindliche Regelung anzusehen, obwohl es nicht als Bescheid bezeichnet ist und ihm keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war. Wie das Verwaltungsgericht und die Widerspruchsbehörde zutreffend ausgeführt haben, kommt der auferlegten Verpflichtung Regelungswirkung zu. Eine Regelung ist anzunehmen, wenn die Maßnahme der Behörde darauf gerichtet ist, eine verbindliche Rechtsfolge zu setzen, d.h. wenn Rechte des Betroffenen unmittelbar begründet, geändert, aufgehoben, mit bindender Wirkung festgestellt oder verneint werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.05.1987 - 7 C 83.84 -BVerwGE 77, 268). Zwar stellen unselbständige Verfahrenshandlungen wie die Aufforderung zur Mitwirkung grundsätzlich keine Regelung dar, da sie eine solche lediglich vorbereiten und das Verwaltungsverfahren durch sie nicht abgeschlossen wird (vgl. hierzu näher Stuhlfauth in: Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, 4. Aufl. 2014, Rn 62 ff. zu § 35). Allerdings kann auch Vorbereitungsmaßnahmen ausnahmsweise eine Verwaltungsaktqualität zukommen; dies ist namentlich dann der Fall, wenn behördliche Datenerhebungen unmittelbar den Rechtskreis des Bürgers berühren und eine verbindliche Entscheidung über deren Umfang getroffen wird (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24.04.1990 - 8 A 1662/88 - NVwZ 1990, 1192; OLG Hamm, Beschluss vom 22.10.1992 - 3 Ss Owi 539/92 - NVwZ-RR 1993, 244). In diesem Fall muss nämlich die Möglichkeit bestehen, bereits gegen die vorbereitende hoheitliche Maßnahme verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Entsprechendes gilt in dem hier vorliegenden Fall. Der Aufforderung kommt Regelungscharakter zu, weil über den Umfang der geltend gemachten Auskunfts- und Vorlagepflicht entschieden wird, mithin die Behörde entscheidet, worüber, in welchem Umfang und wie der in Anspruch genommene potentielle Störer Auskunft zu erteilen hat. Es handelt sich somit um eine gesetzeskonkretisierende Verfügung, mit der sich die aus § 3 Abs. 2 Satz 1 LBodSchAG ergebende Handlungspflicht verbindlich festgestellt und in Form eines Verwaltungsaktes konkretisiert wird. Letzteres ist von Bedeutung, weil die Behörde nur einen den Einzelfall regelnden Verwaltungsakt, nicht aber den allgemeinen gesetzlichen Befehl mit Zwangsmitteln durchsetzen kann (vgl. Senatsurteil vom 31.05.2011 - 10 S 794/09 - ESVGH 61, 246).
20 
Unabhängig hiervon ist die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage bereits deshalb zu bejahen, weil das Regierungspräsidium in seinem Widerspruchsbescheid die Verwaltungsaktqualität der Maßnahme ausdrücklich anerkannt und der Entscheidung damit die Gestalt eines Verwaltungsaktes gegeben hat. Aus dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) folgt, dass eine behördliche Entscheidung in der Weise angegriffen werden kann, in der sie sich äußerlich für den Adressaten darstellt. Qualifiziert die mit der Ausgangsbehörde nicht identische Widerspruchsbehörde im Widerspruchsbescheid eine Regelung als Verwaltungsakt, ist gegen die so gestaltete Maßnahme die Anfechtungsklage statthaft (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.06.1987 - 8 C 21.86 -BVerwGE 78, 3).
21 
1.2 Dieser Verwaltungsakt hat sich auch nicht durch die Inanspruchnahme des Klägers als Handlungsstörer mit Verfügung vom 06.09.2010 erledigt. Nach § 43 Abs. 2 LVwVfG bleibt ein Verwaltungsakt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Die Erledigung eines Verwaltungsakts tritt ein, wenn dieser nicht mehr geeignet ist, rechtliche Wirkungen zu entfalten oder wenn die ihm ursprünglich innewohnende Steuerungsfunktion entfallen ist (BVerwG, Urteil vom 25.09.2008 - 7 C 5.08 - NVwZ 2009, 122; Senatsbeschluss vom 25.01.2010 - 10 S 2701/09 - VBlBW 2010, 204). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Denn das Landratsamt leitet immer noch Rechtsfolgen aus seiner Verfügung vom 26.02.2010 her. So begründet es die Entscheidung über die Heranziehung des Klägers zu Maßnahmen nach § 9 Abs. 2 BBodSchG mit Bescheid vom 06.09.2010 ausdrücklich mit der Verletzung der aufgegebenen Pflicht aus dem verfahrensgegenständlichen Verwaltungsakt. Zudem hat die Behörde ein Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen nicht erfolgter Auskunftserteilung eingeleitet und gegen den Kläger ein Bußgeld festgesetzt. Der streitgegenständliche Verwaltungsakt bildet nach wie vor die Grundlage des Auskunftsverlangens des Landesamts und kann Gegenstand der Verwaltungsvollstreckung sein.
22 
2. Die Klage bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Die mit Bescheid vom 26.02.2010 ausgesprochene Verpflichtung des Klägers, Nachweise über seine aktuellen Einkommens- und Vermögensverhältnisse vorzulegen, in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 12.12.2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger deshalb nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass auf der Grundlage von § 3 Abs. 2 Satz 1 LBodSchAG auch die Erteilung von Auskünften über persönliche Verhältnisse des potentiell Sanierungsverantwortlichen verlangt werden kann (dazu unter 2.1). Gegen die Rechtmäßigkeit der Verfügung vom 26.02.2010 bestehen nicht die von dem Kläger geltend gemachten formellen und inhaltlichen Bedenken (dazu unter 2.2).
23 
2.1 Das Verwaltungsgericht geht zutreffend davon aus, dass § 3 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes zur Ausführung des Bundes-Bodenschutzgesetzes (Landes-Bodenschutz- und Altlastengesetz - LBodSchAG - vom 14.12.2004 - GBl. 2004, 908) die tragende Rechtsgrundlage für die Verfügung vom 26.02.2010 ist. Danach hat, wer aufgrund von Tatsachen als Verursacher einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast in Betracht kommt, dessen Gesamtrechtsnachfolger, der Eigentümer, der frühere Eigentümer und der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück der Bodenschutz- und Altlastenbehörde und deren Beauftragten auf Verlangen Auskünfte zu erteilen und Unterlagen vorzulegen, die diese zur Erfüllung der Aufgaben nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz oder nach diesem Gesetz benötigen.
24 
Die Auslegung anhand der klassischen Auslegungsmethoden ergibt, dass auch die von der Behörde angeforderten Unterlagen solche im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 LBodSchAG sind. Für dieses auch vom Verwaltungsgericht vertretene Normverständnis spricht bereits der Wortlaut von § 3 Abs. 2 Satz 1 LBodSchAG (dazu unter 2.1.1). Entgegen der Auffassung des Klägers ist eine abweichende restriktive Auslegung weder bei systematischer Betrachtung (dazu unter 2.1.2) noch aufgrund der Gesetzesbegründung (dazu unter 2.1.3) geboten. Für das hier vertretene Auslegungsergebnis spricht vor allem auch der Sinn und Zweck der Bestimmung (dazu unter 2.1.4). Schließlich ist eine Reduktion der Norm auch nicht erforderlich, um verfassungsrechtlichen Anforderungen, insbesondere im Hinblick auf die Garantie der informationellen Selbstbestimmung gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, Genüge zu tun (dazu unter 2.1.5).
25 
2.1.1 Bereits der Wortlaut von § 3 Abs. 2 Satz 1 LBodSchAG spricht dafür, dass auch Informationen und Unterlagen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen eines potentiell Sanierungsverantwortlichen auf der Grundlage dieser Bestimmung verlangt werden können. In der Norm ist nämlich nur von Unterlagen die Rede, die die Bodenschutz- und Altlastenbehörde „zur Erfüllung ihrer Aufgaben“ benötigt. Es handelt sich mithin um eine (eingeschränkte) Generalklausel, wie sie der Gesetzgeber gerade im Bereich der Gefahrenabwehr häufig verwendet. Teil der Aufgaben der Bodenschutzbehörde ist es auch, im Rahmen der Ermessensausübung eine Entscheidung über die Heranziehung mehrerer in Betracht kommender Pflichtigen für die diversen im Bundes-Bodenschutz-gesetz vorgesehenen Erkundungs- und Sanierungsmaßnahmen zu treffen. Die fehlerfreie Ausübung dieses Ermessens kann dabei auch Ermittlungen zu der finanziellen und wirtschaftlichen Lage der in Betracht kommenden Sanierungspflichtigen voraussetzen. Für das von dem Kläger vertretene Auslegungsergebnis, wonach lediglich „sachliche“ Informationen und entsprechende Unterlagen verlangt werden können, findet sich jedenfalls im Wortlaut der Bestimmung kein Anhaltspunkt.
26 
2.1.2 Entgegen der Auffassung der Berufung führt auch die systematische Auslegung zu keinem eindeutigen Ergebnis. Wie der Kläger richtigerweise feststellt, werden in vergleichbaren Eingriffsnormen, welche Behörden zur Datenerhebung ermächtigen, häufig deutlich restriktivere Voraussetzungen normiert. Im vom Kläger angeführten Bereich des Sozialrechts ermächtigt § 60 SGB I Sozialbehörden dazu, von den Antragstellern Nachweise für ihre Bedürftigkeit und vergleichbare Unterlagen zu verlangen. In dieser Norm wird auch ausdrücklich klargestellt, dass Unterlagen über die persönlichen Verhältnisse des Antragstellers verlangt werden können. Richtig ist auch, dass der Gesetzgeber mit der Normierung des Sozialgeheimnisses in § 35 SGB I besondere Vorkehrungen hinsichtlich des Umgangs mit Sozialdaten geschaffen hat und dabei unter anderem sicherstellt, dass diese Daten ausschließlich für die in diesem Gesetz genannten Zwecke verwendet werden. Ähnliche Regelungen finden sich - worauf die Berufung zutreffend hinweist - in steuer- und abgabenrechtlichen Vorschriften. Daraus lässt sich jedoch nicht das von dem Kläger angeführte systematische Argument herleiten, dass in allen anderen Fällen der staatlichen Eingriffsverwaltung kein weniger strenges Regelungskonzept zulässig sei. Ansonsten wäre der Gesetzgeber stets an sein strengstes Konzept für alle zukünftigen Normgebungen gebunden. Die gesetzesübergreifende Systematik gibt mithin kein eindeutiges Auslegungsergebnis vor.
27 
2.1.3 Schließlich bietet auch die Begründung der Landesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung des Bundes-Bodenschutzgesetzes und zur Änderung abfallrechtlicher und wasserrechtlicher Vorschriften vom 20.10.2004 (LT-Drs. 13/3677, S. 1 ff.) keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür, dass sich der Anwendungsbereich des § 3 Abs. 2 Satz 1 LBodSchAG lediglich auf „sachliche“ Informationen und damit nicht auf Angaben über Einkommens- und Vermögensverhältnisse bezieht. Zur Erläuterung des § 3 Abs. 2 und 3 LBodSchAG wird in der Begründung zum Gesetzentwurf ausgeführt, dass den Behörden auch solche Informationen zugänglich sein müssten, welche sie nicht selbst oder nur unter unverhältnismäßigem Aufwand beschaffen könnten (vgl. LT-Drs. 13/3677, S. 29). Zur Qualität der Informationen oder inhaltlichen Einschränkungen schweigt die Begründung. Es werden lediglich einzelne Beispiele wie die historische Erkundung und die Änderung der Grundstücksnutzung und -bewirtschaftung genannt. Dem Kläger ist deshalb zwar zuzugeben, dass die Begründung zu § 3 Abs. 2 und 3 LBodSchAG vorrangig diejenigen Informationserhebungen im Blick hat, die er als „sachliche“ Informationen bezeichnet und nicht solche, welche die persönlichen Verhältnisse des Pflichtigen betreffen. Der Senat vermag dem Schluss des Klägers, daraus lasse sich eine Einschränkung auf die sachliche Qualität der vorzulegenden Informationen herleiten, allerdings nicht zu folgen. Wie der Gesetzesbegründung zu entnehmen ist, handelt es sich bei den genannten Beispielen um „besonders augenfällige“, also solche, denen der Gesetzgeber besondere Bedeutung zumisst. Daraus folgt aber nicht, dass andere Bereiche damit einem Zugriff entzogen sind. Gerade bei der hier in Rede stehenden Gefahrenabwehr wäre es schlicht nicht möglich, alle Bereiche, die von einer Befugnisnorm erfasst werden, bereits im Rahmen der Gesetzesbegründung aufzuführen und zu berücksichtigen. Gerade vor diesem Hintergrund hat sich der Gesetzgeber zur Schaffung einer (eingeschränkten) Generalklausel unter Verwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen entschlossen. Trifft der Gesetzgeber aber die Entscheidung, unbestimmte Rechtsbegriffe zu verwenden, um so eine Befugnisnorm für eine Vielzahl von gefahrenabwehrrechtlichen Situationen zu schaffen, wäre es sinnwidrig, ihn gerade an den in der Gesetzesbegründung aufgeführten Beispielen festzuhalten und den Anwendungsbereich der Norm hierauf zu beschränken. Hätte der Gesetzgeber tatsächlich eine derartige Beschränkung des Anwendungsbereichs von § 3 Abs. 2 Satz 1 LBodSchAG regeln wollen, hätte er diese Absicht deutlich gemacht, wie sich aus den vorgenommenen Einschränkungen hinsichtlich der Beschaffungspflicht von Dritten ergibt. Danach sind im Bereich der Amtsermittlung nach § 9 Abs. 1 BBodSchG und gegenüber Dritten, welche nicht Pflichtige nach § 9 Abs. 2 und § 10 Abs. 1 BBodSchG sind, nur solche Auskünfte und Unterlagen pflichtgemäß vorzulegen, auf welche die Betroffenen ohne Weiteres Zugriff haben, eine Beschaffungspflicht bei Dritten werde nicht begründet (vgl. LT-Drs. 13/3677, S. 29). Hier zeigt sich anhand der Formulierung der klare Ausnahmecharakter („nur“) und die Klarstellung der Grenzen des unbestimmten Rechtsbegriffs („wird nicht begründet“). Ähnlich verhält es sich mit der Ausnahme für Informationen, durch welche der Pflichtige sich oder nahe Angehörige in die Gefahr der Strafverfolgung bringen würde (§ 3 Abs. 2 Satz 2 LBodSchAG). Diese tatsächlich vom Gesetzgeber beabsichtigten Einschränkungen sind mithin als solche klar im Tatbestand formuliert. Hinsichtlich der hier in Rede stehenden Frage der Qualität der Informationen wird eine derartige ausdrückliche Einschränkung indes weder im Tatbestand noch in der Gesetzesbegründung vorgenommen.
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Entgegen der Auffassung des Klägers führt auch die Betrachtung der Gesetzesmaterialien zu verwandten Regelungen anderer Bundesländer zu keinem abweichenden Auslegungsergebnis. Derartigen Gesetzesmaterialien kann insoweit nur eine indizielle Bedeutung zukommen, da die Motive der Gesetzgeber anderer Bundesländer keinen sicheren Rückschluss für die Auslegung des baden-württembergischen Gesetzes ermöglicht. Ein Vergleich der Gesetzesbegründung zu wortgleichen (vgl. Niedersachsen, § 1 Abs. 1 NBodSchG) oder ähnlichen Formulierungen (vgl. Bayern, Art. 1 Satz 2 BayBodSchG; Berlin, § 2 Abs. 3 Bln BodSchG; Bremen, § 4 Abs. 1 BremBodSchG; Hamburg, § 1 Abs. 2 und 3 HambBodSchG; Nordrhein-Westfalen, § 3 Abs. 1 LBodSchG; Rheinland-Pfalz, § 5 Abs. 1 LBodSchG; Saarland, § 2 Abs. 1 SBodSchG; Sachsen, § 10 Abs. 2 SächsABG; Sachsen-Anhalt, § 3 BodSchAG LSA; Schleswig-Holstein, § 2 Abs. 1 LBodSchG; Thüringen, § 2 Abs. 3 ThürBodSchG) in den Ausführungsgesetzen anderer Bundesländer zum Bundes-Bodenschutzgesetz bestätigt tendenziell das hier vertretene Auslegungsergebnis. So statuiert die wortgleiche Regelung in § 1 Abs. 1 des niedersächsischen Bodenschutzgesetzes (NBodSchG) laut der Gesetzesbegründung ausdrücklich eine „umfassende Auskunftspflicht“, welche ebenfalls nur insoweit eingeschränkt wird, als die Auskunft einer strafrechtlichen Selbstbezichtigung oder Bezichtigung naher Angehöriger gleichkäme (vgl. LT-Drs. 14/380, Begründung zu § 1, S. 11). Eine weitergehende Eingrenzung wird nicht vorgenommen. Auch finden sich hier keine besonders aufgelisteten Beispiele für den möglichen Inhalt eines Auskunftsbegehrens. Eine solche umfassende Auskunftserteilung hat der jeweilige Gesetzgeber auch in anderen Bundesländern mit ähnlich formulierten oder inhaltsgleichen Voraussetzungen im Blick (vgl. etwa hinsichtlich Bayern, LT-Drs. 14/31, S. 11; Bremen, LT-Drs. 15/1188, S. 13; Hamburg, LT-Drs. 16/4508, S. 8; Nordrhein-Westfalen, LT-Drs. 12/4475, S. 39; Sachsen-Anhalt, LT-Drs. 3/4909, S. 19; Schleswig-Holstein, LT-Drs. 15/1049, S. 26; Thüringer Landtagsdrucksache 3/3413, S. 14). Neben der Auskunftspflicht, welche inhaltlich der in § 3 Abs. 2 Satz 1 LBodSchAG Baden-Württemberg gleichkommt, haben Hessen und Mecklenburg-Vorpommern darüber hinaus noch eine klarstellende Regelung bezüglich Angaben zu Tatsachen, welche die Sanierungsverantwortlichkeit oder die wirtschaftlichen Verhältnisse betreffen, aufgenommen. So heißt es wortgleich in § 4 Abs. 4 HAltBodSchG und § 2 Abs. 4 LBodSchG M-V, dass die Bodenschutzbehörde bei Angaben über Tatsachen, welche die Sanierungsverantwortlichkeit oder die wirtschaftlichen Verhältnisse des Sanierungspflichtigen betreffen, verlangen kann, dass die Angaben durch eine Versicherung an Eides statt glaubhaft gemacht werden. Hieraus kann indes nicht geschlossen werden, dass die Landesgesetzgeber damit eine spezielle Ermächtigungsgrundlage gerade für die Vorlage von personenbezogenen Daten zur Leistungsfähigkeit geschaffen haben und diese nötig sei, da die allgemeine Regelung zu Auskünften nur die grundstücksbezogenen Daten erfasse. Diesem Schluss steht bereits entgegen, dass ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 4 Abs. 4 HAltBodschG und § 2 Abs. 4 LBodSchG M-V der Zweck dieser Regelungen allein darin besteht, die Richtigkeitsgewähr der Auskünfte zu erhöhen, da die Abgabe falscher eidesstattlicher Versicherungen einen Straftatbestand erfüllt (vgl. Hessen LT-Drs. 16/7240, S. 15 und Mecklenburg-Vorpommern LT-Drs. 5/4169, S. 26). Durch diese Vorschriften soll nur die Glaubhaftmachung durch eidesstattliche Versicherung genauer geregelt werden (vergleichbar mit der Regelung des § 27 LVwVfG). Eine Ermächtigungsgrundlage für das Auskunftsverlangen hinsichtlich persönlicher Daten wird in diesen gesonderten Regelungen gerade nicht geschaffen. Dieses ist vielmehr von der allgemeinen und mit der Regelung des § 3 Abs. 2 Satz 1 LBodSchAG Baden-Württemberg vergleichbaren Norm des § 4 Abs. 1 Satz 2 HAltBodSchG und § 2 Abs. 1 Satz 2 LBodSchG M-V gedeckt. Laut der hessischen Gesetzesbegründung räumt diese Regelung der Behörde ein Auskunftsrecht ein, das nur durch die oben genannte Gefahr der strafrechtlichen Selbstbezichtigung und das Kriterium, dass die Auskunft zur Aufgabenerfüllung nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz und nach diesem Gesetz „benötigt“ werde, eingeschränkt wird (vgl. Hessen, LT-Drs. 16/7240, S. 14). Damit sind hier die gleichen Voraussetzungen wie nach § 3 Abs. 2 LBodSchAG maßgeblich. Eine einschränkende Auslegung des Tatbestands ist mithin auch nach dem Gesetzgeberwillen anderer Bundesländer nicht geboten.
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2.1.4 Entscheidend muss vor dem Hintergrund der im Ergebnis nicht vollständig stringenten grammatischen und historischen Auslegung die Frage sein, welcher Normzweck mit § 3 Abs. 2 Satz 1 LBodSchAG verfolgt wird. Sinn und Zweck der Vorschrift sprechen jedoch eindeutig dafür, auch die persönlichen Informationen unter die Norm zu subsumieren. Der Kläger macht geltend, es sei eine teleologische Begrenzung des Wortlauts dahingehend geboten, dass lediglich „sachliche“ Informationen auf dieser Grundlage erlangt werden können. Dem ist indes nicht zuzustimmen. Telos des § 3 Abs. 2 LBodSchAG ist nämlich gerade, der Behörde die Erfüllung ihrer Aufgaben nach dem BundesBodenschutzgesetz zu ermöglichen und ihr die hierzu erforderlichen Instrumente in die Hand zu geben. Zu diesen Aufgaben gehört es auch, bei mehreren in Betracht kommenden Erkundungs- bzw. Sanierungspflichtigen im Rahmen der Ermessensausübung eine sachgerechte Störerauswahl zu treffen. Fehl geht die Erwägung des Klägers, hierzu seien Auskünfte über die persönlichen, insbesondere wirtschaftlichen Verhältnisse eines Sanierungspflichtigen nicht zwingend notwendig.
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Im Falle einer sogenannten Störermehrheit ist bei der behördlichen Auswahlentscheidung, welcher Störer mit einer Verfügung herangezogen wird, zwischen der primären Ebene und der sekundären Ebene zu unterscheiden; dabei sind die Auswahlkriterien nicht notwendigerweise identisch (vgl. hierzu ausführlich Senatsurteil vom 18.12.2012 - 10 S 744/12 - VBlBW 2013, 189). Auf der hier in Rede stehenden primären Ebene geht es aus einer ex ante-Sicht um die Gefahrenabwehr. Leitender Gesichtspunkt für die Störerauswahl ist die Effektivität der Gefahrenabwehr; anzustreben ist die schnelle und wirksame Gefahrenbeseitigung. Ein gesetzliches Rangverhältnis zur gefahrenabwehrrechtlichen Heranziehung von Störern gibt es dabei grundsätzlich nicht. Bei der Ausübung ihres Auswahlermessens hat sich die Behörde in erster Linie von dem Gesichtspunkt der effektiven Gefahrenabwehr unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes leiten zu lassen. Dies schließt nicht aus, dass daneben auch andere Gesichtspunkte berücksichtigt werden; dies kann z.B. die größere Gefahrennähe eines der Störer sein. Ferner darf die Behörde bereits auf der Primärebene den Gesichtspunkt der gerechten Lastenverteilung berücksichtigen (vgl. zum Ganzen Senatsurteile vom 24.01.2012 - 10 S 1476/11 - NVwZ-RR 2012, 387; sowie vom 30.04.1996 - 10 S 2163/95 - VBlBW 1996, 351). In diesem Rahmen darf auch die fehlende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Sanierungspflichtigen in die Ermessenserwägungen auf der Primärebene eingestellt werden (vgl. Senatsurteil vom 30.04.1996 - 10 S 2163/95 -, a.a.O.). Die Behörde hat ihre Ermessensentscheidung aber auch insoweit auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage zu treffen und darf von der Leistungsunfähigkeit eines Betroffenen nicht ohne nähere Überprüfung ausgehen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 16.11.1992 - 1 S 2727/91 -, NVwZ-RR 1994, 52; sowie vom 28.06.1989 - 5 S 721/88 -, VBlBW 1990, 31). Die Kenntnis der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der in Betracht kommenden Sanierungsverantwortlichen ist für die Ermessensentscheidung der Bodenschutzbehörde mithin immer dann erforderlich, wenn sie sich bei der Störerauswahl - nach dem oben Gesagten in zulässiger Weise - von dem Gesichtspunkt der gerechten Lastenverteilung neben dem primären Gesichtspunkt der Effektivität des behördlichen Handelns leiten lässt.
31 
Fehl geht vor diesem Hintergrund die Auffassung des Klägers, die Bodenschutzbehörde könne bei verweigerter Vorlage von Unterlagen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen eines Sanierungsverantwortlichen aufgrund nicht ordnungsgemäßer Mitwirkung zu seinen Lasten davon ausgehen, er sei wirtschaftlich leistungsfähig, und ihn auf dieser Grundlage als Störer in Anspruch nehmen. Dabei bedarf keiner abschließenden Klärung, ob und gegebenenfalls unter welchen konkreten Voraussetzungen eine Behörde trotz ihrer Amtsermittlungspflicht gemäß § 24 LVwVfG aufgrund unterbliebener Mitwirkung auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen bestimmter an sich aufzuklärender Umstände schließen darf (vgl. hierzu näher Schenk in: Obermayer/Funke-Kaiser, a.a.O., Rn 140 zu § 24). Denn eine effektive Aufgabenerfüllung wäre selbst dann nicht gewährleistet, wenn die Bodenschutzbehörde grundsätzlich von der Leistungsfähigkeit der Beteiligten ausgehen dürfte und es an ihnen läge, das Gegenteil durch Vorlage aussagekräftiger Unterlagen nachzuweisen. Zutreffend weist der Beklagte darauf hin, dass die Bodenschutzbehörde dann Gefahr liefe, spätestens zum Zeitpunkt der Vollstreckung der Kosten einer etwaigen Ersatzvornahme festzustellen, dass die Leistungsfähigkeit des für die Maßnahme Herangezogenen tatsächlich nicht gegeben war.
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2.1.5 Der Anwendungsbereich des § 3 Abs. 2 Satz 1 LBodSchAG ist auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht derart zu reduzieren, dass die Vorschrift nur zur Anforderung von Nachweisen hinsichtlich sachlicher Informationen berechtigt. Zwar stellt die Verpflichtung zur Vorlage von Unterlagen über Eigentums- und Vermögensverhältnisse auf der Grundlage von § 3 Abs. 2 Satz 1 LBodSchAG einen Eingriff in das grundrechtlich garantierte Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar (dazu unter 2.1.5.1). Der Eingriff erfolgt indes auf einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage und steht auch sonst mit den materiellen Gewährleistungen des Grundgesetzes im Einklang (dazu unter 2.1.5.2).
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2.1.5.1 Die dem Kläger auferlegte Verpflichtung zur Erteilung von Auskünften über seine wirtschaftlichen Verhältnisse stellt sich als ein Eingriff in sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Das durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährt unter anderem die aus dem Gedanken der Selbstbestimmung folgende Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden, d.h. über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten selbst zu bestimmen (Recht auf informationelle Selbstbestimmung). In dieses Recht wird nicht nur eingegriffen, wenn der Staat von Einzelnen die Bekanntgabe persönlicher Daten verlangt oder diese der automatisierten Datenverarbeitung zuführt. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schützt vielmehr generell vor staatlicher Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten einschließlich staatlicher Datenübermittlung (vgl. grundlegend BVerfG, Urteil vom 15.12.1983 - 1 BvR 209/83 u.a. - BVerfGE 65, 1; Urteil vom 27.06.1991 - 2 BvR 1493/89 - BVerfGE 84, 239; Kammerbeschluss vom 14.12.2000 - 2 BvR 1741/99 u.a. - BVerfGE 103, 21; BVerwG, Urteil vom 09.03.2005 - 6 C 3.04 - NJW 2005, 2330). Dabei sind unter personenbezogenen Daten Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person zu verstehen (vgl. BVerfG, Urteil vom 15.12.1983 - 1 BvR 209/83 u.a. - a.a.O. - unter Verweis auf § 2 Abs. 1 BDSG a.F.), also alle Informationen über eine natürliche Person, unabhängig davon, welcher Aspekt der Person angesprochen wird. Um Informationen dieser Art handelt es sich bei den Unterlagen, die der Kläger der Bodenschutz- und Altlastenbehörde vorlegen soll. Gerade die von dem Kläger geforderten Nachweise über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse stellen personenbezogene Daten eines Einzelnen dar, die nicht zur allgemeinen Verbreitung bestimmt sind. Auch liegt ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung vor. Ein Eingriff in die Gewährleistung des Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG liegt in jeder Form staatlicher Erhebung oder Verarbeitung personenbezogener, auch manuell registrierter Daten, wobei die bloße Kenntnisnahme genügt (vgl. näher Di Fabio in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 66. Ergänzungslieferung 2012, Rn 175 zu Art. 2 GG). Dementsprechend stellt auch die vorliegende Verpflichtung zur Vorlage entsprechender Nachweise über die wirtschaftlichen Verhältnisse einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar.
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2.1.5.2 Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Eingriff in sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung im vorliegenden Fall gerechtfertigt. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung wird nicht schrankenlos gewährt. Der Einzelne muss vielmehr Einschränkungen dieses Rechts im überwiegendem Allgemeininteresse hinnehmen (vgl. BVerfGE, Urteile vom 15.12.1983 - 1 BvR 209/83 u.a. - a.a.O.; vom 15.12.1999 - 1 BvR 653/96 - BVerfGE 101, 361; sowie vom 03.03.2004 - 1 BvR 2378/98 - BVerfGE 109, 279). Solche Beschränkungen bedürfen aber nach Art. 2 Abs. 1 GG einer ausreichend bestimmten gesetzlichen Grundlage und müssen dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit genügen. Außerdem hat der Gesetzgeber organisatorische und verfahrensrechtliche Vorkehrungen zu treffen, welche der Gefahr einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts entgegenwirken. Namentlich muss er sicherstellen, dass die Verwendung personenbezogener Informationen nur zu einem Zweck erfolgt, der auch ihre Erhebung rechtfertigen konnte oder könnte (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.06.2004 - 3 C 41.03 - BVerwGE 121, 115, m.w.N.).
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2.1.5.2.1 Die Vorschrift des § 3 Abs. 2 Satz 1 LBodSchAG ist als Ermächtigungsgrundlage für die Erhebung von Daten über die wirtschaftlichen Verhältnisse eines potentiell Sanierungsverantwortlichen hinreichend bestimmt. Die so verstandene Vorschrift genügt dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot. Das aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitende Bestimmtheitsgebot verlangt vom Normgeber, die Rechtsvorschriften so genau zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 17.11.1992 - 1 BvR 8/87 - BVerfGE 87, 234; Beschluss vom 18.05.2004 - 2 BvR 2374/99 -BVerfGE 110, 370). Die Auslegungsbedürftigkeit einer Regelung nimmt ihr jedoch nicht die verfassungsrechtlich gebotene Bestimmtheit. Der Bestimmtheitsgrundsatz verbietet es dem Gesetzgeber nicht, Generalklauseln und unbestimmte Rechtsbegriffe zu verwenden. Die Vielfalt der Verwaltungsaufgaben lässt sich nicht immer in klar umrissene Begriffe einfangen. Der Gesetzgeber muss sich abstrakter und unbestimmter Formulierungen bedienen können, um die Veraltungsbehörden in die Lage zu versetzen, den besonderen Umständen des einzelnen Falles und den schnell wechselnden Situationen des Lebens gerecht zu werden. Zwar darf der Gesetzgeber die Grenzziehung im einzelnen nicht mittels einer vagen Generalklausel dem Ermessen der Verwaltung überlassen; an die tatbestandliche Fixierung dürfen aber auch keine nach der konkreten Sachlage unerfüllbaren Anforderungen gestellt werden. Welche Anforderungen an das Ausmaß der erforderlichen Bestimmtheit im Einzelfall zu stellen sind, lässt sich danach nicht allgemein festlegen. Der Grad der jeweils zu fordernden Bestimmtheit einer Regelung hängt vielmehr von der Eigenart des geregelten Sachverhalts ab, insbesondere auch davon, in welchem Umfang der zu regelnde Sachverhalt einer genaueren begrifflichen Umschreibung überhaupt zugänglich ist. Darüber hinaus ist auch auf die Intensität der Auswirkungen der Regelung für den Betroffenen Bedacht zu nehmen. Je schwerwiegender die Auswirkungen sind, desto höhere Anforderungen werden an die Bestimmtheit der Ermächtigung zu stellen sein. Insoweit berührt sich das Bestimmtheitsgebot mit dem Verfassungsgrundsatz des Vorbehalts des Gesetzes, der fordert, dass der Gesetzgeber die entscheidenden Grundlagen des zu regelnden Rechtsbereichs, die den Freiheits- und Gleichheitsbereich des Bürgers wesentlich betreffen, selbst festlegt und dies nicht dem Handeln der Verwaltung überlässt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 08.01.1981 - 2 BvL 3/77, 9/77 -NJW 1981, 1311). Im Fall der Datenerhebung ist zur Wahrung der Bestimmtheit eine aufgaben- und bereichsspezifische Regelung der Eingriffstatbestände zu gewährleisten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.02.2007 - 1 BvR 2368/06 - DVBl. 2007, 497).
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Gemessen hieran stellt die Vorschrift des § 3 Abs. 2 Satz 1 LBodSchAG eine hinreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage für die Erhebung von Daten zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen eines potentiell Sanierungsverantwortlichen dar. Die Norm bietet hinreichend konkrete Maßstäbe für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Datenerhebung durch die Bodenschutz- und Altlastenbehörde; der Betroffene kann in ausreichendem Maße voraussehen, bei welcher Gelegenheit und zu welchem Zweck von ihm Daten erhoben werden dürfen. So beschränkt die Vorschrift die Datenerhebung bereits auf das Aufgabengebiet der Bodenschutz- und Altlastenbehörde. Darüber hinaus ist die Datenerhebung durch das Gebot der Erforderlichkeit hinreichend eingeschränkt. Die Behörde darf auf der Grundlage von § 3 Abs. 2 Satz 1 LBodSchAG lediglich Auskünfte und Unterlagen einholen, die zur Erfüllung der Aufgaben des Bodenschutzes und der in diesem Rahmen zu treffenden Ermessensentscheidungen erforderlich sind. Durch diese Vorgaben der Norm wird auch der Kreis der in Betracht kommenden Auskunftspflichtigen eingegrenzt. Die Bodenschutzbehörde darf auf der Grundlage von § 3 Abs. 2 Satz 1 LBodSchAG lediglich Auskünfte von Personen einholen, die als potentiell Erkundungs- oder Sanierungspflichtige gemäß § 9 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 3 BBodSchG in Betracht kommen. Entgegen der Meinung des Klägers ist es deshalb auch bei dem hier vertretenen Normverständnis der Bodenschutzbehörde nicht möglich, Unterlagen von beliebigen Dritten heranzuziehen. Vielmehr wird die Erhebung von Daten über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nur im Ausnahmefall möglich sein, nämlich wenn ein Betroffener - wie hier - sich selbst auf seine wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit beruft. Gerade aufgrund des Ausnahmecharakters war der Gesetzgeber nicht gehalten, präzisere und einschränkendere Regelungen hinsichtlich einer Datenerhebung zu wirtschaftlichen Verhältnissen durch die Bodenschutz- und Altlastenbehörde zu treffen. Vielmehr war es dem Gesetzgeber unbenommen, sich auch hinsichtlich der Datenerhebung auf unbestimmte Rechtsbegriffe zu beschränken, wie sie der Gesetzgeber im Bereich der Gefahrenabwehr häufig verwendet, um so dem Erfordernis der Effektivität beim Umgang mit Gefahren jedweder Art zu begegnen. Die Mannigfaltigkeit und Verschiedenartigkeit von gefahrenabwehrrechtlich relevanten Situationen macht es besonders schwer, präzisere Normeingrenzungen vorzunehmen, die die erforderliche Gefahrenabwehr in allen denkbaren Situationen sicherstellen.
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2.1.5.2.2 Die Erhebung von Daten zu den persönlichen Verhältnissen eines potentiell Sanierungspflichtigen auf der Grundlage von § 3 Abs. 2 Satz 1 LBodSchAG genügt auch dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Dieses verlangt, dass eine Grundrechtseinschränkung von hinreichenden Gründen des Gemeinwohls gerechtfertigt wird, das gewählte Mittel zu Erreichung des Zwecks geeignet und erforderlich ist und bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze des Zumutbaren noch gewahrt ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.03. 1988 - 1 BvL 49/86 - BVerfGE 78, 77).
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Bei der hier von der Bodenschutzbehörde wahrgenommenen Aufgabe der Klärung der Sanierungsverantwortlichkeit für eine Bodenverunreinigung handelt es sich um einen Gemeinwohlbelang von hohem Rang. Der Staat ist von Verfassungs wegen verpflichtet, den Boden und das Grundwasser als Bestandteile der natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen (Art. 20a GG). Mit Blick auf diese Verpflichtung hat der Gesetzgeber mit Einführung des Bundes-Bodenschutzgesetzes und des Landes-Bodenschutz- und Altlastengesetzes Regelungen geschaffen, die der Verwaltung Befugnisse einräumen, deren Anwendung bzw. Ausübung dem Zweck zu dienen hat, schädliche Bodenveränderungen abzuwehren, den Boden und Altlasten sowie hierdurch verursachte Gewässerverunreinigungen zu sanieren und Vorsorge gegen nachteilige Einwirkungen auf den Boden zu treffen. Die Verwaltung und die Gerichte haben Art. 20a GG als verfassungsrechtliche Wertentscheidung sowohl bei der Auslegung als auch bei der Anwendung der Bestimmungen des einfachen Rechts zu beachten (vgl. Senatsbeschluss vom 03.09.2002 - 10 S 957/02 - VBlBW 2004, 100). Ferner gebietet es die Grundentscheidung des Gesetzgebers, in erster Linie die nach § 4 BBodSchG Verantwortlichen zur Erkundung und Sanierung von Altlasten heranzuziehen, aber auch die Begrenztheit der verfügbaren öffentlichen Mittel und der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), dass die für eine Altlast Verantwortlichen ihren Erkundungs- und Sanierungspflichten zeitnah nachkommen. Die Datenerhebung aufgrund von § 3 Abs. 2 Satz 1 LBodSchAG dient deshalb einem wichtigen Gemeinwohlbelang. Wie oben näher dargelegt, ist die Kenntnis der wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse des potentiell Sanierungspflichtigen hier im Einzelfall erforderlich, um der Bodenschutzbehörde eine sachgerechte Ermessensausübung zu ermöglichen. Auch sind keine milderen, gleich wirksamen Maßnahmen denkbar. Insbesondere stellt die vom Kläger vorgeschlagene Vermutungsregel dahingehend, die Behörde könne die Leistungsfähigkeit eines potentiell Sanierungspflichtigen bis zu dem freiwilligen Nachweis des Gegenteils unterstellen (dazu unter 2.2.2.3), nicht in gleich wirksamem Maße die Effektivität des Verwaltungshandelns sichern. Bei der erforderlichen Gesamtabwägung überwiegt das von der Behörde wahrgenommene öffentliche Interesse des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen das private Interesse des Klägers an der Geheimhaltung seiner wirtschaftlichen Situation.
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2.1.5.2.3 Entgegen der Annahme des Klägers bestehen auch ausreichende organisatorische und verfahrensrechtliche Vorkehrungen, um der Gefahr einer missbräuchlichen Verwendung der erhobenen Daten entgegenzuwirken. Zutreffend weist der Kläger zwar darauf hin, dass keine sondergesetzlichen Geheimnisschutzregelungen für die Datenerhebung und -verarbeitung durch die Bodenschutz- und Altlastenbehörde bestehen, wie sie etwa für die Tätigkeit der Finanzbehörden (§ 30 AO) und der Sozialbehörden (§ 35 SGB I) geschaffen worden sind. Dies hat indes nicht zur Folge, dass die von der Bodenschutzbehörde erhobenen Daten nicht in hinreichendem Maße geschützt sind. Der gebotene Datenschutz wird vielmehr dadurch gewährleistet, dass in § 12 Abs. 3 LBodSchAG auf die Bestimmungen des Landesdatenschutzgesetzes verwiesen wird. Das Landesdatenschutzgesetz enthält zahlreiche Vorschriften zur Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten, die den erforderlichen Datenschutz sicherstellen. So wird in § 6 LDSG den bei öffentlichen Stellen beschäftigten Personen ein umfassendes Datengeheimhaltungsgebot auferlegt, das einer missbräuchlichen Weitergabe entgegensteht. Ferner werden in § 9 LDSG detaillierte technische und organisatorische Maßnahmen normiert, um eine unbefugte Verwendung und Zweckänderung der erhobenen Daten zu verhindern. Diesem Zweck dienen auch die im zweiten Abschnitt (§ 13 ff.) des Landesdatenschutzgesetzes geregelten Rechtsgrundlagen der Datenverarbeitung. Schließlich werden in § 21 ff. LDSG den Betroffenen zahlreiche Rechte eingeräumt, die ihnen eine Wahrung ihrer Geheimhaltungsinteressen ermöglichen.
40 
Fehl geht auch die Auffassung der Berufung, einer allgemeinen Verwaltungsbehörde sei es anders als Finanz- und Sozialbehörden nicht möglich, effektiv Auskunftsansprüche Dritter abzuwehren und somit die Daten Betroffener zu sichern. Insbesondere besteht auch im Geltungsbereich des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes kein uneingeschränktes Akteneinsichtsrecht Dritter, das einen effektiven Geheimnisschutz nicht ermöglichen würde. Vielmehr ist eine Verwaltungsbehörde gemäß § 29 Abs. 2 LVwVfG zur Verweigerung der Akteneinsicht an Dritte berechtigt und regelmäßig im Rahmen einer Ermessensreduzierung auf Null sogar verpflichtet, soweit berechtigte Geheimhaltungsinteressen einer anderen Person entgegenstehen. Auch spezialgesetzlich gewährte Informationsansprüche bestehen grundsätzlich nicht, soweit dem der Schutz persönlicher Daten Dritter entgegensteht. So wird etwa gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG (das über die Verweisung in § 3 Abs. 1 LUIG für den Vollzug der Umweltgesetze durch Landesbehörden einschlägig ist) der allgemeine Informationsanspruch dann ausgeschlossen, sofern durch die Erteilung der Information personenbezogene Daten offenbart würden. Schließlich ermöglicht die Vorschrift über das in-camera-Verfahren in § 99 Abs. 2 VwGO der Behörde eine effektive Geheimhaltung der erhobenen wirtschaftlichen Daten Dritter auch im Rahmen eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und schränkt insoweit die Vorlage- und Auskunftspflicht gegenüber dem Gericht und dritten Prozessbeteiligten ein. Bei einer Gesamtschau der anwendbaren Verfahrensvorschriften ist daher der Geheimnisschutz durch die Bodenschutz- und Altlastenbehörde in gleich effektivem Maße wie im Bereich der Sozial- und Finanzverwaltung gewährleistet, obwohl die dort geltenden Geheimhaltungsvorschriften nicht anwendbar sind. Zur Schaffung ähnlicher spezialgesetzlicher Vorschriften für die Tätigkeit der Bodenschutz- und Altlastenbehörde war der Gesetzgeber bereits deshalb nicht gehalten, weil die Erhebung sensibler persönlicher Daten nicht den Regelfall darstellt, sondern - wie oben näher dargestellt -auf Ausnahmefälle beschränkt sein wird.
41 
2.2 Gegen die Rechtmäßigkeit der Verfügung vom 26.02.2010 bestehen schließlich nicht die von dem Kläger geltend gemachten formell- (dazu unter 2.2.1) und materiell-rechtlichen Bedenken (dazu unter 2.2.2).
42 
2.2.1 Die Aufforderung zur Vorlage von Nachweisen hinsichtlich der finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers mit Bescheid vom 26.02.2010 ist formell rechtmäßig, insbesondere hinreichend bestimmt. Das Bestimmtheitsgebot des § 37 Abs. 1 LVwVfG verlangt, dass aus der getroffenen Regelung, d. h. aus dem Entscheidungssatz im Zusammenhang mit den Gründen und den sonstigen bekannten oder ohne weiteres erkennbaren Umständen, für den Adressaten der Inhalt der Regelung so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein muss, dass er sein Verhalten danach richten kann. Abzustellen ist dabei nicht auf die Vorstellungen oder den subjektiven wirklichen oder gegebenenfalls hypothetischen Willen der Behörde, sondern auf den objektiven Erklärungswert und Erklärungsinhalt des dem Betroffenen Mitgeteilten, so wie dieses nach Treu und Glauben verstanden werden darf und muss. Unklarheiten gehen hierbei zu Lasten der Behörde. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick darauf, dass der befehlende Verwaltungsakt ohne weitere Erklärungen als Grundlage für die Vollstreckung und die spätere Durchsetzung von Kostenersatzansprüchen geeignet sein muss. Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit eines Verwaltungsakts nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden und mit dem Verwaltungsakt umzusetzenden materiellen Rechts (vgl. BVerwG, Urteile vom 15.02.1990 - 4 C 41.87 - BVerwGE 84, 335; sowie vom 16.10.2013 - 8 C 21.12 - juris; Senatsurteil vom 08.03.2013 - 10 S 1190/09 - VBlBW 2013, 455).
43 
Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die dem Kläger mit Bescheid vom 26.02.2010 auferlegte Verpflichtung, „Nachweise über die aktuellen Einkommens- und Vermögensverhältnisse“ vorzulegen, noch inhaltlich hinreichend bestimmt. Der von der Behörde verwendete Begriff der Einkommens- und Vermögensverhältnisse ist bereits nach dem allgemeinen Sprachgebrauch auf die Höhe der Einkünfte und die Höhe des Vermögens eines Betroffenen bezogen. Bei der gebotenen objektiven Auslegung des Bescheids aus dem Empfängerhorizont musste sich dem Kläger daher aufdrängen, dass er zum Nachweis seiner Einkommensverhältnisse primär den Einkommensteuerbescheid bzw. etwaige Bescheide über die Nichterzielung von Einkünften (z.B. Leistungsbescheide der Sozialbehörden) und hinsichtlich der geforderten Darlegung der Vermögensverhältnisse Kontoauszüge oder Grundbuchauszüge vorzulegen hat. Zutreffend weist der Beklagte im Übrigen darauf hin, dass es der Bodenschutz- und Altlastenbehörde mangels Überblick über die wirtschaftliche Situation des Klägers bei Erlass der Verfügung nicht möglich war, nach konkret bezeichneten Einkommens- und Vermögensarten und zu deren Nachweis geeigneten Unterlagen zu fragen. Bei einer weitergehenden Präzisierung der vorzulegenden Unterlagen liefe die Behörde Gefahr, nicht notwendige Unterlagen anzufordern und sich dabei dem Vorwurf einer unverhältnismäßigen Vorgehensweise auszusetzen.
44 
2.2.2 Die Verfügung vom 26.02.2010 ist auch materiell rechtmäßig.
45 
2.2.2.1 Zutreffend hat das Verwaltungsgericht im Einzelnen näher dargelegt, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs. 2 Satz 1 LBodSchAG vorliegen. Der Kläger kommt aufgrund von Tatsachen als Verursacher einer schädlichen Bodenveränderung und damit als Sanierungsverantwortlicher gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. BBodSchG in Betracht. Wie die vom Landratsamt im Wege der Ersatzvornahme durchgeführte Gefahrenverdachtserkundung im Jahre 2003 zutage gefördert hat, ist die Bodenluft des besagten Grundstücks mit hohen bis sehr hohen Konzentrationen von leichtflüchtigen, halogenierten Kohlenwasserstoffen belastet; ferner wurde eine Grundwasserverunreinigung festgestellt. Aufgrund dieser Untersuchungen ist davon auszugehen, dass die sanierungsrelevanten Eintragungen im Boden ganz oder zumindest teilweise dem Betrieb der Reinigung des Klägers zuzuordnen sind. Zu Recht ist das Landratsamt davon ausgegangen, dass aufgrund dieser - im Einzelnen zwischen den Beteiligten nicht umstrittenen - Befunde eine Heranziehung des Klägers als (Mit-)Verursacher einer Bodenverunreinigung in Betracht kommt. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang der von dem Kläger im Verwaltungsverfahren aufgeworfene Gesichtspunkt, dass möglicherweise ein weiterer (namentlich nicht bekannter) früherer Betreiber der Reinigung ebenfalls zu der Bodenverunreinigung beigetragen hat. Nach der Rechtsprechung des Senats kann bei mehreren Handlungsverantwortlichen jeder Verursacher auf die vollständige Beseitigung der Störung in Anspruch genommen werden; aus Gründen der Verhältnismäßigkeit setzt dies lediglich eine Erheblichkeit des Verursachungsbeitrags voraus (vgl. Senatsurteil vom 18.12.2012 - 10 S 744/12 - a.a.O.; Senatsbeschluss vom 03.09.2002 - 10 S 957/02 - a.a.O. - jeweils m.w.N.). Auch in Fällen dieser Art ist nicht zwangsläufig allein der Grundstückseigentümer oder Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft nach § 4 Abs. 3 BBodSchG zur Verantwortung zu ziehen, vielmehr hat der Gesetzgeber die Haftung des Verursachers einer Bodenverunreinigung gleichrangig neben diejenige des Grundstückseigentümers und Inhabers der tatsächlichen Sachherrschaft gestellt.
46 
2.2.2.2 Entgegen der Auffassung der Berufung werden materiell-rechtliche Bedenken gegen die Verfügung vom 26.02.2010 auch nicht dadurch begründet, dass von dem Kläger die Vorlage von „beglaubigten Kopien“ zur Glaubhaftmachung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse gefordert wird. Bei der gebotenen Auslegung der Verfügung vom 26.02.2010 dürfte dem Kläger diese Verpflichtung so nicht auferlegt worden sein. Dagegen spricht, dass der Kläger mit der Verfügung vom 26.02.2010 ausdrücklich lediglich zur Vorlage von Nachweisen über die aktuellen Einkommens- und Vermögensverhältnisse aufgefordert wurde; von den im Anhörungsschreiben vom 12.01.2010 erwähnten beglaubigten Kopien ist in der Verfügung zumindest nicht mehr ausdrücklich die Rede. Bei der nach dem oben Gesagten vorzunehmenden objektiven Auslegung aus dem Empfängerhorizont ist die Verfügung vielmehr so zu verstehen, dass dem Kläger die Vorlage aussagekräftiger Nachweise hinsichtlich seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse auferlegt wird. Dieser Verpflichtung kann entweder durch die Vorlage beglaubigter Kopien oder von Originalen, die von der Behörde zu beglaubigen sind (vgl. § 33 LVwVfG), nachgekommen werden. Gegen die so verstandene Verfügung bestehen nicht die vom Kläger geltend gemachten Bedenken. Die Rechtsgrundlage des § 3 Abs. 2 Satz 1 LBodSchAG deckt zur Erhöhung der inhaltlichen Richtigkeitsgewähr die von der Behörde aufgestellten Anforderungen hinsichtlich der Glaubhaftmachung durch Vorlage beglaubigter Kopien oder von Originalen.
47 
2.2.2.3 Des weiteren erweist sich die Verfügung vom 26.02.2010 nicht als unverhältnismäßig. Wie oben bereits in anderem Zusammenhang näher dargestellt, ist die Behörde zur sachgerechten Ausübung des Ermessens darauf angewiesen, über Kenntnis der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der als Störer in Betracht kommenden Personen zu verfügen; die vom Kläger vorgeschlagene Vermutung der Leistungsfähigkeit eines Störers bis zum Nachweis des Gegenteils trägt demnach nicht. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass das Landratsamt mit Bescheid vom 06.09.2010 in der Sache die vom Kläger postulierte Vermutung aufgegriffen und ihn als finanziell leistungsfähig angesehen hat. Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass dies allenfalls Bedenken gegen die Verfügung vom 06.09.2010 aufwirft, die Rechtmäßigkeit des hier gegenständlichen Auskunftsverlangens indes unberührt lässt.
48 
2.2.2.4 Fehl geht schließlich die Rüge des Klägers, das Landratsamt habe unter Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG Nachweise hinsichtlich der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit lediglich von ihm als potentiellen Handlungsstörer, nicht aber von dem Grundstückseigentümer als ebenso sanierungsverantwortlichen Zustandsstörer verlangt. Keiner Klärung bedarf in diesem Zusammenhang, ob eine derartige einseitig nur an den Handlungsstörer gerichtete Aufforderung zum Nachweis seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse tatsächlich einen vor Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu rechtfertigenden Gleichheitsverstoß darstellen würde. Gegen eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung könnte bereits sprechen, dass die Bodenschutz- und Altlastenbehörde für eine ordnungsgemäße Störerauswahl regelmäßig nicht auf Kenntnis der Vermögensverhältnisse des Grundstückseigentümers als Zustandsstörer angewiesen sein dürfte. Denn dieser verfügt mit dem Grundstück über einen erheblichen Vermögenswert; auch ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seine Haftung aus Zumutbarkeitsgesichtspunkten regelmäßig auf den Wert des Grundstücks begrenzt (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 16.02.2000 - 1 BvR 242/91 - BVerfGE 102, 1). Unabhängig von diesen rechtlichen Erwägungen geht die Annahme des Klägers an dem Sachverhalt vorbei. Ausweislich der Verwaltungsakten hat das Landratsamt mit Schreiben vom 02.03.2010 auch den Grundstückseigentümer als potentiellen Zustandsstörer zum Nachweis seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse aufgefordert. Entgegen der Annahme des Klägers hat das Landratsamt gerade keine Ungleichbehandlung von Handlungs- und Zustandsstörer vorgenommen.
49 
Nach alldem bleibt die Berufung des Klägers ohne Erfolg.
50 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
51 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
52 
Beschluss vom 13. März 2013
53 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß §§ 63 Abs. 2, 47, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
54 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald – 4. Kammer – vom 12.11.2010 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 7.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

1

Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Widerruf seiner Gaststättenerlaubnis nebst Schließungsverfügung und wendet sich gegen eine Zwangsmittelandrohung.

2

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 12.11.2010 abgelehnt.

3

Die dagegen fristgerecht (§ 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO) eingelegte Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg.

4

Nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO muss die Beschwerdebegründung die Gründe darlegen, aus denen die angefochtene Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der Entscheidung auseinandersetzen. Das Darlegungserfordernis verlangt von dem Beschwerdeführer, dass die Beschwerdebegründung auf die rechtlichen oder tatsächlichen Erwägungen eingeht, auf die das Verwaltungsgericht seine Entscheidung gestützt hat. Die Beschwerdebegründung muss an die tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts anknüpfen und aufzeigen, weshalb sich diese aus der Sicht des Beschwerdeführers nicht als tragfähig erweisen bzw. aus welchen rechtlichen oder tatsächlichen Gründen der Ausgangsbeschluss unrichtig sein soll und geändert werden muss. Dies erfordert eine Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs und damit eine sachliche Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Beschlusses. Der Beschwerdeführer muss sich insofern an der Begründungsstruktur der angegriffenen Entscheidung orientieren. Grundsätzlich reicht eine bloße Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens ohne Eingehen auf die jeweils tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts ebenso wenig aus wie bloße pauschale oder formelhafte Rügen. Diese Anforderung an die Beschwerdebegründung sind für den Beschwerdeführer auch zumutbar. Mit Blick auf den Vertretungszwang ist sichergestellt, dass Beschwerdeführer rechtskundig vertreten sind (vgl. Beschluss des Senats vom 25.07.2010 - 2 M 75/10 -, zitiert nach Juris Rn. 5 m.w.N.).

5

Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung insofern nicht gerecht, als eine nicht ausreichende Begründung im angefochtenen Bescheid im Sinne des § 80 Abs. 3 VwGO bemängelt wird. Die mit der Beschwerde erhobene Einwendung, die Sofortvollzugsanordnung im Bescheid des Antragsgegners vom 24.06.2010 sei nicht ausreichend i.S.d. § 80 Abs. 3 VwGO begründet, weil lediglich darauf abgestellt werde, dass nicht ausgeschlossen werden könne, „dass der Antragsteller künftig seinen Verpflichtungen nicht nachkommen würde“, lässt die vom Verwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss herangezogenen Argumente des Antragsgegners zur Begründung der Sofortvollzugsanordnung außer Betracht. Die Annahme, der Beschluss des Verwaltungsgerichts verhalte sich nicht weitergehend zu dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO übergeht, dass das Verwaltungsgericht auf Seite 5, 2. Absatz des Beschlusses näher ausgeführt hat, bezogen auf welche Erwägungen des Antragsgegners es eine den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ausreichende Begründung für gegeben hält. Ersichtlich versteht das Verwaltungsgericht die vom Antragsgegner gegebene Begründung dahin, dass „damit zu rechnen“ sei, dass ohne die Vollzugsanordnung „weitere Zahlungsrückstände zu Lasten der Allgemeinheit bei öffentlichen Stellen entstehen würden“. Darauf geht die Begründung der Beschwerde nicht konkret ein.

6

Auch im Weiteren hat die Beschwerde keinen Erfolg.

7

Mit dem Ansatz, es fehle der Zwangsmittelandrohung im Bescheid vom 24.06.2010 an einer Fristbestimmung i.S.d. § 87 Abs. 2 Satz 1 SOG M-V dringt die Beschwerdebegründung nicht durch. Die Auffassung, wegen der einschneidenden Wirkungen der Verfügungen für die wirtschaftliche Existenz des Antragstellers sei es erforderlich, die Bestimmung eng am Wortlaut orientiert auszulegen, überzeugt nicht.

8

Nach § 87 Abs. 2 Satz 1 SOG M-V ist „in der Androhung“ eines Zwangsmittels „eine Frist zu bestimmen, innerhalb der die Erfüllung der Verpflichtung dem Pflichtigen billigerweise zugemutet werden kann.“. Auch wenn hier unter Ziffer 4 der Ordnungsverfügung vom 24.06.2010 keine ausdrückliche Frist bestimmt worden ist, sondern eine Fristsetzung in der Grundverfügung unter Ziffer 2 des Bescheides insofern erfolgt ist, als es dort heißt, dass die Gaststätte innerhalb von 7 Tagen nach Zustellung dieser Verfügung zu schließen sei, genügt dies nach Auffassung des Senats den Anforderungen des § 87 Abs. 2 Satz 1 SOG M-V. Die von der Beschwerde vertretene Auffassung, dass die nicht in der Zwangsmittelandrohung enthaltene Fristsetzung nicht ausreichend sei, misst der Wortlautauslegung über Gebühr einen Stellenwert zu, der den Sinn und Zweck der Fristbestimmung unberücksichtigt lässt. Die Fristbestimmung bei der Androhung eines Zwangsmittels nach § 87 Abs. 2 Satz 1 SOG M-V dient nämlich dazu, dem Pflichtigen im Einklang mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und dem Rechtsstaatsprinzip eine Frist einzuräumen, mit der er Zwangsvollstreckungsmaßnahmen abwenden kann (vgl. VGH Kassel, Beschluss vom 12.03.1996 - 14 TG 84/96 -, zit. nach Juris Rn. 42). Vor diesem Hintergrund unterliegt es keinen Zweifeln, dass mit der zugrunde liegenden Ordnungsverfügung nicht die Grundverpflichtung zur Schließung der Gaststätte zeitlich hinausgeschoben werden sollte. Vielmehr wird auch aus der Begründung des angefochtenen Bescheides deutlich, dass dem Antragsteller im Hinblick auf die wirtschaftliche Bedeutung der Schließungsverfügung lediglich eine Abwicklungsfrist zur Betriebseinstellung eingeräumt werden sollte. Dies bedeutet zugleich, dass jedenfalls dann, wenn - wie hier - im Rahmen der Zwangsmittelandrohung auf die gesetzte Frist in einer anderen Verfügungsziffer desselben Bescheides Bezug genommen wird („Für den Fall, dass der Gaststättenbetrieb nicht fristgerecht eingestellt wird…“) eine ausreichende Fristsetzung erfolgt ist, die dem Formerfordernis des § 87 Abs. 2 S. 1 SOG M-V gerecht wird.

9

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

10

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.

(1) Der Arbeitgeber hat bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen die folgenden Schutzmaßnahmen zu ergreifen:

1.
geeignete Gestaltung des Arbeitsplatzes und geeignete Arbeitsorganisation,
2.
Bereitstellung geeigneter Arbeitsmittel für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen und geeignete Wartungsverfahren zur Gewährleistung der Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten bei der Arbeit,
3.
Begrenzung der Anzahl der Beschäftigten, die Gefahrstoffen ausgesetzt sind oder ausgesetzt sein können,
4.
Begrenzung der Dauer und der Höhe der Exposition,
5.
angemessene Hygienemaßnahmen, insbesondere zur Vermeidung von Kontaminationen, und die regelmäßige Reinigung des Arbeitsplatzes,
6.
Begrenzung der am Arbeitsplatz vorhandenen Gefahrstoffe auf die Menge, die für den Fortgang der Tätigkeiten erforderlich ist,
7.
geeignete Arbeitsmethoden und Verfahren, welche die Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten nicht beeinträchtigen oder die Gefährdung so gering wie möglich halten, einschließlich Vorkehrungen für die sichere Handhabung, Lagerung und Beförderung von Gefahrstoffen und von Abfällen, die Gefahrstoffe enthalten, am Arbeitsplatz.

(2) Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass

1.
alle verwendeten Stoffe und Gemische identifizierbar sind,
2.
gefährliche Stoffe und Gemische innerbetrieblich mit einer Kennzeichnung versehen sind, die ausreichende Informationen über die Einstufung, über die Gefahren bei der Handhabung und über die zu beachtenden Sicherheitsmaßnahmen enthält; vorzugsweise ist eine Kennzeichnung zu wählen, die der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 entspricht,
3.
Apparaturen und Rohrleitungen so gekennzeichnet sind, dass mindestens die enthaltenen Gefahrstoffe sowie die davon ausgehenden Gefahren eindeutig identifizierbar sind.
Kennzeichnungspflichten nach anderen Rechtsvorschriften bleiben unberührt. Solange der Arbeitgeber den Verpflichtungen nach Satz 1 nicht nachgekommen ist, darf er Tätigkeiten mit den dort genannten Stoffen und Gemischen nicht ausüben lassen. Satz 1 Nummer 2 gilt nicht für Stoffe, die für Forschungs- und Entwicklungszwecke oder für wissenschaftliche Lehrzwecke neu hergestellt worden sind und noch nicht geprüft werden konnten. Eine Exposition der Beschäftigten bei Tätigkeiten mit diesen Stoffen ist zu vermeiden.

(3) Der Arbeitgeber hat gemäß den Ergebnissen der Gefährdungsbeurteilung nach § 6 sicherzustellen, dass die Beschäftigten in Arbeitsbereichen, in denen sie Gefahrstoffen ausgesetzt sein können, keine Nahrungs- oder Genussmittel zu sich nehmen. Der Arbeitgeber hat hierfür vor Aufnahme der Tätigkeiten geeignete Bereiche einzurichten.

(4) Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass durch Verwendung verschließbarer Behälter eine sichere Lagerung, Handhabung und Beförderung von Gefahrstoffen auch bei der Abfallentsorgung gewährleistet ist.

(5) Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass Gefahrstoffe so aufbewahrt oder gelagert werden, dass sie weder die menschliche Gesundheit noch die Umwelt gefährden. Er hat dabei wirksame Vorkehrungen zu treffen, um Missbrauch oder Fehlgebrauch zu verhindern. Insbesondere dürfen Gefahrstoffe nicht in solchen Behältern aufbewahrt oder gelagert werden, durch deren Form oder Bezeichnung der Inhalt mit Lebensmitteln verwechselt werden kann. Sie dürfen nur übersichtlich geordnet und nicht in unmittelbarer Nähe von Arznei-, Lebens- oder Futtermitteln, einschließlich deren Zusatzstoffe, aufbewahrt oder gelagert werden. Bei der Aufbewahrung zur Abgabe oder zur sofortigen Verwendung muss eine Kennzeichnung nach Absatz 2 deutlich sichtbar und lesbar angebracht sein.

(6) Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass Gefahrstoffe, die nicht mehr benötigt werden, und entleerte Behälter, die noch Reste von Gefahrstoffen enthalten können, sicher gehandhabt, vom Arbeitsplatz entfernt und sachgerecht gelagert oder entsorgt werden.

(7) Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass Stoffe und Gemische, die als akut toxisch Kategorie 1, 2 oder 3, spezifisch zielorgantoxisch Kategorie 1, krebserzeugend Kategorie 1A oder 1B oder keimzellmutagen Kategorie 1A oder 1B eingestuft sind, unter Verschluss oder so aufbewahrt oder gelagert werden, dass nur fachkundige und zuverlässige Personen Zugang haben. Tätigkeiten mit diesen Stoffen und Gemischen dürfen nur von fachkundigen oder besonders unterwiesenen Personen ausgeführt werden. Satz 2 gilt auch für Tätigkeiten mit Stoffen und Gemischen, die als reproduktionstoxisch Kategorie 1A oder 1B oder als atemwegssensibilisierend eingestuft sind. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Kraftstoffe an Tankstellen oder sonstigen Betankungseinrichtungen sowie für Stoffe und Gemische, die als akut toxisch Kategorie 3 eingestuft sind, sofern diese vormals nach der Richtlinie 67/548/EWG oder der Richtlinie 1999/45/EG als gesundheitsschädlich bewertet wurden. Hinsichtlich der Bewertung als gesundheitsschädlich sind die entsprechenden nach § 20 Absatz 4 Nummer 1 bekannt gegebenen Regeln und Erkenntnisse zu berücksichtigen.

(8) Der Arbeitgeber hat bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen nach Anhang I Nummer 2 bis 5 sowohl die §§ 6 bis 18 als auch die betreffenden Vorschriften des Anhangs I Nummer 2 bis 5 zu beachten.

(1) Der Arbeitgeber hat auf der Grundlage der Gefährdungsbeurteilung Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten und anderer Personen vor physikalisch-chemischen Einwirkungen zu ergreifen. Er hat die Maßnahmen so festzulegen, dass die Gefährdungen vermieden oder so weit wie möglich verringert werden. Dies gilt insbesondere bei Tätigkeiten einschließlich Lagerung, bei denen es zu Brand- und Explosionsgefährdungen kommen kann. Dabei hat der Arbeitgeber Anhang I Nummer 1 und 5 zu beachten. Die Vorschriften des Sprengstoffgesetzes und der darauf gestützten Rechtsvorschriften bleiben unberührt.

(2) Zur Vermeidung von Brand- und Explosionsgefährdungen hat der Arbeitgeber Maßnahmen nach folgender Rangfolge zu ergreifen:

1.
gefährliche Mengen oder Konzentrationen von Gefahrstoffen, die zu Brand- oder Explosionsgefährdungen führen können, sind zu vermeiden,
2.
Zündquellen oder Bedingungen, die Brände oder Explosionen auslösen können, sind zu vermeiden,
3.
schädliche Auswirkungen von Bränden oder Explosionen auf die Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten und anderer Personen sind so weit wie möglich zu verringern.

(3) Arbeitsbereiche, Arbeitsplätze, Arbeitsmittel und deren Verbindungen untereinander müssen so konstruiert, errichtet, zusammengebaut, installiert, verwendet und instand gehalten werden, dass keine Brand- und Explosionsgefährdungen auftreten.

(4) Bei Tätigkeiten mit organischen Peroxiden hat der Arbeitgeber über die Bestimmungen der Absätze 1 und 2 sowie des Anhangs I Nummer 1 hinaus insbesondere Maßnahmen zu treffen, die die

1.
Gefahr einer unbeabsichtigten Explosion minimieren und
2.
Auswirkungen von Bränden und Explosionen beschränken.
Dabei hat der Arbeitgeber Anhang III zu beachten.

(1) Die Zwangsmittel müssen, wenn sie nicht sofort angewendet werden können (§ 6 Abs. 2), schriftlich angedroht werden. Hierbei ist für die Erfüllung der Verpflichtung eine Frist zu bestimmen, innerhalb der der Vollzug dem Pflichtigen billigerweise zugemutet werden kann.

(2) Die Androhung kann mit dem Verwaltungsakt verbunden werden, durch den die Handlung, Duldung oder Unterlassung aufgegeben wird. Sie soll mit ihm verbunden werden, wenn der sofortige Vollzug angeordnet oder den Rechtsmitteln keine aufschiebende Wirkung beigelegt ist.

(3) Die Androhung muß sich auf ein bestimmtes Zwangsmittel beziehen. Unzulässig ist die gleichzeitige Androhung mehrerer Zwangsmittel und die Androhung, mit der sich die Vollzugsbehörde die Wahl zwischen mehreren Zwangsmitteln vorbehält.

(4) Soll die Handlung auf Kosten des Pflichtigen (Ersatzvornahme) ausgeführt werden, so ist in der Androhung der Kostenbetrag vorläufig zu veranschlagen. Das Recht auf Nachforderung bleibt unberührt, wenn die Ersatzvornahme einen höheren Kostenaufwand verursacht.

(5) Der Betrag des Zwangsgeldes ist in bestimmter Höhe anzudrohen.

(6) Die Zwangsmittel können auch neben einer Strafe oder Geldbuße angedroht und so oft wiederholt und hierbei jeweils erhöht oder gewechselt werden, bis die Verpflichtung erfüllt ist. Eine neue Androhung ist erst dann zulässig, wenn das zunächst angedrohte Zwangsmittel erfolglos ist.

(7) Die Androhung ist zuzustellen. Dies gilt auch dann, wenn sie mit dem zugrunde liegenden Verwaltungsakt verbunden ist und für ihn keine Zustellung vorgeschrieben ist.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.