Verwaltungsgericht Minden Urteil, 03. März 2016 - 9 K 529/15
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.Der Kläger darf eine Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von110 % des aufgrund des Urteils beizutreibenden Betrages abwenden,wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höheleistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist Miteigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Gemarkung, Flur X, Flurstück XXXX (C. , C1. 30). Das östlich angrenzende Flurstück YYYY mit dem im Jahre 1999 errichteten Wohnhausanbau Nr. 30a steht im Eigentum seines Sohnes B. M. .
3Südöstlich des Grundstücks verläuft die im Eigentum der Beklagten stehende Gemeindestraße "C1. " mit einem durch einen Grünstreifen abgetrennten Gehweg. Auf dem Grünstreifen steht eine Reihe von Feldahorn- und einigen Baumhaselbäumen mit einem Alter von ca. 35 bis 40 Jahren.
4Mit einem am 11.04.2003 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben verlangten der Kläger und weiterer Anwohner der Straße einen kräftigen Rückschnitt oder eine teilweise Beseitigung der Straßenbäume. Zur Begründung gaben sie an, die Bäume hätten sich so weit ausgebreitet, dass im Herbst das Laub auf die Grundstücke falle. Ihnen würde das Sonnenlicht auf ihren Terrassen und Teilen der Gärten genommen. Weil die Bäume zu viel Schatten würfen, müssten sie schon bei Tage in den oberen Räumen Licht anmachen. Auf vielen Quadratmetern der Gärten wüchse wegen des Schatten nichts mehr.
5In ihren Antwortschreiben vom 13.05.2013 und 27.05.2013 wies die Beklagte darauf hin, dass die Bäume zweimal jährlich durch den Umweltbetrieb auf Schäden kontrolliert würden. Eine anlässlich der Eingabe durchgeführte Untersuchung habe ergeben, dass die Bäume voll gesund und vital seien. Bei der Beeinträchtigung durch Herbstlaub handele es sich um eine natürliche Lebensäußerung, die als jahreszeitlich eng begrenztes, natürliches Phänomen hinzunehmen sei. Die als Nachteil empfundenen Auswirkungen würden durch die zahlreichen Vorteile, wie das Wohnen im Grünen, eine Verbesserung des städtischen Kleinklimas sowie wichtige ökologische und gestalterische Funktionen aufgewogen. Die Baumreihe stelle zudem ein wichtiges, für den Straßenzug ortsbildprägendes Gestaltungselement dar. Der verlangte kräftige Rückschnitt komme einer Kappung der Baumkronen gleich und sei keine fachgerechte Pflegemaßnahme, da der einzelne Baum in seiner natürlichen artgerechten Entwicklung erheblich geschädigt werde. Weiter bestehe die Gefahr, dass die bei einem Rückschnitt entstehenden erheblichen Schnittwunden zu Einfaulungen führten mit der Folge eines unkontrollierten Auseinanderbrechens der Kronen. Die Fällung jeden zweiten Baumes würden zu erheblichen Lücken und einer Störung der Statik führen. Ein Austausch der Bäume durch eine niedrige Strauchpflanzung stelle keinen Ersatz dar.
6In einem weiteren Schriftwechsel führte der Kläger aus, dass den Anliegern bei Anpflanzung der Bäume ein regelmäßigen Rückschnitt zugesagt worden sei. Die Größe der Bäume und die fast 2 m über die Grundstücksgrenze ragenden Äste führten zu einer extremen Verschattung der Räume im Obergeschoss des Wohnhauses C1. 30 a, so dass auch tagsüber künstliches Licht erforderlich sei. Weiter führe sie zu einer Durchfeuchtung der Zäune. Auch würden die Grundstücke und der Bürgersteig, der von den Anliegern gereinigt werden müsse, verschmutzt.
7Die Beklagte wies den Kläger darauf hin, dass das Hochwachsen eines Baumes nur durch eine Einkürzung des Leittriebs erfolgen könne, was mit einer Kappung der Krone einherginge. Ein solcher Schnitt sei nicht fachgerecht, da er zu einer Veränderung der Wuchsform führe und große Schnittstellen mit Folgeschäden entstünden. Da die Bäume nur auf der Südostseite stünden und die Sonne weiterwandere, komme es zu keiner übermäßigen Verschattung der Grundstücke. Die Bäume hielten einen nach dem Nachbarrechtsgesetz ausreichenden Abstand von 4 m von der Grenze ein.
8Am 12.11.2014 hat der Kläger bei dem Amtsgericht C. Klage erhoben, die mit Beschluss vom 08.02.2015 - 419 C 39/15 - an das Verwaltungsgericht Minden verwiesen wurde.
9Zur Begründung seiner Klage vertieft der Kläger sein bisheriges Vorbringen und führt ergänzend aus, die übermäßige Verschattung führe zu einer massiven Beeinträchtigung der Wohn- und Lebensqualität. Von den Bäumen gehe eine unmittelbare Gefahr aus, da alle Bäume mit Wucherungen und Moos überzogen seien, die auf Erkrankungen und ein Absterben der Bäume hindeuteten. Bezüglich der Beeinträchtigungen des Grundstücks C1. 30a klage er aus abgetretenem Recht seines Sohnes.
10Der Kläger beantragt,
111. die Beklagte zu verurteilen, die Straßenbäume der Arten Feldahorn und Baumhasel vor dem Grundstück C1. 30 in C. so zurückzuschneiden, dass eine Beschattung der sich an der Ostseite des Wohnhauses befindlichen Fenster ausgeschlossen ist und die Äste nicht mehr über die Grundstücksgrenze ragen,
122. den Zurückschnitt jährlich vor dem 01.03. eines jeden Jahres auf eigene Kosten durchzuführen,
133. hilfsweise, die unter 1. bezeichneten Straßenbäume komplett zu entfernen.
14Die Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Sie führt aus, der Kläger sei nur Eigentümer des Grundstücks C1. 30. Die geltend gemachten Beeinträchtigungen beträfen jedoch das an die Straße angrenzende Nachbargrundstück C1. 30a, dessen Eigentümer der Sohn des Klägers sei. Die Bäume würden zwei Mal jährlich, im belaubten und unbelaubten Zustand kontrolliert. Sie seien verkehrssicher. Von Ihnen gehe keine Gefahr aus. Die an einigen Bäumen erkennbaren kleinen Astungswunden hätten ebenso wie die Flechten und Moose auf einigen Ästen und Stämmen keinerlei negativen Einfluss auf die Verkehrssicherheit.
17Anlässlich eines am 27.10.2015 durchgeführten Erörterungstermins hat der Berichterstatter die Örtlichkeit in Augenschein genommen. Hinsichtlich der dabei getroffenen Feststellungen wird auf die Terminsniederschrift verwiesen. Die Beteiligten haben in dem Termin übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
19Entscheidungsgründe:
20Das Gericht konnte gemäß § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten hierauf verzichtet haben.
21Die Klage ist nur zum Teil zulässig und insgesamt unbegründet.
22Die Klage ist unzulässig, soweit der Kläger einen abgetretenen Anspruch seines Sohnes geltend macht. Die Abtretung ist ersichtlich nur für die gerichtliche Geltendmachung erfolgt, um den Einwand der Beklagten zu entkräften, dass nur das Grundstück C1. 30a, das im Eigentum des Sohnes des Klägers steht, an die Straße grenze und gegebenenfalls Beeinträchtigungen ausgesetzt sei. Eine damit gegebene gewillkürte Prozessstandschaft ist im Verwaltungsprozess ausgeschlossen, soweit nicht durch Gesetz eine - hier nicht vorliegende - Ausnahme vorgesehen ist. Für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen ergibt sich dies bereits aus § 42 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -. Danach muss der Kläger geltend machen, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen (eigenen) Rechten verletzt zu sein. Für die allgemeine Leistungsklage gilt in analoger Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO nichts anderes.
23Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 15. Aufl. 2015, Vorb. § 40 Rn. 25; Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, Kommentar, 4. Aufl. 2014, § 62 Rn. 21; Wahl/Schütz, in: Schoch/Schneider/ Bier, VwGO, Kommentar, Stand Oktober 2015, § 42 Abs. 2 Rn. 34, Schmidt-Kötters, in: Posser/Wolff, VwGO, Kommentar, 2. Aufl. 2014, § 42 Rn. 114; Happ, in: Eyermann, VwGO, Kommentar, 14. Aufl. 2014, § 42 Rn. 76; Wysk, VwGO, Kommentar, 2011, Vorb. § 40 Rn. 37.
24Denn in dieser Vorschrift kommt das allgemeine Strukturprinzip des Verwaltungsrechtsschutzes zum Ausdruck, der vor dem Hintergrund von Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes - GG - in erster Linie auf Individualrechtsschutz ausgerichtet ist.
25VG Neustadt (Weinstraße), Beschluss vom 20.10.2014 - 4 L 1150/13.NW - juris Rn. 26. m.w.N.
26Vorliegend bleibt es dem Sohn des Klägers unbenommen, eigene Ansprüche selbst gegenüber der Beklagten geltend zu machen.
27Die Klage ist insgesamt sowohl mit dem Haupt- als auch dem Hilfsantrag unbegründet.
28Der Kläger hat keinen Anspruch auf den begehrten Rückschnitt oder eine Beseitigung der Straßenbäume.
29Als Anspruchsgrundlage kommt nur der öffentlich-rechtliche Abwehr- bzw. Folgenbeseitigungsanspruch in Betracht. Dabei handelt es sich um einen gesetzlich nicht ausdrücklich geregelten, insbesondere durch Richterrecht geprägten Anspruch, der nach neuerer Rechtsprechung aus dem verfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzip sowie den Grundrechten hergeleitet wird.
30BVerwG, Urteil vom 26.08.1993 - 4 C 24.91 - juris Rn. 23.
31Dieser setzt einen hoheitlichen Eingriff voraus, der ein subjektives Recht des Betroffenen verletzt. Für den Betroffenen muss dadurch ein rechtswidriger Zustand entstanden sein, der noch andauert und den er nicht dulden muss. Dabei beschränkt sich der Folgenbeseitigungsanspruch nicht nur auf die Folgen der Vollziehung eines Verwaltungsaktes, sondern erfasst auch die Folgen schlicht hoheitlichen Handelns. Er ist gerichtet auf die Wiederherstellung des Zustandes, wie er vor dem schädigenden Ereignis bestand.
32OVG NRW, Urteil vom 21.09.1999 - 23 A 875/97 - NJW 2000, 754 = juris Rn. 3; BVerwG, Urteil vom 06.09.1988 - 4 C 26.88 - juris Rn. 9. VG Hannover, Urteil vom 10.07.2012 - 7 A 5059/11 - juris Rn. 38.
33Hiervon ausgehend sind die Voraussetzungen eines Folgenbeseitigungsanspruches nicht erfüllt. Es kann nicht festgestellt werden, dass subjektive Rechtspositionen des Klägers verletzt sind. Der Kläger ist weiterhin zur Duldung der Bäume und der von ihnen ausgehenden Einwirkungen verpflichtet.
34Dabei ist zunächst zu beachten, dass die in § 41 Abs. 1 Nr. 1 des Nachbarrechtsgesetzes - NachbG NRW - festgelegten Grenzabstände für Bäume von Nachbargrundstücken gemäß § 45 Abs. 1 Buchst. b NachbG NRW nicht für Anpflanzungen auf öffentlichen Verkehrsflächen gelten. Zudem bestimmt § 49 Abs. 2 NachbG NRW, dass öffentlich-rechtliche Vorschriften durch dieses Gesetz nicht berührt werden.
35Vgl. VG Köln, Urteil vom 24.06.2015 - 18 K 1266/15 - juris Rn. 31; OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.09.2000 - 9 U 67/00 -juris Rn. 28.
36Unmittelbar einschlägig ist hier die Regelung des § 32 des Straßen- und Wegegesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen - StrWG NRW -. Nach § 32 Abs. 2 Satz 1 StrWG NRW haben die Eigentümer und Besitzer von Grundstücken an öffentlichen Straßen die Einwirkungen von Pflanzungen im Bereich des Straßenkörpers und der Nebenanlagen und die Maßnahmen zu ihrer Erhaltung und Ergänzung zu dulden. Die Duldungspflicht bewirkt eine Beschränkung der Eigentümerbefugnisse des Straßenanliegers. Hierbei handelt es sich jedoch um keine Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 des Grundgesetzes - GG -, sondern um eine Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG.
37OVG NRW, Urteil vom 21.09.1999 - 23 A 875/97 - juris Rn. 11; OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.09.2000 - 9 U 67/00 - juris Rn. 31.
38Jedes Grundstück ist in seine Umgebung eingefügt und durch seine Lage und Beschaffenheit charakterisiert. Die straßenrechtlichen Regelungen tragen der Situationsgebundenheit des Grundstücks im Interesse der Allgemeinheit und der Straßenanlieger Rechnung. Die Gestaltungsmöglichkeiten kann der Gesetzgeber im Hinblick auf den sozialen Bezug des Eigentums nutzen. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass die straßenrechtliche Privilegierung von Anpflanzungen auf öffentlichen Straßen und den dazu gehörenden Nebenanlagen von vernünftigen Gemeinwohlgedanken getragen wird. Die Bepflanzung von Straßen dient nicht nur straßenbautechnischen und verkehrsrechtlichen Interessen. Bepflanzungen mit Bäumen in Ballungsgebieten haben landschaftsgestaltende und Wohnqualität verbessernde Funktion. Bäume schaffen eine ansprechende Atmosphäre und Lebensqualität, lockern den optischen Eindruck der Umgebung auf, beruhigen das Auge und verhelfen Anwohnern zum Luftholen und Durchatmen. Bepflanzungen spielen unbestreitbar eine wesentliche Rolle für das von Lärm und Abgasen geprägte Großstadtklima und die Verbesserung des Wohnumfeldes. Da nach Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG das Eigentum zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen soll, schlägt sich darin das Gebot an die Kommune nieder, über die Interessen der unmittelbaren Straßenanlieger hinaus auch solche der nicht direkt angrenzenden Wohnbevölkerung wahrzunehmen.
39OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.09.2000 - 9 U 67/00 - juris Rn. 32.
40Die Pflicht zur Duldung der Einwirkungen der auf öffentlichem Straßengrund erfolgten Pflanzungen endet mit der Folge eines auf Beseitigung gerichteten Folgenbeseitigungsanspruchs erst in besonderen Ausnahmesituationen. Diese liegen dann vor, wenn die Bepflanzung im Laufe der Zeit aufgrund natürlichen Wuchses einen Umfang erreicht hat, der entweder zu ernsthaften, nicht anderweitig behebbaren Schäden an privaten Nachbargrundstücken führt bzw. solche Schäden hinreichend konkret zu befürchten sind oder aber die Nutzung dieser Grundstücke in einem unter keinem vernünftigen Gesichtspunkt mehr zumutbaren Maße beeinträchtigt wird.
41OVG NRW, Urteil vom 21.09.1999 - 23 A 875/97 - juris Rn. 20; VG Köln, Urteil vom 24.06.2015 - 18 K 1266/15 - juris Rn. 33; VG Hannover, Urteil vom 10.07.2012 - 7 A 5059/11 - juris, Rn. 40.
42Dies ist hier nicht der Fall. Hinsichtlich der von dem Kläger geltend gemachten unzumutbaren Verschattung durch die Straßenbäume ist zunächst auf die Wertungen im Verhältnis zwischen privaten Grundstücksnachbarn hinzuweisen. Zwischen privaten Nachbarn bestehen in Bezug auf die Verschattung durch Bäume keine Abwehransprüche auf der Grundlage der §§ 1004 und 906 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -, die gegebenenfalls im öffentlichen Recht entsprechend anzuwenden wären. Denn bei der Verschattung handelt es sich um so genannte negative Einwirkungen. Derartige negative Einwirkungen, bei denen durch Handlungen auf dem einen Grundstück natürliche Vorteile von einem anderen Grundstück abgehalten werden, sind grundsätzlich nicht als Eigentumsstörung abwehrbar.
43VG Berlin, Urteil vom 13.04.2010 - 1 K 408.09 - juris Rn. 18; BGH, Urteil vom 10.07.2015 - V ZR 229/14 - juris Rn. 12;LG Berlin, Urteil vom 05.03.2009 - 57 S 82/08 - juris Rn. 19.
44Der ungehinderte Einfall natürlichen Sonnenlichts auf ein Grundstück ist damit grundsätzlich nicht vom Schutz des Grundeigentums umfasst. Aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis kann sich ein Anspruch auf der Grundlage von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nur in gravierenden Ausnahmefällen ergeben, etwa bei vollständiger Verschattung eines gesamten Grundstücks während des ganz überwiegenden Teils des Tages. Denn die Rechte und Pflichten von Grundstücksnachbarn haben insbesondere durch die Bestimmungen der Nachbarrechtsgesetze der Länder eine ins Einzelne gehende Sonderregelung erfahren, so dass ein Rückgriff auf Treu und Glauben nur in Ausnahmefällen in Betracht kommt.
45VG Berlin, Urteil vom 13.04.2010 - 1 K 408.09 - juris Rn. 18; BGH, Urteile vom 10.07.2015 - V ZR 229/14 - juris Rn. 15, und vom 11.07.2003 - V ZR 199/02 - juris Rn. 16.;
46Für die Frage der Zumutbarkeit einer Baumpflanzung zwischen privaten Nachbarn ist daher vorrangig die Bestimmung des Nachbarrechtsgesetzes über Grenzabstände für Bäume und Sträucher heranzuziehen. Hierzu ist vorliegend festzustellen, dass die Straßenbäume in einem Abstand von ca. 4 m von der Grenze zum Grundstück des Sohnes des Klägers stehen und in einem noch größeren Abstand zum klägerischen Grundstück. Sie halten damit den in § 41 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b NachbG NRW festgelegten Mindestgrenzabstand von 2,00 m für nicht stark wachsende Bäume - zu denen auch der Feldahorn und der Baumhasel gehören - mehr als reichlich ein. Würde daher schon in einem privatrechtlichen Nachbarverhältnis kein Abwehranspruch bestehen, so gilt dies erst Recht gegenüber einer Verschattung durch Straßenbäume, die nicht einmal - wie ausgeführt - die Mindestgrenzabstände einhalten müssen.
47Die konkreten örtliche Verhältnisse rechtfertigen keine Ausnahme von dieser Grundentscheidung. Die Beschattung ist auf die Zeit des Jahres beschränkt, in der die Ahornbäume Laub tragen. Die gerichtliche Ortsbesichtigung am 27.10.2015 hat zudem ergeben, dass der Schatten der auf der Südostseite stehenden Bäume nur in den Morgen- und Vormittagsstunden auf die Grundstücke C1. 30 und 30a und die dort befindlichen Wohngebäude fällt, während in der übrigen Tageszeit keine Verschattung durch die Straßenbäume erfolgt. Eine unzumutbare Beeinträchtigung ist daher nicht gegeben.
48Entsprechendes gilt auch für die von dem Kläger angeführten überhängenden Äste. Auch insoweit wird ein zivilrechtlicher Abwehranspruch durch die öffentlich-rechtliche Duldungspflicht des § 32 Abs. 2 Satz 1 StrWG NRW überlagert. Das Recht aus § 910 BGB zum Abschneiden von eingedrungenen Wurzeln und überragenden Ästen besteht nicht, wenn die Wurzeln oder die Äste die Benutzung des Grundstücks nicht beeinträchtigen. Im Hinblick auf die - bereits oben dargestellte - öffentliche Wohlfahrtswirkung von Straßenbäumen müssen die Beeinträchtigungen eine gewisse Erheblichkeit erreichen, um einen Rückschnitt zu rechtfertigen.
49Vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.09.2000 - 9 U 67/00 - juris Rn. 30, 38.
50Dies ist hier nicht der Fall. Zwar ragen einzelne dünnere Äste der Bäume bis zu ca. 2,00 m auf das Grundstück C1. 30a, doch sind damit keine übermäßigen Beeinträchtigungen der Nutzung des Grundstücks verbunden. Würde man allein aus der Tatsache des Überwuchses einen Anspruch auf Rückschnitt herleiten, würde die durch § 32 StrWG NRW konstituierte Privilegierung grenznaher Anpflanzung von Straßenbäumen leerlaufen.
51Vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.09.2000 - 9 U 67/00 - juris Rn. 34.
52Insgesamt betrachtet überschreiten die von den Bäumen ausgehenden typischen natürlichen Auswirkungen wie Schattenwurf, Laub- und Samenfall, verzögerte Abtrocknung von Flächen oder Zäunen u.ä. nicht das zumutbare Maß und sind daher von den Straßenanliegern als situationsgebunden und sozialadäquat hinzunehmen.
53Die Klage ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
54Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis beruhen auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO.
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(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.
(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.
(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
1
T a t b e s t a n d
2Der Kläger ist Eigentümer eines mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks an der Straße L. -P. 0 in 00000 T. . Seit ca. 15-20 Jahren steht ca. 1,20 m von der Grenze seines Grundstücks und ca. 5,50 m von der Ecke seines Hauses entfernt auf dem Gehweg eine von der Beklagten gepflanzte Winterlinde, von der Immissionen in Form von Ausscheidungen der dort lebenden Blattläuse, des so genannten Honigtaus, ausgehen.
3Mit E-Mail vom 9.4.2012 verlangte er von der Beklagten, zeitnah zu veranlassen, den Baum ordnungsgemäß zu schneiden bzw. zu fällen, damit keine Äste mehr auf sein Grundstück ragten und vor allem um eine Gefährdung für die Bevölkerung auszuschließen. Im Verlauf des zurückliegenden halben Jahres seien vermehrt Äste von diesem Baum abgebrochen und auf sein Grundstück, die Straße und Personen gestürzt. Außerdem sei der Lack eines seiner auf seinem Grundstück stehenden Fahrzeuge durch herabfallende Äste, aber vor allem durch Flecken und Vogelkot beschädigt worden. Die vom Baum ausgehenden Verunreinigungen seien im Sommer extrem und verschmutzten sein Grundstück. Die entstandenen Schäden und Verunreinigungen seien nicht mehr tragbar. Mit E-Mail vom 30.5.2012 setzte er der Beklagten eine Frist zur Entfernung des Baums bzw. überhängenden Äste bis zum 15.6.2012 und teilte mit, durch die vom Baum ausgehenden Verunreinigungen entstünden ihm erhebliche Kosten an seinem fabrikneuen Personenkraftwagen mit noch nicht absehbaren Folgekosten. Die Beklagte erwiderte mit Schreiben vom 4.6.2012, sie habe den Baum kontrolliert und dabei festgestellt, dass derzeit keine Rückschnittarbeiten erforderlich seien. Mit E-Mail vom 12.8.2013 forderte der Kläger die Beklagte unter Hinweis auf ein vier Wochen zurückliegendes Gespräch auf, bis zum 23.8.2013 die auf sein Grundstück ragenden Äste des Baums zu entfernen bzw. den Baum zu beseitigen. Mit E-Mail vom 19.8.2013 forderte er die Beklagte auf, die auf sein Grundstück gefallenen Blätter dieses Baums zu entfernen. Die Beklagte erwiderte mit E-Mail vom 23.8.2013, seit einem Rückschnitt im Herbst/Winter 2012/2013 erreichten keine Asttriebe mehr das klägerische Wohngebäude. Das Astwerk halte von diesem einen Abstand von ca. 3 m und der Baumstamm einen Abstand von ca. 6 m ein. Bei einer neuerlichen Kontrolle seien keine Überwüchse festgestellt worden, die einen weiteren Rückschnitt erforderlich machten. Der Kläger habe nach § 32 Abs. 2 Satz 1 StrWG NRW den Baum zu dulden. Es werde zugesagt, die Bäume regelmäßig zu überprüfen und erforderliche Pflegeschnitte durchzuführen, eine regelmäßige Reinigung und Laubentfernung werde jedoch abgelehnt.
4Mit anwaltlichem Schreiben vom 27.9.2013 forderte der Kläger die Beklagte auf, die auf sein Grundstück überragenden Äste des Straßenbaums vollständig zu entfernen, künftig dafür Sorge zu tragen, dass kein erneuter Überwuchs stattfinde und hinsichtlich der unnatürlich hohen, vom Baum ausgehenden extremen Verschmutzungen seines Kraftfahrzeugs und Hausdachs durch geeignete Maßnahmen entsprechende Abhilfe zu schaffen. Der Baum habe mittlerweile eine Höhe und einen Umfang erreicht, der zu ernsthaften, nicht anderweitig behebbaren Schäden am klägerischen Grundstück führe.
5Die Beklagte erwiderte mit Schreiben vom 21.10.2013 unter teilweiser Wiederholung ihre Ausführungen aus ihrer E-Mail vom 23.8.2013, sie habe die derzeitige Situation nochmals in Augenschein genommen und sei dabei zum Ergebnis gelangt, dass die an den Bäumen in der Straße L. -P. bereits durchgeführten Baumpflege- und Baumrückschnittarbeiten ordnungsgemäß durchgeführt worden und Einwirkungen auf das Hausdach aufgrund der Abstände und Einwirkungen auf das Kraftfahrzeug aufgrund der Anordnung der Garage mit Abstellplatz auf der anderen Seite des Gebäudes nicht erkennbar seien. Eine komplette Entfernung überragender Äste könne nicht stattfinden, weil dies den Lebenszyklus des Baums erheblich beeinträchtigte und gegebenenfalls zu seinem kompletten Absterben führte. Außerdem werde dadurch das gewünschte dörfliche Gesamterscheinungsbild der Straße erheblich beeinträchtigt. Die erforderlichen Rückschnitte nach Ablauf der Schonfrist würden aber vorgenommen werden.
6Mit Schreiben unter anderem des Klägers vom 17.12.2014 beantragten insgesamt fünf Personen die Entfernung der drei Straßenbäume vor den Grundstücken L. -P. 0, 0 und 0a auf eigene Kosten mit dem Angebot, an anderer Stelle insgesamt drei neue Bäume zu pflanzen. Die Pflege der Bäume sei durch die Beklagte vernachlässigt bzw. überhaupt nicht durchgeführt worden, was in den letzten Jahren zahlreiche Schäden, Verunreinigungen, Behinderungen und Gesetzesverstöße nach sich gezogen habe. Von den Linden gingen in den Sommermonaten erhebliche Verunreinigungen der Hausdächer, Fassadenfenster, gepflasterten Flächen und Kraftfahrzeuge der Grundstückseigentümer aus. Diese über Jahre verursachten Verunreinigungen hätten nun bleibende Schäden und Folgeschäden an der Bedachung der Häuser und den gepflasterten Flächen hinterlassen. Zudem schädige das Wurzelwerk der Bäume die Grundstücke, die gepflasterten Flächen und die öffentliche Straße.
7Mit Schreiben vom 24.2.2015 lehnte die Beklagte den Antrag unter Hinweis auf das städtebauliche Gesamtbild, jährliche und zuletzt 2014 durchgeführte Baumkontrollen, Maßnahmen zur Baumpflege mit Rückschnitten im Herbst/Winter 2012/2013 und zumutbare Beeinträchtigungen durch die Baumimmissionen ab.
8Mit seiner am 27.2.2015 erhobenen Klage wiederholt der Kläger sein bisheriges Vorbringen und trägt darüber hinaus vor: Die Äste seien vor dem Austritt im Frühjahr ca. 2 m vom Hausdach entfernt. Nach § 41 Abs. 1 Nr. 1 Nachbarschaftsgesetz NRW müsste der Baum aber einen Abstand von 4 m zur Grundstücksgrenze einhalten. Da der von dem Baum ausgehende Honigtau auf den Ziegeln und dem Schiefer der Dächer kleben bleibe und sich nicht mehr auflöse, bildeten sich nach einiger Zeit Flechten bzw. Algen, die die Oberflächenversiegelung der Dachziegel bzw. des Schiefers zerstörten, wovon die kompletten Dachziegel und Schieferdächer betroffen seien. Das gelte auch für die Flechten auf dem Pflaster. An zwei der vom Kläger verkauften Kraftfahrzeuge habe eine spezielle Reinigung und Aufbereitung des Lacks durchgeführt werden müssen. Der Honigtau werde durch den Wind auf seinem gesamten Grundstück verteilt. Es werde angeregt, ein gerichtliches Sachverständigengutachten zur Frage einzuholen, dass durch die Ausscheidungen der auf dem streitgegenständlichen Baum befindlichen Blattläuse eine Zerstörung der Dachziegel und des Dachschiefers des klägerischen Hauses erfolge. Außer diesen Schäden verursache der Baum auch durch sein Wurzelwerk Schäden am klägerischen Grundstück und an den gepflasterten Flächen. Trotz seiner aus § 32 StrWG NRW folgenden Duldungspflicht habe der Kläger gemäß der obergerichtlichen Rechtsprechung einen Anspruch auf Beseitigung des Baums, weil dieser durch seine Höhe und seinen Umfang zu ernsthaften, nicht anderweitig behebbaren Schäden an seinem Grundstück führe. Diesbezüglich werde die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeregt. Er verlange erst jetzt die Beseitigung des Baums, weil die Schäden erst jetzt stark seien. Er teile gemäß § 32 Abs. 2 StrWG NRW mit, die in sein Grundstück hineinragenden Wurzeln des Baums eigenständig zu entfernen. Die Überlebensfähigkeit des Baums sei nicht sein Problem.
9Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung die Anträge gestellt, Beweis zu erheben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens und durch Ortsbesichtigung zu seinem Vortrag
101. dass die Pflege des streitgegenständlichen Baums nach der Pflanzung vernachlässigt bzw. unterlassen worden ist,
112. der streitgegenständliche Baum ist nicht jährlich kontrolliert und die erforderlichen Maßnahmen zur Pflege und Unterhaltung sind nicht stets ordnungsgemäß durchgeführt worden,
123. der streitgegenständliche Baum steht mit seinem Stamm 1,20 m von der Grundstücksgrenze und 5,50 m von der Hausecke entfernt,
134. die Äste des streitgegenständlichen Baums sind ca. 2 m vom Dach des Wohnhauses des Klägers entfernt,
145. dass die Absonderung von Honigtau auf den Ziegeln des Hausdachs des Klägers sowie auf dem Schiefer des Erkers des Wohnhauses des Klägers kleben bleibt und sich nicht mehr auflöst,
156. sich nach einiger Zeit Flechten/Algen auf den Ziegeln des Dachs und dem Schiefer des Erkers bilden, die die Oberflächen/Versiegelung der Dachziegel und des Schiefers zerstören,
167. dass sich Flechten auf dem Pflaster der Einfahrt des Klägers befinden und diese die Einfahrt zerstören,
178. dass der Befall des streitgegenständlichen Baums mit Blattläusen und der von diesen verursachte Honigtau keine natürliche Lebensäußerung des streitgegenständlichen Baums ist,
189. dass die Entfernung des streitgegenständlichen Baums zu einer spürbaren Besserung der Immissionssituation führt,
1910. dass die Entfernung der auf dem Grundstück des Klägers überhängenden Äste des streitgegenständlichen Baums zu einer spürbaren Besserung der Immissionssituation führen wird,
2011. dass das Abschneiden sämtlicher auf das Grundstück des Klägers überhängenden Äste des streitgegenständlichen Baums an der Grundstücksgrenze nicht zum Absterben des streitgegenständlichen Baums führt.
21Nach Ablehnung der Beweisanträge beantragt der Kläger,
221. die Beklagte zu verurteilen, den vor seinem Grundstück L. -P. 0, 00000 T. stehenden Baum zu entfernen,
23hilfsweise
24a) die Beklagte zu verurteilen, die in dieses Grundstück hineinragenden Äste dieses Baums vollständig zu beseitigen und
25b) die Beklagte zu verurteilen, die in dieses Grundstück hineingewachsenen Wurzeln dieses Baums vollständig zu beseitigen,
262. die Beklagte zu verurteilen, die durch den Baum entstandenen Schäden auf ihre Kosten zu beseitigen,
27hilfsweise
28die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine monatliche finanzielle Entschädigung für die Reinigungsarbeiten zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.
29Die Beklagte beantragt,
30die Klage abzuweisen.
31Zur Begründung wiederholt sie ihre bisherigen Ausführungen und trägt darüber hinaus vor: Der Beklagten seien die vom Kläger unsubstantiiert geschilderten Schäden nicht bekannt. Beeinträchtigungen habe der Kläger gemäß § 32 Abs. 2 StrWG NRW zu dulden. Die Duldungspflicht ende nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen erst, wenn die Pflanzung im Laufe der Zeit aufgrund natürlichen Wuchses einen Umfang erreicht habe, der entweder zu ernsthaften, nicht anderweitig behebbaren Schäden an privaten Nachbargrundstücken führe bzw. solche Schäden hinreichend konkret zu befürchten seien oder aber die Nutzung dieser Grundstücke in einem unter keinem vernünftigen Gesichtspunkt mehr zumutbaren Maß beeinträchtigt werde. Solche Schäden und Beeinträchtigungen des klägerischen Grundstücks lägen jedoch weder vor noch seien solche in absehbarer Zukunft ernsthaft zu befürchten. Beeinträchtigungen durch den Honigtau seien sozialadäquat, zumal sich dieser in der Regel mit warmem Wasser abwaschen lasse. Die nach dem Nachbarschaftsgesetz NRW vorgeschriebenen Mindestabstände seien eingehalten. Außerdem sei danach wegen des langen seit der Pflanzung abgelaufenen Zeitraums ein Beseitigungsanspruch ausgeschlossen. Die in Rede stehende Linde sei bereits im Lageplan der im November 1998 erteilten Baugenehmigung für das klägerische Hauses verzeichnet gewesen. Unter Hinweis auf verschiedene Gerichtsentscheidungen weist die Beklagte darauf hin, dass sie bei Schäden aufgrund eines Abschneidens der Äste bzw. Wurzeln des Baums durch den Kläger diesen dafür in Anspruch nehmen werde.
32E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
33Die zulässige Leistungsklage ist nicht begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte zunächst keinen Anspruch auf Entfernung des vor seinem Grundstück stehenden Baums. Das Nachbarrechtsgesetz Nordrhein-Westfalen (NachbG NRW) ist entgegen der Meinung des Klägers nicht einschlägig, weil nach § 45 Abs. 1 Buchstabe b) NachbG NRW u.a. die Pflanzabstandvorschrift des § 41 NachbG NRW für Anpflanzungen auf öffentlichen Verkehrsflächen nicht gilt und gemäß § 49 Abs. 2 NachbG NRW öffentlich-rechtliche Vorschriften unberührt bleiben. Danach ist allein das öffentlich-rechtliche Straßen- und Wegegesetz Nordrhein-Westfalen (StrWG NRW) einschlägig. Wie beide Beteiligte zutreffend ausgeführt haben, hat das
34OVG NRW, Urteil vom 21.9.1999 - 23 A 875/97 -, NWVBl. 2000, 142,
35ausgeführt, dass die aus § 32 Abs. 2 Satz 1 StrWG NRW folgende Duldungspflicht bezüglich der Einwirkungen von auf öffentlichem Straßengrund erfolgten Pflanzungen mit der Folge eines auf Beseitigung gerichteten Folgenbeseitigungsanspruchs erst in besonderen Ausnahmesituationen enden, die dann vorliegen dürften, wenn die Bepflanzung im Laufe der Zeit aufgrund natürlichen Wuchses einen Umfang erreicht hat, der entweder zu ernsthaften, nicht anderweitig behebbaren Schäden an privaten Nachbargrundstücken führt bzw. solche Schäden hinreichend konkret zu befürchten sind oder aber die Nutzung dieser Grundstücke in einem unter keinem vernünftigen Gesichtspunkt mehr zumutbaren Maße beeinträchtigt wird.
36Das ist hier aber nicht der Fall. Der Kläger hat bereits nicht bestimmt und jedenfalls nicht (etwa mittels detaillierter Beschreibung bzw. Nahaufnahmen) hinreichend substantiiert vorgetragen, dass und in wie weit auf Honigtau zurückzuführende Schäden an den Dachziegeln oder dem Dachschiefer seines Hauses bereits eingetreten sind. Seine darauf gerichteten Beweisanträge 6 und 7 waren deshalb als unzulässiger Ausforschungsbeweis abzulehnen. Diesen Beweisanträgen des Klägers war außerdem auch mangels Rechtserheblichkeit nicht weiter nachzugehen. Das selbe gilt auch, wenn sich die Beweisanträge 6 und 7 auf wegen Honigtaus zu befürchtende, also künftige Schäden richten. Denn selbst wenn die klebrigen Absonderungen selbst zu einer Zerstörung der Dachziegel bzw. des Dachschiefers führten oder Moosen, Flechten oder Algen erstmals einen Haftgrund böten und diese zu einer Zerstörung der Dachziegel bzw. des Dachschiefers führten, wären solche Schäden i. S. d. zitierten Rechtsprechung „anderweitig behebbar“ bzw. anderweitig behebbar gewesen, indem solche klebrigen Absonderungen jeweils nach Beendigung der Zeit, in der sie stattfinden, mit – gegebenenfalls warmem – Wasser entfernt werden bzw. entfernt worden wären. Dem Gericht ist bewusst, dass solche Arbeiten, wenn sie erforderlich sein sollten, aufwändig und lästig sind, aber auch, dass die auf öffentlichem Straßengrund gepflanzte Linde in dieser Hinsicht eine Vorbelastung der Gegend darstellt, in der der Kläger gebaut hat. Diese Ausführungen gelten erst recht für die noch einfacher zu bewerkstelligende Reinigung gepflasteter Flächen und der Oberflächen abgestellter Kraftfahrzeuge. Die von Verschmutzungen und Substanzbeeinträchtigungen rechtlich zu unterscheidende Nutzung des Grundstücks ist nach allem sogar kaum beeinträchtigt.
37Hat der Kläger danach die (letztlich) vom Baum ausgehenden Immissionen gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 StrWG NRW zu dulden, hat er unter diesem Gesichtspunkt auch keinen Anspruch auf Beseitigung der in sein Grundstück hineinragenden Äste und erst recht nicht der Wurzeln des auf dem Straßenland stehenden Baums und ist ein Anspruch auf Aufwandsentschädigung ausgeschlossen. Gibt es danach schon keinen rechtswidrigen Zustand, scheidet ferner ein Anspruch auf Schadensersatz aus. Abgesehen davon und dem Umstand, dass der Kläger auch jenseits einer subjektiv empfundenen Belästigung liegende konkrete anderweitige, nicht durch Honigtau verursachte Beeinträchtigungen durch auf sein Grundstück überhängende Äste oder in dieses Grundstück hineinragende Wurzeln des Straßenbaums nicht konkret und substantiiert geltend gemacht hat, kann der Grundstückseigentümer auf der Grundlage des § 32 Abs. 2 StrWG NRW bereits von vornherein von der Straßenbaubehörde weder verlangen, dass diese die Äste oder Wurzeln eines Straßenbaums selbst beschneidet, noch steht ihm nach öffentlichem Recht ein Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen für einen selbst durchgeführten Rückschnitt zu.
38Vgl. OVG NRW, Urteil vom 21.9.1999 - 23 A 875/97 - a. a. O.
39Das Gericht weist darauf hin, dass die vom Kläger angekündigte Entfernung von Wurzeln des Straßenbaums nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist, aber nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 910 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch erfolgen darf.
40Da die Beweisanträge 1 bis 5 und 8 bis 11 aus diesen materiellrechtlichen Gründen unerheblich waren, waren sie abzulehnen.
41Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
1
T a t b e s t a n d
2Der Kläger ist Eigentümer eines mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks an der Straße L. -P. 0 in 00000 T. . Seit ca. 15-20 Jahren steht ca. 1,20 m von der Grenze seines Grundstücks und ca. 5,50 m von der Ecke seines Hauses entfernt auf dem Gehweg eine von der Beklagten gepflanzte Winterlinde, von der Immissionen in Form von Ausscheidungen der dort lebenden Blattläuse, des so genannten Honigtaus, ausgehen.
3Mit E-Mail vom 9.4.2012 verlangte er von der Beklagten, zeitnah zu veranlassen, den Baum ordnungsgemäß zu schneiden bzw. zu fällen, damit keine Äste mehr auf sein Grundstück ragten und vor allem um eine Gefährdung für die Bevölkerung auszuschließen. Im Verlauf des zurückliegenden halben Jahres seien vermehrt Äste von diesem Baum abgebrochen und auf sein Grundstück, die Straße und Personen gestürzt. Außerdem sei der Lack eines seiner auf seinem Grundstück stehenden Fahrzeuge durch herabfallende Äste, aber vor allem durch Flecken und Vogelkot beschädigt worden. Die vom Baum ausgehenden Verunreinigungen seien im Sommer extrem und verschmutzten sein Grundstück. Die entstandenen Schäden und Verunreinigungen seien nicht mehr tragbar. Mit E-Mail vom 30.5.2012 setzte er der Beklagten eine Frist zur Entfernung des Baums bzw. überhängenden Äste bis zum 15.6.2012 und teilte mit, durch die vom Baum ausgehenden Verunreinigungen entstünden ihm erhebliche Kosten an seinem fabrikneuen Personenkraftwagen mit noch nicht absehbaren Folgekosten. Die Beklagte erwiderte mit Schreiben vom 4.6.2012, sie habe den Baum kontrolliert und dabei festgestellt, dass derzeit keine Rückschnittarbeiten erforderlich seien. Mit E-Mail vom 12.8.2013 forderte der Kläger die Beklagte unter Hinweis auf ein vier Wochen zurückliegendes Gespräch auf, bis zum 23.8.2013 die auf sein Grundstück ragenden Äste des Baums zu entfernen bzw. den Baum zu beseitigen. Mit E-Mail vom 19.8.2013 forderte er die Beklagte auf, die auf sein Grundstück gefallenen Blätter dieses Baums zu entfernen. Die Beklagte erwiderte mit E-Mail vom 23.8.2013, seit einem Rückschnitt im Herbst/Winter 2012/2013 erreichten keine Asttriebe mehr das klägerische Wohngebäude. Das Astwerk halte von diesem einen Abstand von ca. 3 m und der Baumstamm einen Abstand von ca. 6 m ein. Bei einer neuerlichen Kontrolle seien keine Überwüchse festgestellt worden, die einen weiteren Rückschnitt erforderlich machten. Der Kläger habe nach § 32 Abs. 2 Satz 1 StrWG NRW den Baum zu dulden. Es werde zugesagt, die Bäume regelmäßig zu überprüfen und erforderliche Pflegeschnitte durchzuführen, eine regelmäßige Reinigung und Laubentfernung werde jedoch abgelehnt.
4Mit anwaltlichem Schreiben vom 27.9.2013 forderte der Kläger die Beklagte auf, die auf sein Grundstück überragenden Äste des Straßenbaums vollständig zu entfernen, künftig dafür Sorge zu tragen, dass kein erneuter Überwuchs stattfinde und hinsichtlich der unnatürlich hohen, vom Baum ausgehenden extremen Verschmutzungen seines Kraftfahrzeugs und Hausdachs durch geeignete Maßnahmen entsprechende Abhilfe zu schaffen. Der Baum habe mittlerweile eine Höhe und einen Umfang erreicht, der zu ernsthaften, nicht anderweitig behebbaren Schäden am klägerischen Grundstück führe.
5Die Beklagte erwiderte mit Schreiben vom 21.10.2013 unter teilweiser Wiederholung ihre Ausführungen aus ihrer E-Mail vom 23.8.2013, sie habe die derzeitige Situation nochmals in Augenschein genommen und sei dabei zum Ergebnis gelangt, dass die an den Bäumen in der Straße L. -P. bereits durchgeführten Baumpflege- und Baumrückschnittarbeiten ordnungsgemäß durchgeführt worden und Einwirkungen auf das Hausdach aufgrund der Abstände und Einwirkungen auf das Kraftfahrzeug aufgrund der Anordnung der Garage mit Abstellplatz auf der anderen Seite des Gebäudes nicht erkennbar seien. Eine komplette Entfernung überragender Äste könne nicht stattfinden, weil dies den Lebenszyklus des Baums erheblich beeinträchtigte und gegebenenfalls zu seinem kompletten Absterben führte. Außerdem werde dadurch das gewünschte dörfliche Gesamterscheinungsbild der Straße erheblich beeinträchtigt. Die erforderlichen Rückschnitte nach Ablauf der Schonfrist würden aber vorgenommen werden.
6Mit Schreiben unter anderem des Klägers vom 17.12.2014 beantragten insgesamt fünf Personen die Entfernung der drei Straßenbäume vor den Grundstücken L. -P. 0, 0 und 0a auf eigene Kosten mit dem Angebot, an anderer Stelle insgesamt drei neue Bäume zu pflanzen. Die Pflege der Bäume sei durch die Beklagte vernachlässigt bzw. überhaupt nicht durchgeführt worden, was in den letzten Jahren zahlreiche Schäden, Verunreinigungen, Behinderungen und Gesetzesverstöße nach sich gezogen habe. Von den Linden gingen in den Sommermonaten erhebliche Verunreinigungen der Hausdächer, Fassadenfenster, gepflasterten Flächen und Kraftfahrzeuge der Grundstückseigentümer aus. Diese über Jahre verursachten Verunreinigungen hätten nun bleibende Schäden und Folgeschäden an der Bedachung der Häuser und den gepflasterten Flächen hinterlassen. Zudem schädige das Wurzelwerk der Bäume die Grundstücke, die gepflasterten Flächen und die öffentliche Straße.
7Mit Schreiben vom 24.2.2015 lehnte die Beklagte den Antrag unter Hinweis auf das städtebauliche Gesamtbild, jährliche und zuletzt 2014 durchgeführte Baumkontrollen, Maßnahmen zur Baumpflege mit Rückschnitten im Herbst/Winter 2012/2013 und zumutbare Beeinträchtigungen durch die Baumimmissionen ab.
8Mit seiner am 27.2.2015 erhobenen Klage wiederholt der Kläger sein bisheriges Vorbringen und trägt darüber hinaus vor: Die Äste seien vor dem Austritt im Frühjahr ca. 2 m vom Hausdach entfernt. Nach § 41 Abs. 1 Nr. 1 Nachbarschaftsgesetz NRW müsste der Baum aber einen Abstand von 4 m zur Grundstücksgrenze einhalten. Da der von dem Baum ausgehende Honigtau auf den Ziegeln und dem Schiefer der Dächer kleben bleibe und sich nicht mehr auflöse, bildeten sich nach einiger Zeit Flechten bzw. Algen, die die Oberflächenversiegelung der Dachziegel bzw. des Schiefers zerstörten, wovon die kompletten Dachziegel und Schieferdächer betroffen seien. Das gelte auch für die Flechten auf dem Pflaster. An zwei der vom Kläger verkauften Kraftfahrzeuge habe eine spezielle Reinigung und Aufbereitung des Lacks durchgeführt werden müssen. Der Honigtau werde durch den Wind auf seinem gesamten Grundstück verteilt. Es werde angeregt, ein gerichtliches Sachverständigengutachten zur Frage einzuholen, dass durch die Ausscheidungen der auf dem streitgegenständlichen Baum befindlichen Blattläuse eine Zerstörung der Dachziegel und des Dachschiefers des klägerischen Hauses erfolge. Außer diesen Schäden verursache der Baum auch durch sein Wurzelwerk Schäden am klägerischen Grundstück und an den gepflasterten Flächen. Trotz seiner aus § 32 StrWG NRW folgenden Duldungspflicht habe der Kläger gemäß der obergerichtlichen Rechtsprechung einen Anspruch auf Beseitigung des Baums, weil dieser durch seine Höhe und seinen Umfang zu ernsthaften, nicht anderweitig behebbaren Schäden an seinem Grundstück führe. Diesbezüglich werde die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeregt. Er verlange erst jetzt die Beseitigung des Baums, weil die Schäden erst jetzt stark seien. Er teile gemäß § 32 Abs. 2 StrWG NRW mit, die in sein Grundstück hineinragenden Wurzeln des Baums eigenständig zu entfernen. Die Überlebensfähigkeit des Baums sei nicht sein Problem.
9Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung die Anträge gestellt, Beweis zu erheben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens und durch Ortsbesichtigung zu seinem Vortrag
101. dass die Pflege des streitgegenständlichen Baums nach der Pflanzung vernachlässigt bzw. unterlassen worden ist,
112. der streitgegenständliche Baum ist nicht jährlich kontrolliert und die erforderlichen Maßnahmen zur Pflege und Unterhaltung sind nicht stets ordnungsgemäß durchgeführt worden,
123. der streitgegenständliche Baum steht mit seinem Stamm 1,20 m von der Grundstücksgrenze und 5,50 m von der Hausecke entfernt,
134. die Äste des streitgegenständlichen Baums sind ca. 2 m vom Dach des Wohnhauses des Klägers entfernt,
145. dass die Absonderung von Honigtau auf den Ziegeln des Hausdachs des Klägers sowie auf dem Schiefer des Erkers des Wohnhauses des Klägers kleben bleibt und sich nicht mehr auflöst,
156. sich nach einiger Zeit Flechten/Algen auf den Ziegeln des Dachs und dem Schiefer des Erkers bilden, die die Oberflächen/Versiegelung der Dachziegel und des Schiefers zerstören,
167. dass sich Flechten auf dem Pflaster der Einfahrt des Klägers befinden und diese die Einfahrt zerstören,
178. dass der Befall des streitgegenständlichen Baums mit Blattläusen und der von diesen verursachte Honigtau keine natürliche Lebensäußerung des streitgegenständlichen Baums ist,
189. dass die Entfernung des streitgegenständlichen Baums zu einer spürbaren Besserung der Immissionssituation führt,
1910. dass die Entfernung der auf dem Grundstück des Klägers überhängenden Äste des streitgegenständlichen Baums zu einer spürbaren Besserung der Immissionssituation führen wird,
2011. dass das Abschneiden sämtlicher auf das Grundstück des Klägers überhängenden Äste des streitgegenständlichen Baums an der Grundstücksgrenze nicht zum Absterben des streitgegenständlichen Baums führt.
21Nach Ablehnung der Beweisanträge beantragt der Kläger,
221. die Beklagte zu verurteilen, den vor seinem Grundstück L. -P. 0, 00000 T. stehenden Baum zu entfernen,
23hilfsweise
24a) die Beklagte zu verurteilen, die in dieses Grundstück hineinragenden Äste dieses Baums vollständig zu beseitigen und
25b) die Beklagte zu verurteilen, die in dieses Grundstück hineingewachsenen Wurzeln dieses Baums vollständig zu beseitigen,
262. die Beklagte zu verurteilen, die durch den Baum entstandenen Schäden auf ihre Kosten zu beseitigen,
27hilfsweise
28die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine monatliche finanzielle Entschädigung für die Reinigungsarbeiten zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.
29Die Beklagte beantragt,
30die Klage abzuweisen.
31Zur Begründung wiederholt sie ihre bisherigen Ausführungen und trägt darüber hinaus vor: Der Beklagten seien die vom Kläger unsubstantiiert geschilderten Schäden nicht bekannt. Beeinträchtigungen habe der Kläger gemäß § 32 Abs. 2 StrWG NRW zu dulden. Die Duldungspflicht ende nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen erst, wenn die Pflanzung im Laufe der Zeit aufgrund natürlichen Wuchses einen Umfang erreicht habe, der entweder zu ernsthaften, nicht anderweitig behebbaren Schäden an privaten Nachbargrundstücken führe bzw. solche Schäden hinreichend konkret zu befürchten seien oder aber die Nutzung dieser Grundstücke in einem unter keinem vernünftigen Gesichtspunkt mehr zumutbaren Maß beeinträchtigt werde. Solche Schäden und Beeinträchtigungen des klägerischen Grundstücks lägen jedoch weder vor noch seien solche in absehbarer Zukunft ernsthaft zu befürchten. Beeinträchtigungen durch den Honigtau seien sozialadäquat, zumal sich dieser in der Regel mit warmem Wasser abwaschen lasse. Die nach dem Nachbarschaftsgesetz NRW vorgeschriebenen Mindestabstände seien eingehalten. Außerdem sei danach wegen des langen seit der Pflanzung abgelaufenen Zeitraums ein Beseitigungsanspruch ausgeschlossen. Die in Rede stehende Linde sei bereits im Lageplan der im November 1998 erteilten Baugenehmigung für das klägerische Hauses verzeichnet gewesen. Unter Hinweis auf verschiedene Gerichtsentscheidungen weist die Beklagte darauf hin, dass sie bei Schäden aufgrund eines Abschneidens der Äste bzw. Wurzeln des Baums durch den Kläger diesen dafür in Anspruch nehmen werde.
32E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
33Die zulässige Leistungsklage ist nicht begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte zunächst keinen Anspruch auf Entfernung des vor seinem Grundstück stehenden Baums. Das Nachbarrechtsgesetz Nordrhein-Westfalen (NachbG NRW) ist entgegen der Meinung des Klägers nicht einschlägig, weil nach § 45 Abs. 1 Buchstabe b) NachbG NRW u.a. die Pflanzabstandvorschrift des § 41 NachbG NRW für Anpflanzungen auf öffentlichen Verkehrsflächen nicht gilt und gemäß § 49 Abs. 2 NachbG NRW öffentlich-rechtliche Vorschriften unberührt bleiben. Danach ist allein das öffentlich-rechtliche Straßen- und Wegegesetz Nordrhein-Westfalen (StrWG NRW) einschlägig. Wie beide Beteiligte zutreffend ausgeführt haben, hat das
34OVG NRW, Urteil vom 21.9.1999 - 23 A 875/97 -, NWVBl. 2000, 142,
35ausgeführt, dass die aus § 32 Abs. 2 Satz 1 StrWG NRW folgende Duldungspflicht bezüglich der Einwirkungen von auf öffentlichem Straßengrund erfolgten Pflanzungen mit der Folge eines auf Beseitigung gerichteten Folgenbeseitigungsanspruchs erst in besonderen Ausnahmesituationen enden, die dann vorliegen dürften, wenn die Bepflanzung im Laufe der Zeit aufgrund natürlichen Wuchses einen Umfang erreicht hat, der entweder zu ernsthaften, nicht anderweitig behebbaren Schäden an privaten Nachbargrundstücken führt bzw. solche Schäden hinreichend konkret zu befürchten sind oder aber die Nutzung dieser Grundstücke in einem unter keinem vernünftigen Gesichtspunkt mehr zumutbaren Maße beeinträchtigt wird.
36Das ist hier aber nicht der Fall. Der Kläger hat bereits nicht bestimmt und jedenfalls nicht (etwa mittels detaillierter Beschreibung bzw. Nahaufnahmen) hinreichend substantiiert vorgetragen, dass und in wie weit auf Honigtau zurückzuführende Schäden an den Dachziegeln oder dem Dachschiefer seines Hauses bereits eingetreten sind. Seine darauf gerichteten Beweisanträge 6 und 7 waren deshalb als unzulässiger Ausforschungsbeweis abzulehnen. Diesen Beweisanträgen des Klägers war außerdem auch mangels Rechtserheblichkeit nicht weiter nachzugehen. Das selbe gilt auch, wenn sich die Beweisanträge 6 und 7 auf wegen Honigtaus zu befürchtende, also künftige Schäden richten. Denn selbst wenn die klebrigen Absonderungen selbst zu einer Zerstörung der Dachziegel bzw. des Dachschiefers führten oder Moosen, Flechten oder Algen erstmals einen Haftgrund böten und diese zu einer Zerstörung der Dachziegel bzw. des Dachschiefers führten, wären solche Schäden i. S. d. zitierten Rechtsprechung „anderweitig behebbar“ bzw. anderweitig behebbar gewesen, indem solche klebrigen Absonderungen jeweils nach Beendigung der Zeit, in der sie stattfinden, mit – gegebenenfalls warmem – Wasser entfernt werden bzw. entfernt worden wären. Dem Gericht ist bewusst, dass solche Arbeiten, wenn sie erforderlich sein sollten, aufwändig und lästig sind, aber auch, dass die auf öffentlichem Straßengrund gepflanzte Linde in dieser Hinsicht eine Vorbelastung der Gegend darstellt, in der der Kläger gebaut hat. Diese Ausführungen gelten erst recht für die noch einfacher zu bewerkstelligende Reinigung gepflasteter Flächen und der Oberflächen abgestellter Kraftfahrzeuge. Die von Verschmutzungen und Substanzbeeinträchtigungen rechtlich zu unterscheidende Nutzung des Grundstücks ist nach allem sogar kaum beeinträchtigt.
37Hat der Kläger danach die (letztlich) vom Baum ausgehenden Immissionen gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 StrWG NRW zu dulden, hat er unter diesem Gesichtspunkt auch keinen Anspruch auf Beseitigung der in sein Grundstück hineinragenden Äste und erst recht nicht der Wurzeln des auf dem Straßenland stehenden Baums und ist ein Anspruch auf Aufwandsentschädigung ausgeschlossen. Gibt es danach schon keinen rechtswidrigen Zustand, scheidet ferner ein Anspruch auf Schadensersatz aus. Abgesehen davon und dem Umstand, dass der Kläger auch jenseits einer subjektiv empfundenen Belästigung liegende konkrete anderweitige, nicht durch Honigtau verursachte Beeinträchtigungen durch auf sein Grundstück überhängende Äste oder in dieses Grundstück hineinragende Wurzeln des Straßenbaums nicht konkret und substantiiert geltend gemacht hat, kann der Grundstückseigentümer auf der Grundlage des § 32 Abs. 2 StrWG NRW bereits von vornherein von der Straßenbaubehörde weder verlangen, dass diese die Äste oder Wurzeln eines Straßenbaums selbst beschneidet, noch steht ihm nach öffentlichem Recht ein Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen für einen selbst durchgeführten Rückschnitt zu.
38Vgl. OVG NRW, Urteil vom 21.9.1999 - 23 A 875/97 - a. a. O.
39Das Gericht weist darauf hin, dass die vom Kläger angekündigte Entfernung von Wurzeln des Straßenbaums nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist, aber nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 910 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch erfolgen darf.
40Da die Beweisanträge 1 bis 5 und 8 bis 11 aus diesen materiellrechtlichen Gründen unerheblich waren, waren sie abzulehnen.
41Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke, auf denen sich jeweils unmittelbar aneinander grenzende Gebäude der als "geschütztes Kulturdenkmal" ausgewiesenen Burg A. in B. H. befinden. Ursprünglich waren die Kläger Eigentümer der gesamten Anlage. Im Jahr 1995 wurde das Grundstück auf Veranlassung der Kläger geteilt. Im darauf folgenden Jahr übertrugen sie eines der neu entstandenen Flurstücke auf ihre Tochter und ihren Schwiegersohn, die dieses mit notariell beurkundetem Vertrag vom 4. März 1998 an die Beklagten verkauften. Die Kläger bewohnen auf ihrem
Grundstück weiterhin das Haupthaus der Burganlage, die Beklagten einen auf ihrem Grundstück stehenden niedrigeren Anbau. Die Beklagten beabsichtigen, auf dem Dach ihres Gebäudes direkt vor der angrenzenden Wand des Hauses der Kläger einen Wintergarten zu errichten. Die dafür erforderliche Brandmauer würde zwei Fenster des Hauses der Kläger verschließen. Die Baubehörde hat das Vorhaben der Beklagten genehmigt ; der von den Klägern dagegen eingelegte Widerspruch ist zurückgewiesen worden. Das von ihnen angestrengte Verwaltungsgerichtsverfahren ist noch nicht abgeschlossen.
Die Kläger verlangen von den Beklagten die Unterlassung der geplanten Baumaßnahme. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger ist erfolglos geblieben. Mit der Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, verfolgen sie ihren Unterlassungsanspruch weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist zugunsten der Kläger kein Lichtrecht gemäß § 34 Abs. 2 NRG Rheinland-Pfalz entstanden, weil die Beklagten nicht schriftlich in den Einbau der Fenster eingewilligt haben; nur wenn sie die Einwilligung erteilt hätten, wäre es ihnen verwehrt, den Fenstern das Licht zu nehmen. Im Zeitpunkt des Fenstereinbaus habe erkennbar kein Fall des § 34 NRG Rheinland-Pfalz vorgelegen, da das Grundstück damals ungeteilt und somit eine Grenze nicht existent gewesen sei. Auch durch die Grundstücksteilung sei keine konkludente Einräumung eines Fensterrechts erfolgt
und damit im Gegenzug kein Lichtrecht entstanden; eine entsprechende schuldrechtliche "Fensterabrede" sei nicht erkennbar. Den Klägern stehe auch kein Anspruch aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis zu. Innerhalb der Grenzen seines Grundstücks dürfe jedermann grundsätzlich mit seinem Eigentum nach Belieben verfahren. Die gegenseitigen Rechte und Pflichten benachbarter Grundstückseigentümer folgten aus den gesetzlichen Bestimmungen des Nachbarrechts; sie hätten dort eine ins einzelne gehende Sonderregelung erfahren. § 242 BGB habe demgegenüber für das nachbarliche Zusammenleben hauptsächlich einschränkende und ausgleichende Bedeutung. Seine Anwendung beschränke sich auf krasse Ausnahmefälle. Für einen derartigen - über die landesgesetzliche Regelung des § 34 NRG Rheinland-Pfalz hinausgehenden - zwingenden billigen Ausgleich der widerstreitenden Interessen fehle es an hinreichenden Anhaltspunkten.
Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
II.
1. Zutreffend nimmt das Berufungsgericht allerdings an, daß den Klägern kein Lichtrecht nach § 34 Abs. 2 NRG Rheinland-Pfalz zusteht, kraft dessen die Beklagten verpflichtet sind, mit der beabsichtigten Errichtung des Wintergartens einen Abstand von 2 m von den Fenstern in dem Gebäude der Kläger einzuhalten. Es fehlt an der nach § 34 Abs. 1, Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 1 NRG Rheinland-Pfalz erforderlichen schriftlichen Einwilligung der Beklagten in den Einbau der Fenster. Entgegen der Ansicht der Revision macht die von den Klägern veranlaßte Grundstücksteilung diese Einwilligung nicht entbehrlich. Es
liegt auf der Hand, daß für den Einbau der Fenster, der spätestens Anfang des 20. Jahrhunderts erfolgte, keine Einwilligung im Sinne des § 34 Abs. 1 NRG Rheinland-Pfalz erforderlich war. Im Zeitpunkt der Grundstücksteilung im Jahr 1995 konnte die Einwilligung ebensowenig erteilt werden wie bei den späteren Veräußerungen des nunmehr den Beklagten gehörenden Grundstücks, weil da die Fenster bereits vorhanden waren, die Einwilligung jedoch vor dem Anbringen von Fenstern erteilt werden muß. Das ergibt sich bereits aus der Legaldefinition des Begriffs "Einwilligung" in § 183 BGB als vorherige Zustimmung; außerdem gestattet § 34 Abs. 1 NRG Rheinland-Pfalz das Anbringen von Fenstern unter dort näher beschriebenen Voraussetzungen nur dann, wenn der Nachbar seine Einwilligung erteilt hat. Ist somit hier die Einwilligung eines Nachbarn nicht möglich gewesen, konnte für die Kläger kein Lichtrecht nach § 34 Abs. 2 S. 1 NRG Rheinland-Pfalz entstehen.
Für die Kläger ist auch kein Lichtrecht nach § 36 NRG Rheinland-Pfalz entstanden. Nach dieser Vorschrift ist der Anspruch auf Beseitigung eines Fensters, das einen geringeren als den in § 34 Abs. 1 NRG Rheinland-Pfalz vorgeschriebenen Abstand einhält, ausgeschlossen, wenn der Nachbar nicht innerhalb von zwei Jahren nach dem Anbringen des Fensters Klage auf Beseitigung erhoben hat. Das begründet lediglich eine Duldungspflicht des Nachbarn.
2. Zu Recht versagt das Berufungsgericht den Klägern auch einen Unterlassungsanspruch nach §§ 906 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB.
a) Eine unmittelbare Anwendung dieser Bestimmungen scheidet aus.
aa) Die Errichtung des Wintergartens an der vorgesehenen Stelle hätte für die Kläger zwar negative Folgen. Zum einen würde dem Raum, in welchem sich die durch die Brandmauer verschlossenen Fenster befinden, das Licht teilweise entzogen; zum anderen wäre den Klägern der Ausblick aus den Fenstern versperrt. Aber solche negativen Einwirkungen sind keine Einwirkungen im Sinne des § 906 Abs. 1 BGB; hierunter sind nur positiv die Grundstücksgrenze überschreitende, sinnlich wahrnehmbare Wirkungen zu verstehen (Senat, BGHZ 88, 344, 345 f.; 113, 384, 386; Urt. v. 12. Juni 1992, V ZR 106/91, WM 1992, 1669, 1671).
bb) Ebenfalls nicht als Eigentumsbeeinträchtigung abwehrbar sind ideelle Einwirkungen, die durch Handlungen auf dem eigenen Grundstück hervorgerufen werden, welche das ästhetische Empfinden des Nachbarn verletzen und/oder den Verkehrswert des Nachbargrundstücks mindern (Senat, BGHZ 51, 396, 398 f.; 54, 60 f.; 95, 307, 310). Deshalb können die Kläger auch unter dem Gesichtspunkt einer ästhetischen Beeinträchtigung des Gesamtbilds der Burganlage die Unterlassung der Errichtung des Wintergartens nicht verlangen.
b) Eine analoge Anwendung der §§ 906, 1004 BGB auf den vorliegenden Sachverhalt scheidet ebenfalls aus. Das Gesetz enthält hinsichtlich der sog. negativen Einwirkungen keine Lücke, sondern beläßt es insoweit bewußt bei der Freiheit des Grundstückseigentümers, seine Sache im Rahmen der Gesetze nach Belieben zu benutzen (§ 903 BGB), solange er die Grenzen zu dem Nachbargrundstück nicht durch das Zuführen unwägbarer Stoffe überschreitet (Senat, BGHZ 88, 344, 348). Daran ändert nichts die von der Revision hervorgehobene Wertminderung, welches das Grundstück der Kläger durch die Er-
richtung des Wintergartens erleiden würde. Dieser Gedanke der Beeinträchtigung spielt hier keine Rolle. Für die ideellen Einwirkungen gilt nichts anderes.
3. Entgegen der Auffassung der Revision haben die Kläger keinen Unterlassungsanspruch nach § 907 Abs. 1 Satz 1 BGB. Nach dieser Vorschrift kann ein Grundstückseigentümer nur die Errichtung solcher Anlagen verhindern , die in sinnlich wahrnehmbarer Weise über die Grundstücksgrenze auf das Nachbargrundstück unmittelbar positiv einwirken können; dagegen müssen Anlagen, die sich auf der Grundfläche des Grundstücks, auf dem sie errichtet werden sollen, halten und nicht unmittelbar und positiv in das Gebiet des Nachbargrundstücks hinübergreifen, sondern dieses nur negativ beeinträchtigen , geduldet werden (vgl. Senat, BGHZ 113, 384, 386). Dabei kommt es auch hier nicht darauf an, ob und in welchem Maß die negativen Einwirkungen zu einer Wertminderung des Nachbargrundstücks führen. Den Entzug von Licht und das Versperren der Aussicht durch das Zumauern der Fenster können die Kläger daher auch nach dieser Norm nicht verhindern. Soweit sie sich auf unzulässige Einwirkungen im Sinne der Vorschrift berufen, haben sie nicht ausreichend dargelegt, daß der Wintergarten eine Anlage ist, von der mit Sicherheit vorauszusehen ist, daß ihr Bestand oder ihre Benutzung eine unzulässige Einwirkung auf das Grundstück der Kläger zur Folge hätte. Ihre in der Klageschrift aufgestellte Behauptung, die von den Beklagten geplante Errichtung der Grenzwand könne zu erheblichen Schäden an der Giebelwand des Gebäudes der Kläger infolge des Eintritts von Feuchtigkeit führen, haben die Kläger in der Berufungsinstanz nicht wiederholt. Statt dessen haben sie dort behauptet, daß die beabsichtigte Bauausführung zu einer Substanzverletzung des Gebäudes der Kläger infolge bauphysikalischer und bautechnischer Nachteile führen könne , weil ernsthafte Bedenken bezüglich der Brandsicherheit und Funktion der
Brandwand bestünden. Darauf kommt es indes nicht an. Eine unzulässige Einwirkung im Sinne des § 907 Abs. 1 Satz 1 BGB ist nur dann mit Sicherheit zu erwarten, wenn sie die Folge des normalen Zustands und ordnungsmäßiger Benutzung der Anlage ist (Senat, BGHZ 51, 396, 399). Auf die Folgen eines eventuellen Brandfalls können sich die Kläger somit nicht mit Erfolg berufen.
4. Fehlerhaft verneint das Berufungsgericht jedoch einen Unterlassungsanspruch der Kläger nach den Grundsätzen des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (s. nur Urt. v. 31. Januar 2003, V ZR 143/02, NJW 2003, 1392 m. umfangr. Nachw.) haben die Rechte und Pflichten von Grundstücksnachbarn insbesondere durch die Vorschriften der §§ 905 ff. BGB und die Bestimmungen der Nachbarrechtsgesetze der Länder eine ins Einzelne gehende Sonderregelung erfahren. Auch auf sie ist allerdings der allgemeine Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) anzuwenden; daraus folgt für die Nachbarn eine Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme , deren Auswirkungen auf den konkreten Fall man unter dem Begriff des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses zusammenfaßt. Eine solche Pflicht ist zwar mit Rücksicht auf die nachbarrechtlichen Sonderregelungen eine Ausnahme und kann nur dann zur Anwendung kommen, wenn ein über die gesetzliche Regelung hinausgehender billiger Ausgleich der widerstreitenden Interessen dringend geboten erscheint. Wenn diese Voraussetzungen vorliegen, kann die Ausübung gewisser aus dem Eigentum fließender Rechte aber ganz oder teilweise unzulässig werden (Senat, BGHZ 113, 384, 389; 148, 261, 268).
b) So kann es auch hier sein. Die Grundstücke der Parteien sind 1995 im Wege der Parzellierung aus einem einheitlichen Gesamtgrundstück hervorgegangen. Die beiden Fenster in dem von den Klägern bewohnten Gebäude waren bereits vorher vorhanden, nämlich seit Beginn des 20. Jahrhunderts. Bei der Grundstücksteilung bestand für die Kläger kein Anlaß, dafür Sorge zu tragen , daß diese Fenster nicht zugebaut werden, weil die Kläger Eigentümer der beiden neu gebildeten Grundstücke waren. Auch bei dem Verkauf des einen Grundstücks an ihre Tochter und ihren Schwiegersohn stellte sich den Klägern im Hinblick auf die Fenster die Frage der Absicherung des vorhandenen Zustands durch eine schuldrechtliche Abrede mit den Käufern oder durch das Verlangen nach der Bestellung einer Dienstbarkeit nicht. Denn angesichts des Umstands, daß es sich bei den Gebäuden um eine als “geschütztes Kulturdenkmal“ ausgewiesene Burganlage handelt, brauchten sie nicht damit zu rechnen, daß die Käufer oder etwaige Rechtsnachfolger auf ihrem Grundstück bauliche Veränderungen vornehmen würden, die ein Zumauern von zwei Fenstern zur Folge haben. Umgekehrt konnten die Erwerber nicht damit rechnen , daß ihnen solche Veränderungen genehmigt werden würden.
c) Die beabsichtigte Errichtung des Wintergartens entsprechend der bisherigen Bauplanung hätte nach der Behauptung der Kläger im Berufungsrechtszug eine Wertminderung ihres Grundstücks zwischen 46.000 ! " # $% '& ( ) * $% + -,. / ) $0 61.000 mit wirtschaftlich zumutbaren Maßnahmen möglich, den Wintergarten entsprechend einer von den Klägern vorgelegten Alternativplanung so zu errichten, daß die Interessen beider Parteien ausreichend gewahrt würden, könnten die Kläger von den Beklagten nach § 242 BGB diese Rücksichtnahme verlangen. Auch wenn es keinen allgemeinen Rechtssatz gibt, daß ein Grundstücksei-
gentümer beim Bestehen verschiedener gleichwertiger Möglichkeiten für die Nutzung seines Grundstücks stets diejenige wählen muß, die seinen Nachbarn nicht schädigt, so ist doch nach den Umständen des Einzelfalls zu entscheiden , ob eine Einschränkung des an sich bestehenden Rechts des Eigentümers , sein Grundstück nach seinem Ermessen auszunutzen, ausnahmsweise mit Rücksicht auf die sonst den Nachbarn treffenden ungewöhnlich schweren Nachteile bejaht werden muß (Senat, Urt. v. 10. April 1953, V ZR 115/51, LM BGB § 903 Nr. 2). Daran ändert nichts der Umstand, daß die Kläger im Zusammenhang mit der Grundstücksteilung eine Vereinigungsbaulast bestellt haben, so daß die Bauwerke nach dem Bauplanungsrecht keinen Abstand von der Grundstücksgrenze einhalten müssen. Diese Baulast war nämlich wegen der vorhandenen Bebauung Voraussetzung für die Zulässigkeit der Teilung des Grundstücks; sie stand nach den Vorstellungen der Kläger jedoch nicht im Zusammenhang mit einer künftigen Grenzbebauung.
d) Das Berufungsgericht hat bisher die von den Klägern behauptete Möglichkeit einer den Beklagten zumutbaren und die Kläger begünstigenden Alternativplanung nicht berücksichtigt. Das wird es nachzuholen haben. Erst wenn sich ergeben sollte, daß sie in zumutbarer Weise nicht zu verwirklichen ist, eine die Nachteile für die Kläger vermeidende oder mildernde Rücksichtnahme der Beklagten bei der Ausübung ihrer Eigentümerbefugnisse also nicht möglich ist, kann ihnen der geplante Bau des Wintergartens nicht mehr verwehrt werden, zumal dem Raum, in welchem sich die beiden Fenster befinden, durch die Maßnahme nicht das gesamte Licht entzogen wird; denn er besitzt noch zwei weitere Fenster, die einen ausreichenden Lichteinfall gewährleisten.
III.
Nach alledem ist das Berufungsurteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit es die erforderlichen Feststellungen treffen kann.
Wenzel Tropf Klein Lemke Schmidt-Räntsch
(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann Wurzeln eines Baumes oder eines Strauches, die von einem Nachbargrundstück eingedrungen sind, abschneiden und behalten. Das Gleiche gilt von herüberragenden Zweigen, wenn der Eigentümer dem Besitzer des Nachbargrundstücks eine angemessene Frist zur Beseitigung bestimmt hat und die Beseitigung nicht innerhalb der Frist erfolgt.
(2) Dem Eigentümer steht dieses Recht nicht zu, wenn die Wurzeln oder die Zweige die Benutzung des Grundstücks nicht beeinträchtigen.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.