Verwaltungsgericht München Urteil, 26. Aug. 2015 - M 24 K 15.50507
Gericht
Tenor
I.
Der Bescheid der Beklagten vom ... Mai 2015 wird aufgehoben.
II.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Rechtsstreit betrifft einen gegenüber dem Kläger (Kl.) verfügten Bescheid der Beklagten (Bekl.), mit dem aufgrund des sogenannten Dublin-Verfahrens ein Asylantrag des Kl. als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung des Kl. nach Ungarn angeordnet wurde.
Der Kl. ist nach eigenen Angaben ein im Jahr 1998 geborener afghanischer Staatsangehöriger (Bl. 35; 51 der vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - BAMF - vorgelegten Verwaltungsakte, d. A.), wobei im Verwaltungsverfahren 1996 als Geburtsjahr zugrunde gelegt wurde (Bl. 3; 55 d. A.).
Der Kl. meldete sich am 8. Dezember 2014 als Asylsuchender (Bl. 35 d. A.) und stellte am 20. Januar 2015 einen Asylantrag (Bl. 3 d. A.), woraufhin noch am gleichen Tag ein persönliches Gespräch des BAMF mit dem Kl. zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens stattfand (Bl. 20 d. A.). Dabei teilte der Kl. unter anderem mit, er könne keine Personalpapiere oder andere Dokumente über seiner Person vorlegen (Nr. 3 der Anhörungsniederschrift - AnhN), sei nicht verheiratet (Nr. 4 der AnhN), habe keine Kinder (Nr. 5 der AnhN) und habe ein Aufenthaltsdokument oder Visum für die Bundesrepublik Deutschland oder einen anderen Staat weder gehabt noch derzeit inne (Nr. 6 der AnhN). Er habe sein Herkunftsland vor dreieinhalb Jahren verlassen und sei über den Iran, die Türkei, Griechenland, Mazedonien (wo er sich 3 Monate in Haft befunden habe), Ungarn und Österreich nach Deutschland gekommen; er habe seither das Gebiet der Dublin-Mitgliedstaaten verlassen, habe aber keine Dokumente, die die Einreise, den Aufenthalt oder das Verlassen der Dublin-Mitgliedstaaten nachweisen (Nr. 7 der AnhN). Er habe in keinem anderen Staat Asyl beantragt oder zuerkannt bekommen (Nr. 8 der AnhN). In Ungarn seien ihm Fingerabdrücke abgenommen worden (Nr. 9 der AnhN). Er sei nicht auf die Unterstützung von - sich in einem Dublin-Mitgliedstaat aufhaltenden - Kindern, Geschwistern oder Eltern angewiesen (Nr. 10 der AnhN). Kinder, Geschwister oder Eltern, die auf seine Unterstützung angewiesen seien, hielten sich nicht in einem Dublin-Mitgliedstaat auf (Nr. 11 der AnhN). Er sei nicht von Personen, mit denen er verwandt sei, aufgrund eines Krieges oder einer bürgerkriegsähnlichen Situation oder durch die anschließende Flucht getrennt worden (Nr. 12 der AnhN). Im Hinblick auf seine Sicherheit und eine faire Durchführung seines Asylantrages solle dieser in keinem anderen Staat geprüft werden (Nr. 13 der AnhN).
Eine vom BAMF am 2. Februar 2015 durchgeführte Eurodac-Recherche ergab hinsichtlich des Kl. einen Treffer für Ungarn (Bl. 39 d. A.). Daraufhin ersuchte das BAMF am 2. April 2015 Ungarn im Rahmen einer DubliNet-Anfrage um Aufnahme des Kl. (Bl. 43-50 d. A.).
Ungarn gab dem Ersuchen des BAMF mit Schreiben vom 8. Mai 2015 im Hinblick auf Art. 18 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EU) 604/2013 statt und akzeptierte die Verantwortlichkeit für die Wiederaufnahme des Kl. (Bl. 54 d. A.); dabei wurde unter anderem mitgeteilt, der Kl. habe in Ungarn am 9. November 2014 einen Asylantrag gestellt
Daraufhin erließ das BAMF den streitgegenständlichen Bescheid (sgB) vom ... Mai 2015 (Bl. 55 d. A.), mit dem der Asylantrag des Kl. als unzulässig abgelehnt (Nr. 1) und die Abschiebung des Kl. nach Ungarn angeordnet (Nr. 2) wurde. Der sgB wurde mit gesondertem Zustellanschreiben vom 20. Mai 2015 bekannt gegeben (Bl. 63 d. A.) und dem Kl. am 21. Mai 2015 gegen Postzustellungsurkunde zugestellt (Bl. 68-69 d. A.).
Mit Klage- und Antragsschrift vom 27. Mai 2015, bei Gericht per Telefax eingegangen am gleichen Tag, beantragte der Bevollmächtigte des Kl. (nachfolgend: Bev.),
den sgB aufzuheben
und die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen. In der Begründung wurde unter anderem vorgetragen, das ungarische Asylsystem leide unter systemischen Mängeln.
Die Bekl. legte mit Schreiben vom 28. Mai 2015, bei Gericht eingegangen am 1. Juni 2015, die Verwaltungsakte vor.
Mit Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 9. Juni 2015 verzichtete die Klagepartei auf mündliche Verhandlung.
Mit Schreiben vom 25. Juni 2015 beantragte die Bekl.,
die Klage abzuweisen und den Eilantrag abzulehnen. Gleichzeitig verzichtete die Bekl. auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
Am 1. Juli 2015 ging die Berichterstattung unter anderem für die parallelen Verfahren M 24 K 15.50507 und M 24 S 15.50508 aufgrund einer Änderung der kammerinternen Geschäftsverteilung (Beschluss der 24. Kammer des Verwaltungsgerichts (VG) München vom 16.6.2015) auf den Unterzeichnenden über.
Mit Beschluss vom 17. Juli 2015 hat der Einzelrichter im parallelen Eilverfahren M 24 S 15.50508 die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet.
Mit Kammerbeschluss vom 17. Juli 2015 wurde auch im vorliegenden Klageverfahren der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.
Der Einzelrichter hat mit Schreiben vom 17. Juli 2015 unter anderem die im Beschluss vom 17. Juli 2015 im parallelen Eilverfahren M 24 S 15.50508 genannten Erkenntnismittel zum Gegenstand auch des vorliegenden Klageverfahrens gemacht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten der parallelen Verfahren M 24 K 15.50507 und M 24 S 15.50508 sowie auf die vom BAMF vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
1. Das Gericht konnte gemäß § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren entscheiden, weil alle Beteiligten klar, eindeutig und vorbehaltlos (vgl. BVerwG, B. v. 24.4.2013 - 8 B 91/12 - juris Rn. 3) auf mündliche Verhandlung verzichtet haben. Die Klagepartei hat mit Schriftsatz vom 9. Juni 2015 und die Beklagtenpartei mit Schreiben vom 25. Juni 2015 auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet. Die Regierung von Oberbayern ist vorliegend zwar gemäß § 63 Nr. 4 VwGO als Vertreter des öffentlichen Interesses (VöI) Verfahrensbeteiligter aufgrund der generellen Beteiligungserklärungen vom 11. Mai 2015 und vom 18. Mai 2015 (vgl. zur Zulässigkeit sog. Generalbeteiligungserklärungen BVerwG, U. v. 27.6.1995 - 9 C 7 /95 - BVerwGE 99, 38, juris Rn. 11). In diesen Erklärungen hat der VöI allerdings darum gebeten, ihm ausschließlich die jeweilige Letzt- und Endentscheidung zu übersenden und damit unter anderem auch auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Das Verwaltungsgericht (VG) München ist entscheidungsbefugt, insbesondere örtlich zuständig nach § 52 Nr. 2 Satz 3 VwGO, weil der Kl. im maßgeblichen Zeitpunkt der Klageerhebung (vgl. § 83 VwGO i. V. m. § 17 Abs. 1 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz - GVG) seinen Aufenthalt im Gerichtsbezirk zu nehmen hatte.
Der Einzelrichter ist gemäß § 76 Abs. 1 AsylVfG zur Entscheidung berufen, nachdem die innerhalb des VG München zuständige Kammer den Rechtsstreit mit Beschluss vom 17. Juli 2015 auf den Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen hat.
Maßgeblich ist dabei gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylVfG für das gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung ergehende Urteil die Sach- und Rechtslage in dem Zeitpunkt, in dem die Entscheidung gefällt wird.
2. Die Anfechtungsklage gegen den streitgegenständlichen Bescheid ist zulässig, insbesondere innerhalb der 2-Wochen-Frist des § 74 Abs. 1 Halbsatz 1 AsylVfG erhoben worden; § 74 Abs. 1 Halbsatz 2 AsylVfG findet ausweislich des dortigen expliziten Klammerzusatzes ausschließlich in Fällen des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG Anwendung (vgl. VG Lüneburg, B. v. 15.9.2014 - 5 B 47/14 - juris Rn. 4 m. w. N.).
3. Die Klage ist auch begründet - der streitgegenständliche Bescheid erweist sich im maßgeblichen Zeitpunkt als rechtswidrig und verletzt der Kl. in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
Rechtsgrundlage der streitgegenständlichen Ablehnung des Asylantrags als unzulässig ist § 27a AsylVfG; Rechtsgrundlage der streitgegenständlichen Abschiebungsanordnung ist § 34a Abs. 1 AsylVfG.
Ein Asylantrag ist gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, wenn ein anderer Staat gemäß den Zuständigkeitskriterien der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin-III-VO) für die Behandlung des Asylantrags zuständig ist. Insbesondere bei Fällen des § 27a AsylVfG sieht § 34a Abs. 1 AsylVfG eine Befugnis des BAMF zur Abschiebungsanordnung in den jeweils zuständigen Staat vor, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann.
Einschlägig ist dabei im vorliegenden Fall die Dublin-III-VO und nicht die frühere Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (Dublin-II-VO), weil das Gesuch des BAMF nach dem 1. Januar 2014 gestellt wurde. Gemäß Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Alternative 2 Dublin-III-VO ist die Dublin-III-VO ungeachtet des Zeitpunkts der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz ab dem 1. Januar 2014 auf alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern anwendbar.
4. Nachdem Ungarn das Übernahmegesuch des BAMF ausdrücklich akzeptiert hat, und damit wiederaufnahmepflichtig geworden ist (Art. 18 Abs. 1, 23, 25 Dublin-III-VO), kann der Kl. einer Heranziehung dieses Zuständigkeitskriteriums nur damit entgegentreten, dass er systemische Mängel i. S. v. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO geltend macht (vgl. EuGH, U. v. 10.12.2013 - C-394/12 - Rn. 60, NVwZ 2014, 208; VG München, U. v. 9.5.2014 - M 21 K 14.30300 - juris Rn. 41 m. w. N.; BVerwG, B. v. 6.6.2014 - 10 B 35/14 - NVwZ 2014, 208 Rn. 6).
Auf die Frage, ob sich im Ausgangspunkt eine Zuständigkeit Ungarns in der Sache aus Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-VO ergibt, weil eine vorrangige Zuständigkeit Griechenlands aufgrund Art. 13 Dublin-III-VO gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO aufgrund der dort bestehenden systemischen Mängel des Asylsystems nicht in Betracht kommt (vgl. EuGH (Große Kammer), U. v. 14.11.2014 - C-4/11
5. Die somit an sich anzunehmende Zuständigkeit Ungarns scheitert allerdings gleichwohl an Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO, weil das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Ungarn an systemischen Mängeln leiden und ernsthafte, durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme bestehen, dass der Kl. tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i. S. v. Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) ausgesetzt zu werden.
Dabei können sich betroffene Asylantragsteller auch persönlich auf den Ausschlussgrund des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO berufen, weil dieser seinerseits auf die grundrechtliche Wertung des Art. 4 GRCh als eines subjektiven Schutzrechts auch gegen die (die unionsrechtliche Dublin-III-VO vollziehende) Bundesrepublik Deutschland zurückgeht (Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRCh; vgl. EuGH (Große Kammer), U. v. 14.11.2013 - C-4/11
Dabei hat das Gericht in erster Linie auf die jeweils (bezogen auf den nach Art. 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt) aktuelle Situation abzustellen, weswegen frühere Gerichtsentscheidungen, die spätere (aktuelle) Erkenntnismittel noch nicht berücksichtigen konnten, bei der gerichtlichen Entscheidungsfindung nicht entscheidend herangezogen werden.
5.1. Das Gericht geht davon aus, dass das ungarische Asylsystem im maßgeblichen Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung sowohl im Hinblick auf die Ausgestaltung des Asylverfahrens als auch im Hinblick auf die Unterbringungsbedingungen von Asylbewerbern derzeit an systemischen Schwachstellen i. S. v. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO leidet.
Das Gericht legt seiner Einschätzung zum einen die verfügbaren Informationen über die stetig ansteigende Zahl von Asylbewerbern in Ungarn zugrunde. Ungarn hatte im Jahr 2014 einen relativen Anstieg der Asylbewerberzahlen von 126% zu verzeichnen (vgl. EASO-Jahresbericht 2014 über die Asylsituation in der EU, Annual Report on the Situation of Asylum in the European Union 2014 - S. 17 und 16; abrufbar im Internet unter:
https://easo.europa.eu/latest-news/annual-report-2014/).
Das Gericht geht davon aus, dass das ungarische Asylsystem bei der Aufnahme von Asylbewerbern unter erheblichen Kapazitätsproblemen leidet, die auch von der ungarischen Regierung selbst betont worden sind (vgl. beck-aktuell, „Ungarn verschärft Asylrecht“, becklink 2000486, wo unter anderem der ungarische Innenminister mit der Aussage zitiert wird, die ungarischen Flüchtlingsunterkünfte seien zu 130% belegt“).
Gleichzeitig liegen dem Gericht veröffentlichte Meldungen darüber vor, dass das ungarische Parlament am 6. Juli 2015 eine Verschärfung des ungarischen Asylrechts beschlossen hat (vgl. beck-aktuell, „Ungarn verschärft Asylrecht“ vom 7.7.2015, becklink 2000486). Danach soll unter anderem das Asylverfahren annulliert werden, wenn Asylsuchende die ihnen zugewiesenen Aufenthaltsorte länger als 48 Stunden verlassen; gleichzeitig sollen Flüchtlinge bis zum Ende ihres Asylverfahrens inhaftiert werden dürfen.
5.2. Das Gericht macht vor diesem Hintergrund die folgenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts Münster einschließlich des dortigen Rückgriffs auf im Internet verfügbare Erkenntnismittel zum Gegenstand der vorliegenden Entscheidung (VG Münster, B. v. 7.7.2015 - 2 L 858/15.A - im Internet abrufbar unter
http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_muenster/j2015/2_L_858_15_A_Beschluss_20150707.html,
dort Rn. 9-27):
„[9] Allerdings kann nach Einschätzung des Gerichts unter Berücksichtigung des vorliegenden neueren Erkenntnismaterials sowie der geänderten Positionierung des ungarischen Staates zur Aufnahmebereitschaft von Asylbewerbern im Rahmen des Dublin-Übereinkommens aktuell nicht mehr mit der erforderlichen Gewissheit davon ausgegangen werden, dass in Ungarn systemische Mängel bzw. Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber nicht anzunehmen sind. Vielmehr gibt die jüngste Entwicklung in Ungarn Anlass zu der Annahme, dass gravierende Anhaltspunkte für das Bestehen systemischer Mängel vorhanden sind, aufgrund derer der Antragsteller im Falle der Rückführung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Gefahr liefe, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK ausgesetzt zu sein.
5.3. Das Gericht geht vor diesem Hintergrund mit dem VG Münster beim ungarischen Asylsystem derzeit von einer Kombination sowohl äußerst restriktiver Asylverfahrensregelungen als auch von einer dramatischen Unterbringungssituation aus. Bei der Zusammenschau der in jüngerer Zeit entstandenen Kapazitätsprobleme einerseits und der gegenüber der bisherigen Rechtslage zulasten der Asylbewerber im Asylverfahrensablauf sowie bei den Inhaftierungsmöglichkeiten vorgenommenen Verschlechterungen bestehen nach Ansicht des Gerichts derzeit systemische Schwachstellen des ungarischen Asylverfahrens sowie der Aufnahmebedingungen, die die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i. S. v. Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) bergen.
Dabei ist zu sehen, dass der UNHCR, dessen Wertungen im Kontext der Prüfung des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO maßgebliches Gewicht zukommt (EuGH, U. v. 30.5.2013 - C-528/11 - Rn. 44, NVwZ-RR 2013, 660), bereits im Vorfeld der zwischenzeitlich beschlossenen Gesetzesänderungen Bedenken angemeldet und sich insoweit als „tief besorgt“ (deeply concerned) bezeichnet hatte (vgl. den im Internet veröffentlichten englischsprachigen Kommentar vom 3.7.2015: UNHCR urges Hungary not to amend asylum system in haste; abrufbar unter:
http://www.unhcr.org/559641846.html ).
Unter anderem hatte der UNHCR ausgeführt, dass das Asylsystem Ungarns bereits vor der Novelle immer restriktiver geworden war; es werde befürchtet, dass die neuen Vorschläge es Flüchtlingen unmöglich machen wird, in diesem Land Sicherheit zu suchen.
Letzteres ist aus Sicht des Gerichts infolge der zwischenzeitlichen Entwicklung derzeit anzunehmen. Nachdem der UNHCR selbst bemerkt, dass das ungarische Asylsystem vor der aktuellen Novelle zunehmend restriktiver geworden war, sieht das Gericht auch die jüngsten Verschärfungen der Haftbedingungen und insbesondere die neue Regelung zur Annullierung des Asylantrags bei über 48-stündiger Abwesenheit vom zugewiesenen Aufenthaltsort vor dem Hintergrund der vom UNHCR bereits zur früheren Rechtslage und Flüchtlingssituation geäußerten deutlichen Kritik - vgl. insoweit:
- Schreiben des UNHCR vom 9. Mai 2014 an das VG Düsseldorf im Verfahren 13 L 172/14.A (nachfolgend: UNHCR v. 9.5.2014; abrufbar in der öffentlich zugänglichen Datenbank MILO des BAMF);
- Schreiben des UNHCR vom 30. September 2014 an das VG Düsseldorf im Verfahren 13 K 501/14.A (nachfolgend: UNHCR v. 30.9.2014; abrufbar in der öffentlich zugänglichen Datenbank MILO des BAMF).
Daraus ergab sich bereits zur früheren Situation vor dem 6. Juli 2015 unter anderem, dass es Verwaltungsentscheidungen, mit denen die Asylhaft gegenüber Erstantragstellern angeordnet wird, regelmäßig an einer einzelfallbezogenen Begründung fehlte; der UNHCR ging davon aus, dass haftanordnende Entscheidungen weder den konkreten Haftgrund, noch Angaben dazu enthalten, warum die Inhaftierung aus Sicht der zuständigen Behörde im konkreten Einzelfall erforderlich und angemessen ist und keine anderen milderen Mittel in Betracht kommen, um eine Verfügbarkeit des Antragstellers im Asylverfahren sicherzustellen (vgl. UNHCR v. 9.5.2014, zu Frage 3, S. 2; UNHCR v. 30.9.2014, zu Frage 4, S. 2). Vielmehr sei vollkommen intransparent und daher nicht vorhersehbar, welche Asylbewerber in Ungarn verhaftet würden und welche nicht und warum (vgl. UNHCR v. 9.5.2014, zu Frage 3, S. 2; UNHCR v. 30.9.2014, zu Frage 4, S. 2). Dabei wurden die bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten gegen die Asylhaft als ineffektiv und im Ergebnis wirkungslos bewertet; selbstständige Rechtsbehelfe stünden gegen die behördliche Anordnung der Asylhaft nicht zur Verfügung (vgl. UNHCR v. 9.5.2014, zu Frage 7, S. 6-7; UNHCR v. 30.9.2014, zu Frage 11, S. 6-7). Die Überprüfung der Haftanordnungen erfolge vielmehr im Rahmen einer automatischen gerichtlichen Haftüberprüfung in einem 60-Tage-Rhythmus, wobei für den einzelnen Überprüfungstermin regelmäßig nur wenige Minuten zur Verfügung stünden (UNHCR v. 9.5.2014, zu Frage 7, S. 7; UNHCR v. 30.9.2014, zu Frage 11, S. 6-7). Hinzu komme, dass nach einer Untersuchung, die das höchste Gericht Ungarns (Kuria) in den Jahren 2011 und 2012 durchgeführt habe, die automatische Haftüberprüfung (durch dieselben Gerichte, die auch nach neuem Recht für die Überprüfung zuständig sind), lediglich in drei von 5.000 bzw. 8.000 Fällen tatsächlich zu einer Aufhebung der Haftanordnung geführt habe (vgl. UNHCR v. 9.5.2014, zu Frage 7, S. 7; UNHCR v. 30.9.2014, zu Frage 11, S. 6-7). Hinzu komme, dass dem UNHCR hinsichtlich der vom ungarischen Asylrecht seinerzeit neben der automatischen Haftprüfung dem Asylbewerber eingeräumten Möglichkeit einer "objection", also einer Art Einspruch gegen die Anordnung der Asylhaft, seit der Wiedereinführung der Asylhaft zum 1. Juli 2013 kein einziger Fall bekannt geworden war, in dem ein solcher Einspruch tatsächlich erhoben worden sei; nach Einschätzung des UNHCR seien Asylbewerber in der Praxis überhaupt nicht über diesen Rechtsbehelf informiert bzw. seitens der zuständigen Behörden von einer Einlegung abgehalten worden mit dem Hinweis darauf, dass dieser Rechtsbehelf ungeeignet sei, die Rechtmäßigkeit der Haftentscheidung anzugreifen, (vgl. UNHCR v. 9.5.2014, zu Frage 7, S. 6-7; UNHCR v. 30.9.2014, zu Frage 11, S. 6-7).
Es kann dahinstehen, inwieweit bereits diese frühere Kritik des UNHCR für sich allein betrachtet hinreichte, um von systemischen Mängeln des ungarischen Asylverfahrens derart auszugehen, dass darin eine hinreichende Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung i. S. v. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO lag oder nicht. Denn jedenfalls in der Zusammenschau der jüngsten Verschärfung der Inhaftierungsmöglichkeiten und der gleichzeitigen Einführung einer Annullierungsregelung bei mehr als 48-stündiger Abwesenheit vom zugewiesenen Aufenthaltsort ist von einer derartigen Gefahr auszugehen, weil gleichzeitig - von der ungarischen Regierung selbst eingeräumt - in Ungarn erhebliche Kapazitätsengpässe bestehen. Wenn nämlich die Haft während des gesamten Asylverfahrens aufrechterhalten werden kann, gleichzeitig aber keine ausreichenden Kapazitäten für die Durchführung der enorm gestiegenen Verfahrenszahlen zur Verfügung stehen, ist angesichts der bereits in der Vergangenheit zu konstatierenden geringen Rechtsbehelfsmöglichkeiten gegen Asylhaft von einer in einer Vielzahl von Fällen systemisch-unverhältnismäßigen Inhaftierungspraxis auszugehen. Weil gleichzeitig angesichts der erheblichen Kapazitätsdefizite nicht von einer hinreichend effizienten Durchführung des Asylverfahrens ausgegangen werden kann, müssen auch tatsächlich verfolgte Asylantragsteller damit rechnen, ohne überwiegende Gründe mit einer zeitlich nicht hinreichend begrenzten Haftsituation konfrontiert zu werden, obwohl sie mit dem Asylantrag nur von ihrem Menschenrecht auf Asyl Gebrauch machen. Hierin liegt nicht nur im Hinblick auf die Asylhaft eine systemische Schwachstelle des ungarischen Asylverfahrens. Infolge der Kapazitätsengpässe ist auch nicht ersichtlich, dass diese Verfahrensweise den Zweck des Asylverfahrens, nämlich die Klärung der Frage, ob tatsächlich Asylgründe vorliegen oder nicht, maßgeblich befördern würde. Das ungarische Asylsystem in seiner aktuellen Ausgestaltung ist deshalb von erheblichen Verfahrensrestriktionen gekennzeichnet, gewährleistet aber gleichzeitig nicht die Erreichung des Zwecks des Asylverfahrens. Das gilt angesichts der Neuregelung auch in Fällen, in denen keine Asylhaft angeordnet wird, im Hinblick auf die Annullierungsregelung bei mehr als 48-stündiger Abwesenheit. Denn es ist nicht zu verkennen, dass eine formale Annullierungsregelung gerade bei solchen Personen, die tatsächlich Verfolgung erlitten haben, einen besonderen Druck erzeugt, von ihrer Bewegungsfreiheit keinen Gebrauch zu machen, wobei andererseits angesichts der beschriebenen erheblichen Kapazitätsengpässe auch insoweit nicht davon auszugehen ist, dass diese Einschränkung zeitlich überschaubar wäre oder ihrerseits den Zweck des Asylverfahrens befördern könnte. Auch insoweit ist von einer systemischen Schwachstelle des ungarischen Asylverfahrens auszugehen.
Hinzu kommt, dass die im Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung veröffentlichten aktuellen Stellungnahmen der Non-Government-Organisationen zur aktuellen Lage der Asylbewerber in Ungarn nach der am 6. Juli 2015 beschlossenen Gesetzesnovelle keine andere Einschätzung nahelegen (vgl. die Stellungnahme von proasyl „Kein Schutz für niemanden: Ungarn verabschiedet sich vom Flüchtlingsrecht“ (abrufbar unter:
http://www.proasyl.de/de/news/detail/news/kein_schutz_fuer_niemanden_ungarn_verabschiedet_sich_vom_fluechtlingsrecht/?cHash=768f0edf92619027d9b26d3c44fd17f2&no_cache=1&sword_list%5B0%5D=ungarn&sword_list%5B1%5D=kein&sword_list%5B2%5D=schutz&sword_list%5B3%5D=f%C3%BCr&sword_list%5B4%5D=niemanden ).
Zusammenfassend kommen derzeit angesichts der beschriebenen systemischen Schwachstellen des ungarischen Asylverfahrens i. S. v. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO Überstellungen von Asylbewerbern nach Ungarn nicht in Betracht.
6. Angesichts der somit wegen Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO anzunehmenden Unzuständigkeit Ungarns ist die in Nr. 1 des sgB ausgesprochene Ablehnung des Asylantrages als unzulässig und damit auch die Abschiebungsanordnung nach Ungarn in Nr. 2 des sgB rechtswidrig.
Dabei ist Nr. 1 des sgB (Ablehnung des Asylantrages als unzulässig) im Zusammenhang mit der explizit auf Ungarn bezogenen Nr. 2 des sgB (Abschiebungsanordnung) zu sehen, wobei zusätzlich auch die Begründung des Bescheides von der Unzulässigkeit nach § 27a AsylVfG deshalb ausgeht, weil Ungarn (wie gezeigt unrichtiger Weise - s. o.) für zuständig gehalten wird. Die Ablehnung des bei der Bundesrepublik Deutschland gestellten Asylantrages als unzulässig gerade wegen der Zuständigkeit Ungarns macht die eigentliche Regelung der Nr. 1 des sgB im konkreten Einzelfall aus (vgl. § 35 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG). Wegen des so zum Ausdruck gebrachten (wie gezeigt unrichtigen - s. o.) Bezugs zur Zuständigkeit Ungarns handelt es sich bei Nr. 1 des sgB auch nicht nur um einen bloß deklaratorischen Hinweis auf eine nach § 27a AsylVfG bestehende gesetzliche Rechtslage; vielmehr beinhaltet Nr. 1 des sgB eine echte (feststellende) Regelung und stellt mithin einen Verwaltungsakt i. S. v. § 35 VwVfG dar, der der (isolierten) Anfechtung zugänglich ist (vgl. BayVGH, U. v. 28.2.2014 - 13a B 13.30295 - juris Rn. 22; BayVGH, B. v. 11.3.2015 - 13a ZB 14.50043 - juris Rn. 6). Da somit Nr. 1 des sgB im Ergebnis ebenso wie auch die Abschiebungsanordnung eine auf die Zuständigkeit Ungarns bezogene Regelung darstellt, Ungarn aber - wie gezeigt - tatsächlich wegen Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO unzuständig ist (s.o.), ist auch Nr. 1 des Bescheides schon aus diesem Grund aufzuheben.
Dabei kommt es für den Erfolg der vorliegenden Anfechtungsklage hinsichtlich Nr. 1 des sgB auch nicht darauf an, ob eine Zuständigkeit anderer Dublin-Staaten - etwa gemäß Art. 13 Abs. 2 Dublin-III-VO - (noch) besteht oder nicht. Die gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO von der Bundesrepublik Deutschland in erster Linie geforderte Fortsetzung der Prüfung der Zuständigkeitskriterien der Dublin-III-VO ist nämlich nicht Gegenstand des vorliegend angefochtenen Bescheides, deshalb auch nicht Streitgegenstand der vorliegenden Anfechtungsklage und infolge dessen auch nicht vom Gericht, sondern außerhalb des vorliegenden Klageverfahrens vom BAMF durchzuführen. Denn ausweislich der Verwaltungsakte hat das BAMF die Zuständigkeit anderer Dublin-Staaten als Ungarn weder im Bescheid noch im Verwaltungsverfahren thematisiert und insbesondere keine entsprechenden (weiteren) Anfragen bei anderen Dublin-Staaten nach den hierfür vorgesehenen unionsrechtlich vorgesehenen Verfahren durchgeführt.
Auch der Anwendungsvorrang der Dublin-III-VO führt nicht dazu, dass das Gericht die in Nr. 1 des sgB (wegen im Ergebnis unrichtig angenommener Zuständigkeit Ungarns) verfügte Ablehnung des Asylantrags als unzulässig nur dann aufheben dürfte, wenn gerichtlicherseits feststeht, dass außer der Bundesrepublik Deutschland kein anderer Dublin-Mitgliedstaat zuständig ist.
Es kann dabei dahinstehen, inwieweit unter der Geltung der früheren Dublin-II-Verordnung eine derartige Prüfung angezeigt war oder ob nicht vielmehr schon nach der Dublin-II-VO das BAMF (als die Bundesrepublik Deutschland vertretende Behörde) zunächst die Möglichkeit haben musste, einen anderen Mitglied- bzw. Vertragsstaat, der nachrangig zuständig ist, zu ersuchen. Schon zur Dublin-II-VO hat es - anders als zur (unbestrittenen) Statthaftigkeit der Anfechtungsklage (vgl. BayVGH, B. v. 11.3.2015 - 13a ZB 14.50043 - juris Rn. 6 m. w. N.) - für die Frage, inwieweit das Gericht (im Rahmen dieser Anfechtungsklage) anstelle des BAMF die Zuständigkeit weiterer (nachrangiger) Dublin-Staaten vorzunehmen hat, keine abschließende Klärung gegeben (vgl. zur Dublin-II-VO einerseits VGH BW, U. v. 16.4.2014 - A 11 S 1721/13 - InfAuslR 2014, 293, juris Rn. 18; andererseits OVG NRW, U. v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - DVBl 2014, 790, juris Rn. 31).
Jedenfalls seit der expliziten Einführung der Pflicht zur Fortsetzung der Prüfung in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO, zu der es in der früheren Dublin-II-VO keine explizite Vorgängerregelung gab, kommen für eine solche fortgesetzte Prüfung ausschließlich die dort vorgesehenen Verfahrensabläufe in Betracht. Dabei spricht für die genannte Beschränkung der gerichtlichen Prüfung auf die im streitgegenständlichen Bescheid des BAMF vorgegebene Auswahl anderer Dublin-Staaten vor allem Art. 35 Dublin-III-VO. Denn Art. 35 Dublin-III-VO geht hinsichtlich der Durchführung der Dublin-III-VO von explizit gegenüber der Kommission zu benennenden „Behörden“ - also Stellen der Exekutive, nicht aber der Judikative - mit entsprechenden Veröffentlichungsverfahren aus. Für die Bundesrepublik Deutschland ist dies aber hinsichtlich der Übermittlung von Aus- und Wiederaufnahmeersuchen gerade das BAMF (vgl. auch § 2 Abs. 1 der Verordnung zur Neufassung der Asylzuständigkeitsbestimmungsverordnung - AsylZBV). Nur das BAMF als Verwaltungsstelle kann die nach der Dublin-III-VO vorgesehenen Fristläufe nach den dort (insbesondere in Art. 21 Abs. 3 und Art. 23 Abs. 3 Dublin-III-VO) vorgesehenen Verfahrensweisen erfüllen und nur gegenüber dem BAMF können andere Dublin-Mitgliedstaaten die für sie geltenden Fristen wahren. Dafür spricht nicht zuletzt auch Art. 15 Abs. 1 der Verordnung (EG) 1560/2003 (EU-Asylantragszuständigkeits-DVO), wonach sämtliche Gesuche und Antworten zwischen Mitgliedstaaten über das dort näher geregelte „DubliNet“ übermittelt werden, wohingegen für das Gericht keine Nutzung des DubliNet vorgesehen ist. Soweit aber andere Dublin-Staaten nicht innerhalb der unionsrechtlich vorgesehenen (zwischenbehördlichen) Verfahren eingebunden sind und soweit deshalb auch die Regelungswirkung einer Feststellung nach § 27a AsylVfG sich darauf nicht erstreckt (s. o.), kommt vor diesem Hintergrund eine diesbezügliche gerichtliche Prüfung (mit entsprechenden Bindungswirkungen gegenüber der am Rechtsstreit beteiligten Bundesrepublik Deutschland - vgl. § 121 VwGO) nicht in Betracht.
7. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylVfG).
8. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 2 und Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).
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(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.
(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.
Beteiligte am Verfahren sind
- 1.
der Kläger, - 2.
der Beklagte, - 3.
der Beigeladene (§ 65), - 4.
der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht oder der Vertreter des öffentlichen Interesses, falls er von seiner Beteiligungsbefugnis Gebrauch macht.
Für die örtliche Zuständigkeit gilt folgendes:
- 1.
In Streitigkeiten, die sich auf unbewegliches Vermögen oder ein ortsgebundenes Recht oder Rechtsverhältnis beziehen, ist nur das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk das Vermögen oder der Ort liegt. - 2.
Bei Anfechtungsklagen gegen den Verwaltungsakt einer Bundesbehörde oder einer bundesunmittelbaren Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Bundesbehörde, die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung ihren Sitz hat, vorbehaltlich der Nummern 1 und 4. Dies gilt auch bei Verpflichtungsklagen in den Fällen des Satzes 1. In Streitigkeiten nach dem Asylgesetz ist jedoch das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Ausländer nach dem Asylgesetz seinen Aufenthalt zu nehmen hat; ist eine örtliche Zuständigkeit danach nicht gegeben, bestimmt sie sich nach Nummer 3. Soweit ein Land, in dem der Ausländer seinen Aufenthalt zu nehmen hat, von der Möglichkeit nach § 83 Absatz 3 des Asylgesetzes Gebrauch gemacht hat, ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, das nach dem Landesrecht für Streitigkeiten nach dem Asylgesetz betreffend den Herkunftsstaat des Ausländers zuständig ist. Für Klagen gegen den Bund auf Gebieten, die in die Zuständigkeit der diplomatischen und konsularischen Auslandsvertretungen der Bundesrepublik Deutschland fallen, auf dem Gebiet der Visumangelegenheiten auch, wenn diese in die Zuständigkeit des Bundesamts für Auswärtige Angelegenheiten fallen, ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Bundesregierung ihren Sitz hat. - 3.
Bei allen anderen Anfechtungsklagen vorbehaltlich der Nummern 1 und 4 ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Verwaltungsakt erlassen wurde. Ist er von einer Behörde, deren Zuständigkeit sich auf mehrere Verwaltungsgerichtsbezirke erstreckt, oder von einer gemeinsamen Behörde mehrerer oder aller Länder erlassen, so ist das Verwaltungsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Beschwerte seinen Sitz oder Wohnsitz hat. Fehlt ein solcher innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Behörde, so bestimmt sich die Zuständigkeit nach Nummer 5. Bei Anfechtungsklagen gegen Verwaltungsakte einer von den Ländern mit der Vergabe von Studienplätzen beauftragten Behörde ist jedoch das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Behörde ihren Sitz hat. Dies gilt auch bei Verpflichtungsklagen in den Fällen der Sätze 1, 2 und 4. - 4.
Für alle Klagen aus einem gegenwärtigen oder früheren Beamten-, Richter-, Wehrpflicht-, Wehrdienst- oder Zivildienstverhältnis und für Streitigkeiten, die sich auf die Entstehung eines solchen Verhältnisses beziehen, ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Kläger oder Beklagte seinen dienstlichen Wohnsitz oder in Ermangelung dessen seinen Wohnsitz hat. Hat der Kläger oder Beklagte keinen dienstlichen Wohnsitz oder keinen Wohnsitz innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Behörde, die den ursprünglichen Verwaltungsakt erlassen hat, so ist das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk diese Behörde ihren Sitz hat. Die Sätze 1 und 2 gelten für Klagen nach § 79 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen entsprechend. - 5.
In allen anderen Fällen ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Beklagte seinen Sitz, Wohnsitz oder in Ermangelung dessen seinen Aufenthalt hat oder seinen letzten Wohnsitz oder Aufenthalt hatte.
Für die sachliche und örtliche Zuständigkeit gelten die §§ 17 bis 17b des Gerichtsverfassungsgesetzes entsprechend. Beschlüsse entsprechend § 17a Abs. 2 und 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes sind unanfechtbar.
(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.
(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.
(1) Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ist zuständig für die Ausführung des Übereinkommens nach § 1 Nr. 1 und der Verordnungen nach § 1 Nr. 2 und 3 in Bezug auf
- 1.
die Übermittlung von Auf- und Wiederaufnahmeersuchen an die anderen Staaten sowie die Festlegung der Modalitäten der Überstellung, - 2.
die Entscheidung über Auf- und Wiederaufnahmeersuchen der anderen Staaten sowie die Festlegung der Modalitäten der Überstellung, - 3.
den Informationsaustausch sowie die notwendigen Mitteilungen an die betroffenen Drittstaatsangehörigen.
(2) Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ist auch zuständig für die Zusammenarbeit mit den anderen Staaten nach der Verordnung gemäß § 1 Nr. 4 bei
Rechtskräftige Urteile binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist,
- 1.
die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger und - 2.
im Fall des § 65 Abs. 3 die Personen, die einen Antrag auf Beiladung nicht oder nicht fristgemäß gestellt haben.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.