Verwaltungsgericht München Urteil, 21. Sept. 2016 - M 18 K 15.3156

bei uns veröffentlicht am21.09.2016

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I.

Der Bescheid des Beklagten vom 26. November 2014 in Gestalt des Widerspruchbescheids der Regierung von Oberbayern vom 12. Juni 2015 wird in Ziffer 1 aufgehoben, soweit er den Bescheid des Beklagten vom 12. März 2013 mit Wirkung vor dem 1. Januar 2015 aufhebt.

Der Bescheid des Beklagten vom 26. November 2014 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 12. Juni 2015 wird hinsichtlich Ziffer 2 aufgehoben.

II.

Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Einstellung von Unterhaltsvorschusszahlungen für die Vergangenheit sowie eine Ersatzforderung für gezahlte Leistungen.

Mit formularmäßigem Antrag vom 6. März 2013 begehrte die Klägerin Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz für ihren im Jahre 2003 geborenen Sohn. Auf der ersten Seite des Antrags gab sie unter 1.c an, das Kind werde regelmäßig auch vom anderen Elternteil betreut und zwar von Freitag bis Montag.

Mit Schreiben vom 21. Februar 2013 hatte der Kindsvater gegenüber dem Beklagten angegeben, nach der Umgangsregelung befänden sich die Kinder vier Tage bei der Klägerin und drei Tage bei ihm. Er bezahle die Nachmittagsbetreuung der Kinder für Essen und Hausaufgaben. Unter dem 28. Februar 2013 hatte der Kindsvater auf einem Fragebogen erklärt, er besuche die Kinder alle zwei Tage. Von Freitag bis Montag übernachteten die Kinder dreimal bei ihm, bei Krankheit oder anderen Aktivitäten öfters. Die Kinder und die Klägerin wohnten in einer Eigentumswohnung, die ihm gehöre.

Auf einem gleichartigen Fragebogen erklärte die Klägerin unter dem 13. März 2013, der Kindsvater besuche die Kinder bei ihr nicht. Der Vater hole die beiden Kinder jeden Freitagmittag von der Schule ab und bringe sie am Montag wieder zur Schule.

Nach der mit der Klägerin, mit dem Kindsvater und dem Kreisjugendamt des Beklagten erarbeiteten Umgangsvereinbarung vom 14. Juni 2007 nimmt der Kindsvater sein Umgangsrecht mit den Kindern von Freitagmittag bis Montagmittag war. Die Kinder übernachten bei ihm bis Montag. Nach Erklärung des Kindsvaters vom 28. Februar 2013 wurde diese Umgangsvereinbarung am 25. Juli 2012 auf unbestimmte Zeit verlängert.

Mit Bescheid vom 12. März 2013 gewährte der Beklagte unter Ziffer 1 für den 2003 geborenen Sohn der Klägerin Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz i. H. v. 180,- € monatlich im Zeitraum vom 1. Februar 2013 bis zum 5. September 2015.

Mit Schreiben vom 12. März 2013 teilte der Beklagte dem Kindsvater mit, sein im Jahre 2003 geborenes Kind erhalte Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz, er könne nur noch schuldbefreiend an den Freistaat Bayern den Unterhalt leisten und werde aufgefordert, in dem Schreiben näher bezeichnete Zahlungen an die Staatsoberkasse zu erbringen.

Mit Schriftsatz vom 5. Juni 2013 an den Beklagten wandte sich der Bevollmächtigte des Kindsvaters gegen dessen Inanspruchnahme. Er machte u. a. geltend, die Kinder hielten sich 62 Stunden pro Woche bei der Mutter, 67 Stunden 15 Minuten beim Vater und 38 Stunden 45 Minuten in der Schule und in der Schulbetreuung auf. Der Vater trage alleine die finanzielle Belastung. Er stelle ohne Zahlung von Mietzins und Nebenkosten eine Wohnung und übernehme alleine die Gebühren für Mittagessen und Hausaufgabenüberwachung, Nachhilfestunden sowie für den Sport.

Am 24. Juni 2013 schlossen die Klägerin und der Kindsvater vor dem Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen eine Zwischenvereinbarung, in der u. a. geregelt ist, dass sich die Kinder im Zeitraum von Montagmittag bis Freitagmorgen bei der Klägerin, Freitag nach der Schule bis Montagmorgen beim Kindsvater aufhalten und dass die Klägerin und der Kindsvater die Kinderbetreuung und -versorgung in den Sommerferien 2013 jeweils für etwa drei Wochen übernehmen. Am 3. April 2014 ordnete das Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen im Wege der einstweiligen Anordnung an, dass die Kinder der Klägerin jeweils am letzten Wochenende im Monat bei dieser verblieben. Weiterhin wurde eine Regelung zu den Schulferienzeiten getroffen, die im Ergebnis zu einer etwa hälftigen Aufteilung der Betreuung und Versorgung während der Ferien durch die Klägerin und den Kindsvater führt.

Mit Beschluss vom 23. Juni 2014 wies das Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen Barunterhaltsansprüche des Freistaats Bayern gegen den Kindsvater ab, da es keinen Schwerpunkt der tatsächlichen Betreuung gebe.

Mit dem angegriffenen Bescheid vom 26. November 2014 ordnete der Beklagte unter Ziffer 1 an: „Der Bescheid vom 12.03.2013, mit dem Ihrem Kind ... ..., geb. am ..., dessen gesetzlicher Vertreter Sie sind, Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz bewilligt wurden, wird ab 31.12.2014 aufgehoben und rückwirkend zum 31.07.2014 eingestellt.“ Unter Ziffer 2 wurde festgesetzt, dass für die Zeit vom 1. August 2014 bis zum 31. Dezember 2014 ausgezahlte Leistungen von insgesamt 900,- € bis spätestens 5. Januar 2015 zu ersetzen seien. Die Aufhebung wurde auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X, die Ersatzpflicht auf § 5 Abs. 1 Nr. 2 UVG gestützt. Es sei nicht eindeutig festzustellen, bei welchem Elternteil das Kind seinen Lebensmittelpunkt habe; der Anspruch auf Unterhaltsvorschuss-Leistungen sei einzustellen. Der 2003 geborene Sohn der Klägerin habe sowohl bei dieser als auch beim Vater seinen Lebensmittelpunkt. Die Leistungseinstellung erfolge rückwirkend zum 31. Juli 2014, da die Klägerin gewusst habe bzw. habe wissen müssen, dass die Anspruchsvoraussetzungen ab 1. August 2014 nicht mehr vorlagen. Aus dem gleichen Grund ergebe sich die Schadensersatzpflicht über 900,- €.

Mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2014 legte die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigten Widerspruch gegen den Bescheid vom 26. November 2014 ein. Der Lebensmittelpunkt des 2003 geborenen Sohnes sei bei der Klägerin.

Aus unter dem 1. Januar 2015 bzw. dem 30. Januar 2015 vom Kindsvater bzw. der Klägerin beim Beklagten eingereichten Betreuungsprotokollen ergibt sich weitgehend übereinstimmend, dass die tatsächliche Betreuung im Wesentlichen in Einklang mit der Betreuungs- und Umgangsregelung erfolgte.

Mit Bescheid vom 24. Juni 2015 wies die Regierung von Oberbayern den Widerspruch zurück. Der 2003 geborene Sohn der Klägerin sei vom anderen Elternteil in einem solchen Umfang persönlich betreut und versorgt sowie die Klägerin dadurch in einer Weise entlastet worden, dass die Voraussetzungen für Unterhaltsvorschuss-Leistungen nicht gegeben gewesen seien. Die Ersatzverpflichtung sei gegeben, weil die Klägerin habe wissen müssen, dass ein Anspruch nicht bestand. Im ihr übergebenen Merkblatt sei ausdrücklich aufgeführt gewesen, dass der Anspruch ausgeschlossen sei, wenn das Kind seinen Lebensmittelpunkt bei beiden Elternteilen habe und nicht im erforderlichen Umfang beim allein erziehenden Elternteil lebe oder der Betreuungsumfang des Kindes durch den anderen Elternteil nicht nur geringfügig sei. Die fahrlässige Unkenntnis habe auch im Zeitpunkt bestanden, in dem die Leistung in den Verfügungsbereich der Klägerin gelangt sei, da das Betreuungsmodell für die Kinder bereits bei Erhalt der Unterhaltsleistung für den 2003 geborenen Sohn für den Monat August 2014 bestanden habe.

Die Klägerin hat durch ihre Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 24. Juli 2015, bei Gericht eingegangen am 29. Juli 2015 Klage gegen den Bescheid vom 26. November 2011 erhoben.

Der Lebensmittelpunkt der Kinder liege bei der Klägerin. Diese trage auch während des Schulbesuchs der Kinder Verantwortung und halte sich zur Verfügung. Die Aufenthalte beim Kindsvater seien lediglich Wochenendaufenthalte. Der Tagesablauf an Wochenenden sei nicht mit der unter der Woche erforderlichen Organisation und ordnenden Gestaltung des Tagesablaufs vergleichbar.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Fehle es an einer eindeutigen Zuordnung des Lebensmittelpunkts, bestehe kein Anspruch auf Unterhaltsvorschussleistungen.

In einer Vereinbarung über die „Stundung mit Ratenzahlung wegen übergegangener Unterhaltsansprüche des Kindes“ vom 20. August 2015 vereinbarten die Klägerin und der Beklagte eine Stundung mit monatlicher Ratenzahlung von 100,- € ab dem 1. September 2015. Die von der Klägerin persönlich unterzeichnete Vereinbarung enthält folgende: Formulierung „Mit der Bewilligung der Stundung erkennen Sie an, dass Sie dem Freistaat Bayern nach § 7 UVG die zu Unrecht ausgezahlten UVG-Leistungen schulden.“

Mit Beschluss vom 10. Februar 2016 wurde der Klägerin teilweise Prozesskostenhilfe gewährt.

In der mündlichen Verhandlung am 21. September 2016 stellt die Klägerbevollmächtigte für die Klägerin folgende Anträge:

1. Der Bescheid der Beklagten vom 26.11.2014 in Form des Widerspruchbescheids vom 24.06.2015 wird in Ziffer 1. aufgehoben, soweit er den Bescheid vom 12.03.2013 rückwirkend von 31.07.2014 bis 31.12.2014 aufhebt.

2. Der Bescheid der Beklagten vom 26.11.2014 in Form des Widerspruchbescheids vom 24.06.2015 wird in Ziffer 2. aufgehoben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte.

Gründe

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die Klägerin hinsichtlich der Anfechtung der Ziffer 1 des Bescheids vom 26. November 2014 klagebefugt. Zwar ist Begünstigter der Leistungen nach dem UVG das betreffende Kind. Jedoch ist auch der allein erziehende Elternteil im Streit um UVG-Leistungen klagebefugt, weil er sie nach § 9 Abs. 1 UVG in eigenem Namen geltend machen kann (vgl. BayVGH, B.v. 20.1.2014 - 12 C 13.2488 - juris Rn. 8).

Die Klage ist auch begründet, da der Bescheid der Beklagten vom 26. November 2014 in Form des Widerspruchsbescheids vom 24. Juni 2015, soweit er angegriffen wurde, rechtswidrig ist.

1. Die Aufhebung des Bescheids vom 12. März 2013 durch Ziffer 1 des Bescheids vom 26. November 2014 kann sich grundsätzlich auf § 45 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) stützen.

1.1 Die Begründung des Bescheids spricht zwar eine Aufhebung und keine Rücknahme aus und nennt § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X als Rechtsgrundlage. Die Voraussetzung für eine Aufhebung nach § 48 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SGB X liegen nicht vor. Es ist keine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten. Die Betreuungsregelung zwischen der Klägerin und dem Kindsvater bestand vielmehr seit Leistungsbewilligung ohne wesentliche Änderungen fort. Die Erfolglosigkeit der zivilrechtlichen Durchsetzung der Barunterhaltsansprüche gegen den Kindsvater durch den Freistaat Bayern begründet keine wesentliche Änderung der Verhältnisse, da das Bestehen solcher Ansprüche keine Voraussetzung der Leistungsgewährung nach § 1 Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) ist.

Der Bescheid kann jedoch entsprechend § 43 Abs. 1 SGB X in einen Rücknahmebescheid nach § 45 SGB X umgedeutet werden. Dem steht nicht § 43 Abs. 3 SGB X entgegen. Nach dieser Vorschrift darf eine gebundene Entscheidung nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden. Dies gilt jedoch nicht, wenn das Ermessen auf eine bestimmte Entscheidung reduziert ist, weil jedes andere Entscheidungsergebnis rechtswidrig wäre (vgl. BSG, U.v. 11.4. 2002 - B 3 P 8/01 R - juris Rn. 25). Dies ist hier der Fall. Liegen die tatbestandlichen Voraussetzung der Rücknahme nach § 45 SGB X für einen Bescheid über Unterhaltsvorschussleistungen für einen zukünftigen Zeitraum vor, wäre jede andere Entscheidung, die zur Fortsetzung des rechtswidrigen Leistungsbezugs in der Zukunft führen würde, rechtswidrig, weil die entscheidende Behörde nach Art. 20 Abs. 3 GG an Recht und Gesetz gebunden sowie nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Bayerische Haushaltsordnung (BayHO) zur wirtschaftlichen und sparsamen Haushaltsführung verpflichtet ist.

1.2 Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, unter den Einschränkungen des § 45 Abs. 2 bis 4 SGB X ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Der Bescheid vom 12. März 2013 hat einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet, weil er Grundlage für Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz ist.

1.2.1 Der Bescheid vom 12. März 2013 ist rechtswidrig.

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG ist Voraussetzung für den Anspruch auf Unterhaltsvorschuss u. a., dass der Betroffene bei einem seiner Elternteile lebt, der ledig, verwitwet oder geschieden ist oder von seinem Ehegatten oder Lebenspartner dauernd getrennt lebt. Ein Kind lebt im Sinne dieser Vorschrift bei einem seiner Elternteile, wenn es mit ihm eine auf Dauer angelegte häusliche Gemeinschaft unterhält, in der es auch betreut wird. Dem Sinn und Zweck des Unterhaltsvorschussgesetzes entsprechend ist das Merkmal nur erfüllt, wenn der allein stehende leibliche Elternteil wegen des Ausfalls des anderen Elternteils die doppelte Belastung mit Erziehung und Unterhaltsgewährung in seiner Person zu tragen hat. Abgrenzungsprobleme entstehen, wenn das Kind regelmäßig einen Teil des Monats auch bei dem anderen Elternteil verbringt. Es ist entscheidend auf die persönliche Betreuung und Versorgung, die das Kind bei dem anderen Elternteil erfährt, und die damit einhergehende Entlastung des alleinerziehenden Elternteils bei der Pflege und der Erziehung des Kindes abzuheben. Trägt der den Unterhaltsvorschuss beantragende Elternteil trotz der Betreuungsleistungen des anderen Elternteils tatsächlich die alleinige Verantwortung für die Sorge und Erziehung des Kindes, weil der Schwerpunkt der Betreuung und Fürsorge des Kindes ganz überwiegend bei ihm liegt, so erfordert es die Zielrichtung des Unterhaltsvorschussgesetzes, das Merkmal als erfüllt anzusehen, dass das Kind lediglich bei einem seiner Elternteile lebt. Wird das Kind hingegen weiterhin auch durch den anderen Elternteil in einer Weise betreut, die eine wesentliche Entlastung des den Unterhaltsvorschuss beantragenden Elternteils bei der Pflege und der Erziehung des Kindes zur Folge hat, ist das Merkmal zu verneinen (vgl. BVerwG, U.v. 11.10.2012 - 5 C 20/11 - BVerwGE 144, 306 Rn. 20). Das Kind lebt nicht bei lediglich einem Elternteil, wenn die leiblichen Eltern - auch wenn sie nicht zusammen wohnen - die Erziehungsaufgaben so untereinander aufteilen, dass keiner der Elternteile diese Aufgabe ganz oder weit überwiegend alleine erfüllen muss. Dabei ist nicht zu fordern, dass die Erziehungs- und Betreuungsanteile in quantitativer und qualitativer Hinsicht gleich sind. Es genügt, wenn der andere Elternteil in wesentlichem Umfang an der erzieherischen Leistung mitwirkt (vgl. BayVGH, B.v. 14.1.2013 - 12 C 12.2737 - juris Rn. 10).

Nach diesen Maßstäben lag hier die Voraussetzung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG seit Beginn der Leistungsgewährung nicht vor. Nach der seit dem Jahr 2007 ohne grundlegende Änderung fortgeschriebenen Umgangsregelung erbringt der Kindsvater eine wesentliche Erziehungsleistung, die die Klägerin wesentlich entlastet. Außerhalb der Schulferien erfolgten und erfolgen regelmäßig drei von sieben Übernachtungen in der Woche im Haushalt des Kindsvaters. Der 2003 geborene Sohn der Klägerin verbringt nach der durch die einstweilige Anordnung vom 3. April 2014 modifizierten Zwischenvereinbarung vom 24. Juni 2013 regelmäßig die Wochenenden von Freitagmittag bis Montagvormittag mit Ausnahme des jeweils letzten Wochenendes im Monat beim Kindsvater. Die Betreuung und Versorgung in den Ferienzeiten wurde hälftig aufgeteilt. Dabei ist hinsichtlich der Wesentlichkeit des Erziehungsbeitrages des Kindsvaters zu berücksichtigen, dass die Klägerin außerhalb der Zeiten der Schulferien dadurch entlastet ist, dass sich ihr Sohn in der Schule und der anschließenden Betreuung befindet. Der Betreuungsaufwand an Wochenenden ist regelmäßig erhöht, weil während dieser Zeit die Kinder gerade nicht schon in größerem Umfang anderweitig, nämlich in Kindertageseinrichtungen oder Schulen, betreut werden (vgl. OVG NW U.v. 15.12.2015 - 12 A 1053/14 - juris Rn. 36). Nach den im Wesentlichen übereinstimmenden Betreuungsprotokollen des Kindsvaters und der Klägerin über den Dezember 2014 wurde die Umgangsregelung auch nahezu vollständig in die Wirklichkeit umgesetzt.

1.2.2 Der Bescheid des Beklagten ist rechtswidrig, soweit er die Aufhebung des Bescheids vom 12. März 2013 für den Zeitraum vor dem 1. Januar 2015 anordnet. Insoweit ist der Bescheid vom 26. November 2014 in Ziffer 1 rechtswidrig.

Dies gilt zunächst für den Zeitraum vom 1. August bis zum 10. Dezember 2014. Für diesen Zeitraum kann die Rücknahme nur unter den Voraussetzungen des § 45 Abs. 1, Abs. 4 Satz 1 SGB X erfolgen. Nach dieser Vorschrift wird ein begünstigender rechtswidriger Verwaltungsakt nur in den Fällen von § 45 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Satz 2 SGB X mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Für den Zeitraum bis zum 10. Dezember 2014 liegt eine Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit vor. In der Akte des Beklagten ist nicht dokumentiert, wann der Bescheid vom 26. November 2014 per Einschreiben zur Post gegeben wurde. Es ist zu unterstellen, dass er der Klägerin jedenfalls am 11. Dezember 2014 zugegangen war, da der von ihren Prozessbevollmächtigten eingelegte Widerspruch, der auf den Bescheid Bezug nimmt, auf diesen Tag datiert ist.

Eine Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit ist nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1 SGB X zulässig, wenn der Begünstigte den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat. Dafür ist hier nichts ersichtlich. Nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2, Abs. 4 Satz 1 SGB X kann eine Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit erfolgen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Dafür ist vorliegend nichts ersichtlich. Auf dem Antragsvordruck hat die Klägerin bereits angegeben, dass der Kindsvater den 2003 geborenen Sohn von Freitag bis Montag betreut. Auch aus der am 13. März 2013 abgegebenen Erklärung ergibt sich, dass die Kinder vom Kindsvater an jedem Freitagmittag von der Schule abgeholt und am Montagmorgen wieder zur Schule gebracht werden.

Nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3, Abs. 4 Satz 1 SGB X wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen, soweit der Begünstigte die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Dabei sind dem 2003 geborenen Sohn als Begünstigtem hier Kennen und Kennen müssen der Klägerin zuzurechnen, weil dieser nach § 9 Abs. 1 Satz 1 UVG ein eigenes Antragsrecht für die ihrem Sohn als Begünstigtem zu gewährende Leistung zusteht. Dafür, dass die Klägerin die Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 12. März 2013 positiv erkannte, ist nichts ersichtlich. Auch Unkenntnis infolge grober Fahrlässigkeit ist nicht gegeben. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 Hs. 2 SGB X. Dieser Vorwurf eines besonders schweren Sorgfaltspflichtverstoßes kann der Klägerin hier nicht gemacht werden. Sie hat im Antragsformular und in der Erklärung vom 13. März 2013 zutreffende Angaben gemacht. Es kann ihr nicht vorgeworfen werden, dass sie die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt habe, indem sie in der Folgezeit auf die Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 12. März 2013 vertraute. Wie sich aus den Akten des Beklagten ergibt, lag bei diesem selbst vor Erlass des Bescheids vom 12. März 2013 Zweifel dahingehend vor, ob der Lebensmittelpunkt des Kindes bei der Klägerin zu sehen sei. Angesichts dessen und der höheren Sachkunde der Behörde ist ersichtlich, dass ein Grenzfall der Gewährung vorlag, der erst durch das Endurteil des Amtsgerichts Garmisch-Partenkirchen in eine Richtung entschieden wurde. Wenn nun bereits die sachkundige Behörde sich nicht sicher über das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals „Lebensmittelpunkt“ war und erst ein Endurteil des Amtsgerichts dies indirekt aufklärt, kann der rechtsunkundigen Klägerin eine grobe Fahrlässigkeit wegen des Verkennens des Vorliegend des Tatbestandsmerkmals nicht unterstellt werden.

Auch der Ansicht des Beklagten, dass seit Erlass des Endurteils des Amtsgerichts Garmisch-Partenkirchen grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 Hs. 2 SGB X vorlag, kann nicht gefolgt werden. Ein besonders schwerer Sorgfaltsverstoß der Klägerin sieht das Gericht auch hier nicht. Weder die Klägerin, noch der Beklagte waren Parteien im Verfahren vor dem Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen, so dass schon fraglich ist, ob die Klägerin Kenntnis vom Verfahren gegen den Kindsvater, geschweige denn des Urteils hatte. Doch selbst, wenn sie Kenntnis gehabt hätte, kann aufgrund der unterschiedlichen Streitgegenstände und der komplexen Verzahnung zwischen dem UVG-Recht und dem zivilrechtlichen Unterhaltsrecht nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin aufgrund des Urteilsspruches hätte erkennen müssen, dass die Voraussetzung „Lebensmittelpunkt“ für die Gewährung von Unterhaltsvorschuss weggefallen ist.

Für den Zeitraum vom 11. bis zum 31. Dezember 2014 ist die Rücknahme des Bescheids über die Leistungsgewährung nach § 45 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB X ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Das Gericht geht davon aus, dass die Unterhaltsvorschussleistung für den Monat Dezember 2014, entsprechend der aus anderen Verfahren bekannten Praxis der Zahlung zum Ersten des Monats, zum Zeitpunkt des Zugangs des Bescheids vom 26. November 2014 bereits ausgezahlt war. Ihre Bevollmächtigten haben im Widerspruchsschriftsatz vom 11. Dezember 2014 ausgeführt, sie habe das Geld vollständig für die Versorgung der Kinder ausgegeben und eine auch nur ratenweise Rückzahlung sei nicht möglich.

2. Die Klage ist auch begründet, soweit sie sich gegen die in Ziffer 2 des Bescheids vom 26. November 2014 festgesetzte Ersatzverpflichtung in Höhe von 900,- € wendet.

Der Zulässigkeit der Klage steht insoweit nicht die Stundungsvereinbarung vom 25. August 2015 entgegen. Das in der vom Beklagten vorformulierten und von der Klägerin unterschriebenen Erklärung enthaltene Anerkenntnis der Zahlungspflicht bezieht sich eindeutig auf nach § 7 UVG übergegangene Unterhaltsansprüche. Solche sind hier nicht Verfahrensgegenstand. Eine entsprechende Auslegung der Vereinbarung entsprechend §§ 133, 157 BGB scheidet aus, da nicht angenommen werden kann, dass die Klägerin ohne Bezug zum von ihr betriebenen Klageverfahren den mit der Klage bekämpften Anspruch anerkennen wollte.

Der Beklagte hat keinen Ersatzanspruch gegen die Klägerin nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 UVG. Nach dieser Vorschrift hat der Elternteil, bei dem der Berechtigte lebt, wenn die Voraussetzungen für die Zahlung der Unterhaltsleistung in dem Kalendermonat, für den sie gezahlt worden ist, nicht oder nicht durchgehend vorgelegen haben, den geleisteten Betrag insoweit zu ersetzen, als er gewusst oder infolge Fahrlässigkeit nicht gewusst hat, dass die Voraussetzungen für die Zahlung der Unterhaltsleistung nicht erfüllt waren. Die Klägerin hat nicht positiv gewusst, dass die Voraussetzungen für die Zahlung der Unterhaltsvorschussleistung nicht erfüllt waren. Ihr ist auch keine Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Der Maßstab der Fahrlässigkeit entspricht demjenigen der einfachen Fahrlässigkeit im Sinne des § 276 Abs. 2 BGB (vgl. BVerwG, B.v. 22.6.2006 - 5 B 42/06 - juris Rn. 11). Fahrlässig handelt danach, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt verletzt. Die Klägerin hat nicht die im Verkehr erforderliche Sorgfalt verletzt. Angesichts ihrer zutreffenden Angaben im Antrag und in der Erklärung vom 13. März 2013 durfte sie auf die Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 12. März 2013 vertrauen. Unbeschadet des ihr übergebenen Merkblatts über die Gewährung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz durfte sie sich darauf verlassen, dass der Beklagte ihre Angaben zutreffend würdigen und eventuelle Unklarheiten hinsichtlich der Leistungsvoraussetzungen durch die Nachforderung von ergänzenden Angaben aufklären würde. Von der Klägerin konnte nicht erwartet werden, sich näher mit den Voraussetzungen der Unterhaltsvorschussleistung und insbesondere mit der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung zu § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG auseinanderzusetzen, sowie in der Folge zu erkennen, dass in ihrer konkreten Situation ein Anspruch nicht gegeben war. Auch an den Beschluss des Amtsgerichts Garmisch-Partenkirchen vom 23. Juni 2014 lässt sich kein Vorwurf der fahrlässigen Unkenntnis anknüpfen. Es kann offen bleiben, ob die Kenntnis dieser Entscheidung dazu führen konnte, dass die Klägerin nicht mehr ohne Fahrlässigkeit von der Rechtmäßigkeit des Bezugs von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz für ihren 2003 geborenen Sohn ausgehen konnte. Dies begegnet erheblichen Zweifeln vor dem Hintergrund, dass sich die Entscheidung lediglich mit den zivilrechtlichen Ansprüchen auf Barunterhalt auseinandersetzt und dieser Streitgegenstand nur mittelbar und hinsichtlich der tatsächlichen Grundlagen mit dem Anspruch auf Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz zusammenhängt. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass und wann dieser Beschluss vor Erlass des Bescheids vom 26. November 2014 zur Kenntnis der Klägerin gelangt wäre. Sie war an dem Verfahren zwischen dem Freistaat Bayern und dem Kindsvater nicht beteiligt.

Jedenfalls ab dem 11. Dezember 2014 besteht zwar fahrlässige Unkenntnis. Nach Zugang des Bescheids vom 26. November 2014 spätestens am genannten Tag musste die Klägerin erkennen, dass die Leistungsvoraussetzungen nicht vorlagen. Dies betrifft jedoch nur Leistungen, die nach diesem Zeitpunkt in ihre Verfügungsmacht gelangten (vgl. BayVGH, U.v. 23.10.2001 - 12 B 00.2737 - juris Rn. 22), hier also den Zeitraum ab Januar 2015.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 188 S. 2 VwGO.

Angesichts der schwierigen Rechtsmaterie war die Beiziehung eines Rechtsanwalts im Vorverfahren nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO notwendig.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 167 S. 1 VwGO i. V. m. 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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Bundesverwaltungsgericht Urteil, 11. Okt. 2012 - 5 C 20/11

bei uns veröffentlicht am 11.10.2012

Tatbestand 1 Der Kläger wendet sich gegen seine Inanspruchnahme auf Ersatz von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz.
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgericht München Urteil, 21. Sept. 2016 - M 18 K 15.3156.

Verwaltungsgericht München Urteil, 04. Juli 2018 - M 18 K 16.3912

bei uns veröffentlicht am 04.07.2018

Tenor I. Die Bescheide des Beklagten vom ... in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom ... werden aufgehoben. II. Der Beklagte hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen. III. Die Kostenentscheidung ist

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(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Ein fehlerhafter Verwaltungsakt kann in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind.

(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsaktes. Eine Umdeutung ist ferner unzulässig, wenn der fehlerhafte Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden dürfte.

(3) Eine Entscheidung, die nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen kann, kann nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden.

(4) § 24 ist entsprechend anzuwenden.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Ein fehlerhafter Verwaltungsakt kann in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind.

(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsaktes. Eine Umdeutung ist ferner unzulässig, wenn der fehlerhafte Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden dürfte.

(3) Eine Entscheidung, die nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen kann, kann nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden.

(4) § 24 ist entsprechend anzuwenden.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen seine Inanspruchnahme auf Ersatz von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz.

2

Seine Ehefrau und er sind die Eltern zweier in den Jahren 1998 beziehungsweise 2000 geborener Kinder. Spätestens seit Juni 2007 lebten die Eheleute dauernd getrennt. Eine in diesem Monat getroffene Umgangsvereinbarung sah vor, dass die Kinder ihren Hauptwohnsitz in der Wohnung ihres Vaters beibehalten, ihre Zeit jedoch zu gleichen Teilen mit ihrer Mutter wie mit dem Kläger verbringen sollten. Im Juli 2007 wurden sie mit Nebenwohnsitz für die Wohnung ihrer Mutter angemeldet.

3

Auf Antrag des Klägers bewilligte der Beklagte den Kindern mit Bescheid vom 18. Oktober 2007 für die Zeit ab dem 1. August 2007 Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz. Bei Antragstellung gab der Kläger an, die Kinder würden von ihrer Mutter, bei der sie nicht lebten, "besuchsweise" betreut. Ende Oktober 2007 wurde dieser vorläufig das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen. Zum 1. November 2007 wurden beide Kinder mit Hauptwohnsitz unter der Wohnanschrift ihrer Mutter angemeldet. Mit Ablauf des 30. November 2007 stellte der Beklagte die Leistungsgewährung ein. Mit Bescheid vom 19. Dezember 2007 forderte er von dem Kläger die im Zeitraum vom 1. August bis zum 31. Oktober 2007 bewilligten Unterhaltsvorschussleistungen in Höhe von 1 008 € zurück.

4

Das Verwaltungsgericht hat der nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobenen Anfechtungsklage stattgegeben. Zwar habe der Beklagte gegen den Kläger nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 UVG einen Anspruch auf Erstattung der gewährten Leistungen. Die Voraussetzungen für die Zahlung der Unterhaltsvorschussleistungen hätten nicht vorgelegen. Die verlässlich und regelmäßig wechselnde Betreuung der Kinder durch beide Elternteile führe hier dazu, dass die Kinder nicht mehr nur mit "einem" Elternteil im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG zusammenlebten. Der Kläger habe die Bewilligung der Leistungen durch wahrheitswidrige Angaben zumindest fahrlässig herbeigeführt. Der Beklagte sei indes nicht befugt gewesen, den Anspruch mittels Leistungsbescheides festzusetzen, da es insoweit an einer gesetzlichen Ermächtigung fehle.

5

Mit der von dem Verwaltungsgericht zugelassenen Sprungrevision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter. § 5 Abs. 1 UVG sei die ungeschriebene Befugnis zu entnehmen, den dort geregelten Ersatzanspruch durch Verwaltungsakt geltend zu machen.

6

Der Kläger verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichts.

7

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht tritt dem Vorbringen des Beklagten bei, der Ersatzanspruch sei im Wege eines Verwaltungsakts durchzusetzen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision ist begründet.

9

Zwar hat das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt, dass die Verwaltung für die Geltendmachung des Ersatzanspruchs aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Sicherung des Unterhalts von Kindern alleinstehender Mütter und Väter durch Unterhaltsvorschüsse oder -ausfallleistungen (Unterhaltsvorschussgesetz - UVG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 17. Juli 2007 (BGBl I S. 1446), geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 21. Dezember 2007 (BGBl I S. 3194), durch Leistungsbescheid einer gesetzlichen Ermächtigung bedarf. Das angefochtene Urteil verletzt jedoch Bundesrecht, soweit das Verwaltungsgericht angenommen hat, dass sich eine entsprechende Verwaltungsaktbefugnis dem Gesetz nicht entnehmen lässt (1.). Der Senat kann aufgrund ausreichender Tatsachenfeststellungen abschließend über die Rechtmäßigkeit der Rückforderung der im Zeitraum vom 1. August bis zum 31. Oktober 2007 gezahlten Unterhaltsvorschussleistungen entscheiden (2.).

10

1. Die Festsetzung und Durchsetzung des Ersatzanspruchs aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 UVG durch die Handlungsform des Verwaltungsakts bedarf der gesetzlichen Grundlage. Eine solche Ermächtigung ist hier gegeben.

11

Die Behörde greift mit der Konkretisierung und Individualisierung der sich aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 UVG ergebenden Verpflichtung, den geleisteten Betrag an Unterhaltsleistung zu ersetzen, in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) der in Anspruch genommenen Person ein. Hierfür ist eine gesetzliche Grundlage erforderlich, die die Behörde gerade auch ermächtigt, durch Verwaltungsakt tätig zu werden (vgl. Urteile vom 7. Dezember 2011 - BVerwG 6 C 39.10 - Buchholz 442.09 § 5a AEG Nr. 1 Rn. 14 und vom 3. März 2011 - BVerwG 3 C 19.10 - BVerwGE 139, 125 = Buchholz 316 § 49a VwVfG Nr. 11 jeweils Rn. 16). Eine Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsakts muss nicht ausdrücklich geregelt sein. Die Behörde ist auch dann zum Erlass eines Leistungsbescheids ermächtigt, wenn sie und der Bürger gerade mit Blick auf den von ihr geltend gemachten Anspruch in einem allgemeinen öffentlich-rechtlichen Über- und Unterordnungsverhältnis stehen (vgl. Urteil vom 24. Juni 1966 - BVerwG 6 C 183.62 - BVerwGE 24, 225 <226 ff.> und Beschluss vom 29. Dezember 1981 - BVerwG 5 B 18.81 - Buchholz 436.36 § 47a BAföG Nr. 1 S. 1 f.). So liegt es hier.

12

Aus dem systematischen Zusammenhang zwischen § 5 Abs. 1 Nr. 1 und § 1 Abs. 3 sowie § 6 Abs. 4 UVG folgt, dass zwischen dem Kläger und dem Beklagten eine Subordinationsbeziehung im angeführten Sinn besteht, die zur Geltendmachung des Leistungsanspruchs durch Verwaltungsakt berechtigt (a). Sinn und Zweck des § 5 Abs. 1 UVG (b) und die Gesetzesmaterialien (c) weisen ebenfalls eindeutig in diese Richtung.

13

a) Die Ersatzpflicht des Elternteils, bei dem der Berechtigte lebt, oder des gesetzlichen Vertreters des Berechtigten steht in unmittelbarem Zusammenhang zu § 1 Abs. 3 und § 6 Abs. 4 UVG. Gemäß § 1 Abs. 3 UVG obliegt es dem betroffenen Elternteil, Auskünfte wahrheitsgemäß zu erteilen. § 6 Abs. 4 UVG verpflichtet den Elternteil, bei dem der Berechtigte lebt, und den gesetzlichen Vertreter des Berechtigten, der zuständigen Stelle die Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen. Die Obliegenheit nach § 1 Abs. 3 UVG und die Auskunftspflicht nach § 6 Abs. 4 UVG sind jeweils öffentlich-rechtlich ausgestaltet. Beide begründen ein Über- und Unterordnungsverhältnis zwischen den Beteiligten, an das § 5 Abs. 1 Nr. 1 UVG anknüpft, indem er die Verletzung jener Obliegenheit beziehungsweise Pflicht mit Mitteln des öffentlichen Rechts sanktioniert (vgl. Beschluss vom 29. Dezember 1981 a.a.O. S. 1 f.).

14

b) Sinn und Zweck des § 5 Abs. 1 Nr. 1 UVG, eine zweckentsprechende Verwendung der zur Durchführung der Unterhaltsvorschussgesetzes bereitgestellten öffentlichen Mittel sicherzustellen, bekräftigen die Annahme einer an ein Subordinationsverhältnis anknüpfenden Verwaltungsaktbefugnis. Einer solchen steht nicht entgegen, dass der Elternteil beziehungsweise der gesetzliche Vertreter an dem ausschließlich zwischen der zuständigen Stelle und dem Berechtigten bestehenden Leistungsverhältnis nicht beteiligt sind, der Ersatzanspruch mithin keine unmittelbare Umkehrung des Leistungsanspruchs darstellt. Obgleich jene bei förmlicher Betrachtung Dritte sind, stehen sie zu dem nicht oder nur beschränkt geschäftsfähigen Kind in einer besonderen, auch ihr Verhältnis zu der zuständigen Stelle prägenden Nähebeziehung. Der betroffene Elternteil beziehungsweise der gesetzliche Vertreter vertreten den nicht oder nur beschränkt geschäftsfähigen Leistungsempfänger im Rechtsverkehr. Ihre Handlungen und Erklärungen werden diesem zugerechnet. Sie sollen ihm indes weder zum Schaden gereichen, noch soll er für ein Fehlverhalten seiner Vertreter einstehen müssen (Urteil vom 26. Januar 2011 - BVerwG 5 C 19.10 - Buchholz 436.45 § 3 UVG Nr. 2 Rn. 15; Beschluss vom 22. Juni 2006 - BVerwG 5 B 42.06 und 5 PKH 15 PKH 14.06 - juris Rn. 4). Dieser Konzeption widerstreitet es, den betroffenen Elternteil beziehungsweise gesetzlichen Vertreter im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 UVG als unbeteiligte Dritte zu behandeln und dem Verhältnis zwischen ihnen und der zuständigen Stelle keinen Subordinationscharakter beizumessen. Die besondere Nähebeziehung, in der der Ersatzanspruch wurzelt, ermächtigt die zuständige Stelle im Zuge der "Rückabwicklung" der hoheitlichen Leistungsgewährung dazu, den Elternteil, bei dem der Berechtigte lebt, beziehungsweise dessen gesetzlichen Vertreter durch Leistungsbescheid in Anspruch zu nehmen (vgl. Urteil vom 3. März 2011 - BVerwG 3 C 13.10 - Buchholz 316 § 49a VwVfG Nr. 11 Rn. 14).

15

c) Die Gesetzesmaterialien unterstreichen das vorstehende Normverständnis. Durch das Unterhaltsvorschussgesetz wollte der Gesetzgeber "den Schwierigkeiten begegne, die alleinstehende Elternteile und ihre Kinder haben, wenn sich ein Elternteil den Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem unterhaltsberechtigten Kind entzieht, hierzu ganz oder teilweise nicht in der Lage ist oder ein Elternteil verstorben ist" (BTDrucks 8/1952 S. 1). Die finanziellen Belastungen, denen alleinerziehende Elternteile dadurch ausgesetzt sind, dass sie die Unterhaltsansprüche ihrer minderjährigen Kinder gegen den jeweils anderen Elternteil verfolgen müssen und zugleich gemäß § 1607 BGB verpflichtet sind, im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit auch für den von dem jeweils anderen Elternteil geschuldeten Unterhalt aufzukommen, sollten durch die Gewährung von Unterhaltsvorschussleistungen gemildert werden (BTDrucks 8/1952 S. 6 und BTDrucks 8/2774 S. 11; vgl. auch Urteil 5. Juli 2007 - BVerwG 5 C 40.06 - Buchholz 436.45 § 3 UVG Nr. 1 Rn. 11). Insoweit stellen diese in der Sache eine besondere Sozialleistung auch für den alleinerziehenden Elternteil beziehungsweise gesetzlichen Vertreter dar, was die besondere Nähebeziehung zum Leistungsempfänger und den Subordinationscharakter ihres Verhältnisses zu der zuständigen Stelle bekräftigt.

16

Dass der Gesetzgeber davon abgesehen hat, das Unterhaltsvorschussgesetz parallel zum Inkrafttreten des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch um eine dem § 50 Abs. 3 Satz 1 SGB X entsprechende Vorschrift zu ergänzen, erlaubt keinen verlässlichen Rückschluss auf ein "beredtes Schweigen". Insbesondere lässt sich aus der unterbliebenen Anpassung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 UVG nicht auf eine Absicht des Gesetzgebers schließen, eine Verwaltungsaktbefugnis insoweit "gerade nicht" vorzusehen, da das Erfordernis der Festsetzung der nach § 50 Abs. 3 Satz 1 SGB X zu erstattenden Leistung durch Verwaltungsakt ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs "aus Gründen der Rechtssicherheit" vorgesehen wurde (BTDrucks 8/2034 S. 36).

17

2. § 5 Abs. 1 Nr. 1 UVG verpflichtet den Kläger auch materiell-rechtlich, die im Zeitraum vom 1. August bis zum 31. Oktober 2007 bewilligten Unterhaltsvorschussleistungen zu ersetzen. Das Verwaltungsgericht ist in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für die Zahlung der Unterhaltsleistung bezogen auf den streitgegenständlichen Zeitraum nicht vorlagen (a) und der Kläger die Zahlung der Unterhaltsleistung dadurch herbeiführte, dass er zumindest fahrlässig unvollständige Angaben machte (b).

18

a) § 5 Abs. 1 UVG knüpft die Ersatzpflicht desjenigen Elternteils, bei dem - dessen Vorbringen zufolge - der Berechtigte lebt, daran, dass die Voraussetzungen für die Zahlung der Unterhaltsleistung nach dem Unterhaltsvorschussgesetz in dem Monat, für den sie gezahlt wurde (Urteil vom 23. November 1995 - BVerwG 5 C 29.93 - BVerwGE 100, 42 <46> = Buchholz 436.45 § 5 UVG Nr. 1 S. 3 f.), nicht vorlagen.

19

Gemäß § 1 Abs. 1 UVG hat unter anderem Anspruch auf Unterhaltsvorschuss nach diesem Gesetz, wer 1. das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, 2. im Geltungsbereich dieses Gesetzes bei einem seiner Elternteile lebt, der von seinem Ehegatten dauernd getrennt lebt und 3. nicht oder nicht regelmäßig Unterhalt von dem anderen Elternteil mindestens in der in § 2 Abs. 1 und 2 UVG bezeichneten Höhe erhält. Ohne Verstoß gegen Bundesrecht hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die Kinder im streitgegenständlichen Zeitraum nicht im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG beim Kläger gelebt haben.

20

Ein Kind lebt im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG bei einem seiner Elternteile, wenn es mit ihm eine auf Dauer angelegte häusliche Gemeinschaft unterhält, in der es auch betreut wird. Dem Sinn und Zweck des Unterhaltsvorschussgesetzes entsprechend ist das Merkmal nur dann erfüllt, wenn der alleinstehende leibliche Elternteil wegen des Ausfalls des anderen Elternteils die doppelte Belastung mit Erziehung und Unterhaltsgewährung in seiner Person zu tragen hat. Abgrenzungsprobleme entstehen, wenn das Kind - wie hier die Kinder des Klägers - regelmäßig einen Teil des Monats auch bei dem anderen Elternteil verbringt. Für die Beantwortung der Frage, ob das Kind in derartigen Fällen nur bei einem seiner Elternteile lebt, ist, wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat, entscheidend auf die persönliche Betreuung und Versorgung, die das Kind bei dem anderen Elternteil erfährt, und die damit einhergehende Entlastung des alleinerziehenden Elternteils bei der Pflege und Erziehung des Kindes abzuheben. Trägt der den Unterhaltsvorschuss beantragende Elternteil trotz der Betreuungsleistungen des anderen Elternteils tatsächlich die alleinige Verantwortung für die Sorge und Erziehung des Kindes, weil der Schwerpunkt der Betreuung und Fürsorge des Kindes ganz überwiegend bei ihm liegt, so erfordert es die Zielrichtung des Unterhaltsvorschussgesetzes, das Merkmal "bei einem seiner Elternteile lebt" als erfüllt anzusehen und Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz zu gewähren. Wird das Kind hingegen weiterhin auch durch den anderen Elternteil in einer Weise betreut, die eine wesentliche Entlastung des den Unterhaltsvorschuss beantragenden Elternteils bei der Pflege und Erziehung des Kindes zur Folge hat, ist das Merkmal zu verneinen. (VGH München, Beschlüsse vom 7. Februar 2006 - 12 ZB 04.2403 - juris Rn. 3, vom 16. Februar 2007 - 12 C 06.3229 - juris Rn. 2 und vom 4. Juli 2007 - 12 C 07.372 - juris Rn. 5; VGH Mannheim, Urteil vom 19. Dezember 1996 - 6 S 1668/94 - FEVS 47, 445 <446 f.>; OVG Münster, Beschluss vom 17. September 2009 - 12 E 1564/08 - juris Rn. 9 bis 12).

21

Das Vorliegen des Merkmals "bei einem seiner Elternteile lebt" ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung des Einzelfalles zu beurteilen. Dabei ist als ein wesentlicher Gesichtspunkt zu berücksichtigen, welcher Elternteil zum vorrangig Kindergeldberechtigten bestimmt wurde. Gemäß § 64 Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. der Bekanntmachung vom 19. Oktober 2002 (BGBl I S. 4210) wird das Kindergeld bei mehreren Berechtigten demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat. Der Begriff der Aufnahme in den Haushalt ist zwar - wie das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat - nicht deckungsgleich mit dem Begriff des "Lebens bei einem Elternteil"; er weist jedoch erhebliche Parallelen zu Letzterem auf. Danach liegt eine Haushaltsaufnahme vor, wenn das Kind in die Familiengemeinschaft mit einem dort begründeten Betreuungs- und Erziehungsverhältnis aufgenommen worden ist. Neben dem örtlich gebundenen Zusammenleben müssen Voraussetzungen materieller (Versorgung, Unterhaltsgewährung) und immaterieller Art (Fürsorge, Betreuung) erfüllt sein (BFH, Beschluss vom 9. Dezember 2011 - III B 25/11 - juris Rn. 13 m.w.N.).

22

Der Sachverhaltswürdigung des Verwaltungsgerichts zufolge ist die täglich-anteilige Betreuung der Kindesmutter über die bloße Wahrnehmung von Besuchskontakten hinausgegangen. Sie hat eine das "Leben bei einem Elternteil" und damit den Leistungsanspruch der Kinder ausschließende Entlastung des Klägers bewirkt. Familiengerichtlich ist nicht festgestellt worden, ob der Kläger die Kinder tatsächlich in seinen Haushalt aufgenommen hat. An diese tatsächlichen Feststellungen ist der Senat in Ermangelung zulässiger und begründeter Revisionsgründe gebunden (§ 137 Abs. 2 VwGO).

23

b) § 5 Abs. 1 Nr. 1 UVG sanktioniert vorsätzliche oder fahrlässig falsche oder unvollständige Angaben. Die Norm lässt ihrem Wortlaut entsprechend den Vorwurf der einfachen Fahrlässigkeit im Sinne des § 276 Abs. 2 BGB genügen (Beschluss vom 22. Juni 2006 a.a.O. juris Rn. 7). Danach handelt fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.

24

Nach der bindenden Sachverhaltswürdigung (§ 137 Abs. 2 VwGO) des Verwaltungsgerichts hat der Kläger bei den Angaben zur Betreuungsleistung seiner Ehefrau die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen und damit die Gewährung der Unterhaltsleistung zumindest fahrlässig herbeigeführt. Dem Sinn und Zweck des § 5 Abs. 1 UVG entsprechend ist er daher ungeachtet der Tatsache, dass die Kinder - wie dargelegt - nicht im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG bei ihm gelebt haben, verpflichtet, den Betrag zu ersetzen, der infolge seiner fehlerhaften Angaben geleistet wurde.

Tenor

Die Berufung des Beklagten wird zugelassen, soweit er mit dem angefochtenen Urteil verpflichtet worden ist, für das Kind N.        Q.       Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz ab dem 2. September 2013 zu bewilligen.

Im Übrigen wird der Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt.

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung im Berufungsverfahren vorbehalten.


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(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, zu entnehmen ist. Die Vorschriften der §§ 827 und 828 finden entsprechende Anwendung.

(2) Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.

(3) Die Haftung wegen Vorsatzes kann dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.