Verwaltungsgericht Magdeburg Urteil, 09. Dez. 2014 - 8 A 3/14

ECLI:ECLI:DE:VGMAGDE:2014:1209.8A3.14.0A
bei uns veröffentlicht am09.12.2014

Tatbestand

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Die 1971 geborene Klägerin ist bei der Beklagten im Rang einer Regierungsoberinspektorin tätig und wendet sich gegen die disziplinarrechtliche Kürzung ihrer Dienstbezüge um 1/10 auf die Dauer von 36 Monaten durch Bescheid vom 19.08.2013.

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Disziplinarrechtlich wird der Klägerin in dem streitbefangenen Bescheid vorgeworfen, eine schuldhafte Pflichtverletzung durch das unerlaubte Fernbleiben vom Dienst nach § 96 Abs. 1 Bundesbeamtengesetz (BBG) sowie der Nichtbeachtung dienstliche Anordnungen entgegen § 62 BBG, was wiederum ein Verstoß gegen die allgemeine Wohlverhaltenspflicht nach § 61 Abs. 1 Satz 3 BBG bedeute, begangen zu haben. Sie habe vorsätzlich ein Dienstvergehen nach § 77 Abs. 1 BBG begangen.

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Die Disziplinarverfügung erhebt den Vorwurf, dass die Klägerin in mindestens zwei Fällen unerlaubt dem Dienst ferngeblieben und in diesen 2 sowie zusätzlich 25 weiteren Fällen die dienstlichen Anordnungen zur Zeiterfassung missachtet habe. Dadurch habe die Beamtin vorgespiegelt, Dienstleistungen erbracht zu haben.

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Am 09.01.2013 habe die Klägerin zur Mittagszeit die Dienststelle, ohne sich abzumelden, verlassen und sei zum Einkaufszentrum „Bördepark“ gefahren und habe sich gegen 17.10 Uhr in der Filiale des „Media Marktes“ aufgehalten. Um 18.59 Uhr habe die Klägerin die Dienststelle wieder betreten und sich um 19.11 Uhr an der Zeiterfassung abgemeldet. Der gesamte Tag sei als Arbeitszeit gezählt worden.

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Dieser Sachverhalt stehe aufgrund der Stellungnahme der Klägerin und der Zeugenaussagen fest.

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Am 17.12.2012 um 15.18 Uhr habe die Klägerin die Tür des Dienstgebäudes geöffnet, ohne dass zuvor eine „Gehen“-Buchung erfasst worden sei. Dies bedeute, dass die Klägerin das Gebäude während der Kernzeit für einen unbestimmten Zeitraum verlassen habe. Aus der geständigen Einlassung der Beamtin ergebe sich, dass diese die Dienststelle mehrfach verlassen habe, ohne dies mittels ihres personalisierten Transponders am Zeiterfassungsgerät als „Gehen“-Buchung zu erfassen.

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Zusätzlich zu den zwei beschriebenen Fällen stehe nach Aufzeichnungen fest, dass die Beamtin in 25 weiteren Fällen die Dienststelle verlassen habe, ohne das Zeiterfassungsgerät zu bedienen. Die einzelnen Tage, an denen eine Türöffnung erfolgt sei, ohne dass beim Verlassen des Gebäudes am Zeiterfassungsgerät eine „Gehen“-Buchung erfolgte, ergebe sich aus der in der Disziplinarverfügung wiedergegebenen Tabelle. Auf diese Tabelle wird verwiesen.

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In den zwei Fällen am 17.12.2012 und am 09.01.2013 liege ein unerlaubtes Fernbleiben vom Dienst im Sinne des § 96 Abs. 1 Satz 1 BBG in einem Umfang von mindestens zwei Stunden vor. Die Klägerin habe vorsätzlich gehandelt. Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe seien nicht ersichtlich. Die von der Klägerin angegebene permanente dienstliche Unterforderung auf dem Arbeitsplatz könne nicht im Sinne einer Krankheit als Dienstunfähigkeit oder Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund in disziplinarrechtlicher Hinsicht angesehen werden. Auch eine unterwertige Beschäftigung rechtfertige nicht das eigenmächtige Fernbleiben vom Dienst. Es sei der Beamtin nicht unzumutbar gewesen an bzw. in der Dienststelle zu verbleiben, obwohl sie ihrem Vorbringen nach keine Aufgaben mehr zu erledigen hatte. Die nach § 96 BBG geforderte formale Dienstleistungspflicht verpflichte den Beamten sich während der gesamten Dienstzeit an der Dienststelle aufzuhalten, um Weisungen der Vorgesetzten ausführen zu können.

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Zudem habe die Klägerin in den aufgeführten 27 Fällen das Zeiterfassungsgerät nicht bei Verlassen der Dienststelle betätigt und damit gegen ihre Pflicht zur Befolgung dienstlicher Anordnungen nach § 62 Abs. 1 Satz 2 BBG sowie die sogenannte Wohlverhaltenspflicht nach § 61 Abs. 1 Satz 3 BBG verstoßen. Die Regelungen zur Arbeitszeit seien in der Dienstvereinbarung über die Arbeitszeit geregelt und seien verbindliche allgemeine Richtlinien für die Beschäftigten. Danach bestehe die dienstliche Anordnung, dass beim Betreten und Verlassen des Dienstgebäudes die Zeiterfassungsanlage zu betätigen sei.

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Das einheitlich zu betrachtende pflichtwidrige Verhalten der Klägerin erfordere als Disziplinarmaßnahme die Kürzung der Dienstbezüge um 1/10 über 36 Monate. Dabei sei ausgehend von der Schwere des Dienstvergehens das Persönlichkeitsbild der Beamtin und der Grad der Vertrauensbeeinträchtigung zu würdigen. Für ein schweres Dienstvergehen spreche, dass die verletzten Pflichten zu den wesentlichen Pflichten eines jeden Beamten gehörten. Für die Beamtin spreche, dass sie die Geschehnisse umfassend eingeräumt habe.

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Den dagegen eingelegten Widerspruch begründet die Klägerin im Wesentlichen damit, dass sie auf dem Dienstposten eine permanente Unterforderung erfahren und sie an den besagten Tagen ihre Arbeit in der Dienststelle erledigt habe.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 14.01.2014 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und vertiefte die Ausführungen der Disziplinarverfügung. Der Kürzungsbruchteil von 1/10 sei angemessen und entspreche der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Es seien keine Anhaltspunkte zu erkennen, die zu einer Abweichung von dieser Regelannahme führen könnten. Es sei erforderlich, der Klägerin die Schwere ihres Fehlverhaltens zu verdeutlichen.

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Mit der fristgerecht erhobenen Klage wendet sich die Klägerin weiter gegen die Disziplinarmaßnahme und macht Ausführungen dazu, dass sie sich auf dem ihr zugewiesenen Dienstposten „nicht wohl fühle“. Sie habe stets alle angefallenen Arbeiten zufriedenstellend erledigt und leide somit unter einer permanenten Unterforderung. Ihr Fernbleiben vom Dienst sei als „Hilfeschrei“ infolge psychischer Vereinsamung und absoluter Unterforderung im Zusammenhang mit Mobbingverhalten zu werten. Erfolglos habe sie sich an den Personalrat gewandt.

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Die Klägerin beantragt,

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die Disziplinarverfügung vom 19.08.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.01.2014 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen

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und verteidigt die Disziplinarverfügung und die dortigen Ausführungen auch zur Sanktionsfindung. Bezüglich des 17.12.2012 werde der Vorhalt dahingehend relativiert, dass nur noch ein Verstoß gegen die Zeiterfassung vorgehalten werde. Das Entfernen während der Kernzeit sei von der damals stattgefundenen Weihnachtsfeier gedeckt gewesen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Denn der angefochtene Disziplinarbescheid in Form der Kürzung der Dienstbezüge ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 3 Bundesdisziplinargesetz [BDG]; § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die ausgesprochene Disziplinarmaßnahme in Form der Kürzung der Dienstbezüge ist hinsichtlich des Kürzungsanteils sowie der Laufzeit unverhältnismäßig, weil unangemessen und bedarf insoweit der (geringfügigen) Abänderung. Unter Berücksichtigung dessen erweist sich die ausgesprochene Disziplinarverfügung zur Überzeugung des Gerichtes auch als unzweckmäßig, welches ebenso zur Aufhebung bzw. Abänderung durch das Disziplinargericht führt (§ 60 Abs. 3 BDG).

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1.) Nach § 60 Abs. 3 BDG prüft das Gericht bei der Klage des Beamten gegen eine Disziplinarverfügung neben der Rechtmäßigkeit auch die Zweckmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung. Diese zusätzliche in Abweichung von § 114 VwGO dem Gericht zustehende eigene Prüfungskompetenz und Ermessensentscheidung (Gesetzesbegründung, Bundestagsdrucksache 14/4659, S. 48; BVerwG, Urt. v. 15.12.2005, 2 A 4.04; OVG NRW, Beschl. v. 19.09.2007, 21 dA 3600/06.O; Bayr. VGH, Beschl. v. 27.01.2010, 16 a DZ 07.3110, Bayr. VGH, Beschl. v. 02.07.2012, 16 a DZ 10.1644; zuletzt ausführlich VG Magdeburg, Urt. v. 18.12.2013, 8 A 15/13 MD und Urteil v. 27.11.2014, 8 A 6/14; alle juris) führt bereits zur insoweitigen teilweisen Abänderung der Disziplinarmaßnahme.

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Anders als sonst bei einer Anfechtungsklage ist das Disziplinargericht danach nicht nur gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO darauf beschränkt, eine rechtswidrige Verfügung aufzuheben. Das Disziplinargericht prüft nicht nur, ob der dem Beamten zum Vorwurf gemacht Lebenssachverhalt tatsächlich vorliegt und disziplinarrechtlich als Dienstvergehen zu würdigen ist, sondern übt in Anwendung der in § 13 Abs. 1 BDG LSA niedergelegten Grundsätze innerhalb der durch die Verfügung vorgegebenen Disziplinarmaßnahmeobergrenze selbst die Disziplinarbefugnis aus (vgl. zuletzt: BVerwG, Urt. v. 27.06.2013, 2 A 2.12; Beschl. v. 21.05.2013, 2 B 67.12; beide juris).

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2.) Auch zur Überzeugung des Disziplinargerichts hat die Klägerin als Bundesbeamtin im Rang einer Regierungsoberinspektorin schuldhaft ein - nicht unbedeutendes - innerdienstliches Dienstvergehen nach § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG begangen. Aufgrund der Ermittlungen im Disziplinarverfahren sowie der geständigen Einlassung der Klägerin nicht zuletzt in der mündlichen Verhandlung vor dem Disziplinargericht und unter Bewertung des gesamten Aktenmaterials steht fest, dass die Klägerin am 09.01.2013 in einem Zeitraum von mehr als zwei Stunden ohne die notwendige Zeiterfassung ihren dienstlichen Arbeitsplatz verließ um privaten Dingen nachzugehen und somit unerlaubt dem Dienst fernblieb sowie in den weiteren in der Disziplinarverfügung aufgeführten 25 Fällen entgegen ihrer Verpflichtung nach § 61 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. § 62 Abs. 1 Satz 2 BBG die notwendige Zeiterfassung nicht vornahm. Der in der Disziplinarverfügung und in dem Widerspruchsbescheid ebenso für den 17.12.2012 erhobene Vorwurf, dem Dienst unerlaubt ferngeblieben zu sein, wurde in der mündlichen Verhandlung vor dem Disziplinargericht insoweit nicht mehr aufrechterhalten, sondern entgegen dem, als Verstoß gegen die Zeiterfassung gewertet.

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a.) Bei dem der Klägerin vorgehaltenen Verstoß gegen die Zeiterfassung und dem damit bedingten unerlaubten Fernbleiben vom Dienst handelt es sich generell um ein schweres Dienstvergehen. Denn der Dienstherr schenkt den Beschäftigten insoweit Vertrauen und ist auf die Ehrlichkeit und Ordnungsmäßigkeit der Beschäftigten im Umgang mit dem Zeiterfassungssystem angewiesen. Eine lückenlose Kontrolle und Überprüfung ist nicht möglich (vgl. zuletzt ausführlich: VG Magdeburg, Urteil vom 17.09.2014, 8 A 5/13 MD; juris).

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Damit hat die Beamtin jedenfalls gegen ihre beamtenrechtliche sogenannte Wohlverhaltenspflicht und der sogenannten Hingabe- und Folgepflicht nach § 62 Abs. 1 Satz 2 BBG verstoßen. Es bedarf keiner weiteren Ausführungen dazu, dass ein Verstoß gegen die Arbeitszeitregelungen bzw. das Vortäuschen von Arbeitszeit disziplinarwürdig ist. Denn durch das „Nichtausstempeln“ hat die Klägerin Arbeitszeit vorgetäuscht, die sie nicht geleistet hat. Hinsichtlich der Berechnung folgt das Gericht den in der Disziplinarverfügung aufgeführten Daten und Berechnung. Diese Berechnung ist in sich schlüssig und nachvollziehbar. Dabei weist das Gericht gleichzeitig darauf hin, dass der tatsächliche Umfang der vorgetäuschten Arbeitszeit keiner genauen Berechnung bedarf und dies auch nicht möglich erscheint. Für die disziplinarrechtliche Bewertung des Fehlverhaltens ist dies letztlich ohne Bedeutung (VG Magdeburg, Urteil vom 17.09.2014, 8 A 5/13 MD mit Verweis auf VG Münster, Urteil vom 24.04.2012, 13 K 1169-11.O, beide juris).

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Die Klägerin handelte auch vorsätzlich. Denn sie wusste, was sie tat. Ein dienstfähiger Beamter, der ungenehmigt keinen Dienst leistet, handelt hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals „Dienstfähigkeit“ mit bedingtem Vorsatz, wenn er es ernsthaft für möglich hält, dienstfähig zu sein, und im Hinblick darauf billigend in Kauf nimmt, die Dienstleistungspflicht zu verletzen. Dagegen fällt ihm nur Fahrlässigkeit zur Last, wenn er die Dienstfähigkeit zwar aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten erkennen muss, aber darauf vertraut, dienstunfähig zu sein und demzufolge nicht gegen die Dienstleistungspflicht zu verstoßen (BVerwG, U. v. 12.10.2006, 1 D 2.05; juris).

27

Von einer krankheitsbedingten Dienstunfähigkeit kann vorliegend nicht ausgegangen werden und es sind auch keine diesbezüglichen Anhaltspunkte ersichtlich. Soweit die Klägerin ihre ständige Unterforderung im Sinne eines Boreout bezeichnet, kann dem nicht gefolgt werden. Insoweit liegen keinerlei nachweisbaren Mitteilungen, Krankmeldungen oder gar ärztliche Bescheinigungen vor. Dem Beamten obliegt insoweit eine prozessuale Mitwirkungspflicht, um das Gericht überhaupt in die Möglichkeit der Aufklärung zu versetzten /VG Magdeburg, Ureil v. 28.02.2013, 8 A 13/12; juris). Festzustellen ist allein, dass die Klägerin - aus welchen Gründen auch immer - persönlich unzufrieden mit der Ausübung des innegehabten Dienstpostens war.

28

Das Disziplinargericht schließt sich insoweit zu den Tatausführungen und der Pflichtwidrigkeit des vorgehaltenen Verhaltens den Ausführungen in dem Disziplinarbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides an und darf darauf zur weiteren Begründung verweisen (§ 117 Abs. 5 VwGO).

29

b.) Allein entscheidend und die Beteiligten interessierend ist vorliegend, mit welcher disziplinarrechtlichen Maßnahme auf dieses einheitliche Dienstvergehen zu antworten ist. Der Beamte ist insoweit seinem Dienstherrn Dienstleistungspflichtig und kann nicht selbständig das Maß des zu erbringenden Dienstes bestimmen. Auch soweit die sich aus dem konkreten Dienstposten ergebenen Arbeiten schneller als gedacht oder üblich erledigt sind, muss der Beamte dies seinem Dienstherrn gegenüber anzeigen und auf dessen Anweisungen warten. Zur Überzeugung des Disziplinargerichts versteht sich dies von selbst und bedarf keiner weiteren Ausführungen. Auch die Schwere des Dienstvergehens ist vorliegend derart, dass mit der disziplinarrechtlichen Rechtsprechung durchaus die Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung wenn nicht sogar die Höchstmaßnahme in Betracht zu ziehen wäre. Jedoch - und dies ist vorliegend entscheidend - ist im Disziplinarrecht stets der Einzelfall zu entscheiden, woraus sich ergibt, die vorliegenden Besonderheiten zu betrachten.

30

Das erkennende Disziplinargericht verweist in ständiger Rechtsprechung mit Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts darauf, dass auch unterhalb der Schwelle der sogenannten anerkannten Milderungsgründe jedwedes Verhalten des Beamten individuell berücksichtigt werden muss, welches zu einer abgemilderten Sicht der Dinge führen kann (vgl. zuletzt ausführlich und m. w. Nachw.: VG Magdeburg, Urteil v. 27.11.2014, 8 A 6/14; juris).

31

Zunächst handelt es sich bei den von der Beklagten vorgehaltenen 25 weiteren Fällen der Nichterfassung der Zeiterfassung um einen kurzen Zeitraum vom November 2012 bis Januar 2013. Nach Auskunft der Beklagten in der mündlichen Verhandlung ist dieser kurze 3-Monatszeitraum allein dem Umstand geschuldet, dass eine längerfristige Datenspeicherung nicht vorhanden war. Aus diesem Umstand kann man nun zweierlei folgern: Einmal bedeutet dies, worauf die Beklagte anspielt, dass bereits in diesem relativ kurzen Zeitraum ein erhebliches Maß an Pflichtwidrigkeit zu verzeichnen ist; anders bedeutet dies aber auch, dass in einem längeren Betrachtungszeitraum ein pflichtwidriges Verhalten - vielleicht - nicht feststellbar wäre und der vorzuhaltende 3-Monatszeitraum wegen bestimmter Vorkommnisse anders zu beurteilen wäre. Insgesamt hat das Gericht für eine mildernd zu bewertende Auslegung bei einem unterstellten längeren Beobachtungszeitraum jedoch keine Anhaltspunkte und konnte dem daher auch nicht nachgehen. Jedenfalls erscheint der hier beobachtete Zeitraum als ausreichend und auch bei einem längeren Zeitraum dürften keine anderen Erkenntnisse ersichtlich sein. Denn bekanntlich hing das Fehlverhalten der Klägerin mit ihrer Unzufriedenheit auf dem angestammten Dienstposten zusammen, welchen sie jedenfalls in dem Untersuchungszeitraum belegte. Bekannt ist aber auch, dass in der Folgezeit der Dienstposten mit dem Ergebnis gewechselt wurde, dass das Fehlverhalten eingestellt wurde. Dies entlastet die Beamtin insoweit, dass ihre Verstöße gegen die Zeiterfassung nicht etwa derart vorsätzlich sind, dass ihr eine generelle Dienstverweigerung unterstellt werden könnte. Vielmehr ist erkennbar, dass ihr Fehlverhalten unzweifelhaft mit der damaligen Dienstpostensituation in Zusammenhang stand. Auch berücksichtigt das Gericht, dass die Klägerin in der mündlichen Verhandlung glaubhaft versicherte, versucht zu haben, sich Unterstützung durch den Personalrat einzuholen, was jedoch scheiterte. Dies mag auch mit bestimmten charakter- und persönlichkeitsbedingten Umständen der beteiligten Personen und dem teilweisen schwierigen Umgang mit hierarchischen Strukturen zusammenhängen.

32

Bei der nunmehr vom Disziplinargericht aufgrund der Gesamtabwägung und des Persönlichkeitsbildes der Beamten nach § 13 BDG; § 60 Abs. 3 BDG auszusprechenden Disziplinarmaßnahme, lässt sich das Gericht davon leiten, dass der Klägerin - auch für die Folgezeit - unmissverständlich deutlich gemacht werden muss, dass sie auf die dienstlichen Probleme jedenfalls anders reagieren muss als mit dem unerlaubten Fernbleiben vom Dienst und dem Verstoß gegen die Arbeitszeitverordnung. Wie bereits in der Disziplinarverfügung ausgeführt, hat sich die Klägerin auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Disziplinargericht zu den tatsächlichen Gegebenheiten insoweit einsichtig gezeigt, wohingegen es bezüglich der Einsichtsfähigkeit in ihr Fehlverhalten mangelt. Auch das Disziplinargericht kommt nicht umhin der Klägerin als Beamtin vorzuhalten, dass sie aufgrund des diesbezüglichen hierarchischen Verhältnisses - unabhängig von ihrer Remonstrationspflicht - den dienstlichen Weisungen des Dienstherrn und den diesbezüglichen Vereinbarungen und der Arbeitszeit selbstverständlich nachkommen muss. Die Beamtin kann gerade nicht ihre - wie auch immer gearteten - Probleme am Arbeitsplatz oder eine diesbezügliche Unzufriedenheit, dadurch lösen, dass sie dem Dienst fernbleibt oder die Zeiterfassung manipuliert. Dies schien auch in der mündlichen Verhandlung der Klägerin noch nicht ganz bewusst gewesen zu sein. Dementsprechend ist auch das Gericht der Auffassung, dass hier die Disziplinarmaßnahme der Kürzung der Dienstbezüge als letzte vom Dienstherrn auszusprechende Disziplinarmaßnahme aus erzieherischer Sicht durchaus angebracht ist. Denn durch die monatliche Kürzung ihrer Dienstbezüge über einen gewissen Zeitraum soll die Klägerin stetig an ihr Fehlverhalten erinnert werden und die Sache nicht durch eine einmalige Geldbuße abgetan sein.

33

Dabei unterliegt die Bemessung der Kürzung der Dienstbezüge einer erheblichen Spannweite hinsichtlich des vom Disziplinargesetz (§ 8 Abs. 1 Satz 1 BDG) bis zur Höhe von höchstens einem Fünftel (20 %) vorgesehene Kürzungsteils und der Laufzeit von längstens drei Jahren (36 Monaten). Während die Laufzeit der Gehaltskürzung durch die Schwere des Dienstvergehens bestimmt wird, sind für die Festlegungen des Kürzungsbruchteils die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beamten maßgebend (VG Magdeburg, Urteil vom 14.01.2014, 8 A 12/13 MD; BVerwG, Urteil vom 20.09.2006, 1 D 8.05; juris). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, Urteil vom 21.02.2002, 1 D 29.00; juris) beträgt der regelmäßige Kürzungssatz bei Beamten des gehobenen und höheren Dienstes bis Besoldungsgruppe A 16 regelmäßig 1/10. Soll diese Regelmäßigkeit des Kürzungsbruchteils insbesondere die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beamten abgreifen, so ist dieser Kürzungssatz gesetzlich nicht verbindlich und kann vom Disziplinargericht ebenso bestimmt werden. Gerade im Kürzungssatz kann sich das objektiv größere oder mindere Gewicht des Dienstvergehens ausdrücken. Sinn einer Vermögenssanktion ist es ohnehin, das höhere Gewicht der Verfehlung durch eine spürbare finanzielle Einbuße deutlich zu machen. Dabei kommt es dem Gesetz bei der Gehaltskürzung nicht auf die letztliche Gesamtsumme der finanziellen Einbuße, sondern auf die Wirkung der wiederkehrenden Einzeleinbußen an (vgl. insgesamt: Hummel/Köhler/Mayer, BDG, 4. Auflage 2009, A. IV. 3. RdZiff. 87). Andererseits muss auch das Abstandsgebot zu den Disziplinarmaßnahmen der Geldbuße und der Zurückstufung bewahrt bleiben. Alles dies begründet es, im jeweiligen Einzelfall individuell über die „Stellschrauben“ des Kürzungsbruchsteils und der Laufzeit die angemessene Gehaltskürzung zu bestimmen (vgl.: VG Magdeburg, Urteil vom 14.01.2014, 8 A 12/13 MD; juris).

34

Dementsprechend darf das Disziplinargericht - letztendlich auch aus Zweckmäßigkeitsgründen nach § 60 Abs. 3 BDG - aufgrund der nunmehr eigenen, dem Disziplinargericht zustehenden Disziplinarbefugnis, auf der Stufe der Gehaltskürzung eine in Bezug auf den Kürzungssatz wie die Laufzeit individuell bemessene geringe Disziplinarmaßnahme auszusprechen. In der Bemessung der Laufzeit kann das konkrete Bedürfnis nach Pflichten mahnender Einwirkung entsprechend der Verhaltensprognose (Labilität, Wiederholungsgefahr) wirkungsvoll dargestellt werden. Unter Beachtung dessen, sieht das Disziplinargericht hier einen abgemilderten Kürzungssatz bei einer überschaubaren Laufzeit als dem Dienstvergehen angemessen und auch als zweckmäßig an. Dabei wird auch berücksichtigt, dass ein Teil des Vorwurfs, nämlich des unerlaubten Fernbleibens am 17.12.2012 nicht mehr aufrecht erhalten blieb. Die nunmehr ausgesprochene Maßnahme erscheint als angemessen, aber auch notwendig, um die Beamten an die Einhaltung ihrer Pflichten, insbesondere der Wohlverhalten- und Zeitarbeitspflichten, zu erinnern.

35

3.) Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 77 Abs. 4 BDG, 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Da die Klägerin weiterhin disziplinarrechtlich belangt wird, ist es angemessen, dass sie die Hauptlast der Kosten trägt. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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(2) Beamtinnen und Beamte haben bei organisatorischen Veränderungen dem Dienstherrn Folge zu leisten.

(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben das ihnen übertragene Amt uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordert.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug auch hinsichtlich ihres Erscheinungsbilds Rücksicht auf das ihrem Amt entgegengebrachte Vertrauen zu nehmen. Insbesondere das Tragen von bestimmten Kleidungsstücken, Schmuck, Symbolen und Tätowierungen im sichtbaren Bereich sowie die Art der Haar- und Barttracht können von der obersten Dienstbehörde eingeschränkt oder untersagt werden, soweit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 durch ihre über das übliche Maß hinausgehende besonders individualisierende Art geeignet sind, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen. Religiös oder weltanschaulich konnotierte Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 können nur dann eingeschränkt oder untersagt werden, wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, das Bundesministerium der Finanzen sowie das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz werden ermächtigt, jeweils für ihren Geschäftsbereich die Einzelheiten zu den Sätzen 2 bis 4 durch Rechtsverordnung zu regeln. Die Verhüllung des Gesichts bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug ist stets unzulässig, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies.

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(2) Bei Ruhestandsbeamtinnen und Ruhestandsbeamten sowie früheren Beamtinnen mit Versorgungsbezügen und früheren Beamten mit Versorgungsbezügen gilt es als Dienstvergehen, wenn sie

1.
sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes betätigen,
2.
an Bestrebungen teilnehmen, die darauf abzielen, den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen,
3.
gegen die Verschwiegenheitspflicht, gegen die Anzeigepflicht oder das Verbot einer Tätigkeit nach Beendigung des Beamtenverhältnisses oder gegen das Verbot der Annahme von Belohnungen, Geschenken und sonstigen Vorteilen verstoßen oder
4.
einer Verpflichtung nach § 46 Absatz 1, 2, 4 oder 7 oder § 57 schuldhaft nicht nachkommen.
Satz 1 Nummer 1 bis 3 gilt auch für frühere Beamtinnen mit Anspruch auf Altersgeld und frühere Beamte mit Anspruch auf Altersgeld.

(3) Die Verfolgung von Dienstvergehen richtet sich nach dem Bundesdisziplinargesetz.

(1) Beamtinnen und Beamte dürfen dem Dienst nicht ohne Genehmigung ihrer Dienstvorgesetzten fernbleiben. Dienstunfähigkeit infolge von Krankheit ist auf Verlangen nachzuweisen.

(2) Verliert die Beamtin oder der Beamte wegen unentschuldigten Fernbleibens vom Dienst nach dem Bundesbesoldungsgesetz den Anspruch auf Besoldung, wird dadurch die Durchführung eines Disziplinarverfahrens nicht ausgeschlossen.

(1) Beamtinnen und Beamte haben ihre Vorgesetzten zu beraten und zu unterstützen. Sie sind verpflichtet, deren dienstliche Anordnungen auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen. Dies gilt nicht, soweit die Beamtinnen und Beamten nach besonderen gesetzlichen Vorschriften an Weisungen nicht gebunden und nur dem Gesetz unterworfen sind.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei organisatorischen Veränderungen dem Dienstherrn Folge zu leisten.

(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben das ihnen übertragene Amt uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordert.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug auch hinsichtlich ihres Erscheinungsbilds Rücksicht auf das ihrem Amt entgegengebrachte Vertrauen zu nehmen. Insbesondere das Tragen von bestimmten Kleidungsstücken, Schmuck, Symbolen und Tätowierungen im sichtbaren Bereich sowie die Art der Haar- und Barttracht können von der obersten Dienstbehörde eingeschränkt oder untersagt werden, soweit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 durch ihre über das übliche Maß hinausgehende besonders individualisierende Art geeignet sind, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen. Religiös oder weltanschaulich konnotierte Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 können nur dann eingeschränkt oder untersagt werden, wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, das Bundesministerium der Finanzen sowie das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz werden ermächtigt, jeweils für ihren Geschäftsbereich die Einzelheiten zu den Sätzen 2 bis 4 durch Rechtsverordnung zu regeln. Die Verhüllung des Gesichts bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug ist stets unzulässig, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies.

(3) Beamtinnen und Beamte sind verpflichtet, an Maßnahmen der dienstlichen Qualifizierung zur Erhaltung oder Fortentwicklung ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten teilzunehmen.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Das Gericht entscheidet über die Klage, wenn das Disziplinarverfahren nicht auf andere Weise abgeschlossen wird, auf Grund mündlicher Verhandlung durch Urteil. § 106 der Verwaltungsgerichtsordnung wird nicht angewandt.

(2) Bei einer Disziplinarklage dürfen nur die Handlungen zum Gegenstand der Urteilsfindung gemacht werden, die dem Beamten in der Klage oder der Nachtragsdisziplinarklage als Dienstvergehen zur Last gelegt werden. Das Gericht kann in dem Urteil

1.
auf die erforderliche Disziplinarmaßnahme (§ 5) erkennen oder
2.
die Disziplinarklage abweisen.

(3) Bei der Klage gegen eine Disziplinarverfügung prüft das Gericht neben der Rechtmäßigkeit auch die Zweckmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

Tatbestand

1

Der Kläger ist Polizeivollzugsbeamter im Land ... im Rang eines Polizeimeisters und wurde bei dem Beklagten bis zu den hier relevanten Geschehnissen im Spezialeinsatzkommando (SEK) verwendet. Infolge des Straf- und Disziplinarverfahrens wurde der Kläger aus dem SEK ausgeschlossen, zunächst im Bereich „Technische Einsatzgruppe“ eingesetzt und sodann an die Polizeidirektion ... abgeordnet. Augenblicklich ist der Kläger bis auf Weiteres an die Landesbereitschaftspolizei ... abgeordnet und wird dort im Bereich „Objektwache“ eingesetzt.

2

Mit der hier streitbefangenen Disziplinarverfügung vom 27.08.2013 wird dem Kläger vorgeworfen, schuldhaft ein Dienstvergehen begangen zu haben. Im Kern der Ausführungen heißt es, der Kläger habe am 02.05.2010 während seiner Rufbereitschaft auf dem Schießplatz des Schützenvereins „H…“ in S... eine Maschinenpistole (MP5), eine Kurzwaffe Glock 17, zwei MP5-Magazine (voll), 1 Glock-Magazin (voll), 1 Glock-Magazin (leer), 3 Munitionspackungen à 50 Patronen, Green Range (voll) und 2 Munitionspackungen DAG05C0807 (leer) mit sich geführt.

3

Das Amtsgericht A-Stadt verurteilte den Kläger mit Urteil vom 01.11.2011 (13 Ls 822 Js 75930/10 [196/11]) wegen eines vorsätzlichen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz durch Beförderung einer Kriegswaffe ohne Genehmigung zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen je 60,00 Euro. Auf die Berufung des Klägers änderte das Landgericht A-Stadt – 8. kleine Strafkammer (28 Ns 822 Js 75930/10 [9/12]) das Urteil auf 85 Tagessätze je 60,00 Euro ab. Das Berufungsurteil verweist hinsichtlich der tatbestandlichen Feststellungen auf das Urteil des Amtsgerichts A-Stadt, welches ausführt:

4

„Der Angeklagte ist Polizeibeamter und hat seit April 2007 seinen Dienst im Rahmen eines Spezialeinsatzkommandos des L...(SEK) ausgeübt. Obwohl dem Angeklagten als Beamter der Landespolizei ... bewusst war, dass er die ihm im Rahmen seines Dienstes zugewiesene Maschinenpistole des Typs MP5 als Kriegswaffe ausschließlich nach dienstlicher Weisung handhaben durfte, entschloss er sich, diese unerlaubt aus seiner ... Dienststelle in der … Straße in A-Stadt mitzunehmen und sie am 02.05.2010 gegen 09.00 Uhr privat auf das Gelände des s...er Schießstandes des Schützenvereins „ H ...“ zu transportieren, um dort damit zu schießen. Damit war ihm bewusst, dass er sich nicht im Besitz der dazu erforderlichen kriegswaffenrechtlichen Genehmigung befand.“

5

Die Disziplinarverfügung führt aus, dass sich der Zeuge S ..., Mitglied des Schützenvereins und Polizeivollzugsbeamter, am besagten Tag ebenfalls auf dem Schießplatz des Schützenvereins befunden und ausgesagt habe, dass ihm durch den Platzwart mitgeteilt worden sei, dass der Kläger mit der Maschinenpistole schießen wolle. Der Zeuge habe den Platzwart gebeten, dem Kläger das Schießen zu untersagen. Der Zeuge S ... alarmierte die Polizei, woraufhin diese bei dem Kläger die „MP5“ und eine beträchtliche Anzahl von Munition im Kofferraum seines Fahrzeuges gefunden habe. Der Kläger habe die Mitnahme der Munition ohne dienstliche Autorisierung eingeräumt. Die Dienstpistole „Glock 17“ hätte der Kläger außerhalb des Dienstes nach entsprechender Genehmigung tragen dürfen. Hierüber sei der Kläger auch belehrt worden. Die Mitnahme der dienstlichen Maschinenpistole außerhalb des Dienstes sei untersagt gewesen. Es sei auch jedem SEK-Beamten bewusst gewesen. In der Wohnung des Klägers seien insgesamt 240 Patronen Polizeidienstmunition sichergestellt worden.

6

Der Kläger habe bewusst gegen die dienstlichen Weisungen bezüglich des Tragens, des Gebrauchs und der Aufbewahrung von Schusswaffen und der diesbezüglichen Munition verstoßen. Dadurch habe er gegen die Gehorsamspflicht nach § 35 Satz 2 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) und die so genannte Wohlverhaltensklausel nach § 34 Satz 3 BeamtStG verstoßen. Da es dem Kläger gelungen sei, dienstliche Munition privat zu verwenden, habe er zudem gegen das Vertrauensverhältnis, insbesondere innerhalb des SEK´s, verstoßen.

7

Die Dienstpflichtverletzung sei auch schuldhaft begangen worden. Denn die dargelegten Verstöße seien von ihm bewusst begangen worden. Ihm sei bewusst gewesen, dass er sich nicht im Besitz der erforderlichen Genehmigung bzw. kriegswaffenrechtlichen Genehmigung befand. Insbesondere über den dienstlichen und außerdienstlichen Umgang mit Waffen habe er Kenntnis gehabt. Milderungsgründe seien nicht ersichtlich. Obwohl im Strafverfahren eine Geldbuße verhängt worden sei, sei gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 DG LSA eine Kürzung der Dienstbezüge zusätzlich notwendig, um dem Kläger zur Pflichtenerfüllung anzuhalten. Der Kläger sei bereits vor dem hier vorgehaltenen Vorfall auf dem öffentlichen Schießplatz gesehen worden. Aus der damaligen Warnung durch den Zeugen S ... habe er sich von dem wiederholten, hier streitgegenständlichen Besuch nicht abhalten lassen. Letztendlich sei die ausgesprochene Disziplinarmaßnahme angesichts der Schwere des Dienstvergehens hinsichtlich des Kürzungsbruchteils und der Laufzeit angemessen.

8

Den vom Kläger eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.02.2014 unter vertiefter Begründung des Ausgangsbescheides als unbegründet zurück. Entgegen der Widerspruchsausführungen des Klägers sei die ausgesprochene Disziplinarmaßnahme trotz Verhängung der strafrechtlichen Geldbuße verhältnismäßig. Eine zusätzliche Sanktionierung sei wegen des einhergegangenen Vertrauensverlustes und der vorhandenen Wiederholungsgefahr zwingend erforderlich. Im Übrigen komme es auf die ausdrückliche Feststellung der Erforderlichkeit einer zusätzlichen Sanktionierung gar nicht an. Denn in Anbetracht der Schwere des Dienstvergehens sei gemäß § 13 Abs. 1 DG LSA eine Zurückstufung als Disziplinarmaßnahme angezeigt gewesen. Dies sei bei dem Kläger laufbahnrechtlich jedoch nicht möglich. Dementsprechend müsse mit der nächstmöglichen Disziplinarmaßnahme – hier der Gehaltskürzung – reagiert werden. Die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 2 DG LSA seien in einem solchen Fall nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stets erfüllt. Im Übrigen sei die Tatsache, dass der Kläger nicht mehr im SEK tätig sei, dem Vertrauensverlust und der damit einhergegangenen fehlenden Eignung des Klägers als SEK-Beamter verbunden.

9

Mit der dagegen fristgerecht erhobenen Klage wendet sich der Kläger weiter gegen die Disziplinarmaßnahme und macht insbesondere Ausführungen dazu, dass die Disziplinarmaßnahme nach § 14 Abs. 1 Satz 1 und 2 DG LSA hätte nicht mehr ausgesprochen werden dürfen. Eine zusätzliche disziplinarrechtliche Sanktionierung neben der bereits strafrechtlich verhängten Geldbuße sei nicht mehr erforderlich. Insbesondere sehe der Kläger das Unrecht der Straftat und der dienstrechtlichen Verfehlung ein. Zudem bringe die Kürzung der Dienstbezüge den Kläger in wirtschaftliche Not.

10

Der Kläger beantragt,

11

die Disziplinarverfügung vom 27.08.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.02.2014 aufzuheben

12

sowie die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

13

Der Beklagte beantragt,

14

die Klage abzuweisen

15

und verteidigt die Disziplinarverfügung und insbesondere die darin ausgesprochene Disziplinarmaßnahme.

16

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang und die darin befindlichen Auszüge aus dem strafrechtlichen Verfahren verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

17

1.) Die zulässige Klage ist begründet. Denn die streitbefangene Disziplinarverfügung in Gestalt des Widerspruchsbescheides ist hinsichtlich der Sanktionsfindung rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Darüber hinaus erweist sich die Disziplinarverfügung in dem hier vorliegenden Einzelfall als nicht zweckmäßig, was ebenso zur Aufhebung der Disziplinarmaßnahme führt (§§ 3, 59 Abs. 3 DG LSA).

18

a.) Nach § 59 Abs. 3 DG LSA prüft das Disziplinargericht bei der Klage des Beamten gegen eine Disziplinarverfügung neben der Rechtmäßigkeit auch die Zweckmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung. Diese zusätzliche in Abweichung von § 114 VwGO dem Gericht zustehende eigene Prüfungskompetenz und der Ermessensentscheidung (Gesetzesbegründung zum gleich lautenden § 60 Abs. 3 BDG, Bundestagsdrucksache 14/4659, S. 48; BVerwG, Urt. v. 15.12.2005, 2 A 4.04; OVG NRW, Beschl. v. 19.09.2007, 21 dA 3600/06.O; Bayr. VGH, Beschl. v. 27.01.2010, 16 a DZ 07.3110, Bayr. VGH, Beschl. v. 02.07.2012, 16 a DZ 10.1644; zuletzt ausführlich VG Magdeburg, Urt. v. 18.12.2013, 8 A 15/13 MD; alle juris) führt bereits zur Aufhebung der Disziplinarmaßnahme.

19

Anders als sonst bei einer Anfechtungsklage ist das Disziplinargericht danach nicht nur gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO darauf beschränkt, eine rechtswidrige Verfügung aufzuheben. Das Disziplinargericht prüft nicht nur, ob der dem Beamten zum Vorwurf gemacht Lebenssachverhalt tatsächlich vorliegt und disziplinarrechtlich als Dienstvergehen zu würdigen ist, sondern übt in Anwendung der in § 13 Abs. 1 DG LSA niedergelegten Grundsätze innerhalb der durch die Verfügung vorgegebenen Disziplinarmaßnahmeobergrenze selbst die Disziplinarbefugnis aus (vgl. zuletzt: BVerwG, Urt. v. 27.06.2013, 2 A 2.12; Beschl. v. 21.05.2013, 2 B 67.12; beide juris).

20

b.) Zunächst sieht sich das Disziplinargericht dazu veranlasst, darauf hinzuweisen, dass ähnlich wie bei einer Disziplinarklage die dort explizit genannten Voraussetzungen (vgl. § 49 Abs. 2 DG LSA) auch bei der behördlichen Disziplinarverfügung gelten. Denn dies ergibt sich bereits aus der Anwendung allgemeiner verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften hinsichtlich der Bestimmtheit des Verwaltungsaktes (vgl. § 3 DG LSA; § 37 VwVfG). Danach muss der in der Disziplinarverfügung den Beamten gegenüber erhobenen Pflichtenverstoß und der diesem zugrunde gelegte Sachverhalt so deutlich und klar sein, dass der Beamte sich mit seiner Verteidigung darauf einstellen kann, aber auch das zur Überprüfung berufene Disziplinargericht die Überprüfung vornehmen kann (vgl. zuletzt: VG Magdeburg, Urt. v. 04.06.2014, 8 A 16/13 MD und Urt. v. 14.01.2014, 8 A 12/13 MD, mit Verweis auf BVerwG, Urt. v. 27.06.2013, 2 WD 5.12; alle juris).

21

So wird der notwendige disziplinarrechtliche Anklagesatz in der Disziplinarverfügung nicht eindeutig und hinreichend bestimmt. Durch die Ausführungen im Konjunktiv bzw. die Formulierung „soll“ wird nicht hinreichend klar, dass das vorgehaltene Dienstvergehen auch bewiesen ist. Dabei stellt das Disziplinargericht jedoch auch klar, dass diese Darstellungsmängel in der Disziplinarverfügung – anders als bei den noch förmlicheren Voraussetzungen in der Disziplinarklage – nicht zur formellen Rechtswidrigkeit des Bescheides führen. Denn die Konkretisierung wird in der Begründung des Bescheides hinreichend bestimmbar gemacht. Zudem liegen dem Tatgeschehen um die Maschinenpistole die strafrechtlichen Feststellungen zugrunde und der Kläger hat die Vorwürfe auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Disziplinargericht eingeräumt.

22

2.) Das Disziplinargericht lässt keinen Zweifel daran, dass der Kläger durch die ihm vorgehaltenen Geschehnisse anlässlich des Besuchs des Schießplatzes schuldhaft ein Dienstvergehen begangen hat. Durch das unrechtmäßige und ungenehmigte Mitführen der Waffen und der Munition hat der Kläger gegen die ihm bekannten diesbezüglichen waffenrechtlichen Dienstanweisungen verstoßen, was einen Verstoß gegen die ihm obliegende allgemeine dienstrechtliche Gehorsamspflicht nach § 35 Satz 2 BeamtStG und zugleich einen Verstoß gegen die so genannte beamtenrechtliche Wohlverhaltenspflicht im Sinne einer Ansehensschädigung des Berufsstandes nach § 34 Satz 3 BeamtStG bedeutet. Dabei ist insbesondere der nicht genehmigte Transport des Maschinengewehrs MP5 außerhalb des Dienstes bedeutsam. Denn dies stellt einen Verstoß gegen § 22 a Abs. 1 Nr. 3 Kriegswaffenkontrollgesetz dar. Sind diese tatbestandlichen Feststellungen durch das Amtsgericht A-Stadt in dem strafrechtlichen Urteil bereits für das Disziplinargericht nach § 54 Abs. 1 DG LSA bindend (vgl. zur Bindungswirkung zuletzt ausführlich: VG Magdeburg, Urt. v. 15.04.2014, 8 A 2/13 MD; juris), ergibt sich dies genauso aus der geständigen Einlassung des Klägers. Das Disziplinargericht folgt insoweit auch der vom Strafgericht vorgenommenen Subsumtion unter das Kriegswaffenkontrollgesetz.

23

Dabei handelt es sich um ein außerdienstliches Dienstvergehen. Ein Verhalten außerhalb des Dienstes ist nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalles in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in eine für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen (§ 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG). Diese Voraussetzungen liegen vor.

24

a.) Bei einem außerdienstlichen Fehlverhalten müssen die besonderen qualifizierenden Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG gegeben sein, um von einer Disziplinarwürdigkeit auszugehen. Dabei muss die Frage der Disziplinarwürdigkeit eines außerdienstlichen Verhaltens von der eigentlichen Zumessensentscheidung nach Maßgabe des § 13 DG LSA getrennt beurteilt werden. Das Verhalten des Beamten muss nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet sein, das Vertrauen in einer für das Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Das Merkmal „in besonderem Maße“ bezieht sich auf die Eignung zur Achtungs- und Vertrauensbeeinträchtigung und ist nur erfüllt, wenn das Verhalten des Beamten in quantitativer oder qualitativer Hinsicht über das über eine jede Eignung vorausgesetzte Mindestmaß an Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung hinausgeht. Ist eine derart qualifizierte Möglichkeit der Beeinträchtigung gegeben, kommt es weiterhin darauf an, ob diese Beeinträchtigung bedeutsam wäre. Das Merkmal „in bedeutsamer Weise“ bezieht sich auf den „Erfolg“ der möglichen Achtungs- und Vertrauensbeeinträchtigung. Die zur Beeinträchtigung in besonderem Maße geeignete Pflichtenverletzung weist Bedeutsamkeit auf, wenn sie in qualitativer oder quantitativer Hinsicht das einer jeden außerdienstlichen Pflichtverletzung innewohnende Maß an disziplinarrechtlicher Relevanz deutlich überschreitet (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 08.05.2001, 1 D 20.00; juris). Die Beeinträchtigung der Achtung und des Vertrauens muss sich entweder auf das Amt des Beamten im konkret-funktionellen Sinne (Dienstposten), d. h. auf die Erfüllung der dem Beamten konkret obliegenden Dienstpflichten oder auf das Ansehen des Berufsbeamtentums als Sachwalter einer stabilen und gesetzestreuen Verwaltung beziehen (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 30.08.2000, 1 D 37.99; Urt. v. 12.12.2001, 1 D 4.01; Urt. v. 25.08.2009, 1 D 1.08; Urt. v. 19.08.2010, 2 C 13.10; Urt. v. 28.07.2011, 2 C 16.10; alle juris).

25

Mit der Neuregelung der tatbestandlichen Voraussetzungen des außerdienstlichen Dienstvergehens wollte der Gesetzgeber den Wandel der gesellschaftlichen Anschauungen über die Stellung der Beamten Rechnung tragen. Demnach werden Beamte nicht mehr als Vorbild in allen Lebenslagen angesehen, die besonderen Anforderungen an Moral und Anstand unterliegen (BVerwG, Urt. v. 30.08.2000, 1 D 37.99; juris). In Reaktion auf diese Rechtsprechung erwähnt § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG den Ansehensverlust nicht mehr. Die Vorstellung, dass der Beamte „niemals Privatmann“ sei, sondern auch außerhalb des Dienstes Beamter, der stets auf seine Amtsstellung Rücksicht zu nehmen habe, hat der Gesetzgeber zum Schutz der Privatsphäre des Beamten bewusst aufgegeben. Der Gesetzgeber wollte durch die gesetzliche Regelung zum Ausdruck bringen, dass von einem Beamten außerdienstlich kein wesentlich anderes Sozialverhalten als von jedem Bürger erwartet wird. Die Voraussetzungen für die Annahme eines Dienstvergehens im außerdienstlichen Bereich sollten durch besondere tatbestandliche Merkmale verschärft werden. Dies sollte in erster Linie für eine Vielzahl von Straßenverkehrsdelikten gelten (z. B. Trunkenheit im Verkehr; vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung der Bundesdisziplinarordnung, Schriftlicher Bericht des Innenausschusses des Deutschen Bundestages, BT-Drucksache V/1693, zu Art. 2 § 2 Seite 10; BVerwG, Urt. v. 30.08.2000, 1 D 37.99; Urt. v. 25.03.2010, 2 C 83.08; Urt. v. 19.08.2010, 2 C 5.10 und 13.10; juris). In der Gesetzesbegründung wird hervorgehoben, dass die vorkonstitutionelle Auffassung, Beamte seien „immer im Dienst“, in dieser Allgemeinheit nicht mehr gelte. Es gehe allein um das Vertrauen in eine objektive, rechtmäßige und effiziente Aufgabenerfüllung (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.08.2009, 1 D 1.08 mit Verweis auf BT-Drs. 16/4027, S. 34 zu § 48 des Entwurfs; juris). Das Berufsbeamtentum soll eine stabile gesetzestreue Verwaltung sichern, die freiheitlich demokratische Rechtsordnung verteidigen und durch Unabhängigkeit und Unparteilichkeit einen ausgleichenden Faktor gegenüber den das Staatsleben gestaltenden politischen Kräften darstellen. Das Vertrauen, dass der Beamte diesem Auftrag gerecht wird und dessen er zur Erfüllung seiner Aufgabe bedarf, darf der Beamte durch sein Verhalten nicht beeinträchtigen (BVerwG, Urt. v. 30.08.2000, 1 D 37.99; juris).

26

b.) Der somit zu fordernde Dienstbezug ist gegeben, wenn das außerdienstliche Verhalten Rückschlüsse auf die Dienstausübung in dem Amt im konkret-funktionellen Sinn zulässt oder den Beamten in der Dienstausübung beeinträchtigt (Beeinträchtigung der für die Dienstausübung unabdingbaren Autorität). Während bei Delikten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und hier insbesondere bei dem Besitz oder dem Verbreiten kinderpornografischer Dateien ein Dienstbezug bei Lehrern, Pädagogen, Erziehern und auch Polizeivollzugsbeamten im Regelfall angenommen wird (vgl. nur BVerwG, Urt. v. 19.08.2010, 2 C 5.10; B. v. 25.05.2012, 2 B 133.11; VG Magdeburg, Urt. v. 05.06.2013, 8 A 10/12 MD; jüngst VG Wiesbaden bei einem JVA-Bediensteten einer Jugend-JVA, Urt. v. 05.06.2013, 28 K 296/12.WI.D; alle juris) wird dies z. B. bei einem Zollinspektor, welcher im Bereich der Bekämpfung der Schwarzarbeit eingesetzt wird, abgelehnt (BVerwG, Urt. v. 19.08.2010, 2 C 13.10). Die Ausübung der Prostitution hat Dienstbezug bei einer Justizbeamtin (VG Münster, Urteil v. 19.03.2013, 13 K 2930/12.O; juris). Ebenso die außerdienstliche Trunkenheitsfahrt eines Beamten, der auch dienstlich ein Kraftfahrzeug zu führen hat (BVerwG, Urt. v. 30.08.2000, 1 D 37.99; juris). Ähnlich besteht der Dienstbezug bei einem Vermögensdelikt eines Beamten, dem dienstlich die Führung einer Kasse obliegt (BVerwG, Urt. v. 30.08.2000, 1 D 37.99; juris). Das erkennende Disziplinargericht hat bei einem Polizeibeamten hinsichtlich außerdienstlicher Verstöße gegen das Waffen-, Sprengstoff- und Munitionsgesetz sowie das Kriegswaffenkontrollgesetz wegen der dienstlichen Eigenschaft als Waffenträger den Dienstbezug bejaht (VG Magdeburg, Urt. v. 28.02.2013, 8 A 14/11; juris). Bei einem Polizeivollzugsbeamten im Eingangsamt hat die Kammer den Dienstbezug bei der Begehung der Straftat der Entziehung elektrischer Energie verneint (Urteil v. 17.10.2013, 8 A 6/13; juris). Auch bei der Begehung der Straftat der Untreue durch einen im Justizdienst tätigen Rechtspfleger liegt der Dienstbezug vor (VG Magdeburg, U. v. 13.12.2013, 8 A 17/12 MD; zu einem Gerichtsvollzieher: VG Magdeburg, Urteil v. 29.01.2013, 8 A 5/11; alle juris).

27

Unter Berücksichtigung dessen ist vorliegend bei einem SEK-Polizeibeamten der erforderliche waffenrechtliche Dienstbezug gegeben.

28

c.) Aber auch ohne Annahme des Dienstbezuges ist die Disziplinarwürdigkeit des außerdienstlichen Verhaltens des Klägers aufgrund der disziplinarrechtlichen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich das Disziplinargericht anschließt, gegeben.

29

Das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 30.08.2000, 1 D 37.99; Urt. v. 25.03.2010, 2 C 83.08; beide juris) stellt klar, dass bereits bei erstmaligem außerdienstlichem Fehlverhalten die Eignung zu Beeinträchtigung von Achtung und Vertrauen im Hinblick auf das Ansehen des Beamtentums gegeben sein kann. Dies unter Hinweis auf die gesetzgeberischen Wertungen bei der Begehung einer Straftat zum Nachteil des Staates (§ 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBG) oder der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr wegen einer vorsätzlich begangenen schwerwiegenden Straftat (vgl. § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BBG). Das Bundesverwaltungsgericht führt in dem Urteil vom 19.08.2010 (2 C 13.10; juris; auch: Beschluss v. 28.06.2012, 2 B 28.12; juris) aus:

30

„Unabhängig von diesen Fallgruppen lässt der Strafrahmen Rückschlüsse auf das Maß der disziplinarrechtlich relevanten Ansehensschädigung zu. Die Disziplinarwürdigkeit eines erstmaligen außerdienstlichen Verhaltens eines Beamten ist regelmäßig anzunehmen, wenn das außerdienstliche Verhalten im Strafgesetzbuch als Vergehen mit einer Freiheitsstrafe im mittleren Bereich belegt ist. Durch die Festlegung des Strafrahmens bringt der Gesetzgeber verbindlich den Unrechtsgehalt eines Deliktes zum Ausdruck. An dieser Wertung hat sich auch die Entscheidung über die Eignung zu Vertrauensbeeinträchtigung zu orientieren, wenn andere Kriterien, wie etwa ein Dienstbezug oder die Verhängung einer Freiheitsstrafe bei einer vorsätzlich begangenen Straftat ausscheiden. Hierdurch wird hinsichtlich der Frage der Disziplinarwürdigkeit außerdienstlichem Verhaltens eine Entscheidung gewährleistet, die an nachvollziehbare Kriterien anknüpft und keine „allgemeine Empörung oder Entrüstung“ darstellt.“

31

Vorliegend ist der Strafrahmen des Straftatbestandes nach § 22 a Abs. 1 Nr. 3 Kriegswaffenkontrollgesetz mit einem Strafrahmen bis zu 5 Jahren und im Fall des Absatz 3 bis zu 3 Jahren belegt.

32

Die Disziplinarwürdigkeit des außerdienstlichen Fehlverhaltens ist damit gegeben.

33

3.) Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich nach der Schwere des Dienstvergehens, dem Persönlichkeitsbild des Beamten sowie dem Umfang der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung. Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ist regelmäßig dann auszusprechen, wenn der Beamte durch ein schweres Dienstvergehen, das für die weitere dienstliche Tätigkeit notwendige Vertrauensverhältnis zwischen ihm und dem Dienstherrn aber auch der Allgemeinheit endgültig zerstört hat (vgl. nur: BVerwG, Urt. v. 20.10.2005, 2 C 12.04 und Urt. v. 19.08.2010, 2 C 13.10; beide juris).

34

a.) Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich nach objektiven Handlungsmerkmalen wie Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, den besonderen Umständen der Tatbegehung sowie Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens, nach subjektiven Handlungsmerkmalen wie Form und Gewicht des Verschuldens des Beamten, den Beweggründen für sein Verhalten sowie nach den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte. Davon ausgehend kommt es darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Maßnahme geboten ist. Eine vollständige und richtige Gesamtwürdigung setzt voraus, dass die Disziplinarkammer die im Einzelfall bemessungsrelevanten, d. h. die für die Schwere des Dienstvergehens und das Persönlichkeitsbild bedeutsamen Tatsachen ermittelt und mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Gesamtbewertung einbezieht. Dies entspricht dem Zweck der Disziplinarbefugnis des Disziplinargerichts als einem Mittel der Funktionssicherheit des öffentlichen Dienstes. Dabei findet der Grundsatz „in dubio pro reo“ Anwendung. Die Disziplinargerichte dürfen nur solche belastenden Tatsachen in die Gesamtwürdigung einstellen, die zur Überzeugung des Gerichts feststehen. Demgegenüber müssen entlastende (mildernde) Umstände schon dann zu Gunsten des Beamten berücksichtigt werden, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für ihr Vorliegen gegeben sind und eine weitere Sachverhaltsaufklärung nicht möglich ist (vgl. nur: VG Magdeburg, Urt. v. 27.10.2011, 8 A 2/11 mit Verweis auf BVerwG, Urt. v. 27.01.2011, 2 A 5.09; jüngst BVerwG, Urt. v. 29.03.2012, 2 A 11/10, OVG Lüneburg, Urt. v. 14.11.2012, 19 LD 4/11; zuletzt ausführlich; VG Magdeburg, Urt. v. 17.10.2013, 8 A 6/13; alle juris).

35

b.) Im Bezug auf strafbares außerdienstliches Verhalten betont das Bundesverwaltungsgericht in der neuerlichen Rechtsprechung auch bei der Bewertung der Schwere der Pflichtverletzung die Bedeutung der gesetzlichen Strafandrohung für die Maßnahmebemessung (BVerwG, Urt. v. 25.03.2010, 2 C 83.08, Urt. v. 19.08.2010, 2 C 5.10 und 2 C 13.10, B. v. 21.12.2010, 2 B 29.10, B. v. 26.06.2012, 2 B 28.12; alle juris). Die Anknüpfung an den Strafrahmen gewährleistet eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarrechtliche Ahndung von Dienstvergehen. Dabei hat das Bundesverwaltungsgericht bei einem Strafrahmen von bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe bei Fehlen jeglichen Dienstbezuges allenfalls eine Disziplinarmaßnahme im unteren Bereich für angemessen erachtet und bei einem Strafrahmen von bis zu zwei Jahren die Zurückstufung als Orientierungsrahmen angesehen. Kommt ein Dienstbezug hinzu, so kann der Orientierungsrahmen bei einem Strafrahmen bis zu einem Jahr ebenfalls die Zurückstufung, bei einem Strafrahmen bis zu zwei Jahren, sogar die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis sein. Besteht eine wesentlich höhere Strafandrohung - wie hier bis zu fünf Jahren – reicht der disziplinarrechtliche Orientierungsrahmen auch und sogar bei Fehlen eines Dienstbezuges bis zur Höchstmaßnahme (BVerwG, B. v. 28.06.2012, 2 B 28.12; juris).

36

c.) Kommt demnach im vorliegenden Fall aufgrund der Strafandrohung nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz, bei einem Strafrahmen bis zu fünf Jahren (vgl. § 22 a Abs. 1 Kriegswaffenkontrollgesetz) bzw. von drei Jahren (§ 22 a Abs. 3 Kriegswaffenkontrollgesetz) durchaus die Zurückstufung als Orientierungsrahmen bei der Begehung dieses außerdienstlichen Dienstvergehens in Betracht, entsteht daraus jedoch kein Automatismus. Dabei ist von Bedeutung, dass die hier dargestellte Strafrahmenorientierung anlässlich der Rechtsprechung zur disziplinarrechtlichen Ahndung des Besitzes kinderpornografischer Schriften vom Bundesverwaltungsgericht entwickelt wurde. Es ist eindeutig und nachvollziehbar erkennbar, dass gerade dieser typischerweise als außerdienstliches Delikt begangene Unrechtsgehalt disziplinarrechtlich durch einen feststehenden Orientierungsrahmen abgeschöpft werden sollte.

37

Das Bundesveraltungsgericht betont ebenso in ständiger Rechtsprechung, dass der so zu bestimmende Orientierungsrahmen für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme, die Disziplinargerichte aber gleichfalls nicht davon entbindet, die Umstände des Einzelfalls ausreichend zu würdigen (BVerwG, Urt. v. 25.03.2010, 2 C 83.08; juris). Für die Zumessungsentscheidung müssen die in § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 DG LSA genannten Bemessungskriterien mit dem ihnen zukommenden Gewicht ermittelt und eingestellt werden. Dieses Erfordernis beruht auf dem im Disziplinarverfahren geltenden Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

38

Dies gilt vorliegend gerade für nicht von der Masse der Beamten verwirklichte Straftatbestände, wie hier ein Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz. Demnach ist vorliegend das Disziplinargericht gerade angehalten, die Besonderheiten der Tatumstände hinsichtlich der Schwere des Dienstvergehens und des daraus zu entwickelnden Disziplinarmaßes im Sinne von § 13 DG LSA zu berücksichtigen. Dabei hat sich das Disziplinargericht bereits in dem Urteil vom 28.02.2013 (8 A 14/11 MD; juris) mit der Problematik des außerdienstlichen Verstoßes eines Polizeibeamten gegen das Waffengesetz, dem Sprengstoffgesetz und dem Kriegswaffenkontrollgesetz auseinandergesetzt. Bereits der dortige Lebenssachverhalt war von einer Vielzahl von Verstößen gegen die genannten Gesetze gekennzeichnet, wie die unvorschriftsmäßige Aufbewahrung von Schusswaffen und Munition, die Nichtanzeige des Erwerbs einer Schusswaffe und von wesentlichen Waffenteilen, dem unerlaubten Besitz einer Sprengkapsel, dem unerlaubten Besitz von Waffen und Munition, die dem Kriegswaffenkontrollgesetz unterliegen, dem unerlaubten Besitz von Patronenmunition verschiedener Kaliber. Das Disziplinargericht hat in dem damaligen Urteil ausgeführt, dass das begangene Dienstvergehen wegen der Verstöße gegen das Waffengesetz und der dadurch bedingten Vertrauensbeeinträchtigung eine Intensität erreicht, die die Ahndung mit einer gehörigen Disziplinarmaßnahme mit Außenwirkung, also im oberen Bereich der gestuften Disziplinarmaßnahmen erforderlich macht. Das Disziplinargericht ließ keinen Zweifel daran, dass auch der Ausspruch der Höchstmaßnahme, also die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis durchaus möglich erscheint. Gleichwohl kam das Disziplinargericht in dem damaligen Fall aufgrund ihrer eigenen Disziplinarbefugnis (§ 57 Abs. 2 Satz 2 DG LSA) zu der Überzeugung, dass die endgültige Zerstörung des Vertrauensverhältnisses gegenüber dem Dienstherrn aber auch der Allgemeinheit noch nicht festgestellt werden könne und erkannte auf die Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung. So verwies die Kammer in dem Urteil auch auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts München, welches aufgrund der strafrechtlichen Verurteilung eines Beamten wegen des Besitzes eines Sturmgewehrs AK47 sowie der passenden Munition im Umfang von 1.100 Schuss von der grundsätzlichen Notwendigkeit der Degradierung ausgegangen war, aber diese auf die Gehaltskürzung abmilderte (VG München, Urt. v. 16.04.2007, M 19 D 06.2693; juris). Denn der Beamte habe in dem Münchener Fall in erheblichem Maße bei der Aufklärung der Straftat mitgewirkt und es sei eine positive Persönlichkeitsprognose zu stellen.

39

d.) Ebenso muss das Disziplinargericht stets die sogenannten Entlastungs- oder Milderungsgründe hinsichtlich des Einzelfalls berücksichtigen. Solche Gründe stellen zum einen die von der Rechtsprechung bezüglich der sog. Zugriffsdelikte entwickelten und anerkannten Milderungsgründe dar, die besondere menschliche Konfliktsituationen beschreiben. Hierzu zählen etwa das Handeln in einer existenziellen wirtschaftlichen Notlage oder einer körperlichen oder psychischen Ausnahmesituation oder besonderen Versuchssituationen oder eine persönlichkeitsfremde Einzelverfehlung des Beamten wie auch „Entgleisungen“ während einer negativen, inzwischen überwundenen, durch Alkohol, Drogen oder Schicksalsschlägen bedingte Lebensphase. Der Milderungsgrund der Geringwertigkeit eines verursachten Schadens oder des geldlichen Vorteils der Handlung wird bei etwa 50,00 Euro gezogen. Auch besondere die Dienstpflichtverletzung begünstigende Handlungen und mangelnde Kontrollen des Dienstherrn können im Einzelfall wie ein besonderes Nachtatverhalten die Schwere der Verfehlung mildern. Zeitlich überlange Disziplinarverfahren können wegen des disziplinarrechtlichen Beschleunigungsgebotes und der mit dem Disziplinarverfahren verbundenen persönlichen Belastungen jedenfalls bei Maßnahmen der Pflichtenmahnung berücksichtigt werden. Auch eine dienstliche Überlastung kann einen Milderungsgrund darstellen (VG Magdeburg, Urteil v. 29.01.2013, 8 A 5/11; juris).

40

Die entlastenden Gründe sind nicht (mehr) allein auf den in der Rechtsprechung entwickelten Kanon der anerkannten Milderungsgründe beschränkt (BVerwG, Urteil v. 29.03.2012, 2 A 11.10, m. w. Nachw.; juris; insoweit missverständlich: OVG LSA, Beschluss v. 17.09.2013, 10 M 9/13 [n. v.]). Diese müssen aber in ihrer Gesamtheit geeignet sein, die Schwere des Pflichtenverstoßes erheblich herabzusetzen. Generell gilt, dass das Gewicht der Entlastungsgründe umso größer sein muss, je schwerer das Delikt aufgrund der Schadenshöhe sowie der Tatumstände, wie Anzahl, Häufigkeit, Zeitraum, Verschiedenartigkeit und Tatausführung wiegt (im Ganzen ausführlich: VG Magdeburg, Urt. v. 29.11.2012, 8 A 12/11, v. 31.03.2011, 8 A 2/10 MD und v. 27.10.2011, 8 A 2/11, mit Verweis auf BVerwG, Urt. v. 24.05.2007, 2 C 28.06, Urt. v. 06.06.2007, 1 D 2.06, Urt. v. 29.05.2008, 2 C 59.07; Bayr. VGH, Urt. v. 27.10.2010, 16 aD 09.2470; OVG Lüneburg, Urt. v. 08.02.2011, 6 LD 4/08; alle juris).

41

e.) Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben, sieht das Disziplinargericht im vorliegenden Fall auch in der Person des Klägers derartige Besonderheiten. Der Kläger stellte sich bereits im Laufe des Straf- und Disziplinarverfahrens als einsichtig dar und hinterließ insoweit insbesondere in der mündlichen Verhandlung vor dem Disziplinargericht einen positiven Eindruck auf das Gericht. Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Kläger, der zum Tatzeitpunkt 28 Jahre alt war, die Tat und deren Folgen ernsthaft bereut. Das Gericht hat keine Anhaltspunkte dafür, dass dieses reumütige Verhalten gespielt war und nur dem Zwecke eines milderen Urteils diente. Denn insoweit muss vordringlich berücksichtigt werden, dass der Kläger, welcher nach seiner Aussage mit 27 Jahren damals der jüngste SEK-Beamte war, aufgrund der Tatbegehung und der beamtenrechtlichen Pflichtenversäumnisse - zutreffend - aus dem SEK entfernt wurde. Damit sind ihm die aus diesem Amt zufließenden dienstrechtlichen Vorteile allesamt entzogen worden. Dies bedeutet neben dem allgemeinen Prestigeverlust, in einer derartigen polizeirechtlichen Eliteeinheit nicht mehr tätig sein zu dürfen, auch, dass ihm bestimmte geldwerte Zulagen sowie der aus diesem Amt resultierende Aufstieg verwehrt sind. Dies wird besonders deutlich darin, dass der Kläger nunmehr an die Landesbereitschaftspolizei abgeordnet wurde und dort im Bereich des Objektschutzes, sprich Wachschutz, tätig ist. Dabei darf disziplinarrechtlich auch positiv bewertet werden, dass sich der Kläger gegen diese dienstrechtlichen Maßnahmen nicht gewendet hat, sie erträgt und damit die Folgen seiner Tat auf sich nimmt. Die aus der strafrechtlichen Sanktionierung resultierenden Vermögenseinbußen erfüllt er. Glaubhaft konnte er versichern, dass er im Privatbereich weitere finanzielle Einbußen aufgrund der Unterstützung seines Vaters erleidet.

42

a. a.) Dementsprechend sieht das Disziplinargericht vorliegend die Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung nach § 9 DG LSA als die zweitschwerste Disziplinarmaßnahme gerade nicht als tatangemessen an, so dass sich die Sanktionsfindung im Bereich der Kürzung der Dienstbezüge nach § 8 DG LSA bewegt. Unter diesen Umständen kommt es vorliegend nicht darauf an, ob die unter der Zurückstufung liegende Disziplinarmaßnahme der Kürzung der Dienstbezüge nur deshalb ausgesprochen werden muss, weil die eigentlich notwendige und tatangemessene Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung wegen der laufbahnrechtlichen Voraussetzungen nicht ausgesprochen werden kann. Nur für diesen Fall – von dem der Beklagte ausging – nimmt das Bundesverwaltungsgericht an, dass die Voraussetzungen des so genannten disziplinarrechtlichen Überhangs nach § 14 Abs. 1 Satz 1 und 2 DG LSA stets als erfüllt anzusehen sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.08.2010, 2 C 13/10; juris).

43

b. b.) Liegt der Fall hier also anders, dass von vornherein die Disziplinarmaßnahme der Kürzung der Dienstbezüge nach § 8 DG LSA nach § 13 DG LSA als notwendige Disziplinarmaßnahme auszusprechen ist, muss die Prüfung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 DG LSA vorgenommen werden, ob die Kürzung der Dienstbezüge neben der bereits verhängten Kriminalstrafe erforderlich ist, um den Beamten zur Pflichtenerfüllung anzuhalten.

44

Wann eine zusätzliche Pflichtenmahnung i. S. v. § 14 Abs. 1 Satz 2 DG LSA, also ein sogenannter disziplinarrechtlicher Überhang, erforderlich ist, hängt von einer Bewertung der Gesamtpersönlichkeit des Beamten ab. Dabei ist davon auszugehen, dass eine Disziplinarmaßnahme neben der sachgleichen Kriminalstrafe eine eng begrenzte Ausnahme darstellt. Sie setzt die Gefahr voraus, dass sich die durch das Fehlverhalten zu Tage getretenen Eigenarten des Beamten trotz der strafgerichtlichen Sanktion auch in Zukunft in für den Dienst bedeutsamer Weise auswirken können. Diese Gefahr lässt sich nicht aus allgemeinen Erwägungen ableiten, sie muss aus konkreten Umständen des Einzelfalls hergeleitet werden. Die Disziplinarmaßnahme dient nicht der Vergeltung für begangenes Unrecht. Eine zusätzliche Maßnahme ist mithin nur nach individueller Prüfung des Einzelfalls beim Vorliegen konkreter Umstände für eine Wiederholungsgefahr zulässig, wenn also konkrete Befürchtungen ersichtlich sind, der Beamte werde sich trotz der ihm wegen desselben Sachverhaltes bereits auferlegten Kriminalstrafe erneut einer Dienstpflichtverletzung schuldig machen (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.02.2005, 1 D 13.04; juris; VG Berlin, Urt. v. 17.09.2012, 80 K 10.12 OL; juris; vgl. zum Ganzen: Hummel/Köhler/Mayer, BDG, 5. Aufl., 2012, § 14 Rz. 8).

45

Das Disziplinargericht ist unter Auswertung aller Tatumstände und der Bewertung der Persönlichkeit des Klägers zu der richterlichen Überzeugung gelangt, dass derartige Umstände für ein zusätzliches Sanktionsbedürfnis neben der Kriminalstrafe hier nicht zu erkennen sind. Dies auch unter den eingangs genannten, dem Disziplinargericht zustehenden Zweckmäßigkeitserwägungen nach § 59 Abs. 3 DG LSA. Im Rahmen der Zweckmäßigkeit ist zu prüfen, ob die beabsichtigte Maßnahme den Zweck des Disziplinarverfahrens zu erfüllen vermag. Das ist beispielweise dann nicht der Fall, wenn eine Disziplinarmaßnahme zu hart oder zu mild bemessen ist oder wenn das Dienstvergehen und die sonstigen Umstände des Einzelfalls den Erlass einer Disziplinarverfügung gegenüber einer Disziplinarklage als angemessen erscheinen lassen (vgl. Gesetzesbegründung zu § 76 DG LSA). Es handelt sich auch nicht um eine persönlichkeitsbedingte Wiederholungstat. Auch wenn die Disziplinarverfügung in der Begründung dem Kläger vorhält, dass er bereits vormalig auf dem Schießstand gesichtet worden sei, ist dies nicht hinreichend belegt und gerade nicht disziplinarrechtlich oder gar strafrechtlich aufgearbeitet worden und ist nicht Gegenstand der Disziplinarverfügung. Auch von weiteren oder neuerlichen diesbezüglichen oder auch nur anderen disziplinarrechtlich relevanten Dienstpflichtverletzungen des Klägers ist nichts bekannt.

46

4.) Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 72 Abs. 4 DG LSA, 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO war die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären. Denn dem Kläger war die eigenständige Durchführung des Widerspruchsverfahrens nicht zumutbar.


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme ergeht nach pflichtgemäßem Ermessen. Die Disziplinarmaßnahme ist nach der Schwere des Dienstvergehens zu bemessen. Das Persönlichkeitsbild des Beamten ist angemessen zu berücksichtigen. Ferner soll berücksichtigt werden, in welchem Umfang der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit beeinträchtigt hat.

(2) Ein Beamter, der durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat, ist aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Dem Ruhestandsbeamten wird das Ruhegehalt aberkannt, wenn er als noch im Dienst befindlicher Beamter aus dem Beamtenverhältnis hätte entfernt werden müssen.

(1) Beamtinnen und Beamte begehen ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen. Außerhalb des Dienstes ist dieses nur dann ein Dienstvergehen, wenn die Pflichtverletzung nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt oder das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.

(2) Bei Ruhestandsbeamtinnen und Ruhestandsbeamten sowie früheren Beamtinnen mit Versorgungsbezügen und früheren Beamten mit Versorgungsbezügen gilt es als Dienstvergehen, wenn sie

1.
sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes betätigen,
2.
an Bestrebungen teilnehmen, die darauf abzielen, den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen,
3.
gegen die Verschwiegenheitspflicht, gegen die Anzeigepflicht oder das Verbot einer Tätigkeit nach Beendigung des Beamtenverhältnisses oder gegen das Verbot der Annahme von Belohnungen, Geschenken und sonstigen Vorteilen verstoßen oder
4.
einer Verpflichtung nach § 46 Absatz 1, 2, 4 oder 7 oder § 57 schuldhaft nicht nachkommen.
Satz 1 Nummer 1 bis 3 gilt auch für frühere Beamtinnen mit Anspruch auf Altersgeld und frühere Beamte mit Anspruch auf Altersgeld.

(3) Die Verfolgung von Dienstvergehen richtet sich nach dem Bundesdisziplinargesetz.

(1) Beamtinnen und Beamte haben ihre Vorgesetzten zu beraten und zu unterstützen. Sie sind verpflichtet, deren dienstliche Anordnungen auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen. Dies gilt nicht, soweit die Beamtinnen und Beamten nach besonderen gesetzlichen Vorschriften an Weisungen nicht gebunden und nur dem Gesetz unterworfen sind.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei organisatorischen Veränderungen dem Dienstherrn Folge zu leisten.

Tatbestand

1

Die Klägerin betreibt die Disziplinarklage gegen den im Rang eines Polizeiobermeisters (BesGr. A 8 BesO) stehenden beklagten Polizeivollzugsbeamten mit dem Ziel seiner Entfernung aus dem Dienst.

2

Der 1963 geborene Polizeibeamte erlernte nach dem Besuch der Polytechnischen Oberschule von 1980 bis 1982 den Beruf des Zerspaners. Anschließend diente er bis 1989 als Berufssoldat in der NVA. Es schloss sich eine fünfmonatige Tätigkeit in seinem Beruf und bis 1991 eine Tätigkeit als Viehpfleger an. Nach mehreren Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen wurde der Beklagte in den Polizeidienst des Landes Sachsen-Anhalt eingestellt und 1993 zum Beamten auf Probe ernannt. Es folgte 1995 die Lebenszeiternennung und im Jahre 2001 die Beförderung in sein jetziges statusrechtliches Amt. Bei der A. ist der Beamte als Einsatz- und Streifenbeamter im Revierkommissariat S. sowie im Revierkommissariat S. eingesetzt.

3

Der Beamte ist geschieden und hat sechs Kinder. Er erhält Dienstbezüge in Höhe von 2.528,59 Euro brutto. Abzüglich Steuern, Solidaritätszuschlag und Pfändungen bekommt der Beamte monatlich 1.652, 81 Euro ausgezahlt. Die letzte dienstliche Beurteilung für den Zeitraum 2007 bis 2009 schloss mit 225 Punkten mit der Gesamtnote „befriedigend“.

4

Seit dem 15.12.2009 ist der Beamte wegen der hier streitgegenständlichen Vorkommnisse unter einer Kürzung von 5 % seiner Dienstbezüge vorläufig des Dienstes enthoben.

5

Mit der Disziplinarklage vom 12.06.2012 (eingegangen 15.06.2012) wird der Beamte angeschuldigt, dadurch ein Dienstvergehen gemäß § 47 Abs. 1 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) begangen zu haben, indem er:

6

1. am 06.09.2007 trotz dienstlicher Anweisung seinen Dienst nicht im damaligen Polizeirevier C-Stadt, sondern im Revierkommissariat S. durchgeführt, damit die Einsatzbereitschaft im Polizeirevier C-Stadt gefährdet und somit gegen die Gehorsamspflicht gemäß § 35 Satz 2 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) und gegen die Pflicht zu vollem persönlichen Einsatz im Beruf gemäß § 34 Satz 1 BeamtStG verstoßen hat,

        
7

2. eingenommene Verwarngeld der in Höhe von 135,00 Euro am 24.11.2009 gemäß § 246 Strafgesetzbuch (StGB) unterschlagen, vorgeschriebene Eintragungen auf dem ihm anvertrauten Verwarngeldblock Nr. 88703 unterlassen und damit gegen seine Pflicht zur Uneigennützigkeit gemäß § 34 Satz 2 BeamtStG, gegen seine Wohlverhaltenspflicht gemäß § 34 Satz 3 BeamtStG und gegen seine Gehorsamspflicht gemäß § 35 Satz 2 BeamtStG verstoßen hat,

        
8

3. zweimal einen Tankbetrug gemäß § 263 StGB begangen und damit gegen seine Pflicht zur Uneigennützigkeit gemäß § 34 Satz 2 BeamtStG und gegen seine Wohlverhaltenspflicht gemäß § 34 Satz 3 BeamtStG verstoßen hat, indem er am 19.11.2009 um 15:37 Uhr und am 25.11.2009 um 02:01 Uhr sein privates Kraftfahrzeug mit 30 Litern Dieselkraftstoff im Wert von 33,84 Euro bzw. 33,24 Euro betankte und zur Bezahlung die dienstlich gelieferte UTA-Tankkarte des Revierkommissariats S. nutzte.

9

Zu dem Disziplinarvorwurf zu Nr. 1 heißt es in der Disziplinarklage, dass der Beamte über seinen Einsatz in der Nachtschicht im Polizeirevier C-Stadt am 06.09.2007 in Kenntnis gesetzt worden sei. Nachdem der Beamte um 22.10 Uhr noch nicht im Dienstgebäude in C-Stadt erschienen sei, habe man bei dem Beamten im Revierkommissariat S. angerufen, woraufhin dieser mitgeteilt habe, dass er von der Dienstplanänderung nichts wisse. Der durch PHK Henze erfolgte Hinweis auf den Weisungscharakter der erfolgten Dienstplanänderung habe den Beamten nicht veranlasst, seinen Dienst im Polizeirevier C-Stadt zu versehen, sodass der Beamte im Zeitraum der Nachtschicht am 06.09.2007 im Revierkommissariat S. verblieb.

10

Damit habe der Beamte gegen seine Pflicht zu vollem persönlichen Einsatz im Beruf gemäß § 34 Satz 1 BeamtStG verstoßen. Zudem habe er gegen seine Gehorsamspflicht nach § 35 Satz 1 BeamtStG verstoßen.

11

Der unter Nr. 2. erhobene Disziplinarvorwurf wird damit begründet, dass im Rahmen der am 26.11.2009 um 05.00 Uhr im Einsatzdienst des Revierkommissariats S. durchgeführten Kontrolle des Verwarngelds durch den Vorgesetzten des Beamten, PK S., festgestellt worden sei, dass der Beamte nicht in der Lage gewesen sei, den eingenommenen Verwarngeldbetrag in Höhe von 135,00 Euro vorzulegen. Zugleich habe in dem ihm am 04.11.2011 ausgehändigten und damit anvertrauten Verwarngeldblock Nr. 88703 jegliche Eintragungen zu den eingenommenen Verwarngeldern gefehlt. Der Beamte habe daraufhin eingeräumt, die Verwarngelder für private Zwecke verbraucht zu haben. Von dem Geld habe er 35,00 Euro für Tankzwecke verwendet, als er seine Tochter am 24.11.2009 zu einer kurzfristig erhaltenen Lehrstelle nach Clausthal-Zellerfeld gefahren habe. Den restlichen Betrag in Höhe von 105,00 Euro habe er seiner Tochter als so genannte Starthilfe überlassen. Ende November 2009 habe der Beamte das unterschlagene Verwarngeld an seinen Leiter, PHK P., zurückgezahlt, was dieser bestätigt habe.

12

Das diesbezüglich geführte staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren ist gemäß § 153 a Abs. 1 StPO nach Zahlung einer Auflage in Höhe von 300,00 Euro eingestellt worden.

13

Durch die Veruntreuung der dienstlich anvertrauten Gelder habe der Beamte pflichtwidrig gehandelt und damit vorsätzlich und schuldhaft gegen seine Pflicht zur Uneigennützigkeit nach § 34 Satz 2 BeamtStG verstoßen. Ebenso habe er gegen seine so genannte Wohlverhaltenspflicht nach § 34 Satz 3 BeamtStG verstoßen. Das Dienstvergehen wiege schwer. Denn die Verpflichtung, nicht gegen Strafgesetze zu verstoßen, zähle zu den Grund- und Kernpflichten des Beamtenverhältnisses und sei damit Grundlage des gegenseitigen Treue- und Vertrauensverhältnisses. Dies gelte insbesondere für Polizeibeamte. Der Beamte sei regelmäßig über den ordnungsgemäßen Umgang mit Verwarngeld und Verwarngeldblöcken belehrt worden.

14

Aufgrund des Disziplinarvorwurfes unter Nr. 3 habe der Beamte einen Tankbetrug gemäß § 263 StGB in zwei Fällen begangen. Am 25.11.2009 sei durch den als Wachhabenden im Revierkommissariat eingesetzten PM K. festgestellt worden, dass die UTA-Tankkarte des Funkstreifenwagens mit dem Kennzeichen LSA-45182 bei der Dienstübernahme gefehlt habe. Im Rahmen der Ermittlungen sei festgestellt worden, dass der Funkstreifenwagen letztmalig am 19.11.2009 um 01.01 Uhr regulär mit der UTA-Tankkarte betankt worden sei. Sodann sei die Tankkarte abermals am 19.11.2009 um 15.37 Uhr zwecks Betankung mit 30 Litern Dieselkraftstoff im Wert von 33,84 Euro verwandt worden. Zu diesem Zeitpunkt habe sich der Funkstreifenwagen nicht im Einsatz befunden. Der Beklagte habe eingeräumt, die Tankkarte während der Verrichtung des Frühdienstes am 19.11.2009 an sich genommen und zu seinen persönlichen Sachen gelegt zu haben. Aufgrund der Auswertung der Videoaufzeichnung der Tankstelle sei festgestellt worden, dass am 19.11.2009 um 15.37 Uhr der Beamte seinen privaten PKW betankt habe. Schließlich habe der Beklagte die private Betankung unter Verwendung der dienstlichen Tankkarte eingeräumt. Zur Motivation habe er eine so genannten „Blackout“ und finanzielle Probleme angegeben.

15

Das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren ist nach § 153 a Abs. 1 StPO nach Auflagenerfüllung durch Zahlung von 300,00 Euro eingestellt worden.

16

Im Rahmen der strafrechtlich geführten Ermittlungen gegen den Beamten zum Tankbetrug am 19.11.2009 sei bekannt geworden, dass der Beamte mit der UTA-Tankkarte des Funkstreifenwagens LSA-45182 auch am 25.11.2009 um 02.01 Uhr an der „Greenline“-Tankstelle in S. sein privates Fahrzeug mit 30 Litern Dieselkraftstoff im Wert von 33,24 Euro betankt habe. Der von der Tankstelle ausgehändigte Tankbeleg trage die Unterschrift des Beamten.

17

Der gegen den Beamten ergangene Strafbefehl des Amtsgerichts S. vom 08.06.2010, mit dem der Beamte wegen des Tankvorgangs am 19.11.2009 und am 25.11.2009 sowie der Unterschlagung der Verwarngelder in Höhe von 135,00 Euro wegen Betrugs und Unterschlagung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen je 50,00 Euro verurteilt wurde, wurde mit Urteil des Amtsgerichts S. vom 03.08.2010 aufgehoben. Denn wegen Strafklageverbrauchs war das Verfahren einzustellen. Nachdem das Landgericht A-Stadt das Urteil des Amtsgerichts S. aufhob und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht S. zurückverwies, nahm der Beamte die zunächst gegen das Urteil des Landgerichts A-Stadt eingelegte Revision zurück. Mit Beschluss des Amtsgerichts S. vom 28.06.2011 wurde das Verfahren wegen Betruges gegen den Beamten endgültig nach § 153 a Abs. 2 StPO nach Erfüllung der Auflage, nämlich Zahlung von 1.000,00 Euro, eingestellt.

18

Der Beamte habe gegen seine Pflicht nach § 34 Satz 2 BeamtStG verstoßen, sein Amt uneigennützig und nach besten Gewissen zu verwalten. Der Beamte habe auch hier im Kernbereich seiner Dienstpflichten versagt. Unstreitig habe der Beamte zweimal die Betankung seines privaten Fahrzeuges mit der dienstlich gelieferten Tankkarte bezahlt. Über den korrekten Umgang mit den dienstlichen Tankkarten sei der Beamte zuletzt am 26.08.2009 belehrt worden. Ein fahrlässiges Verhalten im Sinne eines Augenblickversagens („blackout“) sei auszuschließen, auch weil der Beamte die UTA-Tankkarte bewusst dem Fahrtenbuch entnommen habe, um damit das später erfolgte private Betanken seines PKW zu bezahlen. Der Beamte habe vorsätzlich und schuldhaft gehandelt. Zudem habe er dadurch gegen seine so genannte Wohlverhaltenspflicht nach

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§ 34 Satz 3 BeamtStG verstoßen.

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Der Beamte habe durch die drei geschilderten Pflichtverletzungen schuldhaft ein schwerwiegendes Dienstvergehen nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begangen. Schuldausschließungs- oder Milderungsgründe seien nicht ersichtlich. Eine wirtschaftliche Notlage komme nicht in Betracht. Die diesbezüglich zu beachtenden Regelsätze der Sozialhilfe/Regelsätze für Empfänger von Arbeitslosengeld II seien hier nicht erreicht. Im Rahmen der Einbehaltung der Dienstbezüge in Höhe von 5 % sei festgestellt worden, dass der Lebensunterhalt des Beamten immer noch gesichert sei. Zwar habe der Beamte die unterschlagenen Verwarngelder zurückgezahlt; die unberechtigten Tankvorgänge in Höhe von insgesamt 67,08 Euro jedoch nicht. Damit scheide die Wiedergutmachung der Tat als Milderungsgrund aus. Die Schadenshöhen seien auch nicht als gering im Sinne der Rechtsprechung anzusehen. Dabei sei zu beachten, dass es sich um wiederholte Tankvorgänge bezüglich eines Betrages unterhalb der Bagatellgrenze von 50,00 Euro handele. Demnach hätte der Beamte ein einmaliges und nicht ein mehrfaches Fehlverhalten zeigen dürfen.

21

Das Gesamtverhalten des Beamten spreche für ein hohes Maß an Eigennutz, Labilität und erheblichen Mangel an Selbstdisziplin und Charakterfestigkeit. Unter diesen Umständen genieße er nicht mehr die Achtung und das Vertrauen, das sowohl die Allgemeinheit als auch der Dienstherr in einen Polizeibeamten setzten. Das erforderliche Vertrauensverhältnis sei endgültig zerstört.

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Die Klägerin beantragt,

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den Beamten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen

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und verteidigt sich erstmalig in der Beschwerde gegen die vom erkennenden Gericht mit Beschluss vom 04.09.2012 versagte Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Die Vorkommnisse am 06.09.2007 seien auf Unzulänglichkeiten beim Informationsfluss zwischen den Beteiligten zu erklären. Aufgrund einer Magenverstimmung und seiner Einschätzung darüber, dass das Revier in S. nicht überbesetzt gewesen sei, habe er seine Bedenken im Hinblick auf die Dienstverrichtung in C-Stadt angemeldet. Bezüglich der ihm weiter vorgehaltenen Verstöße hinsichtlich der Verwarngelder und der Tankvorgänge sei festzuhalten, dass diese innerhalb einer Woche im November 2009 stattfanden. Der Beklagte habe zu diesem Zeitpunkt erheblich unter psychischen Druck gestanden. Er sei von den Kollegen gemieden und habe familiäre Probleme sowohl mit seiner damaligen Lebensgefährtin und deren Tochter als auch und insbesondere mit seiner geschiedenen Ehefrau und den Kindern aus erster Ehe gehabt. Er sei wiederholt auf Unterhaltszahlungen in Anspruch genommen worden. Auch habe er dafür Sorge getragen, dass seine ehemalige Ehefrau aus der Schuldhaft gegenüber der Gläubigerbank für das gemeinsam erworbene und errichtete Haus befreit worden sei. Die frühere Ehefrau habe für die Kinder stets mehr als den zustehenden Regel- bzw. Mindestunterhalt gefordert. Die Eingebundenheit in das Schichtsystem, die damit einhergehenden arbeitsmäßigen Belastungen als Polizeibeamter im Vollzugsdienst und die bedrohliche wirtschaftliche Situation Ende 2008 habe dazu geführt, dass der Beamte sich in ärztliche Behandlung und auch in eine Tagesklinik begeben habe. Im Januar 2009 habe er sich beim Polizeiärztlichen Dienst in A-Stadt vorgestellt und auch Kontakt zur Polizeipsychologin gesucht. Eine psychologische Behandlung sei erst ab Sommer 2009 möglich gewesen. Er habe fünf Behandlungen vorgenommen.

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Aufgrund seiner wirtschaftlichen Probleme habe er immer wieder Kleinkredite aufgenommen.

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Seine Tochter aus erster Ehe habe eine Ausbildung aufgenommen und eine Wohnung am Ausbildungsort eingerichtet. Da von der Mutter keine nennenswerte Unterstützung geleistet worden sei, habe sich der Beklagte verpflichtet gefühlt. So habe er die eingenommenen Verwarngelder für die Tochter verwandt mit dem festen Vorsatz, das Geld zurückzulegen, was jedoch wegen der Kontrolle nicht mehr gelungen sei. Er sei sich der Tragweite seines Vorgehens nicht bewusst gewesen. Er habe nicht die Absicht gehabt, das Vermögen des Dienstherrn zu schädigen.

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Aus Unachtsamkeit habe er bei der Verwendung der Tankkarte nicht darauf geachtet, dass er den Tankvorgang mit seiner privaten EC-Karte bezahle. Auch diese Schäden habe der Beamte umgehend bzw. im Laufe des Verfahrens zurückgezahlt.

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Vor diesem Hintergrund sei die Entfernung aus dem Dienst unverhältnismäßig.

31

Auch sei mildernd zu berücksichtigen, dass der Beamte ein Klageverfahren hinsichtlich seiner dienstlichen Beurteilung (5 A 206/09 MD; Hauptsacheerledigung) geführt habe und die dem Dienstherrn bekannte Tatsache seiner gesundheitlichen Beschwerden bei einem frühzeitigen Eingreifen der Dienstaufsicht die weiter angeschuldigten Pflichtenverstöße hätten vermieden werden können.

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Die Klägerin erwidert auf die erstmals vorgetragenen Milderungsgründe und sieht diese nicht als gegeben an. Beamtenrechtliche Streitigkeiten sowie private Unterhaltsverpflichtungen dürften nicht zur Begehung der vorgehaltenen schwerwiegenden Kernpflichtverletzungen führen. Zudem hätten die unter Nr. 2 und 3 der Disziplinarklage vorgehaltenen Handlungen im November 2009 und damit offenkundig nach Beendigung der erfolgten Behandlung durch die Psychologin im Sommer 2009 statt gefunden. Eine zweimalige unbeabsichtigte Verwechselung der UTA-Card mit der privaten EC-Karte sei auszuschließen. Zudem habe der Beamte bislang einen so genannten „Blackout“ angegeben. Hinsichtlich der thematisierten Fürsorgepflicht des Dienstherrn sei anzumerken, dass der Beamte auf die Hilfe des Polizeiärztlichen Dienstes hingewiesen und er zudem einer regelmäßigen polizeiärztlichen Kontrolle unterzogen worden sei.

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Mit Beschluss vom 28.02.2013 hat das Gericht das Disziplinarverfahren gemäß § 53 Satz 1 DG LSA auf die in der Disziplinarklage unter Nr. 2 und 3 angeführten Pflichtenverstöße beschränkt.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang und den darin befindlichen Auszügen aus den strafrechtlichen Ermittlungsvorgängen verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Disziplinarklage ist begründet. Der Beamte hat ein schwerwiegendes innerdienstliches Dienstvergehen nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begangen, was seine Entfernung aus dem Dienst (§ 10 DG LSA) als Disziplinarmaßnahme nach sich zieht.

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Nach § 13 DG LSA ist die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens zu bemessen und erfordert eine angemessene Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten. Der Vertrauensverlust des Dienstherrn oder der Allgemeinheit soll berücksichtigt werden. Ein Beamter, der durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat, ist aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.

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Aufgrund des festgestellten Sachverhalts hat der Beklagte seine Dienstpflichten zur uneigennützigen Amtsführung (§ 34 Satz 2 BeamtStG), zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes (§ 34 Satz 3 BeamtStG) sowie zur Beachtung von allgemeinen Richtlinien und Weisungen (§ 35 Satz 2 BeamtStG) durch die begangenen Handlungen nachhaltig verletzt. Der Tatbestand dieser Dienstpflichtverletzungen liegt auf der Hand. Auch wenn die staatsanwaltschaftlichen und strafrechtlichen Ermittlungen diesbezüglich gegen Auflagenzahlung eingestellt worden sind, ist der Tatbestand der Verwarngeldunterschlagung und des Tankgeldkartenbetruges in zwei Fällen gegeben. Daran ändern die strafprozessualen Verhältnisse, die zum Strafklageverbrauch aus formellen Gründen geführt haben nichts. Denn der Disziplinarklagevorwurf ist unabhängig von dem Strafvorwurf. Zudem hat der Beklagte die Begehung der Taten eingeräumt.

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Danach steht fest, dass der Beamte Verwarngelder in einem Gesamtbetrag von 135,00 Euro veruntreut und letztendlich für seine privaten Zwecke verwandt hat. Darüber hinaus hat er zweimal einen Tankbetrug in Höhe von 33,84 Euro und 33,24 Euro begangen.

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Durch diese Taten hat der Beamte im Kernbereich seiner ihm obliegenden dienstlichen Pflichten schwer versagt und das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und dem Dienstherrn aber auch der Allgemeinheit endgültig zerstört. Beide Taten sind als einheitliches Dienstvergehen und disziplinarrechtlich als sogenannte Zugriffsdelikte zu bewerten. Verstöße gegen die Uneigennützigkeit werden in der Rechtsprechung der Disziplinargerichte seit jeher als sehr schwerwiegend eingestuft. Denn die uneigennützige, nicht auf den privaten Vorteil bedachte Führung der Dienstgeschäfte stellt eine wesentliche Grundlage des Berufsbeamtentums dar. Im Hinblick darauf ist die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis jedenfalls dann Richtschnur für die Bestimmung der angemessenen Disziplinarmaßnahme, wenn erhebliche Geldzahlungen geflossen sind (vgl. zusammenfassend: BVerwG, Urteil v. 29.03.2012, 2 A 11.10; juris). Zudem ist disziplinarrechtlich entscheidend, ob der Verstoß gegen die Uneigennützigkeit aufgrund einer besonderen Vertrauensstellung des Beamten beruht, das heißt, ob etwa ein Zugriff auf dienstlich anvertraute Gelder oder ein nicht unter Ausnutzung der dienstlichen Vertrauensstellung verübtes (Betrugs-)Delikt vorliegt (BVerwG, Beschluss v. 20.12.2011, 2 B 64.11, juris).

40

Dabei hängt die disziplinarrechtliche Einstufung als Zugriffsdelikt nicht von der strafrechtlichen Beurteilung ab. Es kommt nicht darauf an, ob ein Beamter dienstliche Gelder oder Güter z. B. durch Betrug, Diebstahl, Untreue oder Unterschlagung erlangt hat. Ein Zugriffsdelikt liegt vielmehr dann vor, wenn der Beamte dienstlich anvertraute Gelder und Güter veruntreut hat, wozu auch die Gebührenüberhebung, die Fundunterschlagung und der sogenannte Kollegendiebstahl zählen. Für die Bewertung als Zugriffsdelikt ist entscheidend, dass einem Beamten Gelder oder gleichgestellte Werte dienstlich anvertraut oder dienstlich zugänglich sind (BVerwG: stRspr; vgl. Urteil v. 8. 04.2003, 1 D 27.02; juris). Ein Beamter, der sich bei der Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit an Vermögenswerten vergreift, die seinem Gewahrsam unterliegen, zerstört damit in aller Regel das für die Fortdauer des Beamtenverhältnisses notwendige Vertrauen in seine Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit, wenn die Beträge insgesamt die Schwelle der Geringwertigkeit deutlich überschreiten. Denn die Verwaltung ist auf die Redlichkeit und Zuverlässigkeit ihrer Bediensteten beim Umgang mit solchen Geldern und Gütern in hohem Maße angewiesen. Eine ständige und lückenlose Kontrolle eines jeden Mitarbeiters ist unmöglich und muss deshalb weitgehend durch Vertrauen ersetzt werden. Wer diese für das Funktionieren des öffentlichen Dienstes unabdingbare Vertrauensgrundlage zerstört, muss grundsätzlich mit der Auflösung des Beamtenverhältnisses rechnen (BVerwG, Urteile v. 20.10.2005, 2 C 12.04, v. 03.05.2007, 2 C 9.06, v. 25.10.2007, 2 C 43.07, v. 29.05.2008, 2 C 59.07; zuletzt VG Magdeburg, Urteil v. 29.01.2013, 8 A 5/11; alle juris).

41

Dies gilt nach ständiger Rechtsprechung bei der Unterschlagung von Verwarngeldern jedenfalls oberhalb einer Bagatellgrenze von zurzeit 50 Euro (BVerwG, Urteil v. 28.03.1984, 1 D 63.83, Nds. OVG, U. v. 12.04.2007, 19 LD 4/06 und vom 08.02.2011, 6 LD 4/08; Bayr. VGH, U. v. 27.10.2010, 16 aD 09.2470; zusammenfassend vergleiche nur: VG Magdeburg, U. v. 17.06.2008, 8 A 2/08 MD und U. v. 31.03.2011, 8 A 2/10 und U. v. 29.03.2012, 8 A 3/11; auch OVG LSA, U. v. 24.08.2011, 10 L 3/11; alle juris). Ähnlich ist die missbräuchliche Benutzung der dienstlich anvertrauten Tankkarte zu privaten Zwecken zu bewerten. Auch durch diesen Zugriff auf die ihm dienstlich überlassene Tankkarte hat der Beamte das ihm durch die Überlassung der Tankkarte entgegengebrachte Vertrauen missbraucht und sich bereichert. Ohne die Vertrauensstellung hätte er die Karten nicht erhalten und nicht einsetzen können. Der Beamte handelte vorsätzlich und schuldhaft. Die von ihm behauptete Vertauschung der dienstlichen Tankkarte mit seiner privaten EC-Karte, sieht das Gericht als widerlegte Schutzbehauptung an. Dies kann nicht zweimal passieren und zudem erklärte der Beamte in der mündlichen Verhandlung das System, wonach nämlich sogar zur Abrechnung eine PIN-Nummer eingegeben werden muss und nicht etwa nur durch Unterschriftsleistung der Tankvorgang quittiert wird.

42

Hinsichtlich der auszusprechenden Disziplinarmaßnahme ist die Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten richtungsweisend (vgl. § 13 DG LSA). Die Schwere beurteilt sich nach objektiven Handlungsmerkmalen wie Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzungen, den besonderen Umständen der Tatbegehung sowie Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens, nach subjektiven Handlungsmerkmalen wie Form und Gewicht des Verschuldens des Beamten, den Beweggründen für sein Verhalten sowie nach den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte. Davon ausgehend kommt es darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Maßnahme geboten ist. Eine vollständige und richtige Gesamtwürdigung setzt voraus, dass die Disziplinarkammer die im Einzelfall bemessungsrelevanten, d. h. die für die Schwere des Dienstvergehens und das Persönlichkeitsbild bedeutsamen Tatsachen ermittelt und mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Gesamtbewertung einbezieht. Dies entspricht dem Zweck der Disziplinarbefugnis des Disziplinargerichts als einem Mittel der Funktionssicherheit des öffentlichen Dienstes. Dabei findet der Grundsatz „in dubio pro reo“ Anwendung. Die Disziplinargerichte dürfen nur solche belastenden Tatsachen in die Gesamtwürdigung einstellen, die zur Überzeugung des Gerichts feststehen. Demgegenüber müssen entlastende (mildernde) Umstände schon dann zu Gunsten des Beamten berücksichtigt werden, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für ihr Vorliegen gegeben sind und eine weitere Sachverhaltsaufklärung nicht möglich ist (vgl. nur: VG Magdeburg, Urteil v. 29.11.2012, 8 A 12/11 und Urteil v. 27.10.2011, 8 A 2/11 mit Verweis auf BVerwG, U. v. 27.01.2011, 2 A 5.09; jüngst BVerwG, Urteil v. 29.03.2012, 2 A 11/10, OVG Lüneburg, Urteil v. 14.11.2012, 19 LD 4/11; alle juris).

43

Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass die Schwere des Dienstvergehens vorliegend schon maßgeblich durch das Eigengewicht der Verfehlung bestimmt wird. Demnach ist der „Griff in die Kasse“ regelmäßig mit der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme zu ahnden. Die von der Schwere des Dienstvergehens ausgehende Indizwirkung entfällt nur dann, wenn zugunsten des Beamten gewichtige Entlastungsgründe zu berücksichtigen sind, die den Schluss rechtfertigen, dass das dem Beamten vom Dienstherrn und der Allgemeinheit entgegengebrachte Vertrauen noch nicht endgültig verloren ist.

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Die Disziplinarkammer sieht vorliegend keine Besonderheiten und Entlastungsgründe des Einzelfalls, die es rechtfertigen, die von der Schwere des Dienstvergehens ausgehende Indizwirkung abzumildern. Dies ist dann der Fall, wenn zu Gunsten des Beamten gewichtige Entlastungsgründe (Milderungsgründe) zu berücksichtigen sind, die den Schluss rechtfertigen, dass das dem Beamten vom Dienstherrn und der Allgemeinheit entgegengebrachte Vertrauen noch nicht endgültig verloren ist. Solche Gründe stellen zum einen die von der Rechtsprechung bezüglich der sog. Zugriffsdelikte entwickelten und anerkannten Milderungsgründe dar, die besondere menschliche Konfliktsituationen beschreiben. Hierzu zählen etwa das Handeln in einer existenziellen wirtschaftlichen Notlage oder einer körperlichen oder psychischen Ausnahmesituation oder besonderen Versuchssituationen oder eine persönlichkeitsfremde Einzelverfehlung des Beamten wie auch „Entgleisungen“ während einer negativen, inzwischen überwundenen, durch Alkohol, Drogen oder Schicksalsschlägen bedingte Lebensphase. Der Milderungsgrund der Geringwertigkeit eines verursachten Schadens oder des geldlichen Vorteils der Handlung wird bei etwa 50,00 Euro gezogen. Auch besondere die Dienstpflichtverletzung begünstigende Handlungen und mangelnde Kontrollen des Dienstherrn können im Einzelfall wie ein besonderes Nachtatverhalten die Schwere der Verfehlung mildern. Zeitlich überlange Disziplinarverfahren können wegen des disziplinarrechtlichen Beschleunigungsgebotes und der mit dem Disziplinarverfahren verbundenen persönlichen Belastungen jedenfalls bei Maßnahmen der Pflichtenmahnung berücksichtigt werden. Entlastungsgründe können sich aber zum anderen auch aus allen Besonderheiten ergeben, die es im Einzelfall wegen der persönlichkeitsbedingten an § 13 DG LSA zu orientierenden Prognoseentscheidung gebieten, von der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahmen Abstand zu nehmen. Die entlastenden Gründe sind nicht (mehr) allein auf den in der Rechtsprechung entwickelten Kanon der anerkannten Milderungsgründe beschränkt (BVerwG, Urteil v. 29.03.2012, 2 A 11.10, m. w. Nachw.; juris). Diese Besonderheiten müssen aber in ihrer Gesamtheit geeignet sein, die Schwere des Pflichtenverstoßes erheblich herabzusetzen. Generell gilt, dass das Gewicht der Entlastungsgründe umso größer sein muss, je schwerer das Delikt aufgrund der Schadenshöhe sowie der Tatumstände, wie Anzahl, Häufigkeit, Zeitraum, Verschiedenartigkeit und Tatausführung wiegt (im Ganzen ausführlich: VG Magdeburg, Urt. v. 29.11.2012, 8 A 12/11, v. 31.03.2011, 8 A 2/10 MD und v. 27.10.2011, 8 A 2/11, mit Verweis auf BVerwG, Urt. v. 24.05.2007, 2 C 28.06, Urt. v. 06.06.2007, 1 D 2.06, Urt. v. 29.05.2008, 2 C 59.07; Bayr. VGH, Urt. v. 27.10.2010, 16 aD 09.2470; OVG Lüneburg, Urt. v. 08.02.2011, 6 LD 4/08; zuletzt VG Magdeburg, Urteil v. 29.01.2013, 8 A 5/11; alle juris).

45

Die Voraussetzungen einer unverschuldeten und unausweichlichen wirtschaftlichen Notlage sieht das Disziplinargericht nicht als gegeben an. Dies setzt voraus, dass tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Beamte ihn einer für ihn unverschuldeten und ausweglosen finanziellen Notlage zur Abwendung der für ihn existenziell spürbaren Folgen zeitlich begrenzt ein Zugriffsdelikt begangen hat (BVerwG, Urt. v. 22.10.2002, 1 D 6.02; juris). Die mildernde Bewertung seines Handelns hat ihren Grund darin, dass der Beamte in einer Konfliktsituation versagt hat, in der er keinen anderen Ausweg als den zeitlich und zahlenmäßig eng begrenzten Zugriff auf dienstlich anvertraute Güter gesehen hat. Darüber hinaus erfüllen wiederholte Zugriffshandlungen über einen längeren Zeitraum diese Voraussetzungen nicht (vgl. nur: Bayr. VGH, Urt. v. 27.10.2010, 16 a D 09.2470; juris).

46

Nach dem, was der Beamte vorträgt, habe er Unterhaltszahlungen an seine geschiedene Ehegattin sowie die Kinder geleistet. Aus der Personalakte ist bekannt, dass der Beamte sechs leibliche bzw. Stiefkinder hat. Er gibt erstmals in der Beschwerde zur Prozesskostenhilfeentscheidung an, dass er das Verwarngeld für die Tochter verwandt habe. Denn er habe Benzingeld benötigt, um das Kind zur Aufnahme der Ausbildung nach Clausthal-Zellerfeld zu fahren und habe sie dort bei der Einrichtung des Zimmers finanziell unterstützt. Er habe das Verwarngeld später ausgleichen wollen. Ist dies aus Sicht eines fürsorglichen Vaters zwar nachvollziehbar, entschuldigt dies jedoch bereits grundsätzlich nicht den „Griff in die Kasse“. Denn auch wenn davon auszugehen ist, dass sich der Beamte aufgrund des nahenden Monatsendes in einer finanziell angespannten Haushaltslage befand, trifft dies eine Vielzahl von Menschen und erfüllt nicht den eingangs beschriebenen Milderungsgrund der unverschuldeten existenziellen finanziellen Notlage. Bei gehöriger Gewissensanstrengung hätte dem Beamten klar sein müssen, dass es andere Möglichkeiten zur vorübergehenden Geldbeschaffung gab und geben musste. Anhaltspunkte für die Annahme einer ausweglosen finanziellen Lage sind demnach nicht ersichtlich. In diesem Zusammenhang ist auch von Bedeutung, dass die Prüfung der Kürzung der Bezüge aufgrund der vorläufigen Dienstenthebung dazu geführt hat, dass immerhin um 5 % gekürzt werden konnte. Schließlich untermauerte der Beklagte seinen Vortrag zur finanziellen Lage auch nicht durch die Vorlage geeigneter Unterlagen oder sonstiger Angaben, aufgrund derer die Disziplinarkammer dem Vortrag hätte weiter nachgehen können.

47

Eine psychische Ausnahmesituation, gepaart mit einem so genannten Augenblicksversagen liegt zur Überzeugung der Disziplinarkammer ebenfalls nicht vor. Zwar ist festzustellen, dass sich die Taten bezüglich der Verwarngelder und des zweimaligen Tankbetruges kurz hintereinander im November 2009 in der 47. und 48. Kalenderwoche abspielen; nämlich am 19.11., 24.11. und 25.11.2009. Hier ist in der Tat der von der Rechtsprechung geforderte enge zeitliche Zusammenhang gegeben. Der Beamte erklärt die Taten in der Prozesskostenhilfebeschwerde damit, dass er gerade zu diesem Zeitpunkt unter erheblichen psychischen Druck gestanden habe. Es hätten berufliche wie familiäre Probleme bestanden und er verwies auf seine ärztlichen und psychologischen Behandlungen. Die daraufhin von der Disziplinarkammer mit Verfügung vom 04.02.2013 (Bl. 63 GA) ergangene Aufforderung an den Beamten, aussagekräftige ärztliche Stellungnahmen zu den vorgetragenen psychischen Problemen vorzulegen, kam der Beamten nicht nach. Die diesbezüglich Entschuldigung des Beamten in der mündlichen Verhandlung, er sei wegen einer Erkältung und eines Hexenschusses nicht zur Erfüllung der Auflage in der Lage gewesen, ist unzureichend. Auch bei derartigen Erkrankungen wäre es dem Beamten bzw. einer von ihm beauftragen Person möglich gewesen, ärztliche Unterlagen anzufordern. Zudem ist der Beklagte anwaltlich vertreten. Demnach stößt das Disziplinargericht hier an die Grenzen seiner Aufklärungspflicht. Denn das Gericht ist hier auf die Mitarbeit des Beamten zur Aufklärung der in seiner Sphäre liegenden höchstpersönlichen Angelegenheiten angewiesen, um überhaupt die Möglichkeit einer disziplinarrechtlichen Milderung im Sinne der Disziplinarrechtsprechung prüfen zu können. Auch liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass eine eventuell von Amts wegen weiter aufzuklärende verminderte Schuldfähigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB (vgl. nur: BVerwG, Urteil v. 03.05.2007, 2 C 9.06; juris) bei dem Beamten vorliegen könnte.

48

Der Vorhalt der mangelnden Fürsorgepflicht des Dienstherrn ist haltlos. Die Notwendigkeit sich gegen dienstliche Beurteilungen als Staatsbürger gerichtlich wehren zu dürfen und zu müssen, indiziert nicht gleichfalls notwendig eine Fürsorgepflichtverletzung des Dienstherrn. Das diesbezügliche gerichtliche Verfahren wurde mit Beschluss vom 25.02.2010 mit der Kostenübernahmeerklärung des Dienstherrn erledigt und eingestellt. Jedenfalls rechtfertigen „normale“ dienstliche Streitigkeiten ohne weitere Anhaltspunkte für besondere, auf Dienstherrnseite stehende Tendenzen, etwa den beruflichen Werdegang des Beamten unfair oder im Sinne eines Mobbings negativ zu beeinflussen oder den Beamten persönlich zu treffen, keine psychische Ausnahmesituationen. Zudem hat der Dienstherr dem Beklagten ausdrücklich die Hilfe des Polizeiärztlichen Dienstes zur Verfügung gestellt.

49

Dem Gericht liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Dienstherr etwa durch die Vernachlässigung entsprechender Kontrollen oder einer Belehrungspflicht des Beamten die Tatausführungen mitbedingt hätte. Die vom Beamten vorgetragenen Umstände hinsichtlich der Tatbegehung, der Tataufklärung und der Wiedergutmachung vermögen ihn disziplinarrechtlich ebenfalls nicht zu entlasten. Die Offenbarung der Taten und die Wiedergutmachung erfolgten nach dem Bekanntwerden und der Einleitung diesbezüglicher Ermittlungen. Ein Geständnis ist bei Zugriffsdelikten nur dann beachtlich, wenn es sich als eine freiwillige Offenbarung und nicht durch Furcht vor einer Entdeckung bestimmte – vollständige und vorbehaltslose – Offenbarung des Fehlverhaltens vor Entdeckung der Tat darstellt (BVerwG, Urt. v. 29.05.2008, 2 C 59.07, Urt. v. 08.04.2003, 1 D 27.02; Bayr. VGH, Urt. v. 22.09.2010, 16 bD 09.1007; alle juris).

50

Ebenso vermag die (zivilrechtliche) Wiedergutmachung des Schadens durch Rückzahlung der Gelder und die ernstgemeinte Reue des Beklagten den endgültigen Vertrauensverlust nicht zu beheben. Dazu wiegen die strafrechtlichen Verfehlungen im Sinne der oben genannten von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien zu schwer. Die Pflichtenverstöße können demnach auch nicht nur als „Entgleisungen während einer negativen, inzwischen überwundenen Lebensphase“ (vgl. dazu: BVerwG, Urteil v. 03,05.2007, 2 C 30.05 m. w. Nachw.; juris) verstanden werden. Diese, vorwiegend im Zusammenhang mit Alkohol- oder Drogengenuss oder sonstigen schweren Erkrankungen oder Schicksalssituationen stehenden Lebensumstände, sind nicht erkennbar und auch nicht vorgetragen.

51

Die nach alledem dienstrechtlich notwendige Entfernung aus dem Dienst verstößt auch nicht gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot. Denn diese disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme ist die einzige Möglichkeit, dass durch den Dienstherrn sonst nicht lösbare Dienstverhältnis einseitig zu beenden. Die darin liegende Härte für den Betroffenen ist nicht unverhältnismäßig. Sie beruht vielmehr auf einem ihm zurechenbaren Verhalten (BVerwG, Urteil v. 21.06.2000, 1 D 49.99; vgl. nur zuletzt: Urteil v. 29.03.2012, 2 A 11/10; bestätigt durch BVerfG, Beschluss v. 28.01.2013, 2 BvR 1912/12; alle juris).

52

Die Kostenentscheidung folgt aus § 72 Abs. 1 Satz 1 DG LSA. Das Verfahren ist gem. § 73 Abs. 1 Satz 1 gebührenfrei.


(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.

(2) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
die Urteilsformel,
4.
den Tatbestand,
5.
die Entscheidungsgründe,
6.
die Rechtsmittelbelehrung.

(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.

(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefaßt war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefaßt der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln; Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.

(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder des Widerspruchsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Falle des § 116 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

Tatbestand

1

Der Kläger ist Polizeivollzugsbeamter im Land ... im Rang eines Polizeimeisters und wurde bei dem Beklagten bis zu den hier relevanten Geschehnissen im Spezialeinsatzkommando (SEK) verwendet. Infolge des Straf- und Disziplinarverfahrens wurde der Kläger aus dem SEK ausgeschlossen, zunächst im Bereich „Technische Einsatzgruppe“ eingesetzt und sodann an die Polizeidirektion ... abgeordnet. Augenblicklich ist der Kläger bis auf Weiteres an die Landesbereitschaftspolizei ... abgeordnet und wird dort im Bereich „Objektwache“ eingesetzt.

2

Mit der hier streitbefangenen Disziplinarverfügung vom 27.08.2013 wird dem Kläger vorgeworfen, schuldhaft ein Dienstvergehen begangen zu haben. Im Kern der Ausführungen heißt es, der Kläger habe am 02.05.2010 während seiner Rufbereitschaft auf dem Schießplatz des Schützenvereins „H…“ in S... eine Maschinenpistole (MP5), eine Kurzwaffe Glock 17, zwei MP5-Magazine (voll), 1 Glock-Magazin (voll), 1 Glock-Magazin (leer), 3 Munitionspackungen à 50 Patronen, Green Range (voll) und 2 Munitionspackungen DAG05C0807 (leer) mit sich geführt.

3

Das Amtsgericht A-Stadt verurteilte den Kläger mit Urteil vom 01.11.2011 (13 Ls 822 Js 75930/10 [196/11]) wegen eines vorsätzlichen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz durch Beförderung einer Kriegswaffe ohne Genehmigung zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen je 60,00 Euro. Auf die Berufung des Klägers änderte das Landgericht A-Stadt – 8. kleine Strafkammer (28 Ns 822 Js 75930/10 [9/12]) das Urteil auf 85 Tagessätze je 60,00 Euro ab. Das Berufungsurteil verweist hinsichtlich der tatbestandlichen Feststellungen auf das Urteil des Amtsgerichts A-Stadt, welches ausführt:

4

„Der Angeklagte ist Polizeibeamter und hat seit April 2007 seinen Dienst im Rahmen eines Spezialeinsatzkommandos des L...(SEK) ausgeübt. Obwohl dem Angeklagten als Beamter der Landespolizei ... bewusst war, dass er die ihm im Rahmen seines Dienstes zugewiesene Maschinenpistole des Typs MP5 als Kriegswaffe ausschließlich nach dienstlicher Weisung handhaben durfte, entschloss er sich, diese unerlaubt aus seiner ... Dienststelle in der … Straße in A-Stadt mitzunehmen und sie am 02.05.2010 gegen 09.00 Uhr privat auf das Gelände des s...er Schießstandes des Schützenvereins „ H ...“ zu transportieren, um dort damit zu schießen. Damit war ihm bewusst, dass er sich nicht im Besitz der dazu erforderlichen kriegswaffenrechtlichen Genehmigung befand.“

5

Die Disziplinarverfügung führt aus, dass sich der Zeuge S ..., Mitglied des Schützenvereins und Polizeivollzugsbeamter, am besagten Tag ebenfalls auf dem Schießplatz des Schützenvereins befunden und ausgesagt habe, dass ihm durch den Platzwart mitgeteilt worden sei, dass der Kläger mit der Maschinenpistole schießen wolle. Der Zeuge habe den Platzwart gebeten, dem Kläger das Schießen zu untersagen. Der Zeuge S ... alarmierte die Polizei, woraufhin diese bei dem Kläger die „MP5“ und eine beträchtliche Anzahl von Munition im Kofferraum seines Fahrzeuges gefunden habe. Der Kläger habe die Mitnahme der Munition ohne dienstliche Autorisierung eingeräumt. Die Dienstpistole „Glock 17“ hätte der Kläger außerhalb des Dienstes nach entsprechender Genehmigung tragen dürfen. Hierüber sei der Kläger auch belehrt worden. Die Mitnahme der dienstlichen Maschinenpistole außerhalb des Dienstes sei untersagt gewesen. Es sei auch jedem SEK-Beamten bewusst gewesen. In der Wohnung des Klägers seien insgesamt 240 Patronen Polizeidienstmunition sichergestellt worden.

6

Der Kläger habe bewusst gegen die dienstlichen Weisungen bezüglich des Tragens, des Gebrauchs und der Aufbewahrung von Schusswaffen und der diesbezüglichen Munition verstoßen. Dadurch habe er gegen die Gehorsamspflicht nach § 35 Satz 2 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) und die so genannte Wohlverhaltensklausel nach § 34 Satz 3 BeamtStG verstoßen. Da es dem Kläger gelungen sei, dienstliche Munition privat zu verwenden, habe er zudem gegen das Vertrauensverhältnis, insbesondere innerhalb des SEK´s, verstoßen.

7

Die Dienstpflichtverletzung sei auch schuldhaft begangen worden. Denn die dargelegten Verstöße seien von ihm bewusst begangen worden. Ihm sei bewusst gewesen, dass er sich nicht im Besitz der erforderlichen Genehmigung bzw. kriegswaffenrechtlichen Genehmigung befand. Insbesondere über den dienstlichen und außerdienstlichen Umgang mit Waffen habe er Kenntnis gehabt. Milderungsgründe seien nicht ersichtlich. Obwohl im Strafverfahren eine Geldbuße verhängt worden sei, sei gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 DG LSA eine Kürzung der Dienstbezüge zusätzlich notwendig, um dem Kläger zur Pflichtenerfüllung anzuhalten. Der Kläger sei bereits vor dem hier vorgehaltenen Vorfall auf dem öffentlichen Schießplatz gesehen worden. Aus der damaligen Warnung durch den Zeugen S ... habe er sich von dem wiederholten, hier streitgegenständlichen Besuch nicht abhalten lassen. Letztendlich sei die ausgesprochene Disziplinarmaßnahme angesichts der Schwere des Dienstvergehens hinsichtlich des Kürzungsbruchteils und der Laufzeit angemessen.

8

Den vom Kläger eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.02.2014 unter vertiefter Begründung des Ausgangsbescheides als unbegründet zurück. Entgegen der Widerspruchsausführungen des Klägers sei die ausgesprochene Disziplinarmaßnahme trotz Verhängung der strafrechtlichen Geldbuße verhältnismäßig. Eine zusätzliche Sanktionierung sei wegen des einhergegangenen Vertrauensverlustes und der vorhandenen Wiederholungsgefahr zwingend erforderlich. Im Übrigen komme es auf die ausdrückliche Feststellung der Erforderlichkeit einer zusätzlichen Sanktionierung gar nicht an. Denn in Anbetracht der Schwere des Dienstvergehens sei gemäß § 13 Abs. 1 DG LSA eine Zurückstufung als Disziplinarmaßnahme angezeigt gewesen. Dies sei bei dem Kläger laufbahnrechtlich jedoch nicht möglich. Dementsprechend müsse mit der nächstmöglichen Disziplinarmaßnahme – hier der Gehaltskürzung – reagiert werden. Die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 2 DG LSA seien in einem solchen Fall nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stets erfüllt. Im Übrigen sei die Tatsache, dass der Kläger nicht mehr im SEK tätig sei, dem Vertrauensverlust und der damit einhergegangenen fehlenden Eignung des Klägers als SEK-Beamter verbunden.

9

Mit der dagegen fristgerecht erhobenen Klage wendet sich der Kläger weiter gegen die Disziplinarmaßnahme und macht insbesondere Ausführungen dazu, dass die Disziplinarmaßnahme nach § 14 Abs. 1 Satz 1 und 2 DG LSA hätte nicht mehr ausgesprochen werden dürfen. Eine zusätzliche disziplinarrechtliche Sanktionierung neben der bereits strafrechtlich verhängten Geldbuße sei nicht mehr erforderlich. Insbesondere sehe der Kläger das Unrecht der Straftat und der dienstrechtlichen Verfehlung ein. Zudem bringe die Kürzung der Dienstbezüge den Kläger in wirtschaftliche Not.

10

Der Kläger beantragt,

11

die Disziplinarverfügung vom 27.08.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.02.2014 aufzuheben

12

sowie die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

13

Der Beklagte beantragt,

14

die Klage abzuweisen

15

und verteidigt die Disziplinarverfügung und insbesondere die darin ausgesprochene Disziplinarmaßnahme.

16

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang und die darin befindlichen Auszüge aus dem strafrechtlichen Verfahren verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

17

1.) Die zulässige Klage ist begründet. Denn die streitbefangene Disziplinarverfügung in Gestalt des Widerspruchsbescheides ist hinsichtlich der Sanktionsfindung rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Darüber hinaus erweist sich die Disziplinarverfügung in dem hier vorliegenden Einzelfall als nicht zweckmäßig, was ebenso zur Aufhebung der Disziplinarmaßnahme führt (§§ 3, 59 Abs. 3 DG LSA).

18

a.) Nach § 59 Abs. 3 DG LSA prüft das Disziplinargericht bei der Klage des Beamten gegen eine Disziplinarverfügung neben der Rechtmäßigkeit auch die Zweckmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung. Diese zusätzliche in Abweichung von § 114 VwGO dem Gericht zustehende eigene Prüfungskompetenz und der Ermessensentscheidung (Gesetzesbegründung zum gleich lautenden § 60 Abs. 3 BDG, Bundestagsdrucksache 14/4659, S. 48; BVerwG, Urt. v. 15.12.2005, 2 A 4.04; OVG NRW, Beschl. v. 19.09.2007, 21 dA 3600/06.O; Bayr. VGH, Beschl. v. 27.01.2010, 16 a DZ 07.3110, Bayr. VGH, Beschl. v. 02.07.2012, 16 a DZ 10.1644; zuletzt ausführlich VG Magdeburg, Urt. v. 18.12.2013, 8 A 15/13 MD; alle juris) führt bereits zur Aufhebung der Disziplinarmaßnahme.

19

Anders als sonst bei einer Anfechtungsklage ist das Disziplinargericht danach nicht nur gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO darauf beschränkt, eine rechtswidrige Verfügung aufzuheben. Das Disziplinargericht prüft nicht nur, ob der dem Beamten zum Vorwurf gemacht Lebenssachverhalt tatsächlich vorliegt und disziplinarrechtlich als Dienstvergehen zu würdigen ist, sondern übt in Anwendung der in § 13 Abs. 1 DG LSA niedergelegten Grundsätze innerhalb der durch die Verfügung vorgegebenen Disziplinarmaßnahmeobergrenze selbst die Disziplinarbefugnis aus (vgl. zuletzt: BVerwG, Urt. v. 27.06.2013, 2 A 2.12; Beschl. v. 21.05.2013, 2 B 67.12; beide juris).

20

b.) Zunächst sieht sich das Disziplinargericht dazu veranlasst, darauf hinzuweisen, dass ähnlich wie bei einer Disziplinarklage die dort explizit genannten Voraussetzungen (vgl. § 49 Abs. 2 DG LSA) auch bei der behördlichen Disziplinarverfügung gelten. Denn dies ergibt sich bereits aus der Anwendung allgemeiner verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften hinsichtlich der Bestimmtheit des Verwaltungsaktes (vgl. § 3 DG LSA; § 37 VwVfG). Danach muss der in der Disziplinarverfügung den Beamten gegenüber erhobenen Pflichtenverstoß und der diesem zugrunde gelegte Sachverhalt so deutlich und klar sein, dass der Beamte sich mit seiner Verteidigung darauf einstellen kann, aber auch das zur Überprüfung berufene Disziplinargericht die Überprüfung vornehmen kann (vgl. zuletzt: VG Magdeburg, Urt. v. 04.06.2014, 8 A 16/13 MD und Urt. v. 14.01.2014, 8 A 12/13 MD, mit Verweis auf BVerwG, Urt. v. 27.06.2013, 2 WD 5.12; alle juris).

21

So wird der notwendige disziplinarrechtliche Anklagesatz in der Disziplinarverfügung nicht eindeutig und hinreichend bestimmt. Durch die Ausführungen im Konjunktiv bzw. die Formulierung „soll“ wird nicht hinreichend klar, dass das vorgehaltene Dienstvergehen auch bewiesen ist. Dabei stellt das Disziplinargericht jedoch auch klar, dass diese Darstellungsmängel in der Disziplinarverfügung – anders als bei den noch förmlicheren Voraussetzungen in der Disziplinarklage – nicht zur formellen Rechtswidrigkeit des Bescheides führen. Denn die Konkretisierung wird in der Begründung des Bescheides hinreichend bestimmbar gemacht. Zudem liegen dem Tatgeschehen um die Maschinenpistole die strafrechtlichen Feststellungen zugrunde und der Kläger hat die Vorwürfe auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Disziplinargericht eingeräumt.

22

2.) Das Disziplinargericht lässt keinen Zweifel daran, dass der Kläger durch die ihm vorgehaltenen Geschehnisse anlässlich des Besuchs des Schießplatzes schuldhaft ein Dienstvergehen begangen hat. Durch das unrechtmäßige und ungenehmigte Mitführen der Waffen und der Munition hat der Kläger gegen die ihm bekannten diesbezüglichen waffenrechtlichen Dienstanweisungen verstoßen, was einen Verstoß gegen die ihm obliegende allgemeine dienstrechtliche Gehorsamspflicht nach § 35 Satz 2 BeamtStG und zugleich einen Verstoß gegen die so genannte beamtenrechtliche Wohlverhaltenspflicht im Sinne einer Ansehensschädigung des Berufsstandes nach § 34 Satz 3 BeamtStG bedeutet. Dabei ist insbesondere der nicht genehmigte Transport des Maschinengewehrs MP5 außerhalb des Dienstes bedeutsam. Denn dies stellt einen Verstoß gegen § 22 a Abs. 1 Nr. 3 Kriegswaffenkontrollgesetz dar. Sind diese tatbestandlichen Feststellungen durch das Amtsgericht A-Stadt in dem strafrechtlichen Urteil bereits für das Disziplinargericht nach § 54 Abs. 1 DG LSA bindend (vgl. zur Bindungswirkung zuletzt ausführlich: VG Magdeburg, Urt. v. 15.04.2014, 8 A 2/13 MD; juris), ergibt sich dies genauso aus der geständigen Einlassung des Klägers. Das Disziplinargericht folgt insoweit auch der vom Strafgericht vorgenommenen Subsumtion unter das Kriegswaffenkontrollgesetz.

23

Dabei handelt es sich um ein außerdienstliches Dienstvergehen. Ein Verhalten außerhalb des Dienstes ist nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalles in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in eine für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen (§ 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG). Diese Voraussetzungen liegen vor.

24

a.) Bei einem außerdienstlichen Fehlverhalten müssen die besonderen qualifizierenden Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG gegeben sein, um von einer Disziplinarwürdigkeit auszugehen. Dabei muss die Frage der Disziplinarwürdigkeit eines außerdienstlichen Verhaltens von der eigentlichen Zumessensentscheidung nach Maßgabe des § 13 DG LSA getrennt beurteilt werden. Das Verhalten des Beamten muss nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet sein, das Vertrauen in einer für das Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Das Merkmal „in besonderem Maße“ bezieht sich auf die Eignung zur Achtungs- und Vertrauensbeeinträchtigung und ist nur erfüllt, wenn das Verhalten des Beamten in quantitativer oder qualitativer Hinsicht über das über eine jede Eignung vorausgesetzte Mindestmaß an Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung hinausgeht. Ist eine derart qualifizierte Möglichkeit der Beeinträchtigung gegeben, kommt es weiterhin darauf an, ob diese Beeinträchtigung bedeutsam wäre. Das Merkmal „in bedeutsamer Weise“ bezieht sich auf den „Erfolg“ der möglichen Achtungs- und Vertrauensbeeinträchtigung. Die zur Beeinträchtigung in besonderem Maße geeignete Pflichtenverletzung weist Bedeutsamkeit auf, wenn sie in qualitativer oder quantitativer Hinsicht das einer jeden außerdienstlichen Pflichtverletzung innewohnende Maß an disziplinarrechtlicher Relevanz deutlich überschreitet (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 08.05.2001, 1 D 20.00; juris). Die Beeinträchtigung der Achtung und des Vertrauens muss sich entweder auf das Amt des Beamten im konkret-funktionellen Sinne (Dienstposten), d. h. auf die Erfüllung der dem Beamten konkret obliegenden Dienstpflichten oder auf das Ansehen des Berufsbeamtentums als Sachwalter einer stabilen und gesetzestreuen Verwaltung beziehen (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 30.08.2000, 1 D 37.99; Urt. v. 12.12.2001, 1 D 4.01; Urt. v. 25.08.2009, 1 D 1.08; Urt. v. 19.08.2010, 2 C 13.10; Urt. v. 28.07.2011, 2 C 16.10; alle juris).

25

Mit der Neuregelung der tatbestandlichen Voraussetzungen des außerdienstlichen Dienstvergehens wollte der Gesetzgeber den Wandel der gesellschaftlichen Anschauungen über die Stellung der Beamten Rechnung tragen. Demnach werden Beamte nicht mehr als Vorbild in allen Lebenslagen angesehen, die besonderen Anforderungen an Moral und Anstand unterliegen (BVerwG, Urt. v. 30.08.2000, 1 D 37.99; juris). In Reaktion auf diese Rechtsprechung erwähnt § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG den Ansehensverlust nicht mehr. Die Vorstellung, dass der Beamte „niemals Privatmann“ sei, sondern auch außerhalb des Dienstes Beamter, der stets auf seine Amtsstellung Rücksicht zu nehmen habe, hat der Gesetzgeber zum Schutz der Privatsphäre des Beamten bewusst aufgegeben. Der Gesetzgeber wollte durch die gesetzliche Regelung zum Ausdruck bringen, dass von einem Beamten außerdienstlich kein wesentlich anderes Sozialverhalten als von jedem Bürger erwartet wird. Die Voraussetzungen für die Annahme eines Dienstvergehens im außerdienstlichen Bereich sollten durch besondere tatbestandliche Merkmale verschärft werden. Dies sollte in erster Linie für eine Vielzahl von Straßenverkehrsdelikten gelten (z. B. Trunkenheit im Verkehr; vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung der Bundesdisziplinarordnung, Schriftlicher Bericht des Innenausschusses des Deutschen Bundestages, BT-Drucksache V/1693, zu Art. 2 § 2 Seite 10; BVerwG, Urt. v. 30.08.2000, 1 D 37.99; Urt. v. 25.03.2010, 2 C 83.08; Urt. v. 19.08.2010, 2 C 5.10 und 13.10; juris). In der Gesetzesbegründung wird hervorgehoben, dass die vorkonstitutionelle Auffassung, Beamte seien „immer im Dienst“, in dieser Allgemeinheit nicht mehr gelte. Es gehe allein um das Vertrauen in eine objektive, rechtmäßige und effiziente Aufgabenerfüllung (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.08.2009, 1 D 1.08 mit Verweis auf BT-Drs. 16/4027, S. 34 zu § 48 des Entwurfs; juris). Das Berufsbeamtentum soll eine stabile gesetzestreue Verwaltung sichern, die freiheitlich demokratische Rechtsordnung verteidigen und durch Unabhängigkeit und Unparteilichkeit einen ausgleichenden Faktor gegenüber den das Staatsleben gestaltenden politischen Kräften darstellen. Das Vertrauen, dass der Beamte diesem Auftrag gerecht wird und dessen er zur Erfüllung seiner Aufgabe bedarf, darf der Beamte durch sein Verhalten nicht beeinträchtigen (BVerwG, Urt. v. 30.08.2000, 1 D 37.99; juris).

26

b.) Der somit zu fordernde Dienstbezug ist gegeben, wenn das außerdienstliche Verhalten Rückschlüsse auf die Dienstausübung in dem Amt im konkret-funktionellen Sinn zulässt oder den Beamten in der Dienstausübung beeinträchtigt (Beeinträchtigung der für die Dienstausübung unabdingbaren Autorität). Während bei Delikten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und hier insbesondere bei dem Besitz oder dem Verbreiten kinderpornografischer Dateien ein Dienstbezug bei Lehrern, Pädagogen, Erziehern und auch Polizeivollzugsbeamten im Regelfall angenommen wird (vgl. nur BVerwG, Urt. v. 19.08.2010, 2 C 5.10; B. v. 25.05.2012, 2 B 133.11; VG Magdeburg, Urt. v. 05.06.2013, 8 A 10/12 MD; jüngst VG Wiesbaden bei einem JVA-Bediensteten einer Jugend-JVA, Urt. v. 05.06.2013, 28 K 296/12.WI.D; alle juris) wird dies z. B. bei einem Zollinspektor, welcher im Bereich der Bekämpfung der Schwarzarbeit eingesetzt wird, abgelehnt (BVerwG, Urt. v. 19.08.2010, 2 C 13.10). Die Ausübung der Prostitution hat Dienstbezug bei einer Justizbeamtin (VG Münster, Urteil v. 19.03.2013, 13 K 2930/12.O; juris). Ebenso die außerdienstliche Trunkenheitsfahrt eines Beamten, der auch dienstlich ein Kraftfahrzeug zu führen hat (BVerwG, Urt. v. 30.08.2000, 1 D 37.99; juris). Ähnlich besteht der Dienstbezug bei einem Vermögensdelikt eines Beamten, dem dienstlich die Führung einer Kasse obliegt (BVerwG, Urt. v. 30.08.2000, 1 D 37.99; juris). Das erkennende Disziplinargericht hat bei einem Polizeibeamten hinsichtlich außerdienstlicher Verstöße gegen das Waffen-, Sprengstoff- und Munitionsgesetz sowie das Kriegswaffenkontrollgesetz wegen der dienstlichen Eigenschaft als Waffenträger den Dienstbezug bejaht (VG Magdeburg, Urt. v. 28.02.2013, 8 A 14/11; juris). Bei einem Polizeivollzugsbeamten im Eingangsamt hat die Kammer den Dienstbezug bei der Begehung der Straftat der Entziehung elektrischer Energie verneint (Urteil v. 17.10.2013, 8 A 6/13; juris). Auch bei der Begehung der Straftat der Untreue durch einen im Justizdienst tätigen Rechtspfleger liegt der Dienstbezug vor (VG Magdeburg, U. v. 13.12.2013, 8 A 17/12 MD; zu einem Gerichtsvollzieher: VG Magdeburg, Urteil v. 29.01.2013, 8 A 5/11; alle juris).

27

Unter Berücksichtigung dessen ist vorliegend bei einem SEK-Polizeibeamten der erforderliche waffenrechtliche Dienstbezug gegeben.

28

c.) Aber auch ohne Annahme des Dienstbezuges ist die Disziplinarwürdigkeit des außerdienstlichen Verhaltens des Klägers aufgrund der disziplinarrechtlichen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich das Disziplinargericht anschließt, gegeben.

29

Das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 30.08.2000, 1 D 37.99; Urt. v. 25.03.2010, 2 C 83.08; beide juris) stellt klar, dass bereits bei erstmaligem außerdienstlichem Fehlverhalten die Eignung zu Beeinträchtigung von Achtung und Vertrauen im Hinblick auf das Ansehen des Beamtentums gegeben sein kann. Dies unter Hinweis auf die gesetzgeberischen Wertungen bei der Begehung einer Straftat zum Nachteil des Staates (§ 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBG) oder der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr wegen einer vorsätzlich begangenen schwerwiegenden Straftat (vgl. § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BBG). Das Bundesverwaltungsgericht führt in dem Urteil vom 19.08.2010 (2 C 13.10; juris; auch: Beschluss v. 28.06.2012, 2 B 28.12; juris) aus:

30

„Unabhängig von diesen Fallgruppen lässt der Strafrahmen Rückschlüsse auf das Maß der disziplinarrechtlich relevanten Ansehensschädigung zu. Die Disziplinarwürdigkeit eines erstmaligen außerdienstlichen Verhaltens eines Beamten ist regelmäßig anzunehmen, wenn das außerdienstliche Verhalten im Strafgesetzbuch als Vergehen mit einer Freiheitsstrafe im mittleren Bereich belegt ist. Durch die Festlegung des Strafrahmens bringt der Gesetzgeber verbindlich den Unrechtsgehalt eines Deliktes zum Ausdruck. An dieser Wertung hat sich auch die Entscheidung über die Eignung zu Vertrauensbeeinträchtigung zu orientieren, wenn andere Kriterien, wie etwa ein Dienstbezug oder die Verhängung einer Freiheitsstrafe bei einer vorsätzlich begangenen Straftat ausscheiden. Hierdurch wird hinsichtlich der Frage der Disziplinarwürdigkeit außerdienstlichem Verhaltens eine Entscheidung gewährleistet, die an nachvollziehbare Kriterien anknüpft und keine „allgemeine Empörung oder Entrüstung“ darstellt.“

31

Vorliegend ist der Strafrahmen des Straftatbestandes nach § 22 a Abs. 1 Nr. 3 Kriegswaffenkontrollgesetz mit einem Strafrahmen bis zu 5 Jahren und im Fall des Absatz 3 bis zu 3 Jahren belegt.

32

Die Disziplinarwürdigkeit des außerdienstlichen Fehlverhaltens ist damit gegeben.

33

3.) Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich nach der Schwere des Dienstvergehens, dem Persönlichkeitsbild des Beamten sowie dem Umfang der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung. Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ist regelmäßig dann auszusprechen, wenn der Beamte durch ein schweres Dienstvergehen, das für die weitere dienstliche Tätigkeit notwendige Vertrauensverhältnis zwischen ihm und dem Dienstherrn aber auch der Allgemeinheit endgültig zerstört hat (vgl. nur: BVerwG, Urt. v. 20.10.2005, 2 C 12.04 und Urt. v. 19.08.2010, 2 C 13.10; beide juris).

34

a.) Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich nach objektiven Handlungsmerkmalen wie Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, den besonderen Umständen der Tatbegehung sowie Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens, nach subjektiven Handlungsmerkmalen wie Form und Gewicht des Verschuldens des Beamten, den Beweggründen für sein Verhalten sowie nach den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte. Davon ausgehend kommt es darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Maßnahme geboten ist. Eine vollständige und richtige Gesamtwürdigung setzt voraus, dass die Disziplinarkammer die im Einzelfall bemessungsrelevanten, d. h. die für die Schwere des Dienstvergehens und das Persönlichkeitsbild bedeutsamen Tatsachen ermittelt und mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Gesamtbewertung einbezieht. Dies entspricht dem Zweck der Disziplinarbefugnis des Disziplinargerichts als einem Mittel der Funktionssicherheit des öffentlichen Dienstes. Dabei findet der Grundsatz „in dubio pro reo“ Anwendung. Die Disziplinargerichte dürfen nur solche belastenden Tatsachen in die Gesamtwürdigung einstellen, die zur Überzeugung des Gerichts feststehen. Demgegenüber müssen entlastende (mildernde) Umstände schon dann zu Gunsten des Beamten berücksichtigt werden, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für ihr Vorliegen gegeben sind und eine weitere Sachverhaltsaufklärung nicht möglich ist (vgl. nur: VG Magdeburg, Urt. v. 27.10.2011, 8 A 2/11 mit Verweis auf BVerwG, Urt. v. 27.01.2011, 2 A 5.09; jüngst BVerwG, Urt. v. 29.03.2012, 2 A 11/10, OVG Lüneburg, Urt. v. 14.11.2012, 19 LD 4/11; zuletzt ausführlich; VG Magdeburg, Urt. v. 17.10.2013, 8 A 6/13; alle juris).

35

b.) Im Bezug auf strafbares außerdienstliches Verhalten betont das Bundesverwaltungsgericht in der neuerlichen Rechtsprechung auch bei der Bewertung der Schwere der Pflichtverletzung die Bedeutung der gesetzlichen Strafandrohung für die Maßnahmebemessung (BVerwG, Urt. v. 25.03.2010, 2 C 83.08, Urt. v. 19.08.2010, 2 C 5.10 und 2 C 13.10, B. v. 21.12.2010, 2 B 29.10, B. v. 26.06.2012, 2 B 28.12; alle juris). Die Anknüpfung an den Strafrahmen gewährleistet eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarrechtliche Ahndung von Dienstvergehen. Dabei hat das Bundesverwaltungsgericht bei einem Strafrahmen von bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe bei Fehlen jeglichen Dienstbezuges allenfalls eine Disziplinarmaßnahme im unteren Bereich für angemessen erachtet und bei einem Strafrahmen von bis zu zwei Jahren die Zurückstufung als Orientierungsrahmen angesehen. Kommt ein Dienstbezug hinzu, so kann der Orientierungsrahmen bei einem Strafrahmen bis zu einem Jahr ebenfalls die Zurückstufung, bei einem Strafrahmen bis zu zwei Jahren, sogar die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis sein. Besteht eine wesentlich höhere Strafandrohung - wie hier bis zu fünf Jahren – reicht der disziplinarrechtliche Orientierungsrahmen auch und sogar bei Fehlen eines Dienstbezuges bis zur Höchstmaßnahme (BVerwG, B. v. 28.06.2012, 2 B 28.12; juris).

36

c.) Kommt demnach im vorliegenden Fall aufgrund der Strafandrohung nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz, bei einem Strafrahmen bis zu fünf Jahren (vgl. § 22 a Abs. 1 Kriegswaffenkontrollgesetz) bzw. von drei Jahren (§ 22 a Abs. 3 Kriegswaffenkontrollgesetz) durchaus die Zurückstufung als Orientierungsrahmen bei der Begehung dieses außerdienstlichen Dienstvergehens in Betracht, entsteht daraus jedoch kein Automatismus. Dabei ist von Bedeutung, dass die hier dargestellte Strafrahmenorientierung anlässlich der Rechtsprechung zur disziplinarrechtlichen Ahndung des Besitzes kinderpornografischer Schriften vom Bundesverwaltungsgericht entwickelt wurde. Es ist eindeutig und nachvollziehbar erkennbar, dass gerade dieser typischerweise als außerdienstliches Delikt begangene Unrechtsgehalt disziplinarrechtlich durch einen feststehenden Orientierungsrahmen abgeschöpft werden sollte.

37

Das Bundesveraltungsgericht betont ebenso in ständiger Rechtsprechung, dass der so zu bestimmende Orientierungsrahmen für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme, die Disziplinargerichte aber gleichfalls nicht davon entbindet, die Umstände des Einzelfalls ausreichend zu würdigen (BVerwG, Urt. v. 25.03.2010, 2 C 83.08; juris). Für die Zumessungsentscheidung müssen die in § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 DG LSA genannten Bemessungskriterien mit dem ihnen zukommenden Gewicht ermittelt und eingestellt werden. Dieses Erfordernis beruht auf dem im Disziplinarverfahren geltenden Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

38

Dies gilt vorliegend gerade für nicht von der Masse der Beamten verwirklichte Straftatbestände, wie hier ein Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz. Demnach ist vorliegend das Disziplinargericht gerade angehalten, die Besonderheiten der Tatumstände hinsichtlich der Schwere des Dienstvergehens und des daraus zu entwickelnden Disziplinarmaßes im Sinne von § 13 DG LSA zu berücksichtigen. Dabei hat sich das Disziplinargericht bereits in dem Urteil vom 28.02.2013 (8 A 14/11 MD; juris) mit der Problematik des außerdienstlichen Verstoßes eines Polizeibeamten gegen das Waffengesetz, dem Sprengstoffgesetz und dem Kriegswaffenkontrollgesetz auseinandergesetzt. Bereits der dortige Lebenssachverhalt war von einer Vielzahl von Verstößen gegen die genannten Gesetze gekennzeichnet, wie die unvorschriftsmäßige Aufbewahrung von Schusswaffen und Munition, die Nichtanzeige des Erwerbs einer Schusswaffe und von wesentlichen Waffenteilen, dem unerlaubten Besitz einer Sprengkapsel, dem unerlaubten Besitz von Waffen und Munition, die dem Kriegswaffenkontrollgesetz unterliegen, dem unerlaubten Besitz von Patronenmunition verschiedener Kaliber. Das Disziplinargericht hat in dem damaligen Urteil ausgeführt, dass das begangene Dienstvergehen wegen der Verstöße gegen das Waffengesetz und der dadurch bedingten Vertrauensbeeinträchtigung eine Intensität erreicht, die die Ahndung mit einer gehörigen Disziplinarmaßnahme mit Außenwirkung, also im oberen Bereich der gestuften Disziplinarmaßnahmen erforderlich macht. Das Disziplinargericht ließ keinen Zweifel daran, dass auch der Ausspruch der Höchstmaßnahme, also die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis durchaus möglich erscheint. Gleichwohl kam das Disziplinargericht in dem damaligen Fall aufgrund ihrer eigenen Disziplinarbefugnis (§ 57 Abs. 2 Satz 2 DG LSA) zu der Überzeugung, dass die endgültige Zerstörung des Vertrauensverhältnisses gegenüber dem Dienstherrn aber auch der Allgemeinheit noch nicht festgestellt werden könne und erkannte auf die Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung. So verwies die Kammer in dem Urteil auch auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts München, welches aufgrund der strafrechtlichen Verurteilung eines Beamten wegen des Besitzes eines Sturmgewehrs AK47 sowie der passenden Munition im Umfang von 1.100 Schuss von der grundsätzlichen Notwendigkeit der Degradierung ausgegangen war, aber diese auf die Gehaltskürzung abmilderte (VG München, Urt. v. 16.04.2007, M 19 D 06.2693; juris). Denn der Beamte habe in dem Münchener Fall in erheblichem Maße bei der Aufklärung der Straftat mitgewirkt und es sei eine positive Persönlichkeitsprognose zu stellen.

39

d.) Ebenso muss das Disziplinargericht stets die sogenannten Entlastungs- oder Milderungsgründe hinsichtlich des Einzelfalls berücksichtigen. Solche Gründe stellen zum einen die von der Rechtsprechung bezüglich der sog. Zugriffsdelikte entwickelten und anerkannten Milderungsgründe dar, die besondere menschliche Konfliktsituationen beschreiben. Hierzu zählen etwa das Handeln in einer existenziellen wirtschaftlichen Notlage oder einer körperlichen oder psychischen Ausnahmesituation oder besonderen Versuchssituationen oder eine persönlichkeitsfremde Einzelverfehlung des Beamten wie auch „Entgleisungen“ während einer negativen, inzwischen überwundenen, durch Alkohol, Drogen oder Schicksalsschlägen bedingte Lebensphase. Der Milderungsgrund der Geringwertigkeit eines verursachten Schadens oder des geldlichen Vorteils der Handlung wird bei etwa 50,00 Euro gezogen. Auch besondere die Dienstpflichtverletzung begünstigende Handlungen und mangelnde Kontrollen des Dienstherrn können im Einzelfall wie ein besonderes Nachtatverhalten die Schwere der Verfehlung mildern. Zeitlich überlange Disziplinarverfahren können wegen des disziplinarrechtlichen Beschleunigungsgebotes und der mit dem Disziplinarverfahren verbundenen persönlichen Belastungen jedenfalls bei Maßnahmen der Pflichtenmahnung berücksichtigt werden. Auch eine dienstliche Überlastung kann einen Milderungsgrund darstellen (VG Magdeburg, Urteil v. 29.01.2013, 8 A 5/11; juris).

40

Die entlastenden Gründe sind nicht (mehr) allein auf den in der Rechtsprechung entwickelten Kanon der anerkannten Milderungsgründe beschränkt (BVerwG, Urteil v. 29.03.2012, 2 A 11.10, m. w. Nachw.; juris; insoweit missverständlich: OVG LSA, Beschluss v. 17.09.2013, 10 M 9/13 [n. v.]). Diese müssen aber in ihrer Gesamtheit geeignet sein, die Schwere des Pflichtenverstoßes erheblich herabzusetzen. Generell gilt, dass das Gewicht der Entlastungsgründe umso größer sein muss, je schwerer das Delikt aufgrund der Schadenshöhe sowie der Tatumstände, wie Anzahl, Häufigkeit, Zeitraum, Verschiedenartigkeit und Tatausführung wiegt (im Ganzen ausführlich: VG Magdeburg, Urt. v. 29.11.2012, 8 A 12/11, v. 31.03.2011, 8 A 2/10 MD und v. 27.10.2011, 8 A 2/11, mit Verweis auf BVerwG, Urt. v. 24.05.2007, 2 C 28.06, Urt. v. 06.06.2007, 1 D 2.06, Urt. v. 29.05.2008, 2 C 59.07; Bayr. VGH, Urt. v. 27.10.2010, 16 aD 09.2470; OVG Lüneburg, Urt. v. 08.02.2011, 6 LD 4/08; alle juris).

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e.) Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben, sieht das Disziplinargericht im vorliegenden Fall auch in der Person des Klägers derartige Besonderheiten. Der Kläger stellte sich bereits im Laufe des Straf- und Disziplinarverfahrens als einsichtig dar und hinterließ insoweit insbesondere in der mündlichen Verhandlung vor dem Disziplinargericht einen positiven Eindruck auf das Gericht. Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Kläger, der zum Tatzeitpunkt 28 Jahre alt war, die Tat und deren Folgen ernsthaft bereut. Das Gericht hat keine Anhaltspunkte dafür, dass dieses reumütige Verhalten gespielt war und nur dem Zwecke eines milderen Urteils diente. Denn insoweit muss vordringlich berücksichtigt werden, dass der Kläger, welcher nach seiner Aussage mit 27 Jahren damals der jüngste SEK-Beamte war, aufgrund der Tatbegehung und der beamtenrechtlichen Pflichtenversäumnisse - zutreffend - aus dem SEK entfernt wurde. Damit sind ihm die aus diesem Amt zufließenden dienstrechtlichen Vorteile allesamt entzogen worden. Dies bedeutet neben dem allgemeinen Prestigeverlust, in einer derartigen polizeirechtlichen Eliteeinheit nicht mehr tätig sein zu dürfen, auch, dass ihm bestimmte geldwerte Zulagen sowie der aus diesem Amt resultierende Aufstieg verwehrt sind. Dies wird besonders deutlich darin, dass der Kläger nunmehr an die Landesbereitschaftspolizei abgeordnet wurde und dort im Bereich des Objektschutzes, sprich Wachschutz, tätig ist. Dabei darf disziplinarrechtlich auch positiv bewertet werden, dass sich der Kläger gegen diese dienstrechtlichen Maßnahmen nicht gewendet hat, sie erträgt und damit die Folgen seiner Tat auf sich nimmt. Die aus der strafrechtlichen Sanktionierung resultierenden Vermögenseinbußen erfüllt er. Glaubhaft konnte er versichern, dass er im Privatbereich weitere finanzielle Einbußen aufgrund der Unterstützung seines Vaters erleidet.

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a. a.) Dementsprechend sieht das Disziplinargericht vorliegend die Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung nach § 9 DG LSA als die zweitschwerste Disziplinarmaßnahme gerade nicht als tatangemessen an, so dass sich die Sanktionsfindung im Bereich der Kürzung der Dienstbezüge nach § 8 DG LSA bewegt. Unter diesen Umständen kommt es vorliegend nicht darauf an, ob die unter der Zurückstufung liegende Disziplinarmaßnahme der Kürzung der Dienstbezüge nur deshalb ausgesprochen werden muss, weil die eigentlich notwendige und tatangemessene Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung wegen der laufbahnrechtlichen Voraussetzungen nicht ausgesprochen werden kann. Nur für diesen Fall – von dem der Beklagte ausging – nimmt das Bundesverwaltungsgericht an, dass die Voraussetzungen des so genannten disziplinarrechtlichen Überhangs nach § 14 Abs. 1 Satz 1 und 2 DG LSA stets als erfüllt anzusehen sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.08.2010, 2 C 13/10; juris).

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b. b.) Liegt der Fall hier also anders, dass von vornherein die Disziplinarmaßnahme der Kürzung der Dienstbezüge nach § 8 DG LSA nach § 13 DG LSA als notwendige Disziplinarmaßnahme auszusprechen ist, muss die Prüfung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 DG LSA vorgenommen werden, ob die Kürzung der Dienstbezüge neben der bereits verhängten Kriminalstrafe erforderlich ist, um den Beamten zur Pflichtenerfüllung anzuhalten.

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Wann eine zusätzliche Pflichtenmahnung i. S. v. § 14 Abs. 1 Satz 2 DG LSA, also ein sogenannter disziplinarrechtlicher Überhang, erforderlich ist, hängt von einer Bewertung der Gesamtpersönlichkeit des Beamten ab. Dabei ist davon auszugehen, dass eine Disziplinarmaßnahme neben der sachgleichen Kriminalstrafe eine eng begrenzte Ausnahme darstellt. Sie setzt die Gefahr voraus, dass sich die durch das Fehlverhalten zu Tage getretenen Eigenarten des Beamten trotz der strafgerichtlichen Sanktion auch in Zukunft in für den Dienst bedeutsamer Weise auswirken können. Diese Gefahr lässt sich nicht aus allgemeinen Erwägungen ableiten, sie muss aus konkreten Umständen des Einzelfalls hergeleitet werden. Die Disziplinarmaßnahme dient nicht der Vergeltung für begangenes Unrecht. Eine zusätzliche Maßnahme ist mithin nur nach individueller Prüfung des Einzelfalls beim Vorliegen konkreter Umstände für eine Wiederholungsgefahr zulässig, wenn also konkrete Befürchtungen ersichtlich sind, der Beamte werde sich trotz der ihm wegen desselben Sachverhaltes bereits auferlegten Kriminalstrafe erneut einer Dienstpflichtverletzung schuldig machen (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.02.2005, 1 D 13.04; juris; VG Berlin, Urt. v. 17.09.2012, 80 K 10.12 OL; juris; vgl. zum Ganzen: Hummel/Köhler/Mayer, BDG, 5. Aufl., 2012, § 14 Rz. 8).

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Das Disziplinargericht ist unter Auswertung aller Tatumstände und der Bewertung der Persönlichkeit des Klägers zu der richterlichen Überzeugung gelangt, dass derartige Umstände für ein zusätzliches Sanktionsbedürfnis neben der Kriminalstrafe hier nicht zu erkennen sind. Dies auch unter den eingangs genannten, dem Disziplinargericht zustehenden Zweckmäßigkeitserwägungen nach § 59 Abs. 3 DG LSA. Im Rahmen der Zweckmäßigkeit ist zu prüfen, ob die beabsichtigte Maßnahme den Zweck des Disziplinarverfahrens zu erfüllen vermag. Das ist beispielweise dann nicht der Fall, wenn eine Disziplinarmaßnahme zu hart oder zu mild bemessen ist oder wenn das Dienstvergehen und die sonstigen Umstände des Einzelfalls den Erlass einer Disziplinarverfügung gegenüber einer Disziplinarklage als angemessen erscheinen lassen (vgl. Gesetzesbegründung zu § 76 DG LSA). Es handelt sich auch nicht um eine persönlichkeitsbedingte Wiederholungstat. Auch wenn die Disziplinarverfügung in der Begründung dem Kläger vorhält, dass er bereits vormalig auf dem Schießstand gesichtet worden sei, ist dies nicht hinreichend belegt und gerade nicht disziplinarrechtlich oder gar strafrechtlich aufgearbeitet worden und ist nicht Gegenstand der Disziplinarverfügung. Auch von weiteren oder neuerlichen diesbezüglichen oder auch nur anderen disziplinarrechtlich relevanten Dienstpflichtverletzungen des Klägers ist nichts bekannt.

46

4.) Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 72 Abs. 4 DG LSA, 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO war die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären. Denn dem Kläger war die eigenständige Durchführung des Widerspruchsverfahrens nicht zumutbar.


(1) Die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme ergeht nach pflichtgemäßem Ermessen. Die Disziplinarmaßnahme ist nach der Schwere des Dienstvergehens zu bemessen. Das Persönlichkeitsbild des Beamten ist angemessen zu berücksichtigen. Ferner soll berücksichtigt werden, in welchem Umfang der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit beeinträchtigt hat.

(2) Ein Beamter, der durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat, ist aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Dem Ruhestandsbeamten wird das Ruhegehalt aberkannt, wenn er als noch im Dienst befindlicher Beamter aus dem Beamtenverhältnis hätte entfernt werden müssen.

(1) Das Gericht entscheidet über die Klage, wenn das Disziplinarverfahren nicht auf andere Weise abgeschlossen wird, auf Grund mündlicher Verhandlung durch Urteil. § 106 der Verwaltungsgerichtsordnung wird nicht angewandt.

(2) Bei einer Disziplinarklage dürfen nur die Handlungen zum Gegenstand der Urteilsfindung gemacht werden, die dem Beamten in der Klage oder der Nachtragsdisziplinarklage als Dienstvergehen zur Last gelegt werden. Das Gericht kann in dem Urteil

1.
auf die erforderliche Disziplinarmaßnahme (§ 5) erkennen oder
2.
die Disziplinarklage abweisen.

(3) Bei der Klage gegen eine Disziplinarverfügung prüft das Gericht neben der Rechtmäßigkeit auch die Zweckmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung.

(1) Die Kürzung der Dienstbezüge ist die bruchteilmäßige Verminderung der monatlichen Dienstbezüge des Beamten um höchstens ein Fünftel auf längstens drei Jahre. Sie erstreckt sich auf alle Ämter, die der Beamte bei Eintritt der Unanfechtbarkeit der Entscheidung inne hat. Hat der Beamte aus einem früheren öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis einen Versorgungsanspruch erworben, bleibt dieser von der Kürzung der Dienstbezüge unberührt.

(2) Die Kürzung der Dienstbezüge beginnt mit dem Kalendermonat, der auf den Eintritt der Unanfechtbarkeit der Entscheidung folgt. Tritt der Beamte vor Eintritt der Unanfechtbarkeit der Entscheidung in den Ruhestand, gilt eine entsprechende Kürzung des Ruhegehalts (§ 11) als festgesetzt. Tritt der Beamte während der Dauer der Kürzung der Dienstbezüge in den Ruhestand, wird sein Ruhegehalt entsprechend wie die Dienstbezüge für denselben Zeitraum gekürzt. Sterbegeld sowie Witwen- und Waisengeld werden nicht gekürzt.

(3) Die Kürzung der Dienstbezüge wird gehemmt, solange der Beamte ohne Dienstbezüge beurlaubt ist. Er kann jedoch für die Dauer seiner Beurlaubung den Kürzungsbetrag monatlich vorab an den Dienstherrn entrichten; die Dauer der Kürzung der Dienstbezüge nach der Beendigung der Beurlaubung verringert sich entsprechend.

(4) Solange seine Dienstbezüge gekürzt werden, darf der Beamte nicht befördert werden. Der Zeitraum kann in der Entscheidung abgekürzt werden, sofern dies im Hinblick auf die Dauer des Disziplinarverfahrens angezeigt ist.

(5) Die Rechtsfolgen der Kürzung der Dienstbezüge erstrecken sich auch auf ein neues Beamtenverhältnis. Hierbei steht bei Anwendung des Absatzes 4 die Einstellung oder Anstellung in einem höheren als dem bisherigen Amt der Beförderung gleich.

(1) Das Gericht entscheidet über die Klage, wenn das Disziplinarverfahren nicht auf andere Weise abgeschlossen wird, auf Grund mündlicher Verhandlung durch Urteil. § 106 der Verwaltungsgerichtsordnung wird nicht angewandt.

(2) Bei einer Disziplinarklage dürfen nur die Handlungen zum Gegenstand der Urteilsfindung gemacht werden, die dem Beamten in der Klage oder der Nachtragsdisziplinarklage als Dienstvergehen zur Last gelegt werden. Das Gericht kann in dem Urteil

1.
auf die erforderliche Disziplinarmaßnahme (§ 5) erkennen oder
2.
die Disziplinarklage abweisen.

(3) Bei der Klage gegen eine Disziplinarverfügung prüft das Gericht neben der Rechtmäßigkeit auch die Zweckmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung.

(1) Für die Kostentragungspflicht der Beteiligten und die Erstattungsfähigkeit von Kosten gelten die Bestimmungen der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend, sofern sich aus den nachfolgenden Vorschriften nichts anderes ergibt.

(2) Wird eine Disziplinarverfügung trotz Vorliegens eines Dienstvergehens aufgehoben, können die Kosten ganz oder teilweise dem Beamten auferlegt werden.

(3) In Verfahren über den Antrag auf gerichtliche Fristsetzung (§ 62) hat das Gericht zugleich mit der Entscheidung über den Fristsetzungsantrag über die Kosten des Verfahrens zu befinden.

(4) Kosten im Sinne dieser Vorschrift sind auch die Kosten des behördlichen Disziplinarverfahrens.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.