Verwaltungsgericht München Beschluss, 28. März 2018 - M 3 S 18.50081

published on 28.03.2018 00:00
Verwaltungsgericht München Beschluss, 28. März 2018 - M 3 S 18.50081
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Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage (M 3 K 18.50080) gegen die unter Ziff. 3 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 28. Dezember 2017 verfügte Abschiebungsanordnung wird angeordnet.

II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Die Antragsteller wenden sich gegen ihre Überstellung nach Italien im Rahmen des sog. Dublin-Verfahrens.

Die Antragstellerin zu 1) und ihr am 25. Januar 2014 in Italien geborener Sohn – der Antragsteller zu 2) – reisten nach eigenen Angaben am 22. Oktober 2017 in das Bundesgebiet ein. Am 24. Oktober 2017 wurden sie als asylsuchend erfasst, wovon das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am gleichen Tag schriftlich Kenntnis erlangte. Am 4. Dezember 2017 stellte die Antragstellerin zu 1) für sich und den Antragsteller zu 2) beim Bundesamt förmliche Asylanträge.

Eine Eurodac-Abfrage am 24. Oktober 2017 ergab für die Antragstellerin zu 1) einen Eurodac-Treffer der „Kategorie 1“, wonach die Antragstellerin zu 1) am 8. Januar 2009 einen Antrag auf internationalen Schutz in Italien gestellt hat (Bl. 88 d.A.).

Bei ihrer Befragung und Anhörung durch das Bundesamt am 4. und 8. Dezember 2017 gab die Antragstellerin zu 1) an, dass sie ihr Heimatland im Jahr 2008 verlassen habe und dann über Niger, Libyen und Italien nach Deutschland gereist sei. In Italien habe sie sich nach ihrer Ankunft am 21. November 2008 neun Jahre aufgehalten und einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, der abgelehnt worden sei. Sie habe zunächst ein Jahr in einem Camp gelebt. Dann sei sie nach Bergamo gezogen, wo sie bis Oktober 2017 mit dem Vater des Antragstellers zu 2), gelebt habe. Sie habe Italien verlassen, als der Vater des Antragstellers zu 2) nicht mehr gewollt habe, dass sie und das Kind bei ihm lebten. Der Vater des Antragstellers zu 2) habe sie geschlagen und auch versucht den Antragsteller zu 2) zu schlagen. Die Antragstellerin zu 1) erklärte, wegen des Vaters des Antragstellers zu 2) nicht nach Italien überstellt werden zu wollen; dieser habe den Antragsteller zu 2) geschlagen.

Das Bundesamt richtete am 11. Dezember 2017 ein Wiederaufnahmegesuch nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Dublin III-VO an Italien. Eine Reaktion der italienischen Behörden erfolgte nach Aktenlage nicht.

Mit Bescheid vom 28. Dezember 2017, zugestellt am 3. Januar 2018, lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Nr. 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Nr. 2), ordnete die Abschiebung nach Italien an (Nr. 3) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung (Nr. 4). Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen.

Am 8. Januar 2018 hat die Antragstellerin durch ihre Bevollmächtigte beim Verwaltungsgericht München Klage gegen den Bescheid erhoben (M 3 K 18.50080) und zugleich beantragt,

die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

Zur Begründung wurde ausgeführt, das Übernahmeersuchen sei verfristet. Zudem sei das Selbsteintrittsrecht auszuüben, da der Vater des Antragstellers zu 2) die Antragstellerin zu 1) geschlagen habe. Die Antragstellerin zu 1) sei wieder schwanger; Bei einer Rückkehr nach Italien habe sie Angst vor dem Vater des Kindes und Angst um ihre Kinder. Aus der vorgelegten Kopie eines Mutterpasses ergibt sich als voraussichtlicher Entbindungstermin der 7. Juni 2018.

Mit Schriftsatz vom 1. März 2018 wies das Gericht das Bundesamt darauf hin, dass in Hinblick auf eine fehlende Zusicherung Italiens im Sinne der Tarakhel-Entscheidung des EGMR vom 4. November 2014 Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids bestünden. Mit Schriftsatz vom 13. März 2018 teilte das Bundesamt dazu mit, dass von einer Ausübung des Selbsteintrittsrechts abgesehen werde, weil der Antragsteller zu 2) am 25. Januar 2017 das dritte Lebensjahr vollendet habe. Nach Auffassung des Bundesamts sei er daher kein Kleinstkind mehr. Daher sei eine individuelle Zusicherung im Sinne der Tarakhel-Entscheidung des EGMR nicht erforderlich. Es seien keine Kleinstkinder unter drei Jahren in der Familie, auch sonst sei keine besondere Vulnerabilität ersichtlich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- sowie die vorgelegte Behördenakte verwiesen.

II.

Die zulässigen – nach Auslegung (§§ 122, 88 VwGO) gegen die Abschiebungsanordnung in Ziff. 3 des Bescheids gerichteten – Anträge haben in der Sache Erfolg.

Entfaltet ein Rechtsbehelf wie hier von Gesetzes wegen (§ 75 Abs. 1 AsylG, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO) keine aufschiebende Wirkung kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen. Das Gericht trifft hierbei eine eigene Ermessensentscheidung, bei der es abzuwägen hat zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts und dem Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Maßgebliche Bedeutung kommt bei der Abwägung den Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu. Ergibt die im Rahmen des Eilverfahrens allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass die Klage voraussichtlich erfolglos bleiben wird, tritt das Interesse des Antragstellers, vom Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts zunächst verschont zu bleiben, regelmäßig zurück. Erweist sich der angefochtene Bescheid dagegen bei vorläufiger Prüfung als rechtswidrig, wird das Gericht die aufschiebende Wirkung in der Regel anordnen, da kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung eines voraussichtlich rechtswidrigen Bescheids besteht. Ist der Ausgang des Verfahrens offen, bleibt es bei der allgemeinen Interessenabwägung.

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe war den Anträgen stattzugeben, da sich die Abschiebungsanordnung nach Italien in Ziff. 3 des streitgegenständlichen Bescheids bei summarischer Prüfung als rechtswidrig erweist, so dass das private Interesse der Antragsteller, vorläufig bis zur Entscheidung der Hauptsache noch im Bundesgebiet verbleiben zu dürfen, das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt.

Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt die Abschiebung des Ausländers in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG) oder einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) an, sobald feststeht, dass diese durchgeführt werden kann. Dabei sind sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse als auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Vollzugshindernisse zu berücksichtigen. Dies gilt auch bei nachträglich auftretenden Abschiebungshindernissen oder Duldungsgründen (BVerfG, B.v. 17.09.2014 – 2 BvR 1795/14 – juris).

Zwar ist nach den Eurodac-Daten und dem Vortrag der Antragstellerin zu 1) vorliegend nach den Kriterien der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 v. 29.06.2013, S. 31) – im Folgenden: Dublin III-VO – von einer Zuständigkeit Italiens für die Prüfung der Asylanträge der Antragsteller auszugehen; in Bezug auf den Antragsteller zu 2) folgt dies aus Art. 20 Abs. 3 Satz 1 Dublin III-VO.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichts ist eine Überstellung an Italien gegenwärtig zudem nicht rechtlich unmöglich im Sinn des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO. Auch unter Auswertung neuerer Erkenntnismittel (vgl. etwa Länderbericht des Europäischen Flüchtlingsrats (ECRE) für das Projekt AIDA – Asylum Information Database – zu Italien, Update Februar 2017, abrufbar unter http://www.asylumineurope.org/reports/country/italy, S. 40 ff, 59 ff sowie den Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe von August 2016, abrufbar unter: https://www.fluechtlingshilfe.ch/assets/news/2016/160815-sfh-bericht-italien-aufnahmebedingungen-final.pdf) sieht das Gericht keine Gründe, von seiner ständigen Rechtsprechung abzuweichen.

Allerdings besteht in Anlehnung an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vorliegend ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis.

In seiner Entscheidung vom 4. November 2014 (Tarakhel ./. Schweiz, Nr. 29217/12 – NVwZ 2015, 127) hat der EGMR ausgeführt, dass die Anzahl und die Bedingungen in den Aufnahmeeinrichtungen Italiens Befürchtungen zulassen, dass im Einzelfall Asylsuchende ohne Unterkunft bleiben bzw. in überfüllten Einrichtungen untergebracht werden, auch wenn die Struktur und die Gesamtsituation des Aufnahmesystems in Italien nicht mit der Griechenlands vergleichbar sei und keine systemischen Mängel vorlägen (Rn. 114, 115). Vor der Abschiebung einer Familie mit Kindern als besonders Schutzbedürftige seien daher individuelle Garantien von den italienischen Behörden einzuholen, dass die Familie bei ihrer Ankunft in Italien in Einrichtungen und unter Bedingungen aufgenommen werde, die dem Alter der Kinder angemessen seien, und dass sie als Familie zusammenbleiben könnten (Rn. 120, 122).

Eine von der Antragsgegnerin vorgenommene Unterscheidung zwischen Klein- und Kleinstkindern ist der Tarakhel-Entscheidung nicht zu entnehmen. Vielmehr betraf die Entscheidung ein Elternpaar mit sechs Kindern, die zwischen 1999 und 2012 geboren wurden und im Entscheidungszeitpunkt somit zwischen 2 und 15 Jahre alt gewesen sein dürften. Auch das Bundesverfassungsgericht hat in einem aktuellen Beschluss vom 29. August 2017 (2 BvR 863/17 – juris) im Falle der Dublin-Überstellung einer alleinerziehenden Mutter mit vier Kindern, die im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung über den Eilantrag zwischen 16 und 4 Jahren alt waren, angemahnt, dass die Grundsätze der Tarakhel-Entscheidung in der Konstellation einer allein erziehenden Mutter von vier Kindern erst recht zu beachten seien. Vorliegend kommt hinzu, dass die Antragstellerin zu 1) erneut schwanger ist und bereits im Juni 2018 ein weiteres Kind erwartet.

Die Mitteilung der Antragsgegnerin, wonach eine individuelle Zusicherung Italiens im Sinne der Tarakhel-Entscheidung vorliegend nicht erforderlich sei, weil der Antragsteller am 15. Januar 2017 das dritte Lebensjahr vollendet habe und daher kein „Kleinstkind“ mehr sei, ist vor diesem Hintergrund schlicht nicht nachvollziehbar.

Der Überstellung stehen damit rechtliche Gründe entgegen.

Dem Antrag ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Das Verfahren ist nach § 83b AsylG gerichtskostenfrei.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) §§ 88, 108 Abs. 1 Satz 1, §§ 118, 119 und 120 gelten entsprechend für Beschlüsse.

(2) Beschlüsse sind zu begründen, wenn sie durch Rechtsmittel angefochten werden können oder über einen Rechtsbehelf entscheiden. Beschlüsse über die Aussetzung der Vollziehung (§§ 80, 80a) und über einstweilige Anordnungen (§ 123) sowie Beschlüsse nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache (§ 161 Abs. 2) sind stets zu begründen. Beschlüsse, die über ein Rechtsmittel entscheiden, bedürfen keiner weiteren Begründung, soweit das Gericht das Rechtsmittel aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

(1) Die Klage gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz hat nur in den Fällen des § 38 Absatz 1 sowie des § 73b Absatz 7 Satz 1 aufschiebende Wirkung. Die Klage gegen Maßnahmen des Verwaltungszwangs (§ 73b Absatz 5) hat keine aufschiebende Wirkung.

(2) Die Klage gegen Entscheidungen des Bundesamtes, mit denen die Anerkennung als Asylberechtigter oder die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft widerrufen oder zurückgenommen worden ist, hat in folgenden Fällen keine aufschiebende Wirkung:

1.
bei Widerruf oder Rücknahme wegen des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder des § 3 Absatz 2,
2.
bei Widerruf oder Rücknahme, weil das Bundesamt nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen hat.
Dies gilt entsprechend bei Klagen gegen den Widerruf oder die Rücknahme der Gewährung subsidiären Schutzes wegen Vorliegens der Voraussetzungen des § 4 Absatz 2. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.

(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Satz 1 gilt nicht, wenn

1.
der Ausländer im Zeitpunkt seiner Einreise in den sicheren Drittstaat im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland war,
2.
die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder
3.
der Ausländer auf Grund einer Anordnung nach § 18 Abs. 4 Nr. 2 nicht zurückgewiesen oder zurückgeschoben worden ist.

(2) Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in Anlage I bezeichneten Staaten.

(3) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, dass ein in Anlage I bezeichneter Staat nicht mehr als sicherer Drittstaat gilt, wenn Veränderungen in den rechtlichen oder politischen Verhältnissen dieses Staates die Annahme begründen, dass die in Artikel 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes bezeichneten Voraussetzungen entfallen sind. Die Verordnung tritt spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft.

(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn

1.
ein anderer Staat
a)
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oder
b)
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist,
2.
ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat,
3.
ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird,
4.
ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird oder
5.
im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.

(2) Das Bundesamt hört den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 5 gibt es dem Ausländer Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Absatz 3.

(3) Erscheint der Ausländer nicht zur Anhörung über die Zulässigkeit, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen.

(4) Die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags kann gemäß § 24 Absatz 1a dafür geschulten Bediensteten anderer Behörden übertragen werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz können vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden.