Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I.

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 25. November 2015 wird aufgehoben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II.

Die Parteien tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger ist Palästinenser aus ..., arabischer Volkszugehörigkeit und sunnitischer Glaubensrichtung. Nach eigenen Angaben verließ er im Sommer 2009 sein Herkunftsland und reiste auf dem Landweg über Ägypten (6 Tage), Türkei (1 Monat), Bulgarien (4 Jahre), Serbien (1 Woche), Ungarn (4 Tage) und Österreich (6 Tage) am ... Juni 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Laut EURODAC-Abfrage stellte der Kläger Asylanträge in Bulgarien (am 2.12.2009, am 20.9.2011, am 26.6.2012 und am 14.2.2014), Ungarn (am 10.6.2014) und Österreich (am 11.6.2014).

Bei der Asylantragstellung am 8. Juli 2014 in der Außenstelle ... des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im folgenden Bundesamt) erklärte der Kläger, er habe sich gewöhnlich in Syrien aufgehalten.

Auf Anfrage des Bundesamtes teilte die Dublin Unit der Republik Bulgarien mit Schreiben vom ... Januar 2015 (Bl. 54 der Behördenakte - d. BA) mit, dass der Kläger mehrfach in Bulgarien einen Asylantrag gestellt habe. Sein letzter Antrag vom 14. Februar 2014 sei mit Bescheid vom 20. Mai 2014 abgelehnt worden.

Mit Schreiben vom 10. Juli 2015 wurde dem Kläger Gelegenheit gegeben, zu den Ergebnissen der in anderen Mitgliedstaaten durchgeführten Schutzverfahren Stellung zu nehmen. Er wurde darauf hingewiesen, dass bei einem erfolglosen Verfahren im ersten Mitgliedstaat Voraussetzung für die Durchführung eines weiteren Verfahrens in Deutschland sei, dass sich die Lage nach dem Verlassen des Mitgliedstaates, in dem zuerst Schutz beantragt wurde, geändert habe oder neue Umstände oder Erkenntnisse vorliegen müssten, die eine günstigere Entscheidung ermöglichen würden.

Am 4. August 2015 ließ der Kläger dem Bundesamt durch seinen Bevollmächtigten eine Stellungnahme, datiert auf den 23. Juli 2015 (Bl. 77 f. d. BA), übersenden, in der er erklärte, sein Antrag auf Schutz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union sei abgelehnt worden. Aus Angst um sein Leben könne er nicht in sein Heimatland zurückkehren. Sein Bruder sei verhaftet und ins Gefängnis verbracht worden, um den Kläger zur Rückkehr zu zwingen. Die Organisation ... verfolge ihn und seine Familie, weil sie Anhänger von ... und der ... seien. Ihm werde wahrheitswidrig vorgeworfen, während der Revolution 2007 jemanden getötet zu haben. Sein Vater sei wegen des Klägers von der ... derart terrorisiert worden, dass er an einem Herzinfarkt verstorben sei. Die Grenzen des ... seien auf beiden Seiten gut bewacht, so dass es keine Möglichkeit gebe, in seine Heimat zurückzukehren. Den Menschen dort fehle es an allem und sie würden dort politisch unterdrückt. Zudem sei seine rechte Hand von einer Phosphorbombe stark verletzt worden, weshalb er stark traumatisiert sei.

Am ... September 2015 wurde der Kläger aufgefordert, schriftlich die Tatsachen vorzutragen, die bei einer Entscheidung zur Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots als schutzwürdige Belange zu berücksichtigen wären.

Mit Schreiben vom 9. Oktober 2015 wiederholte und vertiefte der Bevollmächtigte des Klägers sein bisheriges Vorbringen.

Das Bundesamt lehnte mit Bescheid vom 25. November 2015, der als Einschreiben am 25. November 2015 laut Aktenvermerk (Bl. 107 d. BA) zur Post gegeben wurde, den Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ab (Nr. 1), verneinte Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG (Nr. 2), forderte den Kläger unter Androhung der Abschiebung nach Israel (Palästinensisches Autonomiegebiet/...) auf, Deutschland innerhalb einer Woche zu verlassen (Nr. 3), und befristete das gesetzliche Einreise und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf dreißig Monate ab dem Tag der Abschiebung (Nr. 4). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger bereits in seinem bulgarischen Asylverfahren die Gelegenheit gehabt habe, den Sachverhalt mitzuteilen, auf den er sich nach dem Inhalt seiner Stellungnahme auch jetzt in Deutschland berufe. Soweit der Kläger ohne nähere Zeitangaben ausführe, der Bruder sei seinetwegen verhaftet worden und sein Vater sei wegen des Terrors der ... an einem Herzinfarkt verstorben, sei unklar, ob diese Angaben bereits im bulgarischen Asylverfahren haben berücksichtigt werden können. Der bei Übersendung der Stellungnahme bereits anwaltlich vertretene Kläger wäre jedoch verpflichtet gewesen, die genannten Umstände zeitlich einzuordnen, um die Prüfung der Voraussetzungen von § 51 Abs. 2 und 3 VwVfG zu ermöglichen. Da er dies versäumt habe, sei sein Vorbringen insoweit unschlüssig. Zu einer weiteren Sachverhaltsaufklärung, etwa durch eine (informatorische) Anhörung, sei das Bundesamt im Hinblick auf die Umstände des vorliegenden Falles nicht verpflichtet. Der Kläger habe in Europa mehrere erfolglose Asylverfahren betrieben und halte sich seit mindestens sechs Jahren außerhalb seiner Heimatregion ... auf. Aus dem zeitlichen Ablauf der Asylantragstellung (in Ungarn und Österreich habe der Kläger das Ergebnis der Asylverfahren gar nicht abgewartet, sondern sei sofort weitergereist) sei abzuleiten, dass er nach der Ablehnung seiner Asylanträge in Bulgarien jedenfalls in Ungarn, Österreich und Deutschland nicht wirklich Schutz vor Verfolgung begehrt habe bzw. begehre, sondern diese Asylanträge aus anderen Motiven gestellt habe. Eine Anhörung sei nach § 71a Abs. 2 Satz 2 Asylgesetz (AsylG) nicht erforderlich, weil der Sachverhalt durch die Erstbefragung vom 8. Juli 2014 und die schriftliche Stellungnahme des Klägers hinreichend geklärt sei. Gegen die Glaubwürdigkeit des Klägers spreche, dass dieser im deutschen Asylverfahren zunächst wahrheitswidrig behauptet habe, in Syrien gelebt zu haben. Diese Behauptung stehe im Widerspruch zu seiner Angabe, er sei vom Heimatland nach Ägypten ausgereist; in der Stellungnahme habe der Kläger den ... als seine Heimat bezeichnet. Zudem lägen Abschiebungsverbote nicht vor. Dem Kläger drohe im ... mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit keine durch einen staatlichen oder nichtstaatlichen Akteur verursachte Folter und relevante unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung. Dabei sei nicht entscheidungserheblich, ob die ... im ... staatliche Gewalt ausübe oder als nichtstaatlicher Akteur anzusehen sei. Der Kläger habe durch seine Stellungnahme nicht glaubhaft gemacht, dass für ihn gegenwärtig, mindestens sechs Jahre nach seiner Ausreise aus ..., dort noch die konkrete Gefahr der Folter, Misshandlung oder erniedrigenden Bestrafung bestehe. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in ... führten nicht zu der Annahme, dass bei seiner Abschiebung eine Verletzung des Art. 3 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) vorliege. Die hierfür vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Wenngleich die wirtschaftliche Lage der Bevölkerung im ... durch israelische Handelsblockaden beeinträchtigt und das hohe Bevölkerungswachstum für die langfristige Entwicklung als sehr problematisch zu bezeichnen sei, bestehe gegenwärtig noch keine akute humanitäre Notlage. Der Kläger habe eine ihm drohende individuelle Gefahr nach § 60 Abs. 7 AufenthG im... nicht überzeugend dargelegt. Die Abschiebungsandrohung sei nach § 71 a Abs. 4 AsylG i. V. m. § 34 Abs. 1 AsylG und § 59 AufenthG zu erlassen. Die Ausreisefrist von einer Woche ergebe sich aus § 71 a Abs. 4 AsylG i. V. m. § 36 Abs. 1 AsylG. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG werde nach § 11 Abs. 2 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Die Befristung sei im vorliegenden Fall angemessen, da der Kläger im Bundesgebiet über keine wesentlichen Bindungen verfüge, die im Rahmen der Ermessensprüfung zu berücksichtigen wären.

Der Bevollmächtigte des Klägers erhob mit Schriftsatz vom 4. Dezember 2015 Klage mit dem Antrag,

1. das Bundesamt unter Aufhebung des entgegenstehenden Bescheids vom 25. November 2015 zu verpflichten, dem Antrag des Klägers auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens stattzugeben,

2. das Bundesamt unter Aufhebung des entgegenstehenden Bescheids vom 25. November 2015 zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Zur Begründung wurde auf die Angaben gegenüber dem Bundesamt Bezug genommen.

Die Beklagte legte die Behördenakten vor, äußerte sich in der Sache jedoch nicht.

Mit Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 10. Mai 2016 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

Der Klägerbevollmächtigte verzichtete mit Schreiben vom 14. Mai 2016 auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Mit Schriftsatz vom 24. Juni 2015 erklärte sich das Bundesamt mit dem Verzicht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung generell einverstanden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

1. Über die Klage, zu deren Entscheidung nach § 76 Abs. 1 AsylG der Einzelrichter berufen ist, kann aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung entschieden werden.

2. Eine Verpflichtungsklage, gerichtet auf die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG, ist in der hier gegebenen Situation mangels Statthaftigkeit unzulässig.

Vielmehr ist die Anfechtungsklage auf Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids vom 25. November 2015 richtige Klageart, wenn - wie hier - Streit darüber besteht, ob die Voraussetzungen des § 71a AsylG vorliegen. In der vorliegenden Situation ist die Erhebung einer auf die Feststellung von Abschiebungsverboten gerichteten Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO auch im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U. v 10.2.1998 - 9 C 28.97, NVwZ 1998, 861) zur Pflicht zum „Durchentscheiden“ nicht geboten. Die vorliegende Fallkonstellation unterscheidet sich nämlich von der dort zugrundeliegenden, bei der das Bundesamt bereits das Erstverfahren durchgeführt hatte und danach unstreitig ein Folgeverfahren im Raum stand. Demgegenüber sind hier zwei Mitgliedstaaten beteiligt und ausschlaggebend ist dabei zunächst die primäre Frage, ob überhaupt eine „Zweitantragssituation“ und damit eine dem Folgeantrag vergleichbare Konstellation gegeben ist (vgl. BayVGH, U. v. 3.12.2015 - 13a B 15.50069, 13a B 113a B 15.50070, 13a B 113a B 15.50071 - juris Rn. 22 - NVwZ 2016, 625; VG Berlin, U. v. 6.6.2016 - 33 K 154.15 A - juris).

Anders als bei Folgeanträgen im Sinne des § 71 AsylG hat das Bundesamt im Verfahren des § 71a AsylG noch überhaupt keine vorherige eigene Entscheidung in der Sache getroffen, so dass die Situation eher der Verfahrenseinstellung nach Rücknahme (§§ 32, 33 AsylG) vergleichbar ist (BayVGH, U. v. 3.12.2015, a. a. O.). Bei Rücknahmeentscheidungen wiederum vertritt das Bundesverwaltungsgericht zu Recht die Auffassung, die Anfechtungsklage sei die statthafte Klageart, da die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt vorbehalten sei (vgl. BVerwG, U. v. 5.9.2013 - 10 C 1/13 - juris, NVwZ 2014, 158).

Wäre stattdessen das Gericht verpflichtet, die Sache spruchreif zu machen und durchzuentscheiden, ginge dem Kläger eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenderen Verfahrensgarantien ausgestattet ist. Das gilt sowohl für die grundsätzliche Verpflichtung der Behörde zur persönlichen Anhörung (§ 71a Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 25 AsylG) als auch zur umfassenden Sachaufklärung sowie der Erhebung der erforderlichen Beweise von Amts wegen (§ 71a Abs. 2 S. 1 i. V. m. § 24 Abs. 1 Satz 1 AsylG) ohne die einmonatige Präklusionsfrist, wie sie für das Gerichtsverfahren in § 74 Abs. 2 AsylG vorgesehen ist (VG Berlin, U. v. 6.6.2016 - 33 K 154.15 A - juris). Im Übrigen führte ein Durchentscheiden des Gerichts im Ergebnis dazu, dass das Gericht nicht eine Entscheidung der Behörde kontrollieren würde, sondern anstelle der Behörde selbst entschiede, was im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung zumindest bedenklich wäre (vgl. ausführlich VG Düsseldorf, U. v. 27.6.2014 - 13 K 654/14.A - juris m. w. N.).

Im Falle der Aufhebung eines auf der Grundlage von § 71a AsylG ergangenen Bescheides ist daher das Asylverfahren durch die Beklagte weiterzuführen und das Asylbegehren von ihr in der Sache zu prüfen.

3. Die Klage auf Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides vom 25. November 2015 ist auch begründet.

Die Ablehnung der Anträge auf Durchführung von weiteren Asylverfahren ist rechtswidrig und der Kläger ist dadurch in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Nach § 71a AsylG ist nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik Deutschland einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat, im Fall eines Asylantrags im Bundesgebiet (Zweitantrag) ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG (Wiederaufgreifen des Verfahrens) vorliegen.

Zwar ist davon auszugehen, dass in Bulgarien ein Asylverfahren erfolglos im Sinne des § 71a AsylG abgeschlossen wurde und die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist (3.1.), jedoch geht das Bundesamt zu Unrecht davon aus, die Entscheidung über die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ohne persönliche Anhörung des Klägers treffen zu können (3.2.).

Insoweit kann offen bleiben, ob § 71a AsylG unionsrechtskonform ist (VG Berlin, B. v. 17.7.2015 - 33 L 164/15.A - juris Rn. 10 ff.; VG München, U. v. 7.2.2013 - M 11 K 12.30661 - juris Rn. 21; a.A. Marx, AsylVfG, 8. Aufl. (2014), § 71a Rn. 3 ff.).

3.1. Nach den vorliegenden Erkenntnissen ist davon auszugehen, dass es sich bei dem am 8. Juli 2014 in der Außenstelle ... des Bundesamtes gestellten Asylantrag um einen Zweitantrag im Sinne des § 71a AsylG handelt, da ein Asylverfahren in dem sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG) Bulgarien, erfolglos abgelehnt wurde. Der Kläger gab in dem von ihm am ... Juli 2015 ausgefüllten Fragebogen selbst an, dass sein Antrag auf Zuerkennung des internationalen Schutzes in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union abgelehnt wurde (Bl. 77 d. BA). Der erfolglose Abschluss eines Asylverfahrens in Bulgarien wird darüber hinaus durch die Stellungnahme der Dublin Unit Bulgaria vom 30. Januar 2015 (Bl. 54 d. BA) bestätigt. Darin wurde auf Anfrage dem Bundesamt mitgeteilt, dass der letzte Asylantrag des Klägers vom 14. Februar 2014 mit Bescheid vom 20. Mai 2014 abgelehnt wurde („His last application dated 14.02.2014 and was rejected with decision dated 20.05.2014“).

Die Bundesrepublik Deutschland ist nach Ablauf der Überstellungsfrist nach Art. 23 Abs. 2 und Abs. 3 VO (EG) Nr. 604/2013 (Dublin III-VO) für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig.

3.2. Der Bescheid der Beklagten ist rechtswidrig, da sie den Kläger vor der Entscheidung nicht persönlich angehört hat. Nach § 71a Abs. 2 Satz 1 AsylG gelten für das Verfahren zur Feststellung, ob ein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, die §§ 12 bis 25, 33, 44 bis 54 AsylG entsprechend. Ein Asylsuchender ist nach § 24 Abs. 1 Satz 3 und § 25 AsylG zwingend zu seinem Verfolgungsschicksal persönlich anzuhören. Mit dieser Pflicht korrespondiert zugleich ein subjektives Recht des Asylbewerbers auf eine persönliche Anhörung (Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2013/32/EU). Sie bildet neben der Sachverhaltsermittlung das Kernstück des Verfahrens vor dem Bundesamt und kann weder durch die Anhörung eines Vertreters noch durch eine schriftliche Stellungnahme ersetzt werden (Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016 § 25 Rn. 12).

Nach § 71a Abs. 2 Satz 2 AsylG kann von einer persönlichen Anhörung nur dann abgesehen werden, soweit sie für die Feststellung, dass kein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, nicht erforderlich ist. Hiervon dürfte von vornherein nur dann ausgegangen werden können, wenn aufgrund etwa vorliegender schriftlicher Ausführungen je nach deren Ausführlichkeit bereits zuverlässig und sicher beurteilt werden kann, dass das Vorbringen eindeutig offensichtlich unschlüssig ist (Funke-Kaiser, in: GK-AsylG, 105. Aktualisierung 2016, § 71a Rn. 23 ff.). Nach Teilen der Literatur und der Rechtsprechung (vgl. Marx, AsylG, 8. Aufl. (2014), § 71a Rn. 16; VG Aachen, B. v. 4.8.2015 - 8 L 171/15.A - juris Rn. 25) kann von einer persönlichen Anhörung sogar nur dann abgesehen werden, wenn das Bundesamt die Akten des Asylverfahrens eines anderen Mitgliedstaats vorliegen hat. Denn nur dann ist der von § 51 VwVfG vorausgesetzte Vergleich möglich, ob ein neues Vorbringen vorliegt. Bereits der Wortlaut des § 71a Abs. 2 Satz 2 AsylG („kann abgesehen werden, soweit“) zeigt, dass es sich um eine Ausnahmevorschrift handelt. Ein derartiger Ausnahmefall ist vorliegend aber nicht gegeben, da weder zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesamtes noch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung offenkundig (gewesen) ist, dass kein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist.

Das Bundesamt hat die Akten über das Verfahren des Klägers in Bulgarien nicht beigezogen. Auch räumt es im streitgegenständlichen Bescheid selbst ein, unklar zu sein, ob die Angaben des Klägers im bulgarischen Asylverfahren berücksichtigt haben werden können. Es ist deshalb schon nicht ersichtlich, auf welcher Tatsachengrundlage das Bundesamt seine Entscheidung gestützt hat. Aber auch die schriftliche Stellungnahme des Klägers vom ... Juli 2015 genügt nicht, um nach den Anforderungen des § 71a Abs. 2 Satz 2 AsylG von einer persönlichen Anhörung abzusehen. Aus dieser kann nicht bereits zuverlässig und sicher das Vorbringen als eindeutig offensichtlich unschlüssig beurteilt werden. Der Kläger schildert in seinen schriftlichen Ausführungen vom ... Juli 2015 im Wesentlichen, aus Angst um sein Leben nicht mehr in sein Herkunftsland zurückkehren zu können, da er Repressionen von Mitgliedern der ... befürchte. Zudem sei seine rechte Hand von einer Phosphorbombe stark verletzt worden, weshalb er stark traumatisiert sei. Dass dieser Vortrag von vornherein und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt, weder einen Verfolgungsgrund noch ein Abschiebungsverbot zu begründen vermag, kann im Hinblick auf die Herkunftsregion Palästinensisches Autonomiegebiet/... nach der derzeitigen Erkenntnislage nicht mit der gebotenen Sicherheit dargetan werden. Jedenfalls, wenn es für die Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG auf die Glaubwürdigkeit des Klägers ankommt, ist eine persönliche Anhörung im Verfahren nach § 71a AsylG erforderlich. Dadurch dass das Bundesamt den Kläger aufgrund seiner Behauptung, er habe in Syrien gelebt, für unglaubwürdig hält, hätte es bereits aus diesem Grund eine persönliche Anhörung durchführen müssen. Denn insbesondere in Fällen, in denen es auf die Glaubwürdigkeit des Klägers bzw. die Glaubhaftigkeit seiner Angaben ankommt, ist eine Anhörung erforderlich, um sich einen persönlichen Eindruck von ihm zu verschaffen (vgl. Hailbronner, Stand März 2015, § 71a AsylG, Rn. 25). Den Ausführungen des Bundesamtes, eine Anhörung sei nicht erforderlich, weil der Sachverhalt durch die Erstbefragung vom ... Juli 2014 und die schriftliche Stellungnahme des Klägers hinreichend geklärt sei, kann daher wegen der dem Kläger zur Last gelegten Widersprüchlichkeit seiner Angaben nicht gefolgt werden. Insbesondere der Umstand, dass der Kläger in Europa mehrere erfolglose Asylverfahren betrieben hat und sich seit mindestens sechs Jahren außerhalb seiner Heimatregion ... aufhält, vermag ein Absehen von einer persönlichen Anhörung ebenfalls nicht ermessensfehlerfrei zu begründen. Dieser Umstand erfüllt für sich gesehen nicht die Voraussetzung, dass die Anhörung für die Feststellung, dass kein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, nicht erforderlich ist (§ 71a Abs. 2 Satz 2 AsylG). Der erfolglose Abschluss eines Asylverfahrens ist nur ein Tatbestandsmerkmal des § 71a Abs. 1 AsylG. Ob hingegen auch Wiederaufgreifensgründe nach § 51 VwVfG vorliegen, kann allein mit der Kenntnis über in anderen Mitgliedstaaten erfolglos abgeschlossene Asylverfahren nicht mit hinreichender Sicherheit beurteilt werden. Aus dem zeitlichen Ablauf der Asylantragstellung (in Ungarn und Österreich habe der Kläger das Ergebnis der Asylverfahren gar nicht abgewartet, sondern sei sofort weitergereist) kann das Bundesamt jedenfalls nicht die Hypothese ableiten, der Kläger habe nach der Ablehnung seiner Asylanträge in Bulgarien jedenfalls in Ungarn, Österreich und Deutschland nicht wirklich Schutz vor Verfolgung begehrt, sondern diese Asylanträge aus anderen Motiven gestellt. Diese als Hypothese formulierte Vermutung entbehrt der erforderlichen Tatsachengrundlagen.

Im Gegensatz dazu spricht - wie im zugrundeliegenden Eilverfahren ausführlich dargestellt (VG München, B. v. 8.4.2016 - M 17 S 15.31602 - UA S. 11 ff.) - vieles dafür, dass Wiederaufgreifensgründe nach §§ 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG71a Abs. 1 Halbsatz 1 AsylG) im Falle des Klägers vorliegen.

Da der Lauf der dreimonatigen Präklusionsfrist frühestens mit der Einreise des Klägers in das Bundesgebiet am 15. Juni 2014 beginnt (Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, § 71a AsylG, Rn. 29; Bruns in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 71a AsylG Rn. 11) ist die Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG mit Asylantragstellung am 8. Juli 2014 gewahrt.

Zwar ist eine wesentliche Veränderung der politischen Lage und der Machtverhältnisse im Palästinensischen Autonomiegebiet seit der Regierungsübernahme der ... im Jahr 2007 nicht eingetreten. Die vorrangig in Betracht kommenden Auseinandersetzungen zwischen der den ... dominierenden ... sowie gemäßigteren palästinensischen Organisationen, insbesondere der ..., sind jedenfalls im ... nach Abschluss des Versöhnungsabkommens (vgl. dazu etwa, FR v. 14.5.2011, SZ v. 29.4.2011, ICG v. 20.7.2011 sowie "Die Zeit (online)" v. 25.11.2011) bereits seit geraumer Zeit weitgehend eingestellt (so bereits OVG Nds, U. v. 26.1.2012 - 11 LB 97/11 - juris); im Juni 2014 einigten sich ..., ... und weitere palästinensische Fraktionen auf eine nationale Einheitsregierung aus parteiungebundenen Ministern (FAZ v. 8.12.2015; amnesty international report 2015 Palästina, https://www.amnesty.de/jahresbericht/2015/palaestina). Angesichts der fortdauernden Annäherung zwischen ... und ... ist derzeit jedenfalls auch keine Verschlechterung der Lage hinsichtlich eines innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes im Sinne des § 4 AsylG absehbar (VG München, U. v. 1.2.2016 - M 17 K 16.30040). Grundsätzlich könnte aber eine geänderte Sachlage im Palästinensischem Autonomiegebiet durch die Militäroperation der israelischen Verteidigungsstreitkräfte (Operation Protective Edge), die am 26. August 2014 beendet wurde, eingetreten sein, da seither eine latent fortbestehende, in ihrem Ausmaß nunmehr schwankenden Auseinandersetzungen zwischen Israel, und der ... als faktische Machthaber im ... besteht (zu der gleichwohl für einen anzunehmenden bewaffneten innerstaatlichen Konflikt fehlende Gefahrendichte vgl. VG München, U. v. 1.2.2016 - M 17 K 16.30040).

Zudem sprechen derzeit - solange die bulgarische Asylverfahrensakte nicht vorliegt und sich daraus nichts Gegenteiliges ableiten lässt - gravierende Gründe dafür, dass der Kläger ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren in Bulgarien geltend zu machen.

Zum einen ist zweifelhaft, ob der Kläger sämtliche Verfolgungsgründe bereits in dem bulgarischen Asylverfahren vorgebracht hat bzw. dort hätte vorbringen können. Soweit der Kläger schildert, dass sein Bruder durch die ... verhaftet und ins Gefängnis verbracht worden sei, um den Kläger zur Rückkehr zu zwingen, was möglicherweise - bei Unterstellung der Glaubhaftigkeit dieses Vorbringens - zu einer qualitätsmäßigen Änderung des individuell für sich geltend gemachten Verfolgungsgrundes führen könnte, fehlt es zwar an einer zeitlichen Einordnung dieses Ereignisses. Entgegen der Auffassung des Bundesamtes geht dies jedoch nicht zulasten des Klägers, da ihm wegen der unterlassenen persönlichen Anhörung gerade die Möglichkeit genommen wurde, seine Verfolgungsgründe nachvollziehbar und plausibel darzulegen, worunter auch die zeitliche Konkretisierung der geschilderten Ereignisse fällt.

Aber selbst hinsichtlich der Verfolgungsgründe, die der Kläger in zeitlicher Hinsicht bereits in dem bulgarischen Asylverfahren hätte vorbringen können (Verfolgung durch die ..., Traumatisierung durch Verletzung aufgrund einer Phosphorbombe), spricht vieles dafür, dass der Betroffene ohne grobes Verschulden außer Stande war, diese Gründe in dem bulgarischen Asylverfahren geltend zu machen (§ 51 Abs. 2 VwVfG).

Ein Asylverfahren im Sinne des § 71a AsylG ist jedes Asylverfahren, das im Einklang mit den Regeln der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK durchgeführt wurde (VG Aachen, B. v. 4.8.2015 - 8 L 171/15.A - juris). Für die sichereren Vertragsstaaten ist aufgrund des Konzepts der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U. v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 - BVerfGE 94, 49, juris Rn. 181) bzw. des hinter der Schaffung eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (vgl. Art. 78 AEUV) stehenden "Prinzips des gegenseitigen Vertrauens", das auf der Annahme beruht, alle daran beteiligten Staaten, ob Mitgliedstaaten oder Drittstaaten, beachten die Grundrechte, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Richtlinie 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie - QualRL), der GFK sowie in der EMRK finden (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 und 493/19, C-411/10, C-493/10 - Slg 2011, I-13905, juris Rn. 10 ff., 75, 78, 80) keine Prüfung der Beachtung der Regeln im Einzelfall erforderlich. Eine Ausnahme hiervon kommt nur in Sondersituationen in Betracht (Vgl. Hailbronner, AuslR, Bd. 4, § 71a AsylVfG Rn. 12; Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, § 71a Rn. 11). Für eine solche Sondersituation müssten systemischen Mängel des bulgarisch Asylverfahrens vorliegen.

Zwar bestehen angesichts der grundlegenden Veränderungen im Laufe des Jahres 2014 in Bezug auf Bulgarien nach aktuellem Kenntnisstand derzeit wohl keine durchgreifenden Bedenken, dass entsprechende systemische Mängel des bulgarischen Asylverfahrens vorliegen, die den Betroffenen an der Geltendmachung seiner Verfolgungsgründe (unverschuldet im Sinne des § 51 Abs. 2 VwVfG) gehindert hätten (BayVGH, U. v. 29.1.2015 - 13a B 14.50039 - juris; VGH BW, U. v. 10.11.2014 - A 11 S 1778/14 - juris; UNHCR, „UNHCR Observations on the Current Situation of Asylum in Bulgaria“ vom 2.1.2014 - abrufbar unter: http://www.refworld.org/docid/52c598354.html; UNHCR, „Bulgarien als Asylland - Anmerkungen zur aktuellen Asylsituation in Bulgarien“ vom April 2014 - abrufbar in der öffentlich zugänglichen Datenbank MILO des Bundesamtes; amnesty international, „Suspension of Returns of Asylum-Seekers to Bulgaria Must Continue“ vom 31.3.2014 - abrufbar unter: https://www.amnesty.org/en/documents/EUR15/002/2014/en; amnesty international, „Amnesty report 2015 Bulgarien“ - abrufbar unter: https://www.amnesty.de/jahresbericht/2015/bulgarien; European Asylum Support Office (EASO), „Special Support Plan to Bulgaria“ vom 5.12.2014 - abrufbar unter: http://easo.europa.eu/wp-content/uploads/SSP-BG-2014-12-03.pdf; Pro Asyl, Presseerklärung vom 23.5.2014: „Schwere Menschenrechtsverletzungen an Flüchtlingen in Bulgarien“ - abrufbar unter: http://ww.proasyl.de/de/presse/detail/news/schwere _menschenrechtsverletzungen_an_fluechtlingen_in_bulgarien; Pro Asyl, „Erniedrigt, misshandelt, schutzlos: Flüchtlinge in Bulgarien“ vom April 2015 - abrufbar unter: http://ww.proasyl.de/fileadmin/fm-dam/q_PUBLIKATIONEN/2015/Bulgarien_Broschu _re_Web_END.pdf; Asylum Information Database (aida), „Country Report Bulgaria“, Stand: 30.9.2015 - abrufbar unter: http://www.asylumineurope.org/reports/country/bulgaria; European Council on Refugees and Exiles (ECRE), „ECRE reaffirms its call for the suspension of transfers of asylum seekers to Bulgaria under the recast Dublin Regulation“ vom 7.4.2014 - abrufbar unter: http://www.ecre.org/component/down loads/downloads/873.html; Auskünfte des Auswärtigen Amtes an das VG Hamburg und das VG Aachen vom 30.11.2015 und 27.1.2016 - abrufbar in der öffentlich zugänglichen Datenbank MILO des Bundesamtes).

Gleichwohl war die Situation Asylsuchender in Bulgarien zur Zeit des Asylverfahrens des Klägers in Bulgarien vom 14. Februar 2014 (Asylantrag) bis 20. Mai 2014 (Ablehnung des Asylantrags) - nach einem Anstieg der Asylanträge zu Beginn des Jahres 2014 - teilweise heftiger Kritik ausgesetzt. So ging der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) im Januar 2014 davon aus, dass in Bulgarien systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen bestünden und plädierte dafür, Abschiebungen nach Bulgarien zunächst auszusetzen (vgl. „UNHCR Observations on the Current Situation of Asylum in Bulgaria“ vom 2.1.2014). Dieser Einschätzung schlossen sich amnesty international (vgl. “Suspension of Returns of Asylum-Seekers to Bulgaria Must Continue” vom 31.3.2014), European Council on Refugees and Exiles (vgl. “ECRE reaffirms its call for the suspension of transfers of asylum seekers to Bulgaria under the recast Dublin Regulation” vom 7.4.2014) und Pro Asyl (vgl. Presseerklärung vom 23.5.2014: “Schwere Menschenrechtsverletzungen an Flüchtlingen in Bulgarien”) an. Auch in der Stellungnahme von Pro Asyl vom 30. Mai 2014 wird auf die von UNHCR Anfang 2014 festgestellten Mängel im bulgarischen Asylsystem Bezug genommen und eine Aussetzung von Dublin-Überstellungen nach Bulgarien gefordert. Trotz seiner aktualisierten Bestandaufnahme vom April 2014 („Bulgarien als Asylland - Anmerkungen zur aktuellen Asylsituation in Bulgarien“, Seite 2 und 17), in der das UNHCR ungeachtet fortbestehender ernsthafter Mängel einen generellen Aufschub aller Dublin-Überstellungen nach Bulgarien nicht länger für gerechtfertigt, sondern nur bei Personen mit besonderen Bedürfnissen oder besonderer Schutzwürdigkeit empfiehlt, von einer Überstellung abzusehen, sprechen daher ohne Vorlage der bulgarischen Asylakten gravierende Gründe dafür, dass der Betroffene ohne grobes Verschulden außer Stande war, seine Verfolgungsgründe in dem bulgarischen Asylverfahren nach den Regeln der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK geltend zu machen.

3.3. Indem das Bundesamt den Kläger nicht angehört hat, hat es ihn jedenfalls in seinem verfahrensmäßigen subjektiven Recht verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Es ist dabei auch nicht offensichtlich, dass diese Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat, § 46 VwVfG. Entsprechend der vorstehenden Ausführungen hat das Bundesamt vielmehr auf unvollständiger Grundlage über die Frage entschieden, ob ein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist. Bei Zugrundelegung der Angaben des Klägers ist jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass ihm Schutz zuzusprechen ist. Nach seiner Anhörung wird das Bundesamt daher erneut zu entscheiden haben, ob ein weiteres Asylverfahren durchzuführen und ihm im Ergebnis internationaler Schutz zuzusprechen oder Abschiebungsverbote festzustellen sind.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Dem entspricht eine hälftige Kostentragung durch den Kläger und der Beklagten. Das Verfahren ist gemäß § 83 b AsylVfG gerichtskostenfrei. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 der Zivilprozessordnung.

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Verwaltungsgericht München Urteil, 26. Okt. 2016 - M 17 K 15.31601 zitiert 28 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 4 Subsidiärer Schutz


(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt: 1. die Verhängung oder Vollstreckung der To

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 11 Einreise- und Aufenthaltsverbot


(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen n

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 155


(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 101


(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 59 Androhung der Abschiebung


(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfal

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 36 Verfahren bei Unzulässigkeit nach § 29 Absatz 1 Nummer 2 und 4 und bei offensichtlicher Unbegründetheit


(1) In den Fällen der Unzulässigkeit nach § 29 Absatz 1 Nummer 2 und 4 und der offensichtlichen Unbegründetheit des Asylantrages beträgt die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist eine Woche. (2) Das Bundesamt übermittelt mit der Zustellung der Ent

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 34 Abschiebungsandrohung


(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn 1. der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird,2. dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wir

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 51 Wiederaufgreifen des Verfahrens


(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn 1. sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen g

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 33 Nichtbetreiben des Verfahrens


(1) Das Bundesamt stellt das Verfahren ein oder lehnt den Asylantrag nach angemessener inhaltlicher Prüfung ab, wenn der Ausländer das Verfahren nicht betreibt. Sofern das Bundesamt das Verfahren einstellt, entscheidet es nach Aktenlage, ob ein Absch

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 76 Einzelrichter


(1) Die Kammer soll in der Regel in Streitigkeiten nach diesem Gesetz den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn nicht die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist od

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 25 Anhörung


(1) Der Ausländer muss selbst die Tatsachen vortragen, die seine Furcht vor Verfolgung oder die Gefahr eines ihm drohenden ernsthaften Schadens begründen, und die erforderlichen Angaben machen. Zu den erforderlichen Angaben gehören auch solche über W

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 26a Sichere Drittstaaten


(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 71 Folgeantrag


(1) Stellt der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags erneut einen Asylantrag (Folgeantrag), so ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltung

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 71a Zweitantrag


(1) Stellt der Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 46 Folgen von Verfahrens- und Formfehlern


Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 nichtig ist, kann nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn of

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 24 Pflichten des Bundesamtes


(1) Das Bundesamt klärt den Sachverhalt und erhebt die erforderlichen Beweise. Das Bundesamt unterrichtet den Ausländer frühzeitig in einer Sprache, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann, über den Ablauf des Verfahrens, über sein

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 74 Klagefrist, Zurückweisung verspäteten Vorbringens, Verhandlung durch den abgelehnten Richter


(1) Die Klage gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz muss innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung erhoben werden; ist der Antrag nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung innerhalb einer Woche zu stellen (§ 34a Absatz 2 Sa

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 32 Entscheidung bei Antragsrücknahme oder Verzicht


Im Falle der Antragsrücknahme oder des Verzichts gemäß § 14a Abs. 3 stellt das Bundesamt in seiner Entscheidung fest, dass das Asylverfahren eingestellt ist und ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegt.

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 44 Schaffung und Unterhaltung von Aufnahmeeinrichtungen


(1) Die Länder sind verpflichtet, für die Unterbringung Asylbegehrender die dazu erforderlichen Aufnahmeeinrichtungen zu schaffen und zu unterhalten sowie entsprechend ihrer Aufnahmequote die im Hinblick auf den monatlichen Zugang Asylbegehrender in

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 12 Handlungsfähigkeit


(1) Fähig zur Vornahme von Verfahrenshandlungen nach diesem Gesetz ist ein volljähriger Ausländer, sofern er nicht nach Maßgabe des Bürgerlichen Gesetzbuches geschäftsunfähig oder in dieser Angelegenheit zu betreuen und einem Einwilligungsvorbehalt z

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 71a Anwendbarkeit


(1) Ist durch Rechtsvorschrift angeordnet, dass ein Verwaltungsverfahren über eine einheitliche Stelle abgewickelt werden kann, so gelten die Vorschriften dieses Abschnitts und, soweit sich aus ihnen nichts Abweichendes ergibt, die übrigen Vorschrift

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Verwaltungsgericht München Urteil, 26. Okt. 2016 - M 17 K 15.31601 zitiert oder wird zitiert von 10 Urteil(en).

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Tenor I. Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 30. Juli 2014 wird die Klage abgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen. III. Das Urteil ist im

Verwaltungsgericht München Beschluss, 08. Apr. 2016 - M 17 S 15.31602

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Tenor I. Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die in dem Bescheid der Antragsgegnerin vom 25. November 2015 in Nr. 3 enthaltene Abschiebungsandrohung wird angeordnet. II. Die Antragsgegnerin hat

Verwaltungsgericht Aachen Beschluss, 04. Aug. 2015 - 8 L 171/15.A

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Tenor 1. Den Antragstellern wird für das vorliegende Verfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und zur vorläufigen unentgeltlichen Wahrnehmung der Rechte Rechtsanwältin T.      aus Berlin zu den für einen im Gerichtsbezirk ansässigen

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 10. Nov. 2014 - A 11 S 1778/14

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Tenor Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 30. Juni 2014 - A 7 K 880/14 - geändert, soweit es der Klage stattgegeben hat.Die Klage wird abgewiesen.Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien V

Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 27. Juni 2014 - 13 K 654/14.A

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Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung ode

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 05. Sept. 2013 - 10 C 1/13

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Tatbestand 1 Der Kläger, nach eigenen Angaben ein somalischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen die Einstellung seines Asylverfahrens nach §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG.
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Verwaltungsgericht Ansbach Beschluss, 11. Jan. 2017 - AN 2 S 16.32491

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Verwaltungsgericht Augsburg Beschluss, 08. Dez. 2016 - Au 3 S 16.32229

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Tenor I. Die aufschiebende Wirkung der Klage (Az. Au 3 K 16.32227) gegen die Abschiebungsandrohung unter Nr. 3 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 14. Oktober 2016 wird angeordnet. II. Die Ant

Verwaltungsgericht München Gerichtsbescheid, 02. Okt. 2018 - M 1 K 17.45146

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Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Hö

Verwaltungsgericht Augsburg Beschluss, 01. März 2017 - Au 2 S 17.30752

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Tenor I. Die aufschiebende Wirkung der Klage (Az. Au 2 K 17.30751) gegen die Abschiebungsandrohung unter Nr. 3 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 8. Februar 2017 wird angeordnet. II. Die Antragsgegneri

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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn

1.
der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird,
2.
dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird,
2a.
dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt wird,
3.
die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes ausnahmsweise zulässig ist und
4.
der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt.
Eine Anhörung des Ausländers vor Erlass der Abschiebungsandrohung ist nicht erforderlich. Im Übrigen bleibt die Ausländerbehörde für Entscheidungen nach § 59 Absatz 1 Satz 4 und Absatz 6 des Aufenthaltsgesetzes zuständig.

(2) Die Abschiebungsandrohung soll mit der Entscheidung über den Asylantrag verbunden werden. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, sind die Entscheidungsformel der Abschiebungsandrohung und die Rechtsbehelfsbelehrung dem Ausländer in eine Sprache zu übersetzen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann.

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

(1) In den Fällen der Unzulässigkeit nach § 29 Absatz 1 Nummer 2 und 4 und der offensichtlichen Unbegründetheit des Asylantrages beträgt die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist eine Woche.

(2) Das Bundesamt übermittelt mit der Zustellung der Entscheidung den Beteiligten eine Kopie des Inhalts der Asylakte. Der Verwaltungsvorgang ist mit dem Nachweis der Zustellung unverzüglich dem zuständigen Verwaltungsgericht zu übermitteln.

(3) Anträge nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsandrohung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen; dem Antrag soll der Bescheid des Bundesamtes beigefügt werden. Der Ausländer ist hierauf hinzuweisen. § 58 der Verwaltungsgerichtsordnung ist entsprechend anzuwenden. Die Entscheidung soll im schriftlichen Verfahren ergehen; eine mündliche Verhandlung, in der zugleich über die Klage verhandelt wird, ist unzulässig. Die Entscheidung soll innerhalb von einer Woche nach Ablauf der Frist des Absatzes 1 ergehen. Die Kammer des Verwaltungsgerichts kann die Frist nach Satz 5 um jeweils eine weitere Woche verlängern. Die zweite Verlängerung und weitere Verlängerungen sind nur bei Vorliegen schwerwiegender Gründe zulässig, insbesondere wenn eine außergewöhnliche Belastung des Gerichts eine frühere Entscheidung nicht möglich macht. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Die Entscheidung ist ergangen, wenn die vollständig unterschriebene Entscheidungsformel der Geschäftsstelle der Kammer vorliegt. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes und die Anordnung und Befristung nach § 11 Absatz 7 des Aufenthaltsgesetzes sind ebenso innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsandrohung bleibt hiervon unberührt.

(4) Die Aussetzung der Abschiebung darf nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, bleiben unberücksichtigt, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig. Ein Vorbringen, das nach § 25 Abs. 3 im Verwaltungsverfahren unberücksichtigt geblieben ist, sowie Tatsachen und Umstände im Sinne des § 25 Abs. 2, die der Ausländer im Verwaltungsverfahren nicht angegeben hat, kann das Gericht unberücksichtigt lassen, wenn andernfalls die Entscheidung verzögert würde.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Kammer soll in der Regel in Streitigkeiten nach diesem Gesetz den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn nicht die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.

(2) Der Rechtsstreit darf dem Einzelrichter nicht übertragen werden, wenn bereits vor der Kammer mündlich verhandelt worden ist, es sei denn, dass inzwischen ein Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist.

(3) Der Einzelrichter kann nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsstreit auf die Kammer zurückübertragen, wenn sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozesslage ergibt, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Eine erneute Übertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen.

(4) In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entscheidet ein Mitglied der Kammer als Einzelrichter. Der Einzelrichter überträgt den Rechtsstreit auf die Kammer, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn er von der Rechtsprechung der Kammer abweichen will.

(5) Ein Richter auf Probe darf in den ersten sechs Monaten nach seiner Ernennung nicht Einzelrichter sein.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Stellt der Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik Deutschland darüber einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat, im Bundesgebiet einen Asylantrag (Zweitantrag), so ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen; die Prüfung obliegt dem Bundesamt.

(2) Für das Verfahren zur Feststellung, ob ein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, gelten die §§ 12 bis 25, 33, 44 bis 54 entsprechend. Von der Anhörung kann abgesehen werden, soweit sie für die Feststellung, dass kein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, nicht erforderlich ist. § 71 Abs. 8 gilt entsprechend.

(3) Der Aufenthalt des Ausländers gilt als geduldet. Die §§ 56 bis 67 gelten entsprechend.

(4) Wird ein weiteres Asylverfahren nicht durchgeführt, sind die §§ 34 bis 36, 42 und 43 entsprechend anzuwenden.

(5) Stellt der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines Zweitantrags einen weiteren Asylantrag, gilt § 71.

(1) Stellt der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags erneut einen Asylantrag (Folgeantrag), so ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen; die Prüfung obliegt dem Bundesamt. Das Gleiche gilt für den Asylantrag eines Kindes, wenn der Vertreter nach § 14a Abs. 3 auf die Durchführung eines Asylverfahrens verzichtet hatte.

(2) Der Ausländer hat den Folgeantrag persönlich bei der Außenstelle des Bundesamtes zu stellen, die der Aufnahmeeinrichtung zugeordnet ist, in der er während des früheren Asylverfahrens zu wohnen verpflichtet war. Wenn der Ausländer das Bundesgebiet zwischenzeitlich verlassen hatte, gelten die §§ 47 bis 67 entsprechend. In den Fällen des § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 oder wenn der Ausländer nachweislich am persönlichen Erscheinen gehindert ist, ist der Folgeantrag schriftlich zu stellen. Der Folgeantrag ist schriftlich bei der Zentrale des Bundesamtes zu stellen, wenn

1.
die Außenstelle, die nach Satz 1 zuständig wäre, nicht mehr besteht,
2.
der Ausländer während des früheren Asylverfahrens nicht verpflichtet war, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen.
§ 19 Abs. 1 findet keine Anwendung.

(3) In dem Folgeantrag hat der Ausländer seine Anschrift sowie die Tatsachen und Beweismittel anzugeben, aus denen sich das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes ergibt. Auf Verlangen hat der Ausländer diese Angaben schriftlich zu machen. Von einer Anhörung kann abgesehen werden. § 10 gilt entsprechend.

(4) Liegen die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht vor, sind die §§ 34, 35 und 36 entsprechend anzuwenden; im Falle der Abschiebung in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) ist § 34a entsprechend anzuwenden.

(5) Stellt der Ausländer, nachdem eine nach Stellung des früheren Asylantrags ergangene Abschiebungsandrohung oder -anordnung vollziehbar geworden ist, einen Folgeantrag, der nicht zur Durchführung eines weiteren Verfahrens führt, so bedarf es zum Vollzug der Abschiebung keiner erneuten Fristsetzung und Abschiebungsandrohung oder -anordnung. Die Abschiebung darf erst nach einer Mitteilung des Bundesamtes, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht vorliegen, vollzogen werden, es sei denn, der Ausländer soll in den sicheren Drittstaat abgeschoben werden.

(6) Absatz 5 gilt auch, wenn der Ausländer zwischenzeitlich das Bundesgebiet verlassen hatte. Im Falle einer unerlaubten Einreise aus einem sicheren Drittstaat (§ 26a) kann der Ausländer nach § 57 Abs. 1 und 2 des Aufenthaltsgesetzes dorthin zurückgeschoben werden, ohne dass es der vorherigen Mitteilung des Bundesamtes bedarf.

(7) War der Aufenthalt des Ausländers während des früheren Asylverfahrens räumlich beschränkt, gilt die letzte räumliche Beschränkung fort, solange keine andere Entscheidung ergeht. Die §§ 59a und 59b gelten entsprechend. In den Fällen der Absätze 5 und 6 ist für ausländerrechtliche Maßnahmen auch die Ausländerbehörde zuständig, in deren Bezirk sich der Ausländer aufhält.

(8) Ein Folgeantrag steht der Anordnung von Abschiebungshaft nicht entgegen, es sei denn, es wird ein weiteres Asylverfahren durchgeführt.

(1) Stellt der Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik Deutschland darüber einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat, im Bundesgebiet einen Asylantrag (Zweitantrag), so ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen; die Prüfung obliegt dem Bundesamt.

(2) Für das Verfahren zur Feststellung, ob ein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, gelten die §§ 12 bis 25, 33, 44 bis 54 entsprechend. Von der Anhörung kann abgesehen werden, soweit sie für die Feststellung, dass kein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, nicht erforderlich ist. § 71 Abs. 8 gilt entsprechend.

(3) Der Aufenthalt des Ausländers gilt als geduldet. Die §§ 56 bis 67 gelten entsprechend.

(4) Wird ein weiteres Asylverfahren nicht durchgeführt, sind die §§ 34 bis 36, 42 und 43 entsprechend anzuwenden.

(5) Stellt der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines Zweitantrags einen weiteren Asylantrag, gilt § 71.

Im Falle der Antragsrücknahme oder des Verzichts gemäß § 14a Abs. 3 stellt das Bundesamt in seiner Entscheidung fest, dass das Asylverfahren eingestellt ist und ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegt.

(1) Das Bundesamt stellt das Verfahren ein oder lehnt den Asylantrag nach angemessener inhaltlicher Prüfung ab, wenn der Ausländer das Verfahren nicht betreibt. Sofern das Bundesamt das Verfahren einstellt, entscheidet es nach Aktenlage, ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegt.

(2) Es wird vermutet, dass der Ausländer das Verfahren nicht betreibt, wenn er

1.
einer Aufforderung zur Vorlage von für den Antrag wesentlichen Informationen gemäß § 15 oder einer Aufforderung zur Anhörung gemäß § 25 nicht nachgekommen ist,
2.
untergetaucht ist oder
3.
gegen die räumliche Beschränkung seiner Aufenthaltsgestattung gemäß § 56 verstoßen hat, der er wegen einer Wohnverpflichtung nach § 30a Absatz 3 unterliegt.
Die Vermutung nach Satz 1 gilt nicht, wenn der Ausländer innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung nach Absatz 1 nachweist, dass das in Satz 1 Nummer 1 genannte Versäumnis oder die in Satz 1 Nummer 2 und 3 genannte Handlung auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen. Wurde das Verfahren als beschleunigtes Verfahren nach § 30a durchgeführt, beginnt die Frist nach § 30a Absatz 2 Satz 1 neu zu laufen.

(3) Als Nichtbetreiben des Verfahrens gilt ferner, wenn der Ausländer während des Asylverfahrens in seinen Herkunftsstaat gereist ist.

(4) Der Ausländer ist auf die nach den Absätzen 1 und 3 eintretenden Rechtsfolgen schriftlich und gegen Empfangsbestätigung hinzuweisen.

(5) Ein Ausländer, dessen Asylverfahren gemäß Absatz 1 eingestellt worden ist, kann die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragen. Der Antrag ist persönlich bei der Außenstelle des Bundesamtes zu stellen, die der Aufnahmeeinrichtung zugeordnet ist, in welcher der Ausländer vor der Einstellung des Verfahrens zu wohnen verpflichtet war. Stellt der Ausländer einen neuen Asylantrag, so gilt dieser als Antrag im Sinne des Satzes 1. Das Bundesamt nimmt die Prüfung in dem Verfahrensabschnitt wieder auf, in dem sie eingestellt wurde. Abweichend von Satz 4 ist das Asylverfahren nicht wieder aufzunehmen und ein Antrag nach Satz 1 oder Satz 3 ist als Folgeantrag (§ 71) zu behandeln, wenn

1.
die Einstellung des Asylverfahrens zum Zeitpunkt der Antragstellung mindestens neun Monate zurückliegt oder
2.
das Asylverfahren bereits nach dieser Vorschrift wieder aufgenommen worden war.
Wird ein Verfahren nach dieser Vorschrift wieder aufgenommen, das vor der Einstellung als beschleunigtes Verfahren nach § 30a durchgeführt wurde, beginnt die Frist nach § 30a Absatz 2 Satz 1 neu zu laufen.

(6) Für Rechtsbehelfe gegen eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 5 gilt § 36 Absatz 3 entsprechend.

Tatbestand

1

Der Kläger, nach eigenen Angaben ein somalischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen die Einstellung seines Asylverfahrens nach §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG.

2

Er beantragte am 23. August 2010 die Anerkennung als Asylberechtigter. Ihm wurden vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - am gleichen Tag Fingerabdrücke abgenommen. Dabei wurde festgestellt, dass eine Auswertung zum Zwecke des erkennungsdienstlichen Abgleichs nicht möglich war. Der mit der Abnahme der Fingerabdrücke befasste Mitarbeiter des Bundesamts hielt in einem Vermerk fest, dass die Fingerkuppen des Klägers Spuren von Manipulationen aufwiesen (z.B. Verletzungen der Haut), was dieser bestritt. Daraufhin wurde der Kläger mit Schreiben vom 23. August 2010 aufgefordert, sein Asylverfahren dadurch zu betreiben, dass er zum einen binnen eines Monats in der Außenstelle des Bundesamts erscheine und sich "auswertbare Fingerabdrücke" abnehmen lasse. Zum anderen solle er schriftlich darlegen, in welchen Staaten er sich nach dem Verlassen seines Herkunftslandes aufgehalten habe, ob er dort bereits einen Asylantrag gestellt habe und dieser ggf. abgelehnt worden sei. Gleichzeitig wurde er unter Bezugnahme auf § 33 AsylVfG darauf hingewiesen, dass sein Asylantrag als zurückgenommen gelte, wenn er das Verfahren länger als einen Monat nicht betreibe und in diesem Fall über das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 2 bis 5 oder Abs. 7 AufenthG nach Aktenlage zu entscheiden sei. Ihm wurde eine Übersetzung des Schreibens in die Sprache Somali überreicht.

3

Der Kläger hat sich in einem weiteren Termin - nach Angaben des Bundesamts am 8. September 2010 - erneut Fingerabdrücke abnehmen lassen, die nach Mitteilung des Bundeskriminalamts vom 8. Oktober 2010 wiederum nicht verwertbar waren.

4

Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 27. Oktober 2010 fest, dass der Asylantrag als zurückgenommen gilt und das Asylverfahren eingestellt ist (Ziff. 1). Weiter wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen (Ziff. 2). Schließlich wurde der Kläger unter Androhung der Abschiebung in den Herkunftsstaat aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen (Ziff. 3). Das Bundesamt hat den Bescheid im Wesentlichen darauf gestützt, dass der Kläger der Betreibensaufforderung nicht nachgekommen sei. Weder am 23. August 2010 noch beim Folgetermin hätten verwertbare Fingerabdrücke gewonnen werden können. Die angeforderten schriftlichen Erklärungen (zum Reiseweg) habe der Kläger nicht abgegeben. Die Feststellung von Abschiebungsverboten nach Abs. 2 bis  scheitere bereits daran, dass für den Kläger kein Herkunftsland habe festgestellt werden können.

5

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Aufhebung des Bescheids sowie hilfsweise die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG hinsichtlich Somalias. Zur Begründung hat er geltend gemacht, es habe kein Anlass zum Erlass einer Betreibensaufforderung vorgelegen. Zudem habe er sein Verfahren dadurch betrieben, dass er sich einer weiteren erkennungsdienstlichen Maßnahme unterzogen habe.

6

Während des Klageverfahrens forderte das Bundesamt den Kläger mit einem an seine Verfahrensbevollmächtigten gerichteten Schreiben vom 26. Oktober 2011 erneut auf, das Verfahren dadurch zu betreiben, dass er beim Bundesamt erscheine und sich Fingerabdrücke abnehmen lasse. Dazu erhalte er vom Bundesamt einen Ladungstermin. Die Pflicht zur Duldung erkennungsdienstlicher Maßnahmen umfasse auch die Verpflichtung, im Vorfeld der erneuten Fingerabdrucknahme alle Verhaltensweisen zu unterlassen, die die Auswertbarkeit der Fingerabdrücke beeinträchtigen oder vereiteln könnten. Das Schreiben ging den Verfahrensbevollmächtigten am 28. Oktober 2011 zu.

7

Mit Schreiben vom 9. November 2011 wurde der Kläger zur erneuten erkennungsdienstlichen Behandlung auf den 24. November 2011 geladen. Er erschien an diesem Termin; die abgenommenen Fingerabdrücke erwiesen sich wiederum als nicht auswertbar. Nach einem Vermerk stellte der mit der Abnahme befasste Mitarbeiter des Bundesamts an den Fingerkuppen des Klägers Abschürfungen, Vernarbungen, starke Hornhautbildung, Verhärtungen, besonders trockene Finger und äußerst schwache Papillarlinien fest. Der Kläger bestritt, seine Fingerkuppen manipuliert zu haben.

8

Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid des Bundesamts aufgehoben. Der Verwaltungsgerichtshof hat die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten mit Urteil vom 14. Januar 2013 zurückgewiesen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, dass der Asylantrag nicht nach § 33 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG als zurückgenommen gelte. Denn der Kläger sei gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylVfG nicht verpflichtet, Fingerabdrücke abzugeben, die im Rahmen des Eurodac-Systems verwertbar seien. Er habe vielmehr seiner gesetzlichen Mitwirkungspflicht genügt, indem er sämtlichen Aufforderungen der Beklagten, erkennungsdienstliche Maßnahmen nach § 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylVfG zu dulden, gefolgt sei und sich Fingerabdrücke habe abnehmen lassen. Beschränke der Gesetzgeber die Mitwirkung im Fall einer erkennungsdienstlichen Behandlung auf eine Duldungspflicht, sei es dem Bundesamt verwehrt, durch behördliche Verfügung darüber hinausgehende Mitwirkungshandlungen einzufordern und diese bei Unterbleiben mit einer Verfahrenseinstellung zu sanktionieren. Mangels entsprechender gesetzlicher Verpflichtung zur Abgabe verwertbarer Fingerabdrücke komme es nicht darauf an, ob der Kläger die Unverwertbarkeit seiner Fingerabdrücke zu vertreten habe. Soweit die Einstellungsverfügung auch darauf gestützt sei, dass der Kläger entgegen der Betreibensaufforderung keine Angaben zum Reiseweg und bereits gestellten Asylanträgen gemacht habe, sei er dazu vom Bundesamt nicht angehört worden. Auch insoweit lägen daher die Voraussetzungen des § 33 AsylVfG nicht vor.

9

Die Beklagte rügt mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, die Auslegung des § 15 AsylVfG seitens des Berufungsgerichts verletze Bundesrecht. Aus § 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylVfG oder dem Rückgriff auf Absatz 1 der Vorschrift ergebe sich die Pflicht, alle zielgerichteten Maßnahmen zu unterlassen, die den Erfolg einer erkennungsdienstlichen Behandlung vereiteln könnten. Nach der maßgeblich unionsrechtlich beeinflussten gesetzlichen Konzeption habe das Bundesamt vorrangig die Frage der Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland als Mitgliedstaat der Europäischen Union für die Prüfung des Schutzbegehrens zu klären. Selbst wenn Deutschland zuständig sei, müsse geklärt werden, ob und ggf. mit welchem Ergebnis der Asylbewerber zuvor ein Asylverfahren betrieben habe, da ein weiteres Asylbegehren sich als Zweitantrag darstelle.

10

Der Kläger hält sich in Übereinstimmung mit den Urteilen der Vorinstanzen nicht für verpflichtet, verwertbare Fingerabdrücke abzugeben. Ferner rügt er, in der Betreibensaufforderung vom 23. August 2010 nur unzureichend belehrt worden, insbesondere nicht darauf hingewiesen worden zu sein, dass die Einstellung des Verfahrens unmittelbar den Erlass einer Abschiebungsandrohung nach § 34 AsylVfG zur Folge habe. Der an seine Verfahrensbevollmächtigten gerichteten Betreibensaufforderung vom 26. Oktober 2011 sei keine Übersetzung beigefügt gewesen.

11

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht schließt sich weitgehend der Rechtsauffassung der Beklagten an. Nach seiner Auffassung darf das Bundesamt nicht darauf verwiesen werden, die Tatsache einer Manipulation der Fingerkuppen nur bei der Prüfung der Voraussetzungen einer Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet gemäß § 30 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG zu würdigen. Die Betreibensaufforderung diene gerade der Klärung, ob die Voraussetzungen für eine Sachentscheidung vorlägen oder ob eine Überstellung des Ausländers in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zu erfolgen habe, in dem der Kläger (bei Schutzbedürftigkeit) internationalen Schutz beanspruchen könne.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision der Beklagten hat Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Aufhebung der angefochtenen Einstellungsverfügung durch das Verwaltungsgericht mit einer Begründung bestätigt, die Bundesrecht verletzt (§ 137 Abs. 1 VwGO). Zwar hat der Verwaltungsgerichtshof zutreffend entschieden, dass sich aus § 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylVfG keine Garantieverpflichtung des Asylbewerbers ableiten lässt, für die Auswertbarkeit seiner Fingerabdrücke einstehen zu müssen. Die in der Vorschrift normierte Mitwirkungspflicht umfasst aber entgegen der Auffassung der Vorinstanz die Verpflichtung, im Vorfeld der Abnahme von Fingerabdrücken deren Auswertbarkeit nicht zu vereiteln. Da das Berufungsgericht die Aufforderung zur Schilderung des Reisewegs in der Betreibensaufforderung vom 23. August 2010 zu Unrecht beanstandet und unter Verletzung von § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die zweite Betreibensaufforderung vom 26. Oktober 2011 und das Verhalten des Klägers im Zusammenhang mit der dritten erkennungsdienstlichen Behandlung vom 24. November 2011 nicht in den Blick genommen hat, kann der Senat mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen im Berufungsurteil weder zugunsten noch zulasten des Klägers selbst abschließend entscheiden. Daher ist das Verfahren an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

13

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des klägerischen Begehrens ist das Asylverfahrensgesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl I S. 1798), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex vom 22. November 2011 (BGBl I S. 2258).

14

1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die hier erhobene Anfechtungsklage statthaft ist. Der Gesetzgeber hat mit der in §§ 32, 33 AsylVfG geregelten Verfahrenseinstellung durch Verwaltungsakt dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - eine Handlungsmöglichkeit zur Verfügung gestellt, gegen die der Betroffene nur im Wege der Anfechtungsklage Rechtsschutz erlangen kann. Macht das Bundesamt von dieser gesetzlichen Ermächtigung fehlerhaft Gebrauch, darf das Gericht mit der Aufhebung der nach §§ 32, 33 AsylVfG getroffenen Entscheidung nicht zugleich über die Begründetheit des Begehrens auf Gewährung von Asyl und Zuerkennung der Flüchtlingsanerkennung entscheiden. Vielmehr ist die Sachentscheidung nach den Regelungen des Asylverfahrensgesetzes zunächst dem Bundesamt vorbehalten. Der Asylsuchende muss die Aufhebung dieses Bescheides erreichen, wenn er eine Entscheidung über seinen Asylantrag erhalten will (so schon Urteil vom 7. März 1995 - BVerwG 9 C 264.94 - Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 12 S. 2).

15

2. Nach § 33 Abs. 1 AsylVfG gilt ein Asylantrag, der nach § 13 Abs. 1 und 2 AsylVfG auch den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erfasst, als zurückgenommen, wenn der Ausländer das Verfahren trotz Aufforderung des Bundesamts länger als einen Monat nicht betreibt (Satz 1). In der Aufforderung ist der Ausländer auf die nach Satz 1 eintretende Folge hinzuweisen (Satz 2). Liegen die Voraussetzungen einer (fiktiven) Antragsrücknahme vor, darf das Bundesamt keine Sachentscheidung mehr über den Asylantrag treffen. Vielmehr hat es nach § 32 AsylVfG in seiner Entscheidung festzustellen, dass das Asylverfahren eingestellt ist und ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 bis 5 oder 7 AufenthG vorliegt (Satz 1). In den Fällen des § 33 AsylVfG ist nach Aktenlage zu entscheiden (Satz 2). Das Bundesamt erlässt ferner eine Abschiebungsandrohung; die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist beträgt nach §§ 34, 38 Abs. 2 AsylVfG eine Woche.

16

Die Vorschriften über die fiktive Rücknahme des Asylantrags im Verwaltungsverfahren bei Nichtbetreiben des Verfahrens und die daran anknüpfende Einstellungsentscheidung des Bundesamts wurden durch das Gesetz zur Neuregelung des Asylverfahrens vom 26. Juni 1992 (BGBl I S. 1126) in das Asylverfahrensgesetz eingefügt. Die in § 33 AsylVfG getroffene Regelung ist der für das Gerichtsverfahren geltenden fiktiven Rücknahme der Klage (§ 81 AsylVfG) nachgebildet (vgl. BTDrucks 12/2062 S. 33). Durch sie soll verhindert werden, dass Ausländer das Asylverfahren durch bewusstes Nichtbetreiben verzögern. Im Hinblick auf den Ausnahmecharakter sowie die weitreichenden Konsequenzen der Vorschrift dürfen die Anforderungen an das Verhalten eines Schutzsuchenden, mit dem dieser sein fortbestehendes Interesse an einer behördlichen Sachentscheidung zum Ausdruck bringen muss, nicht überspannt werden (vgl. zur Betreibensaufforderung im gerichtlichen Verfahren: BVerfG, Beschluss vom 27. Oktober 1998 - 2 BvR 2662/95 - DVBl 1999, 166; BVerwG, Beschluss vom 18. September 2002 - BVerwG 1 B 103.02 - Buchholz 310 § 92 VwGO Nr. 16). Diese bisher nur für die gerichtliche Betreibensaufforderung formulierten Maßstäbe sind auch auf § 33 AsylVfG übertragbar (so auch Funke-Kaiser in: GK-AsylVfG, Stand: Januar 2010, § 33 Rn. 6).

17

Die Aufforderung im Sinne des § 33 Abs. 1 AsylVfG setzt einen bestimmten Anlass voraus, der geeignet ist, Zweifel an dem Bestehen oder Fortbestehen des Sachentscheidungsinteresses zu wecken. Solche Zweifel können sich auch aus einer Vernachlässigung verfahrensrechtlicher Mitwirkungspflichten ergeben; in diesem Fall dient die Betreibensaufforderung dazu, den Ausländer nachdrücklich auf diese Pflichten hinzuweisen (vgl. Urteil vom 23. April 1985 - BVerwG 9 C 48.84 - BVerwGE 71, 213 <219> = Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 3 S. 12; Beschluss vom 18. September 2002 a.a.O.). Berechtigte Zweifel können sich aber nur aus der Verletzung einer Mitwirkungspflicht ergeben, die eine gesetzliche Grundlage hat. Auch die Betreibensaufforderung selbst darf inhaltlich nur auf die Erfüllung einer gesetzlich begründeten Mitwirkungspflicht gerichtet sein. Das Instrument der Betreibensaufforderung stellt sich gerade auch in solchen Fällen als geeignete Reaktion auf eine Vernachlässigung gesetzlicher Mitwirkungspflichten dar, in denen der Ausländer bei der Klärung der Zuständigkeit deutscher Behörden für die Sachentscheidung über das Asylbegehren nicht hinreichend mitwirkt.

18

Die allgemeinen Mitwirkungspflichten von Asylbewerbern und Ausländern, die die Anerkennung als Flüchtling im Sinne von § 3 Abs. 1 und 4 AsylVfG begehren, ergeben sich aus § 15 AsylVfG. Diese Vorschrift wurde ebenfalls durch das Gesetz zur Neuregelung des Asylverfahrens 1992 in das Asylverfahrensgesetz eingefügt. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist der Ausländer persönlich verpflichtet, bei der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken. § 15 Abs. 2 AsylVfG regelt beispielhaft ("insbesondere") einzelne, besonders wichtige Mitwirkungspflichten (BTDrucks 12/2062 S. 30). Danach ist der Ausländer u.a. verpflichtet, den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden die erforderlichen Angaben mündlich und nach Aufforderung auch schriftlich zu machen (Nr. 1), den gesetzlichen oder behördlichen Anordnungen, sich bei bestimmten Behörden oder Einrichtungen zu melden oder dort persönlich zu erscheinen, Folge zu leisten (Nr. 3) und die vorgeschriebenen erkennungsdienstlichen Maßnahmen zu dulden (Nr. 7).

19

3. Anlass zum Erlass einer Betreibensaufforderung kann sich folglich aus der Verletzung der dem Asylbewerber nach § 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylVfG auferlegten Pflicht zur Duldung der vorgeschriebenen erkennungsdienstlichen Maßnahmen ergeben. Zwar lässt sich aus dieser Vorschrift keine Garantieverpflichtung für die Auswertbarkeit der Fingerabdrücke ableiten. Die in § 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylVfG normierte Mitwirkungspflicht umfasst aber auch die Verpflichtung des Asylbewerbers, im Vorfeld einer geplanten Fingerabdrucknahme alle Verhaltensweisen zu unterlassen, die die Auswertbarkeit seiner Fingerabdrücke beeinträchtigen oder vereiteln könnten.

20

Inhalt und Bedeutung der Mitwirkungspflicht des Ausländers bei der erkennungsdienstlichen Behandlung nach § 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylVfG ergeben sich aus dem Sinnzusammenhang der Regelung mit § 16 AsylVfG und den unionsrechtlichen Regelungen zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nach der Verordnung (EG) Nr. 343 des Rates vom 18. Februar 2003 (ABl EU L Nr. 50 vom 25. Februar 2003 S. 1) - sog. Dublin-Verordnung - und der Verordnung vom 11. Dezember 2000 über die Einrichtung von "Eurodac" für den Vergleich von Fingerabdrücken zum Zwecke der effektiven Anwendung des Dubliner Übereinkommens (Abl EG L 316/1) - Eurodac-Verordnung. Zu dulden sind nach Art, Umfang und Zielsetzung die nach § 16 AsylVfG gebotenen erkennungsdienstlichen Maßnahmen, auch wenn der Asylbewerber selbst nicht unmittelbarer Adressat dieser Regelung ist. Auch § 16 AsylVfG wurde durch das Gesetz zur Neuregelung des Asylverfahrens vom 26. Juni 1992 (BGBl I S. 1126) in das Asylverfahrensgesetz eingefügt. Die Vorschrift regelt, welche Mittel der Identitätsfeststellung zulässig sind, wer dafür zuständig ist, wer dabei Amtshilfe leistet, in welchem Rahmen die erhobenen Daten verwendet, gespeichert und übermittelt werden dürfen und wann sie zu löschen sind. In § 16 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG wird die Verpflichtung der zuständigen Behörde zur Sicherung der Identität eines um Asyl nachsuchenden Ausländers durch erkennungsdienstliche Maßnahmen begründet, sofern er das 14. Lebensjahr vollendet hat. Zur Identitätssicherung nach Satz 1 dürfen gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG nur Lichtbilder und Abdrücke aller zehn Finger aufgenommen werden. Nach Satz 3 darf zur Bestimmung des Herkunftsstaats oder der Herkunftsregion auch das gesprochene Wort des Ausländers auf Ton- oder Datenträger aufgezeichnet werden. Dabei ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien das Ziel des Gesetzgebers, durch eine generelle erkennungsdienstliche Behandlung der Gefahr entgegen zu wirken, dass Asylsuchende gleichzeitig oder nacheinander unter verschiedenen Namen und unter Verschweigen des anhängigen oder abgeschlossenen anderweitigen Asylverfahrens einen weiteren Asylantrag stellen (BTDrucks 12/2062 S. 30).

21

Außerdem dient § 16 AsylVfG der Erfüllung der unionsrechtlichen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten aus der Eurodac-Verordnung (BTDrucks 14/7386 S. 59; allgemein S. 36). Nach Art. 4 Abs. 1 der Eurodac-Verordnung ist die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, jedem Asylbewerber, der mindestens 14 Jahre alt ist, unverzüglich die Fingerabdrücke aller Finger abzunehmen und der Eurodac-Zentraleinheit zu übermitteln. Die Zentraleinheit vergleicht sie nach Art. 4 Abs. 3 der Verordnung mit den von anderen Mitgliedstaaten übermittelten und in der zentralen Datenbank bereits gespeicherten Daten, auf Wunsch auch mit früher übermittelten Fingerabdruckdaten des gleichen Mitgliedsstaats (Art. 4 Abs. 4 Verordnung). Zweck des Eurodac-Systems ist es, die Anwendung des Dubliner Übereinkommens über die Bestimmung des für die Prüfung zuständigen Mitgliedsstaats zu erleichtern (Art. 1 Abs. 1 der Eurodac-Verordnung). Um den Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland aus der Eurodac-Verordnung nachzukommen, muss das Bundesamt den Asylbewerbern Fingerabdrücke in einer Qualität abnehmen, die einen Datenabgleich innerhalb des Eurodac-Systems ermöglicht.

22

Dient § 16 AsylVfG jedenfalls auch der Erfüllung der Verpflichtungen aus der Eurodac-Verordnung und verpflichtet § 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylVfG den Ausländer, die in § 16 AsylVfG inhaltlich näher bestimmten erkennungsdienstlichen Maßnahmen zu dulden, ergibt sich daraus für die Abnahme von Fingerabdrücken Folgendes: § 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylVfG ist nur als Duldungspflicht formuliert. Diese soll der Behörde aber erkennungsdienstliche Maßnahmen im Sinne von § 16 Abs. 1 AsylVfG ermöglichen, die zur Auswertung im Eurodac-System geeignet sind. Den Asylsuchenden trifft mit der ihm obliegenden Pflicht zur Duldung dieser erkennungsdienstlichen Maßnahmen zwar nicht die Garantieverpflichtung zu gewährleisten, dass die von ihm abgegebenen Fingerabdrücke im Rahmen des Eurodac-Systems auswertbar sind. Er ist nach § 15 Abs. 2 Nr. 7 i.V.m. § 16 Abs. 1 AsylVfG aber verpflichtet, alle Maßnahmen zu unterlassen, die eine Identitätsfeststellung auf Grundlage der gesetzlichen Vorschriften - einschließlich der Eurodac-Überprüfung - erschweren oder vereiteln (ähnlich Funke-Kaiser in: GK-AsylVfG, § 33, Stand: Mai 2011, Rn. 21.3). Dieser Inhalt der gesetzlichen Verpflichtung des Asylbewerbers ergibt sich hinreichend klar aus einer an Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung orientierten Auslegung, ohne dass es hierfür - wie das Berufungsgericht meint - einer gesetzlichen Neuregelung oder Klarstellung bedarf.

23

Die dem Asylbewerber nach § 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylVfG auferlegte Pflicht zur Duldung der Abnahme seiner Fingerabdrücke und Unterlassung aller Maßnahmen, die eine Verwertbarkeit der Fingerabdrücke zum Zwecke der Identitätsfeststellung erschweren oder vereiteln, ist mit Art. 11 der Richtlinie 2005/85/EG vom 1. Dezember 2005 (Asylverfahrensrichtlinie) vereinbar. Diese Fassung der Verfahrensrichtlinie findet nach der Übergangsregelung in Art. 52 der Richtlinie 2013/32/EU vom 26. Juni 2013 im vorliegenden Verfahren weiterhin Anwendung. Nach Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2005/85/EG können die Mitgliedstaaten die Asylbewerber verpflichten, mit den zuständigen Behörden zusammenzuarbeiten, sofern diese Verpflichtung für die Bearbeitung des Antrags erforderlich ist. Der Katalog der Pflichten in Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie, die Asylbewerbern auferlegt werden dürfen, enthält die Verpflichtung zur Duldung der Abnahme von Fingerabdrücken zwar nicht. Das ist aber auch nicht erforderlich, da es sich nur um Regelbeispiele handelt ("insbesondere"). Die Auferlegung einer Pflicht zur Mitwirkung bei der Abnahme von Fingerabdrücken ist jedoch durch die Generalklausel des Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie gedeckt, wonach die Asylbewerber von den Mitgliedstaaten zu den Mitwirkungshandlungen verpflichtet werden können, die für die Bearbeitung des Asylantrags erforderlich sind. Denn die Abnahme von Fingerabdrücken, die für einen Datenabgleich im Eurodac-System geeignet sind, gehört zu den für die Antragsbearbeitung erforderlichen Pflichten. Dies unterstreicht auch Art. 23 Abs. 4 Buchst. n der Richtlinie, der eine Verpflichtung der Antragsteller zur Abnahme ihrer Fingerabdrücke als nach gemeinschaftsrechtlichen oder nationalen Rechtsvorschriften zumindest möglich voraussetzt. Auch aus der Pflicht der Mitgliedstaaten zur Fingerabdrucknahme nach der Eurodac-Verordnung ergibt sich, dass die Mitgliedstaaten insoweit die Antragsteller zur Duldung der Fingerabdrucknahme verpflichten dürfen.

24

Eine weitergehende Pflicht zur Abgabe auch auswertbarer Fingerabdrücke kann auch nicht aus § 15 Abs. 1 AsylVfG hergeleitet werden. Die in Absatz 2 der Vorschrift speziell geregelten Pflichten sind zwar nicht abschließend ("insbesondere"). Auch soweit Pflichten in Bezug auf erkennungsdienstliche Behandlungen nicht abschließend in § 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylVfG normiert sein sollten, verlangte eine Einstandspflicht für die Auswertbarkeit abgenommener Fingerabdrücke dem Asylbewerber mehr ab, als dieser zumutbar zu leisten vermag; dies bürdete dem Asylbewerber nicht zuletzt auch das Risiko einer ihm nicht zurechenbaren Nichtauswertbarkeit auf.

25

4. Mit dem Instrument der Betreibensaufforderung darf auf die Verletzung der Pflicht zur Mitwirkung an der Identitätsklärung reagiert werden. Dies schließen weder die nationalen noch die unionsrechtlichen Vorschriften über die Behandlung von Asylanträgen aus.

26

§ 30 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG, nach dem ein unbegründeter Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen ist, wenn der Asylbewerber über seine Identität täuscht oder diese Angaben verweigert, bildet keine abschließende Regelung. § 30 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG setzt einen als unbegründet abzulehnenden Asylantrag und damit die Befugnis des Bundesamts für die Sachprüfung des Antrages voraus. Er tritt selbständig neben die Möglichkeit, zur Prüfung dieser Befugnis einen Asylbewerber nach § 33 AsylVfG durch entsprechende Aufforderung zum Betreiben des Verfahrens durch Mitwirkung an der Identitätsfeststellung anzuhalten und im Falle des Nichtbetreibens das Verfahren ohne Sachprüfung einzustellen. Der vorliegende Fall gibt dabei keinen Anlass, das Verhältnis beider Regelungen näher zu bestimmen. Jedenfalls in der hier vorliegenden Fallkonstellation kommt ein Vorgehen nach §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG (Betreibensaufforderung und ggf. die Verfahrenseinstellung) dem gesetzgeberischen Ziel näher, Mehrfachanerkennungen und einander widersprechende Sachentscheidungen über Asylanträge innerhalb der EU zu vermeiden. Denn ohne die Möglichkeit der Verfahrenseinstellung nach §§ 32, 33 AsylVfG im Fall der unzureichenden Mitwirkung bei der Identitätsfeststellung müsste das Bundesamt eine Sachentscheidung über die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft treffen, obwohl ihm dies nach § 60 Abs. 1 Satz 6 i.V.m. Satz 2 AufenthG verwehrt ist, wenn dem Betroffenen die Rechtsstellung eines Konventionsflüchtlings bereits außerhalb der Bundesrepublik Deutschland zuerkannt worden ist. Demgegenüber gewährleistet die Möglichkeit der Verfahrenseinstellung nach §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG, dass über seinen Antrag nicht inhaltlich entschieden wird, wenn der Asylbewerber in zurechenbarer Weise die Klärung seiner Identität verhindert.

27

Auch das Unionsrecht lässt für Fälle der vorliegenden Art Raum für eine Betreibensaufforderung nach § 33 AsylVfG. Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie 2005/85/EG (Asylverfahrensrichtlinie) eröffnet ausdrücklich sowohl die Einstellung des Verfahrens als auch die Ablehnung des Asylantrags als alternative Reaktionen im Falle des Nichtbetreibens des Verfahrens durch den Asylbewerber. Zwar ermöglicht Art. 28 Abs. 2 i.V.m. Art. 23 Abs. 4 Buchst. n der Asylverfahrensrichtlinie den Mitgliedstaaten auch die Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet, wenn der Antragsteller sich weigert, der Verpflichtung zur Abnahme seiner Fingerabdrücke gemäß den einschlägigen Rechtsvorschriften nachzukommen. Hiermit wird jedoch nur eine von mehreren Möglichkeiten eröffnet, wie die Mitgliedstaaten auf die Verletzung der Mitwirkungspflicht reagieren können. Dass insoweit keine abschließende Regelung getroffen wurde, ergibt sich schon daraus, dass Art. 23 Abs. 4 der Asylverfahrensrichtlinie auf die Grundprinzipien nach Kapitel II der Richtlinie verweist, wozu die Möglichkeit der Einstellung der Antragsprüfung nach Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie im Fall der Nichtbetreibung des Verfahrens zählt. Wollte man dem nicht folgen, müsste auch bei ungeklärter Identität des Asylbewerbers stets eine Sachentscheidung ergehen. Dies würde aber dem unionsrechtlichen Ziel der Bestimmung eines - und nur eines - zuständigen Mitgliedstaats für die Asylentscheidung durch Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der Dublin-Verordnung widersprechen.

28

Das Urteil des französischen Cour Nationale du Droit d' Asile vom 21. Februar 2012 (No. 11032252) besagt nichts anderes. Danach widerspricht es französischem Recht, den Asylantrag eines Ausländers wegen fehlender Ausweisdokumente und nicht verwertbarer Fingerabdrücke abzulehnen, ohne sich mit den individuellen Gegebenheiten des Schutzgesuchs auseinanderzusetzen. Die Begründung der Entscheidung bezieht sich nämlich nicht auf Unionsrecht, sondern ausschließlich auf die in Frankreich geltenden nationalen Rechtsvorschriften, in denen eine Verfahrenseinstellung entsprechend den §§ 32, 33 AsylVfG gerade nicht vorgesehen ist.

29

5. Berechtigte Zweifel am Bestehen eines Sachentscheidungsinteresses ergeben sich allerdings nicht allein aus der Unverwertbarkeit der einem Schutzsuchenden abgenommenen Fingerabdrücke. Denn die Unverwertbarkeit von Fingerabdrücken ist nicht zwangsläufig auf eine zielgerichtete Manipulation zurückzuführen. Sie kann ihre Ursache beispielsweise auch in einer genetischen Disposition oder Erkrankung des Betroffenen haben (zur Seltenheit eines angeborenen Fehlens von Papillarleisten vgl. Bettina Burger u.a., Das "Immigrationsverzögerungs-Leiden" in: HAUT 2011 S. 25 f.) oder auf die Folgen einer Chemotherapie zurückzuführen sein. Außerdem kann sie auf einer fehlerhaften Abnahme und/oder Auswertung der Fingerabdrücke durch die Behörde beruhen. Auch eine untypische Häufung von Qualitätsmängeln bei bestimmten Herkunftsländern stellt für sich genommen keinen hinreichenden Anlass dar. Anders verhält es sich jedoch, wenn über die bloße Unverwertbarkeit der Fingerabdrücke hinaus bei der Abnahme konkrete Anhaltspunkte für eine Manipulation der Fingerkuppen bestehen, etwa wenn die Fingerkuppen sichtbare Anomalien aufweisen (z.B. Abschürfungen, Vernarbungen, Schleifspuren, Fehlen von oder auffallend geringe Höhe der Papillarleisten) und der Betroffene diese nicht schlüssig erklären kann. Gleiches gilt bei mehrfacher Unverwertbarkeit der Fingerabdrücke mit unterschiedlichen Fehlstellen. In diesen Fällen besteht der Verdacht, dass der Asylsuchende die Verwertbarkeit seiner Fingerabdrücke durch eigenes Tun vereitelt hat, um so seine wahre Identität zu verschleiern. Ein derartiges Verhalten ist geeignet, Zweifel an der Ernsthaftigkeit seines Asylbegehrens zu begründen. Das Bundesamt ist gut beraten, wenn es dann die Indizien, die auf eine Manipulation hindeuten, und die Einlassung des Betroffenen hinreichend dokumentiert, um im Streitfall das Bestehen berechtigter Zweifel am Vorliegen eines Sachentscheidungsinteresses nachweisen zu können.

30

Liegt ein hinreichender Anlass für den Erlass einer Betreibensaufforderung vor, muss diese folgenden Maßgaben genügen: Eine besondere Form ist für die Betreibensaufforderung nicht vorgeschrieben. Als verfahrensleitende Verfügung braucht sie in Ermangelung einer entsprechenden Regelung nicht förmlich zugestellt zu werden, wie in § 31 Abs. 1 AsylVfG für Entscheidungen über Asylanträge vorgeschrieben (vgl. Urteil vom 7. März 1995 - BVerwG 9 C 264.94 - Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 12 S. 6). Wegen der mit ihrem Zugang in Lauf gesetzten Monatsfrist bedarf es aber eines Nachweises, dass und zu welchem Zeitpunkt die Aufforderung dem Betroffenen tatsächlich zugegangen ist. Außerdem bestehen wegen der einschneidenden Folgen der gesetzlichen Rücknahmefiktion besondere Anforderungen hinsichtlich der inhaltlichen Bestimmtheit einer Betreibensaufforderung. Sowohl der die Betreibensaufforderung auslösende Anlass als auch das von dem Schutzsuchenden erwartete Verhalten sind in der Aufforderung so weit zu individualisieren und zu konkretisieren, dass dieser hinreichend deutlich erkennen kann, warum das Bestehen eines Sachentscheidungsinteresses angezweifelt wird. Schließlich muss klar erkennbar sein, welche konkreten Mitwirkungshandlungen von dem Betroffenen binnen Monatsfrist verlangt werden, um so den Eintritt der gesetzlichen Rücknahmefiktion nach Ablauf eines Monats zu verhindern. Dabei gehen etwaige Unklarheiten hinsichtlich Art und Umfang des vom Ausländer zur Vermeidung der Rücknahmefiktion konkret erwarteten Verhaltens zu Lasten der Behörde.

31

Außerdem ist der Schutzsuchende über die gesetzlich eintretende Rücknahmefiktion zu belehren (§ 33 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG). Dazu gehört, dass er zutreffend und unmissverständlich auf die Monatsfrist des § 33 AsylVfG hingewiesen wird, innerhalb derer er die geforderte Mitwirkung erbringen muss und nach deren Ablauf der Antrag als zurückgenommen gilt, wenn er der Aufforderung nicht nachkommt (Beschluss vom 1. März 2002 - BVerwG 1 B 403.01 - Buchholz 402.25 § 81 AsylVfG Nr. 1). Des Weiteren gebietet der Grundsatz des fairen Verfahrens (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. März 1994 - 2 BvR 2371/93 - DVBl 1994, 631), den Asylbewerber darüber zu belehren, dass das Bundesamt im Fall der Beendigung des Verfahrens ohne weitere Anhörung nach Aktenlage über etwaige Abschiebungsverbote entscheidet (§ 32 AsylVfG). Eines darüber hinausgehenden Hinweises auf den mit einer Einstellungsverfügung im Fall der negativen Entscheidung über Abschiebungsverbote regelmäßig verbundenen Erlass einer Abschiebungsandrohung gemäß § 34 AsylVfG bedarf es jedoch - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht. Denn selbst für einen anwaltlich nicht vertretenen Asylbewerber ist erkennbar, dass die Einstellung seines Asylverfahrens wegen Verletzung einer ihm obliegenden Mitwirkungspflicht bei gleichzeitiger negativer Entscheidung über Abschiebungsverbote die Einleitung aufenthaltsbeendender Maßnahmen zur Folge haben wird. Schließlich muss das Bundesamt den Asylbewerber über den Inhalt der ergangenen Aufforderung und die erforderliche Belehrung über die Monatsfrist und die Folgen ihrer Versäumung - jedenfalls in Fällen, in denen er anwaltlich nicht vertreten ist und die Betreibensaufforderung ihm unmittelbar zugeht - in einer für ihn verständlichen Sprache unterrichten, etwa durch Übersetzung der Betreibensaufforderung (vgl. § 24 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG).

32

Inhaltlich muss eine Betreibensaufforderung auf die Erfüllung einer gesetzlich begründeten Mitwirkungspflicht gerichtet sein. Weiter muss die geforderte Handlung zur weiteren Durchführung des Asylverfahrens erforderlich und dem Schutzsuchenden tatsächlich möglich und zumutbar sein. Wird vom Asylbewerber eine Mitwirkung bei der Abnahme von Fingerabdrücken verlangt, darf die Betreibensaufforderung - wie sich aus oben näher dargelegten Gründen ergibt (Rn. 22, 24) - nur auf die gesetzesunmittelbar bestehende Pflicht hinweisen, im Vorfeld alle Verhaltensweisen zu unterlassen, die die Auswertbarkeit seiner Fingerabdrücke beeinträchtigen oder vereiteln könnten. Auf einen Erfolg der Auswertung der Fingerabdrücke darf sie hingegen nicht gerichtet sein.

33

Auch darf vom Asylbewerber verlangt werden, schriftliche Angaben zu seinen bisherigen Voraufenthalten und zu einer eventuell bereits erfolgten Asylantragstellung zu machen. Eine solche Mitwirkungspflicht ergibt sich aus § 15 Abs. 2 Nr. 1 AsylVfG, wonach der Ausländer verpflichtet ist, dem Bundesamt die erforderlichen Angaben mündlich und nach Aufforderung auch schriftlich zu machen. Zu den erforderlichen Angaben zählen nach § 25 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG (u.a.) auch solche über Reisewege, Aufenthalte in anderen Staaten und dort eingeleitete oder durchgeführte Asylverfahren. Diese Angaben benötigt das Bundesamt, um seine Zuständigkeit im Rahmen der Dublin-Verordnung feststellen zu können und um u.a. die Frage zu klären, ob der Ausländer bereits Schutz in einem sicheren Drittstaat gefunden hat oder aus einem solchen Staat eingereist ist (vgl. § 26a ff. AsylVfG).

34

6. Die Prüfung der Betreibensaufforderungen vom 23. August 2010 und 26. Oktober 2011 anhand der o.g. Vorgaben als Vorfrage für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Einstellungsbescheids führt zu dem Ergebnis, dass das Berufungsurteil in mehrfacher Hinsicht auf der Verletzung von Bundesrecht beruht. Der Senat vermag nicht selbst festzustellen, ob wegen Verdachts der Manipulation der Fingerkuppen des Klägers ein hinreichender Anlass für den Erlass der Betreibensaufforderungen vorlag und der Kläger das Verfahren nicht betrieben hat, weil er gegen seine Mitwirkungspflicht aus § 15 Abs. 2 Nr. 1 oder 7 AsylVfG verstoßen hat.

35

6.1 Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass die dem Kläger in der Betreibensaufforderung vom 23. August 2010 auferlegte Verpflichtung, sich "auswertbare Fingerabdrücke" abnehmen zu lassen, rechtswidrig und unwirksam ist. Wie oben bereits ausgeführt (Rn. 24), lässt sich aus § 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylVfG keine Garantieverpflichtung für die Auswertbarkeit der Fingerabdrücke ableiten.

36

6.2 Das Berufungsurteil verletzt jedoch Bundesrecht, da es die in der Betreibensaufforderung vom 23. August 2010 enthaltene, erkennbar selbständige Verpflichtung zur schriftlichen Darlegung des Reisewegs und der Stellung von Asylanträgen mangels Anhörung durch das Bundesamt als unwirksam erachtet hat (UA Rn. 30). Die Verpflichtung beruht auf § 15 Abs. 2 Nr. 1 AsylVfG und ist inhaltlich nicht zu beanstanden (s.o. Rn. 33). Die Angaben waren zur weiteren Durchführung des Asylverfahrens erforderlich, und es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, warum sie dem Kläger nicht möglich und zumutbar gewesen sein sollten. Die Aufforderung enthält auch den Hinweis auf die Rechtsfolge eines Nichtbetreibens des Verfahrens gemäß § 33 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG, dass der Antrag als zurückgenommen gilt. Darüber hinaus weist sie darauf hin, dass in diesem Fall über das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 5 oder Abs. 7 AufenthG ohne persönliche Anhörung nach Aktenlage zu entscheiden ist. Die Betreibensaufforderung wurde für den Kläger übersetzt (§ 24 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG), und dieser hat den Empfang des Schreibens am 23. August 2010 mit seiner Unterschrift bestätigt. Er hat dieser Aufforderung jedoch keine Folge geleistet.

37

Das würde aber nur dann die gesetzliche Fiktion der Rücknahme des Asylantrags gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auslösen, wenn bei der erkennungsdienstlichen Behandlung am 23. August 2010 für das Bundesamt tatsächlich ein hinreichender Anlass für ein Vorgehen gemäß § 33 AsylVfG bestand. Dieser wäre gegeben, wenn die Fingerkuppen des Klägers zu diesem Zeitpunkt tatsächlich Manipulationsspuren in Gestalt von Verletzungen der Haut sowie schlechter Erkennbarkeit und Beschädigung der Papillarlinien aufgewiesen hätten und der Kläger dies nicht schlüssig zu erklären vermochte, wie das der mit der Abnahme der Fingerabdrücke betraute Mitarbeiter des Bundesamts in einem Vermerk vom gleichen Tag festgehalten hat (BA-Akte Bl. 18). Da der Verwaltungsgerichtshof hierzu -von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent - keine tatsächlichen Feststellungen getroffen hat, nötigt das zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

38

6.3 Das Berufungsgericht hat zudem § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG verletzt, weil es die Betreibensaufforderung vom 26. Oktober 2011 bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Einstellungsbescheids nicht berücksichtigt hat. Denn für die Überprüfung des Bescheids kommt es maßgeblich darauf an, ob die Voraussetzungen der §§ 32, 33 AsylVfG im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht vorlagen. Das ergibt sich aus § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylVfG, wonach das Gericht in Streitigkeiten nach diesem Gesetz auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abstellt. Das hat zur Folge, dass für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Einstellungsbescheids vom 27. Oktober 2010 nicht nur die Betreibensaufforderung vom 23. August 2010, sondern auch die erst nach Bescheidserlass ergangene Betreibensaufforderung vom 26. Oktober 2011 zu berücksichtigen ist. Selbst wenn die erste Betreibensaufforderung zu Unrecht ergangen und der daraufhin ergangene Einstellungsbescheid des Bundesamts ursprünglich rechtswidrig gewesen sein sollte, könnte er durch die Nichterfüllung der in der Betreibensaufforderung vom 26. Oktober 2011 geforderten Mitwirkungspflicht nachträglich rechtmäßig geworden sein. Das Verfahren wäre dann nach Ablauf eines Monats seit Zugang der zweiten Betreibensaufforderung am 28. Oktober 2011 eingestellt.

39

Die Betreibensaufforderung vom 26. Oktober 2011 entspricht - vorbehaltlich des noch aufzuklärenden berechtigten Anlasses - den gesetzlichen Anforderungen. Sie bezeichnet die vom Kläger erwartete Mitwirkungshandlung - das Erscheinen in der Außenstelle des Bundesamts zum Zwecke der erneuten Abnahme von Fingerabdrücken - hinreichend konkret. Auch wird erneut darüber belehrt, dass der Asylantrag als zurückgenommen gilt, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung länger als einen Monat nicht betreibt. Der Klarheit der Belehrung über die Monatsfrist steht nicht entgegen, dass dem Kläger in der Betreibensaufforderung zugleich eine Ladung zu einem Termin zur Abnahme der Fingerabdrücke angekündigt wird. Zum einen lag der mit gesonderten Schreiben anberaumte Termin (24. November 2011) innerhalb der Monatsfrist. Zum anderen entsteht durch den Hinweis auf die Terminsladung keine Unklarheit hinsichtlich der geltenden Monatsfrist. Denn für den Empfänger wurde nicht der Eindruck erweckt, dass der Termin die gesetzliche Monatsfrist für das Betreiben des Verfahrens verkürzt. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers brauchte die Betreibensaufforderung nicht erneut übersetzt zu werden, da sie an seine Verfahrensbevollmächtigten gerichtet war. Dadurch wurden die Grundsätze des fairen Verfahrens schon deshalb nicht verletzt, weil der Kläger auf die Monatsfrist und die Folgen eines Nichtbetreibens bereits am 23. August 2010 in einer für ihn verständlichen Sprache hingewiesen worden war. Weitergehende Übersetzungspflichten ergeben sich auch nicht aus Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2005/85/EG. Eines nochmaligen Hinweises auf die mit einer Verfahrenseinstellung einhergehende Entscheidung über Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 5 oder 7 AufenthG bedurfte es schon deshalb nicht, weil bei Erlass der zweiten Betreibensaufforderung insoweit bereits eine negative Entscheidung vorlag.

40

Materiell war die Betreibensaufforderung vom 26. Oktober 2011 auf eine Mitwirkungshandlung gerichtet, die im Gesetz eine Stütze findet (§ 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylVfG). Denn durch sie wurde der Kläger neben der Pflicht zur Duldung der Abnahme von Fingerabdrücken lediglich darauf hingewiesen, im Vorfeld der geplanten Fingerabdrucknahme alle Verhaltensweisen zu unterlassen, die die Auswertbarkeit seiner Fingerabdrücke beeinträchtigen oder vereiteln könnten. Die Erfüllung dieser von der Kernmitwirkungspflicht umfassten, gesetzesunmittelbaren Unterlassungspflicht war zur weiteren Durchführung des Asylverfahrens erforderlich, und es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, warum sie dem Kläger nicht möglich und zumutbar sein sollte.

41

Auch insoweit fehlen jedoch tatsächliche Feststellungen des Berufungsgerichts dazu, ob für diese Betreibensaufforderung ein hinreichender Anlass bestand. Sollte sich der Manipulationsverdacht des Bundesamts vom 23. August 2010 bestätigen, wäre auch der Erlass der Betreibensaufforderung vom 26. Oktober 2011 gerechtfertigt. Denn auch die - nach Angaben des Bundesamts am 8. September 2010 erfolgte - weitere Abnahme von Fingerabdrücken führte nach Aktenlage nicht zu einem auswertbaren Ergebnis.

42

7. Der Verwaltungsgerichtshof wird nunmehr aufzuklären haben, ob ein hinreichender Anlass zum Erlass der beiden Betreibensaufforderungen bestand. Dabei wird er insbesondere aufklären müssen, ob bei der Abnahme der Fingerabdrücke am 23. August 2010 tatsächlich die in dem Vermerk vom gleichen Tag dokumentierten Anhaltspunkte für eine Manipulation der Fingerkuppen vorlagen und der Kläger hierfür keine nachvollziehbaren Gründe angegeben hat. Einer hautärztlichen Untersuchung bedarf es für die Annahme eines hinreichenden Anlasses für den Erlass einer Betreibensaufforderung in derartigen Fällen grundsätzlich nicht. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Asylbewerber nachvollziehbare Gründe für eine Beschädigung seiner Fingerkuppen, deren besondere Glätte oder eine besonders geringe Ausprägung der Papillarleisten vorträgt. Dabei ist auch der Regenerationszeitraum der Hautzellen zu berücksichtigen, der nach den dem Revisionsgericht vorliegenden (allgemein zugänglichen) Quellen in der Regel vier Wochen beträgt (vgl. Moll, Dermatologie, 7. Aufl. 2010, S. 6 oben - "Turn-over-Zeit" von zweimal zwei Wochen). Bestätigt sich der Manipulationsverdacht, liegen die Voraussetzungen einer rechtmäßigen Betreibensaufforderung zur schriftlichen Darlegung der Voraufenthalte und eventuellen Stellung von Asylanträgen vor. Da der Kläger keine entsprechenden Angaben gemacht hat, wäre das Asylverfahren dann bereits mit Ablauf eines Monats nach Zugang der Betreibensaufforderung vom 23. August 2010 eingestellt. Sollte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis kommen, dass vor Erlass der ersten Betreibensaufforderung kein hinreichender Anlass bestand, wird es weiter zu prüfen haben, ob zumindest die zweite Betreibensaufforderung zu einer Einstellung des Verfahrens geführt hat. Das würde voraussetzen, dass für den Erlass dieser Betreibensaufforderung ein hinreichender Anlass bestand und der Kläger zur vollen Überzeugung des Gerichts das Verfahren infolge Manipulation seiner Fingerkuppen nicht betrieben hat. Für den Fall, dass die Klage im Hauptantrag keinen Erfolg hat, wird es schließlich auch über den Hilfsantrag des Klägers auf Feststellung von Abschiebungsverboten zu entscheiden haben.

(1) Der Ausländer muss selbst die Tatsachen vortragen, die seine Furcht vor Verfolgung oder die Gefahr eines ihm drohenden ernsthaften Schadens begründen, und die erforderlichen Angaben machen. Zu den erforderlichen Angaben gehören auch solche über Wohnsitze, Reisewege, Aufenthalte in anderen Staaten und darüber, ob bereits in anderen Staaten oder im Bundesgebiet ein Verfahren mit dem Ziel der Anerkennung als ausländischer Flüchtling, auf Zuerkennung internationalen Schutzes im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 oder ein Asylverfahren eingeleitet oder durchgeführt ist.

(2) Der Ausländer hat alle sonstigen Tatsachen und Umstände anzugeben, die einer Abschiebung oder einer Abschiebung in einen bestimmten Staat entgegenstehen.

(3) Ein späteres Vorbringen des Ausländers kann unberücksichtigt bleiben, wenn andernfalls die Entscheidung des Bundesamtes verzögert würde. Der Ausländer ist hierauf und auf § 36 Absatz 4 Satz 3 hinzuweisen.

(4) Bei einem Ausländer, der verpflichtet ist, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, soll die Anhörung in zeitlichem Zusammenhang mit der Asylantragstellung erfolgen. Einer besonderen Ladung des Ausländers und seines Bevollmächtigten bedarf es nicht. Entsprechendes gilt, wenn dem Ausländer bei oder innerhalb einer Woche nach der Antragstellung der Termin für die Anhörung mitgeteilt wird. Kann die Anhörung nicht an demselben Tag stattfinden, sind der Ausländer und sein Bevollmächtigter von dem Anhörungstermin unverzüglich zu verständigen.

(5) Bei einem Ausländer, der nicht verpflichtet ist, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, kann von der persönlichen Anhörung abgesehen werden, wenn der Ausländer einer Ladung zur Anhörung ohne genügende Entschuldigung nicht folgt. In diesem Falle ist dem Ausländer Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme innerhalb eines Monats zu geben.

(6) Die Anhörung ist nicht öffentlich. An ihr können Personen, die sich als Vertreter des Bundes, eines Landes oder des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen ausweisen, teilnehmen. Der Ausländer kann sich bei der Anhörung von einem Bevollmächtigten oder Beistand im Sinne des § 14 des Verwaltungsverfahrensgesetzes begleiten lassen. Das Bundesamt kann die Anhörung auch dann durchführen, wenn der Bevollmächtigte oder Beistand trotz einer mit angemessener Frist erfolgten Ladung nicht an ihr teilnimmt. Satz 4 gilt nicht, wenn der Bevollmächtigte oder Beistand seine Nichtteilnahme vor Beginn der Anhörung genügend entschuldigt. Anderen Personen kann der Leiter des Bundesamtes oder die von ihm beauftragte Person die Anwesenheit gestatten.

(7) Die Anhörung kann in geeigneten Fällen ausnahmsweise im Wege der Bild- und Tonübertragung erfolgen.

(8) Über die Anhörung ist eine Niederschrift aufzunehmen, die die wesentlichen Angaben des Ausländers enthält. Dem Ausländer ist eine Kopie der Niederschrift auszuhändigen oder mit der Entscheidung des Bundesamtes zuzustellen.

(1) Das Bundesamt klärt den Sachverhalt und erhebt die erforderlichen Beweise. Das Bundesamt unterrichtet den Ausländer frühzeitig in einer Sprache, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann, über den Ablauf des Verfahrens, über seine Rechte und Pflichten im Verfahren, insbesondere über Fristen und die Folgen einer Fristversäumung, sowie über freiwillige Rückkehrmöglichkeiten. Der Ausländer ist persönlich anzuhören. Von einer Anhörung kann abgesehen werden, wenn das Bundesamt

1.
dem Asylantrag vollständig stattgeben will oder
2.
der Auffassung ist, dass der Ausländer aufgrund dauerhafter Umstände, die sich seinem Einfluss entziehen, nicht zu einer Anhörung in der Lage ist. Im Zweifelsfall ist für die Feststellung der Dauerhaftigkeit der Umstände eine ärztliche Bestätigung erforderlich. Wird von einer Anhörung abgesehen, unternimmt das Bundesamt angemessene Bemühungen, damit der Ausländer weitere Informationen unterbreiten kann.
Von der Anhörung ist abzusehen, wenn der Asylantrag für ein im Bundesgebiet geborenes Kind unter sechs Jahren gestellt und der Sachverhalt auf Grund des Inhalts der Verfahrensakten der Eltern oder eines Elternteils ausreichend geklärt ist. Die Tatsache, dass keine Anhörung stattgefunden hat, darf die Entscheidung nicht negativ beeinflussen. Die Entscheidung nach den Sätzen 4 und 7 ergeht nach Aktenlage.

(1a) Sucht eine große Zahl von Ausländern gleichzeitig um Asyl nach und wird es dem Bundesamt dadurch unmöglich, die Anhörung in zeitlichem Zusammenhang mit der Antragstellung durchzuführen, so kann das Bundesamt die Anhörung vorübergehend von einer anderen Behörde, die Aufgaben nach diesem Gesetz oder dem Aufenthaltsgesetz wahrnimmt, durchführen lassen. Die Anhörung darf nur von einem dafür geschulten Bediensteten durchgeführt werden. Die Bediensteten dürfen bei der Anhörung keine Uniform tragen. § 5 Absatz 4 gilt entsprechend.

(2) Nach Stellung eines Asylantrags obliegt dem Bundesamt auch die Entscheidung, ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegt.

(3) Das Bundesamt unterrichtet die Ausländerbehörde unverzüglich über

1.
die getroffene Entscheidung und
2.
von dem Ausländer vorgetragene oder sonst erkennbare Gründe
a)
für eine Aussetzung der Abschiebung, insbesondere über die Notwendigkeit, die für eine Rückführung erforderlichen Dokumente zu beschaffen, oder
b)
die nach § 25 Abs. 3 Satz 2 Nummer 1 bis 4 des Aufenthaltsgesetzes der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis entgegenstehen könnten.

(4) Eine Entscheidung über den Asylantrag ergeht innerhalb von sechs Monaten. Das Bundesamt kann die Frist auf höchstens 15 Monate verlängern, wenn

1.
sich in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht komplexe Fragen ergeben,
2.
eine große Zahl von Ausländern gleichzeitig Anträge stellt, weshalb es in der Praxis besonders schwierig ist, das Verfahren innerhalb der Frist nach Satz 1 abzuschließen oder
3.
die Verzögerung eindeutig darauf zurückzuführen ist, dass der Ausländer seinen Pflichten nach § 15 nicht nachgekommen ist.
Das Bundesamt kann die Frist von 15 Monaten ausnahmsweise um höchstens weitere drei Monate verlängern, wenn dies erforderlich ist, um eine angemessene und vollständige Prüfung des Antrags zu gewährleisten.

(5) Besteht aller Voraussicht nach im Herkunftsstaat eine vorübergehend ungewisse Lage, sodass eine Entscheidung vernünftigerweise nicht erwartet werden kann, kann die Entscheidung abweichend von den in Absatz 4 genannten Fristen aufgeschoben werden. In diesen Fällen überprüft das Bundesamt mindestens alle sechs Monate die Lage in dem Herkunftsstaat. Das Bundesamt unterrichtet innerhalb einer angemessenen Frist die betroffenen Ausländer über die Gründe des Aufschubs der Entscheidung sowie die Europäische Kommission über den Aufschub der Entscheidungen.

(6) Die Frist nach Absatz 4 Satz 1 beginnt mit der Stellung des Asylantrags nach § 14 Absatz 1 und 2. Ist ein Antrag gemäß dem Verfahren nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31) zu behandeln, so beginnt die Frist nach Absatz 4 Satz 1, wenn die Bundesrepublik Deutschland als für die Prüfung zuständiger Mitgliedstaat bestimmt ist. Hält sich der Ausländer zu diesem Zeitpunkt nicht im Bundesgebiet auf, so beginnt die Frist mit seiner Überstellung in das Bundesgebiet.

(7) Das Bundesamt entscheidet spätestens 21 Monate nach der Antragstellung nach § 14 Absatz 1 und 2.

(8) Das Bundesamt informiert den Ausländer für den Fall, dass innerhalb von sechs Monaten keine Entscheidung ergehen kann, über die Verzögerung und unterrichtet ihn auf sein Verlangen über die Gründe für die Verzögerung und den zeitlichen Rahmen, innerhalb dessen mit einer Entscheidung zu rechnen ist.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 Prozent des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.


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(1) Stellt der Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik Deutschland darüber einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat, im Bundesgebiet einen Asylantrag (Zweitantrag), so ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen; die Prüfung obliegt dem Bundesamt.

(2) Für das Verfahren zur Feststellung, ob ein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, gelten die §§ 12 bis 25, 33, 44 bis 54 entsprechend. Von der Anhörung kann abgesehen werden, soweit sie für die Feststellung, dass kein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, nicht erforderlich ist. § 71 Abs. 8 gilt entsprechend.

(3) Der Aufenthalt des Ausländers gilt als geduldet. Die §§ 56 bis 67 gelten entsprechend.

(4) Wird ein weiteres Asylverfahren nicht durchgeführt, sind die §§ 34 bis 36, 42 und 43 entsprechend anzuwenden.

(5) Stellt der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines Zweitantrags einen weiteren Asylantrag, gilt § 71.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Stellt der Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik Deutschland darüber einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat, im Bundesgebiet einen Asylantrag (Zweitantrag), so ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen; die Prüfung obliegt dem Bundesamt.

(2) Für das Verfahren zur Feststellung, ob ein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, gelten die §§ 12 bis 25, 33, 44 bis 54 entsprechend. Von der Anhörung kann abgesehen werden, soweit sie für die Feststellung, dass kein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, nicht erforderlich ist. § 71 Abs. 8 gilt entsprechend.

(3) Der Aufenthalt des Ausländers gilt als geduldet. Die §§ 56 bis 67 gelten entsprechend.

(4) Wird ein weiteres Asylverfahren nicht durchgeführt, sind die §§ 34 bis 36, 42 und 43 entsprechend anzuwenden.

(5) Stellt der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines Zweitantrags einen weiteren Asylantrag, gilt § 71.

(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Satz 1 gilt nicht, wenn

1.
der Ausländer im Zeitpunkt seiner Einreise in den sicheren Drittstaat im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland war,
2.
die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder
3.
der Ausländer auf Grund einer Anordnung nach § 18 Abs. 4 Nr. 2 nicht zurückgewiesen oder zurückgeschoben worden ist.

(2) Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in Anlage I bezeichneten Staaten.

(3) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, dass ein in Anlage I bezeichneter Staat nicht mehr als sicherer Drittstaat gilt, wenn Veränderungen in den rechtlichen oder politischen Verhältnissen dieses Staates die Annahme begründen, dass die in Artikel 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes bezeichneten Voraussetzungen entfallen sind. Die Verordnung tritt spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft.

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

(1) Stellt der Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik Deutschland darüber einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat, im Bundesgebiet einen Asylantrag (Zweitantrag), so ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen; die Prüfung obliegt dem Bundesamt.

(2) Für das Verfahren zur Feststellung, ob ein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, gelten die §§ 12 bis 25, 33, 44 bis 54 entsprechend. Von der Anhörung kann abgesehen werden, soweit sie für die Feststellung, dass kein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, nicht erforderlich ist. § 71 Abs. 8 gilt entsprechend.

(3) Der Aufenthalt des Ausländers gilt als geduldet. Die §§ 56 bis 67 gelten entsprechend.

(4) Wird ein weiteres Asylverfahren nicht durchgeführt, sind die §§ 34 bis 36, 42 und 43 entsprechend anzuwenden.

(5) Stellt der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines Zweitantrags einen weiteren Asylantrag, gilt § 71.

(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Satz 1 gilt nicht, wenn

1.
der Ausländer im Zeitpunkt seiner Einreise in den sicheren Drittstaat im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland war,
2.
die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder
3.
der Ausländer auf Grund einer Anordnung nach § 18 Abs. 4 Nr. 2 nicht zurückgewiesen oder zurückgeschoben worden ist.

(2) Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in Anlage I bezeichneten Staaten.

(3) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, dass ein in Anlage I bezeichneter Staat nicht mehr als sicherer Drittstaat gilt, wenn Veränderungen in den rechtlichen oder politischen Verhältnissen dieses Staates die Annahme begründen, dass die in Artikel 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes bezeichneten Voraussetzungen entfallen sind. Die Verordnung tritt spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft.

(1) Stellt der Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik Deutschland darüber einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat, im Bundesgebiet einen Asylantrag (Zweitantrag), so ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen; die Prüfung obliegt dem Bundesamt.

(2) Für das Verfahren zur Feststellung, ob ein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, gelten die §§ 12 bis 25, 33, 44 bis 54 entsprechend. Von der Anhörung kann abgesehen werden, soweit sie für die Feststellung, dass kein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, nicht erforderlich ist. § 71 Abs. 8 gilt entsprechend.

(3) Der Aufenthalt des Ausländers gilt als geduldet. Die §§ 56 bis 67 gelten entsprechend.

(4) Wird ein weiteres Asylverfahren nicht durchgeführt, sind die §§ 34 bis 36, 42 und 43 entsprechend anzuwenden.

(5) Stellt der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines Zweitantrags einen weiteren Asylantrag, gilt § 71.

(1) Das Bundesamt stellt das Verfahren ein oder lehnt den Asylantrag nach angemessener inhaltlicher Prüfung ab, wenn der Ausländer das Verfahren nicht betreibt. Sofern das Bundesamt das Verfahren einstellt, entscheidet es nach Aktenlage, ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegt.

(2) Es wird vermutet, dass der Ausländer das Verfahren nicht betreibt, wenn er

1.
einer Aufforderung zur Vorlage von für den Antrag wesentlichen Informationen gemäß § 15 oder einer Aufforderung zur Anhörung gemäß § 25 nicht nachgekommen ist,
2.
untergetaucht ist oder
3.
gegen die räumliche Beschränkung seiner Aufenthaltsgestattung gemäß § 56 verstoßen hat, der er wegen einer Wohnverpflichtung nach § 30a Absatz 3 unterliegt.
Die Vermutung nach Satz 1 gilt nicht, wenn der Ausländer innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung nach Absatz 1 nachweist, dass das in Satz 1 Nummer 1 genannte Versäumnis oder die in Satz 1 Nummer 2 und 3 genannte Handlung auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen. Wurde das Verfahren als beschleunigtes Verfahren nach § 30a durchgeführt, beginnt die Frist nach § 30a Absatz 2 Satz 1 neu zu laufen.

(3) Als Nichtbetreiben des Verfahrens gilt ferner, wenn der Ausländer während des Asylverfahrens in seinen Herkunftsstaat gereist ist.

(4) Der Ausländer ist auf die nach den Absätzen 1 und 3 eintretenden Rechtsfolgen schriftlich und gegen Empfangsbestätigung hinzuweisen.

(5) Ein Ausländer, dessen Asylverfahren gemäß Absatz 1 eingestellt worden ist, kann die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragen. Der Antrag ist persönlich bei der Außenstelle des Bundesamtes zu stellen, die der Aufnahmeeinrichtung zugeordnet ist, in welcher der Ausländer vor der Einstellung des Verfahrens zu wohnen verpflichtet war. Stellt der Ausländer einen neuen Asylantrag, so gilt dieser als Antrag im Sinne des Satzes 1. Das Bundesamt nimmt die Prüfung in dem Verfahrensabschnitt wieder auf, in dem sie eingestellt wurde. Abweichend von Satz 4 ist das Asylverfahren nicht wieder aufzunehmen und ein Antrag nach Satz 1 oder Satz 3 ist als Folgeantrag (§ 71) zu behandeln, wenn

1.
die Einstellung des Asylverfahrens zum Zeitpunkt der Antragstellung mindestens neun Monate zurückliegt oder
2.
das Asylverfahren bereits nach dieser Vorschrift wieder aufgenommen worden war.
Wird ein Verfahren nach dieser Vorschrift wieder aufgenommen, das vor der Einstellung als beschleunigtes Verfahren nach § 30a durchgeführt wurde, beginnt die Frist nach § 30a Absatz 2 Satz 1 neu zu laufen.

(6) Für Rechtsbehelfe gegen eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 5 gilt § 36 Absatz 3 entsprechend.

(1) Das Bundesamt klärt den Sachverhalt und erhebt die erforderlichen Beweise. Das Bundesamt unterrichtet den Ausländer frühzeitig in einer Sprache, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann, über den Ablauf des Verfahrens, über seine Rechte und Pflichten im Verfahren, insbesondere über Fristen und die Folgen einer Fristversäumung, sowie über freiwillige Rückkehrmöglichkeiten. Der Ausländer ist persönlich anzuhören. Von einer Anhörung kann abgesehen werden, wenn das Bundesamt

1.
dem Asylantrag vollständig stattgeben will oder
2.
der Auffassung ist, dass der Ausländer aufgrund dauerhafter Umstände, die sich seinem Einfluss entziehen, nicht zu einer Anhörung in der Lage ist. Im Zweifelsfall ist für die Feststellung der Dauerhaftigkeit der Umstände eine ärztliche Bestätigung erforderlich. Wird von einer Anhörung abgesehen, unternimmt das Bundesamt angemessene Bemühungen, damit der Ausländer weitere Informationen unterbreiten kann.
Von der Anhörung ist abzusehen, wenn der Asylantrag für ein im Bundesgebiet geborenes Kind unter sechs Jahren gestellt und der Sachverhalt auf Grund des Inhalts der Verfahrensakten der Eltern oder eines Elternteils ausreichend geklärt ist. Die Tatsache, dass keine Anhörung stattgefunden hat, darf die Entscheidung nicht negativ beeinflussen. Die Entscheidung nach den Sätzen 4 und 7 ergeht nach Aktenlage.

(1a) Sucht eine große Zahl von Ausländern gleichzeitig um Asyl nach und wird es dem Bundesamt dadurch unmöglich, die Anhörung in zeitlichem Zusammenhang mit der Antragstellung durchzuführen, so kann das Bundesamt die Anhörung vorübergehend von einer anderen Behörde, die Aufgaben nach diesem Gesetz oder dem Aufenthaltsgesetz wahrnimmt, durchführen lassen. Die Anhörung darf nur von einem dafür geschulten Bediensteten durchgeführt werden. Die Bediensteten dürfen bei der Anhörung keine Uniform tragen. § 5 Absatz 4 gilt entsprechend.

(2) Nach Stellung eines Asylantrags obliegt dem Bundesamt auch die Entscheidung, ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegt.

(3) Das Bundesamt unterrichtet die Ausländerbehörde unverzüglich über

1.
die getroffene Entscheidung und
2.
von dem Ausländer vorgetragene oder sonst erkennbare Gründe
a)
für eine Aussetzung der Abschiebung, insbesondere über die Notwendigkeit, die für eine Rückführung erforderlichen Dokumente zu beschaffen, oder
b)
die nach § 25 Abs. 3 Satz 2 Nummer 1 bis 4 des Aufenthaltsgesetzes der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis entgegenstehen könnten.

(4) Eine Entscheidung über den Asylantrag ergeht innerhalb von sechs Monaten. Das Bundesamt kann die Frist auf höchstens 15 Monate verlängern, wenn

1.
sich in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht komplexe Fragen ergeben,
2.
eine große Zahl von Ausländern gleichzeitig Anträge stellt, weshalb es in der Praxis besonders schwierig ist, das Verfahren innerhalb der Frist nach Satz 1 abzuschließen oder
3.
die Verzögerung eindeutig darauf zurückzuführen ist, dass der Ausländer seinen Pflichten nach § 15 nicht nachgekommen ist.
Das Bundesamt kann die Frist von 15 Monaten ausnahmsweise um höchstens weitere drei Monate verlängern, wenn dies erforderlich ist, um eine angemessene und vollständige Prüfung des Antrags zu gewährleisten.

(5) Besteht aller Voraussicht nach im Herkunftsstaat eine vorübergehend ungewisse Lage, sodass eine Entscheidung vernünftigerweise nicht erwartet werden kann, kann die Entscheidung abweichend von den in Absatz 4 genannten Fristen aufgeschoben werden. In diesen Fällen überprüft das Bundesamt mindestens alle sechs Monate die Lage in dem Herkunftsstaat. Das Bundesamt unterrichtet innerhalb einer angemessenen Frist die betroffenen Ausländer über die Gründe des Aufschubs der Entscheidung sowie die Europäische Kommission über den Aufschub der Entscheidungen.

(6) Die Frist nach Absatz 4 Satz 1 beginnt mit der Stellung des Asylantrags nach § 14 Absatz 1 und 2. Ist ein Antrag gemäß dem Verfahren nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31) zu behandeln, so beginnt die Frist nach Absatz 4 Satz 1, wenn die Bundesrepublik Deutschland als für die Prüfung zuständiger Mitgliedstaat bestimmt ist. Hält sich der Ausländer zu diesem Zeitpunkt nicht im Bundesgebiet auf, so beginnt die Frist mit seiner Überstellung in das Bundesgebiet.

(7) Das Bundesamt entscheidet spätestens 21 Monate nach der Antragstellung nach § 14 Absatz 1 und 2.

(8) Das Bundesamt informiert den Ausländer für den Fall, dass innerhalb von sechs Monaten keine Entscheidung ergehen kann, über die Verzögerung und unterrichtet ihn auf sein Verlangen über die Gründe für die Verzögerung und den zeitlichen Rahmen, innerhalb dessen mit einer Entscheidung zu rechnen ist.

(1) Der Ausländer muss selbst die Tatsachen vortragen, die seine Furcht vor Verfolgung oder die Gefahr eines ihm drohenden ernsthaften Schadens begründen, und die erforderlichen Angaben machen. Zu den erforderlichen Angaben gehören auch solche über Wohnsitze, Reisewege, Aufenthalte in anderen Staaten und darüber, ob bereits in anderen Staaten oder im Bundesgebiet ein Verfahren mit dem Ziel der Anerkennung als ausländischer Flüchtling, auf Zuerkennung internationalen Schutzes im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 oder ein Asylverfahren eingeleitet oder durchgeführt ist.

(2) Der Ausländer hat alle sonstigen Tatsachen und Umstände anzugeben, die einer Abschiebung oder einer Abschiebung in einen bestimmten Staat entgegenstehen.

(3) Ein späteres Vorbringen des Ausländers kann unberücksichtigt bleiben, wenn andernfalls die Entscheidung des Bundesamtes verzögert würde. Der Ausländer ist hierauf und auf § 36 Absatz 4 Satz 3 hinzuweisen.

(4) Bei einem Ausländer, der verpflichtet ist, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, soll die Anhörung in zeitlichem Zusammenhang mit der Asylantragstellung erfolgen. Einer besonderen Ladung des Ausländers und seines Bevollmächtigten bedarf es nicht. Entsprechendes gilt, wenn dem Ausländer bei oder innerhalb einer Woche nach der Antragstellung der Termin für die Anhörung mitgeteilt wird. Kann die Anhörung nicht an demselben Tag stattfinden, sind der Ausländer und sein Bevollmächtigter von dem Anhörungstermin unverzüglich zu verständigen.

(5) Bei einem Ausländer, der nicht verpflichtet ist, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, kann von der persönlichen Anhörung abgesehen werden, wenn der Ausländer einer Ladung zur Anhörung ohne genügende Entschuldigung nicht folgt. In diesem Falle ist dem Ausländer Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme innerhalb eines Monats zu geben.

(6) Die Anhörung ist nicht öffentlich. An ihr können Personen, die sich als Vertreter des Bundes, eines Landes oder des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen ausweisen, teilnehmen. Der Ausländer kann sich bei der Anhörung von einem Bevollmächtigten oder Beistand im Sinne des § 14 des Verwaltungsverfahrensgesetzes begleiten lassen. Das Bundesamt kann die Anhörung auch dann durchführen, wenn der Bevollmächtigte oder Beistand trotz einer mit angemessener Frist erfolgten Ladung nicht an ihr teilnimmt. Satz 4 gilt nicht, wenn der Bevollmächtigte oder Beistand seine Nichtteilnahme vor Beginn der Anhörung genügend entschuldigt. Anderen Personen kann der Leiter des Bundesamtes oder die von ihm beauftragte Person die Anwesenheit gestatten.

(7) Die Anhörung kann in geeigneten Fällen ausnahmsweise im Wege der Bild- und Tonübertragung erfolgen.

(8) Über die Anhörung ist eine Niederschrift aufzunehmen, die die wesentlichen Angaben des Ausländers enthält. Dem Ausländer ist eine Kopie der Niederschrift auszuhändigen oder mit der Entscheidung des Bundesamtes zuzustellen.

(1) Stellt der Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik Deutschland darüber einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat, im Bundesgebiet einen Asylantrag (Zweitantrag), so ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen; die Prüfung obliegt dem Bundesamt.

(2) Für das Verfahren zur Feststellung, ob ein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, gelten die §§ 12 bis 25, 33, 44 bis 54 entsprechend. Von der Anhörung kann abgesehen werden, soweit sie für die Feststellung, dass kein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, nicht erforderlich ist. § 71 Abs. 8 gilt entsprechend.

(3) Der Aufenthalt des Ausländers gilt als geduldet. Die §§ 56 bis 67 gelten entsprechend.

(4) Wird ein weiteres Asylverfahren nicht durchgeführt, sind die §§ 34 bis 36, 42 und 43 entsprechend anzuwenden.

(5) Stellt der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines Zweitantrags einen weiteren Asylantrag, gilt § 71.

Tenor

1. Den Antragstellern wird für das vorliegende Verfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und zur vorläufigen unentgeltlichen Wahrnehmung der Rechte Rechtsanwältin T.      aus Berlin zu den für einen im Gerichtsbezirk ansässigen Rechtsanwalt geltenden Bedingungen beigeordnet.

2. Die aufschiebende Wirkung der Klage 8 K 370/15.A gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 14. Januar 2015 wird angeordnet.

    Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens, in dem Gerichtskosten nicht erhoben werden.


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(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

(1) Stellt der Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik Deutschland darüber einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat, im Bundesgebiet einen Asylantrag (Zweitantrag), so ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen; die Prüfung obliegt dem Bundesamt.

(2) Für das Verfahren zur Feststellung, ob ein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, gelten die §§ 12 bis 25, 33, 44 bis 54 entsprechend. Von der Anhörung kann abgesehen werden, soweit sie für die Feststellung, dass kein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, nicht erforderlich ist. § 71 Abs. 8 gilt entsprechend.

(3) Der Aufenthalt des Ausländers gilt als geduldet. Die §§ 56 bis 67 gelten entsprechend.

(4) Wird ein weiteres Asylverfahren nicht durchgeführt, sind die §§ 34 bis 36, 42 und 43 entsprechend anzuwenden.

(5) Stellt der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines Zweitantrags einen weiteren Asylantrag, gilt § 71.

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

(1) Stellt der Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik Deutschland darüber einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat, im Bundesgebiet einen Asylantrag (Zweitantrag), so ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen; die Prüfung obliegt dem Bundesamt.

(2) Für das Verfahren zur Feststellung, ob ein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, gelten die §§ 12 bis 25, 33, 44 bis 54 entsprechend. Von der Anhörung kann abgesehen werden, soweit sie für die Feststellung, dass kein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, nicht erforderlich ist. § 71 Abs. 8 gilt entsprechend.

(3) Der Aufenthalt des Ausländers gilt als geduldet. Die §§ 56 bis 67 gelten entsprechend.

(4) Wird ein weiteres Asylverfahren nicht durchgeführt, sind die §§ 34 bis 36, 42 und 43 entsprechend anzuwenden.

(5) Stellt der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines Zweitantrags einen weiteren Asylantrag, gilt § 71.

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

Tenor

I.

Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die in dem Bescheid der Antragsgegnerin vom 25. November 2015 in Nr. 3 enthaltene Abschiebungsandrohung wird angeordnet.

II.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist Palästinenser aus ..., arabischer Volkszugehörigkeit und sunnitischer Glaubensrichtung. Nach eigenen Angaben verließ er im Sommer 2009 sein Herkunftsland und reiste auf dem Landweg über Ägypten (6 Tage), Türkei (1 Monat), Bulgarien (4 Jahre), Serbien (1 Woche), Ungarn (4 Tage) und Österreich (6 Tage) am 15. Juni 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Laut Eurodac-Abfrage stellte der Kläger Asylanträge in Bulgarien (am 2.12.2009, am 20.9.2011, am 26.6.2012 und am 14.2.2014), Ungarn (am 10.6.2014) und Österreich (am 11.6.2014).

Bei der Asylantragstellung am 8. Juli 2014 in der Außenstelle München des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im folgenden Bundesamt) erklärte der Antragsteller, er habe sich gewöhnlich in Syrien aufgehalten.

Auf Anfrage des Bundesamtes teilte die Dublin Unit der Republik Bulgarien mit Schreiben vom 30. Januar 2015 (Bl. 54 der Behördenakte - d. BA) mit, dass der Antragsteller mehrfach in Bulgarien einen Asylantrag gestellt habe. Sein letzter Antrag vom 14. Februar 2014 sei mit Bescheid vom 20. Mai 2014 abgelehnt worden.

Mit Schreiben vom 10. Juli 2015 wurde dem Antragsteller Gelegenheit gegeben, zu den Ergebnissen der in anderen Mitgliedstaaten durchgeführten Schutzverfahren Stellung zu nehmen. Er wurde darauf hingewiesen, dass bei einem erfolglosen Verfahren im ersten Mitgliedstaat Voraussetzung für die Durchführung eines weiteren Verfahrens in Deutschland sei, dass sich die Lage nach dem Verlassen des Mitgliedstaates, in dem zuerst Schutz beantragt wurde, geändert habe oder neue Umstände oder Erkenntnisse vorliegen müssten, die eine günstigere Entscheidung ermöglichen würden.

Am 4. August 2015 ließ der Antragsteller dem Bundesamt durch seinen Bevollmächtigten eine Stellungnahme, datiert auf den 23. Juli 2015 (Bl. 77 f. d. BA), übersenden, in der er erklärte, sein Antrag auf Schutz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union sei abgelehnt worden. Auf die Frage nach Gründen, die einer Rückkehr in sein Heimatland entgegenstehen, erklärte der Antragsteller, nicht in seine Heimat zurückkehren zu können, weil er Angst um sein Leben habe. Sein Bruder sei verhaftet und ins Gefängnis verbracht worden, um den Antragsteller zur Rückkehr zu zwingen. Die Organisation Hamas verfolge seine Familie und ihn. Sie werfe ihm wahrheitswidrig vor, während der Revolution 2007 jemanden getötet zu haben. Seine Familie und er würden verfolgt, weil sie Anhänger von Arafat und der PLO seien. Sein Vater sei wegen des Antragstellers von der Hamas derart terrorisiert worden, dass er an einem Herzinfarkt verstorben sei. Die Grenzen des ... seien auf beiden Seiten gut bewacht, so dass es keine Möglichkeit gebe, in seine Heimat zurückzukehren. In das Land könnten nicht einmal Nahrungsmittel oder Medizin geschleust werden. Den Menschen dort fehle es an allem und sie würden dort politisch unterdrückt. Zudem sei seine rechte Hand von einer Phosphorbombe stark verletzt worden, weshalb er stark traumatisiert sei.

Am 22. September 2015 wurde dem Antragsteller rechtliches Gehör zum Einreise- und Aufenthaltsverbot (§ 11 Abs. 1 und 2 Aufenthaltsgesetz - AufenthG) gewährt.

Mit Schreiben vom 9. Oktober 2015 wiederholte und vertiefte der Bevollmächtigte des Antragstellers sein bisheriges Vorbringen.

Das Bundesamt lehnte mit Bescheid vom 25. November 2015, der als Einschreiben am 25. November 2015 laut Aktenvermerk (Bl. 107 d. BA) zur Post gegeben wurde, den Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ab (Nr. 1), verneinte Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG (Nr. 2), forderte den Antragsteller unter Androhung der Abschiebung nach Israel (Palästinensisches Autonomiegebiet/...) auf, Deutschland innerhalb einer Woche zu verlassen (Nr. 3), und befristete das gesetzliche Einreise und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf dreißig Monate ab dem Tag der Abschiebung (Nr. 4). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antragsteller bereits in seinem bulgarischen Asylverfahren die Gelegenheit gehabt habe, den Sachverhalt mitzuteilen, auf den er sich nach dem Inhalt seiner Stellungnahme auch jetzt in Deutschland beruft. Soweit der Antragsteller ohne nähere Zeitangaben ausführe, der Bruder sei seinetwegen verhaftet worden und sein Vater sei wegen des Terrors der Hamas an einem Herzinfarkt verstorben, sei unklar, ob diese Angaben bereits im bulgarischen Asylverfahren haben berücksichtigt werden können. Der bei Übersendung der Stellungnahme bereits anwaltlich vertretene Antragsteller wäre jedoch verpflichtet gewesen, die genannten Umstände zeitlich einzuordnen, um die Prüfung der Voraussetzungen von § 51 Abs. 2 und 3 VwVfG zu ermöglichen. Da er dies versäumt habe, sei sein Vorbringen insoweit unschlüssig. Zu einer weiteren Sachverhaltsaufklärung, etwa durch eine (informatorische) Anhörung, sei das Bundesamt im Hinblick auf die Umstände des vorliegenden Falles nicht verpflichtet. Der Antragsteller habe in Europa mehrere erfolglose Asylverfahren betrieben und halte sich seit mindestens sechs Jahren außerhalb seiner Heimatregion ... auf. Aus dem zeitlichen Ablauf der Asylantragstellung (in Ungarn und Österreich habe der Antragsteller das Ergebnis der Asylverfahren gar nicht abgewartet, sondern sei sofort weitergereist) sei abzuleiten, dass er nach der Ablehnung seiner Asylanträge in Bulgarien jedenfalls in Ungarn, Österreich und Deutschland nicht wirklich Schutz vor Verfolgung begehrt habe bzw. begehre, sondern diese Asylanträge aus anderen Motiven gestellt habe. Eine Anhörung sei nach § 71a Abs. 2 Satz 2 Asylgesetz (AsylG) nicht erforderlich, weil der Sachverhalt durch die Erstbefragung vom 8. Juli 2014 und die schriftliche Stellungnahme des Antragstellers hinreichend geklärt sei. Gegen die Glaubwürdigkeit des Antragstellers spreche, dass dieser im deutschen Asylverfahren zunächst wahrheitswidrig behauptet habe, in Syrien gelebt zu haben. Diese Behauptung stehe im Widerspruch zu seiner Angabe, er sei vom Heimatland nach Ägypten ausgereist; in der Stellungnahme habe der Antragsteller den ... als seine Heimat bezeichnet. Zudem lägen Abschiebungsverbote nicht vor. Dem Antragsteller drohe im ... mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit keine durch einen staatlichen oder nichtstaatlichen Akteur verursachte Folter und relevante unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung. Dabei sei nicht entscheidungserheblich, ob die Hamas im ... staatliche Gewalt ausübe oder als nichtstaatlicher Akteur anzusehen sei. Der Antragsteller habe durch seine Stellungnahme nicht glaubhaft gemacht, dass für ihn gegenwärtig, mindestens sechs Jahre nach seiner Ausreise aus ..., dort noch die konkrete Gefahr der Folter, Misshandlung oder erniedrigenden Bestrafung bestehe. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in ... führten nicht zu der Annahme, dass bei seiner Abschiebung des Antragstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Die hierfür vom EGMR geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Wenngleich die wirtschaftliche Lage der Bevölkerung im ... durch israelische Handelsblockaden beeinträchtigt sei und das hohe Bevölkerungswachstum für die langfristige Entwicklung als sehr problematisch zu bezeichnen sei, bestehe gegenwärtig noch keine akute humanitäre Notlage. Der Antragsteller habe eine ihm drohende individuelle Gefahr nach § 60 Abs. 7 AufenthG im... nicht überzeugend dargelegt. Die Abschiebungsandrohung sei nach § 71 a Abs. 4 AsylG i. V. m. § 34 Abs. 1 AsylG und § 59 AufenthG zu erlassen. Die Ausreisefrist von einer Woche ergebe sich aus § 71 a Abs. 4 AsylG i. V. m. § 36 Abs. 1 AsylG. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG werde nach § 11 Abs. 2 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Die Befristung auf 30 Monate sei im vorliegenden Fall angemessen, da der Antragsteller im Bundesgebiet über keine wesentlichen Bindungen verfüge, die im Rahmen der Ermessensprüfung zu berücksichtigen wären.

Der Bevollmächtigte des Antragstellers erhob mit Schriftsatz vom 4. Dezember 2015 Klage (M 17 K 15.31601). Gleichzeitig beantragte er mit Schriftsatz vom 4. Dezember 2015, dem Verwaltungsgericht München am selben Tage zugegangen,

die aufschiebende Wirkung der Klage vom 4. Dezember 2015 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 25. November 2015 anzuordnen.

Zur Begründung wurde auf die Angaben gegenüber dem Bundesamt Bezug genommen.

Die Antragsgegnerin legte die Behördenakten vor, äußerte sich in der Sache jedoch nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

1. Bei interessengerechter Auslegung (§§ 122 Abs. 1, 88 VwGO) ist der Eilantrag allein auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die im angegriffenen Bundesamtsbescheid unter Ziffer 3. des Tenors ausgesprochene Abschiebungsandrohung gerichtet.

2. Der zulässige Antrag, die kraft Gesetzes (§ 75 AsylG) ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung im streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamtes nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anzuordnen, hat in der Sache Erfolg, da an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 25. November 2015 ernstliche rechtliche Bedenken bestehen (§ 71a Abs. 4 i. V. m. § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG).

Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG setzt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage voraus, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes des Bundesamtes bestehen. Ernstliche Zweifel im Sinne des § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprächen, dass sie einer rechtlichen Prüfung im Hauptsacheverfahren wahrscheinlich nicht standhalten. Dies ist hier der Fall.

Nach § 71a AsylG ist nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a AsylVfG), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik Deutschland einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat, im Fall eines Asylantrags im Bundesgebiet (Zweitantrag) ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG (Wiederaufgreifen des Verfahrens) vorliegen.

Zwar ist davon auszugehen, dass in Bulgarien ein Asylverfahren erfolglos im Sinne des § 71a AsylG abgeschlossen wurde und die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist (2.1.), jedoch bestehen ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Antragsgegnerin, da das Bundesamt den Antragsteller vor der Entscheidung nicht persönlich angehört hat (2.2.) sowie erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Voraussetzungen des § 51 VwVfG vorliegen und damit ein weiteres Asylverfahren in der Bundesrepublik Deutschland durchzuführen ist (2.3.). Insoweit kann offen bleiben, ob § 71a AsylG unionsrechtskonform ist (VG Berlin, B. v. 17.7.2015 - 33 L 164/15.A - juris Rn. 10 ff.; VG München, U. v. 7.2.2013 - M 11 K 12.30661 - juris Rn. 21; a. A. Marx, AsylVfG, 8. Aufl. (2014), § 71a Rn. 3 ff.).

2.1. Nach den vorliegenden Erkenntnissen ist davon auszugehen, dass es sich bei dem am 8. Juli 2014 in der Außenstelle München des Bundesamtes gestellten Asylantrag um einen Zweitantrag im Sinne des § 71a AsylG handelt, da ein Asylverfahren in dem sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG) Bulgarien, erfolglos abgelehnt wurde. Der Antragsteller gab in dem von ihm am 23. Juli 2015 ausgefüllten Fragebogen selbst an, dass sein Antrag auf Zuerkennung des internationalen Schutzes in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union abgelehnt wurde (Bl. 77 d. BA). Der erfolglose Abschluss eines Asylverfahrens in Bulgarien wird darüber hinaus durch die Stellungnahme der Dublin Unit Bulgaria vom 30. Januar 2015 (Bl. 54 d. BA) bestätigt. Darin wurde auf Anfrage dem Bundesamt mitgeteilt, dass der letzte Asylantrag des Antragstellers vom 14. Februar 2014 mit Bescheid vom 20. Mai 2014 abgelehnt wurde („His last application dated 14.02.2014 and was rejected with decision dated 20.05.2014“).

Die Bundesrepublik Deutschland ist nach Ablauf der Überstellungsfrist nach Art. 23 Abs. 2 und Abs. 3 VO (EG) Nr. 604/2013 (Dublin III-VO) für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig.

2.2. Gleichwohl bestehen ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Antragsgegnerin, da sie den Antragsteller vor der Entscheidung nicht persönlich angehört hat. Nach § 71a Abs. 2 Satz 1 AsylG gelten für das Verfahren zur Feststellung, ob ein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, die §§ 12 bis 25, 33, 44 bis 54 AsylG entsprechend. Ein Asylsuchender ist nach § 24 Abs. 1 Satz 3 und § 25 AsylG zwingend zu seinem Verfolgungsschicksal persönlich anzuhören. Mit dieser Pflicht korrespondiert zugleich ein subjektives Recht des Asylbewerbers auf eine persönliche Anhörung (Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2013/32/EU). Sie bildet neben der Sachverhaltsermittlung das Kernstück des Verfahrens vor dem Bundesamt und kann weder durch die Anhörung eines Vertreters noch durch eine schriftliche Stellungnahme ersetzt werden (Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016 § 25 Rn. 12).

Nach § 71a Abs. 2 Satz 2 AsylG kann von einer persönlichen Anhörung nur dann abgesehen werden, soweit sie für die Feststellung, dass kein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, nicht erforderlich ist. Hiervon dürfte zumindest i.d.R. von vornherein nur dann ausgegangen werden können, wenn aufgrund etwa vorliegender schriftlicher Ausführungen je nach deren Ausführlichkeit bereits zuverlässig und sicher beurteilt werden kann, dass das Vorbringen eindeutig (offensichtlich) unschlüssig ist (Funke-Kaiser, in: GK-AsylG, 104. Aktualisierung 2015, § 71a Rn. 23 ff.). Nach Teilen der Literatur und der Rechtsprechung (vgl. Marx, AsylVfG, 8. Aufl. (2014), § 71a Rn. 16; VG Aachen, B. v. 4.8.2015 - 8 L 171/15.A - juris Rn. 25) kann von einer persönlichen Anhörung sogar nur dann abgesehen werden, wenn das Bundesamt die Akten des Asylverfahrens eines anderen Mitgliedstaats vorliegen hat. Denn nur dann ist der von § 51 VwVfG vorausgesetzte Vergleich möglich, ob ein neues Vorbringen vorliegt.

Das Bundesamt hat die Akten über das Verfahren des Antragstellers in Bulgarien nicht beigezogen. Es ist deshalb schon nicht ersichtlich, auf welche Tatsachengrundlage es seine Entscheidung gestützt hat. Aber auch die schriftliche Stellungnahme des Antragstellers vom 23. Juli 2015 genügt nicht, um nach den Anforderungen des § 71a Abs. 2 Satz 2 AsylG von einer persönlichen Anhörung abzusehen. Aus der Stellungnahme kann nicht bereits zuverlässig und sicher das Vorbringen des Antragstellers als eindeutig (offensichtlich) unschlüssig beurteilt werden. Der Antragsteller schildert in seinen schriftlichen Ausführungen vom 23. Juli 2015 im Wesentlichen, aus Angst um sein Leben nicht mehr in sein Herkunftsland zurückkehren zu können, da er Repressionen von Mitgliedern der Hamas befürchte. Zudem sei seine rechte Hand von einer Phosphorbombe stark verletzt worden, weshalb er stark traumatisiert sei. Dass dieser Vortrag von vornherein und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt, weder einen Verfolgungsgrund noch ein Abschiebungsverbot zu begründen vermag, kann im Hinblick auf die Herkunftsregion Palästinensisches Autonomiegebiet/... nach der derzeitigen Erkenntnislage nicht mit der gebotenen Sicherheit dargetan werden. Jedenfalls, wenn es für die Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG auf die Glaubhaftigkeit des Antragstellers ankommt, ist eine persönliche Anhörung im Verfahren nach § 71a AsylVfG erforderlich. Dadurch dass das Bundesamt die Glaubwürdigkeit des Antragstellers aufgrund seiner Behauptung, er habe in Syrien gelebt, in Frage stellt, hätte es bereits aus diesem Grund eine persönliche Anhörung durchführen müssen.

Den Ausführungen des Bundesamtes, eine Anhörung sei nicht erforderlich, weil der Sachverhalt durch die Erstbefragung vom 8. Juli 2014 und die schriftliche Stellungnahme des Antragstellers hinreichend geklärt sei, kann daher wegen der dem Antragsteller zur Last gelegten Widersprüchlichkeit seiner Angaben nicht gefolgt werden.

Insbesondere der Umstand, dass der Antragsteller in Europa mehrere erfolglose Asylverfahren betrieben hat und sich seit mindestens sechs Jahren außerhalb seiner Heimatregion … aufhält, vermag ein Absehen von einer persönlichen Anhörung ebenfalls nicht ermessensfehlerfrei zu begründen. Dieser Umstand erfüllt für sich gesehen nicht die Voraussetzung, dass die Anhörung für die Feststellung, dass kein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, nicht erforderlich ist (§ 71a Abs. 2 Satz 2 AsylG). Der erfolglose Abschluss eines Asylverfahrens ist nur ein Tatbestandsmerkmal des § 71a Abs. 1 AsylG. Ob hingegen auch Wiederaufgreifensgründe nach § 51 VwVfG vorliegen, kann allein mit der Kenntnis über in anderen Mitgliedstaaten erfolglos abgeschlossene Asylverfahren nicht mit hinreichender Sicherheit beurteilt werden. Aus dem zeitlichen Ablauf der Asylantragstellung (in Ungarn und Österreich habe der Antragsteller das Ergebnis der Asylverfahren gar nicht abgewartet, sondern sei sofort weitergereist) kann das Bundesamt nicht die Hypothese ableiten, dass der Antragsteller nach der Ablehnung seiner Asylanträge in Bulgarien jedenfalls in Ungarn, Österreich und Deutschland nicht wirklich Schutz vor Verfolgung begehre, sondern diese Asylanträge aus anderen Motiven gestellt habe. Diese als Hypothese formulierte Vermutung entbehrt der erforderlichen Tatsachengrundlagen.

2.3. Ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides des Bundesamtes vom 25. November 2015 bestehen auch deshalb, weil erhebliche Gründe dafür sprechen, dass Wiederaufgreifensgründe nach §§ 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG71a Abs. 1 Halbsatz 1 AsylG) im Falle des Antragstellers vorliegen und damit der streitgegenständliche Bescheid einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U. v. 14.5.1996 - 2 BvR 1516/93 - BVerfGE 94, 166 ff.).

§ 51 VwVfG verlangt, dass sich die der Erstentscheidung zugrundeliegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Asylbewerbers geändert hat (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG), neue Beweismittel vorliegen, die eine für den Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG) oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO gegeben sind (§ 51 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG).

Ein weiteres Asylverfahren ist nur durchzuführen, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außer Stande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf geltend zu machen (§ 51 Abs. 2 VwVfG). Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden, wobei die Frist mit dem Tag beginnt, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat (§ 51 Abs. 3 VwVfG).

2.3.1. Da der Lauf der dreimonatigen Präklusionsfrist frühestens mit der Einreise des Antragstellers in das Bundesgebiet am 15. Juni 2014 beginnt (Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, § 71a AsylVfG, Rn. 29; Bruns in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 71a AsylVfG Rn. 11) ist die Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG mit Asylantragstellung am 8. Juli 2014 gewahrt.

2.3.2. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass keine nachträgliche Sach- und Rechtsänderung (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG) zugunsten des Antragstellers seit der ablehnenden Entscheidung der bulgarischen Behörden am 20. Mai 2014 eingetreten ist. Zwar ist eine wesentliche Veränderung der politischen Lage und der Machtverhältnisse im Palästinensischen Autonomiegebiet seit der Regierungsübernahme der Hamas im Jahr 2007 nicht eingetreten. Die vorrangig in Betracht kommenden Auseinandersetzungen zwischen der den ... dominierenden Hamas sowie gemäßigteren palästinensischen Organisationen, insbesondere der Fatah, sind jedenfalls im ... nach Abschluss des Versöhnungsabkommens (vgl. dazu etwa, FR v. 14.5.2011, SZ v. 29.4.2011, ICG v. 20.7.2011 sowie „Die Zeit (online)“ v. 25.11.2011) bereits seit geraumer Zeit weitgehend eingestellt (so bereits OVG Nds, U. v. 26.1.2012 - 11 LB 97/11 - juris); im Juni 2014 einigten sich Fatah, Hamas und weitere palästinensische Fraktionen auf eine nationale Einheitsregierung aus parteiungebundenen Ministern (FAZ v. 8.12.2015; amnesty international report 2015 Palästina, https://www.amnesty.de/jahresbericht/2015/palaestina). Angesichts der fortdauernden Annäherung zwischen Hamas und Fatah ist derzeit jedenfalls auch keine Verschlechterung der Lage hinsichtlich eines innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes im Sinne des § 4 AsylG absehbar (VG München, U. v. 1.2.2016 - M 17 K 16.30040). Grundsätzlich könnte aber eine geänderte Sachlage im Palästinensischem Autonomiegebiet durch die Militäroperation der israelischen Verteidigungsstreitkräfte (Operation Protective Edge), die am 26. August 2014 beendet wurde, eingetreten sein, da seither eine latent fortbestehende, in ihrem Ausmaß nunmehr schwankenden Auseinandersetzungen zwischen Israel, und der Hamas als faktische Machthaber im … besteht (zu der gleichwohl für einen anzunehmenden bewaffneten innerstaatlichen Konflikt fehlende Gefahrendichte vgl. VG München, U. v. 1.2.2016 - M 17 K 16.30040).

2.3.3. Zudem sprechen derzeit - solange die bulgarische Asylverfahrensakte nicht vorliegt und sich daraus nichts Gegenteiliges ableiten lässt - gravierende Gründe dafür, dass der Antragsteller ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren in Bulgarien geltend zu machen.

a) Zum einen ist zweifelhaft, ob der Antragsteller sämtliche Verfolgungsgründe bereits in dem bulgarischen Asylverfahren vorgebracht hat bzw. dort hätte vorbringen können. Soweit der Antragsteller schildert, dass sein Bruder durch die Hamas verhaftet und ins Gefängnis verbracht worden sei, um den Antragsteller zur Rückkehr zu zwingen, was möglicherweise - bei Unterstellung der Glaubhaftigkeit dieses Vorbringens - zu einer qualitätsmäßigen Änderung des individuell für sich geltend gemachten Verfolgungsgrundes führen könnte, fehlt es an einer zeitlichen Einordnung dieses Ereignisses. Entgegen der Auffassung des Bundesamtes geht dies nicht zulasten des Antragstellers, da ihm wegen der unterlassenen persönlichen Anhörung gerade die Möglichkeit genommen wurde, seine Verfolgungsgründe nachvollziehbar und plausibel darzulegen, worunter auch die zeitliche Konkretisierung der geschilderten Ereignisse fällt.

b) Aber selbst hinsichtlich der Verfolgungsgründe, die der Antragsteller in zeitlicher Hinsicht bereits in dem bulgarischen Asylverfahren hätte vorbringen können (Verfolgung durch die Hamas, Traumatisierung durch Verletzung aufgrund einer Phosphorbombe), spricht vieles dafür, dass der Betroffene ohne grobes Verschulden außer Stande war, diese Gründe in dem bulgarischen Asylverfahren geltend zu machen (§ 51 Abs. 2 VwVfG).

Ein Asylverfahren im Sinne des § 71a AsylVfG ist jedes Asylverfahren, das im Einklang mit den Regeln der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK durchgeführt wurde (VG Aachen, B. v. 4.8.2015 - 8 L 171/15.A - juris). Für die sichereren Vertragsstaaten ist aufgrund des Konzepts der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U. v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 - BVerfGE 94, 49, juris Rn. 181) bzw. des hinter der Schaffung eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (vgl. Art. 78 AEUV) stehenden „Prinzips des gegenseitigen Vertrauens“, das auf der Annahme beruht, alle daran beteiligten Staaten, ob Mitgliedstaaten oder Drittstaaten, beachten die Grundrechte, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Richtlinie 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie - QualRL), der GFK sowie in der EMRK finden (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 und 493/19, C-411/10, C-493/10 - Slg 2011, I-13905, juris Rn. 10 ff., 75, 78, 80) keine Prüfung der Beachtung der Regeln im Einzelfall erforderlich. Eine Ausnahme hiervon kommt nur in Sondersituationen in Betracht (Vgl. Hailbronner, AuslR, Bd. 4, § 71a AsylVfG Rn. 12; Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, § 71a Rn. 11). Für eine solche Sondersituation müssten systemischen Mängel des bulgarisch Asylverfahrens vorliegen.

Zwar bestehen angesichts der grundlegenden Veränderungen im Laufe des Jahres 2014 in Bezug auf Bulgarien nach aktuellem Kenntnisstand derzeit wohl keine durchgreifenden Bedenken, dass entsprechende systemische Mängel des bulgarischen Asylverfahrens vorliegen, die den Betroffenen an der Geltendmachung seiner Verfolgungsgründe (unverschuldet im Sinne des § 51 Abs. 2 VwVfG) gehindert hätten (BayVGH, U. v. 29.1.2015 - 13a B 14.50039 - juris; VGH BW, U. v. 10.11.2014 - A 11 S 1778/14 - juris; UNHCR, „UNHCR Observations on the Current Situation of Asylum in Bulgaria“ vom 2.1.2014 - abrufbar unter: http://www.refworld.org/docid/52c598354.html; UNHCR, „Bulgarien als Asylland - Anmerkungen zur aktuellen Asylsituation in Bulgarien“ vom April 2014 - abrufbar in der öffentlich zugänglichen Datenbank MILO des Bundesamtes; amnesty international, „Suspension of Returns of Asylum-Seekers to Bulgaria Must Continue“ vom 31.3.2014 - abrufbar unter: https://www.amnesty.org/en/documents/EUR15/002/2014/en; amnesty international, „Amnesty report 2015 Bulgarien“ - abrufbar unter: https://www.amnesty.de/jahresbericht/2015/bulgarien; European Asylum Support Office (EASO), „Special Support Plan to Bulgaria“ vom 5.12.2014 - abrufbar unter: http://easo.europa.eu/wp-content/uploads/SSP-BG-2014-12-03.pdf; Pro Asyl, Presseerklärung vom 23.5.2014: „Schwere Menschenrechtsverletzungen an Flüchtlingen in Bulgarien“ - abrufbar unter: http://ww.proasyl.de/de/presse/detail/news/schwere _menschenrechtsverletzungen_an_fluechtlingen_in_bulgarien; Pro Asyl, „Erniedrigt, misshandelt, schutzlos: Flüchtlinge in Bulgarien“ vom April 2015 - abrufbar unter: http://ww.proasyl.de/fileadmin/fm-dam/q_PUBLIKATIONEN/2015/Bulgarien_Broschu _re_Web_END.pdf; Asylum Information Database (aida), „Country Report Bulgaria“, Stand: 30.9.2015 - abrufbar unter: http://www.asylumineurope.org/reports/country/bulgaria; European Council on Refugees and Exiles (ECRE), „ECRE reaffirms its call for the suspension of transfers of asylum seekers to Bulgaria under the recast Dublin Regulation“ vom 7.4.2014 - abrufbar unter: http://www.ecre.org/component/down loads/downloads/873.html; Auskünfte des Auswärtigen Amtes an das VG Hamburg und das VG Aachen vom 30.11.2015 und 27.1.2016 - abrufbar in der öffentlich zugänglichen Datenbank MILO des Bundesamtes).

Gleichwohl war die Situation Asylsuchender in Bulgarien zur Zeit des Asylverfahrens des Antragstellers in Bulgarien vom 14. Februar 2014 (Asylantrag) bis 20. Mai 2014 (Ablehnung des Asylantrags) - nach einem Anstieg der Asylanträge zu Beginn des Jahres 2014 - teilweise heftiger Kritik ausgesetzt. So ging der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) im Januar 2014 davon aus, dass in Bulgarien systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen bestünden und plädierte dafür, Abschiebungen nach Bulgarien zunächst auszusetzen (vgl. „UNHCR Observations on the Current Situation of Asylum in Bulgaria“ vom 2.1.2014). Dieser Einschätzung schlossen sich amnesty international (vgl. „Suspension of Returns of Asylum-Seekers to Bulgaria Must Continue“ vom 31.3.2014), European Council on Refugees and Exiles (vgl. „ECRE reaffirms its call for the suspension of transfers of asylum seekers to Bulgaria under the recast Dublin Regulation“ vom 7.4.2014) und Pro Asyl (vgl. Presseerklärung vom 23.5.2014: „Schwere Menschenrechtsverletzungen an Flüchtlingen in Bulgarien“) an. Auch in der Stellungnahme von Pro Asyl vom 30. Mai 2014 wird auf die von UNHCR Anfang 2014 festgestellten Mängel im bulgarischen Asylsystem Bezug genommen und eine Aussetzung von Dublin-Überstellungen nach Bulgarien gefordert. Trotz seiner aktualisierten Bestandaufnahme vom April 2014 („Bulgarien als Asylland - Anmerkungen zur aktuellen Asylsituation in Bulgarien“, Seite 2 und 17), in der das UNHCR ungeachtet fortbestehender ernsthafter Mängel einen generellen Aufschub aller Dublin-Überstellungen nach Bulgarien nicht länger für gerechtfertigt, sondern nur bei Personen mit besonderen Bedürfnissen oder besonderer Schutzwürdigkeit empfiehlt, von einer Überstellung abzusehen, sprechen daher ohne Vorlage der bulgarischen Asylakten gravierende Gründe dafür, dass der Betroffene ohne grobes Verschulden außer Stande war, seine Verfolgungsgründe in dem bulgarischen Asylverfahren nach den Regeln der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK geltend zu machen.

3. Dem Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylG stattzugeben.

4. Dieser Beschluss ist nach § 80 AsylG unanfechtbar.

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

(1) Ist durch Rechtsvorschrift angeordnet, dass ein Verwaltungsverfahren über eine einheitliche Stelle abgewickelt werden kann, so gelten die Vorschriften dieses Abschnitts und, soweit sich aus ihnen nichts Abweichendes ergibt, die übrigen Vorschriften dieses Gesetzes.

(2) Der zuständigen Behörde obliegen die Pflichten aus § 71b Abs. 3, 4 und 6, § 71c Abs. 2 und § 71e auch dann, wenn sich der Antragsteller oder Anzeigepflichtige unmittelbar an die zuständige Behörde wendet.

(1) Stellt der Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik Deutschland darüber einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat, im Bundesgebiet einen Asylantrag (Zweitantrag), so ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen; die Prüfung obliegt dem Bundesamt.

(2) Für das Verfahren zur Feststellung, ob ein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, gelten die §§ 12 bis 25, 33, 44 bis 54 entsprechend. Von der Anhörung kann abgesehen werden, soweit sie für die Feststellung, dass kein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, nicht erforderlich ist. § 71 Abs. 8 gilt entsprechend.

(3) Der Aufenthalt des Ausländers gilt als geduldet. Die §§ 56 bis 67 gelten entsprechend.

(4) Wird ein weiteres Asylverfahren nicht durchgeführt, sind die §§ 34 bis 36, 42 und 43 entsprechend anzuwenden.

(5) Stellt der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines Zweitantrags einen weiteren Asylantrag, gilt § 71.

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

(1) Stellt der Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik Deutschland darüber einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat, im Bundesgebiet einen Asylantrag (Zweitantrag), so ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen; die Prüfung obliegt dem Bundesamt.

(2) Für das Verfahren zur Feststellung, ob ein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, gelten die §§ 12 bis 25, 33, 44 bis 54 entsprechend. Von der Anhörung kann abgesehen werden, soweit sie für die Feststellung, dass kein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, nicht erforderlich ist. § 71 Abs. 8 gilt entsprechend.

(3) Der Aufenthalt des Ausländers gilt als geduldet. Die §§ 56 bis 67 gelten entsprechend.

(4) Wird ein weiteres Asylverfahren nicht durchgeführt, sind die §§ 34 bis 36, 42 und 43 entsprechend anzuwenden.

(5) Stellt der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines Zweitantrags einen weiteren Asylantrag, gilt § 71.

Tenor

1. Den Antragstellern wird für das vorliegende Verfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und zur vorläufigen unentgeltlichen Wahrnehmung der Rechte Rechtsanwältin T.      aus Berlin zu den für einen im Gerichtsbezirk ansässigen Rechtsanwalt geltenden Bedingungen beigeordnet.

2. Die aufschiebende Wirkung der Klage 8 K 370/15.A gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 14. Januar 2015 wird angeordnet.

    Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens, in dem Gerichtskosten nicht erhoben werden.


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(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

Tenor

I.

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 30. Juli 2014 wird die Klage abgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der im Jahr 1991 in Herat geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger und Tadschike. Er reiste seinen Angaben zufolge im Februar 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein.

Bei der Anhörung vor der Regierung von Oberbayern am 26. Februar 2014 führte der Kläger aus, er sei in der Stadt Herat geboren und nunmehr 23 Jahre alt. Neben Dari spreche er noch Farsi. Seine Mutter lebe im Iran; sein Vater sei letztes Jahr verstorben, als er, der Kläger, in der Türkei gewesen sei. Die letzten sechs oder sieben Jahre habe er ebenfalls im Iran, in der Stadt Karaj, gelebt. Vor ungefähr drei Monaten habe er den Iran verlassen.

Am 3. März 2014 stellte er Asylantrag. Beim Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zur Durchführung des Asylverfahrens vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) gab der Kläger an, Afghanistan vor ca. sieben Jahren verlassen zu haben. Über Iran, die Türkei, Griechenland, Bulgarien, Serbien und Ungarn sei er nach Deutschland gekommen. Einen Asylantrag habe er nicht gestellt, aber in Ungarn seien ihm Fingerabdrücke abgenommen worden.

Aufgrund Übernahmeersuchens der Bundesrepublik Deutschland vom 8. April 2014 erklärte sich die Republik Bulgarien hiermit am 3. Juni 2014 einverstanden.

Mit Bescheid des Bundesamts vom 4. Juni 2014 wurde der Antrag als unzulässig abgelehnt (1.) und die Abschiebung nach Bulgarien angeordnet (2.). Zur Begründung ist ausgeführt, der Asylantrag sei gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, da Bulgarien zur Prüfung des Asylantrags zuständig sei aufgrund der Einreise über dieses Land nach Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO). Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die zu einem Selbsteintrittsrecht führen könnten, seien nicht ersichtlich. Der Asylantrag werde daher nicht materiell geprüft.

Hiergegen erhob der Kläger beim Verwaltungsgericht München am 17. Juni 2014 Klage mit der Begründung, er laufe Gefahr, in Bulgarien einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Er würde dort nur unzureichend mit Basisleistungen versorgt. Außerdem herrschten extrem schlechte hygienische Bedingungen. Eine Abschiebung nach Bulgarien sei daher nicht durchzuführen und der Bescheid deshalb aufzuheben.

Auf seinen Antrag hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 9. Juli 2014 (Verfahren M 24 S 14.50336) die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung mit Zielstaat Bulgarien angeordnet. Mit Urteil vom 30. Juli 2014, das im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung erging, hat das Verwaltungsgericht den Bescheid des Bundesamts vom 4. Juni 2014 aufgehoben. Eine Abschiebung in den primär zuständigen Staat, Griechenland, komme aufgrund der dort bestehenden systemischen Mängel nicht in Betracht. Nachdem der somit zuständige Mitgliedstaat, Bulgarien, zugestimmt habe, könne der Kläger zwar nur geltend machen, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen dort bestünden, jedoch sei dies in Bulgarien der Fall. Es seien systemische Schwachstellen vorhanden, welche die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung mit sich brächten. Grundlegend hierfür sei der Bericht des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) vom April 2014. Die dortigen Feststellungen würden durch weitere Berichte belegt. Allein die Tatsache, dass Bulgarien demnach nicht zuständig sei, führe zur Aufhebung des angefochtenen Bescheids, unabhängig davon, ob eine Abschiebungsanordnung in einen weiteren Mitgliedstaat möglich wäre.

Auf Antrag der Beklagten hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 30. Oktober 2014 die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage zugelassen, ob das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Bulgarien systemische Mängel aufweisen.

Zur Begründung ihrer Berufung bezieht sich die Beklagte auf die Ausführungen im Zulassungsantrag und führt ergänzend aus, dass jedenfalls zwischenzeitlich systemische Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen nicht mehr zu erkennen seien, insbesondere seien Unterbringungskapazitäten und entsprechende Versorgung gegeben. Hierzu wird eine Ausarbeitung des „State Agency for Refugees with the Council of Ministers“ des bulgarischen Staats vorgelegt, die belegten, dass systemische Schwachstellen nicht vorhanden seien. Ergänzend trägt die Beklagte vor, ein Klagebegehren, das nicht auf die Zuerkennung des in der Sache erstrebten Status gerichtet sei, sei nicht statthaft. Besonders deutlich werde dies bei einem in einem anderen Mitgliedstaat erfolglos durchgeführten Asylverfahren. Ein dann im Bundesgebiet gestellter Asylantrag sei zugleich ein Zweitantrag im Sinn des § 71a Abs. 1 AsylVfG, gegen den in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Folgeantrag nach § 71 AsylVfG(U.v. 10.2.1998 - 9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171 = NVwZ 1998, 861) allein die auf Statuszuerkennung gerichtete Verpflichtungsklage statthaft sei.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des Urteils vom 30. Juli 2014 abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Gründe

Die Berufung der Beklagten ist begründet (§ 125 Abs. 1, § 128 Abs. 1 VwGO). Nach der im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblichen Sach- und Rechtslage (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) ist der Bescheid des Bundesamts vom 4. Juni 2014 rechtmäßig und die Klage deshalb unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 30. Juli 2014 abzuweisen.

Die Klage ist zulässig.

Gegen den Bescheid des Bundesamts vom 4. Juni 2014, mit dem der Asylantrag nach § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung angeordnet wird, ist eine Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt.1 VwGO) die statthafte Klageart (BayVGH, U.v. 28.2.2014 - 13a B 13.30295 - BayVBl 2014, 628; ebenso OVG Hamburg, B.v. 2.2.2015 - 1 Bf 208/14.AZ - juris; VGH BW, U.v. 18.11.2014 - A 3 S 265/14 - n.v. und U.v. 16.4.2014 - A 11 S 1721/13 - InfAuslR 2014, 293; NdsOVG, B.v. 6.11.2014 - 13 LA 66/14 - AuAS 2014, 273; OVG Saarl, B.v. 12.9.2014 - 2 A 191/14 - juris; OVG NRW, U.v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - AuAS 2014, 118 = DVBl 2014, 790; OVG LSA, U.v. 2.10.2013 - 3 L 643/12 - juris). Die Zuständigkeitsprüfung nach der Dublin II-VO (Verordnung [EG] Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist) bzw. der Dublin III-VO ist der Prüfung des Asylantrags vorgelagert und von dem Verfahren zur inhaltlichen Prüfung des Asylverfahrens zu unterscheiden. Zudem hat das Bundesverwaltungsgericht (U.v. 5.9.2013 - 10 C 1.13 - BVerwGE 147, 329 = NVwZ 2014, 158; U.v. 7.3.1995 - 9 C 264.94 - NVwZ 1996, 80) im vergleichbaren Fall einer Einstellungsverfügung durch das Bundesamt nach §§ 32, 33 AsylVfG die vom Kläger beantragte (bloße) Aufhebung des Einstellungsbescheids für ausreichend erachtet mit der Folge, dass die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt vorbehalten bleibt. Das Bundesverwaltungsgericht weist darauf hin, dass das Verwaltungsgericht zwar die Sache grundsätzlich spruchreif zu machen habe, dies aber nicht ausnahmslos gelte. Es könne nicht generell Aufgabe des Verwaltungsgerichts sein, anstelle des mit besonderer Sachkunde versehenen Bundesamts, das mit der Sache noch gar nicht befasst gewesen sei und demgemäß auch eine Entscheidung über das Asylbegehren noch gar nicht habe treffen können, über den Asylanspruch zu befinden. § 113 Abs. 3 VwGO lasse sich jedenfalls der Rechtsgedanke entnehmen, dass die Verwaltungsgerichte auch bei der Kontrolle eines rechtlich gebundenen Verwaltungsakts nicht in jedem Falle selbst die Spruchreife herbeiführen müssten, sondern bei erheblichen Aufklärungsdefiziten zunächst der Behörde Gelegenheit geben könnten, eine den Streitstoff erschöpfende Sachentscheidung zu treffen. Die besondere - auf Beschleunigung und Konzentration auf eine Behörde gerichtete - Ausgestaltung des Asylverfahrens durch das Asylverfahrensgesetz stehe im Falle versäumter Sachentscheidung durch das Bundesamt der Annahme entgegen, dass nur eine auf die Asylanerkennung gerichtete Verpflichtungsklage, auf die hin das Verwaltungsgericht die Sache spruchreif zu machen hätte, in Betracht käme. Darüber hinaus ginge dem Asylantragsteller eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenderen Verfahrensgarantien wie persönliche Anhörung (§ 24 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG) und Amtsermittlungsgrundsatz (§ 24 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) ausgestattet sei. Die Regelungen des Asylverfahrensgesetzes ließen darauf schließen, dass die sachliche Prüfung vorrangig von der Fachbehörde nachzuholen sei und nicht generell eine Pflicht zum „Durchentscheiden“ angenommen werden könne. Diese Ausführungen können auf vorliegende Konstellation übertragen werden.

Die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage wird auch nicht durch die Grundsätze des Bundesverwaltungsgerichts zum Folgeantrag in Frage gestellt (U.v. 10.2.1998 - 9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171 = NVwZ 1998, 861), die die Beklagte auf die Konstellation eines Zweitantrags gemäß § 71a AsylVfG übertragen möchte. In diesem Urteil ist ausgeführt, dass der Aspekt, ob das Asylverfahren wieder aufgenommen werden müsse, lediglich den geltend gemachten Anspruch auf Asylanerkennung betreffe. Dass die Anforderungen für die Durchbrechung der Bestandskraft des Erstbescheids erfüllt seien, sei Voraussetzung für den Anspruch auf Asyl, nicht aber gebe es einen selbstständig neben diesem stehenden und eigenständig einklagbaren Wiederaufgreifensanspruch. Damit könne weder lediglich auf „Wiederaufgreifen“ geklagt noch vom Gericht „isoliert“ über die Frage, ob wiederaufzugreifen sei, entschieden werden. Eine derartige Fallkonstellation ist vorliegend aber nicht gegeben, weil hier lediglich als Vorfrage zum Anerkennungsanspruch des Klägers die Zuständigkeit zur Durchführung eines Asylverfahrens nach den Anforderungen der Dublin III-VO im Streit steht. Zudem weist die Beklagte selbst darauf hin, dass die genannte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur Folgeantragsregelung nach § 71 AsylVfG ergangen ist, wohingegen vorliegend eine Entscheidung über die Unzulässigkeit eines Asylantrags nach § 27a AsylVfG Klagegegenstand ist. Das Bundesamt hat nur darüber entschieden und im Übrigen darauf verwiesen, dass eine materielle Prüfung nicht erfolgt ist.

Die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO ist gegeben.

Der Kläger kann geltend machen, durch die vom Bundesamt getroffene Feststellung möglicherweise in seinen Rechten verletzt zu sein. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sind die Normen der Dublin-VO eigentlich organisatorische Vorschriften. Gleichwohl kann ein Asylbewerber im Rahmen des nach Art. 27 Dublin III-VO garantierten Rechtsschutzes geltend machen, dass in dem zuständigen Mitgliedstaat systemische Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen bestehen, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr liefe, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der EU-Grundrechte-Charta ausgesetzt zu sein (EuGH, U.v. 10.12.2013 - Abdullahi, C-394/12 - NVwZ 2014, 208 Rn. 56 ff. zur Dublin II-VO).

Die somit zulässige Anfechtungsklage ist aber unbegründet.

Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamts ist rechtmäßig. Das Bundesamt hat zu Recht festgestellt, dass der Asylantrag des Klägers unzulässig ist (§ 113 Abs. 1 VwGO).

Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Eine solche Zuständigkeit ergibt sich aus der Dublin III-VO, auf die sich das Bundesamt im Bescheid gestützt hat. Diese Verordnung ist gemäß Art. 49 Abs. 2 auf Anträge auf internationalen Schutz anwendbar, die ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten, also ab dem 1. Januar 2014, gestellt werden und gilt ab diesem Zeitpunkt - ungeachtet des Zeitpunkts der Antragstellung - für alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern. Letzteres ist vorliegend einschlägig, da das Übernahmeersuchen an Bulgarien am 8. April 2014 gestellt wurde.

Das Verfahren nach der Dublin III-VO dient zuerst dazu, den zur Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat zu bestimmen. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind übereingekommen, dass auf kurze Sicht eine klare und praktikable Form für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats geschaffen werden sollte. Ziel der Dublin III-VO ist die Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist (Erwägungsgründe Nr. 2, 3, 4, 5 und 40). Im Verfahren nach der Dublin III-VO steht deshalb insbesondere die Zuständigkeitsfrage im Raum. Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO wird der Antrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft.

Die Reihenfolge der Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats richtet sich nach Kapitel III der Verordnung (vgl. Art. 7 Abs. 1 Dublin III-VO). Nach Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO wird bei der Bestimmung des nach diesen Kriterien zuständigen Mitgliedstaats von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat gestellt hat.

Gemessen hieran ist der beim Bundesamt gestellte Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, weil der Kläger aus einem Drittstaat kommend die Grenze eines Mitgliedstaats, Bulgarien, überschritten hat, der damit nach Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Dies hat zur Folge, dass Bulgarien nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. a Dublin III-VO verpflichtet ist, den Kläger aufzunehmen. Aufgrund Übernahmeersuchens der Bundesrepublik Deutschland vom 8. April 2014 erklärte sich die Republik Bulgarien hiermit am 3. Juni 2014 einverstanden. Entsprechend der Konzeption der Dublin III-VO hat das Bundesamt zu Recht den Asylantrag nicht inhaltlich geprüft, sondern die Unzulässigkeit festgestellt und die Abschiebung nach Bulgarien angeordnet.

Zwischen den Beteiligten besteht kein Streit über die prinzipielle Zuständigkeit Bulgariens. Der Kläger befürchtet allerdings, dass ihm im Fall einer Abschiebung in Bulgarien eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i. S.v. Art. 3 EMRK drohen würde. Davon ist jedoch nicht auszugehen.

Wenn ein Mitgliedstaat der Aufnahme des betreffenden Asylbewerbers zugestimmt (bzw. nicht geantwortet hat), so kann der Asylbewerber der Bestimmung dieses Mitgliedstaats nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofs zur Dublin II-VO damit entgegentreten, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i. S.v. Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union - GR-Charta - ausgesetzt zu werden (EGMR, U.v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413; EuGH, U.v. 21.12.2011 - N.S., C-411/10 und C-493/10 - NVwZ 2012, 417; U.v. 10.12.2013 - Abdullahi, C-394/12 - NVwZ 2014, 208). Art. 3 Abs. 2 der hier maßgeblichen Dublin III-VO regelt nunmehr ausdrücklich, dass der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat die Prüfung der im dortigen Kapitel III vorgesehenen Kriterien fortsetzt, wenn es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen. Das gemeinsame europäische Asylsystem stützt sich ebenso wie das deutsche Konzept der „normativen Vergewisserung“ hinsichtlich der Sicherheit von Drittstaaten (siehe hierzu EuGH, U.v. 21.12.2011 a. a. O. Rn. 75 ff.; BVerfG, U.v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 - BVerfGE 94, 49) auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention und die Versicherung, dass niemand dorthin zurückgeschickt wird, wo er Verfolgung ausgesetzt ist. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Es wird vermutet, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie mit dem am 28. Juli 1951 in Genf unterzeichneten Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention) und der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) steht.

Vorliegend ist es nach diesen Grundsätzen nicht geboten, eine Überstellung nach Bulgarien zu unterlassen, weil dort nach den grundlegenden Veränderungen im Jahr 2014 derzeit nicht von systemischen Schwachstellen im dargestellten Sinn auszugehen ist. Der Senat ist auf der Grundlage des ihm vorliegenden Erkenntnismaterials zur Situation von Asylbewerbern sowie von Dublin-Rückkehrern zu der Überzeugung gelangt, dass bei dem Kläger eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Fall der Überstellung/Abschiebung nach Bulgarien nicht ernsthaft zu befürchten ist.

Nachdem im Juli/August 2013 bei der Anzahl der Asylanträge in Bulgarien ein großer Anstieg zu verzeichnen gewesen war, nahm die Lage in der zweiten Jahreshälfte 2013 eine äußerst kritische Entwicklung an. Die bulgarische Regierung hatte sich deshalb mit der Bitte um Hilfe an das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (European Asylum Support Office - EASO) gewandt, das durch die Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 zur Einrichtung eines Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen geschaffen wurde (siehe zusammenfassende Darstellung von EASO im „Operating Plan to Bulgaria, Stock taking report on the asylum situation in Bulgaria, Zwischenbilanz Mitte Februar 2014, S. 1 - EASO-Feb). In der Folge wurde am 17. Oktober 2013 der „EASO Operating Plan to Bulgaria” für den Zeitraum von November 2013 bis September 2014 beschlossen.

Noch im Januar 2014 ging UNHCR (Bulgaria, As a Country of Asylum, UNHCR Observations on the Moldova Turkey Current Situation of Asylum in Bulgaria vom 2.1.2014 - UNHCR-Jan) davon aus, dass in Bulgarien systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen bestünden. Aufgrund fehlender gesetzlicher Regelungen seien Asylbewerber - auch über längere Zeiträume - der Gefahr willkürlicher Verhaftung ausgesetzt; sie hätten keinen Zugang zu einem fairen und effektiven Asylverfahren und das Refoulement-Verbot werde nicht beachtet. Unter diesen Umständen plädierte UNHCR dafür, Abschiebungen nach Bulgarien zunächst auszusetzen und die Situation am 1. April 2014 erneut zu überprüfen. Damit sollte UNHCR zufolge Bulgarien die Gelegenheit zur Verbesserung der Aufnahmebedingungen und zur Verstärkung der Kapazitäten des Staatlichen Flüchtlingsamts (SAR) gegeben werden. Dieser Einschätzung schlossen sich amnesty international (Suspension of Returns of Asylum-Seekers to Bulgaria Must Continue vom 31.3.2014 - ai), European Council on Refugees and Exiles (ECRE reaffirms its call for the suspension of transfers of asylum seekers to Bulgaria under the recast Dublin Regulation vom 7.4.2014 - ecre) und Pro Asyl (Presseerklärung vom 23.5.2014: Schwere Menschenrechtsverletzungen an Flüchtlingen in Bulgarien; News vom 23.5.2014: Flüchtlinge in Bulgarien: misshandelt, erniedrigt, im Stich gelassen; News vom 15.4.2014: Flüchtlinge in Bulgarien: Zurückgewiesen, inhaftiert oder katastrophal untergebracht) an.

Zur Halbzeit des erwähnten „Operating Plan“ überprüfte EASO mit einer Expertengruppe im Februar 2014 die Situation in Bulgarien und zog eine Zwischenbilanz (EASO-Feb). Hierin wird ausgeführt, dass im Parlament ein Gesetzesentwurf mit Verbesserungen unter Teilnahme internationaler Organisationen (einschließlich UNHCR und dem Bulgarischen Helsinki Komitee) erörtert worden sei, insbesondere hinsichtlich unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge und besonders verletzlicher Personengruppen, sowie betreffend das Recht auf Information, Rechtsberatung und das Recht, im Land bleiben zu dürfen. Im Gegensatz zum Herbst 2013 sei die ordnungsgemäße Registrierung Asylsuchender einschließlich der notwenigen Information über den Zugang zum Asylverfahren gewährleistet; ein Rückstau bestehe nicht mehr. Die Durchführung der Asylverfahren sei - mit Ausnahme der Einrichtung Harmanli - verbessert worden, auch wenn noch viele Punkte offen seien. Eine sehr hohe Anerkennungsrate sei beobachtet worden, allerdings könne diese Personengruppe mangels Integrationsprogrammen die Zentren nicht verlassen. Syrische Asylbewerber würden bevorzugt behandelt, so dass die Verfahrensdauer im Übrigen länger sei. Eine gerichtliche Überprüfung sei gesetzlich vorgesehen; gegen eine negative Entscheidung könnten die Verwaltungsgerichte angerufen werden. Bei den Aufnahmebedingungen sei in einer kurzen Zeitspanne ein großer Fortschritt erzielt worden. Im Wesentlichen seien die Zentren in einem vernünftigen Zustand. Ein Hauptfortschritt sei, dass seit 1. Februar 2014 mindestens eine warme Mahlzeit in allen Aufnahmeeinrichtungen vorgesehen sei. Allerdings sei die Qualität der Aufnahmebedingungen noch uneinheitlich, insbesondere genügten sie bei unbegleiteten Minderjährigen und besonders verletzlichen Personengruppen noch nicht den Anforderungen. Zusammenfassend kommt EASO zum Ergebnis, dass in einer kurzen Zeitspanne viele Fortschritte stattgefunden hätten. Es habe sich gezeigt, dass Bulgarien konkrete Schritte zur Verbesserung des Asylsystems und der Aufnahmebedingungen unternommen habe.

Asylum Information Database (National Country Report Bulgaria vom 18.4.2014, S. 9 - aida) berichtete mit dem Stand vom 18. April 2014, dass die Praxis der Bestrafung für eine illegale Einreise mit der Folge einer Inhaftierung beendet worden sei. Die Registrierung sei stark verbessert worden, lediglich in Ausnahmefällen träten Verzögerungen auf. Nach einer Gesetzesänderung seien gegen ablehnende Entscheidungen Rechtsmittel zu den regionalen Gerichten möglich. Die sieben Aufnahmezentren wiesen zum Stand 27. März 2014 eine Kapazität von 4.150 Plätzen mit einer Belegungsquote von 82% auf, wobei insgesamt 6.000 Plätze erreicht werden sollten. Gegenüber Dezember 2013 hätten sich die Bedingungen in den Zentren erheblich verbessert, insbesondere in Harmanli. Seit Februar 2014 sei durch die Regierung die Essensversorgung mit zwei warmen Mahlzeiten am Tag in allen Zentren sichergestellt. Asylsuchende hätten Zugang zu medizinischer Versorgung und zu sanitären Einrichtungen; im Asylverfahren würden Dolmetscher zur Verfügung gestellt und es werde eine monatliche finanzielle Grundversorgung geleistet, auch wenn es hierbei noch zu logistischen Verzögerungen komme. Banya sei als Zentrum für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge ausgebildet worden. Noch auftretende Schwierigkeiten sollten durch ein geplantes Gesetz behoben werden. Ein Integrationsprogramm für anerkannte Flüchtlinge bestehe noch nicht. Nach den gesetzlichen Vorgaben müssten Asylbewerber, die an der Grenze einen Antrag stellen, binnen 24 Stunden in eine Aufnahmeeinrichtung gebracht werden. Tatsächlich würden sie aber erst in das neu errichtete Haftzentrum Elhovo gebracht und nach drei bis sieben Tagen in eine SAR-Einrichtung. Insgesamt seien die im Oktober 2013 initiierten Gesetzesänderungen betreffend die Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen noch nicht vollständig umgesetzt.

Im April 2014 nahm UNHCR eine erneute Einschätzung vor (Bulgarien als Asylland, UNHCR Anmerkungen zur aktuellen Asylsituation in Bulgarien vom April 2014 - UNHCR-April). Danach waren zwischen dem 1. Januar und dem 31. März 2014 erhebliche Verbesserungen in Bulgarien bei der Registrierung, Bearbeitung von Anträgen auf internationalen Schutz und den allgemeinen Aufnahmebedingungen für Asylsuchende in den Aufnahmezentren festzustellen. Ausschlaggebend sei, dass die Regierung ein umfassendes Integrationsprogramm für Personen, die internationalen Schutz genießen, entwickle und es umsetze. Schwächen bestünden noch im Hinblick auf den Zugang nach Bulgarien an den Grenzen, in zwei von sieben Zentren seien die Aufnahmebedingungen ungeeignet, auf Personen mit besonderen Bedürfnissen könne nicht entsprechend reagiert werden und die Asylverfahren müssten nach wie vor qualitativ verbessert werden, einschließlich der Bereitstellung von Informationen in einer Sprache, die die Asylsuchenden verstünden. Dringend notwendig sei es, den Personen mit Schutzstatus Zugang zu Bildung, medizinischer Versorgung und Integrationsmaßnahmen zu gewähren. Die Mängel seien aber nicht mehr derart, dass eine allgemeine Aussetzung der Dublin-Überstellungen nach Bulgarien gerechtfertigt wäre. Allerdings könnten Gründe vorliegen, Überstellungen für bestimmte Gruppen oder Einzelpersonen auszuschließen. Empfohlen wurde, eine Einzelfallbewertung durchzuführen, insbesondere im Hinblick auf Asylsuchende mit besonderen Bedürfnissen oder Vulnerabilitäten.

Auch die Bundesregierung (Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan van Aken, Sevim Dağdelen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE, Drucksache 18/1446 vom 20.5.2014 - BReg) ging im Mai 2014 unter Bezugnahme auf den UNHCR davon aus, dass bereits deutliche Verbesserungen im Asylverfahren und in den Aufnahmebedingungen eingetreten seien. Bulgarien unternehme u. a. mit Hilfe von EASO und in Kooperation mit dem UNHCR große Anstrengungen, insbesondere seien Maßnahmen zur Verbesserung des Aufnahmesystems, der Herkunftsländerinformationen, der Ausbildung neuer Kräfte, der Versorgung schutzbedürftiger Personen und der Registrierung von Schutzsuchenden getroffen worden. Es bestünden sieben Aufnahmeeinrichtungen mit einer Aufnahmekapazität von ca. 4.150 Plätzen bei einer Belegungsrate von 82%. Zusätzliche Mitarbeiter, auch Sozialarbeiter, seien eingestellt, Unterkünfte renoviert und Sanitärbereiche erneuert worden. Täglich würden zwei warme Mahlzeiten bereitgestellt, in vier Zentren gebe es Gemeinschaftsküchen. Eine monatliche Grundsicherung werde ausbezahlt. Jeder Antragsteller werde krankenversichert und erhalte eine kostenlose medizinische Behandlung im gleichen Umfang wie ein bulgarischer Staatsbürger. Bei unbegleiteten Minderjährigen und besonders Schutzbedürftigen leiste EASO seit Februar 2014 Unterstützung. Illegal eingereiste Personen würden bei der ersten Befragung polizeilich registriert; dabei könnten sie ihr Asylbegehren vorbringen. Jeder Asylantragsteller könne sich sowohl innerhalb als auch außerhalb der Aufnahmeeinrichtungen zu jeder Zeit frei bewegen. Bei Rückkehrern mit noch nicht abgeschlossenem Verfahren werde der jeweilige Antrag weitergeprüft. Sei das Verfahren unterbrochen worden und spreche der Antragsteller nicht innerhalb von drei Monaten bei der staatlichen Flüchtlingsagentur vor, werde das Verfahren in seiner Abwesenheit beendet. Falls noch keine Anhörung stattgefunden habe, werde diese nachgeholt, da nach bulgarischem Recht grundsätzlich keine Entscheidung ohne Anhörung erfolgen könne. Sei der Antrag bereits rechtskräftig abgelehnt worden, bestehe bei Rückkehr die Möglichkeit, einen Folgeantrag zu stellen, ohne dass eine Abschiebehaft erfolge. Über den Asylantrag werde in drei Phasen - Zuständigkeit Bulgariens, Prüfung der offensichtlichen Unzulässigkeit oder Unbegründetheit und allgemeines Verfahren - innerhalb von drei Monaten entschieden, die jeweils einer gerichtlichen Kontrolle unterlägen. Bei laufenden Asylverfahren finde keine Inhaftierung statt. Das bulgarische Recht sehe Haft nur zur Abschiebung und grundsätzlich nicht für Asylbewerber vor.

Im Anschluss an den „Operating Plan” vom 17. Oktober 2013 wurde am 5. Dezember 2014 zwischen EASO und Bulgarien der „Special Support Plan“ (EASO-Dez) unterzeichnet. EASO stellte darin fest, dass die Kapazitäten zur Aufnahme und Registrierung von Asylbewerbern signifikant angestiegen und entsprechende Reaktionsmöglichkeiten vorhanden seien. Trotz dieses bedeutenden Fortschritts sei Bulgarien aber wegen seiner EU-Außengrenzen weiterhin einem starken Druck ausgesetzt. Die Evaluation des „Operating Plan“ habe deshalb dazu geführt, dass ergänzende bzw. Folgeaktionen vorgeschlagen würden, vor allem für besonders schutzbedürftige Personen. Angesichts der Gesamtumstände bestehe noch - zunächst bis Juni 2016 - die Notwendigkeit zu weiterer, spezieller Unterstützung, deren Ausgestaltung im Einzelnen dargelegt wird. In Erwartung eines im Jahr 2015 weiter ansteigenden Migrationsdrucks sollen der laufende Aktionsplan fortgesetzt und ergänzende Aktionsmöglichkeiten geschaffen werden. Bereits während der letzten zwölf Monate habe das bulgarische Asylsystem wichtige Entwicklungen vollzogen, insbesondere bei der personellen und technischen Ausstattung sowie bei den Aufnahmeeinrichtungen, die derzeit eine Kapazität von 6000 Plätzen aufwiesen. Die dortigen Lebensbedingungen seien deutlich verbessert worden. Die Verpflegung sei mit entsprechenden neuen Küchen und Personal sichergestellt; medizinische Versorgung sei gewährleistet. Im Oktober 2015 solle auch beim „Special Support Plan“ eine Halbzeitbilanz erstellt werden.

Diese dargestellten Entwicklungen im Laufe des Jahres 2014 zeigen, dass derzeit bei der Durchführung des Asylverfahrens und bei den Aufnahmebedingungen systemische Schwachstellen nicht mehr zu erkennen sind.

Soweit es die Asylverfahren betrifft, sind die Kapazitäten signifikant gestiegen (EASO-Dez; aida) durch eine technische und personelle Aufrüstung (EASO-Feb; UNHCR-April; BReg) sowie eine gezielte Ausbildung neuer Kräfte. Damit ist zwischenzeitlich sowohl eine ordnungsgemäße Registrierung einschließlich der notwenigen Information der Asylbewerber über den Zugang zum Verfahren gewährleistet (EASO-Feb; UNHCR-Apr) als auch eine regelgerechte Durchführung der Asylverfahren. Die eingereisten Flüchtlinge können bei der Registrierung mit der ersten Befragung ihr Asylbegehren vorbringen; sie haben Zugang zu Dolmetschern (aida; BReg). Haft ist für Asylbewerber während des laufenden Asylverfahrens gesetzlich nicht mehr vorgesehen (BReg). Auch bei Rückkehrern ist eine Weiterprüfung ihres Verfahrens bzw. ein Folgeverfahren bei rechtskräftiger Ablehnung sichergestellt, ohne dass eine Abschiebehaft erfolgt. Der Zugang zu regionalen Gerichten ist eröffnet (aida).

Hinsichtlich der Aufnahmebedingungen hat EASO bereits im Februar 2014 die Zentren im Wesentlichen in einem vernünftigen Zustand vorgefunden. Die Unterkünfte wurden renoviert und die Sanitärbereiche erneuert (BReg). Nachdem UNHCR im April 2014 noch berichtet hatte, dass in zwei von sieben Zentren ungeeignete Rahmenbedingungen vorhanden seien, und aida im April 2014 sowie die Bundesregierung im Mai 2014 von einer Aufnahmekapazität von ca. 4.150 Plätzen bei einer Belegungsrate von 82% ausgegangen waren (BReg), stellte EASO im Dezember 2014 fest, dass die Kapazitäten signifikant auf nunmehr 6000 Plätze angestiegen und die dortigen Lebensbedingungen deutlich verbessert worden seien. Die Verpflegung sei mit entsprechenden neuen Küchen und Personal mit täglich zwei warmen Mahlzeiten sichergestellt; in vier Zentren gebe es Gemeinschaftsküchen. Zusätzliche Mitarbeiter, auch Sozialarbeiter, seien eingearbeitet worden (BReg). Zum Lebensunterhalt werde eine monatliche Grundsicherung ausbezahlt (aida; BReg). Da jeder Asylantragsteller krankenversichert wird und eine kostenlose medizinische Behandlung im gleichen Umfang wie ein bulgarischer Staatsbürger erhält, ist die medizinische Versorgung ebenfalls gewährleistet (aida; BReg; EASO-Dez).

Soweit demgegenüber von ai und ecre noch ein Überstellungsstopp gefordert wurde, beruht dies auf dem diesen Berichten zugrundeliegenden Stand der Entwicklung im Frühjahr 2014. Die oben erwähnten Anstrengungen des bulgarischen Staats zur Verbesserung der Situation werden auch von ai und ecre dargestellt; allerdings waren zu diesem Zeitpunkt die gesetzlichen Vorgaben in der Praxis erst zum Teil umgesetzt und in den Aufnahmezentren noch Baumaßnahmen im Gange. Das Gleiche gilt für die Ausarbeitung von Human Rights Watch (Containment Plan - Bulgaria’s Pushbacks and Detention of Syrian and Other Asylum Seekers and Migrants, April 2014 - HRW). Zudem befasst sich diese im Wesentlichen mit der Zuspitzung der Lage in der zweiten Jahreshälfte 2013. Schließlich trifft das auch auf die Berichte von Pro Asyl zu. Auch wenn deren Veröffentlichungen vom April, Mai und August 2014 datieren, nehmen sie auf die Lage im November 2013 Bezug und sind damit überholt.

Neueren Datums ist zwar die Darstellung von bordermonitoring (Trapped in Europe’s Quagmire: The Situation of Asylum Seekers and Refugees in Bulgaria vom 7.7.2014 - deutsche Übersetzung vom 22.12.2014: Gefangen in Europas Morast, Die Situation von Asylsuchenden und Flüchtlingen in Bulgarien). Sie befasst sich aber überwiegend mit den Problemen, denen sich Inhaber eines Aufenthaltstitels ausgesetzt sehen. Zudem basiert die Untersuchung ihrem Vorwort zufolge auf Interviews mit Asylsuchenden und Statusinhabern einerseits und mit Beamten, NGO-Vertretern, Anwälten und Freiwilligen andererseits. Zugleich werden Teile des öffentlichen Diskurses über Asylsuchende und Flüchtlinge analysiert. Der Bericht ist damit schon nach seiner eigenen Intention nicht auf eine systematische Gesamtanalyse ausgerichtet, sondern greift lediglich Einzelschicksale heraus und weist in diesem Zusammenhang auf vielfältige Unzulänglichkeiten der Situation in Bulgarien hin. Hieraus lässt sich nach Auffassung des Senats aber nicht der Schluss ziehen, dass systemische Schwachstellen vorlägen, welche mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine konkrete Gefährdung von Dublin-Rückkehrern zur Folge hätten.

Ausgehend von diesen Erkenntnissen schließt die Einschätzung des Senats mit ein, dass nach wie vor in bestimmten Bereichen Schwächen vorhanden und noch nicht alle gesetzlich vorgesehenen Änderungen vollständig umgesetzt sind.

Das gilt für das Problem der zum Teil noch vorkommenden - kurzfristigen - Inhaftierungen und für die Aufnahmebedingungen für besonders verletzliche Personengruppen, die den übereinstimmenden Aussagen der Erkenntnismittel zufolge nach wie vor nicht zufriedenstellend sind (EASO-Feb; UNHCR-April; BReg). EASO legt deshalb hierauf in den ergänzenden Unterstützungsmaßnahmen, die noch bis zum Jahr 2016 vorgesehen sind, ein besonderes Augenmerk. Schwächen bestehen weiterhin nach übereinstimmenden Aussagen im Hinblick auf den Zugang nach Bulgarien an den Grenzen (UNHCR-April). Die Tatsache, dass Bulgarien wegen seiner EU-Außengrenzen weiterhin einem starken Druck ausgesetzt ist, hat EASO im „Special Support Plan“ vom 5. Dezember 2014 berücksichtigt. In Erwartung eines im Jahr 2015 weiter ansteigenden Migrationsdrucks wurde der „Operating Plan“ fortgesetzt. Es ist ausdrücklich festgehalten, dass angesichts der Gesamtumstände noch - zunächst bis Juni 2016 - die Notwendigkeit zu weiterer, spezieller Unterstützung besteht. Unbefriedigend ist möglicherweise auch die Situation von Personen, denen ein Schutzstatus zuerkannt wurde. Für diese Personen endet der Anspruch auf Gewährleistung der Grundbedürfnisse, auch wenn ihnen wohl noch für eine gewisse Zeit Aufenthalt in einem Zentrum gewährt wird. Hierbei handelt es sich aber nicht um Probleme während des Asylverfahrens, sondern - da insoweit den Quellen zufolge kein Unterschied zu bulgarischen Staatsbürgern besteht - um die allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Bulgarien und eine allgemeine soziale Problematik. Ein hinreichendes Indiz für systemische Schwachstellen im Asylverfahren wird dadurch nicht begründet.

Punktuelle Defizite vermögen nicht die Mangelhaftigkeit des Gesamtsystems zu begründen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (U.v. 21.12.2011 - N.S., C-411/10 und C-493/10 - NVwZ 2012, 417) wäre es nämlich nicht mit den Zielen und dem System der Dublin II- bzw. III-VO vereinbar, wenn geringste Verstöße genügen würden, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln. Vielmehr würde damit den in Kapitel III der Dublin II- bzw. III-VO genannten Kriterien ein zusätzliches Ausschlusskriterium hinzugefügt, wenn jeder Verstoß zur Folge hätte, dass eine Überstellung unterbleiben müsste. Dies würde die betreffenden Verpflichtungen in ihrem Kern aushöhlen und die Verwirklichung des Ziels gefährden, rasch den Mitgliedstaat zu bestimmen, der für die Entscheidung über einen in der Union gestellten Asylantrag zuständig ist. Da der Kläger vorliegend nicht zu einem schützenswerten Personenkreis gehört, bedarf es auch keiner gesonderten Überprüfung, ob ausnahmsweise von einer Überstellung abgesehen werden müsste.

Soweit sich der Kläger auf die Zustände im Lager Harmanli berufen hat, decken sich seine Aussagen mit der Darstellung in den Erkenntnismitteln. Wie dort beschrieben, hat auch der Kläger vorgetragen, dass die Einrichtung überbelegt, die hygienischen Bedingungen unakzeptabel gewesen seien und er nicht die nötigen Basisleistungen erhalten habe. Harmanli wurde aida (S. 41; siehe auch ai S. 6, 7; EASO-Feb S. 9) zufolge als eine von vier neuen Einrichtungen im September/Oktober 2013 eröffnet, jedoch war sie völlig überfüllt und weder die Infrastruktur noch die materiellen Bedingungen entsprachen zu diesem Zeitpunkt den Minimalanforderungen an angemessene Lebensbedingungen, insbesondere in Bezug auf Existenzsicherung sowie physische und mentale Gesundheit. In Harmanli, einer ehemaligen Militärkaserne, seien die Asylsuchenden unter extrem einfachen Lebensbedingungen und hygienischen Verhältnissen in Zelten und Containern ohne Strom und Kanalanschluss in einer geschlossenen Einrichtung untergebracht worden (siehe auch UNHCR-Jan S. 9). Die Missstände seien so gravierend gewesen, dass die Gefahr von Epidemien bestanden habe. Das berichtete auch UNHCR im Januar 2014, der das Lager als die schlechteste aller Einrichtungen bezeichnete (S. 9 f.).

Allerdings haben dort gravierende Veränderungen stattgefunden, insbesondere auch bauliche Maßnahmen. So haben aida und ai (S. 10 bzw. 6) im März 2014 festgestellt, dass sich die Situation dort gegenüber Dezember 2013 wesentlich verbessert habe, wenngleich noch Bauarbeiten im Gange seien (S. 42; auch EASO-Feb S. 10). Das Zentrum werde auch nicht mehr als geschlossene Einrichtung betrieben. Weitergehende Verbesserungen werden von EASO im Dezember 2014 bestätigt (S. 7). Bei einer Rückkehr zum jetzigen Zeitpunkt ist deshalb eine unmenschliche Behandlung nicht mehr zu erwarten. Ebenso sind die zum damaligen Zeitpunkt noch vorhandenen Schwachstellen im Asylverfahren mittlerweile behoben. In der Gesamtschau ist damit derzeit in Bulgarien nicht von systemischen Schwachstellen im dargestellten Sinn auszugehen.

Die hier vertretene Einschätzung der Situation von Asylbewerbern in Bulgarien entspricht auch der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (U.v. 10.11.2014 - A 11 S 1778/14 - InfAuslR 2015, 77) und des österreichischen Bundesverwaltungsgerichts (BVwG, U.v. 3.10.2014 - W212 2009059-1 - RIS).

Die Befugnis zur Anordnung der Abschiebung ergibt sich aus § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO sind nicht gegeben.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 30. Juni 2014 - A 7 K 880/14 - geändert, soweit es der Klage stattgegeben hat.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger ist nach seinen Angaben 1984 geboren und ein kurdischer Volkszugehöriger aus Syrien, der bis zu seiner Ausreise in Kamischli gelebt hat und staatenlos ist.
Er stellte am 20.11.2013 bei der Landesaufnahmestelle für Flüchtlinge in Karlsruhe einen Asylantrag und gab an, er sei am 08.11.2013 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist.
Bei seiner Anhörung beim Bundesamt erklärte der Kläger, er sei über die Türkei zunächst nach Bulgarien eingereist. Dort sei er gleich festgenommen und zweieinhalb Monate in drei verschiedenen Asylcamps untergebracht gewesen. Die Bedingungen seien schlecht gewesen, teilweise habe er nur dreißig Minuten am Tag in den Hof gedurft, habe lediglich ein halbes trockenes Brot und kalte Suppe zu essen bekommen. Das dritte Camp sei ein offenes Camp gewesen; dort habe er die Einrichtung verlassen können. Er sei dann nach Ungarn weitergereist, wo er für drei Tage inhaftiert worden sei. Er sei schließlich mit Hilfe eines Schleusers mit dem LKW nach Stuttgart befördert worden.
Am 20.12.2013 stellte das Bundesamt ein auf Art. 16 Abs. 1 lit. c) VO Dublin II gestütztes Wiederaufnahmegesuch an die bulgarischen Behörden. Der Kläger habe ausweislich eines Abgleichs der Fingerabdrücke in der EURODAC-Datenbank am 15.04.2013 in Bulgarien einen Asylantrag gestellt, so dass Bulgarien für das Asylgesuch des Klägers zuständig sei. Die bulgarischen Behörden stimmten der Rücküberstellung am 04.02.2014 im Hinblick auf Art. 16 Abs. 1 lit. c) VO Dublin II zu und teilten mit, dass der Kläger dort als irakischer Staatsangehöriger mit dem Namen ... registriert sei.
Mit Bescheid vom 07.02.2014 erklärte das Bundesamt den Asylantrag für unzulässig und ordnete die Abschiebung nach Bulgarien an. Das Bundesamt begründete seine Entscheidung damit, dass Anhaltspunkte für die Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß der Verordnung Nr. 343/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates (VO Dublin II) vorgelegen hätten. Auf das Übernahmeersuchen vom 20.12.2013 hätten die bulgarischen Behörden mit Schreiben vom 04.02.2014 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c) VO Dublin II erklärt. Der Asylantrag des Klägers sei gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, da Bulgarien aufgrund des dort bereits durchgeführten Asylverfahrens für die Behandlung des Asylantrages zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 VO Dublin II auszuüben, seien nicht ersichtlich. Gründe für die Annahme von systemischen Mängeln im bulgarischen Asylverfahren lägen nicht vor. Die Anordnung der Abschiebung nach Bulgarien beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG.
Am 17.02.2014 erhob der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Stuttgart und suchte zugleich um vorläufigen Rechtsschutz nach.
Mit Beschluss vom 04.03.2014 ordnete das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die im Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 07.02.2014 enthaltene Abschiebungsanordnung an (A 7 K 881/14).
Der Kläger trug - u.a. unter Bezugnahme auf den Bericht des UNHCR vom 02.01.2014 - vor, in Bulgarien würden die europarechtlichen Mindeststandards für die Durchführung eines Asylverfahrens nicht eingehalten und Asylbewerber seien einer menschenrechtswidrigen Behandlung ausgesetzt. Auch wenn der UNHCR in jüngeren Stellungnahmen langsame Verbesserungen im bulgarischen Asylverfahren attestiere und nicht mehr pauschal die Aussetzung von Abschiebungen nach Bulgarien fordere, könne daraus nicht gefolgert werden, beim Kläger bestünde nicht mehr die Gefahr einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung. Eine solche habe er in Bulgarien erlebt. Es liege auf der Hand, dass die im Positionspapier des UNHCR vom 02.01.2014 geschilderten gravierenden Mängel nicht innerhalb weniger Wochen behoben werden könnten. Die Beklagte sei verpflichtet, ihr Selbsteintrittsrecht auszuüben und über den Asylantrag des Klägers zu entscheiden.
Soweit die Klage ursprünglich auch darauf gerichtet war, die Beklagte zu verpflichten, ein Asylverfahren durchzuführen, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und seine Flüchtlingseigenschaft festzustellen, hilfsweise subsidiären Schutz oder Abschiebungsverbote festzustellen, wurde sie zurückgenommen.
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Die Beklagte trat der Klage unter Berufung auf den angegriffenen Bescheid entgegen und verwies ergänzend u.a. auf den Bericht des UNHCR vom 15.04.2014. Hiernach leide das Asyl- und Aufnahmesystem in Bulgarien nicht an systemischen Mängeln, die einer Rücküberstellung des Klägers entgegenstünden.
11 
Durch Urteil vom 30.06.2014 stellte das Verwaltungsgericht das Verfahren zum Teil ein und hob den Bescheid der Beklagten vom 07.02.2014 auf.
12 
Zur Begründung führte es u.a. aus: Bulgarien sei für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig und gem. Art. 16 Abs. 1 lit. c) VO Dublin II zur Wiederaufnahme verpflichtet. Ein Asylbewerber dürfe aber dann nicht an den zuständigen Mitgliedstaat überstellt werden, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat aufgrund systemischer Mängel, d.h. regelhaft so defizitär seien, dass zu erwarten sei, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh drohe. Das Gericht gehe im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) davon aus, dass das Aufnahme- und Asylsystem in Bulgarien weiterhin an systemischen Mängeln leide.
13 
Das Urteil wurde der Beklagten am 03.07.2014 zugestellt. Am 01.08.2014 hat die Beklagte die Zulassung der Berufung beantragt. Mit Beschluss vom 05.09.2014 (A 11 S 1532/14) hat der Senat die Berufung zugelassen, soweit das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben hatte.
14 
Am 18.09.2014 hat die Beklagte die Berufung unter Stellung eines Antrags, wie folgt, begründet: Systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Bulgarien lägen nicht vor, was auch von vielen Verwaltungsgerichten so gesehen werde. Auch das Bundesverwaltungsgericht der Schweiz teile die Auffassung, dass bei der Rückkehr von Antragstellern nach Bulgarien nicht davon auszugehen sei, dass dort eine unmenschliche Behandlung drohe. Zwar habe sich der UNHCR in seinem Bericht vom 02.01.2014 vor dem Hintergrund erheblich gestiegener Flüchtlingszahlen dafür ausgesprochen gehabt, zunächst von Überstellungen nach Bulgarien abzusehen. Dies rechtfertige jedoch nicht die Annahme systemischer Mängel im Sinne der Rechtsprechung des EuGH und des EGMR. Bulgarien unternehme gegenwärtig mit Hilfe des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO) und in Kooperation mit dem UNHCR und diversen Nichtregierungsorganisationen große Anstrengungen, um trotz des gestiegenen Flüchtlingszustroms die Anforderungen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems zu gewährleisten. Laut dem EASO-Bericht über die Bestandsaufnahme der Maßnahmen im Asylbereich in Bulgarien vom 25.02.2014 seien im Rahmen des bis September 2014 andauernden EASO-Unterstützungsprogramms unter anderem Maßnahmen zur Verbesserung des Aufnahmesystems, der Herkunftsländerinformationen, der Ausbildung neuer Kräfte, der Versorgung schutzbedürftiger Personen und der Registrierung von Schutzsuchenden ergriffen worden. Diese Maßnahmen hätten bereits deutliche Verbesserungen im Asylwesen und in den Aufnahmebedingungen bewirkt. Aus diesem Grund gehe auch der UNHCR in seinem aktuellsten Bericht vom 15.04.2014 davon aus, dass Überstellungen nach Bulgarien nicht mehr grundsätzlich ausgesetzt werden müssten. Die rechtlichen Regelungen des Asyl- und Flüchtlingsrechts der Europäischen Union habe Bulgarien in den wesentlichen Grundzügen umgesetzt und sei bestrebt, die tatsächlichen Bedingungen an den Flüchtlingsstrom mit Hilfe der Europäischen Union anzupassen und zeitnah weiter zu verbessern. Seriöse Änderungen der zuvor beschriebenen Verhältnisse im Zugang und der Effektivität des Asylverfahrens ließen sich beobachten. Dabei werde die Situation im bulgarischen Asyl- und Aufnahmesystem und die Umsetzung der Maßnahmen des bis September 2014 andauernden EASO-Einsatzplanes fortlaufend beobachtet und bewertet. Von der bulgarischen Regierung werde eine „Nationale Strategie für Migration, Asyl und Integration 2011 bis 2020" auch mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Union umgesetzt. Die bulgarische Regierung arbeite dabei aktiv mit internationalen Organisationen sowie mit Nichtregierungsorganisationen zusammen, um die Situation der Flüchtlinge zu verbessern. Nach dem UNHCR-Bericht vom 15.04.2014 habe die Aufnahmekapazität der sieben Aufnahmezentren Ende März 2014 4150 Plätze mit einer Belegungsrate von 82 % betragen. Nach derzeitigem Kenntnisstand gehe die bulgarische Flüchtlingsbehörde (SAR) davon aus, dass weitere Aufnahmekapazitäten geschaffen würden. Seit Dezember 2013 habe die SAR 160 zusätzliche Mitarbeiter eingestellt, von welchen die Mehrheit in der Verwaltung der Aufnahmeeinrichtungen, unter anderem in der Prävention von geschlechtsspezifischer Gewalt, sowie im Asylverfahren und in der Registrierung der Anträge geschult worden seien. Unter den neu eingestellten Mitarbeitern befänden sich auch Sozialarbeiter. Asylbewerber hätten Zugang zu medizinischer Grundversorgung und Dolmetschern. Die Räumlichkeiten seien beheizt, es stünden getrennte Einrichtungen für alleinstehende Frauen und Männer zur Verfügung. Auch könnten Schutzsuchende auf schriftliche Informationen bezüglich ihrer Rechte und Pflichten sowie bezüglich der Unterstützung durch Hilfsorganisationen zugreifen. Täglich würden zwei warme Mahlzeiten bereitgestellt. Eine monatliche Grundsicherung für Schutzsuchende von 33 Euro werde ausgezahlt. Ab April 2014 würden auch in Harmanli, Vrazdebhna und Voenna Rampa Gemeinschaftsküchen entstehen. Es fänden Renovierungsarbeiten in Vrazdebhna und Voenna Rampa statt, um die Unterbringung und die Sanitäranlagen zu verbessern. In seinem Bericht über die Bestandsaufnahme der Maßnahmen im Asylbereich in Bulgarien vom 25.02.2014 betone EASO, dass seit Oktober 2013 erhebliche Fortschritte gemacht worden seien. Die sofortige Ausstellung der grünen Registrierungskarten und die umfassende Bewegungsfreiheit innerhalb der offenen Zentren seien sichergestellt. EASO berichte des Weiteren, dass die Aufnahmeeinrichtungen größtenteils in annehmbarem Zustand seien und motivierte und engagierte Mitarbeiter hätten. Alle Einrichtungen böten medizinische Versorgung. Sie ermöglichten den Zugang zur Rechtsberatung durch ehrenamtliche Mitarbeiter des Bulgarischen Helsinki-Komitees. Auch wenn es punktuell Engpässe bei der Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen in Bulgarien geben möge, lasse sich nach alledem kein Systemversagen feststellen, das die Annahme rechtfertigen würde, dass Flüchtlingen in Bulgarien Menschenrechtsverletzungen drohten. Laut dem UNHCR-Bericht vom 15.04.2014 finde die Registrierung der Schutzsuchenden innerhalb von 24 Stunden nach Ankunft in den Aufnahmeeinrichtungen in Sofia, Banya, Harmanli und Pastrogor statt. Zum Zeitpunkt der Berichterstattung lägen bei der Registrierung von Schutzsuchenden nach Auskunft der staatlichen Flüchtlingsagentur keine Arbeitsrückstände vor. Auch im EASO-Bericht heiße es, dass die Registrierungskarten grundsätzlich einen Tag nach Ankunft des Schutzsuchenden in den Aufnahmezentren ausgestellt und die Anhörungstermine gleich bei der Registrierung festgelegt würden. Gegenseitige Unterstützung und regelmäßiger Informationsaustausch aller Akteure (Innenministerium, Oberste Leitung der Grenzpolizei, Migrationsdirektorat, Gesundheitsministerium, Bulgarisches Helsinki-Komitee und UNHCR) fänden statt. Rechtsberatung, Informationen durch Infoblätter bzw. gegebenenfalls auf andere Weise stünden normalerweise ab der ersten Antragstellung (z.B. an der Grenze) bis zum Abschluss des Registrierungsvorgangs zur Verfügung. Personen, deren Verfahren negativ beschieden oder eingestellt worden sei, hätten, sofern sie dies wünschten, Zugang zu einem neuen Verfahren, in dem die SAR eventuelle neue Erkenntnisse in einer Anhörung prüfe.
15 
Nach dem UNHCR-Bericht vom 15.04.2014 werde bei Schutzsuchenden mit noch nicht abgeschlossenem Verfahren in Bulgarien der Antrag bei Rückkehr nach Bulgarien in dem Verfahrensschritt weiter geprüft, in welchem er sich zuletzt befunden habe, sofern der Antragsteller dies wünsche. Sei das Verfahren unterbrochen und spreche der Antragsteller nicht innerhalb von drei Monaten bei der staatlichen Flüchtlingsagentur vor, so werde das Verfahren in seiner Abwesenheit beendet. Falls noch keine Anhörung stattgefunden habe, werde diese bei Rückkehr nachgeholt, da nach bulgarischem Recht grundsätzlich keine Entscheidung ohne Anhörung erfolgen könne. Das bulgarische Recht erlaube eine Inhaftierung von Personen aufgrund illegaler Einreise, unerlaubtem Aufenthalt oder wegen fehlender gültiger Ausweisdokumente. Unbegleitete Minderjährige würden nicht inhaftiert. In diesen geschlossenen Einrichtungen stünden regelmäßige Mahlzeiten, medizinische Versorgung und Freizeiteinrichtungen einschließlich TV sowie Freiluftaktivitäten zur Verfügung. Der UNHCR stelle mithilfe des Bulgarischen Helsinki Commitees in den Hafteinrichtungen einen regelmäßigen rechtlichen Beratungsdienst unter Beisein eines Dolmetschers zur Verfügung.
16 
Die grundsätzliche Verfügbarkeit medizinischer Versorgung sei zu bejahen. Nach dem Bericht „AIDA, Asylum Information Database National Country Report Bulgaria", werde jeder Antragsteller in Bulgarien von der zuständigen Stelle (staatliche Flüchtlingsagentur) krankenversichert und erhalte eine kostenlose medizinische Behandlung in gleichem Umfang wie ein bulgarischer Staatsbürger. UNHCR habe unter dem 15.04.2014 berichtet, dass in den Zentren Sofia, Banya und Pastrogor Ärzte und Krankenschwestern der staatlichen Flüchtlingsagentur arbeiteten. In Harmanli, Voenna Rampa und Vrazdebhna seien zudem „Ärzte ohne Grenzen“ tätig. Ab Mai 2014 solle diese Aufgabe jedoch von dem durch die staatliche Flüchtlingsagentur neu eingestellten medizinischen Personal übernommen werden. Der ärztliche Dienst werde in Kovachevtsi durch einen Arzt des dortigen Krankenhauses sichergestellt.
17 
Der Bericht „The AIDA Asylum Information Database National Country Report Bulgaria“ lasse keine Zweifel daran, dass die Schutzersuchen von den bulgarischen Behörden ordnungsgemäß geprüft und die Antragsteller dort nicht verfahrenswidrig in ihr Herkunftsland abgeschoben würden.
18 
Die Beklagte beantragt,
19 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 30. Juni 2014 - A 7 K 880/14 - zu ändern, soweit darin der Klage stattgegeben wurde, und die Klage abzuweisen.
20 
Der Kläger beantragt,
21 
die Berufung zurückzuweisen.
22 
Es sei zwar richtig, dass UNHCR in seiner letzten Stellungnahme gewisse Verbesserungen festgestellt habe und nicht mehr pauschal die Aussetzung von Abschiebungen nach Bulgarien fordere. Dieses lasse aber nicht den Schluss zu, dass in Bulgarien keine unmenschliche und erniedrigende Behandlung drohe. Auch nach der Stellungnahme von UNHCR seien zahlreiche gerichtliche Entscheidungen ergangen, die weiter von systemischen Mängeln ausgingen und weiterhin erhebliche Schwachstellen im bulgarischen Asylverfahren festgestellt hätten, insbesondere seien die Veränderungen nicht nachhaltig genug. Nach den vorliegenden Erkenntnissen bestehe berechtigter Anlass zur Sorge, dass gerade Asylbewerber mit besonderen Bedürfnissen in Bulgarien nicht die erforderliche medizinische Betreuung und therapeutische Unterstützung erhielten. Dieses betreffe aber gerade den traumatisierten Kläger.
23 
Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze verwiesen.
24 
Dem Senat lagen die Akten der Beklagten sowie die Gerichtsakten des Hauptsacheverfahrens wie auch des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes des Verwaltungsgerichts vor. Diese sowie die den Beteiligten und von diesen selbst benannten Erkenntnismittel waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

 
25 
Die zulässige, insbesondere unter Stellung eines Antrags rechtzeitig und formgerecht - zulässigerweise unter Bezugnahme auf den Zulassungsantrag - begründete Berufung der Beklagten hat Erfolg.
26 
Die zu Recht auf § 31 Abs. 6 und § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG (jeweils i.V.m. § 27a AsylVfG) gestützte Verfügung der Beklagten, mit der der Asylantrag als unzulässig qualifiziert und die Abschiebung des Klägers nach Bulgarien angeordnet wurde, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger kann nicht beanspruchen, dass sein Asylantrag durch die Bundesrepublik Deutschland geprüft wird.
27 
1. Die Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass Bulgarien der für die Durchführung des Asylverfahrens zuständige Mitgliedstaat und verpflichtet ist, den Kläger wieder aufzunehmen.
28 
Die Zuständigkeit Bulgariens folgt hier schon aufgrund der eigenen Angaben des Klägers aus Art. 10 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (VO Dublin II), die hier gem. Art. 49 Abs. 2 Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 (VO Dublin III) noch anzuwenden ist. Im Übrigen folgt die Zuständigkeit auch aus der zunächst fingierten und später von Bulgarien ausdrücklich erteilten Zustimmung (vgl. auch Art. 20 Abs. 1 lit. c) VO Dublin II). Dass mittlerweile das Asylverfahren möglicherweise abgeschlossen wurde, ist im Übrigen unbeachtlich (vgl. Art. 16 Abs. 1 lit. e) VO Dublin II; vgl. zur Situation abgelehnter Antragsteller unten Ziffer 2 b). Für das Überstellungsverfahren ist nach der Übergangsregelung des Art. 49 Abs. 2 VO Dublin III ebenfalls das alte Recht anzuwenden, da das Übernahmeersuchen bereits am 20.12.2013 an Bulgarien gerichtet worden war, weshalb auch gem. Art. 20 VO Dublin II keine Frist für die Stellung des Wiederaufnahmeersuchens einzuhalten war (vgl. demgegenüber Art. 23 Abs. 2 VO Dublin III).
29 
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Prüfung, ob ein anderer Mitglied- oder Vertragsstaat zuständig ist oder gar auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts im Sinne von Art. 3 Abs. 2 VO Dublin II durch die Bundesrepublik Deutschland.
30 
a) Ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417), die der Unionsgesetzgeber nunmehr in Art. 3 Abs. 2 UA 2 VO Dublin III umgesetzt hat, ist ein Mitglied- oder Vertragsstaat unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen. Das ihm insofern eingeräumte Ermessen ist nämlich Teil des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und stellt ein Element des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Bei der Ermessensausübung führt der Mitgliedstaat daher Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 GRCh aus. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Europäischen Grundrechtecharta, aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 18 GRCh und Art. 78 AEUV). Die Mitgliedstaaten müssen bei ihrer Entscheidung, ob sie von dem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen, diese Grundsätze beachten (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - a.a.O.).
31 
Dabei kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Auf dieser Grundlage besteht zunächst eine widerlegbare Vermutung dafür, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat den Anforderungen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten genügt. Andererseits ist es möglich, dass in diesem System in der Rechtsanwendungspraxis in einem bestimmten Mitgliedstaat erhebliche Funktionsstörungen zutage treten und dieses zur absehbaren Folge hat, dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist.
32 
Allerdings stellt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht jeder vereinzelte Verstoß gegen eine Bestimmung der VO Dublin II bzw. der VO Dublin III und auch nicht einmal jede Verletzung eines Grundrechts wie auch von Art. 4 GRCh durch den zuständigen Mitgliedstaat das Zuständigkeitssystem grundsätzlich infrage. Nach der Sichtweise des Europäischen Gerichtshofs stünde andernfalls nicht weniger als der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, auf dem Spiel (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 83). Das Zuständigkeitssystem ist hier deshalb nur dann (teilweise) zu suspendieren, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel oder Schwachstellen (vgl. zum Begriff jetzt Art. 3 Abs. 2 UA 2 VO Dublin III) des Asylverfahrens und (bzw. genauer: oder) der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, Urteile vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 78 ff. und vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 129, Rn. 30).
33 
Systemische Schwachstellen sind solche, die entweder bereits im Asyl- und Aufnahmeregime selbst angelegt sind und von denen alle Asylbewerber oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern deshalb nicht zufällig und im Einzelfall, sondern vorhersehbar und regelhaft betroffen sind, oder aber tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein theoretisch sachgerecht konzipiertes und nicht zu beanstandendes Asyl- und Aufnahmesystem - aus welchen Gründen auch immer - faktisch ganz oder in weiten Teilen seine ihm zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen kann und weitgehend unwirksam wird (vgl. auch BVerwG, Beschlüsse vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - NVwZ 2014, 1039, und vom 06.06.2014 - 10 B 35.14 - InfAuslR 2014, 352, mit dem ausdrücklichen Hinweis, die Betroffenen könnten gegenüber einer Überstellungsentscheidung mit Blick auf das Asyl- und Aufnahmesystem nur systemische Schwachstellen und nicht auch vorhersehbare schwere Rechtsverletzungen im Einzelfall einwenden). Dabei ist der Begriff der systemischen Schwachstelle nicht in einer engen Weise derart zu verstehen, dass er geeignet sein muss, sich auf eine unüberschaubare Vielzahl von Antragstellern auszuwirken. Vielmehr kann ein systemischer Mangel auch dann vorliegen, wenn er von vornherein lediglich eine geringe Zahl von Asylbewerbern betreffen kann, sofern er sich nur vorhersehbar und regelhaft realisieren wird und nicht gewissermaßen dem Zufall oder einer Verkettung unglücklicher Umstände bzw. Fehlleistungen von in das Verfahren involvierten Akteuren geschuldet ist (vgl. hierzu Lübbe, ZAR 2014, 97 ff.).
34 
Wesentliche Kriterien für die zu entscheidende Frage, ob eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vorliegt, finden sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK, der mit Art. 4 GRCh übereinstimmt. In seinem Urteil vom 21.01.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland - 30696/09 - NVwZ 2011, 413), das der Europäische Gerichtshof ausdrücklich in seinem Urteil vom 21.12.2011 zustimmend erwähnt und in seine Überlegungen einbezieht, hat der Gerichtshof für Menschenrechte eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da die systematische Unterbringung von Asylbewerbern in Haftzentren ohne Angabe von Gründen eine weit verbreitete Praxis der griechischen Behörden sei. Es gebe auch zahlreiche übereinstimmende Zeugenaussagen zu überfüllten Zellen, Schlägen durch Polizisten und unhygienischen Bedingungen in dem Haftzentrum neben dem internationalen Flughafen von Athen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer monatelang und ohne Perspektive in extremer Armut gelebt habe und außer Stande gewesen sei, für seine Grundbedürfnisse - Nahrung, Hygieneartikel und eine Unterkunft - aufzukommen. Er sei über Abhilfemöglichkeiten nicht angemessen informiert worden und habe in der ständigen Angst gelebt, angegriffen beziehungsweise überfallen zu werden.
35 
Art. 3 EMRK kann aber nicht in dem Sinne verstanden werden, dass er (aus sich heraus) die Vertragsparteien verpflichtet, jedermann in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch begründet Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. EGMR, Urteil vom 21.01.2011 - a.a.O., Rn. 249, m.w.N). Eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle der illegalen Einreise wie auch eine Unterschreitung der verfahrensrechtlichen Schutzstandards des Art. 13 EMRK reichen für sich genommen noch nicht aus, um einen relevanten Menschenrechtsverstoß anzunehmen, der zur Suspendierung des Dublin-Systems führen muss. Etwas anderes gilt aber nach der genannten Entscheidung des EGMR, wenn der jeweilige Staat aufgrund bindender rechtlicher Vorgaben die Pflicht zur Versorgung mittelloser Asylsuchender mit einer Unterkunft und einer materiellen Grundausstattung hat, wie hier nach der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180, 96 - ARL n.F.), welche die zuvor geltende Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 (ABl. L 31, 18 - ARL a.F.) ersetzt hat. Die genannten Richtlinien haben Minimalstandards für die Aufnahme von Asylsuchenden für die Mitgliedstaaten festgelegt. Sie geben für alle Mitgliedstaaten verbindlich vor, was deren Asylsystem zu leisten im Stande sein muss. Diese unionsrechtlichen normativen Vorgaben überlagern darüber hinaus gewissermaßen die allgemeinen - eher niedrigen - völkervertraglichen Schutzstandards des Art. 3 EMRK und konkretisieren nach dem Verständnis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte diese näher mit der Folge, dass die konkreten Anforderungen an die immer kumulativ festzustellende Schwere der Schlechtbehandlung niedriger anzusetzen sind, aber gleichwohl die typischerweise für die Mehrheit der einheimischen Bevölkerung geltenden Standards nicht völlig aus den Augen verlieren dürfen. Dabei muss jedoch zur Klarstellung darauf hingewiesen werden, dass nicht etwa die Nichterfüllung eines einzelnen Standards der Aufnahmerichtlinie ohne weiteres eine systemische Schwachstelle ausmachen muss, noch viel weniger, dass damit auch eine relevante Schlechtbehandlung verbunden ist.
36 
Wenn der Europäische Gerichtshof im Urteil vom 21.12.2011 (a.a.O.) als Voraussetzung für eine unzulässige Überstellung an einen anderen an sich zuständigen Mitgliedstaat wegen sog. systemischer Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen fordert, dass die Annahme einer drohenden Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 GRCh durch ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe gestützt wird, so setzt dies voraus, dass die festgestellten Tatsachen hinreichend verlässlich und aussagekräftig sind; nur unter dieser Voraussetzung ist es nach der maßgeblichen Sicht des Europäischen Gerichtshofs gerechtfertigt, von einer Widerlegung des „gegenseitigen Vertrauens“ der Mitgliedstaaten untereinander auszugehen. In diesem Zusammenhang müssen die festgestellten Tatsachen und Missstände verallgemeinerungsfähig sein, um die Schlussfolgerung zu rechtfertigen, dass es nicht nur vereinzelt, sondern immer wieder und regelhaft zu Grundrechtsverletzungen nach Art. 4 GRCh kommt. Das bei einer wertenden und qualifizierten Betrachtungsweise zugrunde zu legende Beweismaß ist das der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im herkömmlichen Verständnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung, das sich nicht von dem in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte entwickelten Beweismaß des „real risk“ unterscheidet (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - NVwZ 2013, 936, Rn. 32; Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris, Rn. 9).
37 
Bei diesem (weiten) Verständnis der systemischen Schwachstellen und bei dieser Ausgangslage bleibt jedenfalls praktisch kein Raum für die Prüfung sonstiger „zielstaatsbezogener“ Gründe. Denn dann kann etwa die mangelnde Behandelbarkeit einer bestimmten Krankheit, soweit dieses systembedingt ist, jeweils eingewandt werden, wenn die Folgen für die Betreffenden den relevanten Grad einer Schlechtbehandlung erreichen würden. Es ist allerdings auch denkbar, dass - eine systemische Schwachstelle unterstellt - einer Schlechtbehandlung im konkreten Einzelfall dadurch vorgebeugt werden kann, dass die Bundesrepublik Deutschland die Überstellung im Zusammenwirken mit dem anderen Mitgliedstaat so organisiert, dass eine solche nicht eintreten kann (vgl. in diesem Zusammenhang ausdrücklich in diesem Sinne EGMR, Urteil vom 04.11.2014 - 29217/12; BVerfG, Kammerbeschluss vom 17.09.2014 - 2 BvR 939/14 und 2 BvR 1795/14 - jeweils juris).
38 
Daraus, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 21.01.2011 (a.a.O., Rn. 263 f.) verschiedentlich auf die besondere Situation des Beschwerdeführers in Griechenland abgestellt und diese besonders erwähnt hat, kann nicht geschlossen werden, dass in den Fällen, in denen die Betroffenen sich im fraglichen Mitgliedstaat schon einmal aufgehalten und dabei eine relevante Schlechtbehandlung erfahren hatten, bei der Feststellung systemischer Schwachstellen des Asylsystems im Falle eines Verweises auf dieses Land geringere Anforderungen an die Zumutbarkeit zu stellen und eine niedrigere Beachtlichkeitsschwelle zugrunde zu legen sind. Die Ausführungen haben lediglich die Funktion, die allgemein gewonnenen Erkenntnisse zusätzlich plausibel zu machen und gewissermaßen zu verifizieren (anders möglicherweise BVerwG, Beschlüsse vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - a.a.O. und vom 06.06.2014 - 10 B 35.14 - a.a.O., ohne dass es im vorliegenden Fall darauf ankäme).
39 
Hinzu kommen muss aber immer, dass der konkrete Schutzsuchende auch individuell betroffen wäre. Es genügt nicht, dass lediglich abstrakt bestimmte strukturelle Schwachstellen festgestellt werden, wenn sich diese nicht auf den konkreten Antragsteller auswirken können.
40 
Eine nicht systembedingte Schlechtbehandlung im Zielstaat wird man bei einem Mitglied- oder Vertragsstaat zwar nicht von Rechts wegen (so etwa auch UK Supreme Court vom 19.02.2014 [2014] UKSC 12; unklar BVerwG, Beschlüsse vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - und vom 06.06.2014 - 10 B 35.14 -, jeweils a.a.O.), jedoch praktisch ausschließen können (vgl. zu den hohen Anforderungen an die Feststellung der Voraussetzungen des Art. 3 EMRK bei einer Erkrankung, die im Zielstaat nicht adäquat behandelt werden kann, bzw. in Bezug auf die allgemeinen Verhältnisse im Zielstaat VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.08.2013 - A 11 S 688/13 - juris, m.w.N.; anders jedoch, wenn die Verhältnisse Folge etwa eines innerstaatlichen Konflikts sind EGMR, Urteil vom 28.06.2011 - 8319/07 u.a., Sufi und Elmi - NVwZ 2012, 681).
41 
Außerhalb des Systems liegen auch alle Gründe, die nicht in den Verhältnissen des aufnehmenden Mitgliedstaats zu verorten sind, namentlich die Fallgestaltungen von Transport- und Reiseunfähigkeit (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 15.10.2004 - 11 S 2297/04 - juris und vom 06.02.2008 - 11 S 2439/07 - InfAuslR 2008, 213). Diese unmittelbar der Person der internationalen Schutz Suchenden zuzuordnenden Gründe, sind grundsätzlich nicht geeignet, das europäische Asylsystem infrage zu stellen, weshalb hier auch kein Anlass besteht, einen besonderen Maßstab zu entwickeln. Da insoweit Unionsrecht vollzogen wird (vgl. hierzu und zu Art. 51 Abs. 1 GRCh EuGH, Urteil vom 26.02.2013 - C-617/10, Fransson - NVwZ 2013, 561), ist die Überstellung bzw. die Überstellungsentscheidung am Maßstab des Art. 2 Abs. 1 GRCh (Recht auf Leben) und des Art. 3 Abs. 1 GRCh (Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit) zu überprüfen. Nach dem nationalen Recht ist deren Beachtung Rechtsvoraussetzung für den Erlass der Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG (vgl. Senatsbeschluss vom 31.05.2011 - A 11 S 1535/11 - InfAuslR 2011, 310; BayVGH, Beschluss vom 12.03.2014 - 10 CE 14.427 - juris; GK-AsylVfG § 34a Rn. 21 f. m.w.N.).
42 
b) Dieses zugrunde gelegt ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Asylverfahren in Bulgarien nunmehr an systemischen Schwachstellen leidet, die gerade den Kläger der konkreten Gefahr aussetzen würden, im Falle einer Rücküberstellung nach Bulgarien eine menschenunwürdige Behandlung erfahren zu müssen.
43 
Aus den Erkenntnismitteln wird hinreichend deutlich, dass in Bulgarien ein ausreichend ausdifferenziertes Verfahren zur Aufnahme von Flüchtlingen und zur Durchführung eines effektiven Prüfungs- und Anerkennungsverfahrens installiert ist, das - von einzelnen Unzulänglichkeiten, die allerdings allenfalls abgrenzbare Personengruppen betreffen können, abgesehen (vgl. hierzu im Folgenden) - den auch unionsrechtlich zu stellenden Anforderungen noch genügt und eine ordnungsgemäße Behandlung der Flüchtlinge ermöglicht (siehe die Darstellung im Urteil des österreichischen BVwG vom 03.10.2014 - W212 2009059-1 -, S. 3 ff.; vgl. ausführlich auch den von der Beklagten zum Gegenstand ihres Vortrags gemachten Bericht „Aida, Asylum Information Database - National Country Report Bulgaria“, April 2014, S. 14 - im Folgenden aida).
44 
Der Senat geht zunächst davon aus, dass, bedingt durch die im Laufe des Jahres 2013 erheblich angestiegene Zahl von Antragstellern (vgl. Eurostat, Asylum and new asylum applicants by citizenship, age and sex Monthly Data, Last update 22.10.2014; Email UNHCR Berlin an den Senat vom 06.11.2014; UNHCR, Bulgaria As a Country of Asylum, 02.01.2014, S. 4 - im Folgenden UNHCR I), die u.a. wegen des bereits lange dauernden internen Konflikts in Syrien vermehrt über die türkisch-bulgarische Grenze gekommen waren, das bulgarische Asylsystem, das trotz entsprechender Warnungen völlig unvorbereitet war, total überfordert, wenn nicht gar kollabiert war. Dies hatte erhebliche negative Auswirkungen auf alle Phasen und Aspekte des Asylsystems. So war schon ein effektiver Zugang zum Asylverfahren, insbesondere aus einer bestehenden Abschiebehaft, nicht mehr gewährleistet (vgl. UNHCR I, S. 7; aida, S. 16 f.). Folge hiervon war nicht nur, dass eine bestehende Haft nach Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz in unverhältnismäßiger und unzulässiger Weise (bis zu 45 oder gar 60 Tagen) fortdauern konnte, wie dies möglicherweise auch beim Kläger der Fall war, sondern auch, dass der mit der Registrierung als Antragsteller verbundene Zugang zu Unterkunft, Verpflegung, medizinischer Versorgung etc. nicht oder jedenfalls nicht in zumutbarer Zeit erreichbar war. Die Unterbringung in den „Reception Centres“ bzw. „Registration and Reception Centres“ wurde übereinstimmend fast ausnahmslos als weit unter den Standards des unionsrechtlich in den Aufnahmerichtlinien festgelegten Minimums qualifiziert und als menschenunwürdig beschrieben (vgl. aida, S. 41 ff.; Human Rights Watch, Containment Plan - Bulgaria’s Pushbacks and Detention of Syrian and Other Asylum Seekers and Migrants, April 2014, S. 46 ff. - im Folgenden HRW I; UNHCR I, S. 9 f.). Die einzige Ausnahme bildete das Kovachevtsi Centre. Verschärft wurde die Situation noch durch den Umstand, dass anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte, die eigentlich verpflichtet waren, innerhalb kurzer Zeit (wohl 14 Tagen) die Zentren zu verlassen, weiter dort verbleiben mussten und letztlich durften, weil sie andernfalls - unfähig, selbstverantwortlich eine Unterkunft zu finden und zu bezahlen - obdachlos geworden wären (bordermonitoring u.a., Trapped in Europe’s Quagmire: The Situation of Asylum Seekers and Refugees in Bulgaria, 2014, S. 19 f. - im Folgenden bordermonitoring I). Auch wurde immer wieder von körperlichen Übergriffen auf den Polizeistationen und in den Zentren berichtet (HRW I, S. 31 ff.), u.a. auch eine Folge der vollständigen physischen und psychischen Überforderung des dort tätigen Personals. Angesichts der unerträglichen Situation in den Zentren, insbesondere auch der unzumutbaren Überbelegung erklärte eine Vielzahl von Antragstellern einen Verzicht auf eine weitere dortige Unterbringung mit der Folge, dass sie auch jegliche Ansprüche auf Verpflegung etc. verloren hatten und gewissermaßen auf der Straße gelandet waren und erst infolge der eingetretenen Entlastung des bulgarischen Asylsystems (vgl. hierzu im Folgenden) nunmehr wieder in dieses integriert werden können (vgl. HRW I, S. 61 ff.; bordermonitoring I, S. 17 f.; UNHCR, Bulgarien als Asylland, April 2014, S. 10 - im Folgenden UNHCR II). Bei dieser Ausgangslage musste zwangsläufig auch die Behandlung von Kindern, insbesondere unbegleiteten Minderjährigen und generell von sog. „vulnerablen Personen“ völlig unzureichend sein (aida, S. 33 f. und 41 f.; HRW I., S. 51; UNHCR II, S. 8 f.). Insbesondere mangelte es in weiten Teilen an einer adäquaten Betreuung und Vertretung unbegleiteter Minderjähriger (vgl. HRW I, S. 58 ff.; UNHCR II, S. 9).
45 
Zwar wies auch zu dieser Zeit Bulgarien eine hohe Schutzquote auf (vgl. etwa HRW I, S. 66), gleichwohl bestanden - bedingt durch die hohen Eingangszahlen und wohl auch aufgrund unzureichender Qualifikation - unübersehbare Mängel im Verfahren selbst, wie etwa im Bereich der Übersetzung, Protokollführung, der Anhörungen und deren Umsetzung in den Bescheiden (vgl. hierzu aida, S. 20 f.; UNHCR I, S. 12). Der Komplex der rechtlichen Beratung und Unterstützung wurde als in hohem Maße defizitär geschildert, und zwar v.a. im Hinblick auf fehlende finanzielle Mittel und weniger aufgrund der jeweils maßgeblichen rechtlichen Grundlagen bzw. Vorgaben, die nicht grundsätzlich zu kritisieren sind (vgl. wiederum aida, 22 f.).
46 
Bei dieser Sachlage beschloss der Ministerrat Bulgariens im Oktober 2013 einen „Plan for the containment of the crisis resulting from stronger migration pressure on the Bulgarian border“, der zum einen eine Verbesserung der Aufnahmebedingungen sowie der Verfahrensabläufe, zum anderen eine konsequente Verhinderung künftiger unkontrollierter Einwanderung über die Landesgrenze v.a. mit der Türkei zum Inhalt hatte (vgl. HRW I, S. 22 f.). Außerdem wurde von EASO im Herbst 2013 in Zusammenarbeit mit dem bulgarischen Innenministerium, dem Leiter der bulgarischen Flüchtlingsbehörde (SAR) und UNHCR Bulgarien ein „Operating Plan To Bulgaria“ entwickelt, aufgrund dessen unter Hinzuziehung des Bulgarischen Roten Kreuzes und anderer Nichtregierungsorganisationen weitreichende Verbesserungen des gesamten Asylsystems vorgenommen werden sollten. Dieser Plan konzipierte die geplanten Maßnahmen mit einem zeitlichen Horizont bis September 2014 (vgl. zu alledem EASO, Operating Plan To Bulgaria, März 2014).
47 
In Vollzug des Ministerratsbeschlusses vom Oktober wurde mit dem Bau eines Zaunes an der Grenze zur Türkei begonnen, der mittlerweile in der vorgesehenen Länge fertiggestellt ist (vgl. Agence France-Presse, Bulgarie: des barbelés pour stopper les réfugiés vom 17.7.2014). Zuvor waren zur vorläufigen Absicherung der Grenze etwa 1500 Polizisten an die Grenze verlegt worden. Es gibt glaubhafte und nach Einschätzung des Senats zuverlässig recherchierte Berichte über eine Vielzahl von Zurückschiebungen über die Grenze in die Türkei aus der Zeit zwischen Ende 2013 bis in den Herbst 2014 (vgl. HRW I, S. 14 ff. und Annex 2, S. 3 ff. zu den Einwänden des bulgarischen Innenministers in dessen Schreiben vom 29.04.2014; bordermonitoring vom 21.09.2014). Damit verstieß und verstößt Bulgarien gegen das unionsrechtliche wie auch das völkerrechtliche Refoulement-Verbot nach Art. 21 Abs. 1 QRL bzw. Art. 33 GFK (vgl. hierzu im Einzelnen Marx, Handbuch des Flüchtlingsrechts, 2. Aufl., 2012, § 52). Denn zum einen ist die Türkei kein sicherer Drittstaat, weil sie die Genfer Flüchtlingskonvention und das Protokoll von 1967 nur mit einem regionalen Vorbehalt gezeichnet hat; zum anderen hat sich Bulgarien offensichtlich nicht vergewissert, dass die Türkei nicht in einen potentiell verfolgenden Herkunftsstaat „weiterschiebt“. Da das Refoulement-Verbot auch eine Zurückweisung an der Grenze untersagt, sofern nicht eine Massenfluchtbewegung gegeben ist (vgl. Marx, a.a.O., § 52 Rn. 5 mit zahlreichen weiteren Nachweisen), wovon aber in Bezug auf Bulgarien noch nicht auszugehen sein wird, dürfte auch die Errichtung des Grenzzauns kaum mit dem Refoulement-Verbot in Einklang stehen, zumal nach der Auskunftslage nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine offizielle Anreise über die türkischen Grenzübergangsstellen möglich ist (vgl. HRW I., S. 25). Letztlich kann dies aber offen bleiben, weil hiervon Flüchtlinge, die sich bereits im Asylverfahren befinden, nicht betroffen sind. Jedenfalls hat diesbezüglich die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Bulgarien eingeleitet (vgl. österreichisches BVwG, Urteil vom 03.10.2014 - W212 2009059-1 -, S. 6).
48 
Nicht zuletzt mit Rücksicht auf die geschilderten Maßnahmen ist die Zahl der Antragsteller seit Anfang des Jahres zunächst erheblich zurückgegangen, wobei allerdings für den Monat August und September wiederum ein Anstieg zu verzeichnen ist (vgl. Eurostat, a.a.O.). Auch dieses hat zu einer erheblichen Entlastung des bulgarischen Asylsystems geführt und mit dazu beigetragen, dass die von EASO ins Auge gefassten Maßnahmen unter erleichterten Rahmenbedingungen in Angriff genommen und durchgeführt werden konnten. Im Wesentlichen übereinstimmend wird von erheblichen Verbesserungen berichtet.
49 
Die Missstände in den Aufnahmeeinrichtungen sind grundlegend in baulicher wie auch personeller Hinsicht angegangen und auch im Wesentlichen behoben worden. Auch die besonderen Problemfälle der Zentren Vrazdebhna, Harmanli und Voenna Rampa waren im April 2014 in Angriff genommen worden, sie wurden im Frühjahr 2014 (noch) saniert, weshalb die in der Pressemitteilung des Niedersächsischen Flüchtlingsrats vom 02.09.2014 angesprochenen und kritisierten Verhältnisse in Voenna Rampa in dieser Allgemeinheit nicht mehr aktuell sind. Auch die in dem Reisebericht von Rahmi Tuncer vom 15.10.2014 wiedergegebenen Schilderungen beziehen sich teilweise auf die Vergangenheit und sind nach den anderen verwerteten Erkenntnismitteln nicht mehr uneingeschränkt aktuell. Gleichzeitig wurden die Unterbringungskapazitäten von 4150 (bei einer damaligen Belegungsquote von nur noch rund 80 v.H.) auf etwa 6000 Plätze erweitert, ohne dass diese erschöpft wären (vgl. aida, S. 41 ff. und UNHCR II, S. 6 ff.; HRW I, S. 46 f.; Emails von UNHCR Berlin an den Senat vom 06.11.2014 und vom 07.11.2014). Dass die Verhältnisse nach wie vor defizitär und wenig befriedigend sein mögen, wie dies im Übrigen auch für einen nicht unerheblichen Teil der einheimischen Bevölkerung der Fall ist, rechtfertigt allein nicht die Annahme, dass sie generell nicht mehr menschenwürdegemäß wären. Die prekäre Versorgung mit Nahrung und Lebensmitteln in den Zentren ist entscheidend verbessert worden; v.a. ist seit Anfang Februar 2014 sichergestellt, dass täglich mindestens zwei warme Mahlzeiten ausgegeben werden; zum Teil bestehen nunmehr auch eigene private Kochmöglichkeiten (vgl. UNHCR II, S. 8). Dass die Qualität möglicherweise immer wieder zu wünschen übrig lässt, kann, solange dieses keine gesundheitlich bedenkliche Mangelernährung zur Folge hat, nicht als systemische Schwachstelle, geschweige denn als eine nicht menschenwürdegemäße Schlechtbehandlung angesehen werden. Defizitär ist hingegen noch die systematische und flächendeckende Versorgung von Babys und Kleinstkindern mit ihnen adäquater Nahrung, jedenfalls teilweise ist eine Versorgung allerdings durch den Einsatz von Nichtregierungsorganisationen gewährleistet (ai, Rücküberstellungen von Asylsuchenden nach Bulgarien sind weiterhin auszusetzen, S. 6 f. - im Folgenden ai; UNHCR II, S. 8). Gewisse Verbesserungen bei den Unterbringungsbedingungen sind auch eingetreten für Familien mit kleineren Kindern, alleinstehende Frauen mit Kindern und unbegleitete Minderjährige, ohne allerdings das erforderliche Minimum an Privatheit zuzulassen und auch immer ausreichenden Schutz vor Übergriffen zu bieten. Nach wie vor sind daher erhebliche Defizite auszumachen (UNHCR II, S. 7 und 9; aida, S. 43; ai, S. 6 f.). Ob bei diesen Aufnahmebedingungen insoweit eine dieser Personengruppe angemessene Unterbringung gewährleistet ist, und insbesondere, ob diese als unmenschliche und entwürdigende Behandlung zu qualifizieren wäre, lässt der Senat, weil nicht entscheidungserheblich, offen.
50 
Angesichts der dargestellten Verbesserungen in den Aufnahmeeinrichtungen ist - jedenfalls derzeit bei nicht dramatisch steigenden Zahlen von Antragstellern - nicht damit zu rechnen, dass das bulgarische Aufnahmesystem wieder kollabieren wird und in Folge dessen, dass die Asylsuchenden die Zentren aus eigenem „Wunsch“ verlassen, damit aber auch keine Unterstützung mehr erhalten. In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu berücksichtigen, dass nach den Stellungnahmen von UNHCR Berlin an den Senat vom 06.11.2014 und vom 07.11.2014 im Oktober 2014 noch erhebliche Unterbringungs- bzw. Aufnahmekapazitäten (35 v.H.) frei waren und die ansteigenden Flüchtlingszahlen das Land nicht mehr, wie noch im vergangenen Jahr, unvorbereitet und ohne Hilfe der Europäischen Union treffen bzw. treffen werden.
51 
Kritisiert wird weiterhin, dass Flüchtlingskinder allenfalls teilweise Zugang zu schulischer Bildung, Sprachkursen und Freizeitaktivitäten haben (vgl. etwa ai, S. 8; UNHCR II, S. 13). Eine menschenunwürdige Schlechtbehandlung ist darin aber nicht zu sehen.
52 
UNHCR und andere Stellen beanstanden nach wie vor, dass effektive Mechanismen zur systematischen Identifizierung von Personen mit besonderen Bedürfnissen nicht zur Verfügung stehen bzw. jedenfalls nicht in dem gebotenen Maße tatsächlich genutzt werden und dass selbst Nichtregierungsorganisationen nicht in der Lage sind, die bestehenden Lücken und Defizite zu schließen bzw. zu beheben (UNHCR II, S. 8 f.; aida, S. 33). Betroffen ist der Kläger jedoch hiervon offensichtlich nicht.
53 
Im Argen liegt weiterhin die Situation der unbegleiteten Minderjährigen, denen tatsächlich in größerem Umfang die erforderlichen Vormünder nicht gestellt werden und die dementsprechend gesetzeswidrig ohne die notwendige Vertretung bleiben, zumindest jedoch keine ausreichend kompetente Vertretung erhalten (vgl. im Einzelnen HRW I., S. 54 ff.; UNHCR II, S. 9; aida., S. 35).
54 
Die - gerade auch kostenlose - medizinische Versorgung (vgl. Art. 15 ARL a.F. bzw. Art. 19 ARL n.F.) und v.a. der Zugang zu ihr ist nach der Auskunftslage nicht immer in dem gebotenen Maße sichergestellt, zumal sich „Ärzte ohne Grenzen“ mittlerweile definitiv aus der Versorgung der Flüchtlinge zurückgezogen haben und nicht hinreichend geklärt erscheint, ob diese tatsächlich in dem gebotenen Maße ersetzt werden können und auch noch während deren Tätigkeit die Situation zum Teil jedenfalls durchaus prekär und durch Lücken und Defizite gekennzeichnet war (vgl. UNHCR II, S. 8; aida, S. 34 und 47; bordermonitoring I, S. 16; vgl. Médecins sans Frontières v. 06.06.2014, die immerhin (nur) die Hoffnung ausdrücken, dass sich die Lage trotz ihres Abzugs weiter verbessern werde). Die Lage ist für die Betroffenen auch deswegen besonders problematisch, weil sie in vielen Fällen nicht über die erforderlichen Informationen verfügen und erhebliche, nicht durch ausreichend qualifizierte Sprachmittler behebbare Kommunikationsschwierigkeiten bestehen (bordermonitoring I, S. 16; vgl. auch zur Gesundheitsversorgung in den Haftanstalten und die dort ebenfalls bestehenden sprachlichen Kommunikationsprobleme aida, S. 51 f.). Es gibt auch Berichte, wonach Personal des Gesundheitswesens nur gegen Bestechung bereit war, die gebotene Behandlung zu leisten (vgl. bordermonitoring I, S. 16) bzw. - allgemeiner ausgedrückt - ohne Bezahlung keine Untersuchungen durchgeführt wurden (vgl. Reisebericht Rahmi Tuncer vom 15.10.2014). Zwar übersieht der Senat nicht, dass die prekäre Lage zu einem nicht unerheblichen Teil dem schlechten Gesundheitssystem Bulgariens selbst und dessen niedrigeren Standards geschuldet ist und die Flüchtlinge rechtlich nur allgemein der bulgarischen Bevölkerung gleichgestellt werden (vgl. aida, S. 47). Die bestehenden Probleme, einen effektiven Zugang zu einer Gesundheitsversorgung zu erhalten, und die offenbar verbreitete Korruption machen sie in diesem System aber besonders verletzlich, weshalb sie im Falle einer ernsthaften und schweren Erkrankung einem realen Risiko ausgesetzt sein können, Schaden an Leib oder Leben zu nehmen. Dabei muss zudem bedacht werden, dass die hier infrage stehenden Personen in besonderem Maße durch die fluchtauslösenden Anlässe und die Erlebnisse auf der Flucht gezeichnet sein können (vgl. aida, S. 47). Der Senat ist sich dabei auch des Umstandes bewusst, dass an sich Art. 3 EMRK nach der Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte kein Verbleiberecht gewährt, um eine medizinisch notwendige Behandlung durchführen lassen zu können, auch wenn die Betroffenen an einer schweren Krankheit leiden (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 06.02.2001 - 44599/98). Allerdings gelten die Standards des Art. 19 ARL n.F. darüber hinaus, wenn hiernach zumindest eine Notbehandlung und die unbedingt erforderlichen Behandlungen von Krankheiten und schweren psychischen Störungen unionsrechtlich versprochen sind mit der Folge, dass dann, wenn diese „systemisch“ - auch nur bei bestimmten (begrenzten) Krankheitsbildern - nicht oder jedenfalls nicht effektiv zur Verfügung stehen bzw. erreicht werden können, von einem die Überstellung hindernden Mangel auszugehen wäre. Dieser Frage wird aus gegebenem Anlass noch nachzugehen sein. Im Falle des Klägers jedenfalls besteht ein solcher nicht. Die im Verwaltungsverfahren vorgelegte ärztliche Bescheinigung vom 03.11.2014, die trotz eines entsprechenden Hinweises des Senats nicht weiter substantiiert wurde, ist bei weitem nicht ausreichend aussagekräftig. Sie ist weit davon entfernt den Mindestvoraussetzungen für die Darlegung (und Glaubhaftmachung) einer psychischen behandlungsbedürftigen Erkrankung (insbesondere einer posttraumatischen Belastungsstörung), geschweige denn eines hierauf gerichteten Beweisantritts zu genügen (vgl. zu alledem BVerwG, Urteil vom 11.09.2007 - 10 C 8.07 - NVwZ 2008, 330; Senatsbeschluss vom 10.07.2003 - 11 S 2622/02 - InfAuslR 2004, 423; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 08.02.2012 - 2 M 29/12 - AuAS 2012, 136). Der Senat bemerkt hierzu, dass der Kläger bei seiner im Verwaltungsverfahren erfolgten Anhörung von einer Inhaftierung von zweieinhalb Monaten gesprochen hatte, während er dem behandelnden Therapeuten gegenüber eine drei bis vier Monate dauernde Inhaftierung erwähnt hatte. Im Übrigen gab der Kläger in der mündlichen Verhandlung auf Frage des Senats an, dass er sich wegen Schlafstörungen in Behandlung begeben habe; er müsse immer an Bulgarien und Syrien denken. Die mündliche Verhandlung ergab weiter, dass dem Kläger ein Antidepressivum verschrieben wurde, das er nach wie vor einnimmt. Die vom Arzt verschriebene Medikation beläuft sich jedoch auf nur eine halbe Tablette, während nach dem vom Senat eingesehenen Beipackzettel die durchschnittliche Medikation bei 1 Tablette bis zu maximal 3 Tabletten täglich liegt. Hinzu kommt, dass nur halbstündliche Sitzungen stattfinden, wobei zudem ein Dolmetscher hinzugezogen werden muss. Schließlich konnte der Kläger nicht einmal angeben, in welchem Abstand die Sitzungen stattfinden, insbesondere auch ob dies regelmäßig der Fall ist. Vor diesem Hintergrund kann es sich nach Überzeugung des Senats nicht um ein stark ausgeprägtes Krankheitsbild handeln, das zwingend eine durchgängige ärztliche Behandlung erforderlich macht. Die Ausführungen in der genannten Bescheinigung sind nicht nachvollziehbar. Offenbar ist der Behandler sich auch nicht einmal selbst sicher, dass eine längerfristige Behandlung zwingend erforderlich ist, wenn er nur davon schreibt, dass eine solche indiziert zu sein „scheint“. Wenn schließlich die Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung auf Befragung äußerte, dass der Behandler auf ihre Nachfrage erklärt habe, keine weitere und v.a. keine ausführlichere Stellungnahme mehr abgeben zu wollen, so sieht der Senat keine Veranlassung zu einer weiteren Aufklärung und geht davon aus, dass etwaige systemische Mängel des bulgarischen Gesundheitssystems den Kläger nicht betreffen würden.
55 
Des Weiteren sind eine zeitnahe Registrierung von Asylgesuchen und damit ein schneller Zugang zum Asylverfahren nunmehr grundsätzlich gewährleistet und nicht mehr systemimmanent defizitär, allerdings ist nach den verwerteten Erkenntnismitteln nicht auszuschließen, dass es im Falle einer Antragstellung aus der Haft nach wie vor zu Verzögerungen von einigen Tagen kommen kann, die möglicherweise auch vermeidbar wären (vgl. zu alledem UNHCR II, S. 4 ff.; ai, S. 3 f.). Ein grundlegender, das gesamte Asylsystem betreffender Mangel liegt hierin aber nicht (mehr). Die Tatsache allein, dass Ausländer und Ausländerinnen, die illegal eingereist sind, zunächst in größerem Umfang inhaftiert werden, solange sie keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, stellt keine systemische Schwachstelle des Asylsystems dar, sofern, wie nunmehr, sichergestellt ist, dass sie nach der Antragstellung zeitnah registriert werden, auch wenn die Inhaftierungen nicht immer den Vorgaben des Art. 15 der RL 2008/115/EG vom 16.12.2008 (ABl. L 348, 98 - RFRL) entsprechen sollten.
56 
Die früher festgestellten Mängel in Bezug auf das Prüfungsverfahren und die Entscheidungen über die Gewährung internationalen Schutzes (vgl. aida, S. 20 ff.) sind zwar nicht gänzlich ausgeräumt, allerdings sind positive Veränderungen auf den Weg gebracht worden. Die Verfahrensdauer, die bei syrischen Staatsangehörigen in der Regel ohnehin nicht zu beanstanden war, wurde mittlerweile auch bei nicht syrischen Flüchtlingen wesentlich verkürzt (vgl. UNHCR II, S. 11 f.). Die Bereitstellung von Informationen für die Antragsteller über den Ablauf des Verfahrens und die in diesem Zusammenhang bestehenden Rechte wurden wesentlich verbessert, ohne aber wiederum als vollständig befriedigend qualifiziert werden zu können (vgl. aida, S. 30 f.). Zumindest für ein Erstverfahren ist eine kostenlose Rechtsberatung rechtlich gewährleistet, steht mit Rücksicht auf eine unzureichend finanzielle Ausstattung allerdings staatlicherseits nicht zuverlässig zur Verfügung, weshalb Nichtregierungsorganisationen, wie das Bulgarische Helsinki Komitee, einspringen und teilweise selbst die unentgeltliche Vertretung übernehmen müssen (vgl. UNHCR II, S. 11 f.; aida, S. 22). Diese Defizite werden jedoch - auch in Anbetracht der stattgefundenen Verbesserungen - vom Senat nicht als derart grundlegend eingestuft, dass sie als systemisch zu qualifizieren wären.
57 
Wenn erhebliche Bedenken gegen eine in Art. 45b Abs. 1 Nr. 3 des bulgarischen Asyl- und Flüchtlingsgesetz geplante gesetzliche Änderung des Haftrechts formuliert und die Weite bzw. die Unbestimmtheit der Haftgründe kritisiert werden, so mag in der Tat die vorgeschlagene Formulierung weiter geraten sein, als dies Art. 8 Abs. 3 lit. d) ARL n.F. vorsieht. Aber selbst wenn der Gesetzesentwurf tatsächlich in dieser Form verabschiedet werden sollte, was bislang noch nicht geschehen ist (vgl. Email von UNHCR Berlin an den Senat vom 06.11.2014), so stehen jedoch einer unionsrechtskonformen Auslegung und Anwendung keine Hindernisse entgegen. Solange sich aber die bulgarischen Behörden und Gerichte einer solchen Handhabung nicht systematisch und durchgängig verweigern, kann von einem hier relevanten Mangel nicht gesprochen werden.
58 
Sog. Dublin-Rückkehrern steht ein Erstverfahren weiterhin offen, soweit eine persönliche Anhörung noch nicht stattgefunden hat (vgl. UNHCR II, S. 14), auch wenn nach der Gesetzeslage nach einem „Nichtbetreiben“ des Verfahrens wegen Abwesenheit über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten das Verfahren an sich beendet ist; Folge der Fortführung ist, dass die Betroffenen wieder in das normale Aufnahmesystem integriert werden. Das Verfahren wird allerdings dann nicht mehr eröffnet, wenn eine Anhörung bereits durchgeführt und das Verfahren daraufhin endgültig abgeschlossen worden war. Dann sind die Betroffenen auf einen Folgeantrag verwiesen, was aber in Einklang mit den Vorgaben der Verfahrensrichtlinie RL 2005/85/EG steht. Nach Art. 20 Abs. 1 und 2 i.V.m. Art. 32 ist der Verweis auf ein Folgeverfahren grundsätzlich möglich. Allerdings wird hier Art. 28 Abs. 2 der Neufassung (RL 2013/32/EU) eine gewisse Anpassung erforderlich machen.
59 
Die Lage der beachtlich hohen Zahl von anerkannten international Schutzberechtigten wird durchgängig als wenig zufriedenstellend, wenn nicht gar schlecht beschrieben (vgl. etwa UNHCR II, S. 12 f). Dass ein wirklich schlagkräftiges Integrationsprogramm existieren und v.a. bereits erfolgreich praktiziert werden würde, ist für den Senat nicht ersichtlich. Allenfalls sind erste Ansätze erkennbar (vgl. HRW II, S. 4 f.). Dabei darf nicht übersehen werden, dass hier das Unionsrecht den Betroffenen lediglich Inländergleichbehandlung (vgl. etwa Art. 26. 27, 28 Abs. 1, 29, 30 RL 2011/95/EU - QRL) oder Gleichbehandlung mit anderen sich rechtmäßig aufhaltenden Ausländern (vgl. etwa Art 32 und 33 QRL) verspricht und sie damit nur teilhaben an den schlechten wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen weiter Teile der bulgarischen Bevölkerung. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass nach den allgemein zugänglichen Daten des Statistischen Bundesamts das Bruttoprokopfeinkommen Bulgariens im Jahre 2013 7030 USD betrug, damit noch erheblich unter dem von Rumänien (9060 USD) lag und etwa dem Niveau Südafrikas (7190 USD) entsprach. Nach den verwerteten Angaben von Eurostat (vgl. Pressemitteilung Nr. 184/2013 vom 05.12.2003) belief sich im Jahre 2012 der Anteil der Bevölkerung Bulgariens, der von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen bzw. bedroht ist, auf 49 v.H. (Rumänien 42 v.H.; Niederlande und Tschechische Republik 15 v.H.). Die rechtliche Gleichbehandlung ist dabei aber, soweit für den Senat erkennbar, weitgehend hergestellt. So erhalten Flüchtlinge ebenso wie bedürftige bulgarische Staatsangehörige gleichermaßen Leistungen in Höhe von 33 EUR monatlich. Im Übrigen finden sich im Unionsrecht lediglich - teilweise wenig bestimmte - Handlungsaufträge (vgl. Art. 28 Abs. 2, Art. 34 QRL). Der Senat ist sich der Tatsache bewusst, dass etwa ohne flächendeckende Sprachkurse, namentlich für Kinder und Jugendliche, der an sich garantierte gleiche Zugang zu Bildung und Ausbildung bzw. zum Arbeitsmarkt weitgehend auf dem Papier steht und faktisch nicht eingelöst werden kann. Selbst wenn solche jedoch nicht in dieser Weise angeboten werden und teilweise nur aufgrund der Hilfe und Mitwirkung von UNHCR und Caritas durchgeführt werden können, so bedeutet dies nicht, dass deshalb eine relevante Schlechtbehandlung angenommen werden kann, auch wenn es sich um einen sicherlich bedeutsamen Aspekt (von vielen) handelt, mit dem man rechtspolitisch das Europäische Asylsystem in seiner gegenwärtigen Ausgestaltung infrage stellen kann.
60 
Die Situation unbegleiteter Minderjähriger bedürfte bei gegebenem Anlass mit Rücksicht auf Art. 31 QRL ebenfalls einer gesonderten Betrachtung.
61 
Zwar stehen die geschilderten Fortschritte auch im Zusammenhang mit den zurückgegangenen Anträgen, die wiederum zu einem wesentlichen Teil mit den nicht unionsrechts- und völkerrechtskonformen Zurückschiebungen und den nicht unbedenklichen Absperrmaßnahmen an der Grenze zur Türkei (vgl. etwa HRW I, S. 7) zusammenhängen, sie haben aber jedenfalls faktisch, worauf es allein ankommt, zu einer Situation geführt, in der zumindest für den Personenkreis von nicht ernsthaft erkrankten Alleinstehenden und Familien, zu denen keine kleinen Kinder gehören, nicht davon ausgegangen werden kann, dass durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme festgestellt werden können, dass diese im Falle einer Überstellung nach Bulgarien dort Gefahr laufen, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein. Zwar sind die Zugangszahlen wieder im Steigen begriffen, jedoch sind, wie bereits ausgeführt, noch erhebliche Kapazitäten frei. Hinzu kommt (und dabei handelt es sich um einen wesentlichen Beurteilungsaspekt), dass Bulgarien - anders als im Vorjahr - nicht mehr völlig unvorbereitet und ohne Hilfe der Union und von UNHCR mit steigenden Zugangszahlen konfrontiert sein wird. Was den Personenkreis der Familien mit kleinen Kindern, ernsthaft Erkrankten und unbegleiteten Minderjährigen betrifft, lässt, weil nicht entscheidungserheblich, der Senat ausdrücklich offen, ob hier eine andere Beurteilung vorzunehmen ist, ferne läge sie jedoch nach dem oben Dargelegten nicht. In diesem Zusammenhang wäre auch ggf. zu klären, ob im Fall einer Überstellung etwa festgestellte, an sich bestehende Mängel durch konkrete Absprachen zwischen den für die Aufenthaltsbeendigung zuständigen deutschen Ausländerbehörden und den bulgarischen Behörden in einer Weise kompensiert werden können, dass eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vermieden werden kann (vgl. EGMR, Urteil vom 04.11.2014 - 29217/12; BVerfG, Kammerbeschluss vom 17.09.2014 - 2 BvR 939/14 und 2 BvR 1795/14 - jeweils juris).
62 
3. Sonstige Mängel des angegriffenen Bescheids sind nicht gegeben. Allerdings hat die Beklagte die Ziffer 1 in der Weise formuliert, dass (nur) eine Feststellung getroffen wurde mit der Folge, dass auf den ersten Blick möglicherweise formal betrachtet nicht den Anforderungen des § 31 Abs. 6 AsylVfG genügt wird und deshalb die Gestattungswirkung des § 55 Abs. 1 AsylVfG nicht gemäß § 67 Abs. 1 Nr. 5 AsylVfG zum Erlöschen gebracht werden konnte, weshalb dann in Ermangelung einer bestehenden Ausreisepflicht die Voraussetzungen des § 34a Abs. 1 AsylVfG nicht erfüllt wären. Die angegriffene Verfügung ist jedoch auch im Hinblick auf den maßgeblichen Empfängerhorizont (vgl. §§ 133, 157 BGB entspr.) in der Weise auszulegen, dass der Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde und auch werden sollte (a.A. VG Frankfurt, Urteil vom 21.07.2014 - 7 K 352/14.F.A - juris). Denn es ist auch aus der Sicht des Klägers offensichtlich, dass die Beklagte mit ihrer Verfügung die Grundlage für den Erlass der Überstellungsentscheidung legen wollte, was aber, wie gezeigt, zwingend voraussetzt, dass die Ausreisepflicht begründet werden muss. Es wäre sinnwidrig, der Beklagten zu unterstellen, dass sie etwas verfügen wollte und in letzter Konsequenz verfügt hat, was ersichtlich insoweit ungeeignet ist (vgl. noch zu der Frage, ob trotz Erlass einer Abschiebungsanordnung eine freiwillige oder kontrollierte Ausreise ermöglicht werden muss, Senatsurteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1285/14 - juris).
63 
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylVfG. Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO, die es rechtfertigen würden, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

Gründe

 
25 
Die zulässige, insbesondere unter Stellung eines Antrags rechtzeitig und formgerecht - zulässigerweise unter Bezugnahme auf den Zulassungsantrag - begründete Berufung der Beklagten hat Erfolg.
26 
Die zu Recht auf § 31 Abs. 6 und § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG (jeweils i.V.m. § 27a AsylVfG) gestützte Verfügung der Beklagten, mit der der Asylantrag als unzulässig qualifiziert und die Abschiebung des Klägers nach Bulgarien angeordnet wurde, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger kann nicht beanspruchen, dass sein Asylantrag durch die Bundesrepublik Deutschland geprüft wird.
27 
1. Die Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass Bulgarien der für die Durchführung des Asylverfahrens zuständige Mitgliedstaat und verpflichtet ist, den Kläger wieder aufzunehmen.
28 
Die Zuständigkeit Bulgariens folgt hier schon aufgrund der eigenen Angaben des Klägers aus Art. 10 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (VO Dublin II), die hier gem. Art. 49 Abs. 2 Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 (VO Dublin III) noch anzuwenden ist. Im Übrigen folgt die Zuständigkeit auch aus der zunächst fingierten und später von Bulgarien ausdrücklich erteilten Zustimmung (vgl. auch Art. 20 Abs. 1 lit. c) VO Dublin II). Dass mittlerweile das Asylverfahren möglicherweise abgeschlossen wurde, ist im Übrigen unbeachtlich (vgl. Art. 16 Abs. 1 lit. e) VO Dublin II; vgl. zur Situation abgelehnter Antragsteller unten Ziffer 2 b). Für das Überstellungsverfahren ist nach der Übergangsregelung des Art. 49 Abs. 2 VO Dublin III ebenfalls das alte Recht anzuwenden, da das Übernahmeersuchen bereits am 20.12.2013 an Bulgarien gerichtet worden war, weshalb auch gem. Art. 20 VO Dublin II keine Frist für die Stellung des Wiederaufnahmeersuchens einzuhalten war (vgl. demgegenüber Art. 23 Abs. 2 VO Dublin III).
29 
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Prüfung, ob ein anderer Mitglied- oder Vertragsstaat zuständig ist oder gar auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts im Sinne von Art. 3 Abs. 2 VO Dublin II durch die Bundesrepublik Deutschland.
30 
a) Ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417), die der Unionsgesetzgeber nunmehr in Art. 3 Abs. 2 UA 2 VO Dublin III umgesetzt hat, ist ein Mitglied- oder Vertragsstaat unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen. Das ihm insofern eingeräumte Ermessen ist nämlich Teil des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und stellt ein Element des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Bei der Ermessensausübung führt der Mitgliedstaat daher Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 GRCh aus. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Europäischen Grundrechtecharta, aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 18 GRCh und Art. 78 AEUV). Die Mitgliedstaaten müssen bei ihrer Entscheidung, ob sie von dem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen, diese Grundsätze beachten (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - a.a.O.).
31 
Dabei kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Auf dieser Grundlage besteht zunächst eine widerlegbare Vermutung dafür, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat den Anforderungen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten genügt. Andererseits ist es möglich, dass in diesem System in der Rechtsanwendungspraxis in einem bestimmten Mitgliedstaat erhebliche Funktionsstörungen zutage treten und dieses zur absehbaren Folge hat, dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist.
32 
Allerdings stellt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht jeder vereinzelte Verstoß gegen eine Bestimmung der VO Dublin II bzw. der VO Dublin III und auch nicht einmal jede Verletzung eines Grundrechts wie auch von Art. 4 GRCh durch den zuständigen Mitgliedstaat das Zuständigkeitssystem grundsätzlich infrage. Nach der Sichtweise des Europäischen Gerichtshofs stünde andernfalls nicht weniger als der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, auf dem Spiel (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 83). Das Zuständigkeitssystem ist hier deshalb nur dann (teilweise) zu suspendieren, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel oder Schwachstellen (vgl. zum Begriff jetzt Art. 3 Abs. 2 UA 2 VO Dublin III) des Asylverfahrens und (bzw. genauer: oder) der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, Urteile vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 78 ff. und vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 129, Rn. 30).
33 
Systemische Schwachstellen sind solche, die entweder bereits im Asyl- und Aufnahmeregime selbst angelegt sind und von denen alle Asylbewerber oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern deshalb nicht zufällig und im Einzelfall, sondern vorhersehbar und regelhaft betroffen sind, oder aber tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein theoretisch sachgerecht konzipiertes und nicht zu beanstandendes Asyl- und Aufnahmesystem - aus welchen Gründen auch immer - faktisch ganz oder in weiten Teilen seine ihm zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen kann und weitgehend unwirksam wird (vgl. auch BVerwG, Beschlüsse vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - NVwZ 2014, 1039, und vom 06.06.2014 - 10 B 35.14 - InfAuslR 2014, 352, mit dem ausdrücklichen Hinweis, die Betroffenen könnten gegenüber einer Überstellungsentscheidung mit Blick auf das Asyl- und Aufnahmesystem nur systemische Schwachstellen und nicht auch vorhersehbare schwere Rechtsverletzungen im Einzelfall einwenden). Dabei ist der Begriff der systemischen Schwachstelle nicht in einer engen Weise derart zu verstehen, dass er geeignet sein muss, sich auf eine unüberschaubare Vielzahl von Antragstellern auszuwirken. Vielmehr kann ein systemischer Mangel auch dann vorliegen, wenn er von vornherein lediglich eine geringe Zahl von Asylbewerbern betreffen kann, sofern er sich nur vorhersehbar und regelhaft realisieren wird und nicht gewissermaßen dem Zufall oder einer Verkettung unglücklicher Umstände bzw. Fehlleistungen von in das Verfahren involvierten Akteuren geschuldet ist (vgl. hierzu Lübbe, ZAR 2014, 97 ff.).
34 
Wesentliche Kriterien für die zu entscheidende Frage, ob eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vorliegt, finden sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK, der mit Art. 4 GRCh übereinstimmt. In seinem Urteil vom 21.01.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland - 30696/09 - NVwZ 2011, 413), das der Europäische Gerichtshof ausdrücklich in seinem Urteil vom 21.12.2011 zustimmend erwähnt und in seine Überlegungen einbezieht, hat der Gerichtshof für Menschenrechte eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da die systematische Unterbringung von Asylbewerbern in Haftzentren ohne Angabe von Gründen eine weit verbreitete Praxis der griechischen Behörden sei. Es gebe auch zahlreiche übereinstimmende Zeugenaussagen zu überfüllten Zellen, Schlägen durch Polizisten und unhygienischen Bedingungen in dem Haftzentrum neben dem internationalen Flughafen von Athen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer monatelang und ohne Perspektive in extremer Armut gelebt habe und außer Stande gewesen sei, für seine Grundbedürfnisse - Nahrung, Hygieneartikel und eine Unterkunft - aufzukommen. Er sei über Abhilfemöglichkeiten nicht angemessen informiert worden und habe in der ständigen Angst gelebt, angegriffen beziehungsweise überfallen zu werden.
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Art. 3 EMRK kann aber nicht in dem Sinne verstanden werden, dass er (aus sich heraus) die Vertragsparteien verpflichtet, jedermann in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch begründet Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. EGMR, Urteil vom 21.01.2011 - a.a.O., Rn. 249, m.w.N). Eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle der illegalen Einreise wie auch eine Unterschreitung der verfahrensrechtlichen Schutzstandards des Art. 13 EMRK reichen für sich genommen noch nicht aus, um einen relevanten Menschenrechtsverstoß anzunehmen, der zur Suspendierung des Dublin-Systems führen muss. Etwas anderes gilt aber nach der genannten Entscheidung des EGMR, wenn der jeweilige Staat aufgrund bindender rechtlicher Vorgaben die Pflicht zur Versorgung mittelloser Asylsuchender mit einer Unterkunft und einer materiellen Grundausstattung hat, wie hier nach der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180, 96 - ARL n.F.), welche die zuvor geltende Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 (ABl. L 31, 18 - ARL a.F.) ersetzt hat. Die genannten Richtlinien haben Minimalstandards für die Aufnahme von Asylsuchenden für die Mitgliedstaaten festgelegt. Sie geben für alle Mitgliedstaaten verbindlich vor, was deren Asylsystem zu leisten im Stande sein muss. Diese unionsrechtlichen normativen Vorgaben überlagern darüber hinaus gewissermaßen die allgemeinen - eher niedrigen - völkervertraglichen Schutzstandards des Art. 3 EMRK und konkretisieren nach dem Verständnis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte diese näher mit der Folge, dass die konkreten Anforderungen an die immer kumulativ festzustellende Schwere der Schlechtbehandlung niedriger anzusetzen sind, aber gleichwohl die typischerweise für die Mehrheit der einheimischen Bevölkerung geltenden Standards nicht völlig aus den Augen verlieren dürfen. Dabei muss jedoch zur Klarstellung darauf hingewiesen werden, dass nicht etwa die Nichterfüllung eines einzelnen Standards der Aufnahmerichtlinie ohne weiteres eine systemische Schwachstelle ausmachen muss, noch viel weniger, dass damit auch eine relevante Schlechtbehandlung verbunden ist.
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Wenn der Europäische Gerichtshof im Urteil vom 21.12.2011 (a.a.O.) als Voraussetzung für eine unzulässige Überstellung an einen anderen an sich zuständigen Mitgliedstaat wegen sog. systemischer Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen fordert, dass die Annahme einer drohenden Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 GRCh durch ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe gestützt wird, so setzt dies voraus, dass die festgestellten Tatsachen hinreichend verlässlich und aussagekräftig sind; nur unter dieser Voraussetzung ist es nach der maßgeblichen Sicht des Europäischen Gerichtshofs gerechtfertigt, von einer Widerlegung des „gegenseitigen Vertrauens“ der Mitgliedstaaten untereinander auszugehen. In diesem Zusammenhang müssen die festgestellten Tatsachen und Missstände verallgemeinerungsfähig sein, um die Schlussfolgerung zu rechtfertigen, dass es nicht nur vereinzelt, sondern immer wieder und regelhaft zu Grundrechtsverletzungen nach Art. 4 GRCh kommt. Das bei einer wertenden und qualifizierten Betrachtungsweise zugrunde zu legende Beweismaß ist das der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im herkömmlichen Verständnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung, das sich nicht von dem in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte entwickelten Beweismaß des „real risk“ unterscheidet (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - NVwZ 2013, 936, Rn. 32; Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris, Rn. 9).
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Bei diesem (weiten) Verständnis der systemischen Schwachstellen und bei dieser Ausgangslage bleibt jedenfalls praktisch kein Raum für die Prüfung sonstiger „zielstaatsbezogener“ Gründe. Denn dann kann etwa die mangelnde Behandelbarkeit einer bestimmten Krankheit, soweit dieses systembedingt ist, jeweils eingewandt werden, wenn die Folgen für die Betreffenden den relevanten Grad einer Schlechtbehandlung erreichen würden. Es ist allerdings auch denkbar, dass - eine systemische Schwachstelle unterstellt - einer Schlechtbehandlung im konkreten Einzelfall dadurch vorgebeugt werden kann, dass die Bundesrepublik Deutschland die Überstellung im Zusammenwirken mit dem anderen Mitgliedstaat so organisiert, dass eine solche nicht eintreten kann (vgl. in diesem Zusammenhang ausdrücklich in diesem Sinne EGMR, Urteil vom 04.11.2014 - 29217/12; BVerfG, Kammerbeschluss vom 17.09.2014 - 2 BvR 939/14 und 2 BvR 1795/14 - jeweils juris).
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Daraus, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 21.01.2011 (a.a.O., Rn. 263 f.) verschiedentlich auf die besondere Situation des Beschwerdeführers in Griechenland abgestellt und diese besonders erwähnt hat, kann nicht geschlossen werden, dass in den Fällen, in denen die Betroffenen sich im fraglichen Mitgliedstaat schon einmal aufgehalten und dabei eine relevante Schlechtbehandlung erfahren hatten, bei der Feststellung systemischer Schwachstellen des Asylsystems im Falle eines Verweises auf dieses Land geringere Anforderungen an die Zumutbarkeit zu stellen und eine niedrigere Beachtlichkeitsschwelle zugrunde zu legen sind. Die Ausführungen haben lediglich die Funktion, die allgemein gewonnenen Erkenntnisse zusätzlich plausibel zu machen und gewissermaßen zu verifizieren (anders möglicherweise BVerwG, Beschlüsse vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - a.a.O. und vom 06.06.2014 - 10 B 35.14 - a.a.O., ohne dass es im vorliegenden Fall darauf ankäme).
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Hinzu kommen muss aber immer, dass der konkrete Schutzsuchende auch individuell betroffen wäre. Es genügt nicht, dass lediglich abstrakt bestimmte strukturelle Schwachstellen festgestellt werden, wenn sich diese nicht auf den konkreten Antragsteller auswirken können.
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Eine nicht systembedingte Schlechtbehandlung im Zielstaat wird man bei einem Mitglied- oder Vertragsstaat zwar nicht von Rechts wegen (so etwa auch UK Supreme Court vom 19.02.2014 [2014] UKSC 12; unklar BVerwG, Beschlüsse vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - und vom 06.06.2014 - 10 B 35.14 -, jeweils a.a.O.), jedoch praktisch ausschließen können (vgl. zu den hohen Anforderungen an die Feststellung der Voraussetzungen des Art. 3 EMRK bei einer Erkrankung, die im Zielstaat nicht adäquat behandelt werden kann, bzw. in Bezug auf die allgemeinen Verhältnisse im Zielstaat VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.08.2013 - A 11 S 688/13 - juris, m.w.N.; anders jedoch, wenn die Verhältnisse Folge etwa eines innerstaatlichen Konflikts sind EGMR, Urteil vom 28.06.2011 - 8319/07 u.a., Sufi und Elmi - NVwZ 2012, 681).
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Außerhalb des Systems liegen auch alle Gründe, die nicht in den Verhältnissen des aufnehmenden Mitgliedstaats zu verorten sind, namentlich die Fallgestaltungen von Transport- und Reiseunfähigkeit (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 15.10.2004 - 11 S 2297/04 - juris und vom 06.02.2008 - 11 S 2439/07 - InfAuslR 2008, 213). Diese unmittelbar der Person der internationalen Schutz Suchenden zuzuordnenden Gründe, sind grundsätzlich nicht geeignet, das europäische Asylsystem infrage zu stellen, weshalb hier auch kein Anlass besteht, einen besonderen Maßstab zu entwickeln. Da insoweit Unionsrecht vollzogen wird (vgl. hierzu und zu Art. 51 Abs. 1 GRCh EuGH, Urteil vom 26.02.2013 - C-617/10, Fransson - NVwZ 2013, 561), ist die Überstellung bzw. die Überstellungsentscheidung am Maßstab des Art. 2 Abs. 1 GRCh (Recht auf Leben) und des Art. 3 Abs. 1 GRCh (Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit) zu überprüfen. Nach dem nationalen Recht ist deren Beachtung Rechtsvoraussetzung für den Erlass der Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG (vgl. Senatsbeschluss vom 31.05.2011 - A 11 S 1535/11 - InfAuslR 2011, 310; BayVGH, Beschluss vom 12.03.2014 - 10 CE 14.427 - juris; GK-AsylVfG § 34a Rn. 21 f. m.w.N.).
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b) Dieses zugrunde gelegt ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Asylverfahren in Bulgarien nunmehr an systemischen Schwachstellen leidet, die gerade den Kläger der konkreten Gefahr aussetzen würden, im Falle einer Rücküberstellung nach Bulgarien eine menschenunwürdige Behandlung erfahren zu müssen.
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Aus den Erkenntnismitteln wird hinreichend deutlich, dass in Bulgarien ein ausreichend ausdifferenziertes Verfahren zur Aufnahme von Flüchtlingen und zur Durchführung eines effektiven Prüfungs- und Anerkennungsverfahrens installiert ist, das - von einzelnen Unzulänglichkeiten, die allerdings allenfalls abgrenzbare Personengruppen betreffen können, abgesehen (vgl. hierzu im Folgenden) - den auch unionsrechtlich zu stellenden Anforderungen noch genügt und eine ordnungsgemäße Behandlung der Flüchtlinge ermöglicht (siehe die Darstellung im Urteil des österreichischen BVwG vom 03.10.2014 - W212 2009059-1 -, S. 3 ff.; vgl. ausführlich auch den von der Beklagten zum Gegenstand ihres Vortrags gemachten Bericht „Aida, Asylum Information Database - National Country Report Bulgaria“, April 2014, S. 14 - im Folgenden aida).
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Der Senat geht zunächst davon aus, dass, bedingt durch die im Laufe des Jahres 2013 erheblich angestiegene Zahl von Antragstellern (vgl. Eurostat, Asylum and new asylum applicants by citizenship, age and sex Monthly Data, Last update 22.10.2014; Email UNHCR Berlin an den Senat vom 06.11.2014; UNHCR, Bulgaria As a Country of Asylum, 02.01.2014, S. 4 - im Folgenden UNHCR I), die u.a. wegen des bereits lange dauernden internen Konflikts in Syrien vermehrt über die türkisch-bulgarische Grenze gekommen waren, das bulgarische Asylsystem, das trotz entsprechender Warnungen völlig unvorbereitet war, total überfordert, wenn nicht gar kollabiert war. Dies hatte erhebliche negative Auswirkungen auf alle Phasen und Aspekte des Asylsystems. So war schon ein effektiver Zugang zum Asylverfahren, insbesondere aus einer bestehenden Abschiebehaft, nicht mehr gewährleistet (vgl. UNHCR I, S. 7; aida, S. 16 f.). Folge hiervon war nicht nur, dass eine bestehende Haft nach Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz in unverhältnismäßiger und unzulässiger Weise (bis zu 45 oder gar 60 Tagen) fortdauern konnte, wie dies möglicherweise auch beim Kläger der Fall war, sondern auch, dass der mit der Registrierung als Antragsteller verbundene Zugang zu Unterkunft, Verpflegung, medizinischer Versorgung etc. nicht oder jedenfalls nicht in zumutbarer Zeit erreichbar war. Die Unterbringung in den „Reception Centres“ bzw. „Registration and Reception Centres“ wurde übereinstimmend fast ausnahmslos als weit unter den Standards des unionsrechtlich in den Aufnahmerichtlinien festgelegten Minimums qualifiziert und als menschenunwürdig beschrieben (vgl. aida, S. 41 ff.; Human Rights Watch, Containment Plan - Bulgaria’s Pushbacks and Detention of Syrian and Other Asylum Seekers and Migrants, April 2014, S. 46 ff. - im Folgenden HRW I; UNHCR I, S. 9 f.). Die einzige Ausnahme bildete das Kovachevtsi Centre. Verschärft wurde die Situation noch durch den Umstand, dass anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte, die eigentlich verpflichtet waren, innerhalb kurzer Zeit (wohl 14 Tagen) die Zentren zu verlassen, weiter dort verbleiben mussten und letztlich durften, weil sie andernfalls - unfähig, selbstverantwortlich eine Unterkunft zu finden und zu bezahlen - obdachlos geworden wären (bordermonitoring u.a., Trapped in Europe’s Quagmire: The Situation of Asylum Seekers and Refugees in Bulgaria, 2014, S. 19 f. - im Folgenden bordermonitoring I). Auch wurde immer wieder von körperlichen Übergriffen auf den Polizeistationen und in den Zentren berichtet (HRW I, S. 31 ff.), u.a. auch eine Folge der vollständigen physischen und psychischen Überforderung des dort tätigen Personals. Angesichts der unerträglichen Situation in den Zentren, insbesondere auch der unzumutbaren Überbelegung erklärte eine Vielzahl von Antragstellern einen Verzicht auf eine weitere dortige Unterbringung mit der Folge, dass sie auch jegliche Ansprüche auf Verpflegung etc. verloren hatten und gewissermaßen auf der Straße gelandet waren und erst infolge der eingetretenen Entlastung des bulgarischen Asylsystems (vgl. hierzu im Folgenden) nunmehr wieder in dieses integriert werden können (vgl. HRW I, S. 61 ff.; bordermonitoring I, S. 17 f.; UNHCR, Bulgarien als Asylland, April 2014, S. 10 - im Folgenden UNHCR II). Bei dieser Ausgangslage musste zwangsläufig auch die Behandlung von Kindern, insbesondere unbegleiteten Minderjährigen und generell von sog. „vulnerablen Personen“ völlig unzureichend sein (aida, S. 33 f. und 41 f.; HRW I., S. 51; UNHCR II, S. 8 f.). Insbesondere mangelte es in weiten Teilen an einer adäquaten Betreuung und Vertretung unbegleiteter Minderjähriger (vgl. HRW I, S. 58 ff.; UNHCR II, S. 9).
45 
Zwar wies auch zu dieser Zeit Bulgarien eine hohe Schutzquote auf (vgl. etwa HRW I, S. 66), gleichwohl bestanden - bedingt durch die hohen Eingangszahlen und wohl auch aufgrund unzureichender Qualifikation - unübersehbare Mängel im Verfahren selbst, wie etwa im Bereich der Übersetzung, Protokollführung, der Anhörungen und deren Umsetzung in den Bescheiden (vgl. hierzu aida, S. 20 f.; UNHCR I, S. 12). Der Komplex der rechtlichen Beratung und Unterstützung wurde als in hohem Maße defizitär geschildert, und zwar v.a. im Hinblick auf fehlende finanzielle Mittel und weniger aufgrund der jeweils maßgeblichen rechtlichen Grundlagen bzw. Vorgaben, die nicht grundsätzlich zu kritisieren sind (vgl. wiederum aida, 22 f.).
46 
Bei dieser Sachlage beschloss der Ministerrat Bulgariens im Oktober 2013 einen „Plan for the containment of the crisis resulting from stronger migration pressure on the Bulgarian border“, der zum einen eine Verbesserung der Aufnahmebedingungen sowie der Verfahrensabläufe, zum anderen eine konsequente Verhinderung künftiger unkontrollierter Einwanderung über die Landesgrenze v.a. mit der Türkei zum Inhalt hatte (vgl. HRW I, S. 22 f.). Außerdem wurde von EASO im Herbst 2013 in Zusammenarbeit mit dem bulgarischen Innenministerium, dem Leiter der bulgarischen Flüchtlingsbehörde (SAR) und UNHCR Bulgarien ein „Operating Plan To Bulgaria“ entwickelt, aufgrund dessen unter Hinzuziehung des Bulgarischen Roten Kreuzes und anderer Nichtregierungsorganisationen weitreichende Verbesserungen des gesamten Asylsystems vorgenommen werden sollten. Dieser Plan konzipierte die geplanten Maßnahmen mit einem zeitlichen Horizont bis September 2014 (vgl. zu alledem EASO, Operating Plan To Bulgaria, März 2014).
47 
In Vollzug des Ministerratsbeschlusses vom Oktober wurde mit dem Bau eines Zaunes an der Grenze zur Türkei begonnen, der mittlerweile in der vorgesehenen Länge fertiggestellt ist (vgl. Agence France-Presse, Bulgarie: des barbelés pour stopper les réfugiés vom 17.7.2014). Zuvor waren zur vorläufigen Absicherung der Grenze etwa 1500 Polizisten an die Grenze verlegt worden. Es gibt glaubhafte und nach Einschätzung des Senats zuverlässig recherchierte Berichte über eine Vielzahl von Zurückschiebungen über die Grenze in die Türkei aus der Zeit zwischen Ende 2013 bis in den Herbst 2014 (vgl. HRW I, S. 14 ff. und Annex 2, S. 3 ff. zu den Einwänden des bulgarischen Innenministers in dessen Schreiben vom 29.04.2014; bordermonitoring vom 21.09.2014). Damit verstieß und verstößt Bulgarien gegen das unionsrechtliche wie auch das völkerrechtliche Refoulement-Verbot nach Art. 21 Abs. 1 QRL bzw. Art. 33 GFK (vgl. hierzu im Einzelnen Marx, Handbuch des Flüchtlingsrechts, 2. Aufl., 2012, § 52). Denn zum einen ist die Türkei kein sicherer Drittstaat, weil sie die Genfer Flüchtlingskonvention und das Protokoll von 1967 nur mit einem regionalen Vorbehalt gezeichnet hat; zum anderen hat sich Bulgarien offensichtlich nicht vergewissert, dass die Türkei nicht in einen potentiell verfolgenden Herkunftsstaat „weiterschiebt“. Da das Refoulement-Verbot auch eine Zurückweisung an der Grenze untersagt, sofern nicht eine Massenfluchtbewegung gegeben ist (vgl. Marx, a.a.O., § 52 Rn. 5 mit zahlreichen weiteren Nachweisen), wovon aber in Bezug auf Bulgarien noch nicht auszugehen sein wird, dürfte auch die Errichtung des Grenzzauns kaum mit dem Refoulement-Verbot in Einklang stehen, zumal nach der Auskunftslage nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine offizielle Anreise über die türkischen Grenzübergangsstellen möglich ist (vgl. HRW I., S. 25). Letztlich kann dies aber offen bleiben, weil hiervon Flüchtlinge, die sich bereits im Asylverfahren befinden, nicht betroffen sind. Jedenfalls hat diesbezüglich die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Bulgarien eingeleitet (vgl. österreichisches BVwG, Urteil vom 03.10.2014 - W212 2009059-1 -, S. 6).
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Nicht zuletzt mit Rücksicht auf die geschilderten Maßnahmen ist die Zahl der Antragsteller seit Anfang des Jahres zunächst erheblich zurückgegangen, wobei allerdings für den Monat August und September wiederum ein Anstieg zu verzeichnen ist (vgl. Eurostat, a.a.O.). Auch dieses hat zu einer erheblichen Entlastung des bulgarischen Asylsystems geführt und mit dazu beigetragen, dass die von EASO ins Auge gefassten Maßnahmen unter erleichterten Rahmenbedingungen in Angriff genommen und durchgeführt werden konnten. Im Wesentlichen übereinstimmend wird von erheblichen Verbesserungen berichtet.
49 
Die Missstände in den Aufnahmeeinrichtungen sind grundlegend in baulicher wie auch personeller Hinsicht angegangen und auch im Wesentlichen behoben worden. Auch die besonderen Problemfälle der Zentren Vrazdebhna, Harmanli und Voenna Rampa waren im April 2014 in Angriff genommen worden, sie wurden im Frühjahr 2014 (noch) saniert, weshalb die in der Pressemitteilung des Niedersächsischen Flüchtlingsrats vom 02.09.2014 angesprochenen und kritisierten Verhältnisse in Voenna Rampa in dieser Allgemeinheit nicht mehr aktuell sind. Auch die in dem Reisebericht von Rahmi Tuncer vom 15.10.2014 wiedergegebenen Schilderungen beziehen sich teilweise auf die Vergangenheit und sind nach den anderen verwerteten Erkenntnismitteln nicht mehr uneingeschränkt aktuell. Gleichzeitig wurden die Unterbringungskapazitäten von 4150 (bei einer damaligen Belegungsquote von nur noch rund 80 v.H.) auf etwa 6000 Plätze erweitert, ohne dass diese erschöpft wären (vgl. aida, S. 41 ff. und UNHCR II, S. 6 ff.; HRW I, S. 46 f.; Emails von UNHCR Berlin an den Senat vom 06.11.2014 und vom 07.11.2014). Dass die Verhältnisse nach wie vor defizitär und wenig befriedigend sein mögen, wie dies im Übrigen auch für einen nicht unerheblichen Teil der einheimischen Bevölkerung der Fall ist, rechtfertigt allein nicht die Annahme, dass sie generell nicht mehr menschenwürdegemäß wären. Die prekäre Versorgung mit Nahrung und Lebensmitteln in den Zentren ist entscheidend verbessert worden; v.a. ist seit Anfang Februar 2014 sichergestellt, dass täglich mindestens zwei warme Mahlzeiten ausgegeben werden; zum Teil bestehen nunmehr auch eigene private Kochmöglichkeiten (vgl. UNHCR II, S. 8). Dass die Qualität möglicherweise immer wieder zu wünschen übrig lässt, kann, solange dieses keine gesundheitlich bedenkliche Mangelernährung zur Folge hat, nicht als systemische Schwachstelle, geschweige denn als eine nicht menschenwürdegemäße Schlechtbehandlung angesehen werden. Defizitär ist hingegen noch die systematische und flächendeckende Versorgung von Babys und Kleinstkindern mit ihnen adäquater Nahrung, jedenfalls teilweise ist eine Versorgung allerdings durch den Einsatz von Nichtregierungsorganisationen gewährleistet (ai, Rücküberstellungen von Asylsuchenden nach Bulgarien sind weiterhin auszusetzen, S. 6 f. - im Folgenden ai; UNHCR II, S. 8). Gewisse Verbesserungen bei den Unterbringungsbedingungen sind auch eingetreten für Familien mit kleineren Kindern, alleinstehende Frauen mit Kindern und unbegleitete Minderjährige, ohne allerdings das erforderliche Minimum an Privatheit zuzulassen und auch immer ausreichenden Schutz vor Übergriffen zu bieten. Nach wie vor sind daher erhebliche Defizite auszumachen (UNHCR II, S. 7 und 9; aida, S. 43; ai, S. 6 f.). Ob bei diesen Aufnahmebedingungen insoweit eine dieser Personengruppe angemessene Unterbringung gewährleistet ist, und insbesondere, ob diese als unmenschliche und entwürdigende Behandlung zu qualifizieren wäre, lässt der Senat, weil nicht entscheidungserheblich, offen.
50 
Angesichts der dargestellten Verbesserungen in den Aufnahmeeinrichtungen ist - jedenfalls derzeit bei nicht dramatisch steigenden Zahlen von Antragstellern - nicht damit zu rechnen, dass das bulgarische Aufnahmesystem wieder kollabieren wird und in Folge dessen, dass die Asylsuchenden die Zentren aus eigenem „Wunsch“ verlassen, damit aber auch keine Unterstützung mehr erhalten. In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu berücksichtigen, dass nach den Stellungnahmen von UNHCR Berlin an den Senat vom 06.11.2014 und vom 07.11.2014 im Oktober 2014 noch erhebliche Unterbringungs- bzw. Aufnahmekapazitäten (35 v.H.) frei waren und die ansteigenden Flüchtlingszahlen das Land nicht mehr, wie noch im vergangenen Jahr, unvorbereitet und ohne Hilfe der Europäischen Union treffen bzw. treffen werden.
51 
Kritisiert wird weiterhin, dass Flüchtlingskinder allenfalls teilweise Zugang zu schulischer Bildung, Sprachkursen und Freizeitaktivitäten haben (vgl. etwa ai, S. 8; UNHCR II, S. 13). Eine menschenunwürdige Schlechtbehandlung ist darin aber nicht zu sehen.
52 
UNHCR und andere Stellen beanstanden nach wie vor, dass effektive Mechanismen zur systematischen Identifizierung von Personen mit besonderen Bedürfnissen nicht zur Verfügung stehen bzw. jedenfalls nicht in dem gebotenen Maße tatsächlich genutzt werden und dass selbst Nichtregierungsorganisationen nicht in der Lage sind, die bestehenden Lücken und Defizite zu schließen bzw. zu beheben (UNHCR II, S. 8 f.; aida, S. 33). Betroffen ist der Kläger jedoch hiervon offensichtlich nicht.
53 
Im Argen liegt weiterhin die Situation der unbegleiteten Minderjährigen, denen tatsächlich in größerem Umfang die erforderlichen Vormünder nicht gestellt werden und die dementsprechend gesetzeswidrig ohne die notwendige Vertretung bleiben, zumindest jedoch keine ausreichend kompetente Vertretung erhalten (vgl. im Einzelnen HRW I., S. 54 ff.; UNHCR II, S. 9; aida., S. 35).
54 
Die - gerade auch kostenlose - medizinische Versorgung (vgl. Art. 15 ARL a.F. bzw. Art. 19 ARL n.F.) und v.a. der Zugang zu ihr ist nach der Auskunftslage nicht immer in dem gebotenen Maße sichergestellt, zumal sich „Ärzte ohne Grenzen“ mittlerweile definitiv aus der Versorgung der Flüchtlinge zurückgezogen haben und nicht hinreichend geklärt erscheint, ob diese tatsächlich in dem gebotenen Maße ersetzt werden können und auch noch während deren Tätigkeit die Situation zum Teil jedenfalls durchaus prekär und durch Lücken und Defizite gekennzeichnet war (vgl. UNHCR II, S. 8; aida, S. 34 und 47; bordermonitoring I, S. 16; vgl. Médecins sans Frontières v. 06.06.2014, die immerhin (nur) die Hoffnung ausdrücken, dass sich die Lage trotz ihres Abzugs weiter verbessern werde). Die Lage ist für die Betroffenen auch deswegen besonders problematisch, weil sie in vielen Fällen nicht über die erforderlichen Informationen verfügen und erhebliche, nicht durch ausreichend qualifizierte Sprachmittler behebbare Kommunikationsschwierigkeiten bestehen (bordermonitoring I, S. 16; vgl. auch zur Gesundheitsversorgung in den Haftanstalten und die dort ebenfalls bestehenden sprachlichen Kommunikationsprobleme aida, S. 51 f.). Es gibt auch Berichte, wonach Personal des Gesundheitswesens nur gegen Bestechung bereit war, die gebotene Behandlung zu leisten (vgl. bordermonitoring I, S. 16) bzw. - allgemeiner ausgedrückt - ohne Bezahlung keine Untersuchungen durchgeführt wurden (vgl. Reisebericht Rahmi Tuncer vom 15.10.2014). Zwar übersieht der Senat nicht, dass die prekäre Lage zu einem nicht unerheblichen Teil dem schlechten Gesundheitssystem Bulgariens selbst und dessen niedrigeren Standards geschuldet ist und die Flüchtlinge rechtlich nur allgemein der bulgarischen Bevölkerung gleichgestellt werden (vgl. aida, S. 47). Die bestehenden Probleme, einen effektiven Zugang zu einer Gesundheitsversorgung zu erhalten, und die offenbar verbreitete Korruption machen sie in diesem System aber besonders verletzlich, weshalb sie im Falle einer ernsthaften und schweren Erkrankung einem realen Risiko ausgesetzt sein können, Schaden an Leib oder Leben zu nehmen. Dabei muss zudem bedacht werden, dass die hier infrage stehenden Personen in besonderem Maße durch die fluchtauslösenden Anlässe und die Erlebnisse auf der Flucht gezeichnet sein können (vgl. aida, S. 47). Der Senat ist sich dabei auch des Umstandes bewusst, dass an sich Art. 3 EMRK nach der Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte kein Verbleiberecht gewährt, um eine medizinisch notwendige Behandlung durchführen lassen zu können, auch wenn die Betroffenen an einer schweren Krankheit leiden (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 06.02.2001 - 44599/98). Allerdings gelten die Standards des Art. 19 ARL n.F. darüber hinaus, wenn hiernach zumindest eine Notbehandlung und die unbedingt erforderlichen Behandlungen von Krankheiten und schweren psychischen Störungen unionsrechtlich versprochen sind mit der Folge, dass dann, wenn diese „systemisch“ - auch nur bei bestimmten (begrenzten) Krankheitsbildern - nicht oder jedenfalls nicht effektiv zur Verfügung stehen bzw. erreicht werden können, von einem die Überstellung hindernden Mangel auszugehen wäre. Dieser Frage wird aus gegebenem Anlass noch nachzugehen sein. Im Falle des Klägers jedenfalls besteht ein solcher nicht. Die im Verwaltungsverfahren vorgelegte ärztliche Bescheinigung vom 03.11.2014, die trotz eines entsprechenden Hinweises des Senats nicht weiter substantiiert wurde, ist bei weitem nicht ausreichend aussagekräftig. Sie ist weit davon entfernt den Mindestvoraussetzungen für die Darlegung (und Glaubhaftmachung) einer psychischen behandlungsbedürftigen Erkrankung (insbesondere einer posttraumatischen Belastungsstörung), geschweige denn eines hierauf gerichteten Beweisantritts zu genügen (vgl. zu alledem BVerwG, Urteil vom 11.09.2007 - 10 C 8.07 - NVwZ 2008, 330; Senatsbeschluss vom 10.07.2003 - 11 S 2622/02 - InfAuslR 2004, 423; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 08.02.2012 - 2 M 29/12 - AuAS 2012, 136). Der Senat bemerkt hierzu, dass der Kläger bei seiner im Verwaltungsverfahren erfolgten Anhörung von einer Inhaftierung von zweieinhalb Monaten gesprochen hatte, während er dem behandelnden Therapeuten gegenüber eine drei bis vier Monate dauernde Inhaftierung erwähnt hatte. Im Übrigen gab der Kläger in der mündlichen Verhandlung auf Frage des Senats an, dass er sich wegen Schlafstörungen in Behandlung begeben habe; er müsse immer an Bulgarien und Syrien denken. Die mündliche Verhandlung ergab weiter, dass dem Kläger ein Antidepressivum verschrieben wurde, das er nach wie vor einnimmt. Die vom Arzt verschriebene Medikation beläuft sich jedoch auf nur eine halbe Tablette, während nach dem vom Senat eingesehenen Beipackzettel die durchschnittliche Medikation bei 1 Tablette bis zu maximal 3 Tabletten täglich liegt. Hinzu kommt, dass nur halbstündliche Sitzungen stattfinden, wobei zudem ein Dolmetscher hinzugezogen werden muss. Schließlich konnte der Kläger nicht einmal angeben, in welchem Abstand die Sitzungen stattfinden, insbesondere auch ob dies regelmäßig der Fall ist. Vor diesem Hintergrund kann es sich nach Überzeugung des Senats nicht um ein stark ausgeprägtes Krankheitsbild handeln, das zwingend eine durchgängige ärztliche Behandlung erforderlich macht. Die Ausführungen in der genannten Bescheinigung sind nicht nachvollziehbar. Offenbar ist der Behandler sich auch nicht einmal selbst sicher, dass eine längerfristige Behandlung zwingend erforderlich ist, wenn er nur davon schreibt, dass eine solche indiziert zu sein „scheint“. Wenn schließlich die Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung auf Befragung äußerte, dass der Behandler auf ihre Nachfrage erklärt habe, keine weitere und v.a. keine ausführlichere Stellungnahme mehr abgeben zu wollen, so sieht der Senat keine Veranlassung zu einer weiteren Aufklärung und geht davon aus, dass etwaige systemische Mängel des bulgarischen Gesundheitssystems den Kläger nicht betreffen würden.
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Des Weiteren sind eine zeitnahe Registrierung von Asylgesuchen und damit ein schneller Zugang zum Asylverfahren nunmehr grundsätzlich gewährleistet und nicht mehr systemimmanent defizitär, allerdings ist nach den verwerteten Erkenntnismitteln nicht auszuschließen, dass es im Falle einer Antragstellung aus der Haft nach wie vor zu Verzögerungen von einigen Tagen kommen kann, die möglicherweise auch vermeidbar wären (vgl. zu alledem UNHCR II, S. 4 ff.; ai, S. 3 f.). Ein grundlegender, das gesamte Asylsystem betreffender Mangel liegt hierin aber nicht (mehr). Die Tatsache allein, dass Ausländer und Ausländerinnen, die illegal eingereist sind, zunächst in größerem Umfang inhaftiert werden, solange sie keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, stellt keine systemische Schwachstelle des Asylsystems dar, sofern, wie nunmehr, sichergestellt ist, dass sie nach der Antragstellung zeitnah registriert werden, auch wenn die Inhaftierungen nicht immer den Vorgaben des Art. 15 der RL 2008/115/EG vom 16.12.2008 (ABl. L 348, 98 - RFRL) entsprechen sollten.
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Die früher festgestellten Mängel in Bezug auf das Prüfungsverfahren und die Entscheidungen über die Gewährung internationalen Schutzes (vgl. aida, S. 20 ff.) sind zwar nicht gänzlich ausgeräumt, allerdings sind positive Veränderungen auf den Weg gebracht worden. Die Verfahrensdauer, die bei syrischen Staatsangehörigen in der Regel ohnehin nicht zu beanstanden war, wurde mittlerweile auch bei nicht syrischen Flüchtlingen wesentlich verkürzt (vgl. UNHCR II, S. 11 f.). Die Bereitstellung von Informationen für die Antragsteller über den Ablauf des Verfahrens und die in diesem Zusammenhang bestehenden Rechte wurden wesentlich verbessert, ohne aber wiederum als vollständig befriedigend qualifiziert werden zu können (vgl. aida, S. 30 f.). Zumindest für ein Erstverfahren ist eine kostenlose Rechtsberatung rechtlich gewährleistet, steht mit Rücksicht auf eine unzureichend finanzielle Ausstattung allerdings staatlicherseits nicht zuverlässig zur Verfügung, weshalb Nichtregierungsorganisationen, wie das Bulgarische Helsinki Komitee, einspringen und teilweise selbst die unentgeltliche Vertretung übernehmen müssen (vgl. UNHCR II, S. 11 f.; aida, S. 22). Diese Defizite werden jedoch - auch in Anbetracht der stattgefundenen Verbesserungen - vom Senat nicht als derart grundlegend eingestuft, dass sie als systemisch zu qualifizieren wären.
57 
Wenn erhebliche Bedenken gegen eine in Art. 45b Abs. 1 Nr. 3 des bulgarischen Asyl- und Flüchtlingsgesetz geplante gesetzliche Änderung des Haftrechts formuliert und die Weite bzw. die Unbestimmtheit der Haftgründe kritisiert werden, so mag in der Tat die vorgeschlagene Formulierung weiter geraten sein, als dies Art. 8 Abs. 3 lit. d) ARL n.F. vorsieht. Aber selbst wenn der Gesetzesentwurf tatsächlich in dieser Form verabschiedet werden sollte, was bislang noch nicht geschehen ist (vgl. Email von UNHCR Berlin an den Senat vom 06.11.2014), so stehen jedoch einer unionsrechtskonformen Auslegung und Anwendung keine Hindernisse entgegen. Solange sich aber die bulgarischen Behörden und Gerichte einer solchen Handhabung nicht systematisch und durchgängig verweigern, kann von einem hier relevanten Mangel nicht gesprochen werden.
58 
Sog. Dublin-Rückkehrern steht ein Erstverfahren weiterhin offen, soweit eine persönliche Anhörung noch nicht stattgefunden hat (vgl. UNHCR II, S. 14), auch wenn nach der Gesetzeslage nach einem „Nichtbetreiben“ des Verfahrens wegen Abwesenheit über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten das Verfahren an sich beendet ist; Folge der Fortführung ist, dass die Betroffenen wieder in das normale Aufnahmesystem integriert werden. Das Verfahren wird allerdings dann nicht mehr eröffnet, wenn eine Anhörung bereits durchgeführt und das Verfahren daraufhin endgültig abgeschlossen worden war. Dann sind die Betroffenen auf einen Folgeantrag verwiesen, was aber in Einklang mit den Vorgaben der Verfahrensrichtlinie RL 2005/85/EG steht. Nach Art. 20 Abs. 1 und 2 i.V.m. Art. 32 ist der Verweis auf ein Folgeverfahren grundsätzlich möglich. Allerdings wird hier Art. 28 Abs. 2 der Neufassung (RL 2013/32/EU) eine gewisse Anpassung erforderlich machen.
59 
Die Lage der beachtlich hohen Zahl von anerkannten international Schutzberechtigten wird durchgängig als wenig zufriedenstellend, wenn nicht gar schlecht beschrieben (vgl. etwa UNHCR II, S. 12 f). Dass ein wirklich schlagkräftiges Integrationsprogramm existieren und v.a. bereits erfolgreich praktiziert werden würde, ist für den Senat nicht ersichtlich. Allenfalls sind erste Ansätze erkennbar (vgl. HRW II, S. 4 f.). Dabei darf nicht übersehen werden, dass hier das Unionsrecht den Betroffenen lediglich Inländergleichbehandlung (vgl. etwa Art. 26. 27, 28 Abs. 1, 29, 30 RL 2011/95/EU - QRL) oder Gleichbehandlung mit anderen sich rechtmäßig aufhaltenden Ausländern (vgl. etwa Art 32 und 33 QRL) verspricht und sie damit nur teilhaben an den schlechten wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen weiter Teile der bulgarischen Bevölkerung. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass nach den allgemein zugänglichen Daten des Statistischen Bundesamts das Bruttoprokopfeinkommen Bulgariens im Jahre 2013 7030 USD betrug, damit noch erheblich unter dem von Rumänien (9060 USD) lag und etwa dem Niveau Südafrikas (7190 USD) entsprach. Nach den verwerteten Angaben von Eurostat (vgl. Pressemitteilung Nr. 184/2013 vom 05.12.2003) belief sich im Jahre 2012 der Anteil der Bevölkerung Bulgariens, der von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen bzw. bedroht ist, auf 49 v.H. (Rumänien 42 v.H.; Niederlande und Tschechische Republik 15 v.H.). Die rechtliche Gleichbehandlung ist dabei aber, soweit für den Senat erkennbar, weitgehend hergestellt. So erhalten Flüchtlinge ebenso wie bedürftige bulgarische Staatsangehörige gleichermaßen Leistungen in Höhe von 33 EUR monatlich. Im Übrigen finden sich im Unionsrecht lediglich - teilweise wenig bestimmte - Handlungsaufträge (vgl. Art. 28 Abs. 2, Art. 34 QRL). Der Senat ist sich der Tatsache bewusst, dass etwa ohne flächendeckende Sprachkurse, namentlich für Kinder und Jugendliche, der an sich garantierte gleiche Zugang zu Bildung und Ausbildung bzw. zum Arbeitsmarkt weitgehend auf dem Papier steht und faktisch nicht eingelöst werden kann. Selbst wenn solche jedoch nicht in dieser Weise angeboten werden und teilweise nur aufgrund der Hilfe und Mitwirkung von UNHCR und Caritas durchgeführt werden können, so bedeutet dies nicht, dass deshalb eine relevante Schlechtbehandlung angenommen werden kann, auch wenn es sich um einen sicherlich bedeutsamen Aspekt (von vielen) handelt, mit dem man rechtspolitisch das Europäische Asylsystem in seiner gegenwärtigen Ausgestaltung infrage stellen kann.
60 
Die Situation unbegleiteter Minderjähriger bedürfte bei gegebenem Anlass mit Rücksicht auf Art. 31 QRL ebenfalls einer gesonderten Betrachtung.
61 
Zwar stehen die geschilderten Fortschritte auch im Zusammenhang mit den zurückgegangenen Anträgen, die wiederum zu einem wesentlichen Teil mit den nicht unionsrechts- und völkerrechtskonformen Zurückschiebungen und den nicht unbedenklichen Absperrmaßnahmen an der Grenze zur Türkei (vgl. etwa HRW I, S. 7) zusammenhängen, sie haben aber jedenfalls faktisch, worauf es allein ankommt, zu einer Situation geführt, in der zumindest für den Personenkreis von nicht ernsthaft erkrankten Alleinstehenden und Familien, zu denen keine kleinen Kinder gehören, nicht davon ausgegangen werden kann, dass durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme festgestellt werden können, dass diese im Falle einer Überstellung nach Bulgarien dort Gefahr laufen, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein. Zwar sind die Zugangszahlen wieder im Steigen begriffen, jedoch sind, wie bereits ausgeführt, noch erhebliche Kapazitäten frei. Hinzu kommt (und dabei handelt es sich um einen wesentlichen Beurteilungsaspekt), dass Bulgarien - anders als im Vorjahr - nicht mehr völlig unvorbereitet und ohne Hilfe der Union und von UNHCR mit steigenden Zugangszahlen konfrontiert sein wird. Was den Personenkreis der Familien mit kleinen Kindern, ernsthaft Erkrankten und unbegleiteten Minderjährigen betrifft, lässt, weil nicht entscheidungserheblich, der Senat ausdrücklich offen, ob hier eine andere Beurteilung vorzunehmen ist, ferne läge sie jedoch nach dem oben Dargelegten nicht. In diesem Zusammenhang wäre auch ggf. zu klären, ob im Fall einer Überstellung etwa festgestellte, an sich bestehende Mängel durch konkrete Absprachen zwischen den für die Aufenthaltsbeendigung zuständigen deutschen Ausländerbehörden und den bulgarischen Behörden in einer Weise kompensiert werden können, dass eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vermieden werden kann (vgl. EGMR, Urteil vom 04.11.2014 - 29217/12; BVerfG, Kammerbeschluss vom 17.09.2014 - 2 BvR 939/14 und 2 BvR 1795/14 - jeweils juris).
62 
3. Sonstige Mängel des angegriffenen Bescheids sind nicht gegeben. Allerdings hat die Beklagte die Ziffer 1 in der Weise formuliert, dass (nur) eine Feststellung getroffen wurde mit der Folge, dass auf den ersten Blick möglicherweise formal betrachtet nicht den Anforderungen des § 31 Abs. 6 AsylVfG genügt wird und deshalb die Gestattungswirkung des § 55 Abs. 1 AsylVfG nicht gemäß § 67 Abs. 1 Nr. 5 AsylVfG zum Erlöschen gebracht werden konnte, weshalb dann in Ermangelung einer bestehenden Ausreisepflicht die Voraussetzungen des § 34a Abs. 1 AsylVfG nicht erfüllt wären. Die angegriffene Verfügung ist jedoch auch im Hinblick auf den maßgeblichen Empfängerhorizont (vgl. §§ 133, 157 BGB entspr.) in der Weise auszulegen, dass der Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde und auch werden sollte (a.A. VG Frankfurt, Urteil vom 21.07.2014 - 7 K 352/14.F.A - juris). Denn es ist auch aus der Sicht des Klägers offensichtlich, dass die Beklagte mit ihrer Verfügung die Grundlage für den Erlass der Überstellungsentscheidung legen wollte, was aber, wie gezeigt, zwingend voraussetzt, dass die Ausreisepflicht begründet werden muss. Es wäre sinnwidrig, der Beklagten zu unterstellen, dass sie etwas verfügen wollte und in letzter Konsequenz verfügt hat, was ersichtlich insoweit ungeeignet ist (vgl. noch zu der Frage, ob trotz Erlass einer Abschiebungsanordnung eine freiwillige oder kontrollierte Ausreise ermöglicht werden muss, Senatsurteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1285/14 - juris).
63 
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylVfG. Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO, die es rechtfertigen würden, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 nichtig ist, kann nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.