Verwaltungsgericht Magdeburg Urteil, 06. Nov. 2013 - 8 A 7/12

ECLI:ECLI:DE:VGMAGDE:2013:1106.8A7.12.0A
bei uns veröffentlicht am06.11.2013

Tatbestand

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Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit des Verfalls (§ 40 Abs. 1 Nr. 4 Disziplinargesetz Sachsen-Anhalt {DG LSA}) der im Rahmen einer vorläufigen Dienstenthebung nach § 38 Abs. 2 DG LSA einbehaltenen Dienstbezüge.

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Der Kläger war im Zeitraum vom 01.08.1997 bis zum 28.02.2011 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Universitätsprofessor für das Fachgebiet Augenheilkunde an der Medizinischen Fakultät der Beklagten ernannt gewesen. Mit Verfügung vom 30.07.2010 enthob die Beklagte den Kläger gemäß § 38 Abs. 1 DG LSA vorläufig des Dienstes und ordnete nach § 38 Abs. 2 DG LSA die Einbehaltung der Dienstbezüge ab dem 01.09.2010 zu 50 % an. Dem lagen disziplinarrechtliche Vorwürfe im Zusammenhang mit dem vom Kläger betriebenen Augen-Laserzentrum-A-Stadt (ALH) zugrunde, welches aufgrund eines Kooperationsvertrages mit der Beklagten als An-Institut geführt wurde. Aufgrund der dazu beantragten Kassenarztzulassung habe der Kläger Krankenversorgung in Konkurrenz zur Beklagten geleistet. Dazu habe er wahrheitswidrige Angaben gemacht.

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Das Verwaltungsgericht Magdeburg – Disziplinarkammer – hob mit Beschluss vom 11.11.2010 (8 B 15/10 MD; juris) die vorläufige Dienstenthebung und Gehaltskürzung wegen ernstlicher Zweifel auf. Auf die Beschwerde der Beklagten wies das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt – Disziplinarsenat – den Antrag des Klägers ab (Beschluss vom 28.01.2011; 10 M 7/10; juris), so dass die vorläufige Dienstenthebung und Gehaltskürzung rechtskräftig wurde. Am 28.02.2011stellte der Kläger einen Antrag auf Entlassung aus dem Beamtenverhältnis. Mit Urkunde vom 28.02.2011 wurde der Kläger mit Ablauf desselben Tages aus dem Beamtenverhältnis entlassen.

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Mit dem streitbefangenen Bescheid vom 11.07.2011 stellte die Beklagte das gegen den Kläger am 07.01.2009 eingeleitete und mit Verfügung vom 01.03.2010 ausgedehnte Disziplinarverfahren gemäß § 32 Abs. 2 Nr. 1 DG LSA mit Wirkung zum 01.03.2011 ein und ordnete unter Nr. 2. der Verfügung an, dass die nach § 38 Abs. 2 DG LSA einbehaltenen Dienstbezüge verfallen, da im Disziplinarverfahren auf die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt worden wäre (§ 40 Abs. 1 Nr. 4 DG LSA).

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Zur Begründung führt der Bescheid aus, dass auf der Grundlage der Ermittlungsergebnisse und nach eigener Aktenlage die gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe als bestätigt anzusehen seien. Der Kläger habe ein schweres Dienstvergehen begangen und dadurch das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren. Er habe mehrere schwere Dienstvergehen begangen. Zur Vermeidung unnötiger Doppelungen werde auf den Untersuchungsbericht als Bestandteil des Bescheides und ergänzend auf die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt in seinem Beschluss vom 28.01.2011 (10 M 7/10) Bezug genommen. Es handele sich a) um das Dienstvergehen im Zusammenhang mit der Beantragung der Kassenzulassung, b) das Dienstvergehen durch das Erbringen von Krankenversorgung (Leistungen der medizinischen Grundversorgung) im Augen-Laserzentrum und c) um die Nichtrückgabe des Kassenarztsitzes.

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Zu a) heißt es, dass durch die Zeugenaussagen und das bei der Sitzung erstellte Protokoll nachgewiesen sei, dass der Kläger in der Sitzung des Klinikumsvorstandes vom 22.11.2004 zu dem zu erwartenden Verhältnis von Tierversuchen (Versuche an Schweineaugen) zu Patientenbehandlungen in der Augen-Laserzentrum GmbH ein Verhältnis von 80 % zu 20 % angegeben habe, obwohl dies von Anfang an in diesem Verhältnis so nicht beabsichtigt gewesen sei. Zu b) wird ausgeführt, dass der Kläger am Augen-Laserzentrum routinemäßige Krankenversorgungsleistungen in Gestalt kassenärztlicher Leistungen erbracht habe, welche nicht im Zusammenhang mit einem wissenschaftlichen Forschungsprojekt gestanden hätten. Es habe zu seinen Dienstpflichten gehört, seinem Dienstherrn die volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen und sich dem anvertrauten Hauptamt mit voller Hingabe zu widmen. Er habe ein Konkurrenzunternehmen aufgebaut. Dies ergebe sich aus den eidesstattlichen Versicherungen des Herrn P. vom 06.10.2010, der Frau E. vom 11.10.2010 sowie der Frau B. vom 20.10.2010, dem Aktenvermerk des Dekans der Medizinischen Fakultät vom 08.09.2010, den Schreiben des Augen-Laserzentrums und des Herrn S. als Präsidenten des Landessportbundes Sachsen-Anhalt e.V. vom 24.08.2009 sowie der Homepage des sogenannten Makularzentrums A-Stadt und den diesbezüglichen, vom Kläger unterzeichneten Rundschreiben vom Juli 2010 sowie der Anzeige in den „Sonntagsnachrichten“ vom 30.05.2010. Der Verstoß zu c) wird damit begründet, dass der Kläger seiner Pflicht, den Teilkassenarztsitz zurückzugeben, nicht nachgekommen sei, obwohl er hierzu nach § 76 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Landesbeamtengesetz Sachsen-Anhalt (LBG) verpflichtet gewesen sei.

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Demnach sei festzustellen, dass die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis gerechtfertigt gewesen wäre, weshalb die einbehaltenen Dienstbezüge nach § 40 Abs. 1 Nr. 4 DG LSA verfallen.

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Den dagegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.03.2012 unter der Begründung des Ausgangsbescheides als unbegründet zurück.

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Mit der fristgerecht erhobenen Klage wendet sich der Kläger weiter gegen den Verfall seiner Dienstbezüge und ist der Auffassung, dass bei Fortgang des Disziplinarverfahrens nicht auf eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt worden wäre. Denn von einem für die Entfernung notwendigen endgültigen Verlust des Vertrauensverhältnisses des Dienstherrn und/oder der Allgemeinheit könne nicht ausgegangen werden. Während der Disziplinarermittlungen seien die Persönlichkeit des Klägers und insbesondere seine Verdienste für die Beklagte nicht hinreichend berücksichtigt worden. Durch die Tätigkeit und das Engagement des Klägers sei das wissenschaftliche Renommee der Beklagten und des Universitätsklinikums auf dem Gebiet der Augenheilkunde erheblich gesteigert worden. Der Kläger wiederholt und bezieht sich im Wesentlichen auf sein Vorbringen im vorläufigen Rechtsschutzverfahren bezüglich der vorläufigen Dienstenthebung und der Gehaltskürzung.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 11.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.03.2012 insoweit aufzuheben, als dass die nach § 38 Abs. 2 DG LSA einbehaltenen Bezüge verfallen

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sowie

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die Zuziehung des Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen

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und verteidigt die streitbefangene Verfügung und die darin geäußerte Rechtsansicht. Auch sie bezieht sich im Wesentlichen auf das Vorbringen in den vorangegangenen gerichtlichen Eilverfahren. Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 28.01.2011 (10 M 7/10) sei davon auszugehen, dass der Kläger fortgesetzt zentrale Dienstpflichten verletzt und damit ein schweres Dienstvergehen begangen habe.

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Hinsichtlich der Zuständigkeit zum Erlass des Bescheides wird ausgeführt, dass die Ministerin, Frau Prof. Dr. B. W. nach § 35 Abs. 1 Satz 1 DG LSA vor Erlass der Einstellungsverfügung vom 11.07.2011 am 10.07.2011 ihr Einverständnis erklärt habe.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den der Verfahren 8 B 15/10 MD; 10 M 7/10 und den beigezogenen Verwaltungs- und Disziplinarvorgängen verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist begründet. Der von der Beklagten in dem streitbefangenen Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides festgestellte Verfall der einbehaltenen Dienstbezüge ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 3 DG LSA; § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Denn die diesbezüglichen rechtlichen Voraussetzungen liegen nicht vor.

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I.) Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Die Beklagte ist nach § 40 Abs. 1 Nr. 4 DG LSA die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde (§ 49 Abs. 1 Satz 3, § 34 Abs. 2 Satz 2 DG LSA i. V. m. Nr. I. 4. b) des RdErl. des MK v. 11.11.2008 – 13.14-03000).

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II.) Zu Unrecht geht die Beklagte davon aus, dass die zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung bekannten Erkenntnisse und Beweismittel den Schluss rechtfertigten, dass im Fortgang des Disziplinarverfahrens auf die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt worden wäre.

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1.) § 40 Abs. 1 Nr. 4 DG LSA bestimmt, dass die nach § 38 Abs. 2 und 3 DG LSA (hier Abs. 2) einbehaltenen Bezüge verfallen, wenn das Disziplinarverfahren aus den Gründen des § 32 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 DG LSA eingestellt worden ist und die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde festgestellt hat, dass die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis gerechtfertigt gewesen wäre. Die Verfallsregelung hat nicht den Charakter einer disziplinaren Maßregelung oder einer Strafe. Sie soll vielmehr dem Grundsatz Rechnung tragen, dass der suspendierte Beamte bei im Fortgang des Verfahrens tatsächlich festgestellter Bestätigung der schweren disziplinaren Vorwürfe, seinen Anspruch auf Alimentation verliert wenn er aus dem Dienst zu entfernen wäre.

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a.) Nach einhelliger Auffassung in der Kommentarliteratur ist die Feststellung über den Ausgang des Disziplinarverfahrens nach den Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung über die Einstellung des Disziplinarverfahrens und des Verfalls der Dienstbezüge zu treffen. Zutreffender dürfte dieser Prüfungszeitpunkt mit dem Zeitpunkt der Entlassung aus dem Beamtenverhältnis zusammentreffen. Denn die Entlassung stellt den Grund für den Verlust der Disziplinargewalt des Dienstherrn und der somit notwendigen Einstellung des Disziplinarverfahrens dar (vgl. § 1 Abs. 1 DG LSA). Dies mag hier aber offen bleiben. Denn entscheidend ist, dass zu allen Zeitpunkten die notwendigen Erkenntnisse und die rechtlichen Voraussetzungen für die Feststellung des Verfalls der Dienstbezüge nicht vorlagen.

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Die Feststellung nach § 40 Abs. 1 Nr. 4 DG LSA setzt eine ausreichende Erkenntnis- und Beweisgrundlage voraus, die es der Behörde ermöglicht, zu diesem Zeitpunkt die Dienstentfernung zuverlässig zu beurteilen. Denn mangels eines bestehenden aktiven Beamten- oder Ruhestandsverhältnisses darf das Disziplinarverfahren nicht weiter betrieben werden. Weitere Ermittlungen dürfen mangels des sachlichen und persönlichen Anwendungsbereiches des Disziplinargesetzes nicht (mehr) angestellt werden. Nachträglich bekannt gewordene Umstände sind nicht verwertbar. Selbst ein nachträgliches Geständnis des Beamten dürfte nicht verwendet werden, wenn nicht schon aufgrund des bisherigen Ermittlungsergebnisses die Feststellung der Entfernung gerechtfertigt wäre. Wegen ihrer großen Bedeutung für die Ehre und die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beamten muss die Feststellung selbst sicher möglich sein. Reichen die bisherigen Ermittlungsergebnisse nicht aus oder bleiben auch nur Zweifel, darf die Feststellung nicht getroffen werden. Insoweit gilt auch hier der Grundsatz „in dubio pro reo“ (vgl. insgesamt: Bayerischer VGH, Beschluss v. 07.05.2013, 16a D 10.1558; juris; mit Verweis auf Begründung zu Art. 41 BayDG, LT-Drs. 15/4076 S. 43; Claussen, Janzen; BDO, 8. Aufl. 1995, § 96 Rz. 3; Weiss; Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, Teil 6, BDG; M § 40 Rz. 36; Bauschke/Weber, BDG, Kommentar, 2003, § 40 Rz. 5; Gansen, Disziplinarrecht in Bund und Ländern, Kommentar, Oktober 2012, § 40 Rz. 2; Urban/Wittkowski, BDG, Kommentar 2011, § 40 Rz. 13; Dau, WDG, Kommentar 2. Aufl. 1992, § 121 Rz. 6; Schütz/Schmiemann; Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, 4. Aufl. April 2012, § 40 Rz. 14; Zängl, Bayerisches Disziplinarrecht, Art. 41, Rz. 13). Dies gilt auch für das gerichtliche Verfahren. Daher scheidet auch eine Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO oder deren analoge Übertragung auf das Disziplinarrecht wegen der Einstellung des Disziplinarverfahrens aus (vgl. BVerwG, Beschluss v. 23.04.2001; 1 DB 14.01; Beschluss v. 16.02.2000, 1 DB 21.99; Beschluss v. 06.06.1996, 1 DB 4.96; Beschluss v. 07.12.1995, 1 DB 28.94; alle juris).

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b.) Hintergrund dieser engen Auslegung ist die systematische Stellung der Verfallsregelung innerhalb der disziplinarrechtlichen Bestimmungen der Länder und des Bundes (§ 40 DG LSA; § 40 BDG sowie deren Vorgängerregelungen). § 40 DG LSA bestimmt, dass einbehaltene Dienstbezüge dann verfallen, wenn im Fortgang des Disziplinarverfahrens – später und nach Erhebung der Disziplinarklage vor dem Disziplinargericht – die Entfernung ausgesprochen (§ 40 Abs. 1 Nr. 1 DG LSA) oder in einem Strafverfahren auf eine Freiheitsstrafe über einem Jahr erkannt wird (§ 40 Abs. 1 Nr. 2 DG LSA), sodass kraft Gesetztes die Entfernung ansteht oder ein weiteres späteres Disziplinarverfahren mit der Entfernung endet (§ 40 Abs. 1 Nr. 3 DG LSA). Im Umkehrschluss der Regelung bedeutet dies, dass der Beamte ansonsten, also auch bei Ausspruch einer milderen Maßnahme die einbehaltenen Bezüge nachgezahlt bekommt (§ 40 Abs. 2 Satz 1 DG LSA).

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Anders als diese, an feststehende Rechtstatsachen anknüpfenden Regelungen des Verfalls aufgrund disziplinarrichterlicher oder gesetzlicher Beendigung des Beamtenverhältnisses, bestimmt § 40 Abs. 1 Nr. 4 DG LSA, dass bei einem „freiwilligen“ Ausscheiden des Beamten aus dem Beamtenverhältnis geprüft werden muss, ob „die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis gerechtfertigt gewesen wäre.“ Demnach fehlt es in diesem Fall an einer verbindlichen (rechtskräftigen) disziplinar- oder strafrichterlichen Entscheidung, die zur Beendigung des Dienstverhältnisses führt. Die Feststellungsprüfung der – späteren – Entfernung wird - disziplinarrechtlich untypisch - in die Hände der „für die Erhebung der Disziplinarklage zuständigen Behörde“ gelegt. Wegen der besonderen verfassungsrechtlichen Bedeutung der disziplinarrechtlichen Entscheidung über die Entfernung des Beamten und damit der Beendigung des auf Lebenszeit angelegten Beamtenverhältnisses gegen den Willen des Beamten, obliegt diese Entscheidung nach den Disziplinargesetzen der Länder und des Bundes generell der richterlichen Zuständigkeit (vgl. §§ 34, 45, 49, 57 DG LSA). Denn die Entfernung ist die schwerste Disziplinarmaßnahme gegenüber einem aktiven Beamten und setzt voraus, dass der Beamte sich durch sein Fehlverhalten untragbar gemacht hat und ein Rest an Vertrauen in die künftige ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung nicht mehr besteht. Dabei ist nicht die subjektive Einschätzung des jeweiligen Dienstvorgesetzten entscheidend, sondern die Frage, inwieweit der Dienstherr bei objektiver Gewichtung des Dienstvergehens auf der Basis der festgestellten belastenden und entlastenden Umstände noch darauf vertrauen kann, dass der Beamte in Zukunft seinen Dienstpflichten ordnungsgemäß nachkommen wird. Entscheidungsmaßstab ist insoweit, in welchem Umfang die Allgemeinheit dem Beamten noch Vertrauen in eine zukünftig pflichtgemäße Amtsausübung entgegenbringen würde. Dies unterliegt uneingeschränkter verwaltungsgerichtlicher Nachprüfung (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urteil v. 29.03.2012, 2 A 11.10 mit Verweis auf Urteile v. 20.10.2005, 2 C 12.04, v. 03.05.2007, 2 C 9.06 und v. 29.05.2008, 2 C 59.07; zuletzt: VG Magdeburg, Urteil v. 05.06.2013, 8 A 10/12; alle juris).

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Demnach muss auch die gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 4 DG LSA behördlich zu treffende Feststellungsprognose erkennbar und nachvollziehbar diese strengen Voraussetzungen des Ausspruchs der schwersten Disziplinarmaßnahme beachten.

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2.) Dem wird die Entscheidung der Beklagten nicht gerecht. Denn sie orientiert sich maßgeblich an den Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt (10 M 7/10; juris) in dem Beschwerdeverfahren zur vorläufigen Dienstenthebung. Sie verfällt dabei dem – verständlichen – Irrtum, dass eine obergerichtliche Entscheidung das Dienstvergehen bereits umfassend geklärt habe. Dies wird auch aus ihren Ausführungen in der mündlichen Verhandlung deutlich, wonach sie eine „Ungerechtigkeit“ darin sehe, dass das Hauptsacheverfahren aufgrund der „freiwilligen“ Entlassung aus dem Beamtenverhältnis abgeschnitten sei. Gleiches gilt im Übrigen, wenn der Beamte verstirbt. Es kommt nicht darauf an, warum der Beamte seinen „Dienst quittiert hat“, ob er also der Entfernung zuvor kam und nur in die Entlassung „flüchtete“. Die Motive eines Beamten, warum er den Dienst „quittiert“ und „freiwillig“ um seine Entlassung bittet, sind unbedeutend, weil zu vielschichtig. Der (frühere) Beamte wird auch nicht übergebührlich begünstigt. Denn er hat seinen beruflichen Status trotz noch nicht abgeschlossenen Disziplinarverfahrens aufgegeben. Deshalb sind bereits aus Gründen der Verfahrensvereinfachung keine weiteren Ermittlungen anzustellen (Bayerischer VGH, Beschluss v. 07.05.2013, 16a D 10.1558; juris). Darüber hinaus spricht auch die Tatsache der unterschiedlichen gerichtlichen Eilentscheidungen gegen die nach § 40 Abs. 1 Nr. 4 DG LSA vorzunehmende Feststellung, dass „die Entfernung gerechtfertigt gewesen wäre.“

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a.) Bei der Anordnung der Suspendierung und der Einbehaltung von Bezügen handelt es sich nicht um Disziplinarmaßnahmen (Hummel/Köhler/Mayer, BDG, 4. Aufl. 2009, § 38 Rz. 1; OVG LSA, B. v. 07.05.2010, 10 M 2/10; juris). Diese Entscheidung verfolgt eine andere Zielrichtung als die Verfallsregelung. Ihre Rechtfertigung ergibt sich aus dem funktionalen Bedürfnis, noch vor der endgültigen Klärung des Vorliegens eines Dienstvergehens und der abschließenden Entscheidung über die angemessene Maßregelung des Beamten eine den Verwaltungsaufgaben und dem Dienstbetrieb dienende vorübergehende Sicherungsregel zu treffen.

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Das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt hat in der Beschwerdeentscheidung (Beschluss v. 28.01.2011, 10 M 7/10; juris) zum gerichtlichen Prüfungsumfang nach § 61 Abs. 2 DG LSA bei der Entscheidung über die Suspendierung und Einbehaltung der Bezüge nach § 38 DG LSA ausgeführt:

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„Für die mit der Suspendierung verbundene Einbehaltung von Dienstbezügen gemäß § 38 Abs. 2 DG LSA ist es nicht erforderlich, dass die Verhängung der disziplinaren Höchstmaßnahmebereits sicher feststeht; vielmehr genügt es, dass aufgrund der gebotenen summarischen Prüfung des dem Beamten vorgeworfenen Sachverhalts überwiegend wahrscheinlich ist, dass gegen ihn die disziplinare Höchstmaßnahme verhängt wird (Köhler/Ratz, BDG, 3. Aufl., § 38 Rz. 1 unter Bezugnahme auf BVerwG, Beschl. v. 24.03.1999, 1 DB 20.98).“ (juris-Abdruck; Rz. 19 a. E.; Hervorhebungen vom Disziplinargericht).

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Die Entscheidung schließt mit den Ausführungen:

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„Die im Rahmen dieses Verfahrens vorzunehmende lediglich summarische Prüfung des derzeit bekannten Sachverhalts rechtfertigt die Feststellung, dass der Antragsteller zumindest mit einem hinreichenden Grad an Wahrscheinlichkeit (muss folgen: „die“) ihm in der streitgegenständlichen Suspendierungsverfügung vom 30. Juli 2010 zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen begangen hat; im Rahmen dieses Aussetzungsverfahrens ist es nicht erforderlich, dass die zur Last gelegten Dienstvergehen bereits (vollständig) nachgewiesen sind; dies kann dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.“ (juris-Abdruck; Rz. 37 a. A.; Hervorhebungen vom Disziplinargericht).

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Demnach lässt das Oberverwaltungsgericht keinen Zweifel daran, dass seine Ausführungen nur in dem summarischen Verfahren der vorläufigen Dienstenthebung und Bezügeeinbehaltung rechtliche Verbindlichkeit beanspruchen und die endgültige Entscheidung über das Verbleiben des Beamten im Dienst der Hauptsache, sprich der zu keinem Zeitpunkt anhängig gewesenen Disziplinarklage, vorbehalten bleibt.

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Hatte es demnach bei der Anordnung der Einbehaltung eines Teils der Bezüge ausgereicht, nur summarisch zu prognostizieren, ob die Höchstmaßnahme überwiegend wahrscheinlich ist, gehen verbleibende Zweifel und Unsicherheiten bezüglich der tatsächlichen Entscheidungsgrundlage bei der zu treffenden Feststellung, ob es zur Entfernung gekommen wäre, nicht zu Lasten des Betroffenen, so dass vom Rechtssatz „in dubio pro reo“ auszugehen ist. Musste der Betroffene die Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung und Gehaltskürzung hinnehmen, auch wenn Zweifel an der voraussichtlichen Höchstmaßnahme nicht gänzlich ausgeräumt waren, weil es sich nur um eine vorläufige Maßnahme handelte, hat die Entscheidung über den Verfall der Dienstbezüge im Blick, ob es zur Verhängung der Höchstmaßnahme gekommen wäre (Weiss; Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, Teil 6, BDG; M § 40 Rz. 36). Da mit dem Verfall, anders als bei der Einbehaltungsanordnung nach § 38 DG LSA, ein endgültiger Rechtsverlust eintritt, sind an die Prognoseentscheidungen noch strengere Anforderungen zu stellen als bei der Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung. Im Zweifel hat die Feststellung des Verfalls der Dienstbezüge zu unterbleiben.

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b.) Die nach wie vor bestehenden Zweifel erkennt die Beklagte nicht und legt ihrer rechtlichen Prüfung unbesehen das Ergebnis der vorläufigen und summarischen Prüfung des Oberverwaltungsgerichts und des Untersuchungsberichts der Ermittlungsführerin zugrunde.

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Dies ergibt sich bereits daraus, dass ihre vorläufige Dienstenthebung noch auf sieben Dienstpflichtverletzungen gestützt war, während sie in der nunmehrigen Entscheidung über den Verfall nur noch von drei Vorwürfen ausgeht, was erkennbar den Ausführungen des Oberverwaltungsgericht entspricht. Das Disziplinargericht hat bereits in seinem Beschluss vom 11.11.2010 (8 B 15/10; juris) ausgeführt, dass es der Beklagten nicht hinreichend gelungen ist, die dem Kläger vorzuwerfenden disziplinarrechtlich bedeutsamen Pflichtenverstöße und das sich daraus ableitende Dienstvergehen deutlich herauszuarbeiten und insbesondere konkret zu benennen, zumal die Pflichtenverstöße mehrfach ineinander übergehen und somit unzulässig zu eigenen Pflichtenverstößen deklariert werden. Soweit das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhat dazu ausführt, dass „auf der Grundlage des Beschwerdevorbringens von konkreten Verstößen des Antragstellers gegen die ihm aus seinem Beamtenverhältnis als Universitätsprofessor obliegenden Dienstpflichten auszugehen“ sei, dürfte eine Ergänzung oder Umgestaltung der disziplinarrechtlichen Vorwürfe disziplinar- wie beschwerderechtlich unzulässig sein. Jedenfalls werden erkennbar nunmehr sämtliche Vorwürfe auf „wahrheitswidrige Angaben des Antragstellers gegenüber der Antragsgegnerin im Zusammenhang mit der Tätigkeit des ALH“ sowie auf den Vorwurf der „verbotswidrigen Erbringung von Leistungen der Krankenversorgung“ verkürzt. Erkennbar orientiert sich auch die Beklagte in der Verfallsentscheidung auf diese Vorwürfe, wobei bereits unklar ist, ob diese Vorwürfe noch mit denen des eingeleiteten Disziplinarverfahren identisch sind. Denn im streitbefangenen Widerspruchsbescheid erhebt die Beklagte ergänzend den Vorwurf des „Dienstvergehens durch unentschuldigtes Fernbleiben vom Dienst“, obwohl dieser Pflichtenverstoß nach den Erkenntnissen des Ermittlungsberichts nicht vorlag und ausdrücklich nicht Gegenstand der Suspendierung und Bezügeeinbehaltung war. Bereits dies könnte einen Fehler im Disziplinarverfahren bedeuten, welcher bei Fortgang des Verfahrens und Erhebung der Disziplinarklage hätte bedeutsam sein können (vgl. § 52 DG LSA).

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3.) Zur Überzeugung des Disziplinargerichts bestehen weiterhin jedenfalls Zweifel und Unsicherheiten hinsichtlich des - bereits - festgestellten Sachverhalts und der daraus zu ziehenden disziplinarrechtlichen Schlussfolgerungen, welche nur bei Fortgang des Disziplinarverfahrens hätten aufgeklärt und bewertet werden können. Das Disziplinargericht hält es für erforderlich, dazu erneut auf seine Ausführungen in seinem Beschluss vom 11.11.2010 (8 B 15/10; juris) zur Suspendierung und Bezügeeinbehaltung zu verweisen. Denn die Sach- und Rechtslage hat sich seitdem nicht geändert:

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„Das Gericht vermag ein die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis rechtfertigendes schweres Dienstvergehen nicht zu erkennen. Jedenfalls sind derzeit keine hinreichend greifbaren Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Antragsteller durch sein Verhalten die ihm als (Medizin-)Professor eingeräumten Möglichkeiten in einer mit seinem Amt nicht zu vereinbarenden Weise zielgerichtet eigennützig eingesetzt bzw. im Zusammenhang mit dem Betrieb der ALH in anderer schwerwiegender Weise gegen die ihm obliegenden Amtspflichten als Professor verstoßen hätte. Dies gilt auch für Zeit nach Beendigung des Kooperationsvertrages. (juris-Abdruck; Rz. 103).

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Auswirkungen auf die vom Antragsteller u. a. wahrzunehmende Krankenversorgung bzw. andere Dienstpflichten im Hauptamt hatte die ggf. ohne Anzeige bzw. unter Verstoß gegen andere Vorschriften des Nebentätigkeitsrechts durchgeführte Tätigkeit des Antragstellers in der ALH nicht. So ist die ursprünglich im Disziplinarverfahren vorgehaltene Anschuldigung, dass der Antragsteller wegen seiner Tätigkeit an der ALH unentschuldigt dem Dienst ferngeblieben sei (vgl. Bescheid, Vorwurf c), nicht mehr aufrechterhalten worden. Die disziplinarrechtlichen Ermittlungen haben insoweit ergeben, dass der Antragsteller seine dienstliche Tätigkeit und damit die Erfüllung einer seiner Hauptaufgaben an der Universität sowohl in der Krankenversorgung als auch in den sonstigen sich aus § 34 HSG LSA ergebenden Pflichten als Hochschullehrer jedenfalls im ausreichenden Maße nachkommt. (juris-Abdruck; Rz. 104).

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Nach dem Aktenstudium und der Vielzahl der Unterlagen, die eingangs des Beschlusses dargestellt wurden, verdeutlicht insbesondere der Schriftwechsel zwischen den Beteiligten, dass diese von vornherein von unterschiedlichen Maßstäben und Wertungen, insbesondere zur Begrifflichkeit der Krankenversorgung und zur Tätigkeit in der ALH ausgegangen sind. […] Jedoch kann auch dem Antragsteller nach der Aktenlage nichts Gegenteiliges unterstellt werden. Vielmehr vermitteln die Unterlagen zur Überzeugung des Gerichts ein anderes Bild. (juris-Abdruck; Rz. 105).

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Bereits in seinem Antrag vom 28.06.2004 (Bl. 25 BA C; siehe oben unter I.) wies der Antragsteller darauf hin, dass er keine Krankenversorgung von Krankenkassen-Regelleistungen anbieten werde, wobei es jedoch von der wissenschaftlichen Ausrichtung des AN-Institutes erforderlich sei, dass projektbezogen auch Behandlungen an Patienten mit Gerätschaften des AN-Institutes durchgeführt werden. Die Arbeit am Patienten werde jedoch in eng begrenzten Projekten und indikationsbezogen erfolgen, so dass eine Erbringung von Versorgungsleistungen bei stationären und poliklinischen Patienten ausdrücklich ausgeschlossen sei. Dementsprechend war von vornherein klar, dass der Antragsteller die wissenschaftliche Ausrichtung des AN-Institutes nur durch die Gewinnung geeigneter Patienten ausüben kann. Diese frühzeitige Bekundung ist ausweislich der unter I. oben wiedergegebenen Unterlagen hinreichend belegt. Zur Überzeugung des Gerichtes liegt gerade in der Zurverfügungstellung bzw. Erreichbarkeit hinreichender Patientenströme die Problematik des Falls und der Meinungsverschiedenheiten zwischen den Beteiligten. Insoweit vertritt die Antragsgegnerin die strikte Auffassung, dass geeignete Patienten für die Forschung im AN-Institut nur durch vorherige Untersuchung in der Universitätsaugenklinik und anschließender Überweisung an die ALH dann dort zu Forschungszwecken behandelt werden dürfen. Hingegen erklärt der Antragsteller wiederholt, dass dies im praktischen Umgang mit den Patienten nicht möglich erscheine. So erklärt der Antragsteller anlässlich seiner Vernehmung im laufenden Disziplinarverfahren am 23.10.2009 (Bl. 75, 65 BA D) zu der Frage der Ermittlungsführerin, ob es richtig sei, dass die Patienten, die ins AN-Institut kommen, durch Mundpropaganda, vom Hörensagen etc. kommen, aber nicht aufgrund einer Überweisung durch das Klinikum: (juris-Abdruck; Rz. 106)

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„Nein, von wem denn. Das müsste ich selber machen. Es ist so, dass in Ausnahmefällen, wenn ich in der Augenklinik Patienten sehe, die also praktisch eine Studie am AN-Institut durchführen, die nun also praktisch auf die Situation dieses Patienten zutrifft, dann mache ich den Patienten darauf aufmerksam und weise ihn darauf hin, dass wir das machen, einfach, um ihm dann auch die Wahl zu geben, in welcher Form er sich dann letztendlich operieren und versorgen lassen will.“ (juris-Abdruck; Rz. 107).

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Auf die Frage der Ermittlungsführerin, wie mit Patienten verfahren werde, bei denen nach der Erstuntersuchung festgestellt werde, dass sie nicht für eine Studie geeignet seien, z. B. bei Erkrankung am Grünem Star, erklärt der Antragsteller (Bl. 64 BA D): (juris-Abdruck; Rz. 108)

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„Es ist ja ein Laserinstitut, ein Institut was sich mit refraktiver Chirurgie und mit der Korrektur der Refraktionen beschäftigt. Und wenn ein Patient in dieses Raster nicht reinpasst, dann schicken wir ihn an andere Stellen und es wird dann nicht weiter behandelt. Wir sind an Glaukomen nicht interessiert. Wenn natürlich ein Patient kommt, beispielsweise mit einem hohen Druck und wir eine notfallmäßige Behandlung durchführen müssen, dann machen wir das nolens volens. Aber wir sehen zu, dass wir ihn schnell wieder loswerden {...}. Dies ist dann eine normale Krankenkassenleistung, wobei wir bei dieser Untersuchung eigentlich das Glaukom nur nebenher behandeln. Wir gucken uns die Refraktion des Auges an und machen jedem Patienten eine Sehschärfenüberprüfung, wie gucken, ob er eine hohe Hornhautverkrümmung hat, ob er irgendwas hat, was in unseren Bereich hineinfällt. Wir machen auch eine Erhebung von Astigmatismen in der Bevölkerung. Wir brauchen ein Kontrollkollektiv in diesem Bereich. Wir sehen schon zu, dass wir unsere Studienziele und unsere Fallgestaltungen bearbeiten. Aber wir wollen jetzt nicht in Konkurrenz treten zur Augenklinik, die ist ja viel breiter aufgestellt. Ich habe im Institut wirklich nur den Sektor meines Interesses, den wir bearbeiten.“ (juris-Abdruck; Rz. 109).

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Im Rahmen seiner Vernehmung vom 17.06.2010 (Bl. 547 BA E) äußert sich der Antragsteller hinsichtlich seiner Beweggründe zur Gründung der ALH. Demnach wollte er gerade ein medizinisches Feld besetzen, um dieses nicht anderen, insbesondere überregionalen Medizinanbietern zu überlassen, um so eine Konkurrenz zur Augenklinik durch derartige überregionale Großunternehmen zu verhindern. Er führt aus: (juris-Abdruck; Rz. 110).

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„{...} meine Bestrebung war im Grunde, gerade im laserchirurgischen Bereich, aber jetzt auch mit der Makula ein Feld zu besetzen, in Unterstützung der Augenklinik, um zu verhindern, dass diese Dinge von anderen Konkurrenten in der Region ausgefüllt werden. Ich will Ihnen ein Beispiel sagen: In Leipzig, mein Amtsbruder, Prof. W., hatte einen Augenlaser in der Klinik und hat ein bisschen refraktive Chirurgie gemacht. Dann dauerte es nicht lange, da haben externe Investoren aus H. erkannt, dass L. vielleicht eine ganz gewinnbringende Region ist und haben von der Kette Euroeyes ein Laserzentrum in der L. Innenstadt, Nähe Hauptbahnhof, installiert, mit der Folge, dass die Zahlen in der Augenklinik zurückgingen und der Prof. W. seinen Laser auf Verfügung des Klinikumsvorstandes abgeben musste. Jetzt gibt es keinerlei refraktive Chirurgie mehr an der Augenklinik, aber es gibt eine prosperierende Kette in der L. Innenstadt, die dieses Feld besetzt. Das ist Konkurrenz. Und was wir gemacht haben, beispielsweise in Sachen Laserzentrum, dass wir ergänzend zur Augenklinik dieses Feld auch angebunden an den niedergelassenen Bereich besetzt haben. Und diesem Vorgang ist es zu verdanken, dass es so was im niedergelassenen Bereich, speziell in A-Stadt, nicht gibt. {...}. Und mit der Existenz, auch dieses Makulazentrums habe ich die Möglichkeit, praktisch als universitärer Repräsentant dieses Feld, nicht nur in der Augenklinik zu besetzen, sondern auch mit einem Standbein im niedergelassenen Bereich und das kommt letztendlich der Universität zugute. Ich hoffe, dass das irgendwann verstanden werden wird. (juris-Abdruck; Rz. 111).

48

{...} Wir machen in der Augenklinik pro Woche etwa 40 Injektionen bei Makulaerkrankungen. Im Augen-Laserzentrum und auch im Makulazentrum sind es - wenn es hoch kommt - vielleicht vier oder fünf pro Woche. Das heißt, nicht nur das Spektrum der Augenklinik, auch das operative Aufkommen ist unvergleichbar höher, verglichen mit dem, was dort am Rathenauplatz läuft. Das hat mehr symbolische Bedeutung, was dort stattfindet. Es ist ein Verfolgungswahn schon fast, das behauptet wird, dass durch die Existenz dieser Einrichtung und durch das als Konkurrenz gesehene Angebot am Rathenauplatz die Augenklinik Schaden nimmt. Das ist real nicht so.“ (juris-Abdruck; Rz. 112).

49

So ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts aus einer Vielzahl von Dokumenten dass dem Antragsteller gerade nicht unterstellt werden kann, dass er von Anbeginn seiner Tätigkeit in der ALH eine Schwächung/Schädigung der Universitätsaugenklinik beabsichtigt hatte. Es dürfte vielmehr so sein, dass es im Laufe der Jahre 2007 und 2008 Differenzen zwischen den Beteiligten [wohl] hinsichtlich der Erfüllung des Kooperationsvertrages gab. So fühlte sich der Antragsteller von der Antragsgegnerin hinsichtlich der Ausstattung in personeller und sachlicher Hinsicht nicht hinreichend unterstützt.[ …]. In diesem Zusammenhang ist auch die Beantragung des Kassenarztsitzes zu verstehen. Denn der Antragsteller führt wiederholt aus, dass dies zur unmittelbaren Finanzierung der Forschungstätigkeit an der ALH notwendig sei. Der Antragsteller führt anlässlich seiner Vernehmung am 17.06.2010 (Bl. 547 BA E) aus: (juris-Abdruck; Rz. 113).

50

„Der Gesellschaftszweck und auch damals der Zweck des Kooperationsvertrages war die Entwicklung und Evaluierung refraktiv-chirurgischer Operationsmethoden und -verfahren. Und dazu gehören nicht ausschließlich Laserverfahren, sondern beispielsweise, was heute einen viel größeren Stellenwert einnimmt, die Einsetzung und Bewertung von Implantaten also auch von Kunstlinsen. Und sie haben Recht, die Lasereingriffe werden weit überwiegend nicht von gesetzlichen Krankenkassen bezahlt und von privaten Krankenkassen werden sie teilweise bezahlt. Aber die Einsetzung einer Kunstlinse ist ein Eingriff, der in den kassenärztlichen Bereich hineingeht und beispielsweise regulären Kassenpatienten nicht als Privatleistung in Rechnung gestellt werden kann. Das würden die Patienten nicht verstehen und damit lassen sich dann auch keine Studien füttern. Das heißt, wir müssen im Rahmen des Laserzentrums die Möglichkeit haben, refraktiv-chirurgische Kunstlinsenimplantationen abzurechnen und dafür ist die Aufrechterhaltung des hälftigen Kassenarztes Voraussetzung. Wenn wir das nicht mehr hätten, wäre die Arbeit des Laserzentrums in der Form, wie wir sie heute durchführen, nicht denkbar.“ (juris-Abdruck Rz. 114).

51

Sofern die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang vorträgt, dass es nicht nachvollziehbar sei, den Kassenarztsitz zur finanziellen Absicherung der Forschungsaktivitäten heranzuziehen und ein Bedarf an Studienpatienten durch die Informationen an niedergelassene Augenärzte oder aus der Ambulanz der Augenklinik hätte rekrutiert werden können, denn die Beantragung eines Kassenarztsitzes diene ausschließlich dem Sicherstellungsauftrag zur ambulanten Behandlung von Patienten der gesetzlichen Krankenkasse, so dass derartige Leistungen in keinem Zusammenhang mit einem für Forschung und Lehre veranlassten Bedarf stünden, so trägt dies nicht. Diese Aussage ist in dieser abstrakten Weise zwar zutreffend, nimmt aber nicht hinreichend Rücksicht auf die vom Antragsteller vorgetragenen Besonderheiten bei der Gewinnung von Patientenströmen für die Forschungstätigkeit. Denn wie bereits dargelegt, hat der Antragsteller wiederholt ausgeführt, dass im Vorfeld bzw. im Zusammenhang mit der klinischen Forschung diverse Untersuchungen am Patienten durchgeführt werden müssen, bevor der Patient in ein konkretes Forschungsprogramm integriert werden könnte. Bereits diese Voruntersuchungen müssen dann jedoch kassenärztlich abgerechnet werden können.“ (juris-Abdruck; Rz. 115)

52

Inwieweit der Antragsteller tatsächlich bereits im Vorfeld der Anerkennung als AN-Institut ausgeführt habe, dass es in einem Verhältnis von 80:20 zur tier- bzw. patientenorientierten Forschung komme, vermag dahingestellt bleiben. Denn diese Aussage ist bislang nicht hinreichend belegbar und müsste im laufenden Disziplinarverfahren weiter aufgeklärt werden. […]. (juris-Abdruck; Rz. 116)

53

{…] Soweit nunmehr im Verlaufe des gerichtlichen Verfahrens zu Tage getreten ist, dass der Antragsteller bereits unter dem 06.07.2007 einen Teilkassenarztsitz beantragt hat, obwohl für die Sitzung des Klinikumvorstandes am 19.07.2007 eine gegenteilige Aussage protokolliert ist, führt dies jedenfalls nicht dazu, das gesamte Verhalten des Antragstellers im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für und in der ALH in einem anderen Licht erscheinen zu lassen. Unterstellt, die vorstehenden Tatsachen stellen sich auch im weiteren Verlauf des Disziplinarverfahrens als wahr heraus, hat der Antragsteller damit zwar seine ihm gegenüber dem Dienstherren obliegende Wahrheitspflicht verletzt. Der unwiederbringliche Verlust des Vertrauens dürfte allein darauf jedoch nicht zu stützen sein, zumal dem Antragsteller hätte bewusst sein müssen, dass er wegen der Arbeit der ALH in der Öffentlichkeit und der Veröffentlichungen der Kassenärztlichen Vereinigung seine Tätigkeit nicht auf Dauer wird verschweigen können wird.“ (juris-Abdruck; Rz. 117).

54

Zum zu erwartenden Disziplinarmaß führte das Gericht aus:

55

„In Anbetracht der oben angeführten Grundsätze für die Bemessung einer Disziplinarmaßnahme und des sich dem Gericht derzeit darbietenden Sachverhaltes dürften einer Entfernung aus dem Dienst nach der Rechtsprechung deshalb (derzeit) ernstliche Gründe entgegen stehen. Nach der Spruchpraxis der Disziplinargerichte kommt eine Weiterverwendung im öffentlichen Dienst aus Gründen der Funktionssicherung dann nicht mehr in Betracht, wenn das Vertrauensverhältnis durch das Dienstvergehen endgültig zerstört ist; dagegen bestehen auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BVerwGE 43, 97, 98 f.). Gleiches gilt, wenn das Dienstvergehen einen so großen Ansehensverlust bewirkt, dass eine Weiterverwendung als Beamter die Integrität des Beamtentums unzumutbar belastet. In beiden Fallgruppen ist der Beamte objektiv untragbar und daher die Entfernung aus dem Dienst geboten. Die disziplinarische Rechtsprechung hat in Konkretisierung des Schuldprinzips die Relation zwischen dem Gewicht des Dienstvergehens und der Bemessung der Disziplinarmaßnahme auf die Formel gebracht, dass die Schwere des Dienstvergehens in erster Linie in der gewählten „Strafart“ zum Ausdruck kommen muss. Dienstvergehen, die grundsätzlich eine Dienstentfernung erfordern, sind danach in erster Linie Eigentumsverfehlungen bei Ausübung des Dienstes, Bestechlichkeit und sittliche Verfehlungen. Außerhalb dieser Deliktsgruppen kann die Verhängung der Höchstmaßnahme insbesondere in Betracht kommen, wenn es sich um ein vorsätzliches schwerwiegendes Versagen im Kernbereich der Pflichten handelt, wobei nicht jede Verletzung der Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten bzw. der auf dem Dienst- und Treueverhältnis beruhenden Gehorsampflicht ein schwerwiegendes Versagen im Kernbereich der Pflichten, welches die Höchstmaßnahme zu rechtfertigen geeignet ist, darstellt (vgl. zum Vorstehenden BVerfG, B. v. 19.02.2003, 2 BvR 1413/01, juris). (juris-Abdruck; Rz. 118).

56

Von einer endgültigen Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Dienstherrn aber auch der Allgemeinheit zum Antragsteller kann bei Abwägung aller mildernden und erschwerenden Gesichtspunkte hier zur Überzeugung des Gerichts nicht ausgegangen werden. Diesbezüglich konnte sich das Gericht im Verlaufe des Verfahrens bereits des Eindrucks nicht erwehren, dass sich die Antragsgegnerin von vornherein auf die disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme, nämlich die Entfernung aus dem Dienst, beschränkt hat und im Rahmen der Verhältnismäßigkeit und der Ermessensausübung die anderen disziplinarrechtlichen Maßnahmen gar nicht hinreichend geprüft hat. Allein die Erwägung, dass die Disziplinarmaßnahmen der Gehaltskürzung oder der Geldbuße aufgrund der hohen finanziellen Einkommensverhältnisse des Beamten nicht in Betracht kämen, vermag jedenfalls kein hinreichender Grund für die quasi automatische Annahme der Höchstmaßnahme sein. Denn insoweit ist zu beachten, dass die Disziplinarmaßnahmen in einem verhältnismäßigem Stufenverhältnis stehen und daher jeweils in Bezug auf § 13 DG LSA sich an der Schwere des Dienstvergehens und des Persönlichkeitsbildes des Beamten orientieren müssen. Es wäre grundsätzlich verfehlt anzunehmen, dass Beamte aus höheren Besoldungsgruppen nur der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme unterliegen. (juris-Abdruck; Rz. 119).

57

Insoweit hat die Antragsgegnerin insbesondere den Besonderheiten des vorliegenden Falles keine hinreichende Bedeutung geschenkt und für die ins Auge gefasste Disziplinarmaßnahme vorrangig auf „formelle Aspekte“ abgestellt. Für die - wie hier - relevante Tätigkeit eines Professors gelten jedoch gerade in Bezug auf seine auch im Rahmen eines AN-Institutes wahrgenommenen Tätigkeit Besonderheiten. (juris-Abdruck; Rz. 120).

58

Der Gesetzgeber hat wegen der mit dem Wesen des Berufs des Hochschullehrers einhergehenden Besonderheiten, der vorrangig durch Freiheit von Forschung und Lehre bestimmt wird, von einer engen Bindung des Professors an Dienstzeiten (vgl. §§ 34 Abs. 5, 46 Abs. 2 HSG LSA) abgesehen. Der Professor schuldet seinem Dienstherrn mithin lediglich im Rahmen der ihm verliehenen Professur eine materielle Dienstleistung, die wegen ihres vorrangig schöpferischen Gehalts, weitgehend von äußeren Zwängen frei gehalten werden soll. Anders gewendet bedeutet dies, dass ein Hochschullehrer frei bestimmen kann, wann, wo und wie er den ihm im Hauptamt obliegenden Pflichten der Forschung und Lehre nachkommt, es sei denn, bestimmte Tätigkeiten gebieten es, seine Aufgaben in der Universität wahrzunehmen (Lehrveranstaltungen, Sprechstunden, Abnahme von Prüfungen etc.). Ein disziplinarischer Ansatz, der bereits dies nicht beachtet, wäre mithin verfehlt. Dies insbesondere dann, wenn die Universität im Rahmen eines Kooperationsmodells den Betrieb eines zwar privatrechtlich organisierten, jedoch einer Universität angegliederten Institutes (AN-Institut) fördert. Diese von Professoren, die zugleich an der Universität eine Professur inne haben, geleiteten Institute führen zwangsläufig zu einer „Vermengung“ der Tätigkeit eines Professors, bei der dann zum Teil in zeitlicher, örtlicher und auch sachlicher Hinsicht nicht mehr zwischen der Tätigkeit für die Universität und das Institut unterschieden werden kann. Die mit einer solchen Kooperation verbundenen Synergien für beide Seiten – kommerzielle Interessen der (privaten) Träger auf der einen Seite und bessere Reputation der Universität, z. B. durch schnellere Forschungserfolge auf der anderen, – verlangen dann jedoch auch nach einer gewissen Akzeptanz der diese Synergien voraussetzenden Umstände. So gehört es zum Wesen eines AN-Institutes, dass es auf dem freien Markt über ungleich andere Möglichkeiten, z. B. in der materiellen Ausstattung (Drittmittel u. ä.) und Darstellung in der Öffentlichkeit verfügt, als eine universitäre Einrichtung (Klinik); trotz des Status als AN-Institut ist und bleibt es privatrechtlich auf Gewinnerzielung ausgerichtet. Zwar kann dies nicht zur Duldung von Dienstpflichtverletzungen führen. Die Gestaltung der Umstände, unter denen ein Professor die ihm übertragene Verantwortung für Forschung, Lehre und Weiterbildung in seinem Fach eigenverantwortlich wahrnehmen kann (§ 34 Abs. 1 Satz 1 HSG LSA), sind jedoch ungleich vielfältiger und bei der Beurteilung seiner Tätigkeit zu beachten. Was sich nach außen als Konkurrenz darstellt, kann sich bei näherer Betrachtung jedoch auch als notwendige Gestaltungsform im Rahmen des Kooperationszwecks erweisen. Die Grenze dürfte dort erreicht sein, wo dieser völlig hinter die Privatnützigkeit zurücktritt, hier also die ALH lediglich im Kleide des AN-Institutes erscheint. Insoweit wird die Antragsgegnerin ggf. auch Feststellungen zu der von dem Antragsteller betriebenen Forschungen im AN-Institut zu treffen haben (vgl. zum Forschungsbegriff §§ 23 ff. HSG LSA). Insbesondere zur Klärung der Frage „Krankenversorgung“ wird es unabdinglich sein aufzuklären, inwieweit der Kooperationsvertrag tatsächlich umgesetzt wurde. Der Antragsteller dürfte sich nach Auffassung des Gerichts jedenfalls nicht darauf zurückziehen können, die Verletzung von Dienstpflichten unter Hinweis auf seine Pflichten aus dem Vertrag zu rechtfertigen. Sollte der Vertrag von der einen oder anderen Seite nicht eingehalten worden sein, sind in erster Linie Ansprüche daraus geltend zu machen, ggf. ist auf Auflösung des Vertrages zu drängen. (juris-Abdruck; Rz. 121).

59

Eine wie hier gestaltete Tätigkeit des Antragstellers stellt jedoch keinen „Freibrief“ dar. Auch er hat seine Tätigkeit für das private Unternehmen in achtungsvoller Weise wahrzunehmen und den Kernbereich seiner Dienstpflichten uneigennützig auszufüllen. Denn gerade dort, wo die Ausübung der dienstlichen Kernpflichten vor äußeren Einflüssen aus wohl verstandenen Gründen geschützt werden soll, geht dies mit einer gesteigerten Verantwortung des Amtsträgers einher. Die Universität oder die Klinik dürfte z. B. nicht in der Lage sein, die Ursachen für bestimmte Patientenströme festzustellen bzw. den Antragsteller bei seiner medizinischen Indikation zu kontrollieren (vgl. dazu VG A-Stadt, a. a. O., S. 18 BA). Feststellungen zu einer solchen Amtsführung des Antragstellers, die vorwiegend eigennützig geprägt ist, sind bislang nicht getroffen worden. Jedenfalls genügen die in das Verfahren eingeführten (absoluten) Zahlen zum Rückgang der Einnahmen der Augenklinik dem nicht. Hier dürfte es zwingend erforderlich sein, die näheren Umstände aufzuklären. Gleiches gilt für die Frage, welches Leistungsspektrum durch die Augenklinik und die ALH vorgehalten werden. Eine ausschließliche Beurteilung durch die kaufmännische Leiterin dürfte dem nicht hinreichend gerecht werden. (juris-Abdruck; Rz. 122).

60

Bislang bestehen keine hinreichend belastbaren Anhaltspunkte dafür, dass mit der Tätigkeit des Antragstellers für die ALH ein schwerwiegender Ansehensverlust und damit ein endgültiger Vertrauensverlust des Dienstherren oder der Allgemeinheit eingetreten sind. (juris-Abdruck; Rz. 123)

61

Für einen Ansehensverlust in der Öffentlichkeit liegen weder greifbare Anhaltspunkte vor noch sind dazu bislang Feststellungen getroffen worden. Der augenärztliche Versorgung Suchende wird es eher begrüßen, wenn sich u. a. auch ein renommierter Professor auch außerhalb seiner Klinik Patienten zuwendet. Dass sich das konkrete Verhalten des Antragstellers bei objektiver Betrachtung für Außenstehende zwingend als Zweitberuf darstellen muss (so VG A-Stadt, a. a. O., S. 21 BA), ist nicht zwangsläufig, zumal sich die Sicht der Gesellschaft auf einen „Zweitberuf“ gewandelt haben dürfte, die Privatliquidation auch beamtenrechtlich anerkannt ist (vgl. BVerfG, B. v. 07.11.1979, 2 BvR 513/73, juris; siehe auch §§ 14 f. HNVO LSA) und der Umfang der Tätigkeit des Antragstellers für die ALH erkennbar begrenzt war. (juris-Abdruck; Rz. 124)

62

Ob dies bei den weiteren Ermittlungen im Zuge des noch anhängigen Disziplinarverfahrens oder gar aufgrund strafrechtlicher Ermittlungen anders zu beurteilen sein wird, muss hier noch nicht entschieden werden. Jedenfalls stellt sich das Geschehen bislang so dar, dass es mit den beamtenrechtlichen Regelungen hinsichtlich der Nebentätigkeitsvorschriften hinreichend geregelt werden dürfte. Dementsprechend verweist das Disziplinargericht auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts A-Stadt in dem Beschluss vom 27.09.2010 (5 B 86/10 HAL). Erst wenn der Antragsteller den diesbezüglichen Regelungen hinsichtlich der Nebentätigkeit nicht nachkommt, dürfte überhaupt die Schwelle der Disziplinarverfolgung erreicht sein.“ (juris-Abdruck; Rz. 125).

63

Demnach hat das Disziplinargericht bereits im damaligen Beschluss deutlich herausgestellt, dass im Disziplinarverfahren weitere Aufklärung zu betreiben ist, um die Disziplinarvorwürfe eindeutig zu definieren und schließlich das Disziplinarmaß zu bestimmen. Das Disziplinargericht hat ebenso unzweifelhaft klargestellt, dass das Disziplinarverfahren nicht etwa „aus der Luft gegriffen“ und damit haltlos sei. Disziplinarbewährt war das Verhalten des Klägers auf jeden Fall. Vielmehr stand und steht mangels des eingestellten Disziplinarverfahrens nicht fest, dass „die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis“ nach den strengen Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 Nr. 4 DG LSA „gerechtfertigt gewesen wäre.“ Dies deswegen, weil die dem Kläger vorgeworfenen Handlungen und die disziplinarrechtliche Bewertung derselben derart komplex sind, dass sie nur in dem vom Disziplinargericht im Beschluss vom 11.11.2010 dargestellten Gesamtzusammenhang gesehen werden können und müssen. Ein „herunterbrechen“ auf einzelne isolierte Handlungen wird der disziplinarrechtlich notwendigen Gesamtabwägung der Ereignisse nicht gerecht. Das komplexe, über mehrere Jahre andauernde Geschehen kann nicht allein daran festgemacht werden, dass der Kläger die Unwahrheit gesagt bzw. die Gremien der Beklagten angelogen habe. Auch dies unterstellt, muss - wie in dem Beschluss des Gerichts ausgeführt - in der disziplinarrechtlichen Bewertung der Gesamtpersönlichkeit des Klägers nach § 13 DG LSA, seine Motivation für dieses Verhalten, zwingend und ausreichend gewürdigt werden. Dabei sind nur gezielte, grobe und treuwidrige Täuschungen disziplinarrechtlich bedeutsam. Weiter wären bei Fortgang des Verfahrens in diesem Zusammenhang zwingend die stets disziplinarrechtlich zu würdigenden Milderungs- und Entlastungsgründe für das klägerische Verhalten zu hinterfragen und zu würdigen gewesen (Bayersicher VGH, Beschluss v. 07.05.2013, 16a D 10.1558; juris). Dies gilt gerade beim Ausspruch der disziplinaren Höchstmaßnahme. Zu Recht weist der Kläger darauf hin, dass er als angesehene Kapazität auf dem Gebiet der Augenheilkunde und nach dem beiderseitigen Willen der Beteiligten um die Schaffung des ALH als AN-Institut der Universität auch zum Wohle und Ansehen der Beklagten beigetragen hat.

64

Demnach wäre die behördliche Feststellung der Entfernung nur dann gerechtfertigt, wenn das Dienstvergehen und die dem zugrundeliegenden Geschehnisse derart klar und eindeutig feststellbar wären, dass die daraus bedingte Schwere der Pflichtverletzung auch unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten und des Nichtvorliegens von Milderungs- und Entlastungsgründen die Entfernung als Ausfluss der disziplinaren Lösungsfunktion zwingend auszusprechen wäre. Dies kann etwa dann vorliegen, wenn das Dienstvergehen einen der Tatbestände der von der Disziplinarrechtsprechung herausgearbeiteten Verstöße erfüllt, die regelmäßig die Entfernung nach sich ziehen, wie dies beispielhaft bei den im Dienst begangenen Zugriffsdelikten der Fall ist. An dieser Einfachheit der disziplinarrechtlichen Bewertung fehlt es im vorliegenden Fall erkennbar.

65

III.) Die Kostenentscheidung folgt aus § 72 Abs. 4 DG LSA i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 3 DG LSA, § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO ist die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären. Denn dem Kläger war die eigenständige Durchführung des Widerspruchsverfahrens aufgrund der hier vorliegenden schwierigen Rechtsfragen des Dienst- und Disziplinarrechts nicht zumutbar.

66

Nach § 123 a i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat das Gericht die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Denn erkennbar fehlen gerichtliche Entscheidungen zu den Anforderungen an die Feststellung des Verfalls der Dienstbezüge, so die Klärung der sich insoweit stellenden Rechtsfrage über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist.


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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 162


(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens. (2) Die Gebühren und Auslage

Bundesdisziplinargesetz - BDG | § 40 Verfall und Nachzahlung der einbehaltenen Beträge


(1) Die nach § 38 Abs. 2 und 3 einbehaltenen Bezüge verfallen, wenn 1. im Disziplinarverfahren auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt worden oder eine Entlassung nach § 5 Abs. 3 Satz 2 dieses Gesetzes in

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Tatbestand 1 Der Kläger wendet sich als früherer Landesbeauftragter für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik insoweit gegen die Einstellung eines gegen ihn geführten Disziplinarverfahrens, a

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Die nach § 38 Abs. 2 und 3 einbehaltenen Bezüge verfallen, wenn

1.
im Disziplinarverfahren auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt worden oder eine Entlassung nach § 5 Abs. 3 Satz 2 dieses Gesetzes in Verbindung mit § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder § 37 Abs. 1 Satz 1 des Bundesbeamtengesetzes erfolgt ist,
2.
in einem wegen desselben Sachverhalts eingeleiteten Strafverfahren eine Strafe verhängt worden ist, die den Verlust der Rechte als Beamter oder Ruhestandsbeamter zur Folge hat,
3.
das Disziplinarverfahren auf Grund des § 32 Abs. 1 Nr. 3 eingestellt worden ist und ein neues Disziplinarverfahren, das innerhalb von drei Monaten nach der Einstellung wegen desselben Sachverhalts eingeleitet worden ist, zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder zur Aberkennung des Ruhegehalts geführt hat oder
4.
das Disziplinarverfahren aus den Gründen des § 32 Abs. 2 Nr. 2 oder 3 eingestellt worden ist und die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde (§ 34 Abs. 2) festgestellt hat, dass die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder die Aberkennung des Ruhegehalts gerechtfertigt gewesen wäre.

(2) Wird das Disziplinarverfahren auf andere Weise als in den Fällen des Absatzes 1 unanfechtbar abgeschlossen, sind die nach § 38 Abs. 2 und 3 einbehaltenen Bezüge nachzuzahlen. Auf die nachzuzahlenden Dienstbezüge können Einkünfte aus genehmigungspflichtigen Nebentätigkeiten (§ 99 des Bundesbeamtengesetzes) angerechnet werden, die der Beamte aus Anlass der vorläufigen Dienstenthebung ausgeübt hat, wenn eine Disziplinarmaßnahme verhängt worden ist oder die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde feststellt, dass ein Dienstvergehen erwiesen ist. Der Beamte ist verpflichtet, über die Höhe solcher Einkünfte Auskunft zu geben.

Gründe

I.

1

Der 1964 in Z. geborene Polizeivollzugsbeamte schloss im Jahr 1981 die 10. Klasse der Polytechnischen Oberschule in K. mit der mittleren Reife ab und erlernte im Anschluss daran bis 1983 den Beruf eines Maschinen- und Anlagenmonteurs. Nach Ablauf des dreijährigen Wehrdienstes trat er 1986 in den Dienst der Volkspolizei als Oberwachtmeister ein und wurde dort 1987 zum Hauptwachtmeister befördert. Am 01.01.1991 wurde der Beamte in den Polizeidienst des Landes Sachsen-Anhalt übernommen, im August 1991 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Polizeihauptwachtmeister z. A. und am 06.07.1992 zum Polizeimeister ernannt. Die Verbeamtung auf Lebenszeit erfolgte 1995 und 1998 wurde der Beamte zum Polizeiobermeister befördert. Der Beamte war als Sachbearbeiter Einsatz bzw. Streifendienst in verschiedenen Polizeirevieren tätig. Von 2002 bis 2003 gehörte der Beamte einer Ermittlungsgruppe des Zentralen Kriminaldienstes an.

2

Die letzte dienstliche Beurteilung des Beamten aus dem Jahre 2005 schloss mit der Gesamtnote „befriedigend“ bei 221 Punkten.

3

Der Beamte ist verheiratet. Seine Ehefrau brachte in die Ehe die Kinder M. S., geb. ...1986 und A. S., geboren ...1990 mit. Bis Anfang März 2006 lebten der Beamte und seine Ehefrau mit den Kindern im gemeinsamen Haushalt.

4

Seit dem 08.02.2006 ist der Beamte gemäß § 78 Disziplinarordnung Sachsen-Anhalt (DO LSA) vorläufig des Dienstes enthoben. Gleichzeitig wurde gegen den Beamten die Einbehaltung von 30 v. H. seiner Dienstbezüge gem. § 79 Abs. 1 DO LSA angeordnet.

5

Der Beamte bezieht unter Berücksichtigung der Kürzung der Dienstbezüge ein Nettoeinkommen von 1.600 Euro bei der Besoldungsgruppe A 8 BBesO. Kreditbelastungen fallen monatlich in Höhe von 1.100 Euro an und Versicherungsbeiträge insgesamt in Höhe von 1.681 Euro sowie sonstige Ausgaben in Höhe von 200 Euro an.

6

Disziplinarrechtlich ist der Beamte bisher nicht in Erscheinung getreten. Wegen der hier angeschuldigten disziplinarrechtlichen Verfehlung ist der Beamte rechtskräftig seit dem 24.01.2011 durch das Urteil des Landgerichts C-Stadt (9 Ns …- 443 Js …) wegen versuchten sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in drei Fällen sowie des Sich-Verschaffens und des unerlaubten Besitzes von kinderpornografischen Schriften zu einer Geldstrafe in Höhe von 180 Tagessätzen zu je 40 Euro verurteilt worden.

II.

7

Unter dem 06.02.2006 wurde das förmliche Disziplinarverfahren gegen den Beamten nach § 33 DO LSA eingeleitet und nach § 16 Abs. 2 DO LSA wegen des strafrechtlichen Verfahrens ausgesetzt. Zugleich wurde die vorläufige Dienstenthebung und Gehaltskürzung ausgesprochen. Unter dem 02.03.2006 wurde das Verfahren gem. § 33 Abs. 1 DO LSA wegen des Verdachtes des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen erweitert. Nach rechtskräftiger Verurteilung des Beamten wurde das Disziplinarverfahren unter dem 22.09.2011 gem. § 16 Abs. 3 DO LSA fortgesetzt. Der Beamte stellte sodann zwei Beweisanträge bezüglich der Vernehmung von zwei Zeugen. Der Untersuchungsführer lehnte mit Beschluss vom 20.02.2012 die Beweisanträge wegen Unzulässigkeit angesichts der Bindungswirkung der tatsächlichen strafgerichtlichen Feststellung ab. Unter dem 01.03.2012 wurde dem Beamten erneut die Möglichkeit zur abschließenden Anhörung gegeben. Der Beamte rügte unter dem 05.04.2012 eine fehlende Aussetzung hinsichtlich der mit Erweiterungsverfügung vom 02.03.2006 betroffenen Vorwürfe. Dem folgte der Untersuchungsführer nicht und legte unter dem 17.04.2012 seinen Abschlussbericht vor.

III.

8

Mit der Anschuldigungsschrift vom 25.04.2012 wird der Beamte angeschuldigt, dadurch ein Dienstvergehen nach § 77 Abs. 1 Beamtengesetz Sachsen-Anhalt (BG LSA); nunmehr § 47 Satz 1 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG), begangen zu haben, weil er

9

1. sich in drei Fällen des versuchten Missbrauchs von Schutzbefohlenen schuldig gemacht

10

und

11

2. sich kinderpornografische Schriften verschafft und unerlaubt besessen habe.

12

Zur Begründung gibt die Anschuldigungsschrift die tatbestandlichen Feststellungen aus dem strafgerichtlichen Urteil des Landgerichts C-Stadt vom 24.01.2011 (9 Ns …) wieder, die da lauten:

13

„a) Am 30.09.2004 belästigte der Angeklagte die Nebenklägerin sexuell und versuchte sie, während sie beide allein in dem Haus im …weg in A-Stadt waren, mehrfach vorsätzlich an ihrem bedeckten oder unbedeckten Gesäß, Geschlechtsteil und Brüsten anzufassen. Die Nebenklägerin konnte diese Versuche, sich ihr sexuell zu nähern möglicherweise jedoch abwehren, in dem sie die Hand des Angeklagten jedes Mal zur Seite schob oder schlug. Für den außenstehenden objektiven Betrachter war jedenfalls das äußere Erscheinungsbild dieser Handlungen sexualbezogen. Der Angeklagte wusste dies auch und wollte es. Er tat dies, um sich sexuell zu erregen. Aus dem Zusammenhang mit den vergangenen und späteren Taten, die nicht mehr konkretisiert werden konnten, war deutlich erkennbar, dass es sich um eine Annäherung des Angeklagten in sexueller Absicht handelte. Es waren Handlungen von einiger Erheblichkeit im Sinne des § 184 g Nr. 1 StGB. Die Kammer ging zu Gunsten des Angeklagten von nur versuchter Tat, bedeckte Geschlechtsteile in sexuell motivierter Absicht zu berühren, aus.

14

b) Das Gleiche galt für die Tat am 04.11.2004. An diesem Tage mindestens versuchte der Angeklagte wiederum die Nebenklägerin unsittlich in der eben schon genannten Art und Weise zu berühren, während sie beide allein zu Hause waren. Er versuchte wiederum A. zu umarmen, an den Geschlechtsteilen anzufassen, die durch ihre Kleidung bedeckt waren. Er versuchte an diesem Tag sogar darüber hinaus mit der Nebenklägerin sich zu küssen, einen sogenannten Zungenkuss auszuführen. Die Nebenklägerin konnte sich wiederum dagegen wehren und den Angeklagten von sich fort stoßen. Sie machte ihm auch erneut - wie häufig - verbal deutlich, dass sie dieses Verhalten nicht wünschte.

15

c) Am 11.11.2004 kam es zu einer weiteren Tat wie im Fall a) mit gleichem Tatbild. Jedes Mal wusste der Angeklagte, dass die Nebenklägerin die Taten nicht wollte.

16

In allen Fällen handelte der Angeklagte, um sich sexuell zu erregen.

17

Die Kammer wertete alle drei Taten als versuchten Missbrauch von Schutzbefohlenen, denn sie konnte nicht feststellen, dass es anlässlich dieser drei Taten zu tatsächlichen Berührungen in sexuell motivierter Absicht kam.

18

Die Kammer konnte auch nicht feststellen, an welchen anderen Tagen genau erhebliche Handlungen vorgekommen waren, denn die Nebenklägerin konnte sich daran nicht erinnern. Tagebuchaufzeichnungen insoweit waren auch nicht mehr vorhanden. Die gleiche Einschätzung hatte auch die Staatsanwaltschaft vorgenommen, die deshalb nur die drei Taten angeklagt hatte und andere mögliche Taten nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt hatte.

19

d) Anlässlich der Wohnungsdurchsuchung am 23.01.2006 verstieß der Angeklagte gegen § 184 b Abs. 4 Satz 1 StGB, in dem er es vorsätzlich unternahm, sich den Besitz von kinderpornografischen Schriften im Sinne des § 11 Abs. 3 StGB zu verschaffen, die ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergaben. Der Angeklagte war nämlich gerade dabei, im Internet nach Kinderpornografie zu suchen (zu serven). Er betrieb beim Eintreffen der Polizeibeamten das Tauschbörsenprogramm „K. …“, um Filme kinderpornografischen Inhalts auf eigene Dateiordner herunterzuladen. Aktuell wurden dabei folgende Dateien heruntergeladen:

20

aa) „K...“
bb) „X...“
cc) „p...“
dd) „p...“

21

Die anschließende Auswertung der Dateien durch das LKA ergab, dass auf den gerade heruntergeladenen Filmen und Bildern Geschlechtsverkehr von Kindern, die deutlich unter 14 Jahren alt sind, mit männlichen Erwachsenen gezeigt wird, unter anderem der Oralverkehr.

22

e) Der Angeklagte verstieß auch gegen § 184 b Abs. 4 Satz 2 StGB, in dem er kinderpornografisches Material im Sinne des § 11 Abs. 3 StGB besaß. Denn anlässlich der Hausdurchsuchung wurden eine Vielzahl allgemein pornografischer Dateien sowie tier- und kinderpornografische Dateien auf externen Speichermedien sichergestellt. Auf den unterschiedlichen Datenträgern befanden sich insgesamt 215 Bild- und Videodateien, auf denen ohne Bezug zu anderen Nebensachverhalten in einer den Menschen zum bloßen Objekt geschlechtlicher Begierde degradierenden Weise von und an Kindern vorgenommene Sexualhandlungen gezeigt werden. Insbesondere wurden männliche und weibliche Kinder bei verschiedenen sexuellen Handlungen wie Vaginal-, Anal- und Oralverkehr untereinander bzw. mit Erwachsenen dargestellt. Es gab auch einige Bilddateien, in denen die Kinder ohne geschlechtliche Handlungen allein oder mit anderen gezeigt wurden, sogenanntes „Posing“. Die Kammer wertete zugunsten des Angeklagten die Anzahl solcher Posing-Dateien auf eine Größe von ca. 10 Prozent, so dass sie von letztlich 180 Bild- und Videodateien regelrechten kinderpornografischen Inhalt ausging“.

23

Die Einleitungsbehörde führt aus, dass die tatsächlichen Feststellungen des rechtskräftigen Urteils nach § 17 Abs. 1 Satz 1 DO LSA für das Disziplinarverfahren bindend seien. In der Berufungsverhandlung am 24.01.2011 habe der Beamte zum Vorwurf des sich vorsätzlichen Verschaffens kinderpornografischer Schriften und zum Vorwurf des Besitzes von kinderpornografischen Materials ein umfassendes Geständnis abgelegt.

24

Danach habe der Beamte vorsätzlich und schuldhaft ein schwerwiegendes Dienstvergehen im Sinne des § 77 Abs. 1 Satz 2 BG LSA (§ 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG) begangen. Er habe die ihm in § 54 Satz 3 BG LSA (§ 34 Satz 3 BeamtStG) normierte Pflicht zu einem achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten außerhalb des Dienstes schuldhaft verletzt.

25

Ein Verhalten eines Beamten außerhalb des Dienstes sei gem. § 77 Abs. 1 Satz 2 BG LSA (§ 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG) ein Dienstvergehen, wenn das Verhalten nach dem Umständen des Einzelfalles in besonderem Maße geeignet sei, Achtung und Vertrauen in einer für sein Amt oder das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Achtungswürdigkeit bedeute die Integrität eines Beamten im äußeren Verhältnis zur Umwelt sowie das Ansehen bei Bürgern einschließlich Kollegen. Der Beamte sei verpflichtet, das Vertrauen der Allgemeinheit in eine sachgerechte Verwaltung und damit das Vertrauen in die Achtungswürdigkeit und die Integrität der Verwaltung zu wahren. Die Vertrauenswürdigkeit eines Beamten meine seine integre Stellung im innerdienstlichen Verhältnis zu seinem Dienstherrn. Sie bedeute die Gewähr des Dienstherrn über die dienstliche Zuverlässigkeit des Beamten, die darin bestehe, dass dieser seiner Dienstleistungspflicht ordnungsgemäß nachkomme und die ihm obliegenden besonderen Dienstpflichten beachte.

26

Neben den tatsächlichen bindenden Feststellungen des Landgerichts C-Stadt sei hinsichtlich des Vorwurfes zu Nr. 1 (versuchter sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen) festzustellen, dass dem Beamten die Erziehung und Fürsorge über die minderjährige Tochter seiner Ehefrau zugekommen sei. Der Beamte habe sich in der häuslichen Schutzatmosphäre unter Ausnutzung seiner Obhutsverhältnisse und des Zugneigungsbedürfnisses der minderjährigen Stieftochter ihr in eindeutiger sexueller Weise genähert, obwohl die Stieftochter mehrfach deutlich gemacht habe, dass sie die Annäherungsversuche nicht dulde.

27

Zu Nr. 2 des Disziplinarvorwurfs (Sich-Verschaffen und Besitz von kinderpornografischen Schriften) sei über die bindenden Ausführungen des Landgerichts festzustellen, dass der Beamte sich aus dem Internet über ein Tauschbörsenprogramm mindestens vier Filme mit Kinderpornografischen Inhalt besorgt und abgespeichert habe.

28

Die für die weitere Zusammenarbeit mit dem Beamten erforderliche Vertrauensgrundlage sei unwiederbringbar zerstört. Der Beamte habe im Kernbereich seiner Dienstpflichten versagt und damit gravierende Persönlichkeitsmängel offenbart.

29

Milderungs-, Rechtfertigungs- oder Schuldausschließungsgründe seien nicht gegeben. Insbesondere handele es sich bei den Verfehlungen des Beamten nicht um einmalige oder gelegentliche Handlungen.

IV.

30

Im gerichtlichen Verfahren verweist der Beamte in seiner Verteidigungsschrift auf seinen Schriftsatz vom 14.02.2012 (Bl. 193 Beiakte B) zur Vernehmung von Zeugen zum Beweis der Tatsache, dass die A. S. während einer Verhandlungspause im Landgericht C-Stadt erklärt habe, dass sie dem Beamten nur einen Denkzettel habe verpassen wollen, sie aber nicht gewollt habe, dass es soweit komme und dass die Geschädigte bei einem Volleyballturnier im September 2009 mitgeteilt habe, dass der Beamte ihr nichts getan habe. Außerdem beantragte der Beamte einen Bundeszentralregisterauszug zu der Tatsache, dass nur die Verurteilung durch das Landgericht C-Stadt eingetragen sei und eine schriftliche Auskunft der Staatsanwaltschaft C-Stadt belege, dass seit dem 06.02.2006 keine weiteren Ermittlungsverfahren gegen den Beamten eingeleitet worden seien.

31

In der mündlichen Verhandlung rügt er die Zuständigkeit des Gerichts. Denn nach § 81 Abs. 4 DG LSA seien weiter die Bestimmungen der DO LSA anzuwenden, sodass die Verfahrenskonzentrierung auf das Verwaltungsgericht Magdeburg nach § 45 DG LSA nicht gelte. Der Tathandlungen zum Vorwurf des versuchten sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen seien nicht hinreichend nachgewiesen.

32

Die Einleitungsbehörde widerspricht diesen Anträgen und verweist erneut auf die disziplinarrechtliche Bindungswirkung der strafgerichtlichen Feststellungen im Urteil. Die Geschädigte habe im Wesentlichen ihre früheren Aussagen bei den polizeilichen Vernehmungen wiederholt sowohl die über mehrere Jahre konstanten Aussagen der Geschädigten als auch die weiteren Zeugenaussagen seien durch das Amtsgericht W. und das Landgericht C-Stadt als glaubwürdig befunden und nachvollziehbar gewürdigt worden. Die gerichtliche Beweiswürdigung beleuchte dabei auch die Möglichkeit einer Falschbelastung des Angeschuldigten. Ungerechtfertigte Belastungstendenzen der Geschädigten seien durch die Gerichte in der Beweiswürdigung ausgeschlossen worden.

V.

33

1.) Das Disziplinarverfahren ist nach bisherigem Recht, d. h. nach der DO LSA fortzuführen (§ 81 Abs. 4 und 6 Disziplinargesetz Sachsen-Anhalt {DG LSA}). Denn die Einleitungsverfügung für das förmliche Disziplinarverfahren ist vor dem Inkrafttreten des DG LSA ergangen. Das angerufene Verwaltungsgericht ist als Disziplinargericht auch örtlich und sachlich zuständig (§ 45 DG LSA). Die Übergangsvorschrift in § 81 Abs. 4 Satz 2 DG LSA, wonach für die Anschuldigung und Durchführung des gerichtlichen Verfahrens ebenfalls bisheriges Recht gilt, begründet nicht etwa die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts C-Stadt. Denn mit der Bildung des Verwaltungsgerichts Magdeburg als alleiniges erstinstanzliches Disziplinargericht in Sachsen-Anhalt sind die zu diesem Zeitpunkt noch bestehenden disziplinarrechtlichen Zuständigkeiten der Verwaltungsgerichte C-Stadt und Dessau-Roßlau verloren gegangen. Die diesbezügliche Gerichtsbarkeit wurde aufgelöst (Gesetzesbegründung zu § 45 und § 82 {damalige Bezeichnung} DG LSA). Dafür streitet auch § 81 Abs. 6 Satz 1 DG LSA, wonach die bei Inkrafttreten des DG LSA bei den Disziplinarkammern anhängigen Verfahren auf das hiesige Gericht übergehen.

34

2.) Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 DO LSA ist die Disziplinarkammer an die tatsächlichen Feststellungen in dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts C-Stadt vom 24.01.2011 gebunden. Die Bindung der Disziplinargerichte an tatsächlichen Feststellungen in Urteilen, die in einem sachgleichen Strafverfahren ergangen sind, ist eine die Nutzung besserer Ermittlungsmöglichkeiten der Strafverfolgungsbehörden sichernde und zugleich das Auseinanderfallen von Entscheidungen verschiedener Gerichtsbarkeiten in ein und derselben Sache zu hindern bestimmte Ausnahme von der grundsätzlichen Freiheit der Gerichte bei der Feststellung des von ihnen unter bestimmten rechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilenden Sachverhalts (BVerwG, U. v. 08.04.1986, 1 D 145.85; juris).

35

Eine Lösung von den tatsächlichen Feststellungen des Strafurteils ist nur ausnahmsweise, unter eng begrenzten Voraussetzungen möglich. Die Disziplinargerichte dürfen die eigene Entscheidungsfreiheit nicht an die Stelle der Entscheidung des Strafgerichtes setzen. Strafgerichtliche Feststellungen, die auf einer nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungswerte verstoßenden Beweiswürdigung beruhen, sind daher auch dann für die Disziplinargerichte bindend, wenn diese aufgrund eigener Würdigung abweichende Feststellungen für möglich halten. Nur erhebliche Zweifel können daher zu einer nochmaligen Prüfung veranlassen. Die Disziplinargerichte haben auch nicht die Richtigkeit der Beweiswürdigung der Strafgerichte zu überprüfen, insbesondere nicht festzustellen, ob etwa Zeugen die Wahrheit gesagt haben oder nicht, sondern lediglich zu prüfen, ob dem Strafgericht bei dem Vorgang der Überzeugungsbildung elementare Fehler unterlaufen sind. Dies lässt es zu, dass andere Wertungen denkbar sind und zu einem anderen Ergebnis führen können. Die bloße Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs reicht für einen entsprechenden Lösungsbeschluss grundsätzlich nicht aus (vgl. BVerwG, U. v. 05.09.1990, 1 D 78.89; v. 07.10.1986, 1 D 46.86; OVG NRW, U. v. 29.10.1991, 1 V 10/89; VGH Baden-Württemberg, U. v. 18.06.2001, D 17 S 2/01; VG Regensburg, U. v. 09.12.2009, RO 10A DK 09.1074; VG Meiningen, U. v. 19.04.2010, 6 D 60014/09 Me; zuletzt: BVerwG, B. v. 15.05.2013, 2 B 22/12; VG Magdeburg, U. v. 29.01.2013, 8 A 22/12; alle juris).

36

Die Bindungswirkung erstreckt sich auf den inneren und äußeren Tatbestand der Straftat, also auch auf Vorsatz sowie die Schuldfähigkeit (vgl. zuletzt OVG Lüneburg, U. v. 05.12.2012, 19 LD 3/12; juris).

37

Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung hat die Disziplinarkammer keine Zweifel an der Richtigkeit der strafrichterlichen Feststellungen zum Tathergang des versuchten sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in drei Fällen. Das Tatgeschehen um den Besitz und des Sich-Verschaffens kinderpornografischer Schriften wird von dem Beklagten eingeräumt. Allein das Bestreiten des Beamten bzw. die Annahme, die Geschädigte habe vor Dritten eine andere Einschätzung der Tathandlungen vorgenommen u.a. angegeben, dass sie die Verurteilung des Beklagten nicht gewollt habe, reichen nicht aus, um einen Lösungsbeschluss nach § 17 Abs. 1 Satz 2 DO LSA herbeizuführen. Es ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die strafgerichtlichen Feststellungen auf einer gegen Denkgesetze und Erfahrungswerte verstoßenden Beweiswürdigung beruhen. Mit der Glaubwürdigkeit der Geschädigten haben sich das Amtsgericht W. wie auch das Landgericht C-Stadt auseinandergesetzt und dies in den Urteilen gewürdigt. So ist das Landgericht C-Stadt von den vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätzen ausgegangen, dass Zeugenaussagen zunächst als nicht wahr zu betrachten seien, bis sich genügend Indizien aufgefunden haben, die die Aussage bestätigen. Zudem liegen belastend die Tagebuchaufzeichnungen der Geschädigten, die immerhin als Nebenklägerin auftrat, vor. Der Vorwurf des Beamten zur mangelnden Tataufklärung verfängt daher nicht. Die Staatsanwaltschaft hat die Anklage ausdrücklich nur auf die drei so nachweisbaren Taten beschränkt. Es mag grundsätzlich sein, dass die Geschädigte die Verurteilung des Beklagten als immerhin ihren Stiefvater - später - nicht wollte und sie etwa Mitleid empfand; am Tatgeschehen ändert dies nichts. Zudem hat der Beamte in der mündlichen Verhandlung vor dem Disziplinargericht seine schriftsätzlich nur angekündigten Anträge nicht gestellt und die Disziplinarkammer sieht unter den geschilderten rechtlichen Gegebenheiten keinen Anlass, dem von Amts wegen nachzugehen.

38

3.) Danach steht auch disziplinarrechtlich fest, dass der Beamte die ihm zur Last gelegten Straftaten des versuchten sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen und des Sich-Verschaffens und des Besitzes von kinderpornografischen Schriften begangen hat. Diese Handlungen sind als außerdienstliche Pflichtenverletzungen anzusehen. Denn diese erfolgten außerhalb des Dienstes (vgl. zur Abgrenzung nur: VG Magdeburg, U. v. 29.01.2013, 8 A 22/12 MD, m. w. Nachw.; juris).

VI.

39

Bei Gesamtwürdigung der tatsächlichen Feststellungen, der Bewertung des Aktenmaterials sowie der Einlassung des Beamten und der durchgeführten Hauptverhandlung kommt die Disziplinarkammer zu der Überzeugung, dass der Beamte vorsätzlich und schuldhaft gegen seine beamtenrechtlichen Pflichten aus 54 Satz 3 BG LSA; § 34 Satz 3 BeamtStG verstoßen hat. Danach muss sein Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Beruf erfordert. Der Beamte hat ein solch schweres außerdienstliches Dienstvergehen (§ 77 Abs. 1 Satz 2 BG LSA; § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG) begangen, dass seine Weiterbeschäftigung für den Dienstherrn, aber auch für die Öffentlichkeit untragbar geworden ist. Das Vertrauensverhältnis zwischen dem Dienstherrn und der Allgemeinheit einerseits und dem Beamten andererseits ist unwiderruflich zerstört. Zudem ist das Verhalten des Beamten geeignet, einen erheblichen Ansehensverlust der Beamtenschaft in der Öffentlichkeit herbeizuführen. Demnach kommt nur die Entfernung aus dem Dienst in Betracht (§§ 5 Abs. 1 Nr. 5, 11 DO LSA).

40

1.) Ein Verhalten außerhalb des Dienstes ist nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen (§ 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG; § 77 Abs. 1 Satz 2 BG LSA). Zur Überzeugung des Disziplinargerichts liegen diese besonderen qualifizierenden Voraussetzungen zur Annahme eines (außerdienstlichen) Dienstvergehens vor.

41

a.) Vorliegend ist zunächst festzustellen, dass es sich um einen Altfall handelt, auf den das bis zum 31.03.2009 geltende BG LSA anzuwenden ist. Im Unterschied zu dem ab dem 01.04.2009 geltenden BeamtStG war das außerdienstliche Verhalten als Dienstvergehen tatbestandlich etwas anders formuliert. Spricht § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG „nur“ von der Vertrauensbeeinträchtigung verlangt § 77 Abs. 1 Satz 2 BG LSA noch die „Achtungs- und Vertrauensbeeinträchtigung“. Der mit der Gesetzesänderung nachvollzogene Wertungswandel bei der Beurteilung außerdienstlichen Verhaltens als Dienstvergehen entsprach aber bereits zum Tatzeitpunkt der Auslegung der seinerzeit geltenden Regelung in § 77 Abs. 1 Satz 2 BG LSA sowie den entsprechenden anderen landes- und bundesrechtlichen Vorschriften. Materiell-rechtlich günstigeres neues Recht ergibt sich daraus nicht (vgl. nur: BVerwG, U. v. 25.08.2008, 1 D 1.08; VG Berlin, U. v. 17.09.2012, 80 K 10.12 OL; beide juris). Auch wenn die Neufassung nach ihrem Wortlaut nicht mehr auf die „Achtung“, sondern nur noch auf das „Vertrauen“ abstellt, so hat sich dadurch nichts zugunsten des Beamten geändert. Denn „Vertrauen“ betrifft die Erwartung, dass sich der Beamte nicht nur aus der Sicht der Bürger (allgemeiner), sondern auch aus der Sicht seines Dienstherrn so verhält, wie es von ihm im Hinblick auf seine Dienstpflichten als berufserforderlich erwartet wird (vgl. BVerwG, U. v. 25.08.2009, 1 D 1.08 mit Verweis auf BT-Drs. 16/4027, S. 34 zu § 48 des Entwurfs; juris). Mit der Neuregelung der tatbestandlichen Voraussetzungen des außerdienstlichen Dienstvergehens wollte der Gesetzgeber den Wandel der gesellschaftlichen Anschauungen über die Stellung der Beamten Rechnung tragen. Demnach werden Beamte nicht mehr als Vorbild in allen Lebenslagen angesehen, die besonderen Anforderungen an Moral und Anstand unterliegen (BVerwG, U. v. 30.08.2000, 1 D 37.99; juris). In Reaktion auf diese Rechtsprechung erwähnt § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG den Ansehensverlust nicht mehr. In der Gesetzesbegründung wird hervorgehoben, dass die vorkonstitutionelle Auffassung, Beamte seien „immer im Dienst“, in dieser Allgemeinheit nicht mehr gelte. Es gehe allein um das Vertrauen in eine objektive, rechtmäßige und effiziente Aufgabenerfüllung (vgl.: BT-Drs. 16/4027). Das Berufsbeamtentum soll eine stabile gesetzestreue Verwaltung sichern, die freiheitlich demokratische Rechtsordnung verteidigen und durch Unabhängigkeit und Unparteilichkeit einen ausgleichenden Faktor gegenüber den das Staatsleben gestaltenden politischen Kräften darstellen. Das Vertrauen, dass der Beamte diesem Auftrag gerecht wird und dessen er zur Erfüllung seiner Aufgabe bedarf, darf der Beamte durch sein Verhalten nicht beeinträchtigen (BVerwG, U. v. 30.08.2000, 1 D 37.99; juris).

42

b.) Das Merkmal „in besonderem Maße“ bezieht sich auf die Eignung zur Achtungs- und Vertrauensbeeinträchtigung und ist nur erfüllt, wenn das Verhalten des Beamten in quantitativer oder qualitativer Hinsicht über das einer jeden Eignung vorausgesetzte Mindestmaß an Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung hinausgeht. Ist eine derart qualifizierte Möglichkeit der Beeinträchtigung gegeben, kommt es weiterhin darauf an, ob diese Beeinträchtigung bedeutsam wäre. Das Merkmal „in bedeutsamer Weise“ bezieht sich auf den „Erfolg“ der möglichen Achtungs- und Vertrauensbeeinträchtigung. Die zur Beeinträchtigung in besonderem Maße geeignete Pflichtenverletzung weist Bedeutsamkeit auf, wenn sie in qualitativer oder quantitativer Hinsicht das einer jeden außerdienstlichen Pflichtverletzung innewohnende Maß an disziplinarrechtlicher Relevanz deutlich überschreitet (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 08.05.2001, 1 D 20.00; juris). Die Beeinträchtigung der Achtung und des Vertrauens muss sich entweder auf das Amt des Beamten im konkret-funktionellen Sinne (Dienstposten), d. h. auf die Erfüllung der dem Beamten konkret obliegenden Dienstpflichten oder auf das Ansehen des Berufsbeamtentums als Sachwalter einer stabilen und gesetzestreuen Verwaltung beziehen (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 30.08.2000, 1 D 37.99; Urt. v. 12.12.2001, 1 D 4.01; Urt. v. 25.08.2009, 1 D 1.08; Urt. v. 19.08.2010, 2 C 13.10; Urt. v. 28.07.2011, 2 C 16.10; alle juris).

43

Der somit zu fordernde Dienstbezug ist gegeben, wenn das außerdienstliche Verhalten Rückschlüsse auf die Dienstausübung in dem Amt im konkret-funktionellen Sinn zulässt oder den Beamten in der Dienstausübung beeinträchtigt. Zur Überzeugung des Disziplinargerichts sind diese Voraussetzungen des Dienstbezuges, im vorliegenden Fall gegeben (so auch: OVG Rheinland-Pfalz, U. v. 27.02.2013, 3 A 1103/12; zu einem Zollinspektor der Finanzkontrolle Schwarzarbeit; OVG Saarland, U. v. 29.09.2009, 7 A 323/09, beide juris).

44

Als Polizeibeamter gehört der Beamte einer Berufsgruppe an, die zum einen Straftaten verfolgen und nicht selbst zu begehen haben und zum anderen unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der sexuellen Integrität von Kindern und Jugendlichen besonders in die Pflicht genommen und zu vorbildlichen Verhalten aufgerufen sind. Auch ein Polizeibeamter gehört zum Beispiel neben der Berufsgruppe der Lehrer, Pädagogen und Erzieher zu dem Personenkreis, von dem die Allgemeinheit ein hohes Maß an Sensibilität und Verantwortungsbewusstsein erwartet, wenn es um Straftaten zum Nachteil junger Menschen geht auch wenn einem Polizeibeamten anders als etwa bei einem Lehrer oder Erzieher die Kinder und Jugendlichen nicht stetig und unmittelbar zur Sorge und Erziehung anvertraut wurden. Gleichwohl handelt auch und gerade ein im öffentlichen Bereich tätiger Polizeibeamter zum Schutze der Kinder und Jugendlichen.

45

Die Achtung vor einem Beamten, der sich der hier in Rede stehenden Straftat schuldig gemacht hat, ist ebenso wie das in ihn gesetzte Vertrauen wesentlich beeinträchtigt; sein außerdienstliches Verhalten ist somit in jeder Weise für das von ihm ausgeübte Amt bedeutsam. Die übersieht die Rechtsauffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (U. v. 17.11.2011, 16 a D 10.2504; juris).

46

2.) Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich nach der Schwere des Dienstvergehens, dem Persönlichkeitsbild des Beamten sowie dem Umfang der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung. Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ist regelmäßig dann auszusprechen, wenn der Beamte durch ein schweres Dienstvergehen, das für die weitere dienstliche Tätigkeit notwendige Vertrauensverhältnis zwischen ihm und dem Dienstherrn aber auch der Allgemeinheit endgültig zerstört hat (vgl. nur: BVerwG, Urt. v. 20.10.2005, 2 C 12.04 und Urt. v. 19.08.2010, 2 C 13.10; beide juris). Dabei weist das Disziplinargericht darauf hin, dass, obwohl die DO LSA anders als das DG LSA in § 13 diese Grundsätze nicht ausdrücklich normierte, diese Bemessungsregelungen stets Ausgangspunkt der disziplinarrechtlichen Rechtsprechung waren und sind (VG Magdeburg, U. v. 29.01.2013, 8 A 22/12; juris). Zumal diese prognostische Gesamtbewertung im Bundesdisziplinargesetz stets in § 13 geregelt war (vgl. nur: BVerwG, Urteil v. 20.10.2005, 2 C 12.04; juris).

47

a.) Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich nach objektiven Handlungsmerkmalen wie Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, den besonderen Umständen der Tatbegehung sowie Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens, nach subjektiven Handlungsmerkmalen wie Form und Gewicht des Verschuldens des Beamten, den Beweggründen für sein Verhalten sowie nach den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte. Davon ausgehend kommt es darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Maßnahme geboten ist. Eine vollständige und richtige Gesamtwürdigung setzt voraus, dass die Disziplinarkammer die im Einzelfall bemessungsrelevanten, d. h. die für die Schwere des Dienstvergehens und das Persönlichkeitsbild bedeutsamen Tatsachen ermittelt und mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Gesamtbewertung einbezieht. Dies entspricht dem Zweck der Disziplinarbefugnis des Disziplinargerichts als einem Mittel der Funktionssicherheit des öffentlichen Dienstes. Dabei findet der Grundsatz „in dubio pro reo“ Anwendung. Die Disziplinargerichte dürfen nur solche belastenden Tatsachen in die Gesamtwürdigung einstellen, die zur Überzeugung des Gerichts feststehen. Demgegenüber müssen entlastende (mildernde) Umstände schon dann zu Gunsten des Beamten berücksichtigt werden, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für ihr Vorliegen gegeben sind und eine weitere Sachverhaltsaufklärung nicht möglich ist (vgl. nur: VG Magdeburg, Urteil v. 27.10.2011, 8 A 2/11 mit Verweis auf BVerwG, U. v. 27.01.2011, 2 A 5.09; jüngst BVerwG, Urteil v. 29.03.2012, 2 A 11/10, OVG Lüneburg, Urteil v. 14.11.2012, 19 LD 4/11; zuletzt ausführlich; VG Magdeburg, Urteil v. 29.11.2012, 8 A 12/11; alle juris).

48

Ein endgültiger Verlust des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit (vgl. § 13 Abs. 2 Satz 1 DG LSA) ist anzunehmen, wenn aufgrund der prognostischen Gesamtwürdigung auf der Grundlage aller im Einzelfall bedeutsamen be- und entlastenden Gesichtspunkte der Schluss gezogen werden muss, der Beamte werde auch künftig in erheblicher Weise gegen seine Dienstpflichten verstoßen oder die durch sein Fehlverhalten herbeigeführte Schädigung des Ansehens des Berufsbeamtentums sei bei einer Fortsetzung des Beamtenverhältnisses nicht wieder gutzumachen. Unter diesen Voraussetzungen muss das Beamtenverhältnis im Interesse der Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und der Integrität des Berufsbeamtentums beendet werden (BVerwG, Urteil v. 29.03.2012, 2 A 11.10 mit Verweis auf Urteile v. 20.10.2005, 2 C 12.04, v. 03.05.2007, 2 C 9.06 und v. 29.05.2008, 2 C 59.07; alle juris).

49

Die Feststellung dieser für das berufliche Schicksal des Beamten und die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes in gleicher Weise bedeutsamen Voraussetzungen hat der Gesetzgeber in die Hand der Disziplinargerichte gelegt. Sie haben auf der Grundlage ihrer im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung aus einem umfassend aufgeklärten Sachverhalt zu bildenden Überzeugung eine Prognose über die weitere Vertrauenswürdigkeit des Beamten abzugeben. Fällt diese negativ aus, ist der Beamte aus dem Dienst zu entfernen, denn anders als bei den übrigen Disziplinarmaßnahmen besteht insoweit kein Ermessen.

50

b.) Setzt sich das (einheitliche) Dienstvergehen (vgl. zur Einheit des Dienstvergehens nur: VG Magdeburg, Urteil v. 04.11.2009, 8 A 19/08 m. w. Nachw.; juris) aus mehreren Dienstpflichtverletzungen zusammen, bestimmt sich die zu verhängende Disziplinarmaßnahme in erster Linie nach der schwersten Verfehlung (BVerwG, Urteil v. 23.02.2005, 1 D 1.04; juris). Vorliegend wiegen beide vorgeworfenen Pflichtverletzungen (gleich) schwer.

51

3.) Für das danach zu findende Disziplinarmaß können die von der disziplinarrechtlichen Rechtsprechung für bestimmte Fallgruppen herausgearbeiteten Regeleinstufungen von Bedeutung sein (BVerwG, Urteil v. 29.03.2012, 2 A 11/10 mit Verweis auf Urteile v. 20.10.2005, 2 C 12.04 und v. 03.05.2007, 2 C 9.06, alle juris).

52

Hinsichtlich der disziplinarrechtlichen Bewertung des dem Beamten zur Last gelegten Strafdelikts des versuchten sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen (§ 174 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 StGB) hat die disziplinarrechtlichen Rechtsprechung - soweit erkennbar - keine Regeleinstufung als sog. „Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen“ entwickelt. Die Variationsbreite, in der solche Dienstvergehen denkbar sind, ist zu groß, als dass sie einheitlichen Regeln unterliegen und in ihren Auswirkungen auf das Vertrauen gleichermaßen eingestuft werden können. Stets sind die besonderen Umstände des Einzelfalls maßgebend (VG Münster, Urteil v. 03.11.2010, 13 K 871/10.O; juris). Danach sind in der disziplinarrechtlichen Rechtsprechung unterschiedliche Fallkonstellationen zu finden (vg. VG Magdeburg, Urteil v. 29.01.2013, 8 A 22/12; juris).

53

a.) Das Bundesverwaltungsgericht führt in dem Urteil vom 25.03.2010 (2 C 83.08; juris) aus, dass ein außerdienstlich begangenes Sexualdelikt nach § 176 StGB (sexueller Missbrauch von Kindern) in besonderem Maße geeignet ist, Achtung und Vertrauen der Allgemeinheit gegenüber dem Beamten in einer für sein Amt und das Ansehen des öffentlichen Dienstes bedeutsamen Weise gravierend zu beeinträchtigen. Der sexuelle Missbrauch eines Kindes ist aufgrund der Schwere des Fehlverhaltens und der damit verbundenen Ansehensschädigung auch dann geeignet, die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu rechtfertigen, wenn die Tat keinen dienstlichen Bezug aufweist. Vorliegend ist dieser, dem dortigen Fall zu Grunde liegende Tatbestand des § 176 StGB jedoch mit dem hier einschlägigen Tatbestand des § 174 StGB (sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen) nicht zwingend zu vergleichen. Dies bereits deswegen, weil die am 30.01.1990 geborene geschädigte Stieftochter zum Tatzeitpunkt im Jahre 2004 das vierzehnte Lebensjahr vollendete und damit nicht mehr als Kind unter 14 Jahren gemäß der Definition nach § 176 StGB anzusehen ist.

54

b.) In einer Entscheidung des Wehrdienstsenates des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.07.2010 (2 WD 5.09; juris) wird ausgeführt, dass es der Rechtsprechung des Senates entspreche, dass beim sexuellen Missbrauch eines Kindes oder der sexuellen Nötigung eines Jugendlichen ein Soldat für die Bundeswehr im Grundsatz untragbar geworden ist (Verweis auf die Urteile vom 18.07.2001, 2 WD 51.00 und vom 29.01.1991, 2 WD 18.90; juris). Nur in minderschweren Fällen oder bei Vorliegen besonderer Milderungsgründe könne der Soldat im Dienstverhältnis verbleiben. Die Gleichstellung beider Delikte und der damit verbundene Grad der Vertrauensbeeinträchtigung, wird mit dem Einfluss auf die sittliche Entwicklung eines jungen Menschen zur harmonischen Entwicklung zur Gesamtpersönlichkeit begründet.

55

c.) Im Fall einer (bloßen) sexuellen Belästigung (also kein Straftatbestand der sexuellen Nötigung) durch einen vorgesetzten Soldaten hat der Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil v. 01.03.2007, 2 WD 4.06; juris) auch wegen der Einstellung der strafrechtlichen Ermittlungen die Disziplinarmaßnahme der Kürzung der Dienstbezüge als geboten angesehen.

56

d.) Dem Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 09.12.2009 (RO 10 A DK 09.1074; juris) ist die Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung zu entnehmen. Dort wurden dem Polizeibeamten mehrere außerdienstliche sexualbezogene und andere Pflichtverletzungen zur Last gelegt (Weitergabe von Informationen aus dem Polizeicomputer; Versendung einer Nacktaufnahme, die ihn nackt auf einem Ecksofa sitzend mit erigiertem Penis zeigt; Körperverletzung und sexuelle Nötigung einer Frau gegenüber). Der Beamte wurde zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt. Dort setzt sich das Gericht mit der im Einzelfall notwendigen Bewertung der zur sexuellen Nötigung geführten Tatumstände auseinander, wie Intensität und Dauer der Handlung und hier die Besonderheit, dass die Geschädigte trotz Übersendung der Nacktbilder den Beamten später traf.

57

e.) Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (U. v. 18.06.2001, D 17 S 2/01; juris) sprach einem im Ruhestand befindlichen Lehrer das Ruhegehalt ab, weil er sich zu Zeiten seines aktiven Dienstes der sexuellen Nötigung seiner minderjährigen Tochter strafbar gemacht hat. Auch dort wurde der Beamte zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt. Der VGH geht hier von der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme aus. Denn auch die Entfernung aus dem Dienst sei gerechtfertigt gewesen. Das Gericht führt aus, dass die Disziplinargerichte bei der Frage nach der angemessenen disziplinarrechtlichen Reaktion auf das Dienstvergehen nicht an die strafrechtlichen Zumessungserwägungen gebunden seien bzw. sich auch nicht daran zu orientieren hätten.

58

f.). In dem Urteil vom 09.03.2006 (DL 16 S 4/06; juris) führt der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg aus, dass ein sogenanntes Kernbereichsversagen eines Polizeibeamten im sittlichen Bereich noch nicht dazu führt, dass „regelmäßig“ die Höchstmaßnahme zu verhängen wäre, geht aber auch davon aus, dass in diesen Fällen typischerweise die Entfernung in Betracht zu ziehen ist und nimmt eine Einzelfallbetrachtung vor.

59

g.) Das Verwaltungsgericht Karlsruhe führt in einem Urteil vom 07.12.2009 (DL 13 K 598/09; juris) im Fall einer vorläufigen Dienstenthebung (nach der dortigen Gesetzeslage als Klage ausgestaltet) aus, dass voraussichtlich eine Entfernung angebracht sei, weil der verbeamtete Lehrer Fotos von Schülern fertigte und ins Internet stellte. Zudem sprach er Schülerinnen direkt an, um Fotoaufnahmen und Videoclips zu drehen. Infolgedessen kam es auch zu beleidigenden sexuellen Übergriffen. Weiter ist entscheidend, dass es sich um einen Pädagogen handelte, der auf den Entwicklungs- und Reifeprozess seiner Schüler Einfluss nahm.

60

h.) Von der Höchstmaßnahme geht auch das Verwaltungsgericht Berlin in einer jüngeren Entscheidung vom 28.08.2012 (80 K 2.12 OL; juris) aus. Dort handelte es sich um einen Polizeibeamten, der mehrere Pflichtverletzungen begangen hat (unberechtigte Polizeiabfragen; Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung).

61

i.) Das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 17.09.2012, (80 K 10.12 OL; juris) ist nur unter den dortigen Besonderheiten des Landesdisziplinargesetzes zu verstehen. Dort ging das Gericht zwar von der Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung wegen der strafrechtlichen Verurteilung nach § 176 StGB aus, sah jedoch neben der strafrechtlichen Verurteilung eine zusätzliche disziplinarrechtliche Pflichtenmahnung als nicht erforderlich an.

62

4.) Im Bezug auf strafbares außerdienstliches Verhalten betont das Bundesverwaltungsgericht in der neuerlichen Rechtsprechung die Bedeutung der gesetzlichen Strafandrohung für die Maßnahmebemessung (BVerwG, U. v. 25.03.2010, 2 C 83.08, U. v. 19.08.2010, 2 C 5.10 und 2 C 13.10, B. v. 21.12.2010, 2 B 29.10; juris). Die Anknüpfung an den Strafrahmen gewährleistet eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarrechtliche Ahndung von Dienstvergehen. Dabei hat das Bundesverwaltungsgericht bei einem Strafrahmen von bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe bei Fehlen jeglichen Dienstbezuges allenfalls eine Disziplinarmaßnahme im unteren Bereich für angemessen erachtet und bei einem Strafrahmen von bis zu zwei Jahren die Zurückstufung als Orientierungsrahmen angesehen. Kommt ein Dienstbezug hinzu, so kann der Orientierungsrahmen bei einem Strafrahmen bis zu einem Jahr ebenfalls die Zurückstufung, bei einem Strafrahmen bis zu zwei Jahren, sogar die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis sein.

63

Vorliegend beträgt der Strafrahmen des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen (§ 174 StGB) Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren bzw. in den Fällen des Abs. 2 bis zu 3 Jahren, wobei der Versuch strafbar ist. Auch bei einem Versuch beträgt der Strafrahmen nach den §§ 22, 23, 49 Abs. 1 Nr. 2, 3 StGB immer noch eine Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 9 Monaten, nämlich dreiviertel von fünf Jahren.

64

Hinsichtlich des weiteren vom Beamten begangenen Delikts des Erwerbs und des Besitzes kinderpornografischer Schriften nach § 184 b Abs. 4 StPO beträgt der Strafrahmen Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren.

65

5.) Für die disziplinarrechtliche Ahnung des außerdienstlichen Besitzes von Kinderpornografie hat das Bundesverwaltungsgericht aus dem seit 2004 geltenden angehobenen Strafrahmen des § 184 b Abs. 4 StGB von bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe geschlossen, das für die Maßnahmenbemessung jedenfalls dann auf einen Orientierungsrahmen bis zur Zurückstufung abzustellen ist, wenn das Dienstvergehen keinen Bezug zu den dienstlichen Aufgaben des Beamten aufweist (BVerwG, Beschluss vom 26.06.2012, 2 B 28.12 mit Verweis auf Urteil vom 19.08.2010, 2 C 13.C; beide juris). Wobei dann im Einzelfall auch gewichtige Erschwernisgründe die Höchstmaßnahme rechtfertigen, wie z. B. die kinderpornografischen Schriften nicht nur besessen sondern auch zugänglich gemacht zu haben (BVerwG, B. v. 26.06.2012, 2 B 28.12; juris). Tritt ein Dienstbezug, etwa bei Lehrern und Pädagogen, hinzu, reicht der Orientierungsrahmen bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (BVerwG, U. v. 19.08.2010, 2 C.5.10; B. v. 25.05.2012, 2 B 133.11; alle juris).

66

Nach der neuerlichen straf- und disziplinarrechtlichen Rechtsprechung wiegen das Sich-Verschaffen und der Besitz kinderpornografischer Dateien bereits nach ihrer Eigenart schwer. Denn entscheidend für den strafrechtlichen Unrechtsgehalt dieser Taten und den sich daraus ergebenden disziplinarrechtlichen Folgewirkungen ist der Umstand, dass der Besitz, das Verschaffen und das Weiterleiten kinderpornografischer Bilddateien das an den Kindern begangene kriminelle und sittliche Unrecht bei der Erstellung der Bilder perpetuiert, das heißt fortgesetzt wird. Denn ohne das Vorhandensein eines solchen Marktes, auf dem derartige Bilder angeboten werden, würden diese bereits nicht erstellt werden. Der durch den Besitz und das Verschaffen derartiger Bildmaterialien sich fortsetzende sexuelle Missbrauch an den Kindern greift in den sittlichen Reifeprozess eines jungen Menschen ein und gefährdet die harmonische Entwicklung einer Gesamtpersönlichkeit sowie die Einordnung des Kindes in die Gemeinschaft. Denn ein Kind oder Jugendlicher kann wegen seiner fehlenden bzw. noch nicht hinreichenden Reife das sexuell Erlebte intellektuell und gefühlsmäßig in der Regel gar nicht oder nur sehr schwer verarbeiten. Bildmaterial, das den sexuellen Missbrauch von Kindern durch diesbezüglich skrupellose Erwachsene wiedergibt, degradiert die sexuell missbrauchten Kinder zum jeweils bloßen auswechselbaren Objekt geschlechtlicher Begierde und verstößt damit gegen die unantastbare Menschwürde gemäß Art. 1 Abs. 1 GG. Denn die Kinder werden für die Erregung sexueller Reize beim Betrachter ausgenutzt. Kinderpornografie geht eindeutig über die nach den gesellschaftlichen Anschauungen und Wertvorstellungen des sexuellen Anstandes gezogenen, dem Menschenbild des Grundgesetzes entsprechenden Grenzen hinaus. Der sexuelle Missbrauch eines Kindes oder Jugendlichen ist im höchsten Maße persönlichkeits- und sozialschädlich. Der Täter benutzt die Person eines Kindes oder Jugendlichen als „Mittel“ zur Befriedigung seines Geschlechtstriebes. Dies auch dann, wenn er sich an dem jeweiligen bildlich dargestellten Opfer nicht selbst unmittelbar vergreift. Damit mach er sich aber ebenfalls für die mit der Herstellung von Kinderpornografie zwangsläufig verbundenen gravierenden Verletzungen an Leib und Seele der hierbei missbrauchten Kinder verantwortlich (absolut herrschende Rechtsprechung: vgl. nur: BVerwG, Urt. vom 06.07.2000, 2 WD 9.00; BVerwG, Urt. vom 19.08.2010, 2 C 13.10; OVG Lüneburg, Urt. vom 08.02.2012, 19 LD 10/09; VGH Baden-Württemberg, Urt. vom 20.06.2012, DL 13 S 155/12; BayVGH, Urt. vom 17.11.2011, 16 a D 10.2504; jeweils m. w. N. und alle juris).

67

Hinsichtlich der Schwere des Dienstvergehens und der Bestimmung des Disziplinarmaßes bei dem Besitz kinderpornografischer Schriften ist weiter auf die Anzahl der Bilder (a. A.: OVG LSA, Urt. v. 05.11.2009, 10 L 3/09; juris), die Häufigkeit des Herunterladens sowie die in den Bildern oder Videos hinsichtlich ihrer Ausführungsart dargestellten sexuellen Handlungen abzustellen (BVerwG, Urt. v. 19.08.2010, 2 C 13.10; vgl. zu einem einmaligen innerdienstlichen Herunterladen kinderpornografischer Inhalte: BayVGH, Urt. v. 17.11.2011, 16a D 10.2504; alle juris).

68

Mit der – zudem disziplinarrechtlich bindenden – tatbestandlichen Feststellung in dem Urteil des Landgerichts C-Stadt vom 24.01.2011, steht fest, dass von 180 Bild- und Videodateien regelrechten kinderpornografischen Inhalts auszugehen ist. Demnach handelt es sich nicht nur um eine kleine unbeachtliche Anzahl.

69

Vorliegend kommt erschwerend der bei einem Polizeibeamten zu sehende Dienstbezug hinzu,

70

6.) Alle demnach zu findenden Orientierungsrahmen für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme entbinden die Disziplinargerichte jedenfalls nicht davon, die Umstände des Einzelfalls ausreichend zu würdigen (BVerwG, U. v. 25.03.2010, 2 C 83.08; juris). Für die Zumessungsentscheidung müssen die in § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 DG LSA genannten Bemessungskriterien mit dem ihnen zukommenden Gewicht ermittelt und eingestellt werden. Dieses Erfordernis beruht auf dem im Disziplinarverfahren geltenden Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Unabhängig von der eigentlichen Schwere des Dienstvergehens sind bemessungsrelevant solche Umstände, die auch nach der Wertung im Strafrecht zu berücksichtigen sind, etwa die Intensität und Häufigkeit der sexuellen Beziehungen und die Folgen für das Kind, wie dies auch durch die in § 176 Abs. 3, 176 a und § 176 b StGB zum Ausdruck kommt. Strafverschärfende Qualifikationen, etwa § 176 a Abs. 2 Nr. 3 StGB müssen dabei von dem Strafgericht festgestellt werden. Der Umstand, dass derartige negative Folgewirkungen hinsichtlich eines seelischen und körperlichen Schadens nicht ausgeschlossen werden können, genügen für die disziplinarrechtliche Bewertung nicht; (insoweit unklar: OVG LSA, U. v. 12.09.2006, 10 L 4/06; juris). In derartigen Fällen muss das Disziplinargericht mangels tatsächlicher Feststellungen durch das Strafgericht selbst ermitteln (BVerwG, U. v. 25.03.2010, 2 C 83.08; juris).

71

Für die, nach Auswertung dieser disziplinarrechtlichen Rechtsprechung, hier im Einzelfall vorzunehmende disziplinarrechtliche Bewertung ist für das erkennende Gericht bedeutsam, dass der Beamte die Straftat des versuchten sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen unter Ausnutzung seiner Vertrauens- und Fürsorgestellung als Stiefvater gegenüber der Stieftochter und des Zuneigungsbedürfnisses derselben wiederholt und im besonders geschützten häuslichen Bereich beging und obwohl die Geschädigte dies abwehrte. Dabei ist auch weniger entscheidend, dass es sich nach den tatbestandlichen Feststellungen jeweils „nur“ um versuchte Taten handelte und es der Geschädigten gelang, die - vollendeten - Missbräuche jeweils abzuwenden. Dies kann dem Beklagten – disziplinarrechtlich – nicht zum Vorteil gereichen. Denn das Disziplinarrecht kennt keine versuchte Dienstpflichtverletzung (VG Magdeburg, Urteil v. 14.02.2012, 8 A 6/11; juris). Disziplinarrechtlich belastet deshalb ein Dienstvergehen als versuchte Straftat einen Beamten grundsätzlich genauso wie eine vollendete Straftat. Etwas anders kann nur dann gelten, wenn der Nichteintritt des Taterfolges auf zurechenbarem Verhalten des Beamten beruhte (BVerwG, Urteil v. 21.06.2011, 2 WD 10.10; Urteil v. 14.10.2009, 2 WD 16.08 beide juris). Dies ist hier gerade nicht der Fall.

72

Erschwerend wirkt, dass der Beamte mit dem Besitz und dem Sich-Verschaffen kinderpornografischen Schriften eine weitere Sexualstraftat beging. Beide Sexualstraftaten zeigen die Probleme des Beamten im Umgang mit der sexuellen Selbstbestimmung anderer Personen und hier gerade gegenüber Kindern und Jugendlichen.

73

7.) Ist damit aufgrund der Schwere der Dienstpflichtverletzungen und des einheitlichen Dienstvergehens generell von der Maßnahme der Entfernung aus dem Dienst auszugehen, ist zu fragen, ob gewichtige Milderungsgründe eine darunter liegende Disziplinarmaßnahme (noch) rechtfertigen können.

74

Dies ist dann der Fall, wenn zu Gunsten des Beamten gewichtige Entlastungsgründe (Milderungsgründe) zu berücksichtigen sind, die den Schluss rechtfertigen, dass das dem Beamten vom Dienstherrn und der Allgemeinheit entgegengebrachte Vertrauen noch nicht endgültig verloren ist. Solche Gründe stellen zum einen die von der Rechtsprechung bezüglich der sog. Zugriffsdelikte entwickelten und anerkannten Milderungsgründe dar, die besondere menschliche Konfliktsituationen beschreiben. Hierzu zählen etwa das Handeln in einer existenziellen wirtschaftlichen Notlage oder einer körperlichen oder psychischen Ausnahmesituation oder besonderen Versuchssituationen oder eine persönlichkeitsfremde Einzelverfehlung des Beamten wie auch „Entgleisungen“ während einer negativen, inzwischen überwundenen, durch Alkohol, Drogen oder Schicksalsschlägen bedingte Lebensphase. Der Milderungsgrund der Geringwertigkeit eines verursachten Schadens oder des geldlichen Vorteils der Handlung wird bei etwa 50,00 Euro gezogen. Auch besondere die Dienstpflichtverletzung begünstigende Handlungen und mangelnde Kontrollen des Dienstherrn können im Einzelfall wie ein besonderes Nachtatverhalten die Schwere der Verfehlung mildern. Zeitlich überlange Disziplinarverfahren können wegen des disziplinarrechtlichen Beschleunigungsgebotes und der mit dem Disziplinarverfahren verbundenen persönlichen Belastungen jedenfalls bei Maßnahmen der Pflichtenmahnung berücksichtigt werden. Entlastungsgründe können sich aber zum anderen auch aus allen Besonderheiten ergeben, die es im Einzelfall wegen der persönlichkeitsbedingten an § 13 DG LSA zu orientierenden Prognoseentscheidung gebieten, von der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahmen Abstand zu nehmen. Die entlastenden Gründe sind nicht (mehr) allein auf den in der Rechtsprechung entwickelten Kanon der anerkannten Milderungsgründe beschränkt (BVerwG, Urteil v. 29.03.2012, 2 A 11.10, m. w. Nachw.; juris). Diese Besonderheiten müssen aber in ihrer Gesamtheit geeignet sein, die Schwere des Pflichtenverstoßes erheblich herabzusetzen. Generell gilt, dass das Gewicht der Entlastungsgründe umso größer sein muss, je schwerer das Delikt aufgrund der Schadenshöhe sowie der Tatumstände, wie Anzahl, Häufigkeit, Zeitraum, Verschiedenartigkeit und Tatausführung wiegt (im Ganzen ausführlich: VG Magdeburg, Urt. v. 29.11.2012, 8 A 12/11, v. 31.03.2011, 8 A 2/10 MD und v. 27.10.2011, 8 A 2/11, mit Verweis auf BVerwG, Urt. v. 24.05.2007, 2 C 28.06, Urt. v. 06.06.2007, 1 D 2.06, Urt. v. 29.05.2008, 2 C 59.07; Bayr. VGH, Urt. v. 27.10.2010, 16 aD 09.2470; OVG Lüneburg, Urt. v. 08.02.2011, 6 LD 4/08; alle juris). Auch eine dienstliche Überlastung kann einen Milderungsgrund darstellen (VG Magdeburg, Urteil v. 29.01.2013, 8 A 5/11; juris).

75

In diesem Sinne durchgreifende besondere Umstände, die ein Absehen von der schwerwiegendsten und eine mildere Disziplinarmaßnahme rechtfertigen würden, vermag das Disziplinargericht nicht zu erkennen und sind auch nicht vorgetragen. Aufgrund des mehrfachen Versuchs des sexuellen Missbrauchs der Stieftochter kann nicht von einer einmaligen Gelegenheitstat oder einem persönlichkeitsfremden „Ausrutscher“ ausgegangen werden. Der Beamte handelte nicht in einer besonderen Versuchssituation, etwa weil die Stieftochter ihn „aufgereizt“ oder sonst wie zu sexuellen Handlungen animiert oder die häuslichen Gepflogenheiten im Bereich des sexuellen Umgangs die Tat begünstigt hätten, wobei er auch dann „Herr seiner Triebe“ bleiben muss, weshalb diese Umstände nur bedingt milderungsgeeignet gewesen wären.

76

Hinsichtlich der - eingetretenen - Vertrauensbeeinträchtigung ist auch nicht entscheidend, dass der Beamte im Folgezeitraum nicht mehr auffällig wurde, zu dessen Beweis wohl der Bundeszentralregisterauszug dienen soll. Die prognostische Frage nach dem Umfang der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit (§ 13 DG LSA) betrifft die Erwartung, dass sich der Beamte aus der Sicht des Dienstherrn und der Allgemeinheit so verhält, wie es von ihm im Hinblick auf seine Dienstpflichten als berufserforderlich erwartet wird. Das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit in die Person des Beamten bezieht sich in erster Linie auf dessen allgemeinen Status als Beamter (vgl. BVerwG, Urteil v. 20.01.2004, 1 D 33.02; juris), daneben aber auch auf dessen konkreten Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung und auf dessen konkret ausgeübte Funktion, z. B. als Vorgesetzter. Ob und gegebenenfalls inwieweit eine Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn vorliegt, ist nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen. Entscheidend ist nicht die subjektive Einschätzung des jeweiligen Dienstvorgesetzten, sondern die Frage, inwieweit der Dienstherr bei objektiver Gewichtung des Dienstvergehens auf der Basis der festgestellten belastenden und entlastenden Umstände noch darauf vertrauen kann, dass der Beamte in Zukunft seinen Dienstpflichten ordnungsgemäß nachkommen wird. Entscheidungsmaßstab ist insoweit, in welchem Umfang die Allgemeinheit dem Beamten noch Vertrauen in eine zukünftig pflichtgemäße Amtsausübung entgegenbringen würde. Dies unterliegt uneingeschränkter verwaltungsgerichtlicher Nachprüfung (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urteil v. 29.03.2012, 2 A 11.10 mit Verweis auf Urteile v. 20.10.2005, 2 C 12.04, v. 03.05.2007, 2 C 9.06 und v. 29.05.2008, 2 C 59.07; zuletzt: VG Magdeburg, Urteil v. 30.04.2013, 8 A 18/12; alle juris).

77

Auch rechtfertigen weder die zugegeben lange Dauer des Disziplinarverfahrens noch das lange Zurückliegen des Dienstvergehens, von der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis abzusehen, wenn diese Maßnahme geboten ist. Dies steht auch der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte oder den Vorschriften des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24.11.2011 nicht entgegen (ständige Rechtsprechung BVerwG: vgl. nur zuletzt: Urteil v. 29.03.2012, 2 A 11/10; bestätigt durch BVerfG, Beschluss v. 28.01.2013, 2 BvR 1912/12; beide juris). Zwar kann eine pflichtenmahnende Disziplinarmaßnahme in diesen Fällen unvereinbar mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit werden. Bei Fortbestand des Beamtenverhältnisses kann das durch ein Dienstvergehen ausgelöste Sanktionsbedürfnis gemindert werden oder sogar entfallen, weil die mit dem Disziplinarverfahren verbundenen wirtschaftlichen und dienstlichen Nachteile positiv auf den Beamten eingewirkt haben, sodass sie eine günstigere Persönlichkeitsprognose ermöglichen. Demgegenüber geht es bei der Dienstentfernung darum, das Beamtenverhältnis in Fällen besonders schwerwiegender Dienstvergehen zu beenden, weil der Beamte im öffentlichen Dienst untragbar geworden ist. An dem endgültigen Vertrauensverlust, den er durch sein Fehlverhalten herbeigeführt hat, vermögen eine lange Verfahrensdauer oder ein langes Zurückliegen des Dienstvergehens nichts zu ändern. Das verlorene Vertrauen kann nicht durch Zeitablauf wiederhergestellt werden (BVerfG, Beschl. v. 04.10.1977, 2 BvR 80/77; Beschl. v. 09.08.2006, 2 BvR 1002/05; alle juris). Diesen Unterschied hat der Gesetzgeber auch dadurch zum Ausdruck gebracht, dass er in § 15 DG - wie BDG - die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis im Gegensatz zu allen anderen Disziplinarmaßnahmen vom Maßnahmeverbot wegen Zeitablaufs ausgenommen hat (vgl. zusammenfassend: BVerwG, Urteil v. 29.03.2012, 2 A 11/10; zuletzt: VG Magdeburg, Urteil v. 29.01.2013, 8 A 5/11; alle juris). Zudem sind die Verzögerungen den gerichtlichen Instanzenzügen geschuldet gewesen und sind nicht von der Einleitungsbehörde zu vertreten. Denn sie hat rechtlich zutreffend und zeitnah das Disziplinarverfahren ausgesetzt.

78

8.) Die nach alledem dienstrechtlich notwendige Entfernung aus dem Dienst verstößt auch nicht gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot. Denn diese disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme ist die einzige Möglichkeit, das durch den Dienstherrn sonst nicht lösbare Dienstverhältnis einseitig zu beenden. Die darin liegende Härte für den Betroffenen ist nicht unverhältnismäßig. Sie beruht vielmehr auf einem ihm zurechenbaren Verhalten (BVerwG, Urteil v. 21.06.2000, 1 D 49.99; juris).

79

9.) Die Kostenentscheidung folgt aus § 100 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 DO LSA. Das Verfahren ist gemäß § 98 Abs. 1 DO LSA gerichtsgebührenfrei.


Gründe

1

Die von beiden Beteiligten gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Magdeburg - Disziplinarkammer - vom 3. März 2010 eingelegten Beschwerden sind zwar gemäß §§ 3 DG LSA i. V. m. 146 VwGO statthaft, haben jedoch in der Sache keinen Erfolg.

2

Gegenstand dieses Verfahrens ist die Verfügung des Antragsgegners vom 13. August 2009, mit welcher der Antragsteller gemäß § 38 Abs. 1 DG LSA vorläufig des Dienstes enthoben wurden und zugleich gemäß § 38 Abs. 2 DG LSA 30 v. H. seiner Dienstbezüge einbehalten worden sind. Das Verwaltungsgericht Magdeburg - Disziplinarkammer - hat auf den Antrag des Antragstellers gemäß § 61 Abs. 1 DG LSA die Anordnung über die Einbehaltung von Dienstbezügen des Antragstellers aufgehoben, im Übrigen jedoch den - auf Aufhebung der Suspendierungsverfügung gerichteten - Antrag abgelehnt. Gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts haben beide Beteiligte fristgemäß Beschwerde eingelegt, deren Prüfung gemäß §§ 65 Abs. 1 DG LSA, 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die jeweils dargelegten Gründe beschränkt ist. Beide Beschwerden haben keinen Erfolg.

3

I. Das Beschwerdevorbringen des Antragstellers ist nicht geeignet, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts dahingehend, den gegen die Anordnung der Suspendierung gerichteten Antrag gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 DG LSA abzulehnen, mit Erfolg infrage zu stellen.

4

Soweit der Antragsteller zu Abschnitt. III Nr. 1 seiner Beschwerdebegründung geltend macht, das Verwaltungsgericht habe übersehen, dass es der Suspendierungsverfügung vom 13. August 2009 bereits an den gebotenen Ermessenserwägungen fehle und im Übrigen unberücksichtigt geblieben sei, dass sich die in der Disziplinarklage aufgeführten Vorwürfe einer Störung des Betriebsfriedens nur auf einen Zeitraum zwischen den Jahren 1996 und 2006 bezögen, bemerkt der Senat folgendes:

5

Zwar ist es - wie der Antragsteller mit Recht ausführt - grundsätzlich geboten, in einer Suspendierungsverfügung die für die Suspendierung maßgeblichen besonderen Umstände für die Störung des Dienstbetriebes darzulegen (so BVerwG, B. v. 4.1.1996 - 1 DB 16.95). Allerdings ist hier zum einen zu berücksichtigen, dass der Antragsteller zur Begründung der Suspendierungsverfügung auf die ausführlich begründete, erst wenige Monate zuvor erhobene Disziplinarklage Bezug genommen hat, aus welcher sich die gegen den Antragsteller erhobenen Vorwürfe und vor allem die Begründung für die geäußerte Befürchtung einer massiven Betriebsstörung für den Fall eines Verbleibs des Antragstellers im Dienst ergeben. Zum anderen hat der Antragsgegner auch in der Suspendierungsverfügung selbst durchaus Umstände dargelegt - etwa die Weigerung der überwiegenden Anzahl der Justizbediensteten, mit dem Antragsteller zusammen zu arbeiten; eine Vielzahl von Eingaben, Anzeigen und Dienstaufsichtsbeschwerden; das Erfordernis einer achtmaligen Änderung des Aufgabenfeldes aufgrund von Unzuträglichkeiten -, welche schon für sich genommen, aber jedenfalls in einer Gesamtschau mit den in der Disziplinarklage erhobenen Vorwürfen für eine Darlegung der für die Suspendierung gemäß § 38 Abs. 1 S. 2 DG LSA erforderlichen besonderen Umstände ausreichen. Soweit der Antragsteller im übrigen bemängelt, die Vorwürfe des Antragstellers bezögen sich lediglich auf den Zeitraum bis 2006, so ist - wie das Verwaltungsgericht zutreffend bemerkt hat - zu berücksichtigen, dass bei dem Antragsteller offensichtlich nach wie vor charakterliche bzw. wesensbedingte Merkmale vorhanden sind, welche auch derzeit noch den Schluss zulassen, durch ein Verbleiben des Antragstellers im Vollzugsdienst werde der Dienstbetrieb in der Haftanstalt erheblich beeinträchtigt. Dass letztlich noch kein abschließendes (amts-)ärztliches Untersuchungsergebnis vorliegt, ist maßgeblich darauf zurückzuführen, dass - wie das Verwaltungsgericht unwidersprochen ausgeführt hat - der Antragsteller der Aufforderung, sich einer weiteren Begutachtung zu unterziehen, nicht nachgekommen ist. Ob im Rahmen des in erster Instanz anhängigen (8 A 8/09) gerichtlichen Disziplinarklageverfahrens ein Gutachten zur Frage der Schuld- und Einsichtsfähigkeit des Antragstellers einzuholen ist, mag noch geklärt werden.

6

Im Übrigen bemerkt der Senat ausdrücklich, dass die Anordnung der Suspendierung gemäß § 38 Abs. 1 S. 2 DG LSA keine Disziplinarmaßnahme darstellt, sondern ihre Berechtigung sich aus dem funktionalen Bedürfnis ergibt, noch vor der Klärung des Vorliegens eines Dienstvergehens und der abschließenden Entscheidung über die angemessene Maßregelung des Beamten eine den Verwaltungsaufgaben und dem Dienstbetrieb dienende, vorübergehende Sicherungsregelung zu treffen (vgl. Köhler/Ratz, BDG, 3. Aufl., § 38 RdNr. 1 unter Bezugnahme auf BVerwG, B. v. 29.11.1985 - 1 DB 54.85). Allerdings darf die Anordnung nicht zu Sanktionszwecken, schon gar nicht zu "Strafzwecken" eingesetzt werden. Sie darf im Übrigen zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht außer Verhältnis stehen.

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Dass die Suspendierung des Antragstellers etwa in Wahrheit zum Zweck einer Disziplinierung ausgesprochen worden ist, macht die Beschwerde selbst nicht geltend. Soweit sich die Beschwerdeschrift im Übrigen (Abschnitt III Nr. 2 der Beschwerdebegründung) gegen die Würdigung des Verwaltungsgerichts dahingehend wendet, die vorläufige Dienstenthebung stehe zu der Bedeutung der Sache und zu der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht außer Verhältnis, so vermag sie mit ihrem Vorbringen nicht durchzudringen. Wenn auch - wie die Beschwerde meint - die dem Antragsteller vorgeworfenen Dienstpflichtverstöße nicht die vom Antragsteller vorrangig betriebene Entfernung aus dem Dienst erwarten lassen mögen, so sind sie jedoch geeignet, zumindest eine nicht unerhebliche disziplinarische Sanktionierung erwarten zu lassen, wobei es derzeit auf die Erwartung einer bestimmten Sanktion nicht ankommt. Allerdings ist auch nicht zu verkennen, dass gegen den Antragsteller bereits zweimal wegen dienstlicher Verfehlungen Geldbußen im Disziplinarverfahren verhängt werden mussten und schließlich im Jahr 2005 eine rechtskräftige Verurteilung des Antragstellers durch das Amtsgericht Halberstadt wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung im Amt gegenüber einem Gefangenen erfolgte. Diese disziplinar- und vor allem strafrechtliche Vorbelastung des Antragstellers wird im Rahmen einer erneuten Sanktionsfindung durchaus zu berücksichtigen sein.

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II. Auch die gegen die durch das Verwaltungsgericht getroffene Aufhebung der Anordnung über die teilweise Einbehaltung der Dienstbezüge gerichtete Beschwerde des Antragsgegners hat keinen Erfolg. Die vom Verwaltungsgericht hierzu (S. 7 ff. Beschlussabschrift) gegebene Begründung ist - auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens - rechtlich nicht zu beanstanden. Die Einbehaltung von Dienstbezügen setzt gemäß § 38 Abs. 2 DG LSA voraus, dass im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird. Zwar genügt hierzu, dass aufgrund der gebotenen summarischen Prüfung des dem Beamten vorgeworfenen Sachverhalts überwiegend wahrscheinlich ist, dass gegen ihn die disziplinare Höchstmaßnahme verhängt wird (Köhler/Ratz, BDG, a. a. O. RdNr. 3 unter Bezugnahme auf den B. d. BVerwG v. 24.3.1999 - 1 DB 20.98). Dabei mögen die von dem Antragsgegner in seiner Beschwerdeschrift hervorgehobenen Vorwürfe ständiger Verstöße gegen die beamtenrechtliche Gehorsamspflicht und eine damit verbundene erhebliche Störung des Betriebsfriedens grundsätzlich auch die Verhängung der disziplinarischen Höchstsanktion begründen. Allerdings ist derzeit von der gemäß § 38 Abs. 2 DG LSA geforderten überwiegenden Wahrscheinlichkeit der Verhängung dieser Sanktion nicht auszugehen. Denn es ist nach dem jetzigen Verfahrensstand jedenfalls nicht auszuschließen, dass es dem Antragsteller an der für die Erhebung disziplinarrechtlich zu sanktionierender Vorwürfe und die Verhängung gravierender disziplinarrechtlicher Sanktionen erforderlichen Einsichtsfähigkeit gefehlt hat bzw. immer noch fehlt. Der Antragsgegner hat in seiner Beschwerdeschrift selbst auf die bisherigen, wenn auch bis jetzt - jedenfalls aus seiner Sicht - ohne konkrete Ergebnisse abgeschlossenen ärztlichen Untersuchungen des Antragstellers hingewiesen. Es kann daher derzeit nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Notwendigkeit ergibt, den Antragsteller noch im Rahmen des anhängigen Disziplinarklageverfahren auf seine Schuld- und Einsichtsfähigkeit untersuchen zu lassen, möglicherweise mit der Folge der Feststellung eines tatsächlich geminderten Steuerungsvermögens.

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III. Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für dieses Beschwerdeverfahren war schon deswegen abzulehnen, weil die Voraussetzungen der §§ 3 DG LSA, 166 VwGO, 114 Satz 1 ZPO nicht gegeben sind. Nachdem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die Aufhebung der Anordnung einer teilweisen Einbehaltung der Dienstbezüge nunmehr zweitinstanzlich bestätigt worden ist, stehen dem Antragsteller volle Dienstbezüge nach der BesGr. A 7 BBesO zu, mithin ein monatliches Netto-Einkommen von ca. 1950,00 Euro, welchem neben den von ihm in seiner Erklärung vom 21. April 2010 geltend gemachten Lebenshaltungskosten in Höhe von etwa 700,00 Euro keine weiteren Zahlungsverpflichtungen gegenüberstehen. Er verfügt damit über ein gemäß § 115 Abs. 1 ZPO monatlich einzusetzendes Nettoeinkommen von ca. 1.250,00 Euro, mithin ein solches, welches die Grenze des für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe maßgeblichen Betrages nicht unerheblich übersteigt.

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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 72 Abs. 4 DG LSA i. V. m. 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Gerichtsgebührenfreiheit beruht auf § 73 Abs. 1 Satz 1 DG LSA.

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Dieser Beschluss ist unanfechtbar, §§ 3 DG LSA i. V. m. 152 Abs. 1 VwGO.


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.