Verwaltungsgericht Magdeburg Urteil, 16. Sept. 2014 - 4 A 96/14

ECLI:ECLI:DE:VGMAGDE:2014:0916.4A96.14.0A
16.09.2014

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung von Zinsen wegen nicht alsbald nach der Auszahlung erfolgter Verwendung von Zuwendungen.

2

Der Beklagte bewilligte der damaligen Stadt D. Fördermittel für Maßnahmen des städtebaulichen Denkmalschutzes zur Sicherung und Erhaltung historischer Stadtkerne. Im Auftrag der Stadt übersandte die B. Sanierungsträger GmbH nach Abschluss des Haushaltsjahres 2007 dem Beklagten unter dem 04.07.2008 eine „zugleich als Verwendungsnachweis“ dienende Zwischenabrechnung, die am 10.07.2008 beim Beklagten einging. Die Stadt D. wurde am 01.01.2010 zur Klägerin, der Stadt A-Stadt, eingemeindet. Im Jahr 2011 übersandte der Beklagte mehreren Städten und Gemeinden Anhörungsschreiben, in denen er die Geltendmachung von Zinsforderungen wegen der nicht alsbaldigen Verwendung von Städtebaufördermitteln in den Jahren 1991 bis 2003 ankündigte. Daraufhin traten der Städte- und Gemeindebund und Vertreter des Landes Sachsen-Anhalt in Verhandlungen über die Führung eines gerichtlichen Musterverfahrens, in der die Frage der Verjährung geklärt werden sollte. Die Entwürfe enthielten eine Regelung, nach der das Land auf den Erlass von Zinsbescheiden verzichtet, und eine Abrede zur Verjährungshemmung. Zum Vertragsentwurf des Städte- und Gemeindebundes nahm der Mitarbeiter des Beklagten, Herr Marquardt, per E-Mail vom 29.06.2011 unter anderem wie folgt Stellung:

3

„Ich halte die Vereinbarung für begrüßenswert, da wir eine Menge Verwaltungsarbeit ersparen, egal wie der Musterprozess endet.

4

Verliert das Land, brauchen die ca. 175 Bescheide mit all der Vorarbeit und den möglichen sich anschließenden Gerichtsverfahren, nicht erstellt zu werden.

5

Gewinnt das Land, wäre nach der Erstellung der Bescheide nicht mehr großartig mit Klagen zu rechnen, da die Rechtsfragen ja geklärt sind.“

6

Gegenüber dem ursprünglichen Vertragsentwurf wurde auf Initiative von Herrn M. die Regelung über den Verzicht auf den Erlass von Zinsbescheiden dahingehend präzisiert, dass bei den betroffenen Städtebaufördermitteln die jeweiligen Programme (städtebauliche Sanierung, städtebaulicher Denkmalschutz und städtebauliche Sanierung des ländlichen Bereichs) ausdrücklich genannt wurden.

7

Schließlich schloss der Beklagte mit mehreren Städten und Gemeinden – auch der Klägerin - eine Vereinbarung über die Durchführung eines Musterverfahrens. Das Klageverfahren sollte von der Stadt B. geführt werden.

8

Die zwischen der Klägerin und dem Beklagten getroffene Vereinbarung vom 13.09.2011 / 07.10.2011 enthält in der Präambel folgende Formulierung:

9

„Das Land Sachsen-Anhalt hat angekündigt, Zinsforderungen wegen der nicht alsbaldigen Verwendung von Städtebaufördermitteln der Jahre 1991 bis 2003 gegen eine Vielzahl von Städten und Gemeinden, so auch gegen die Stadt A-Stadt geltend zu machen.“

10

Die Regelungen der Vereinbarung lauten:

11

„1. Das Landesverwaltungsamt erlässt unverzüglich gegen die Stadt B. einen Zinsbescheid wegen nicht alsbaldiger Verwendung von Städtebaufördermitteln in den Jahren 1991 bis 2003.

12

2. Die Stadt B. wird die Rechtmäßigkeit dieses Zinsbescheides in Abstimmung mit dem Städte- und Gemeindebund Sachsen-Anhalt in einem Musterverfahren zur gerichtlichen Überprüfung stellen.

13

3. Das Land Sachsen-Anhalt erlässt bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Musterverfahrens keinen Zinsbescheid gegen die Stadt A-Stadt wegen der nicht alsbaldigen Verwendung von Städtebaufördermitteln in den Programmen der städtebaulichen Sanierung, des städtebaulichen Denkmalschutzes oder der städtebaulichen Sanierung des ländlichen Bereichs.

14

4. Für den Zeitraum vom Erlass des Zinsbescheides gegen die Stadt B. bis zum rechtskräftigen Abschluss des Musterverfahrens gilt die Verjährung als gehemmt im Sinne von § 209 BGB, soweit nicht bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des Zinsbescheides gegen die Stadt B. Verjährung auch im Verhältnis zur Stadt A-Stadt eingetreten war.“

15

Entsprechend der Vereinbarungen über das Musterverfahren setzte der Beklagte mit Bescheid vom 27.09.2011 gegen die Stadt B. Zinsen für die nicht fristgemäße Verwendung der Fördermittel für die Haushaltsjahre 1996 bis 2003 fest. Gegen diesen Bescheid erhob die Stadt B. Klage. Mit Urteil vom 09.07.2012 (4 A 300/11 MD) hob die Kammer den Bescheid auf, weil sie die Zinsforderungen für verjährt hielt. Die vom Beklagten gegen das Urteil erhobene Berufung wies das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt mit Urteil vom 28.11.2013 (2 L 140/12) zurück. Die Revision wurde nicht zugelassen. Einen Antrag auf Zulassung der Revision stellte der Beklagte nicht.

16

Mit Schreiben vom 26.02.2014 erklärte der Beklagte gegenüber der Klägerin, dass er die Prüfung für das Haushaltsjahr 2007 vorgenommen und im Ergebnis festgestellt habe, dass die Zuwendungen teilweise nicht alsbald nach Auszahlung für fällige Zahlungen verwendet worden seien. Er beabsichtigte, den Zinsanspruch mit einem als Entwurf beigefügten Zinsbescheid geltend zu machen. Unter Berücksichtigung der Hemmungsvereinbarung und der Laufzeit des Musterverfahrens seien die geltend gemachten Zinsansprüche nicht verjährt.

17

Demgegenüber berief sich die Klägerin auf Verjährung. Die Verjährung habe mit Eingang des im Juli 2008 abgesandten Verwendungsnachweises beim Beklagten begonnen. Die Verjährungsfrist sei mit Ablauf des 31.12.2011 abgelaufen. Die zwischen ihr und dem Beklagten getroffene Vereinbarung habe den Lauf der Verjährung nicht gehemmt. Die Vereinbarung habe lediglich Zinsforderungen wegen der nicht alsbaldigen Verwendung von Städtebaufördermitteln für Maßnahmen der Jahre 1991 bis 2003 erfasst. Grundlage der Vereinbarung sei gewesen, die bereits durch Anhörung angekündigten Zinsforderungen nicht verjähren zu lassen. Es habe sich um 175 Bescheide gegenüber einer Vielzahl von Kommunen für diesen Zeitraum gehandelt. Dies ergebe sich aus der Präambel und aus Ziffer 1 der Vereinbarung sowie aus dem mit dem Beklagten geführten Schriftverkehr. Eine andere Auslegung würde die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts unterlaufen und die Kommunen, die sich am Musterverfahren beteiligt hätten, schlechter stellen als die übrigen.

18

Mit Bescheid vom 25.03.2014 setzte der Beklagte den von der Klägerin zu zahlenden Zinsbetrag für das Haushaltsjahr 2007 auf 13.788,70 € fest. Auf der Grundlage des eingereichten Zwischenverwendungsnachweises habe er festgestellt, dass die Zuwendungen nicht alsbald nach der Auszahlung für fällige Zahlungen verwendet worden seien. Unter Berücksichtigung der im Jahr 2011 vereinbarten Verjährungshemmung und der Laufzeit des Musterverfahrens sei mindestens bis zum 11.04.2014 keine Verjährung eingetreten.

19

Am 25.04.2014 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie trägt vor: Die im Jahr 2011 getroffene Vereinbarung habe auch im Hinblick auf die in Nr. 4 geregelte Hemmungsabrede ausschließlich Zinsforderungen des Beklagten aus nicht rechtzeitig in Anspruch genommenen Fördermitteln in den Jahren 1991 bis 2003 erfasst. Hierüber seien sich die Beteiligten im Rahmen der Verhandlungen einig gewesen. Dies ergebe sich insbesondere aus der E-Mail des damaligen Bearbeiters des Beklagten vom 29.06.2011, in der dieser ausdrücklich auf die 175 anhängigen Verfahren für die Haushaltsjahre 1991 bis 2003 Bezug genommen habe. Eine am Wortlaut der Vereinbarung orientierte grammatikalische und systematische Auslegung führe zu dem Ergebnis, dass die Hemmungsvereinbarung nur Zinsforderungen für die Jahre 1991 bis 2003 betreffe. Die Regelung über die Verjährungshemmung könne nicht losgelöst von der Präambel und Nr. 1 der Vereinbarung ausgelegt werden. Sinn und Zweck der Musterverfahrensvereinbarung sei nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien gewesen, die zwischen den Parteien streitigen Rechtsfragen abschließend zu klären und nachfolgend alle anderen über die Vereinbarung einbezogenen Städte und Gemeinden wie die Stadt B. zu behandeln. Dieser gegenüber sei selbst der Beklagte davon ausgegangen, dass die Vereinbarung nur die Forderungen für die Jahre 1991 bis 2003 betreffe.

20

Die Klägerin beantragt,

21

den Bescheid des Beklagten vom 25.03.2014 aufzuheben.

22

Der Beklagte beantragt,

23

die Klage abzuweisen.

24

Er erwidert: Die Nrn. 3 und 4 der Vereinbarung seien unabhängig von dem konkreten Fall des Musterverfahrens und insbesondere ohne zeitliche Beschränkung auf bestimmte Zinszeiträume anwendbar. Die Präambel könne nicht als Beschränkung hinsichtlich des Zeitraumes der Hemmung aufgefasst werden. Wenn von der Vereinbarung lediglich die Haushaltsjahre bis 2003 betroffen gewesen wären, hätte dies ungeachtet der Verzichtserklärung die Festsetzung von Zinsbescheiden gegenüber 145 Kommunen und eine entsprechend hohe Zahl von Klageverfahren zur Folge gehabt. Der Musterprozess hätte dann seinen Sinn verloren. Unter Zugrundelegung der Auffassung der Kommunen wären die Zinsforderungen bis einschließlich des Haushaltsjahres 2006 zum Zeitpunkt der Mustervereinbarung bereits verjährt gewesen. Lege man die Auffassung des Landes zugrunde, sei eine Verjährung nicht zu befürchten gewesen, weil die Verjährung erst mit der Festsetzung der Zinsen begonnen hätte. In allen Fällen würde die Hemmungsvereinbarung keinen Sinn machen, wenn sie nur Forderungen bis zum Haushaltsjahr 2003 betreffen sollte. Hintergrund für die Benennung des Zeitraums von 1991 bis 2003 sei der in diesem Zeitraum mögliche „revolvierende Einsatz von Zinsen“ gewesen. Die Kommunen sollten das Wahlrecht erhalten, die festgesetzten Zinsen zu zahlen oder unter nochmaliger Hinzustellung von kommunalen Eigenmitteln für die jeweilige Gesamtmaßnahme zu verwenden. Für die Eröffnung dieser Möglichkeit habe man die Zustimmung des Bundes benötigt, die dieser nur bis zum Jahr 2003 erteilt habe. Dieser Hintergrund sei auch den Kommunen bekannt gewesen. Mit der von ihm, dem Beklagten, vertretenen Auffassung werde die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts nicht konterkariert. Die Urteilsgründe befassten sich nicht mit der Auslegung der Verzichts- und Hemmungsvereinbarung. Eine sachwidrige Ungleichbehandlung zwischen Kommunen, die sich am Musterverfahren beteiligt hätten und den übrigen Kommunen bestehe nicht. Er, der Beklagte, habe nach dem erstinstanzlichen Urteil konsequent bei den Kommunen Zinsen erhoben, die keine Hemmungsvereinbarung unterzeichnet hätten, und zwar für alle im Jahr 2009 eingegangenen Zwischenverwendungsnachweise. Bei den anderen Kommunen habe er darauf verzichtet, weil man von der hemmenden Wirkung der Vereinbarung ausgegangen sei. Es sei der Risikoeinschätzung jeder Kommune vorbehalten gewesen, ob sie eine entsprechende Erklärung unterzeichne oder nicht. Gegenüber der Stadt B. habe er keinen Zinsforderungsbescheid erlassen, weil er mit ihr als Gegenpartei im Musterverfahren eine abweichende Vereinbarung geschlossen habe.

25

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

26

Die Klage ist zulässig und begründet. Der Zinsbescheid des Beklagten vom 25.03.2014 ist rechtwidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

27

Als Rechtsgrundlage für die geltend gemachten Zinsansprüche für nicht alsbald nach der Auszahlung für den bestimmten Zweck verwendete Leistungen kommen nur § 1 Abs. 1 VwVfG LSA i. d. F. vom 18.11.2005 i. V. m. § 49 a Abs. 4 VwVfG in Betracht. Für Zinsansprüche nach diesen Vorschriften gelten mangels spezialgesetzlicher Regelung die Verjährungsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

28

Die mit dem angefochtenen Bescheid festgesetzten Zinsforderungen sind verjährt. Wie die Kammer bereits in dem Urteil vom 09.07.2012 (4 A 300/11 MD) ausgeführt hat, ist für Zinsansprüche nach § 49 a Abs. 4 VwVfG die Regelung des § 195 BGB anwendbar, nach der die Ansprüche in drei Jahren verjähren. Ferner ist die Regelung des § 199 Abs. 1 BGB entsprechend anwendbar, nach der die Verjährung in dem Zeitpunkt zu laufen beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Entscheidend ist also, ab wann die Behörde den Anspruch auf Zwischenzinsen mittels Verwaltungsakt hätte geltend machen können. Die Entstehung des Anspruchs setzt nicht voraus, dass der Anspruch auch durch einen entsprechenden Zinsbescheid geltend gemacht wird. Bei dem Zinsanspruch nach § 49 a Abs. 4 VwVfG handelt es sich nicht um eine den steuerrechtlichen Nebenleistungen (§ 3 Abs. 4 AO) vergleichbare, von einer Primärschuld abhängige Forderung, sondern um ein eigenständiges Druckmittel zur Einhaltung des Subventionszwecks. Daher entsteht der Anspruch, sobald die tatbestandlichen Voraussetzungen gegeben sind, also bereits alsbald nach Auszahlung der Mittel. Hingegen tritt die Fälligkeit erst mit der Bekanntgabe des Zahlungsbescheides ein. Andernfalls ginge die Ermessensvorschrift des § 49 a Abs. 4 Satz 1 VwVfG ins Leere. Für den Beginn der Verjährungsvorschriften ist nicht auf den Zeitpunkt der Fälligkeit abzustellen. Ansonsten hätte es die Behörde in der Hand, den Verjährungsbeginn beliebig lange hinaus zu schieben. Festsetzungsverjährung könnte gar nicht eintreten. Das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt hat die Entscheidung der Kammer mit Urteil vom 28.11.2013 – 2 L 140/12 – bestätigt.

29

Damit hat die Verjährung für die hier fraglichen Zinsforderungen für das Haushaltsjahr 2007 mit dem Zugang der Zwischenabrechnung am 10.07.2008 begonnen.

30

Die Verjährung war nicht durch die zwischen den Beteiligten getroffene Vereinbarung vom 09.09.2011 / 07.10.2011 gemäß § 209 BGB gehemmt. Gegen die grundsätzliche Zulässigkeit einer Hemmungsabrede, wie sie in Nr. 4 geregelt ist, bestehen zwar keine Bedenken (vgl. OLG München, Urteil vom 15.09.2011 – 1 U 909/11 -, juris; BGH, Urteil vom 07.05.2014 – XII ZB 141/13 -, NJW 2014, 2267). Die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Hemmung der Verjährung sind auch im öffentlichen Recht entsprechend anwendbar (OVG Rheinl.-Pf., Urteil vom 12.02.2014 – 8 A 11021/13 -, NVwZ-RR 2014, 613 und juris [Rdnr. 48]). Die Regelung in Nr. 4 der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarung, nach der die Verjährung für den Zeitraum vom Erlass des Zinsbescheides gegen die Stadt Bernburg bis zum rechtskräftigen Abschluss des von der Stadt Bernburg geführten Musterverfahrens als gehemmt i. S. des § 209 BGB gilt, beschränkt sich jedoch auf Zinsforderungen wegen der nicht alsbaldigen Verwendung von Städtebaufördermitteln der Haushaltsjahre 1991 bis 2003.

31

Allerdings ergibt sich eine zeitliche Beschränkung des Anwendungsbereichs nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Vereinbarung. Die Regelung der Nr. 4 steht im Zusammenhang mit Nr. 3 der Vereinbarung, nach der das Land bis zum rechtskräftigen Abschluss des Musterverfahrens keinen Zinsbescheid gegen die Klägerin wegen der nicht alsbaldigen Verwendung von Städtebaufördermitteln aus den im Einzelnen bezeichneten Programmen erlässt. Die Verjährungshemmung sollte offensichtlich dazu dienen, dass in den Verfahren, in denen gemäß Nr. 3 der Vereinbarung auf den Erlass von Zinsbescheiden verzichtet wird, nicht aufgrund des Verzichts Verjährung eintreten kann. Auch in Nr. 3 findet sich keine zeitliche Beschränkung des Anwendungsbereichs.

32

Andererseits geht aus der Präambel der Vereinbarung hervor, dass Hintergrund für die getroffene Vereinbarung die Ankündigung des Landes Sachsen-Anhalt war, Zinsforderungen wegen nicht alsbaldiger Verwendung von Städtebaufördermitteln der Jahre 1991 bis 2003 gegen eine Vielzahl von Städte und Gemeinden geltend zu machen. Demgemäß sollte gemäß Nr. 1 der Vereinbarung das ausgewählte Musterverfahren auch einen Zinsbescheid für die Haushaltsjahre 1991 bis 2003 betreffen. Dieser Umstand, der auch im Text der Vereinbarung dokumentiert wurde, legt es jedenfalls nahe, dass sich der Gegenstand der Vereinbarung auf die seinerzeit angekündigten Zinsbescheide für den genannten Zeitraum beschränken könnte. Vor diesem Hintergrund sind die Regelungen der Nrn. 3 und 4 nicht allein aufgrund ihres Wortlautes so zu verstehen, dass auch Zinsforderungen für die Haushaltsjahre 2003 erfasst sind; sie bedürfen einer Auslegung.

33

Für die Auslegung auch öffentlich-rechtlicher Verträge sind die §§ 133, 157 BGB anwendbar (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.01.1990 – 4 C 21. 89 –, BVerwGE 84, 257). Danach ist nicht bei dem Buchstaben des Vertragstextes stehenzubleiben, sondern der Sinn der vertraglichen Regelung unter Berücksichtigung der Verkehrssitte zu erforschen.

34

Aus der Entstehungsgeschichte der Vereinbarung ergibt sich, dass die Klägerin und andere Kommunen die Durchführung des Musterverfahrens vereinbart haben, um zu vermeiden, dass für sämtliche der seinerzeit im Anhörungsverfahren befindlichen Zinsforderungen für die Haushaltsjahre 1991 bis 2003 Bescheide erlassen und Klageverfahren durchgeführt werden mussten.

35

Im Jahr 2011 hatte der Beklagte mehrere Städte und Gemeinden zum Erlass von Zinsbescheiden wegen der nicht alsbaldigen Verwendung von Städtebaufördermitteln angehört. Die damaligen Anhörungen betrafen allein Verfahren über Fördermittel aus den Jahren 1991 bis 2003. Der Städte- und Gemeindebund und der Beklagte für das Land Sachsen-Anhalt traten daraufhin in Verhandlungen über die Führung eines Musterverfahrens. Es bestand die Absicht, ein Verfahren auszuwählen, in dem die unter den Beteiligten strittige Frage, ob die Forderungen verjährt sind, geklärt werden sollte. Mit der rechtskräftigen Entscheidung sollte feststehen, unter welchen Voraussetzungen die Zinsforderungen verjähren. Zielrichtung der Vereinbarung war es, dem Land Verwaltungsarbeit und den Kommunen wie auch dem Land Klageverfahren zu ersparen.

36

Die Beteiligten sind zur Überzeugung der Kammer davon ausgegangen, dass durch die Führung des Musterverfahrens (nur) die seinerzeit im Anhörungsverfahren befindlichen Verfahren entbehrlich würden. So heißt es in einer E-Mail des Mitarbeiters des Beklagten, Herrn Marquardt, vom 29.06.2011: „Verliert das Land, brauchen die ca. 175 Bescheide mit all der Vorarbeit und den möglichen sich anschließenden Gerichtsverfahren, nicht erstellt zu werden“. Es besteht kein Zweifel, dass sich die genannte Zahl allein auf die angekündigten Zinsbescheide für die Förderzeiträume von 1991 bis 2003, und nicht auf sämtliche weiteren Verfahren wegen Zinsforderungen auch für die folgenden Haushaltsjahre bezog. Zinsforderungen für die Folgejahre wurden weder in der E-Mail noch in Vertragsentwürfen erwähnt; sie waren offensichtlich nicht Gegenstand der Verhandlungen. Weder seitens der Kommunen noch des Landes wurde ein Interesse daran geäußert, über den erörterten Sachverhalt hinaus eine umfassende Lösung für alle künftigen Abrechnungszeiträume zu finden. Auch die von Herrn M. initiierte Änderung der Nr. 3, mit der eine genaue Bezeichnung der Förderprojekte in den Vertragstext aufgenommen wurde, steht in keinem Zusammenhang mit dem Förderzeitraum. Es gibt auch insbesondere keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Vertragsparteien in den Nrn. 3 und 4 der Vereinbarung bewusst auf eine Benennung der maßgeblichen Förderjahre verzichtet haben, um damit eine unbeschränkte zeitliche Anwendung der Regelung zu ermöglichen. Demgegenüber kommt eine Beschränkung auf die Abrechnungszeiträume bis 2003 im Text der Vereinbarung durch den entsprechenden Einleitungssatz der Präambel zum Ausdruck. Die Beteiligten wollten somit ersichtlich mit der Mustervereinbarung lediglich das seinerzeit „akute“ Problem der angekündigten 175 Verfahren wegen Zinsforderungen für die Jahre 1991 bis 2003 praktikabel und mit geringem Verwaltungsaufwand lösen. Die gemeinsamen und übereinstimmenden Vorstellungen der Vertragsparteien (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 09.07.2014 – VIII ZR 376/13 –, juris) gingen also nicht über die Regelung dieses Förderzeitraums hinaus. Grund für die zeitliche Beschränkung auf die Förderjahre bis 2003 mag zwar – jedenfalls aus Sicht des Beklagten – der Umstand gewesen sein, dass nur bis dahin ein „revolvierender Einsatz von Zinsen“ möglich gewesen ist. Auch wenn dieser Hintergrund maßgeblich dafür gewesen sein sollte, dass der Beklagte seinerzeit lediglich Verfahren für Zinsbescheide der Förderjahre bis 2003 eingeleitet hatte, ändert dies nichts daran, dass die späteren Förderjahre nicht Vertragsgegenstand waren.

37

Eine abweichende Auslegung der Vereinbarung ist nicht deshalb geboten, weil es – wie der Beklagte vorträgt - keinen praktischen Anwendungsfall für die Regelung über die Verjährungshemmung in Nr. 4 gibt, wenn sich die Regelung nur auf Zinsbescheide für die Förderjahre 1991 bis 2003 bezöge. Es trifft zwar zu, dass die Zinsforderungen für die Förderjahre unter Zugrundelegung der in der Zeit des Vertragsschlusses im Jahr 2011 von den Kommunen vertretenen Rechtsauffassung ohnehin verjährt sein mussten. Die Kommunen sind seinerzeit von einer dreijährigen Verjährung ab Zugang der Prüfberichte und Verwendungsnachweise ausgegangen, so dass alle Forderungen verjährt gewesen wären, bei denen die Kommunen dem Beklagten die Unterlagen bis zum Jahr 2007 vorgelegt hatten. Ausgehend von der seinerzeit vertretenen Rechtsauffassung des Landes konnte eine Verjährung vor Erlass der jeweiligen Zinsfestsetzungsbescheide gar nicht eintreten. Demgemäß hätte es keiner Regelung über die Verjährungshemmung bedurft, wenn sich der Anwendungsbereich der Vereinbarung auf die Förderjahre bis 2003 beschränken sollte.

38

Es gibt aber keinen Grund für die Annahme, dass die Regelung über die Verjährungshemmung in die Vereinbarung aufgenommen wurde, um die Verjährung von Zinsforderungen für spätere Förderzeiträume zu verhindern. Die Entstehungsgeschichte der Vereinbarung bietet hierfür keine Anhaltspunkte. Angesichts der schwierigen tatsächlichen und rechtlichen Fragen bei der Berechnung der Verjährung ist vielmehr davon auszugehen, dass die Vertragsparteien keine genauen und differenzierten Überlegungen zu den möglichen Anwendungsfällen der Nr. 4 getroffen haben und lediglich sicherstellen wollten, dass in keiner der vom Vertragsgegenstand erfassten Fallkonstellationen aufgrund des in Nr. 3 vereinbarten Verzichts auf die Zinsfestsetzung Verjährung eintritt. Diese Zielrichtung gebietet es nicht, den Vertragsgegenstand abweichend vom Regelungszweck, eine Mustervereinbarung für die anstehenden Verfahren der Förderjahre 1991 bis 2003 zu treffen, erweitert auszulegen.

39

Für die Auslegung der Vereinbarung kommt es auch nicht darauf an, dass es zweckmäßig gewesen wäre, die späteren Förderjahre in die Mustervereinbarung einzubeziehen. Beziehen sich die Regelungen auf den Zeitraum bis zum Jahr 2003, mussten das Land und die Kommunen in der Tat unmittelbar nach Abschluss der Mustervereinbarungen mit einer Vielzahl weiterer Verfahren für die Folgejahre rechnen. Wie sich aus der E-Mail vom 29.06.2011 ergibt, haben die Vertragsparteien diese weiteren Verfahren aber gerade nicht in ihre Überlegungen einbezogen. Eine Vertragsauslegung, die vom erkennbaren Willen der Vertragsparteien abweicht, nur den beschränkten Zeitraum der Förderzeiträume bis 2003 zu regeln, ist auch unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten nicht zulässig. Eine über den Regelungsgegenstand hinausgehende Auslegung wäre nur im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung möglich, die das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke voraussetzt. Diese ist dadurch gekennzeichnet, dass die Parteien mit der getroffenen Regelung ein bestimmtes Ziel erreichen wollten, dies aber wegen der Lückenhaftigkeit des Vereinbarten nicht gelungen ist (BGH, Urteil vom 12.10.2012 – V ZR 222/11 –, NJW-RR 2013, 494). Eine solche Fallkonstellation liegt nicht vor. Die Lösung der Frage, wie mit den Zinsforderungen für die 2003 nachfolgenden Jahre umzugehen ist, war im Zusammenhang mit der im Jahr 2011 getroffenen vertraglichen Regelung unerheblich. Die Beteiligten hatten nicht das Ziel, mit der Vereinbarung eine Klärung dieses Problems herbeizuführen. Demgemäß besteht insoweit auch keine vertragliche Regelungslücke, die Raum für eine ergänzende Vertragsauslegung lässt.

40

Ist demnach die Abrede über die Verjährungshemmung in Nr. 4 der Vereinbarung vom 13.09.2011 / 07.10.2011 auf die vorliegende Zinsforderung für das Haushaltsjahr 2007 nicht anwendbar, so ist die Zinsforderung gemäß §§ 195, 199 BGB seit dem 01.01.2012 verjährt.

41

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 GKG.


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Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung von Zinsen wegen nicht alsbald nach der Auszahlung erfolgter Verwendung von Zuwendungen.

2

Nachdem die Klägerin in das Programm „Städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen“ aufgenommen worden war, beantragte sie für die Haushaltsjahre 1996 bis 2003 beim Regierungspräsidium Dessau und beim Beklagten Städtebauförderungsmittel nach den jeweiligen Richtlinien zur Förderung städtebaulicher Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen. Mit diversen Bescheiden zwischen dem 19.12.1995 und dem 30.09.2003 wurden der Klägerin Fördermittel bewilligt. In den Bescheiden war die Geltung der jeweiligen Förderrichtlinien, der Verwaltungsvorschriften zu § 44 LHO und der Nebenbestimmungen (AN-Best-Gk) geregelt. Im Auftrag der Klägerin erstellte die Sachsen-Anhaltinische Landesgesellschaft mbH (SALEG) nach Abschluss der jeweiligen Haushaltsjahre Verwendungsnachweise und Zwischenabrechnungen. Diese wurden vom städtischen Rechnungsprüfungsamt geprüft und an die jeweilige Landesbewilligungsbehörde weitergeleitet. Der letzte Prüfbericht – für das Haushaltsjahr 2003 – wurde am 13.01.2005 abgesandt.

3

Mit Anhörungsschreiben vom 30.09.2008 teilte der Beklagte der Klägerin seine Absicht mit, für die Haushaltsjahre 1996 bis 2003 Zinsen in Höhe von 42.772,04 € für die nicht fristgemäße Verwendung der Fördermittel festzusetzen. Die Klägerin berief sich auf Verjährung, bezweifelte das Vorliegen einer Rechtsgrundlage für die Zeit vor dem 01. 03.1998 und hielt die Berechnungen für nicht prüffähig. Nachdem der Beklagte seine Absicht mitgeteilt hatte, für alle bis zum 31.08.1999 ausgereichten Fördermittel einen Abschlag von 20 % zu gewähren, hörte er die Klägerin unter Neuberechnung der Zinsforderung mit Schreiben vom 02.08.2011 erneut an.

4

Mit Bescheid vom 27.09.2011 setzte der Beklagte die Zinsen auf 46.167,84 € fest. Auf der Grundlage der eingereichten Zwischenverwendungsnachweise und nachgeforderten Unterlagen habe er festgestellt, dass die Zuwendungen nicht alsbald nach der Auszahlung für fällige Zahlungen verwendet worden seien. Daraus ergäben sich Zinsforderungen. Rechtsgrundlage sei § 1 Abs. 1 VwVfG LSA i. V. m. § 49 a Abs. 4 VwVfG in den jeweils aktuellen Fassungen. Die Höhe der vor dem 01.12.2005 angefallenen Zinsen bemesse sich nach den Gesetzen über die Feststellung des Haushaltsplans, dem Vorschaltgesetz zum Verwaltungsverfahrensgesetz bzw. dem Verwaltungsverfahrensgesetz i. V. m. den jeweiligen haushaltsrechtlichen Vorschriften. Eine alsbaldige Verwendung einer Zuwendung liege nach den Verwaltungsvorschriften vor, wenn die Zuwendung innerhalb von zwei Monaten nach Auszahlung für fällige Zahlungen verbraucht worden sei. Zu Gunsten der Klägerin sei man davon ausgegangen, dass die Auszahlungen innerhalb eines Monats bereits am ersten Tag des Monats geleistet worden seien. Das ihm bei der Zinserhebung zustehende Ermessen sei nach den Verwaltungsvorschriften dahingehend eingeschränkt, dass regelmäßig Zinsen zu verlangen seien, wenn der Zuwendungsbescheid nicht widerrufen werde. Ein Ausnahmefall liege nicht vor. Das öffentliche Interesse an der Zinsforderung wiege schwerer als das Interesse der Klägerin, nicht mit den Zinsen belastet zu werden. Verjährung sei nicht eingetreten. Die Verjährungsfrist beginne bei Verwaltungsakten, bei denen Ermessen eröffnet sei, erst mit dem Erlass des Verwaltungsakts.

5

Die Klägerin hat am 28.10.2011 Klage erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen: Eine Berechnung der Zinsen nach dem VwVfG in der Fassung vom 18.11.2005 sei rechtswidrig, weil die Rechtslage zum Zeitpunkt der Zinslaufzeit anzusetzen gewesen sei, also für jedes einzelne Projekt ab dem Zeitpunkt, in dem die Zuwendung nicht alsbald verwendet worden sei. Aus dem Bescheid und den Anlagen sei nicht erkennbar, warum nach Ansicht des Beklagten Mittel zu spät abgerufen sein sollten. Es sei auch nicht ersichtlich, welche Qualität die dem Bescheid beigefügten Prüfungsmitteilungen hätten und welchen Zeitraum der Beklagte für die Zinslaufzeit bis zur Verwendung angesetzt habe. Anders als nach der Berechnung des Beklagten könne die Frist für die alsbaldige Verwendung erst ab der Auszahlung an die Treuhänderin beginnen, weil sich durch die Einzahlung auf das Treuhandkonto unvermeidbare Verzögerungen ergeben hätten. Der Beklagte habe sein Ermessen nicht ausgeübt. Die Verwaltungsvorschrift könne das Ermessen nicht einschränken, da die maßgeblichen Rechtsvorschriften keine Beschränkung vorsähen. Zu den Verzögerungen sei es aus verschiedenen Gründen (Bauverzögerungen, mangelnder Prüffähigkeit von Rechnungen, Insolvenzen oder ungünstigen Witterungsverhältnissen) gekommen. Die Zinsforderungen seien im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Zinsbescheides verjährt gewesen. Für vor dem 01.01.2002 entstandene Ansprüche habe eine vierjährige Verjährungsfrist, anschließend die regelmäßige Verjährungsfrist der §§ 195, 199 Abs. 1 BGB gegolten. Der Zinsanspruch entstehe nicht erst mit dem Erlass des Verwaltungsakts, sondern in dem Zeitpunkt der nicht alsbaldigen Verwendung. Maßgeblich sei der Zeitpunkt, in dem der Zinsanspruch objektiv habe geltend gemacht werden können. Die Auffassung des Beklagten, dass es für den Verjährungsbeginn auf die Fälligkeit ankomme, führe dazu, dass ein nicht festgesetzter Anspruch gar nicht verjähren könne.

6

Die Klägerin hat beantragt,

7

den Bescheid des Beklagten vom 27.09.2011 aufzuheben.

8

Der Beklagte hat beantragt,

9

die Klage abzuweisen.

10

Er erwiderte: Die Unterlagen zur Zinsberechnung seien hinreichend prüffähig. Aus den Zinskarten könne eindeutig entnommen werden, welche Summen zu welchem Zinssatz zu verzinsen gewesen seien. Die Klägerin könne den Zinsforderungen nicht entgegen halten, dass sie sich einer Treuhänderin bedient habe. Die von der Klägerin vorgetragenen Gründe für Verzögerungen griffen nicht, da die Frist für die Verwendung von zwei Monaten angemessen sei, um Verzögerungen aufzufangen. Die Zinsforderungen seien nicht verjährt. Die Festsetzung des isolierten Zinsanspruchs durch Bescheid betreffe nicht nur die Fälligkeit, sondern lasse den Anspruch erst entstehen. Das Erfordernis einer Ermessensausübung sei konstitutiv.

11

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 09.07.2012 den Bescheid des Beklagten aufgehoben und zur Begründung ausgeführt: Die mit dem angefochtenen Bescheid festgesetzten Zinsforderungen seien verjährt. Als Rechtsgrundlage für die geltend gemachten Zinsansprüche für nicht alsbald nach der Auszahlung für den bestimmten Zweck verwendete Leistungen komme nur § 49 a Abs. 4 VwVfG LSA a. F. und § 1 Abs. 1 VwVfG LSA i. d. F. vom 18.11.2005 i. V. m. § 49 a Abs. 4 VwVfG in Betracht.

12

Es teile die Auffassung des Nds. Oberverwaltungsgerichts im Urteil vom 16.02.2012 (– 1 LC 150/11 –), dass für die hier strittigen Zinsforderungen mangels spezialgesetzlicher Regelungen die Verjährungsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs gelten. Seit dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes am 01.01.2002 sei für Zinsansprüche nach § 49 a Abs. 4 VwVfG die Regelung des § 195 BGB anwendbar, nach der die Ansprüche in 3 Jahren verjährten.

13

Die Verjährung beginne in dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Anspruch entstanden sei und der Gläubiger von den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlange oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Entscheidend sei, ab wann die Behörde den Anspruch auf Zwischenzinsen mittels Verwaltungsakt hätte geltend machen können. Diese Auffassung werde auch von den Oberverwaltungsgerichten der Länder Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Berlin-Brandenburg sowie vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof geteilt. Soweit das Verwaltungsgericht Dessau mit Urteil vom 19.02.2004 – 2 A 422/01 – die Auffassung vertrete habe, dass der isolierte Zinsanspruch erst entstehe, wenn er tatsächlich geltend gemacht werde, teile es mit den vorgenannten Oberverwaltungsgerichten diese Auffassung nicht. Die Entstehung des Anspruchs setze nicht voraus, dass der Anspruch auch durch einen entsprechenden Zinsbescheid geltend gemacht werde. Bei dem Zinsanspruch nach § 49 a Abs. 4 VwVfG handele es sich nicht um eine den steuerrechtlichen Nebenleistungen (§ 3 Abs. 4 AO) vergleichbare, von einer Primärschuld abhängige Forderung, sondern um ein eigenständiges Druckmittel zur Einhaltung des Subventionszwecks. Daher entstehe der Anspruch, sobald die tatbestandlichen Voraussetzungen gegeben seien, also bereits alsbald nach Auszahlung der Mittel. Hingegen trete die Fälligkeit erst mit der Bekanntgabe des Zahlungsbescheides ein. Andernfalls ginge die Ermessensvorschrift des § 49 a Abs. 4 Satz 1 VwVfG ins Leere. Für den Beginn der Verjährungsvorschriften sei nicht auf den Zeitpunkt der Fälligkeit abzustellen. Ansonsten hätte es die Behörde in der Hand, den Verjährungsbeginn beliebig lange hinaus zu schieben. Eine Festsetzungsverjährung könnte gar nicht eintreten. Für die vor dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes am 01.01.2002 entstandenen Ansprüche richte sich die Verjährung nach der Übergangsvorschrift des Art. 29 EGBGB § 6 Abs. 4. Es sei umstritten, ob für bis dahin entstandene Zinsansprüche nach § 49 a Abs. 4 VwVfG die 4-jährige Verjährungsfrist nach § 197 BGB a. F. oder die 30-jährige Verjährungsfrist nach § 195 BGB a. F. gelte. Die Frage könne aber dahinstehen, weil die Anwendung der verschiedenen Regelungen zu keinen unterschiedlichen Ergebnissen führe; denn sämtliche mit dem angefochtenen Bescheid geltend gemachten Zinsforderungen seien verjährt. Gehe man davon aus, dass bis zum 01.01.2002 die 30-jährige Verjährung nach §§ 195, 199 BGB a. F. gelte, so sei für vor diesem Stichtag entstandene Forderungen ab dem 01.01.2002 die kürzere Verjährungsfrist von 3 Jahren anzuwenden, so dass die Verjährung am 01.01.2005 eingetreten sei. Bei Anwendung der 4-jährigen Verjährungsfrist gemäß § 197 BGB a. F. seien die Forderungen - unabhängig davon, ob der Beginn der Frist nach dieser Vorschrift die Kenntnis der zuständigen Behörde voraussetze – jedenfalls nicht zu einem späteren Zeitpunkt verjährt. Für die nach dem 01.01.2002 entstandenen Zinsforderungen sei der letzte Prüfbericht für das Haupthaltsjahr 2003 im Januar 2005 beim Beklagten eingegangen, so dass die letzte Forderung am 01.01.2009 verjährt sei. Damit sei im Zeitpunkt des Bescheiderlasses am 27.09.2011 auch die jüngste Zinsforderung verjährt.

14

Gegen das Urteil hat der Beklagte die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung am 22.08. 2012 eingelegt. Zur Begründung trägt er vor: Die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, für den Beginn der Verjährung bei einem auf § 49 a Abs. 4 VwVfG beruhenden Anspruch sei auf den Zeitpunkt des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen und der Kenntnis der Behörde hiervon abzustellen, sei unzutreffend. § 49 a VwVfG Abs. 4 sei eine Ermessensvorschrift. Das bedeute, dass ein Zinsanspruch nicht schon dann entstehe, wenn die Mittel nicht alsbald verwendet worden seien und die Behörde davon Kenntnis erlangt habe, sondern erst dann, wenn die Behörde ihr Ermessen ausgeübt habe. Dass diese Ansicht zutreffend sei, werde klar, wenn man davon ausginge, dass dann, wenn eine Behörde auf Grund von Ermessenserwägungen zu dem Schluss käme, dass Zinsen nicht erhoben werden könnten, kein Anspruch auf Zinsen entstände. In diesem Fall wäre gerade nicht nur die Fälligkeit des Zinsanspruchs betroffen. Das Bedürfnis nach einer zeitnahen Entscheidung über das Bestehen von Zahlungsverpflichtungen dürfe klare dogmatische Regeln für das Entstehen von Ansprüchen nicht ersetzen. Seine Rechtsauffassung stütze er auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Dessau vom 19.02.2004 sowie eine interne rechtsgutachtliche Stellungnahme des Ministeriums der Justiz im Rahmen einer Kabinettsvorlage vom 06.05.2005. Diese Stellungnahme des Ministeriums sei seit 2005 Grundlage für das Vorgehen der Landesverwaltung bei Zinserhebungen.

15

Der Beklagte beantragt,

16

das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 9. Juli 2012 – 4 A 300/11 MD – abzuändern und die Klage abzuweisen.

17

Die Klägerin beantragt,

18

die Berufung zurückzuweisen.

19

Sie hält das verwaltungsgerichtliche Urteil für zutreffend und trägt ergänzend vor: Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung und der des Bundesverwaltungsgerichts beginne die Verjährung in entsprechender Anwendung der §§ 195, 199 BGB in dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Anspruch entstanden sei und der Gläubiger von den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt habe oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste. Die Entstehung des Anspruchs setze nicht voraus, dass er durch Zinsbescheid geltend gemacht werde. Die Auffassung des Beklagten, des Verwaltungsgerichts Dessau und des Justizministeriums des Landes Sachsen-Anhalt sei veraltet und durch die Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte und des Bundesverwaltungsgerichts überholt. Das Bundesverwaltungsgericht habe mit Urteil vom 27.04.2005 eindeutig klar gestellt, dass der Zwischenzinsanspruch nach § 49 a Abs. 4 VwVfG entstehe, sobald die tatbestandlichen Voraussetzungen gegeben seien. Mit der Bekanntgabe des Zahlungsbescheides werde der Zwischenzinsanspruch lediglich fällig, weil das in § 49 a Abs. 4 VwVfG eingeräumte Ermessen ins Leere ginge, wenn die Zinsschuld bereits mit ihrer Entstehung fällig würde. Diese öffentlich-rechtliche Besonderheit rechtfertige es nicht, im Rahmen der entsprechenden Anwendung der BGB-Verjährungsvorschriften entgegen deren Wortlaut für den Beginn der Verjährungsfrist auf die Fälligkeit des Anspruches und nicht auf die Entstehung abzustellen.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und die vom Beklagten vorgelegten Behördenvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Der Zinsbescheid des Beklagten vom 27.09.2011 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

22

Vermögensrechtliche Ansprüche öffentlich-rechtlicher Rechtsträger unterliegen der Verjährung, wie die Regelung des § 53 VwVfGüber die Hemmung der Verjährung zeigt. Soweit spezialgesetzliche Vorschriften fehlen und auch keine sachnäheren öffentlich-rechtlichen Vorschriften – insbesondere die Abgabenordnung für den Bereich der Abgabenerhebung – für eine Analogie in Betracht kommen, finden auf die Verjährung öffentlich-rechtlicher Vermögensansprüche die §§ 195 ff. BGB entsprechende Anwendung (so auch OVG NRW, Urt. v. 20.04.2012 – 4 A 2005/10 –, nach Juris m.w.N).

23

Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Anspruch aus § 49a Abs. 4 VwVfG LSA a.F. und § 1 Abs.1 VwVfG LSA i.d. F. vom 18.11.2005 i.V.m. § 49a Abs. 4 sowie Abs. 3 Satz 1 VwVfG einer kurzen Verjährungsfrist unterworfen ist, die bei Anwendung des BGB in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung vier Jahre betrug (§ 197 BGB a.F. analog) und bei Anwendung des BGB in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung drei Jahre beträgt (§ 195 BGB analog). Diese Ansicht, die von der Beklagten nicht angegriffen wird, entspricht der Auffassung verschiedener Oberverwaltungsgerichte und wird vom erkennenden Senat geteilt (vgl. OVG M-V, Urt. v. 09.02.2005 – 2 L 66/03 –, nach Juris RdNr. 21 ff. und Beschl. v.14. 02.2012 – 2 L 154/10 –, nach Juris, RdNr. 12 ff; Nds. OVG, Urt. v. 16.02.2012 – 1 LC 150/11 –, nach Juris RdNr. 42; Thür. OVG, Urt. v. 07.04.2011 – 3 KO 505/09 –, nach Juris, RdNr. 30 ff.; Sächs.OVG, Urt. v. 26.04.2012 – 1 A 963/10 –, nach Juris RdNr. 18 und Urt. v. 28.02.2013 – 1 A 346709 –, nach Juris RdNr. 46; a.A. lediglich OVG Brandenburg, Urt. v. 11.02.2004 – 2 A 680/03 –, nach Juris, RdNr. 30. Wonach auf den Zinsanspruch nach § 49 a Abs. 4 VwVfG Bbg i.V.m. § 195 a.F. BGB mit einer 30-jährigen Verjährungsfrist anzuwenden sei, da es sich bei den Zinsen nach § 49a Abs.4 VwVfG Bbg weder um „Zinsen“ noch um andere „regelmäßig wiederkehrende Leistungen“ im Sinne von § 197 BGB n. F. handele).

24

Weiter zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Verjährungsfrist in dem Zeitpunkt zu laufen beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger – hier der Beklagte – von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste. Diese Auffassung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 27.04.2005 – 8 C 5/04 –, nach Juris, RdNr. 12 ff. und Beschl. v. 21.10.2010 – 3 C 3/10 –, nach Juris. RdNr. 11) sowie der Rechtsprechung zahlreicher Oberverwaltungsgerichte und mit den Auffassungen in der Literatur (vgl. OVG M-V, Beschl. v.14.02.2012 – 2 L 154/10 –, nach Juris, RdNr. 16; Hess. VGH, Urt. 09.12.2011 – 8 A 909/11 – nach Juris RdNr. 42 ff.; Nds. OVG, Urt. v. 16.02.2012 – 1 LC 150/11 –, nach Juris, RdNr. 47; OVG Berlin-Brandenburg Urt. v. 11.03.2010 – OVG 2 B 1.09 –, nach Juris RdNr. 27 ff.; Thür. OVG, Urt. v. 07. 04.2011 – 3 KO 505/09 –, nach Juris RdNr. 40 ff; Sächs.OVG, Urt. v. 26.04.2012 –1 A 963/10 –, nach Juris RdNr.20 ff.; Sachs, in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Kommentar, 7. Aufl., RdNr. 84; Meyer, in: Knack/Henneke, VwVfG, Kommentar, 9.Aufl. § 49 a RdNr. 28; Graupeter, LKV, 2006, S.206).

25

Die Auffassung des Verwaltungsgerichts Dessau (Urt. v. 19.02.2012 – 2 A 422/01 –, nach Juris RdNr.40) und die sich dieser Auffassung anschließende Ansicht des VG Halle (Urt. v. 15.11.2012 – 1 A 28/11 –, nach Juris RdNr. 41), dass der Zwischenzinsanspruch nach § 49 a Abs.4 VwVfG erst entstehe, wenn der Anspruch durch Bescheid geltend gemacht worden sei, weil der Entstehungszeitpunkt des Anspruchs nicht vor dem Zeitpunkt liegen könne, in dem die Alternativität der Reaktionsmöglichkeiten auf eine nicht alsbaldige Verwendung gewährter Zuwendungen entfalle und der Zuwendungsgeber sich entschieden habe, unter Verzicht auf seine Widerrufsmöglichkeit nur den Zinsanspruch geltend zu machen, teilt der Senat nicht. Er teilt vielmehr die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts in dem Urteil vom 27.04.2005 (a.a.O., RdNr. 14,15), dass der Zinsanspruch bei verzögertem Mitteleinsatz in dem Zeitpunkt entstehe, zu dem die Leistung nicht „alsbald“ nach Auszahlung bestimmungsgemäß verwendet worden ist und mit dem Erlass des ihn festsetzenden Zahlungsbescheides (oder des darin genannten Zeitpunktes) fällig wird. In diesem Urteil hat das Bundesverwaltungsgericht auch ausgeführt, dass die Auffassung des Verwaltungsgerichts Potsdam in den zu entscheidenden Verfahren, „die Fälligkeit des Verzögerungszinsanspruchs nach § 49 a Abs. 4 VwVfG Bbg trete in jenem Zeitpunkt ein, in welchem die berechtigte (Bewilligungs-)behörde nach Anhörung des Betroffenen über die Frage entscheiden könne, ob sie den zugrunde liegenden Zuwendungsbescheid widerrufe oder stattdessen Verzögerungszinsen geltend mache, nicht tragfähig sei“.

26

Zur Begründung seiner Auffassung hat das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 27.04.2005 (a.a.O.) in Bezug auf das Entstehen von Zinsansprüchen das Folgende ausgeführt:

27

„Der Entstehungszeitpunkt des Anspruchs ergibt sich aus dem Sinn der Regelung. (…) ´Zweck des § 49 a Abs. 4 VwVfG ist es ..., der Behörde für den Fall, dass eine Leistung nicht alsbald verwendet wird, neben dem Widerruf eine mildere Reaktionsmöglichkeit zu eröffnen. Wird eine Leistung nicht alsbald nach der Erbringung verwendet, kann der die Leistung bewilligende rechtmäßige Verwaltungsakt widerrufen (§ 49 Abs. 3 Satz 1 Ziff. 1 VwVfG) und die Erstattung der Leistung gefordert werden (§ 49 a Abs. 1 VwVfG). Sieht der Zuwendungsgeber angesichts der letztlich doch noch erfolgten zweckentsprechenden Verwendung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit vom Widerruf ab, wird ihm durch die Bestimmung des § 49 a Abs. 4 VwVfG die Möglichkeit eröffnet, zumindest den Vorteil abzuschöpfen, den der Zuwendungsempfänger daraus gezogen hat - oder zumindest hätte ziehen können -, dass er die Mittel zinsbringend eingesetzt oder Zinsen für eine sonst notwendige Darlehensaufnahme vermieden hat. Gleichzeitig wird der Nachteil ausgeglichen, der dem Zuwendungsgeber dadurch entstanden ist, dass er in dem maßgebenden Zeitraum die Mittel nicht selbst zinsbringend oder anderweitig fördernd einsetzen konnte.’

28

Bei diesem Zinsanspruch handelt es sich folglich nicht um eine den steuerrechtlichen Nebenleistungen (vgl. § 3 Abs. 4 AO) vergleichbare, von einer Primärschuld abhängige Forderung, sondern um ein eigenständiges Druckmittel zur Einhaltung des Subventionszwecks. Diese Funktion wird durch § 49 a Abs. 4 Satz 2 VwVfG Bbg bestätigt, wonach ein behördliches Zinsverlangen nicht einen späteren Widerruf der Bewilligung ausschließt. Deshalb wird der Anspruch existent, sobald die tatbestandlichen Voraussetzungen gegeben sind, d. h. alsbald nach Bewilligung der Mittel.“

29

Soweit der Beklagte einwendet, wenn er auf Grund von Ermessenserwägungen zu dem Schluss käme, dass Zwischenzinsen nicht erhoben werden könnten, könnte ein Anspruch nach § 49 a Abs.4 VwVfG nicht vor dieser Entscheidung entstehen, vermag er damit die Richtigkeit der oben dargestellten Auffassung nicht in Frage zu stellen.

30

Bei § 49 a Abs. 4 VwVfG ist auch das positive Zinsverlangen in das Ermessen der Behörde gestellt. Das Bundesverwaltungsgericht lässt gleichwohl im Urteil vom 27.04.2005 den Anspruch bei Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen, also alsbald nach Bewilligung der Mittel, existent werden, verschiebt nur mit Rücksicht auf das Ermessen der Behörde, ob sie den Anspruch überhaupt geltend macht, die Fälligkeit auf die Bekanntgabe des – wie beim Erlass nach Abs. 3 Satz 2 VwVfG erforderlichen – Zahlungsbescheides bzw. einen darin genannten Zahlungszeitpunkt (vgl. Sachs, in Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., RdNr. 84).

31

Entgegen der Auffassung des Beklagten fehlt es für diese Auffassung auch nicht an der rechtsdogmatischen Herleitung.

32

Nach der Zivilrechtsdogmatik beginnt die Verjährungsfrist grundsätzlich mit der Entstehung eines Anspruchs. Eine Forderung ist danach im allgemeinen dann „entstanden“, wenn der vom Gesetz zu ihrer Entstehung verlangte Tatbestand verwirklicht ist, auch wenn der Gläubiger die Leistung in diesem Zeitpunkt noch nicht verlangen kann, also die „Fälligkeit“ der Forderung hinausgeschoben ist – § 271 Abs.2 BGB – (vgl. Larenz, Allgemeiner Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts, 7. Aufl. 1989, S. 255).

33

Nichts anders gilt für die Verjährung von vermögensrechtlichen Ansprüchen im öffentlichen Recht. Gegenstand der Verjährung sind auch hier nur ausübbare Rechtspositionen. Dies ergibt sich aus dem Zweck der Verjährung, welcher darin besteht, eine bestimmte Person dazu zu veranlassen, eine ihr gegenüber einem anderen zustehende Rechtsposition innerhalb der Verjährungsfrist geltend zu machen. Die Verjährung wird auch im öffentlichen Recht als Nichtausübung eines Rechts während einer bestimmten Zeit umschrieben, obwohl der Berechtigte dies gegenüber dem Verpflichteten hätte ausüben sollen und können (vgl. Guckelberger, Die Verjährung im Öffentlichen Recht, Habil.-Schrift, 2004, S. 173, m.w.N.). Das konkrete Rechtsverhältnis, welches die Verjährung auslöst, liegt bereits dann vor, wenn die Eckpunkte des Rechtsverhältnisses – die beteiligten Rechtssubjekte und der rechtserhebliche Sachverhalt – feststehen. Die daran anknüpfenden Rechtsfolgen, die Befugnis, Verzögerungszinsen zu erheben, betrifft nicht die Tatbestandsverwirklichung, sondern nur die Rechtsfolgenseite; hier im Fall des Ermessens den vom Gesetz nach der Tatbestandsverwirklichung eingeräumten administrativen Optionsraum. Aus heutiger Sicht trifft es nicht mehr zu, dass im Bereich der Eingriffsverwaltung ein Rechtsverhältnis generell erst mit dem Erlass eines Bescheides entsteht. Verursacht beispielsweise eine Person eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, liegt ein konkretres Rechtsverhältnis bereits ab dem Augenblick vor, ab dem die Verwaltung die notwendigen Schritte zur Gefahrenabwehr einleiten kann; denn die Rechtsbeziehungen zwischen den jeweiligen Personen haben sich so verdichtet, dass (re-)agiert werden kann. Dass ein solches Maß an Verdichtung für die Möglichkeit einer Verjährung ausreicht, wird mittelbar durch § 53 VwVfG bestätigt. Wenn die Verjährung des Anspruchs eines öffentlichrechtlichen Rechtsträgers durch den Erlass eines Verwaltungsakts unterbrochen werden kann, muss der Zeitpunkt des Verjährungsbeginns vor diesem Ereignis liegen. Es macht wenig Sinn, den Verjährungsbeginn und die Verjährungsunterbrechung zeitlich zusammenfallen zu lassen (vgl. Guckelberger, a.a.O., S. 168, 169, m.w.N.).

34

Auf der rechtlichen Basis des oben Ausgeführten ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass sämtliche mit dem angefochtenen Bescheid geltend gemachten Zinsforderungen gemäß § 49a Abs. 4 VwVfG LSA a.F. und § 1 Abs.1 VwVfG LSA i.d.F. v. 18.11.2005 i.V.m. § 49a Abs. 4 sowie Abs. 3 Satz 1 VwVfG verjährt sind. Zur weiteren Begründung wird auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil verwiesen, die insoweit von der Berufung auch nicht angegriffen werden.

35

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

36

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs.2 VwGO nicht vorliegen.


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Dieses Gesetz gilt für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden

1.
des Bundes, der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts,
2.
der Länder, der Gemeinden und Gemeindeverbände, der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts, wenn sie Bundesrecht im Auftrag des Bundes ausführen,
soweit nicht Rechtsvorschriften des Bundes inhaltsgleiche oder entgegenstehende Bestimmungen enthalten.

(2) Dieses Gesetz gilt auch für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der in Absatz 1 Nr. 2 bezeichneten Behörden, wenn die Länder Bundesrecht, das Gegenstände der ausschließlichen oder konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes betrifft, als eigene Angelegenheit ausführen, soweit nicht Rechtsvorschriften des Bundes inhaltsgleiche oder entgegenstehende Bestimmungen enthalten. Für die Ausführung von Bundesgesetzen, die nach Inkrafttreten dieses Gesetzes erlassen werden, gilt dies nur, soweit die Bundesgesetze mit Zustimmung des Bundesrates dieses Gesetz für anwendbar erklären.

(3) Für die Ausführung von Bundesrecht durch die Länder gilt dieses Gesetz nicht, soweit die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden landesrechtlich durch ein Verwaltungsverfahrensgesetz geregelt ist.

(4) Behörde im Sinne dieses Gesetzes ist jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt.

Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem

1.
der Anspruch entstanden ist und
2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren

1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und
2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
Maßgeblich ist die früher endende Frist.

(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.

(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.

(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.

(1) Steuern sind Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft; die Erzielung von Einnahmen kann Nebenzweck sein.

(2) Realsteuern sind die Grundsteuer und die Gewerbesteuer.

(3) Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind Steuern im Sinne dieses Gesetzes. Zollkodex der Union bezeichnet die Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1, L 287, S. 90) in der jeweils geltenden Fassung.

(4) Steuerliche Nebenleistungen sind

1.
Verzögerungsgelder nach § 146 Absatz 2c,
2.
Verspätungszuschläge nach § 152,
3.
Zuschläge nach § 162 Absatz 4 und 4a,
3a.
Mitwirkungsverzögerungsgelder nach § 200a Absatz 2 und Zuschläge zum Mitwirkungsverzögerungsgeld nach § 200a Absatz 3,
4.
Zinsen nach den §§ 233 bis 237 sowie Zinsen nach den Steuergesetzen, auf die die §§ 238 und 239 anzuwenden sind, sowie Zinsen, die über die §§ 233 bis 237 und die Steuergesetze hinaus nach dem Recht der Europäischen Union auf zu erstattende Steuern zu leisten sind,
5.
Säumniszuschläge nach § 240,
6.
Zwangsgelder nach § 329,
7.
Kosten nach den §§ 89, 89a Absatz 7 sowie den §§ 178 und 337 bis 345,
8.
Zinsen auf Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union,
9.
Verspätungsgelder nach § 22a Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes und
10.
Kosten nach § 10 Absatz 5 und § 11 Absatz 7 des Plattformen-Steuertransparenzgesetzes.

(5) Das Aufkommen der Zinsen auf Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union steht dem Bund zu. Das Aufkommen der übrigen Zinsen steht den jeweils steuerberechtigten Körperschaften zu. Das Aufkommen der Kosten im Sinne des § 89 steht jeweils der Körperschaft zu, deren Behörde für die Erteilung der verbindlichen Auskunft zuständig ist. Das Aufkommen der Kosten im Sinne des § 89a Absatz 7 steht dem Bund und dem jeweils betroffenen Land je zur Hälfte zu. Das Aufkommen der Kosten nach § 10 Absatz 5 und § 11 Absatz 7 des Plattformen-Steuertransparenzgesetzes steht dem Bund zu. Die übrigen steuerlichen Nebenleistungen fließen den verwaltenden Körperschaften zu.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung von Zinsen wegen nicht alsbald nach der Auszahlung erfolgter Verwendung von Zuwendungen.

2

Nachdem die Klägerin in das Programm „Städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen“ aufgenommen worden war, beantragte sie für die Haushaltsjahre 1996 bis 2003 beim Regierungspräsidium Dessau und beim Beklagten Städtebauförderungsmittel nach den jeweiligen Richtlinien zur Förderung städtebaulicher Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen. Mit diversen Bescheiden zwischen dem 19.12.1995 und dem 30.09.2003 wurden der Klägerin Fördermittel bewilligt. In den Bescheiden war die Geltung der jeweiligen Förderrichtlinien, der Verwaltungsvorschriften zu § 44 LHO und der Nebenbestimmungen (AN-Best-Gk) geregelt. Im Auftrag der Klägerin erstellte die Sachsen-Anhaltinische Landesgesellschaft mbH (SALEG) nach Abschluss der jeweiligen Haushaltsjahre Verwendungsnachweise und Zwischenabrechnungen. Diese wurden vom städtischen Rechnungsprüfungsamt geprüft und an die jeweilige Landesbewilligungsbehörde weitergeleitet. Der letzte Prüfbericht – für das Haushaltsjahr 2003 – wurde am 13.01.2005 abgesandt.

3

Mit Anhörungsschreiben vom 30.09.2008 teilte der Beklagte der Klägerin seine Absicht mit, für die Haushaltsjahre 1996 bis 2003 Zinsen in Höhe von 42.772,04 € für die nicht fristgemäße Verwendung der Fördermittel festzusetzen. Die Klägerin berief sich auf Verjährung, bezweifelte das Vorliegen einer Rechtsgrundlage für die Zeit vor dem 01. 03.1998 und hielt die Berechnungen für nicht prüffähig. Nachdem der Beklagte seine Absicht mitgeteilt hatte, für alle bis zum 31.08.1999 ausgereichten Fördermittel einen Abschlag von 20 % zu gewähren, hörte er die Klägerin unter Neuberechnung der Zinsforderung mit Schreiben vom 02.08.2011 erneut an.

4

Mit Bescheid vom 27.09.2011 setzte der Beklagte die Zinsen auf 46.167,84 € fest. Auf der Grundlage der eingereichten Zwischenverwendungsnachweise und nachgeforderten Unterlagen habe er festgestellt, dass die Zuwendungen nicht alsbald nach der Auszahlung für fällige Zahlungen verwendet worden seien. Daraus ergäben sich Zinsforderungen. Rechtsgrundlage sei § 1 Abs. 1 VwVfG LSA i. V. m. § 49 a Abs. 4 VwVfG in den jeweils aktuellen Fassungen. Die Höhe der vor dem 01.12.2005 angefallenen Zinsen bemesse sich nach den Gesetzen über die Feststellung des Haushaltsplans, dem Vorschaltgesetz zum Verwaltungsverfahrensgesetz bzw. dem Verwaltungsverfahrensgesetz i. V. m. den jeweiligen haushaltsrechtlichen Vorschriften. Eine alsbaldige Verwendung einer Zuwendung liege nach den Verwaltungsvorschriften vor, wenn die Zuwendung innerhalb von zwei Monaten nach Auszahlung für fällige Zahlungen verbraucht worden sei. Zu Gunsten der Klägerin sei man davon ausgegangen, dass die Auszahlungen innerhalb eines Monats bereits am ersten Tag des Monats geleistet worden seien. Das ihm bei der Zinserhebung zustehende Ermessen sei nach den Verwaltungsvorschriften dahingehend eingeschränkt, dass regelmäßig Zinsen zu verlangen seien, wenn der Zuwendungsbescheid nicht widerrufen werde. Ein Ausnahmefall liege nicht vor. Das öffentliche Interesse an der Zinsforderung wiege schwerer als das Interesse der Klägerin, nicht mit den Zinsen belastet zu werden. Verjährung sei nicht eingetreten. Die Verjährungsfrist beginne bei Verwaltungsakten, bei denen Ermessen eröffnet sei, erst mit dem Erlass des Verwaltungsakts.

5

Die Klägerin hat am 28.10.2011 Klage erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen: Eine Berechnung der Zinsen nach dem VwVfG in der Fassung vom 18.11.2005 sei rechtswidrig, weil die Rechtslage zum Zeitpunkt der Zinslaufzeit anzusetzen gewesen sei, also für jedes einzelne Projekt ab dem Zeitpunkt, in dem die Zuwendung nicht alsbald verwendet worden sei. Aus dem Bescheid und den Anlagen sei nicht erkennbar, warum nach Ansicht des Beklagten Mittel zu spät abgerufen sein sollten. Es sei auch nicht ersichtlich, welche Qualität die dem Bescheid beigefügten Prüfungsmitteilungen hätten und welchen Zeitraum der Beklagte für die Zinslaufzeit bis zur Verwendung angesetzt habe. Anders als nach der Berechnung des Beklagten könne die Frist für die alsbaldige Verwendung erst ab der Auszahlung an die Treuhänderin beginnen, weil sich durch die Einzahlung auf das Treuhandkonto unvermeidbare Verzögerungen ergeben hätten. Der Beklagte habe sein Ermessen nicht ausgeübt. Die Verwaltungsvorschrift könne das Ermessen nicht einschränken, da die maßgeblichen Rechtsvorschriften keine Beschränkung vorsähen. Zu den Verzögerungen sei es aus verschiedenen Gründen (Bauverzögerungen, mangelnder Prüffähigkeit von Rechnungen, Insolvenzen oder ungünstigen Witterungsverhältnissen) gekommen. Die Zinsforderungen seien im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Zinsbescheides verjährt gewesen. Für vor dem 01.01.2002 entstandene Ansprüche habe eine vierjährige Verjährungsfrist, anschließend die regelmäßige Verjährungsfrist der §§ 195, 199 Abs. 1 BGB gegolten. Der Zinsanspruch entstehe nicht erst mit dem Erlass des Verwaltungsakts, sondern in dem Zeitpunkt der nicht alsbaldigen Verwendung. Maßgeblich sei der Zeitpunkt, in dem der Zinsanspruch objektiv habe geltend gemacht werden können. Die Auffassung des Beklagten, dass es für den Verjährungsbeginn auf die Fälligkeit ankomme, führe dazu, dass ein nicht festgesetzter Anspruch gar nicht verjähren könne.

6

Die Klägerin hat beantragt,

7

den Bescheid des Beklagten vom 27.09.2011 aufzuheben.

8

Der Beklagte hat beantragt,

9

die Klage abzuweisen.

10

Er erwiderte: Die Unterlagen zur Zinsberechnung seien hinreichend prüffähig. Aus den Zinskarten könne eindeutig entnommen werden, welche Summen zu welchem Zinssatz zu verzinsen gewesen seien. Die Klägerin könne den Zinsforderungen nicht entgegen halten, dass sie sich einer Treuhänderin bedient habe. Die von der Klägerin vorgetragenen Gründe für Verzögerungen griffen nicht, da die Frist für die Verwendung von zwei Monaten angemessen sei, um Verzögerungen aufzufangen. Die Zinsforderungen seien nicht verjährt. Die Festsetzung des isolierten Zinsanspruchs durch Bescheid betreffe nicht nur die Fälligkeit, sondern lasse den Anspruch erst entstehen. Das Erfordernis einer Ermessensausübung sei konstitutiv.

11

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 09.07.2012 den Bescheid des Beklagten aufgehoben und zur Begründung ausgeführt: Die mit dem angefochtenen Bescheid festgesetzten Zinsforderungen seien verjährt. Als Rechtsgrundlage für die geltend gemachten Zinsansprüche für nicht alsbald nach der Auszahlung für den bestimmten Zweck verwendete Leistungen komme nur § 49 a Abs. 4 VwVfG LSA a. F. und § 1 Abs. 1 VwVfG LSA i. d. F. vom 18.11.2005 i. V. m. § 49 a Abs. 4 VwVfG in Betracht.

12

Es teile die Auffassung des Nds. Oberverwaltungsgerichts im Urteil vom 16.02.2012 (– 1 LC 150/11 –), dass für die hier strittigen Zinsforderungen mangels spezialgesetzlicher Regelungen die Verjährungsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs gelten. Seit dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes am 01.01.2002 sei für Zinsansprüche nach § 49 a Abs. 4 VwVfG die Regelung des § 195 BGB anwendbar, nach der die Ansprüche in 3 Jahren verjährten.

13

Die Verjährung beginne in dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Anspruch entstanden sei und der Gläubiger von den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlange oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Entscheidend sei, ab wann die Behörde den Anspruch auf Zwischenzinsen mittels Verwaltungsakt hätte geltend machen können. Diese Auffassung werde auch von den Oberverwaltungsgerichten der Länder Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Berlin-Brandenburg sowie vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof geteilt. Soweit das Verwaltungsgericht Dessau mit Urteil vom 19.02.2004 – 2 A 422/01 – die Auffassung vertrete habe, dass der isolierte Zinsanspruch erst entstehe, wenn er tatsächlich geltend gemacht werde, teile es mit den vorgenannten Oberverwaltungsgerichten diese Auffassung nicht. Die Entstehung des Anspruchs setze nicht voraus, dass der Anspruch auch durch einen entsprechenden Zinsbescheid geltend gemacht werde. Bei dem Zinsanspruch nach § 49 a Abs. 4 VwVfG handele es sich nicht um eine den steuerrechtlichen Nebenleistungen (§ 3 Abs. 4 AO) vergleichbare, von einer Primärschuld abhängige Forderung, sondern um ein eigenständiges Druckmittel zur Einhaltung des Subventionszwecks. Daher entstehe der Anspruch, sobald die tatbestandlichen Voraussetzungen gegeben seien, also bereits alsbald nach Auszahlung der Mittel. Hingegen trete die Fälligkeit erst mit der Bekanntgabe des Zahlungsbescheides ein. Andernfalls ginge die Ermessensvorschrift des § 49 a Abs. 4 Satz 1 VwVfG ins Leere. Für den Beginn der Verjährungsvorschriften sei nicht auf den Zeitpunkt der Fälligkeit abzustellen. Ansonsten hätte es die Behörde in der Hand, den Verjährungsbeginn beliebig lange hinaus zu schieben. Eine Festsetzungsverjährung könnte gar nicht eintreten. Für die vor dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes am 01.01.2002 entstandenen Ansprüche richte sich die Verjährung nach der Übergangsvorschrift des Art. 29 EGBGB § 6 Abs. 4. Es sei umstritten, ob für bis dahin entstandene Zinsansprüche nach § 49 a Abs. 4 VwVfG die 4-jährige Verjährungsfrist nach § 197 BGB a. F. oder die 30-jährige Verjährungsfrist nach § 195 BGB a. F. gelte. Die Frage könne aber dahinstehen, weil die Anwendung der verschiedenen Regelungen zu keinen unterschiedlichen Ergebnissen führe; denn sämtliche mit dem angefochtenen Bescheid geltend gemachten Zinsforderungen seien verjährt. Gehe man davon aus, dass bis zum 01.01.2002 die 30-jährige Verjährung nach §§ 195, 199 BGB a. F. gelte, so sei für vor diesem Stichtag entstandene Forderungen ab dem 01.01.2002 die kürzere Verjährungsfrist von 3 Jahren anzuwenden, so dass die Verjährung am 01.01.2005 eingetreten sei. Bei Anwendung der 4-jährigen Verjährungsfrist gemäß § 197 BGB a. F. seien die Forderungen - unabhängig davon, ob der Beginn der Frist nach dieser Vorschrift die Kenntnis der zuständigen Behörde voraussetze – jedenfalls nicht zu einem späteren Zeitpunkt verjährt. Für die nach dem 01.01.2002 entstandenen Zinsforderungen sei der letzte Prüfbericht für das Haupthaltsjahr 2003 im Januar 2005 beim Beklagten eingegangen, so dass die letzte Forderung am 01.01.2009 verjährt sei. Damit sei im Zeitpunkt des Bescheiderlasses am 27.09.2011 auch die jüngste Zinsforderung verjährt.

14

Gegen das Urteil hat der Beklagte die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung am 22.08. 2012 eingelegt. Zur Begründung trägt er vor: Die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, für den Beginn der Verjährung bei einem auf § 49 a Abs. 4 VwVfG beruhenden Anspruch sei auf den Zeitpunkt des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen und der Kenntnis der Behörde hiervon abzustellen, sei unzutreffend. § 49 a VwVfG Abs. 4 sei eine Ermessensvorschrift. Das bedeute, dass ein Zinsanspruch nicht schon dann entstehe, wenn die Mittel nicht alsbald verwendet worden seien und die Behörde davon Kenntnis erlangt habe, sondern erst dann, wenn die Behörde ihr Ermessen ausgeübt habe. Dass diese Ansicht zutreffend sei, werde klar, wenn man davon ausginge, dass dann, wenn eine Behörde auf Grund von Ermessenserwägungen zu dem Schluss käme, dass Zinsen nicht erhoben werden könnten, kein Anspruch auf Zinsen entstände. In diesem Fall wäre gerade nicht nur die Fälligkeit des Zinsanspruchs betroffen. Das Bedürfnis nach einer zeitnahen Entscheidung über das Bestehen von Zahlungsverpflichtungen dürfe klare dogmatische Regeln für das Entstehen von Ansprüchen nicht ersetzen. Seine Rechtsauffassung stütze er auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Dessau vom 19.02.2004 sowie eine interne rechtsgutachtliche Stellungnahme des Ministeriums der Justiz im Rahmen einer Kabinettsvorlage vom 06.05.2005. Diese Stellungnahme des Ministeriums sei seit 2005 Grundlage für das Vorgehen der Landesverwaltung bei Zinserhebungen.

15

Der Beklagte beantragt,

16

das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 9. Juli 2012 – 4 A 300/11 MD – abzuändern und die Klage abzuweisen.

17

Die Klägerin beantragt,

18

die Berufung zurückzuweisen.

19

Sie hält das verwaltungsgerichtliche Urteil für zutreffend und trägt ergänzend vor: Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung und der des Bundesverwaltungsgerichts beginne die Verjährung in entsprechender Anwendung der §§ 195, 199 BGB in dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Anspruch entstanden sei und der Gläubiger von den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt habe oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste. Die Entstehung des Anspruchs setze nicht voraus, dass er durch Zinsbescheid geltend gemacht werde. Die Auffassung des Beklagten, des Verwaltungsgerichts Dessau und des Justizministeriums des Landes Sachsen-Anhalt sei veraltet und durch die Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte und des Bundesverwaltungsgerichts überholt. Das Bundesverwaltungsgericht habe mit Urteil vom 27.04.2005 eindeutig klar gestellt, dass der Zwischenzinsanspruch nach § 49 a Abs. 4 VwVfG entstehe, sobald die tatbestandlichen Voraussetzungen gegeben seien. Mit der Bekanntgabe des Zahlungsbescheides werde der Zwischenzinsanspruch lediglich fällig, weil das in § 49 a Abs. 4 VwVfG eingeräumte Ermessen ins Leere ginge, wenn die Zinsschuld bereits mit ihrer Entstehung fällig würde. Diese öffentlich-rechtliche Besonderheit rechtfertige es nicht, im Rahmen der entsprechenden Anwendung der BGB-Verjährungsvorschriften entgegen deren Wortlaut für den Beginn der Verjährungsfrist auf die Fälligkeit des Anspruches und nicht auf die Entstehung abzustellen.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und die vom Beklagten vorgelegten Behördenvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

21

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Der Zinsbescheid des Beklagten vom 27.09.2011 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

22

Vermögensrechtliche Ansprüche öffentlich-rechtlicher Rechtsträger unterliegen der Verjährung, wie die Regelung des § 53 VwVfGüber die Hemmung der Verjährung zeigt. Soweit spezialgesetzliche Vorschriften fehlen und auch keine sachnäheren öffentlich-rechtlichen Vorschriften – insbesondere die Abgabenordnung für den Bereich der Abgabenerhebung – für eine Analogie in Betracht kommen, finden auf die Verjährung öffentlich-rechtlicher Vermögensansprüche die §§ 195 ff. BGB entsprechende Anwendung (so auch OVG NRW, Urt. v. 20.04.2012 – 4 A 2005/10 –, nach Juris m.w.N).

23

Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Anspruch aus § 49a Abs. 4 VwVfG LSA a.F. und § 1 Abs.1 VwVfG LSA i.d. F. vom 18.11.2005 i.V.m. § 49a Abs. 4 sowie Abs. 3 Satz 1 VwVfG einer kurzen Verjährungsfrist unterworfen ist, die bei Anwendung des BGB in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung vier Jahre betrug (§ 197 BGB a.F. analog) und bei Anwendung des BGB in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung drei Jahre beträgt (§ 195 BGB analog). Diese Ansicht, die von der Beklagten nicht angegriffen wird, entspricht der Auffassung verschiedener Oberverwaltungsgerichte und wird vom erkennenden Senat geteilt (vgl. OVG M-V, Urt. v. 09.02.2005 – 2 L 66/03 –, nach Juris RdNr. 21 ff. und Beschl. v.14. 02.2012 – 2 L 154/10 –, nach Juris, RdNr. 12 ff; Nds. OVG, Urt. v. 16.02.2012 – 1 LC 150/11 –, nach Juris RdNr. 42; Thür. OVG, Urt. v. 07.04.2011 – 3 KO 505/09 –, nach Juris, RdNr. 30 ff.; Sächs.OVG, Urt. v. 26.04.2012 – 1 A 963/10 –, nach Juris RdNr. 18 und Urt. v. 28.02.2013 – 1 A 346709 –, nach Juris RdNr. 46; a.A. lediglich OVG Brandenburg, Urt. v. 11.02.2004 – 2 A 680/03 –, nach Juris, RdNr. 30. Wonach auf den Zinsanspruch nach § 49 a Abs. 4 VwVfG Bbg i.V.m. § 195 a.F. BGB mit einer 30-jährigen Verjährungsfrist anzuwenden sei, da es sich bei den Zinsen nach § 49a Abs.4 VwVfG Bbg weder um „Zinsen“ noch um andere „regelmäßig wiederkehrende Leistungen“ im Sinne von § 197 BGB n. F. handele).

24

Weiter zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Verjährungsfrist in dem Zeitpunkt zu laufen beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger – hier der Beklagte – von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste. Diese Auffassung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 27.04.2005 – 8 C 5/04 –, nach Juris, RdNr. 12 ff. und Beschl. v. 21.10.2010 – 3 C 3/10 –, nach Juris. RdNr. 11) sowie der Rechtsprechung zahlreicher Oberverwaltungsgerichte und mit den Auffassungen in der Literatur (vgl. OVG M-V, Beschl. v.14.02.2012 – 2 L 154/10 –, nach Juris, RdNr. 16; Hess. VGH, Urt. 09.12.2011 – 8 A 909/11 – nach Juris RdNr. 42 ff.; Nds. OVG, Urt. v. 16.02.2012 – 1 LC 150/11 –, nach Juris, RdNr. 47; OVG Berlin-Brandenburg Urt. v. 11.03.2010 – OVG 2 B 1.09 –, nach Juris RdNr. 27 ff.; Thür. OVG, Urt. v. 07. 04.2011 – 3 KO 505/09 –, nach Juris RdNr. 40 ff; Sächs.OVG, Urt. v. 26.04.2012 –1 A 963/10 –, nach Juris RdNr.20 ff.; Sachs, in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Kommentar, 7. Aufl., RdNr. 84; Meyer, in: Knack/Henneke, VwVfG, Kommentar, 9.Aufl. § 49 a RdNr. 28; Graupeter, LKV, 2006, S.206).

25

Die Auffassung des Verwaltungsgerichts Dessau (Urt. v. 19.02.2012 – 2 A 422/01 –, nach Juris RdNr.40) und die sich dieser Auffassung anschließende Ansicht des VG Halle (Urt. v. 15.11.2012 – 1 A 28/11 –, nach Juris RdNr. 41), dass der Zwischenzinsanspruch nach § 49 a Abs.4 VwVfG erst entstehe, wenn der Anspruch durch Bescheid geltend gemacht worden sei, weil der Entstehungszeitpunkt des Anspruchs nicht vor dem Zeitpunkt liegen könne, in dem die Alternativität der Reaktionsmöglichkeiten auf eine nicht alsbaldige Verwendung gewährter Zuwendungen entfalle und der Zuwendungsgeber sich entschieden habe, unter Verzicht auf seine Widerrufsmöglichkeit nur den Zinsanspruch geltend zu machen, teilt der Senat nicht. Er teilt vielmehr die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts in dem Urteil vom 27.04.2005 (a.a.O., RdNr. 14,15), dass der Zinsanspruch bei verzögertem Mitteleinsatz in dem Zeitpunkt entstehe, zu dem die Leistung nicht „alsbald“ nach Auszahlung bestimmungsgemäß verwendet worden ist und mit dem Erlass des ihn festsetzenden Zahlungsbescheides (oder des darin genannten Zeitpunktes) fällig wird. In diesem Urteil hat das Bundesverwaltungsgericht auch ausgeführt, dass die Auffassung des Verwaltungsgerichts Potsdam in den zu entscheidenden Verfahren, „die Fälligkeit des Verzögerungszinsanspruchs nach § 49 a Abs. 4 VwVfG Bbg trete in jenem Zeitpunkt ein, in welchem die berechtigte (Bewilligungs-)behörde nach Anhörung des Betroffenen über die Frage entscheiden könne, ob sie den zugrunde liegenden Zuwendungsbescheid widerrufe oder stattdessen Verzögerungszinsen geltend mache, nicht tragfähig sei“.

26

Zur Begründung seiner Auffassung hat das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 27.04.2005 (a.a.O.) in Bezug auf das Entstehen von Zinsansprüchen das Folgende ausgeführt:

27

„Der Entstehungszeitpunkt des Anspruchs ergibt sich aus dem Sinn der Regelung. (…) ´Zweck des § 49 a Abs. 4 VwVfG ist es ..., der Behörde für den Fall, dass eine Leistung nicht alsbald verwendet wird, neben dem Widerruf eine mildere Reaktionsmöglichkeit zu eröffnen. Wird eine Leistung nicht alsbald nach der Erbringung verwendet, kann der die Leistung bewilligende rechtmäßige Verwaltungsakt widerrufen (§ 49 Abs. 3 Satz 1 Ziff. 1 VwVfG) und die Erstattung der Leistung gefordert werden (§ 49 a Abs. 1 VwVfG). Sieht der Zuwendungsgeber angesichts der letztlich doch noch erfolgten zweckentsprechenden Verwendung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit vom Widerruf ab, wird ihm durch die Bestimmung des § 49 a Abs. 4 VwVfG die Möglichkeit eröffnet, zumindest den Vorteil abzuschöpfen, den der Zuwendungsempfänger daraus gezogen hat - oder zumindest hätte ziehen können -, dass er die Mittel zinsbringend eingesetzt oder Zinsen für eine sonst notwendige Darlehensaufnahme vermieden hat. Gleichzeitig wird der Nachteil ausgeglichen, der dem Zuwendungsgeber dadurch entstanden ist, dass er in dem maßgebenden Zeitraum die Mittel nicht selbst zinsbringend oder anderweitig fördernd einsetzen konnte.’

28

Bei diesem Zinsanspruch handelt es sich folglich nicht um eine den steuerrechtlichen Nebenleistungen (vgl. § 3 Abs. 4 AO) vergleichbare, von einer Primärschuld abhängige Forderung, sondern um ein eigenständiges Druckmittel zur Einhaltung des Subventionszwecks. Diese Funktion wird durch § 49 a Abs. 4 Satz 2 VwVfG Bbg bestätigt, wonach ein behördliches Zinsverlangen nicht einen späteren Widerruf der Bewilligung ausschließt. Deshalb wird der Anspruch existent, sobald die tatbestandlichen Voraussetzungen gegeben sind, d. h. alsbald nach Bewilligung der Mittel.“

29

Soweit der Beklagte einwendet, wenn er auf Grund von Ermessenserwägungen zu dem Schluss käme, dass Zwischenzinsen nicht erhoben werden könnten, könnte ein Anspruch nach § 49 a Abs.4 VwVfG nicht vor dieser Entscheidung entstehen, vermag er damit die Richtigkeit der oben dargestellten Auffassung nicht in Frage zu stellen.

30

Bei § 49 a Abs. 4 VwVfG ist auch das positive Zinsverlangen in das Ermessen der Behörde gestellt. Das Bundesverwaltungsgericht lässt gleichwohl im Urteil vom 27.04.2005 den Anspruch bei Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen, also alsbald nach Bewilligung der Mittel, existent werden, verschiebt nur mit Rücksicht auf das Ermessen der Behörde, ob sie den Anspruch überhaupt geltend macht, die Fälligkeit auf die Bekanntgabe des – wie beim Erlass nach Abs. 3 Satz 2 VwVfG erforderlichen – Zahlungsbescheides bzw. einen darin genannten Zahlungszeitpunkt (vgl. Sachs, in Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., RdNr. 84).

31

Entgegen der Auffassung des Beklagten fehlt es für diese Auffassung auch nicht an der rechtsdogmatischen Herleitung.

32

Nach der Zivilrechtsdogmatik beginnt die Verjährungsfrist grundsätzlich mit der Entstehung eines Anspruchs. Eine Forderung ist danach im allgemeinen dann „entstanden“, wenn der vom Gesetz zu ihrer Entstehung verlangte Tatbestand verwirklicht ist, auch wenn der Gläubiger die Leistung in diesem Zeitpunkt noch nicht verlangen kann, also die „Fälligkeit“ der Forderung hinausgeschoben ist – § 271 Abs.2 BGB – (vgl. Larenz, Allgemeiner Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts, 7. Aufl. 1989, S. 255).

33

Nichts anders gilt für die Verjährung von vermögensrechtlichen Ansprüchen im öffentlichen Recht. Gegenstand der Verjährung sind auch hier nur ausübbare Rechtspositionen. Dies ergibt sich aus dem Zweck der Verjährung, welcher darin besteht, eine bestimmte Person dazu zu veranlassen, eine ihr gegenüber einem anderen zustehende Rechtsposition innerhalb der Verjährungsfrist geltend zu machen. Die Verjährung wird auch im öffentlichen Recht als Nichtausübung eines Rechts während einer bestimmten Zeit umschrieben, obwohl der Berechtigte dies gegenüber dem Verpflichteten hätte ausüben sollen und können (vgl. Guckelberger, Die Verjährung im Öffentlichen Recht, Habil.-Schrift, 2004, S. 173, m.w.N.). Das konkrete Rechtsverhältnis, welches die Verjährung auslöst, liegt bereits dann vor, wenn die Eckpunkte des Rechtsverhältnisses – die beteiligten Rechtssubjekte und der rechtserhebliche Sachverhalt – feststehen. Die daran anknüpfenden Rechtsfolgen, die Befugnis, Verzögerungszinsen zu erheben, betrifft nicht die Tatbestandsverwirklichung, sondern nur die Rechtsfolgenseite; hier im Fall des Ermessens den vom Gesetz nach der Tatbestandsverwirklichung eingeräumten administrativen Optionsraum. Aus heutiger Sicht trifft es nicht mehr zu, dass im Bereich der Eingriffsverwaltung ein Rechtsverhältnis generell erst mit dem Erlass eines Bescheides entsteht. Verursacht beispielsweise eine Person eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, liegt ein konkretres Rechtsverhältnis bereits ab dem Augenblick vor, ab dem die Verwaltung die notwendigen Schritte zur Gefahrenabwehr einleiten kann; denn die Rechtsbeziehungen zwischen den jeweiligen Personen haben sich so verdichtet, dass (re-)agiert werden kann. Dass ein solches Maß an Verdichtung für die Möglichkeit einer Verjährung ausreicht, wird mittelbar durch § 53 VwVfG bestätigt. Wenn die Verjährung des Anspruchs eines öffentlichrechtlichen Rechtsträgers durch den Erlass eines Verwaltungsakts unterbrochen werden kann, muss der Zeitpunkt des Verjährungsbeginns vor diesem Ereignis liegen. Es macht wenig Sinn, den Verjährungsbeginn und die Verjährungsunterbrechung zeitlich zusammenfallen zu lassen (vgl. Guckelberger, a.a.O., S. 168, 169, m.w.N.).

34

Auf der rechtlichen Basis des oben Ausgeführten ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass sämtliche mit dem angefochtenen Bescheid geltend gemachten Zinsforderungen gemäß § 49a Abs. 4 VwVfG LSA a.F. und § 1 Abs.1 VwVfG LSA i.d.F. v. 18.11.2005 i.V.m. § 49a Abs. 4 sowie Abs. 3 Satz 1 VwVfG verjährt sind. Zur weiteren Begründung wird auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil verwiesen, die insoweit von der Berufung auch nicht angegriffen werden.

35

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

36

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs.2 VwGO nicht vorliegen.


Der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, wird in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet.


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Tenor

Die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 21. August 2013 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt auf der Grundlage eines städtebaulichen Vertrages den Ersatz nutzlos aufgewendeter Planungsaufwendungen für ein Golfplatzprojekt.

2

Mit notariellem Vertrag vom 9. Juni 2005 schlossen R. F. und A. F. (im Vertrag „F+F“) mit der Verbandsgemeinde Konz, der Ortsgemeinde Tawern und der Beklagten (im Vertrag „VG/Ortsgemeinden“) einen Projektentwicklungsvertrag über die Realisierung eines Golfplatzprojektes „Leben auf dem Golf Standort Tawern-Fellerich/Temmels“. Die Klägerin hat später aufgrund Ziffer 11 des Änderungsvertrages vom 6. Februar 2007 die Rechte und Pflichten von F+F übernommen. Auf der Gemarkung der Ortsgemeinde Tawern war die Errichtung eines Neun-Loch-Golfplatzes nebst einer Hotelanlage mit 180 Zimmern und einer Wohnanlage mit 400 Wohneinheiten geplant, während auf der Gemarkung Temmels ein 18-Loch-Golfplatz mit Nebenanlagen geschaffen werden sollte.

3

Nach dem „2. Projektentwicklungsvertrag“ (im Folgenden: 2. PEV) vom 9. Juni 2005 (ein erster Vertrag mit anderen Investoren aus dem Jahr 2002 war zwischenzeitlich gescheitert) war Planung, Vorplanung und Realisierung der Anlage die Angelegenheit von F+F und von ihnen finanziell zu tragen. In § 6 finden sich folgende Regelungen:

4

6.1 Risikoübernahme

5

Falls die VG/Ortsgemeinden die planungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Verwirklichung des Projektes „Leben auf dem Golf“ entsprechend der als Anlage 1 beigefügten Vorstudie des auf der Grundlage des geänderten raumordnerischen Bescheides auftragsgemäß vorgelegten Entwurfsplanung nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraumes, spätestens aber bis zum 31. März 2007 schaffen, insbesondere weil sie die Absichten zur Bebauungsplanaufstellung an dem Projektstandort zu Gunsten von Alternativstandorten oder aus Gründen der politischen Willensbildung oder sonstigen von der VG-Ortsgemeinden zu vertretenden Gründen aufgeben, sind sie verpflichtet, die von F+F für das Projekt gemachten Planungsaufwendungen in Höhe des Betrages zu erstatten, für den F+F persönlich gemäß § 1.2, für eine in ihrer Sphäre liegende Nichtdurchführung des Vertrages haften.

6

6.7 Schiedsklausel

7

6.7.1
Um Streitigkeiten aus diesem Vertrag zu vermeiden, entscheidet über Streitigkeiten aus diesem Vertrag ein dem Gerichtsverfahren vorgeschaltetes Schiedsgericht.

8

6.7.2
Das Schiedsgericht besteht aus

9

- einem von F+F zu bestimmenden sachverständigen Schiedsrichter,
- einem gemeinsam von den Gemeinden zu bestimmenden sachverständigen Schiedsrichter, und
- dem Vorsitzenden.

10

Die von F+F sowie von den VG/Ortsgemeinden zu bestimmenden Schiedsrichter bestellen gemeinsam den Vorsitzenden, der die Befähigung zum Richteramt haben muss. Kommt eine Einigung nicht zustande, so wird der Vorsitzende durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Frankfurt a. Main bestimmt. Das Schiedsgericht entscheidet mit Stimmenmehrheit.

11

Aufgrund des notariellen Änderungsvertrages vom 6. Februar 2007 wurde die in Ziffer 6.1 des Vertrags genannte Frist bis zum 31. März 2008 verlängert. Wörtlich heißt es in Ziff. 1 des Änderungsvertrags:

12

„Gemäß § 6Sonstiges des 2. PEV wurde unter Ziffer 6.1 Risikoübernahme vereinbart, dass für den Fall, dass die VG/Ortsgemeinden die planungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Verwirklichung des Projektes „Leben auf dem Golf“ entsprechend der als Anlage 1 beigefügten Vorstudie bis zum 31.03.2007 nicht realisieren, eine Einstandspflicht der Gemeinde für den Fall des Vertretens für planungsrechtliche Aufwendungen von F+F bestehen soll.

13

Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Frist zur Schaffung der planungsrechtlichen Voraussetzungen einvernehmlich bis zum 31.03.2008 verlängert wird.“

14

Die Ortsgemeinden Tawern und Temmels gründeten im März 2007 einen Planungsverband, um Baurecht für das Golfparkprojekt zu schaffen. Im selben Monat fasste der Planungsverband einen Beschluss über die Aufstellung eines entsprechenden Bebauungsplans. Die öffentliche Auslegung des von F+F ausgearbeiteten Plans wurde indes von der Beklagten wiederholt abgelehnt. Hauptstreitpunkt war die Forderung der Beklagten, dass neben der von F+F vorgesehenen Wohnbebauung zur Dauerwohnnutzung auch Ferienhäuser gebaut werden sollten. Am 15. März 2008 stellte die Ortsgemeinde Tawern bei der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord den Antrag nach § 205 Abs. 3 Satz 1 BauGB auf Vorlage eines Alternativplans. Am 10. Mai 2008 beantragte die Beklagte die Auflösung des Planungsverbandes, dem mit Beschluss des Ministerrats des Landes Rheinland-Pfalz vom 6. Oktober 2009 stattgegeben wurde, nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 16. Juni 2009 mitgeteilt hatte, dass der Gemeinderat den zwischenzeitlich von der SGD Nord unterbreiteten Kompromissvorschlag wegen der erheblichen Verkehrslärmauswirkungen für die Ortslage Temmels ablehne.

15

Nachdem Aufforderungen der Klägerin an die Beklagte zur erneuten Fassung eines Aufstellungsbeschlusses (Schreiben vom 11. November 2009) und zur Durchführung der frühzeitigen Beteiligungsverfahren (Schreiben vom 26. Februar 2010) ohne Erfolg geblieben waren, forderte sie die Beklagte mit Schreiben vom 18. Juli 2012 auf, einen Betrag in Höhe von 1.448.330,69 € für nutzlos aufgewandte Planungskosten bis zum 15. August 2012 zu erstatten. Die Beklagte wies diese Ansprüche mit Schreiben vom 6. August 2012 als sowohl dem Grunde wie der Höhe nach nicht berechtigt zurück und erhob die Einrede der Verjährung.

16

Am 24. Oktober 2012 hat die Klägerin sodann Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren auf Aufwendungsersatz weiterverfolgt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen geltend gemacht: Die Klage sei ohne Durchführung des Schiedsverfahrens zulässig, da die vereinbarte Schiedsklausel nach § 59 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 134 BGB unwirksam sei. Der Anspruch sei nach Ziffer 6.1 des 2. PEV begründet. Ihr seien Aufwendungen in der geltend gemachten Höhe entstanden, was sich aus den im Anlagenkonvolut überreichten Rechnungen ergebe. Der Anspruch sei auch nicht verjährt. Die Verjährungsfrist sei erst nach dem endgültigen Scheitern des Projekts in Lauf gesetzt worden. Im Übrigen sei die Verjährung jedenfalls wegen der über das Jahr 2009 hinaus geführten Verhandlungen zur Realisierung des Projekts gehemmt gewesen.

17

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie sei bereits unzulässig, weil ihr die Schiedsgerichtsklausel entgegenstehe. Darüber hinaus sei die Klage auch unbegründet. Die Verbandsgemeinde Konz und die Ortsgemeinde Tawern hätten sie von einer Ersatzpflicht freigestellt. Die anspruchsbegründenden Umstände seien auch in keiner Weise substantiiert dargetan. Darüber hinaus berufe sie sich weiterhin auf Verjährung.

18

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 21. August 2013 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei derzeit nicht zulässig. Denn ihr stehe die Schiedsvereinbarung in Ziffer 6.7.1 des 2. PEV entgegen. Wollte man die Durchführung des Schlichtungsverfahrens wegen der ablehnenden Haltung der Beklagten für entbehrlich halten, wäre die Klage jedenfalls unbegründet. Denn der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch sei verjährt. Die dreijährige Verjährungsfrist habe mit Ende des Jahres 2008 begonnen, sei lediglich während der Zeit von Verhandlungen zwischen dem 11. November 2009 und dem 18. Mai 2010 gehemmt worden und daher zum Zeitpunkt der Klageerhebung abgelaufen.

19

Zur Begründung der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung trägt die Klägerin im Wesentlichen vor: Die Klage sei zulässig. Es sei bereits zweifelhaft, ob die Schiedsvereinbarung gültig sei. Ein zeitweiser Klageverzicht verstoße jedenfalls bei subordinationsrechtlichen öffentlich-rechtlichen Verträgen gegen das Rechtsstaatsprinzip. Zudem fehle der Beklagten wegen kommunalaufsichtsbehördlicher Genehmigungserfordernisse für die Aufnahme von Krediten die Dispositionsfreiheit über Aufwendungsersatzverpflichtungen. Ferner betreffe die Klausel bei zutreffender Auslegung auch nur Streitigkeiten während der Umsetzungs- und Realisierungsphase, nicht also einen Streit vor Eintritt in diese Phase - wie hier -. Jedenfalls sei die Berufung auf die Schiedsvereinbarung treuwidrig. Die Klage sei auch begründet. Die Voraussetzungen nach Ziffer 6.1 des 2. PEV lägen vor. Eine Limitierung des Anspruchs auf 500.000,00 € sei nicht vereinbart worden. Der Anspruch sei auch nicht verjährt. Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht eine dreijährige Verjährungsfrist angenommen. Jedenfalls sei der Anspruch noch nicht mit Ablauf der in Ziffer 6.1 des 2. PEV geregelten Frist entstanden. Maßgeblich für das Entstehen sei vielmehr das tatsächliche Scheitern des Projekts. Ein solches Scheitern habe die Beklagte erst endgültig mit Schreiben vom 18. Mai 2010 kundgetan. Im Übrigen hätten Aufwendungsersatzansprüche gerade gegen die Beklagte erst ab dem Zeitpunkt entstehen können, zu dem ihr - nach Auflösung des Planungsverbandes (November 2009) - die Planungshoheit wieder eigenständig zugestanden habe.

20

Die Klägerin beantragt,

21

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Trier vom 21. August 2013 die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.448.330,69 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15. August 2012 zu zahlen.

22

Die Beklagte beantragt,

23

die Berufung zurückzuweisen.

24

Hierzu vertieft sie ihr bisheriges Vorbringen: Die Klage sei wegen der Schiedsvereinbarung unzulässig. Jedenfalls sei der geltend gemachte Anspruch verjährt. Zu Recht habe das Verwaltungsgericht eine dreijährige Verjährungsfrist angenommen. Der Aufwendungsersatzanspruch sei im Jahr 2008 entstanden. Die Voraussetzungen für eine Hemmung der Verjährung lägen nicht vor. Sie habe zu keinem Zeitpunkt Hinweise auf eine Fortführung des Projekts gegeben. Darüber hinaus sei der Anspruch aber auch sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach nicht gegeben.

25

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen verwiesen; sie waren sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

26

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

27

Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

I.

28

Die allgemeine Leistungsklage auf Zahlung von Aufwendungsersatz ist derzeit unzulässig. Die Beklagte hat sich mit Erfolg auf die Schiedsvereinbarung berufen.

29

Bei der Klausel in Ziffer 6.7.1 des 2. PEV, wonach „über Streitigkeiten aus diesem Vertrag ein dem Gerichtsverfahren vorgeschaltetes Schiedsgericht“ entscheidet, handelt es sich zwar nicht um eine Schiedsklausel i.S.v. § 173 VwGO i.V.m. § 1029 Abs. 1 ZPO, weil in ihr kein vollständiger Ausschluss des staatlichen Rechtsschutzes, sondern bloß ein vorgeschaltetes Schiedsverfahren vereinbart worden ist (vgl. zum Begriff „Schiedsklausel“: BGH, Urteil vom 23. November 1983 - VIII ZR 197/82 -, NJW 1993, 669 und juris, Rn. 9). Auch eine solche Schlichtungsvereinbarung führt aber auf Einrede dazu, dass die ohne Schlichtungsversuch erhobene Klage als zurzeit unzulässig abzuweisen ist (vgl. BGH, a.a.O., juris, Rn. 18; Ehlers, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 25. EL 2013, § 40, Rn. 720; ebenso zu einer Schiedsgutachterklausel: BVerwG, Urteil vom 27. November 2013 - 6 C 21.12 -, juris, Rn. 37). Die Vereinbarung bliebe ohne Sinn, wenn sie nicht eine prozesshindernde Einrede im Falle der sofortigen Anrufung des staatlichen Gerichts begründete. Das von der Klägerin zitierte Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 18. Mai 1999 - 9 AZR 682/98 - betraf eine andere Fallgestaltung, bei der die parallele Anrufung des Arbeitsgerichts ausdrücklich zugelassen war (vgl. NZA 1999, 1350 und juris, Rn. 42).

30

Die Schiedsvereinbarung in Ziffer 6.7.1 des 2. PEV ist auch wirksam. Wird die Zulässigkeit von Schiedsklauseln i.S.v. § 1029 ZPO in verwaltungsrechtlichen Rechtsverhältnissen allgemein bejaht, sofern die Beteiligten über den Streitgegenstand verfügen dürfen (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 1992 - 5 C 22.88 -, NVwZ 1993, 584 und juris, Rn. 8), so hat dies erst recht für Schlichtungsvereinbarungen - wie hier - zu gelten, die keinen Ausschluss des staatlichen Rechtsschutzes bewirken, der Anrufung der staatlichen Gerichte vielmehr nur ein schiedsgerichtliches Verfahren vorschalten. Eine solche vorläufige Beschränkung der Klagbarkeit stellt auch keinen unangemessenen Eingriff in den Anspruch auf staatlichen Rechtsschutz dar (vgl. BGH, a.a.O., juris, Rn. 16). Sie ist vielmehr Ausdruck vertraglicher Dispositionsfreiheit. Die Beklagte war auch befugt, über die von der Schiedsklausel erfassten Gegenstände zu verfügen. Ebenso wie sie zum Abschluss eines städtebaulichen Vertrages wie dem 2. Projektentwicklungsvertrag befugt ist (vgl. hierzu: BGH, Urteil vom 1. Dezember 1983 - III ZR 38/82 -, ZfBR 1984, 146), ist sie auch berechtigt, Verfügungen über Folgeansprüche „aus diesem Vertrag“ und dementsprechend auch Absprachen zu deren prozessualer Geltendmachung zu treffen. Eventuelle kommunalrechtliche Genehmigungserfordernisse stehen einer vorläufigen Beschränkung der Klagbarkeit nicht entgegen. Sollte die Beklagte im Rahmen des schiedsgerichtlichen Verfahrens genehmigungspflichtige Erklärungen abgeben wollen, stehen Möglichkeiten zur rechtzeitigen Einholung einer solchen Genehmigung offen.

31

Der hier geltend gemachte Aufwendungsersatzanspruch wird auch von der Schiedsklausel nach 6.7.1 des 2. PEV erfasst. Denn bei der Auseinandersetzung um die Berechtigung dieses Anspruchs handelt es sich um eine „Streitigkeit aus diesem Vertrag“ im Sinne der vorgenannten Klausel. Mit dieser Formulierung sind Streitigkeiten um Rechte und Pflichten erfasst, die im 2. PEV niedergelegt sind, einschließlich der Auseinandersetzungen um daraus erwachsende Folgeansprüche im Falle von Pflichtverletzungen oder Risikoübernahmen. Anhaltspunkte dafür, dass nur Streitigkeiten im Rahmen der Umsetzungs- und Realisierungsphase gemeint seien, wie die Klägerin vorträgt, sind nicht ersichtlich. Wäre eine solche Einschränkung der Schiedsklausel gewollt gewesen, hätte man einen entsprechenden Niederschlag im Vertragstext erwarten können. Ohne eine solche Einschränkung spricht alles dafür, dass die Klausel sämtliche „Streitigkeiten aus diesem Vertrag“ erfassen sollte.

32

Die Einrede der Schiedsvereinbarung durch die Beklagte erweist sich auch nicht als treuwidrig. Letzteres wäre dann anzunehmen, wenn es der Gegenpartei (hier der Klägerin) nach Treu und Glauben nicht zumutbar wäre, an der Schiedsvereinbarung festgehalten zu werden (vgl. Geimer, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 1032, Rn. 20). Stünde eindeutig und offensichtlich fest, dass die Beklagte eine Entscheidung im Schiedsverfahren zu ihren Lasten nicht akzeptieren würde, dürfte es für die Klägerin kaum zumutbar sein, sie zur Durchführung des dann ersichtlich sinnlosen Schiedsverfahrens zu zwingen (ähnlich: BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2013 - 2 C 23.12 -, juris, Rn. 37 zum Widerspruchsverfahren). Diese Voraussetzung ist hier indes nicht gegeben. Zwar ist die Beklagte der Forderung zum Aufwendungsersatz mit dem Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 6. August 2012 unter Hinweis auf die fehlenden Anspruchsvoraussetzungen und die Verjährung entgegengetreten. Dies bedeutet jedoch nicht zwingend, dass sich die Beklagte einer Entscheidung des Schiedsgerichts sicher verschließen würde (vgl. BGH, Urteil vom 23. November 1983, a.a.O., juris, Rn. 14). Abgesehen von Fragen zum Grund und zur Höhe des Anspruchs gilt dies auch hinsichtlich der erhobenen Verjährungseinrede. Denn insofern streiten die Parteien insbesondere über den Zeitpunkt des Entstehens von Aufwendungsersatzansprüchen und verweisen hierzu auf den Inhalt der getroffenen vertraglichen Regelung. Gerade hierzu mögen die von den Vertragsparteien benannten sachverständigen Mitglieder des Schiedsgerichts zu befriedenden Regelungsvorschlägen in der Lage sein, deren Akzeptanz durch die Beklagte nicht von vorneherein ausgeschlossen ist. Dies gilt umso mehr angesichts der Möglichkeit, dass das vereinbarte Schlichtungsverfahren unter Beteiligung aller Vertragsparteien stattfindet, was die Beklagte sogar für vertraglich zwingend hält, von dem Schiedsgericht aber jedenfalls angeregt werden könnte.

II.

33

Im Übrigen teilt der Senat die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Klage wegen Verjährung des geltend gemachten Aufwendungsersatzanspruchs auch unbegründet ist.

34

Der Anspruch auf Ersatz der von F+F für das Projekt „Leben auf dem Golf“ gemachten Planungsaufwendungen war bei Klageerhebung am 24. Oktober 2012 auch unter Einrechnung von Zeiten der Verjährungshemmung bereits verjährt.

35

1. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht eine bloß 3-jährige Verjährungsfrist für den Anspruch angenommen.

36

Mangels spezieller Regelung im Recht des städtebaulichen Vertrags gemäß § 11 BauGB ergibt sich die Verjährungsfrist nach § 62 Satz 2 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 LVwVfG aus einer entsprechenden Anwendung der Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Da das zivilrechtliche Verjährungsrecht durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz einschneidend geändert worden, insbesondere die früher geltende regelmäßige Verjährungsfrist von 30 Jahren auf nunmehr 3 Jahre verkürzt worden ist (§ 195 BGB), bedarf es jeweils einer gesonderten Prüfung, ob und welche Verjährungsregelungen am ehesten auf öffentlich-rechtliche Verträge entsprechend angewendet werden können (vgl. Bonk/Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 62, Rn. 32 a; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Aufl. 2012, § 62, Rn. 8; Schliesky, in: Knack/Henneke, VwVfG, 9. Aufl. 2010, § 62, Rn. 11). Bei öffentlich-rechtlichen Verträgen ermöglicht die 3-jährige Verjährungsfrist des § 195 BGB einen sachgerechten Ausgleich der divergierenden Interessen der Vertragsparteien (so: Bonk/Neumann, ebenda; Kopp/Ramsauer, a.a.O., Rn. 23; Schliesky, a.a.O., Rn. 21). Während nämlich § 197 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 eine 30-jährige Verjährungsfrist für bestimmte deliktische Ansprüche und dingliche Herausgabeansprüche vorsieht, ist § 195 BGB die einschlägige Vorschrift für vertragliche Ansprüche (vgl. zur allgemeinen Anwendung der regelmäßigen Verjährungsfrist des § 195 BGB im öffentlichen Recht: OVG NRW, Urteil vom 17. Dezember 2008 - 1 A 444/07 -, juris, Rn. 29).

37

Das von der Klägerin zitierte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Dezember 2008 - 3 C 37.07 – (BVerwGE 132, 324 und juris) betrifft demgegenüber eine andere Fallgestaltung. Bei der dort angenommenen 30-jährigen Verjährung öffentlich-rechtlicher Erstattungsansprüche aus dem Vermögenszuordnungsrecht konnte darauf abgestellt werden, dass sie ein Surrogat für dingliche Herausgabeansprüche darstellen, womit eine Nähe zur Verjährungsregelung nach § 197 Abs. 1 Nr. 1 BGB besteht (a.a.O., juris, Rn. 15).

38

2. Nach § 199 Abs. 1 BGB i.V.m. § 62 Satz 2 VwVfG beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen.

39

Diese Voraussetzungen haben im Jahr 2008 vorgelegen mit der Folge, dass die regelmäßige Verjährungsfrist für den geltend gemachten Aufwendungsersatzanspruch grundsätzlich mit Ende des Jahres 2011 abgelaufen war.

40

Entstanden ist ein Anspruch, sobald er durch Klage geltend gemacht werden kann, wofür bei Ersatzansprüchen genügt, dass die Möglichkeit der Stufen- oder Feststellungsklage besteht; eine Bezifferung des Anspruchs ist nicht erforderlich (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. November 1982 - 2 C 32.81 -, BVerwGE 66, 256 und juris, Rn. 15; Palandt/Ellenberger, BGB, 73. Aufl. 2014, § 199 Rn. 3).

41

(1) Für das Entstehen des hier geltend gemachten Aufwendungsersatzanspruchs kommt es nach Ziff. 6.1 des 2. PEV allein darauf an, dass die genannten Kommunen („sie“ [VG/Ortsgemeinden]) innerhalb der gesetzten Frist die planungsrechtlichen Voraussetzungen für die Verwirklichung des Projekts „Leben auf dem Golf“ nicht geschaffen haben. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut und der objektiven Erklärungsbedeutung der vertraglichen Regelung, so wie die Erklärungsempfänger sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten (§§ 133, 157 BGB i.V.m. § 62 Satz 2 VwVfG; vgl. Palandt/Ellenberger, a.a.O., § 133 Rn. 9).

42

Sofern die Klägerin vorträgt, das Entstehen des Aufwendungsersatzanspruchs habe nach dem Willen der vertragsschließenden Parteien neben dem Fristablauf von dem „endgültigen Scheitern“ des Projekts abhängen sollen, kann dem nicht gefolgt werden. Wäre dies gewollt gewesen, hätte dies im Vertragstext seinen Niederschlag finden müssen, einschließlich einer Regelung, woraus sich das endgültige Scheitern hätte ergeben sollen, wie z.B. einer Erklärung der Vertragspartner. Weil es an einer solchen Regelung fehlt und stattdessen eine klare Fristenregelung in den Vertragstext aufgenommen worden ist, deren Verlängerung die Vertragsparteien auch als notwendig angesehen haben, ist für das Entstehen des Anspruchs auf den fruchtlosen Ablauf dieser Frist abzustellen.

43

(2) Die Einstandspflicht der in Anspruch genommenen Kommune (Ziffer 6.1 des 2. PEV i.V.m. Ziff. 1 des Änderungsvertrags) ist nicht davon abhängig, dass das Scheitern des Projekts gerade auf einem nur ihr zurechenbaren Planungsversäumnis beruht. Die gegenteilige Auffassung der Klägerin findet in der vertraglichen Regelung keine Stütze.

44

Ziffer 6.1 des 2. PEV verpflichtet „die VG/Ortsgemeinden“ („sie“) zum Aufwendungsersatz, falls sich das zuvor näher umschriebene Risiko realisiert hat. Die Regelung begründet eine gesamtschuldnerische Haftung der drei Kommunen. Alle am Vertrag beteiligte Gemeinden trifft daher dem Investor gegenüber dieselbe Einstandspflicht für das Nichtzustandekommen der planungsrechtlichen Voraussetzungen für das Gesamtprojekt. Ob und wie ein interner Ausgleich zwischen den Kommunen zu erfolgen hat (§ 426 BGB), ist für die Außenhaftung unerheblich. Ob anderen vertraglichen Regelungen darüber hinaus eine Haftungsfreistellung der Beklagten auch nach außen hin zu entnehmen ist, wie von ihr vorgetragen, kann hier dahingestellt bleiben.

45

Nach Ziff. 6.1 des 2. PEV hängt die Passivlegitimation der einzelnen Kommune nicht davon ab, aus welchem Grunde die planerischen Voraussetzungen für das Gesamtprojekt nicht innerhalb der Frist geschaffen worden sind. Es ist also unerheblich, ob das Scheitern des Gesamtprojekts auf einem fehlenden Planungsabschluss durch einen Planungsverband oder auf dem fehlenden Abschluss jeweils einzelner Planungen der beteiligten Kommunen beruht. Die Anspruchsverpflichtung jeder einzelnen Kommune („VG/Ortsgemeinden“) aus Ziffer 6.1 des 2. PEV setzt also entgegen der Auffassung der Klägerin nicht voraus, dass die Kommunen eigenständig über die Befugnis zur Bauleitplanung verfügen. Die gesamtschuldnerische Einstandspflicht sollte vielmehr bei jedem Scheitern des Gesamtprojekts innerhalb der vereinbarten Frist entstehen.

46

Der von der Klägerin geltend gemachte Aufwendungsersatzanspruch war demnach mit Ablauf der in Ziffer 6.1 genannten Frist entstanden, aufgrund der Änderungsregelung also mit Ablauf des 31. März 2008. Sofern zu diesem Zeitpunkt die Nutzlosigkeit getätigter Aufwendungen deshalb noch nicht endgültig festgestellt werden konnte, weil eine (verspätete) Realisierung des Projekts im Raum stand oder (Teil-) Aufwendungen eventuell für ein Alternativprojekt nutzbar waren, steht dies dem Entstehen des Anspruchs deshalb nicht entgegen, weil jedenfalls die Möglichkeit bestand, den Anspruch dem Grunde nach feststellen zu lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. November 1982, a.a.O.). Diese Möglichkeit war der Klägerin auch bewusst, hatte sie doch im Laufe der nachfolgenden Auseinandersetzungen zwischen den Beteiligten mit dem Geltendmachen von Schadensersatzansprüchen gedroht (so Schriftsatz der Bevollmächtigten der Beklagten vom 31. März 2010 [Anlage 8 zur Klageschrift]).

47

3. Die bei regelmäßigem Verlauf zum Ende des Jahres 2011 abgelaufene Verjährungsfrist ist auch nicht durch Verjährungshemmungen bis zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 24. Oktober 2012 hinausgeschoben worden.

48

Nach § 203 Satz 1 BGB ist die Verjährung gehemmt, wenn zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände schweben, und zwar so lange, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlung verweigert. Der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, wird in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet (§ 209 BGB). Auch diese Vorschriften sind auf öffentlich-rechtliche Verträge entsprechend anwendbar (vgl. Bonk/Neumann, a.a.O., § 62 Rn. 32).

49

Verhandlungen über einen Anspruch liegen vor, wenn der Gläubiger eine solche Forderung geltend macht und von Seiten des Schuldners Erklärungen vorliegen, die den Gläubiger berechtigterweise annehmen lassen, dass der Schuldner sich auf eine Erörterung über die Berechtigung des Anspruchs einlässt; die bloße Anmeldung von Ansprüchen führt indes noch nicht eine Hemmung herbei (vgl. Palandt/Ellenberger, a.a.O., § 203 Rn. 2; Spindler, in: Bamberger/Rodt, BGB, 3. Aufl. 2012, § 203 Rn. 4 m.w.N.).

50

Verhandlungen über den von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungsersatzanspruch sind nicht geführt worden. Bei einer weiten Auslegung des Begriffs der „Verhandlungen“ (so: BGH, Urteil vom 10. Mai 1983 - VI ZR 173/81 -, NJW 1983, 2075 und juris, Rn. 19; Palandt/Ellenberger, a.a.O., § 203 Rn. 2) wird man aber auch Verhandlungen über die Erfüllung der primären Obliegenheiten der Kommunen, hier also die Schaffung der planungsrechtlichen Voraussetzungen für das Golfprojekt, als verjährungshemmend ansehen können. Dies kann aber letztlich dahingestellt bleiben, weil auch eine solche, aus Sicht der Klägerin großzügige Betrachtung nichts am Eintritt der Verjährung der Klageforderung ändert. Die für eine Verjährungshemmung allenfalls in Betracht kommenden Zeitspannen bleiben deutlich hinter den erforderlichen knapp 10 Monaten (297 Tage) zurück.

51

Da sich der von der Klägerin geltend gemachte Ersatzanspruch auf die „von F+F“ für das Projekt [„Leben auf dem Golf“ laut Vorstudie in Anlage 1 zum 2. PEV] gemachten Planungsaufwendungen“ bezieht, können sich als verjährungshemmend auch nur solche Verhandlungen ausgewirkt haben, die die Realisierung des Gesamtprojekts auf dem Gebiet der beiden Ortsgemeinden zum Gegenstand hatten. Verhandlungen über die Realisierung eines Teils dieses Projekts nur auf dem Gebiet einer der beiden Ortsgemeinden oder gar über die Realisierung eines Alternativprojekts hätten nicht mehr das Gesamtprojekt zum Gegenstand, dessen Nichtrealisierung innerhalb der vereinbarten Frist die Einstandspflicht nach Ziffer 6.1 des 2. PEV ausgelöst hat. Dass die Klägerin Verhandlungen mit den beiden anderen Gebietskörperschaften über die Realisierung des Gesamtprojekts geführt hat, wie ihre Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vorgetragen haben, ist daher zwar notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung dafür, eine Hemmung der Verjährung des Planungsaufwendungsersatzanspruchs nach Ziffer 6.1 des 2. PEV anzunehmen. Hinzukommen mussten vielmehr auch Verhandlungen mit der Beklagten zu dem Zweck, das Gesamtprojekt doch noch zu realisieren. Die Notwendigkeit von Verhandlungen gerade auch mit der Beklagten ergibt sich ferner daraus, dass eine Hemmung der Verjährung grundsätzlich nur zugunsten desjenigen Gesamtschuldners wirkt, in dessen Person sie eintritt (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 1994 - VI ZR 190/93 -, NJW 1994, 1150 und juris, Rn. 18; Spindler, a.a.O., § 208, Rn. 6). Mit der Beklagten sind Verhandlungen über eine Realisierung des Gesamtprojekts während des Laufs der Verjährungsfrist indes - wenn überhaupt - allenfalls für die Dauer von ca. 8 Monaten geführt worden.

52

Obwohl die Beklagte den Antrag der Klägerin auf nochmalige Verlängerung der Frist in Ziff. 6.1 des 2. PEV im April 2008 mit der Bemerkung abgelehnt hatte, „für eine Verlängerung des Projektentwicklungsvertrages [fehle] jede Grundlage“ (vgl. Schreiben ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 9. April 2008 [Bl. 53 der GA]), könnten im 1. Halbjahr 2009 Verhandlungen mit dem Ziel der Realisierung des Gesamtprojekts „Leben auf dem Golf“ unter Einschluss der Beklagten geführt worden sein, und zwar während des Verfahrens auf Auflösung des Planungsverbandes. Dies ergibt sich aus dem Bescheid des Ministeriums der Finanzen über die Verbandsauflösung vom 8. Oktober 2009 (Anlage A 4 zur Klageschrift). Darin heißt es, dass anfangs ein Kompromiss zur Schaffung von Baurecht für das Projekt „Golfpark“ noch möglich erschienen sei. Allerdings habe dem Kompromissvorschlag der SGD Nord vom 6. Februar 2009 nur die Ortsgemeinde Tawern zugestimmt, nicht aber die Beklagte und auch nicht die Investoren. Nach Erörterung der planbedingten Verkehrs- und Lärmbelastung für die Ortsgemeinde Temmels habe schließlich die SGD Nord die Auffassung vertreten, dass keine realistische Aussicht mehr bestehe, die Zustimmung der Ortsgemeinde Temmels zu einem weiterentwickelten Kompromissvorschlag zu erhalten. Dies habe die Ortsgemeinde Temmels auch mit Schreiben vom 16. Juni 2009 bestätigt (vgl. S. 3 f. des Bescheids). Aus diesen Ausführungen lässt sich eine Verhandlungsbereitschaft auch der Beklagten mit dem Ziel der Realisierung des Gesamtprojekts „Leben auf dem Golf“ wohl nur bis zum Februar 2009, längstens bis zu der Erklärung vom 16. Juni 2009, in letzterem Fall also für die Dauer von 5 1/2 Monaten (167 Tage) annehmen.

53

Waren damit Verhandlungen zur Fortführung des Golfprojekts noch während des Bestehens des Planungsverbands spätestens im Juni 2009 abgebrochen, so wurden nach Auflösung des Verbands im Oktober 2009 zwischen der Klägerin und der Beklagten Verhandlungen mit dem Ziel der Realisierung des Gesamtprojekts allenfalls noch für die Dauer von etwa 2 Monaten geführt. Zwar wird die Verjährung durch Wiederaufnahme von Verhandlungen erneut gehemmt (vgl. Palandt/Ellenberger, a.a.O., § 203 Rn. 2). Aber auch eine zusätzliche Verjährungshemmung von etwa 2 Monaten ändert nichts daran, dass die Klageerhebung im Oktober 2012 erst nach Ablauf der Verjährungsfrist erfolgt ist.

54

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts belegt die Korrespondenz der Beteiligten in der Zeit vom 11. November 2009 bis zum 18. Mai 2010 jedoch nicht, dass im gesamten Zeitraum Verhandlungen über den Anspruch bzw. Verhandlungen über eine den Ersatzanspruch nach Ziffer 6.1 des 2. PEV erübrigende Realisierung des Gesamtprojekts „Leben auf dem Golf“ geführt wurden. Hierfür reicht der Wunsch nur einer der Vertragsparteien an einer Fortsetzung des Projekts nicht aus. Verjährungshemmende Verhandlungen liegen vielmehr nur dann vor, wenn der Gläubiger aufgrund von Erklärungen des Schuldners annehmen durfte, dass dieser sich auf eine Erörterung über das Begehren des Gläubigers einlässt (vgl. Spindler, a.a.O., § 203 Rn. 4 m.w.N.). Die Erwartung, dass sich die Beklagte auf einen Meinungsaustausch über eine doch noch beabsichtigte Realisierung des Gesamtprojekts einlässt, durfte die Klägerin allenfalls im Anschluss an die von ihr Mitte März 2010 vorgelegte Planung haben.

55

Hingegen war eine solche Erwartung im Anschluss an das Schreiben der Klägerin vom 11. November 2009 (Anlage A 5 zur Klageschrift) noch unbegründet. In diesem Schreiben forderte die Klägerin die beiden Ortsgemeinden auf, nach Auflösung des Planungsverbandes nunmehr für ihr jeweiliges Gemeindegebiet den entsprechenden Teil des Gesamtprojekts planerisch zu leisten, hierzu in die verbindliche Bauleitplanung auf der Grundlage der von ihr entworfenen Teilbebauungspläne einzusteigen und zunächst einmal einen Planaufstellungsbeschluss zu fassen. Im Antwortschreiben stellen die Verfahrensbevollmächtigten der Beklagten vom 23. November 2009 (Anlage A 6 der Klageschrift) zunächst einmal klar, dass von ihrer Seite nicht zugesagt worden sei, nach Auflösung des Planungsverfahrens die Bauleitplanung zu übernehmen. Ferner heißt es, dass ungeachtet der interkommunal nicht abgestimmten Bauleitplanung und den offensichtlich nicht zu bewältigenden Verkehrs- und Lärmthematiken eine Notwendigkeit für einen erneuten Aufstellungsbeschluss nicht gegeben sei, weil ein solcher bereits vorliege. Dieses Schreiben kann nicht als Bereitschaft der Beklagten gewertet werden, sich erneut auf eine Realisierung des Gesamtprojekts, nunmehr beschränkt auf den auf ihr Gemeindegebiet entfallenden Teil, einzulassen. Auf das weitere Schreiben der Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin vom 26. Februar 2010 (Anlage A 7 zur Klageschrift), mit dem sie die Beklagte aufforderte, die vorgezogene Trägerbeteiligung und die frühzeitige Bürgerbeteiligung durchzuführen, wird eine positive Stellungnahme von Seiten der Beklagten nicht mitgeteilt. Stattdessen heißt es in dem vorgelegten Schreiben der Bevollmächtigten der Beklagten vom 31. März 2010 (Anlage A 8 zur Klageschrift), dass von Seiten der Beklagten keine Bereitschaft bestehe, über die Fortführung des Gesamtprojekts zu verhandeln, und auch keine Aufforderung an die Klägerin ergangen sei, in der Golfplatz-Angelegenheit tätig zu werden.

56

Lediglich das vorgelegte Schreiben der Bevollmächtigten der Beklagten vom 3. Mai 2010 (Anlage A 9 zur Klageschrift) lässt erkennen, dass sich die Beklagte mit Vorschlägen der Klägerin zu einem Projekt „Golfpark Tawern-Temmels“ auseinandergesetzt, sie dann aber abgelehnt hat. So heißt es in dem darin zitierten Gemeinderatsbeschluss vom 21. April 2010:

57

„Unabhängig davon [Ergebnis einer schalltechnischen Untersuchung] sowie der ansonsten gegebenen Diskussionspunkte bestehen wegen der Verkehrslärm-Thematik Bedenken gegen die von der Fa. … GmbH mit Schreiben vom 15.03.2010 vorgelegte Planung ‘Golfpark Tawern-Temmels‘. Die Ortsgemeinde Temmels hält es angesichts der heute bereits gegebenen und durch das Büro ISU bestätigten Verkehrslärmbelastung, der weite Teile ihrer Ortslage ausgesetzt sind, für nicht vertretbar, eine Bebauung auf dem Fellericher Plateau zuzulassen, durch die die Wohnqualität in ihrer Ortslage weiter verschlechtert wird.“

58

Unterstellt man aufgrund dieses Schreibens, dass die Beklagte sich doch noch einmal auf Vorstellungen der Klägerin zur Realisierung des Gesamtprojekts eingelassen hat, so kann dies nur die Zeitspanne von Mitte März bis Anfang Mai 2010, spätestens bis zum abschließenden Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 18. Mai 2010 (Anlage A 11 zur Klageschrift) betreffen. Die in diesem Fall anzunehmende Verjährungshemmung für die Dauer von etwa zwei Monaten würde indes nichts daran ändern, dass die Klage im Oktober 2012 erst nach Ablauf der Verjährungsfrist erhoben worden ist.

59

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

60

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO.

61

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

62

Beschluss

63

Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 1.448.330,69 € festgesetzt (§§ 47, 52 Abs. 3 Satz 1 GKG).

Der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, wird in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 376/13 Verkündet am:
9. Juli 2014
Vorusso,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Ein einheitliches Mietverhältnis über Wohnräume und Geschäftsräume ist zwingend
entweder als Wohnraummietverhältnis oder als Mietverhältnis über andere
Räume zu bewerten. Für die rechtliche Einordnung ist entscheidend, welche Nutzungsart
nach den getroffenen Vereinbarungen überwiegt (insoweit Bestätigung
von BGH, Urteil vom 16. April 1986 - VIII ZR 60/85, NJW-RR 1986, 877). Dabei ist
maßgebend auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen, wobei der Tatrichter
beim Fehlen ausdrücklicher Abreden auf Indizien zurückgreifen kann.

b) Der Umstand, dass die Vermietung nicht nur zu Wohnzwecken, sondern auch zur
Ausübung einer gewerblichen/freiberuflichen Tätigkeit vorgenommen wird, durch
die der Mieter seinen Lebensunterhalt bestreitet, lässt keine tragfähigen Rückschlüsse
auf einen im Bereich der Geschäftsraummiete liegenden Vertragsschwerpunkt
zu (insoweit Aufgabe von BGH, Urteil vom 16. April 1986 - VIII ZR
60/85, NJW-RR 1986, 877).

c) Lässt sich bei der gebotenen Einzelfallprüfung ein Überwiegen der gewerblichen
Nutzung nicht feststellen, ist im Hinblick auf das Schutzbedürfnis des Mieters von
der Geltung der Vorschriften der Wohnraummiete auszugehen (insoweit Fortführung
von BGH, Urteil vom 16. April 1986 - VIII ZR 60/85, NJW-RR 1986, 877).
BGH, Urteil vom 9. Juli 2014 - VIII ZR 376/13 - KG Berlin
LG Berlin
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 9. Juli 2014 durch die Vorsitzende RichterinDr. Milger, die Richterinnen
Dr. Hessel und Dr. Fetzer sowie die Richter Dr. Bünger und Kosziol

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Kammergerichts vom 12. August 2013 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird auf den im Berufungsverfahren hilfsweise gestellten Antrag der Kläger - unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Berlin vom 30. November 2012 - an das sachlich und örtlich zuständige Amtsgericht Wedding verwiesen. Über die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens wird das Amtsgericht Wedding zu entscheiden haben. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Beklagten sind Mieter eines mehrstöckigen Hauses der Kläger in Berlin mit einer Fläche von etwa 270 m2. Das Haus nutzen sie zu Wohnzwecken und - soweit die Räume im Erdgeschoss betroffen sind - zum Betrieb einer Hypnosepraxis. Der Mietvertrag wurde am 20. November 2006 unter Verwendung eines auf ein Wohnraummietverhältnis zugeschnittenen Vertragsformulars des R. -Verlags (Nr. 545) mit der Überschrift "Vertrag für die Vermietung eines Hauses" geschlossen. Dabei wurde bestimmt, dass das Mietverhältnis auf un- bestimmte Zeit läuft und die "Nettokaltmiete" 1.750 € beträgt. § 19 Ziffer 3 des Mietvertrags enthält die handschriftliche Vereinbarung, dass den Beklagten die Einrichtung einer Hypnosepraxis in den Räumen im Erdgeschoß - vorbehaltlich einer erforderlichen behördlichen Genehmigung - gestattet ist. In der maschinenschriftlichen Anlage zum Mietvertrag heißt es außerdem: "Die Mieter nutzen die Räume im Erdgeschoss des Hauses für ihre freiberufliche Tätigkeit im Rahmen einer Hypnosepraxis."
2
Mit Schreiben vom 29. Juli 2009 erklärten die Kläger die Kündigung des Mietverhältnisses und führten zur Begründung an, das Haus künftig selbst nutzen zu wollen. Einige Jahre später erklärten die Kläger mit Anwaltsschreiben vom 20. Februar 2012 erneut - mit Wirkung zum 30. September 2012 - die Kündigung des Mietverhältnisses, wobei sie sich nicht mehr auf Eigenbedarf beriefen. Die Beklagten wiesen die Kündigung zurück.
3
Daraufhin haben die Kläger beim Landgericht Klage auf Räumung und Herausgabe des von den Beklagten genutzten Hauses erhoben. Sie machen geltend, bei dem Mietverhältnis handele es sich um ein Gewerberaummietverhältnis , weil die Beklagten ihren Lebensunterhalt vollständig durch den Betrieb der Hypnosepraxis verdienten. Die Beklagten gehen demgegenüber vom Vorliegen eines Wohnraummietverhältnisses aus.
4
Das Landgericht hat das Mietverhältnis als Wohnraummietverhältnis eingeordnet und die Klage wegen der danach gegebenen ausschließlichen sachlichen Zuständigkeit des Amtsgerichts (§ 23 Nr. 2a GVG) als unzulässig abgewiesen. Hiergegen haben die Kläger Berufung eingelegt und hilfsweise die Verweisung des Rechtsstreits an das Amtsgericht Wedding beantragt. Auf die Berufung der Kläger hat das Kammergericht das Urteil des Landgerichts abgeändert. Es hat das Mietverhältnis als Gewerberaummietverhältnis bewertet und der Klage stattgegeben. Die Beklagten erstreben mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

5
Die Revision hat Erfolg.

I.

6
Das Berufungsgericht (KG, GE 2013, 1203) hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
7
Die Klage auf Räumung und Herausgabe sei zulässig, insbesondere sei die Klage beim zuständigen Gericht erhoben worden, weil die ausschließliche sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts gemäß § 23a Nr. 2a GVG nicht eröffnet gewesen sei. Den Klägern stehe auch der geltend gemachte Anspruch auf Räumung und Herausgabe gemäß § 546 Abs. 1, § 985 BGB zu. Das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis sei aufgrund der mit Wirkung zum 30. September 2012 ausgesprochenen Kündigung vom 20. Februar 2012 - unter Wahrung der Frist des § 580a Abs. 2 BGB - ordnungsgemäß beendet worden. Bei dem Mietverhältnis handele es sich nicht um ein Wohnraum-, sondern ein Gewerberaummietverhältnis. Ein - hier gegebenes - Mischmietverhältnis unterliege, je nachdem welcher Vertragszweck nach dem Parteiwillen bei Vertragsabschluss überwiege, insgesamt entweder dem Wohnraummietrecht oder dem Gewerberaummietrecht. Danach sei das Mietverhältnis zwischen den Parteien nach Gewerberaummietrecht zu beurteilen.
8
Die vertraglichen Erklärungen der Parteien gäben keine entscheidenden Aufschlüsse darüber, ob die gewerbliche oder die Wohnraumnutzung im Vor- dergrund stehen solle. Offenkundig seien die Parteien davon ausgegangen, dass die Beklagten sowohl in dem Haus wohnten, als auch - im Erdgeschoss - eine Hypnosepraxis betrieben. Dies sei zum einen der Erklärung in der Einleitung des Mietvertrags: "Die einziehende Familie besteht aus 2 Personen" und zum anderen den Regelungen über die Einrichtung und den Betrieb einer Hypnosepraxis in Ziffer 19 Abs. 3 des Mietvertrags und in der Anlage zum Mietvertrag zu entnehmen.
9
Dass die Parteien das Formular Nr. 545 des R. -Verlages mit der Überschrift "Vertrag für die Vermietung eines Hauses" gewählt hätten, spreche nicht für ein Überwiegen der Wohnnutzung, sondern sei wenig ergiebig. Zwar könne die Verwendung eines für die Miete von Wohnräumen gedachten Formulars ein Indiz für ein Wohnraummietverhältnis darstellen. Dass das vorliegend benutzte Vertragsformular auf eine Wohnraummiete zugeschnitten sei, ergebe sich aber erst aus näherer rechtskundiger Analyse, etwa aus der Wiedergabe der Fristen des § 573c Abs. 1 BGB als gesetzliche Kündigungsfristen. Die Parteien hätten gerade nicht angekreuzt, dass das Haus "zur Benutzung als Wohnung" habe vermietet werden sollen. Es liege nahe, dass das Formular deswegen ausgewählt worden sei, weil sich die Mietvertragsformulare des R. -Verlags für Gewerberaum nicht auf ein komplettes Haus bezögen.
10
Für das Vorliegen eines insgesamt dem Wohnraummietrecht zu unterstellenden Mietverhältnis spreche - entgegen der Auffassung der Vorinstanz - auch nicht der Umstand, dass die Parteien - wie in § 551 Abs. 1 BGB als Höchstgrenze für Wohnraummietverhältnisse vorgesehen - eine Kaution in dreifacher Höhe der Nettokaltmiete vereinbart hätten. Denn Kautionen in dieser Höhe würden verbreitet auch in Gewerberaummietverhältnissen vereinbart. Dass die Mieter nach § 13 Ziffer 1 des Mietvertrags die Kosten für Kleinreparaturen und für die Behebung von Bagatellschäden nur mit einer Begrenzung auf 5 % der Jahresnettokaltmiete und auf 75 € im Einzelfall zu tragen hätten, liefere ebenfalls kein Indiz für das Bestehen eines Wohnraummietverhältnisses. Auch für Gewerberaummietverträge werde im Schrifttum verschiedentlich gefordert, dass Kleinreparaturenklauseln eine Höchstbelastung des Mieters auswiesen.
11
Das auf Eigenbedarf gestützte Kündigungsschreiben der Kläger vom 29. Juli 2009 mit Belehrung über ein Widerspruchsrecht der Beklagten lasse entgegen der Auffassung des Landgerichts ebenfalls nicht den Schluss zu, die Parteien hätten bei Abschluss des Mietvertrags die Wohnnutzung als vornehmlichen Vertragszweck angesehen. Ein späteres Verhalten könne zwar im Einzelfall ein Indiz für die Auslegung eines Vertrags bilden. Den Klägern als juristischen Laien habe aber nicht bekannt sein müssen, dass Eigenbedarf und Widerspruchsberechtigung in einem Gewerberaummietverhältnis keine Rolle spielten. Erst recht könne ihnen nicht Kenntnis davon unterstellt werden, dass in einem Mischmietverhältnis, in dem die gewerbliche Nutzung im Vordergrund stehe, Wohnraummietrecht nicht einmal teilweise gelte.
12
Ausschlaggebend für die Einstufung als Gewerbemietverhältnis sei vorliegend der vertraglich vereinbarte Zweck, dass die Beklagten durch das Betreiben der Hypnosepraxis in einem Teil der Mieträume ihren Lebensunterhalt bestritten. Es gelte gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als unstreitig, dass die Anmietung des Hauses darauf abgezielt habe, die Beklagten in die Lage zu versetzen, durch die "freiberufliche Tätigkeit im Rahmen einer Hypnosepraxis" ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Hiervon sei auch deswegen auszugehen, weil die Beklagten im Vorfeld des Vertragsschlusses in dem "Fragebogen zur Wohnungsbewerbung" als ausgeübten Beruf ausschließlich "Hypnosetherapeut(in)" angegeben hätten.
13
Der Bundesgerichtshof habe in seinem Urteil vom 16. April 1986 (VIII ZR 60/85, MDR 1986, 842) entschieden, im Rahmen der Prüfung, ob nach dem Vertragszweck überwiegend eine Wohnraummiete oder eine andere Nutzungsart anzunehmen sei, seien alle Umstände des Einzelfalls zu würdigen. Dabei seien auch die auf die verschiedenen Nutzungsarten entfallenden Flächen und deren Mietwerte zu berücksichtigen, soweit sich nicht bereits aus anderen Gründen ein Übergewicht eines bestimmten Gebrauchszwecks ergebe. Werde einem Rechtsanwalt ein Einfamilienhaus zur Nutzung als Kanzlei und als Wohnung überlassen, sei im Allgemeinen anzunehmen, dass die Vermietung in erster Linie zu gewerblichen Zwecken vorgenommen werde. Dies gelte selbst für den Fall, dass die für den Betrieb der Kanzlei zur Verfügung stehende Fläche des Hauses geringer sei als die für Wohnzwecke vorgesehene. Denn die Kanzlei sei für den Rechtsanwalt die Stätte, ohne die er im Allgemeinen seine Berufstätigkeit nicht ausüben und die Geldmittel erwerben könne, die er benötige, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, zu denen auch die Miete für die Wohnung gehöre. Der Vermieter könne im Allgemeinen eine höhere Miete für sein Haus verlangen, wenn er es nicht ausschließlich zu Wohnzwecken, sondern zugleich auch zum Betrieb der Anwaltskanzlei des Mieters vermiete.
14
An dieser Rechtsprechung, der sich nicht nur der erkennende Berufungssenat , sondern auch ein weiterer Senat des Kammergerichts und andere Oberlandesgerichte angeschlossen hätten, sei trotz vereinzelter Kritik festzuhalten. Dass das Besitzrecht des Mieters Grundrechtsschutz genieße, ändere nichts daran, dass bei einem Mischmietverhältnis die gewerbliche Nutzung aus Sicht der Vertragsparteien - gerade auch im Hinblick auf die typischerweise höheren Gewerberaummieten - regelmäßig im Vordergrund stehe, wenn der Mieter damit seinen Lebensunterhalt bestreite. Soweit gleichwohl die Wohnnutzung Vorrang genießen solle, bleibe es den Vertragspartnern unbenommen, dies zum Ausdruck zu bringen.
15
Gemessen an den beschriebenen Grundsätzen sei vorliegend von einem Gewerberaummietverhältnis auszugehen. Da das als Praxisräume zu nutzende Erdgeschoss ebenso groß sei wie das Obergeschoss, trete die gewerblich zu nutzende Fläche im Streitfall nicht völlig hinter der für Wohnzwecke vorgesehenen Fläche zurück.

II.

16
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat den zwischen den Parteien geschlossenen Mietvertrag rechtsfehlerhaft nicht dem Wohnraummietrecht, sondern dem Gewerberaummietrecht unterstellt und daher zu Unrecht die - entgegen § 23 Nr. 2a GVG nicht beim Amtsgericht erhobene - Klage als zulässig erachtet.
17
1. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass zwischen den Parteien ein sogenanntes Mischmietverhältnis begründet worden ist. Nach den verfahrensfehlerfrei getroffenen, von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts haben die Beklagten durch einen einheitlichen Vertrag auf unbestimmte Zeit ein Haus angemietet, dessen Räume entsprechend den getroffenen Vereinbarungen teilweise zu Wohnzwecken und teilweise (Erdgeschossräume) zur Ausübung einer freiberuflichen Tätigkeit (Hypnosepraxis) genutzt werden und für dessen Nutzung eine einheitliche Miete zu zahlen ist.
18
2. Dem Berufungsgericht ist auch darin beizupflichten, dass das Mischmietverhältnis in rechtlicher Hinsicht einheitlich zu beurteilen und zwingend entweder als "Wohnraummietverhältnis" oder als "Mietverhältnis über sonstige Räume" einzustufen ist, weil gesetzliche Sondervorschriften für Mischmietverhältnisse fehlen und für Mietverträge über Wohnräume teilweise andere gesetzliche Regeln gelten als für die Anmietung von Geschäftsräumen oder von sonstigen Räumen. Dies gilt nicht nur für die materielle Rechtslage (vgl. § 549 BGB einerseits und § 578 Abs. 2 BGB andererseits), sondern auch für das Prozessrecht , denn die sachliche Zuständigkeit der Gerichte hängt davon ab, ob es sich um einen Rechtsstreit aus einem Wohnraummietverhältnis handelt oder nicht (vgl. § 23 Nr. 2a GVG einerseits und § 23 Nr. 1, § 71 Abs. 1 GVG andererseits

).

19
a) Gemäß § 23 Nr. 2a GVG ist das Amtsgericht ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes für alle Streitigkeiten über Ansprüche aus einem Wohnraummietverhältnis oder über das Bestehen eines solchen Anspruchs ausschließlich sachlich zuständig. Bei Streitigkeiten, denen andere Mietverhältnisse zugrunde liegen, ist dagegen - je nach Höhe des Streitwerts - entweder das Amtsgericht oder das Landgericht sachlich zuständig (§ 23 Nr. 1, § 71 Abs. 1 GVG).
20
b) Der Begriff des Wohnraummietverhältnisses in § 23 Nr. 2a GVG knüpft an die Vorgängerregelung des § 29a Abs. 1 ZPO in der bis zum 1. März 1993 geltenden Fassung an (vgl. BT-Drucks. 12/3832, S. 43). Diese Vorschrift, die bei Streitigkeiten aus Wohnraummietverhältnissen eine ausschließliche sachliche und örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts begründete, entsprang dem Schutzgedanken des sozialen Mietrechts, das Verfahren möglichst am Wohnort des Mieters zu führen, durch einen zweistufigen Prozess eine kürzere Verfahrensdauer zu bewirken sowie eine größere Sach- und Ortsnähe des zuständigen Gerichts herzustellen (BGH, Beschlüsse vom 11. Januar 1984 - VIII ARZ 6/83, BGHZ 89, 275, 281 f.; vom 16. Dezember 2003 - X ARZ 270/03, BGHZ 157, 220, 222). Durch das Rechtspflegeentlastungsgesetz vom 11. Januar 1993 (BGBl. I S. 50) wurde die bislang in § 29a ZPO aF geregelte ausschließliche sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts bei Streitigkeiten aus Wohnraummietverhältnissen aus systematischen Gründen in § 23 Nr. 2a GVG verankert (BT-Drucks. 12/3832, S. 43), während die weiterhin von § 29a ZPO erfasste ausschließliche örtliche Zuständigkeit auch auf andere Mietverhältnisse und auf Pachtverhältnisse ausgedehnt wurde. Dem lag die Zielsetzung zugrunde , bei der Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit Abgrenzungsschwierigkeiten bei Mischmietverhältnissen sowie zwischen Miet- und Pachtverhältnissen zu vermeiden (BT-Drucks. 12/1217, S. 22). Die im Gesetzesentwurf des Bundesrats aus denselben Gründen vorgeschlagene Ausweitung der sachlichen Zuständigkeit des Amtsgerichts (BT-Drucks. 12/1217, S. 22, 45 f.) fand im Rechtsausschuss dagegen keine Zustimmung (BT-Drucks. 12/3832, S. 38, 42 f.), so dass sich die beschriebenen Abgrenzungsfragen im Bereich der sachlichen Zuständigkeit weiterhin stellen.
21
c) Der Begriff des Wohnraums in § 29a ZPO in der bis zum 1. März 1993 geltenden Fassung entspricht dem des Wohnraums im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (Senatsurteil vom 11. Februar 1981 - VIII ZR 323/79, NJW 1981, 1377 unter 2 a; vgl. Senatsbeschluss vom 11. Januar 1984 - VIII ARZ 6/83, BGHZ 89 aaO S. 280; OLG Hamm, ZMR 1986, 11). Danach ist für die Einordnung als Wohnraummietverhältnis nicht die Eignung der Räume zur Wohnnutzung , sondern der vereinbarte Nutzungszweck entscheidend (Senatsurteile vom 15. November 1978 - VIII ZR 14/78, WM 1979, 148 unter 2 a; vom 11. Februar 1981 - VIII ZR 323/79, aaO unter 2 b cc; vom 13. Februar 1985 - VIII ZR 36/84, BGHZ 94, 11, 14 f.; vom 21. April 1997 - VIII ZR 212/96, BGHZ 135, 269, 272; vom 16. Juli 2008 - VIII ZR 282/07, NJW 2008, 3361 Rn. 11; OLG Stuttgart, NJW 1986, 322, 323; jeweils mwN).
22
An der Maßgeblichkeit der für das materielle Recht zurUnterscheidung von Wohnraum- und Gewerberaummietverhältnissen entwickelten Grundsätze für die Bestimmung der sachlichen Zuständigkeit hat sich durch die Verlagerung der bisher in § 29a ZPO aF enthaltenen Regelung über die ausschließliche sachliche Zuständigkeit der Amtsgerichte für Streitigkeiten aus Wohnraummietverhältnissen in die neu geschaffene Vorschrift des § 23 Nr. 2a GVG nichts geändert. Denn die Einfügung dieser Zuständigkeitsregelung in das Gerichtsverfassungsgesetz beruhte, wie bereits ausgeführt, allein auf systematischen Gründen; eine inhaltliche Änderung war - von redaktionellen Angleichungen und dem Wegfall der in § 29a Abs. 2 ZPO aF genannten (besondere Wohnmietverhältnisse betreffenden) Ausnahmefälle abgesehen - nicht gewollt (vgl. BTDrucks. 12/1217, S. 45; 12/3832, S. 43). Danach ist die ausschließliche sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts (§ 23 Nr. 2a GVG) stets dann eröffnet, wenn eine Streitigkeit aus einem Mietverhältnis über Wohnraum, also über Räumlichkeiten vorliegt, die nach dem Mietvertrag zum Wohnen bestimmt sind.
23
Dabei ist es in den Fällen, in denen die Frage, ob ein Wohnraum- oder ein Mietverhältnis über andere Räume vorliegt, nicht nur für die sachliche Zuständigkeit , sondern auch für die Begründetheit einer Klage bedeutsam ist (sogenannte doppelrelevante Tatsache), für die Beurteilung der sachlichen Zuständigkeit - anders als für die Begründetheit der Klage - unerheblich, ob die für die Einordnung des Mietverhältnisses maßgebenden Tatsachen unstreitig oder bewiesen sind. Entscheidend ist allein, ob sich die sachliche Zuständigkeit des Gerichts aus den zur Begründung des Anspruchs vom Kläger vorgebrachten Tatsachen ergibt (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 1993 - IX ZR 32/93, BGHZ 124, 237, 240 f.; OLG Karlsruhe, OLGR Karlsruhe 2006, 206; jeweils mwN).
24
d) Die aufgezeigten Maßstäbe zur Abgrenzung von Wohnraum- und Geschäftsraummiete gelten für die im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung nach § 23 Nr. 2a GVG (und früher nach § 29a ZPO aF) vorzunehmende Einordnung eines Mischmietverhältnisses entsprechend. Auch hier ist auf die für das materielle Recht entwickelten Grundsätze abzustellen (so auch OLG München, ZMR 2010, 962; LG Frankfurt am Main, Urteil vom 31. Januar 2013 - 2/32 O 176/12, juris Rn. 29; LG Berlin, MM 2002, 383 [jeweils zu § 23 Nr. 2a GVG]; OLG Hamm, aaO; OLG Karlsruhe, MDR 1988, 414 mwN [jeweils zu § 29a ZPO aF]). Danach ist das jeweils in Frage stehende Mischmietverhältnis zwingend entweder als Wohnraummietverhältnis (§ 549 BGB) oder als Mietverhältnis über andere Räume (§ 578 Abs. 2 BGB), also Geschäftsräume, zu bewerten. Denn eine Aufspaltung eines Mischmietverhältnisses in seine verschiedenen Bestandteile unter gesonderter rechtlicher Bewertung der unterschiedlichen Nutzungszwecke liefe der bei einem Mischmietverhältnis von den Parteien gewollten rechtlichen Einheit des Vertrags zuwider (OLG Schleswig, NJW 1983, 49, 51; OLG Stuttgart, aaO; OLG Hamm, aaO; vgl. auch BGH, Urteil vom 12. Oktober 1978 - VII ZR 288/77, BGHZ 72, 229, 232 [zum Verkauf eines Grundstücksanteils und der Erstellung einer Eigentumswohnung]).
25
Auf die nach materiellem Recht (§§ 549, 578 Abs. 2 BGB) erforderliche Zuordnung eines Mischmietverhältnisses zu den Kategorien Wohnraum- oder Geschäftsraummiete kann für die Zuständigkeitsbestimmung nicht - wie ein Teil der Instanzgerichte meint (AG Fürth (Bayern), WuM 2001, 599, 601 [zu § 23 Nr. 2a GVG]; vgl. auch LG Köln, WuM 1988, 313, 314 f. und NJW-RR 1989, 403 ff.; LG Flensburg, MDR 1981, 57 f; jeweils mwN [zu § 29a ZPO aF]) - mit der Erwägung verzichtet werden, die ausschließliche sachliche Zuständigkeit der Amtsgerichte sei bei Mischmietverhältnissen schon deswegen eröffnet, weil sie eine Nutzung zu Wohnzwecken miteinschlössen. Denn eine solche allumfassende sachliche Zuständigkeit der Amtsgerichte bei Mischmietverhältnissen ist vom Gesetzgeber nicht gewollt. In der Begründung zum Entwurf eines Rechtspflegeentlastungsgesetzes wird betont, dass nach der bis dahin geltenden Fassung des § 29a ZPO aF zur Bestimmung der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit bei Mischmietverhältnissen eine Abgrenzung zwischen Wohnraum - und Gewerberaummietverhältnissen zu erfolgen hatte (BT-Drucks.
12/1217, S. 22). Den damit verbundenen "Abgrenzungsschwierigkeiten bei Mischmietverhältnissen (Geschäfts- und Wohnraum)" wollte der Gesetzesentwurf durch die Begründung einer umfassenden Zuständigkeit des Amtsgerichts sowohl für Wohnraum- als auch für Geschäftsraummietsachen begegnen (BTDrucks. aaO). Verwirklicht wurde diese Zielsetzung im Hinblick auf die vom Rechtsausschuss geäußerten Bedenken gegen eine weit gefasste sachliche Zuständigkeit der Amtsgerichte (BT-Drucks. 12/3238, S. 38, 42 f.) jedoch nur bei der örtlichen Zuständigkeit (§ 29a Abs. 1 ZPO), so dass bei Mischmietverhältnissen die sachliche Zuständigkeit nach wie vor von einer Einordnung in die Kategorien Wohnraummiete oder Gewerberaummiete abhängt.
26
e) Für die rechtliche Einordnung eines Mischmietverhältnisses als Wohnraum - oder Gewerberaummietverhältnis ist - wie auch bei sonstigen Mischverträgen (vgl. BGH, Urteile vom 12. Oktober 1978 - VII ZR 288/77, aaO mwN; vom 12. Juli 1979 - VII ZR 159/78, NJW 1979, 2193 unter 2 a; OLG Hamm, aaO) - entscheidend, welche Nutzungsart überwiegt (Senatsurteile vom 30. März 1977 - VIII ZR 153/75, NJW 1977, 1394 unter II 2; vom 15. November 1978 - VIII ZR 14/78, aaO unter 2 b; vom 16. April 1986 - VIII ZR 60/85, NJWRR 1986, 877 unter 3 c cc; OLG Schleswig, aaO S. 49 f.; OLG Hamm, aaO; OLG Stuttgart, aaO; MDR 2008, 1091; OLG Celle, MDR 1986, 324; OLG Karlsruhe , aaO; WuM 2012, 666, 668; OLG Hamburg, NJW-RR 1997, 458; OLG Düsseldorf, GE 2006, 647; MDR 2012, 20, 21; OLG München, aaO; OLG Saarbrücken , MDR 2012, 1335, 1336; KG, GE 2001, 1466; ZMR 2010, 956; jeweils mwN; aA AG Fürth (Bayern), aaO; Rinke, ZMR 2003, 13 ff.). Diesen Grundsatz hat das Berufungsgericht beachtet und hat daher zu Recht darauf abgestellt, dass die sachliche Zuständigkeit und die Begründetheit der Räumungs- und Herausgabeklage davon abhängen, ob nach dem zwischen den Parteien geschlossenen Mietvertrag die Wohnnutzung oder die Nutzung zu freiberuflichen Zwecken (Hypnosepraxis) den Schwerpunkt des Vertragsverhältnisses bildet.
27
3. Nicht frei von Rechtsfehlern sind dagegen die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht im Streitfall ein Überwiegen der Wohnnutzung verneint und stattdessen angenommen hat, die Nutzung zu freiberuflichen Zwecken stelle den vorherrschenden Vertragszweck dar.
28
a) Dem Berufungsgericht ist allerdings darin beizupflichten, dass bei der Frage, welche Nutzungsart im Vordergrund steht - wie auch sonst bei Abgrenzung von Geschäfts- und Wohnraummiete (vgl. Senatsurteile vom 15. November 1978 - VIII ZR 14/78, aaO; vom 13. Februar 1985 - VIII ZR 36/84, aaO; OLG Stuttgart, NJW 1986, 322, 323; jeweils mwN) - auf den Vertragszweck abzustellen ist (Senatsurteil vom 16. April 1986 - VIII ZR 60/85, aaO). Überwiegt danach die Nutzung als Wohnraum, ist Wohnraummietrecht anzuwenden. Steht die Vermietung zu Zwecken im Vordergrund, die keinen Wohnraumcharakter haben, ist allgemeines Mietrecht maßgebend (Senatsurteil vom 16. April - VIII ZR 60/85, aaO).
29
b) Bei der Prüfung, ob nach dem Zweck des zwischen den Parteien abgeschlossenen Mietvertrags überwiegend von einer Wohnraummiete oder von einer Nutzung zu freiberuflichen Zwecken (Hypnosepraxis) auszugehen ist, sind dem Berufungsgericht jedoch Rechtsfehler unterlaufen.
30
aa) Welcher Vertragszweck bei Mischmietverhältnissen im Vordergrund steht, ist durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) der getroffenen Vereinbarungen zu ermitteln. Entscheidend ist der wahre, das Rechtsverhältnis prägende Vertragszweck (Senatsurteil vom 16. April 1986 - VIII ZR 60/85, aaO; OLG Düsseldorf , MDR 2012, 20, 21), also die gemeinsamen und übereinstimmenden Vorstellungen der Vertragsparteien darüber, wie das Mietobjekt genutzt werden soll und welche Art der Nutzung im Vordergrund steht (OLG Stuttgart, MDR 2008, 1091; KG, ZMR 2010, 956; OLG Saarbrücken, aaO; OLG Karlsruhe, WuM 2012, 666, 668). Ein hiervon abweichender, im Vertrag nur vorgetäuschter Vertragszweck ist unbeachtlich (Senatsurteil vom 16. April 1986 - VIII ZR 60/85, aaO).
31
bb) Bei der Ermittlung des nach dem wirklichen Willen der Parteien vorherrschenden Vertragszwecks sind alle (auslegungsrelevanten) Umstände des Einzelfalls zu würdigen (Senatsurteil vom 16. April 1986 - VIII ZR 60/85, aaO). Für die Feststellung des nach den vertraglichen Absprachen gewollten Nutzungsschwerpunkts wird der Tatrichter mangels ausdrücklicher Abreden häufig auf Indizien zurückgreifen müssen.
32
(1) Dabei lassen sich keine festen Regeln aufstellen. Insbesondere lässt der Umstand, dass die Vermietung nicht nur zu Wohnzwecken, sondern auch zur Ausübung einer gewerblichen/freiberuflichen Tätigkeit vorgenommen wird, durch die der Mieter seinen Lebensunterhalt bestreitet, keine tragfähigen Rückschlüsse auf einen im Bereich der Geschäftsraummiete liegenden Vertragsschwerpunkt zu.
33
(a) Zwar hat der Senat in seinem Urteil vom 16. April 1986 (VIII ZR 60/85, aaO) ausgeführt, wenn ein Einfamilienhaus einem Rechtsanwalt zur Nutzung als Kanzlei und zugleich als Wohnung überlassen werde, sei im Allgemeinen anzunehmen, dass die Vermietung in erster Linie zu gewerblichen Zwecken vorgenommen werde. Dies gelte selbst für den Fall, dass die für den Betrieb der Kanzlei zur Verfügung stehende Fläche des Hauses geringer sei als die für Wohnzwecke gedachte. Denn die Kanzlei sei für den Rechtsanwalt die Stätte, ohne die er im Allgemeinen seine Berufstätigkeit nicht ausüben und die Geldmittel erwerben könne, die er benötige, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten , zu denen auch die Miete für die Wohnung gehöre. Der Vermieter könne im Allgemeinen eine höhere Miete für sein Haus verlangen, wenn er es nicht ausschließlich zu Wohnzwecken, sondern zugleich auch zum Betrieb der Anwaltskanzlei des Mieters vermiete. Die Größe der vermieteten Flächen spiele nur eine untergeordnete Rolle, es sei denn, die Fläche, die zur Benutzung als Wohnung zur Verfügung stehe, überwiege die Fläche, die zur Nutzung als Kanzlei in Betracht komme, derart, das der für die Kanzlei zur Verfügung stehenden nur eine geringe Bedeutung zukomme.
34
(b) An diesem Abgrenzungskriterium, das der Senat zur Beurteilung der Anwendbarkeit des Miethöheregelungsgesetzes (MHRG) entwickelt hat (Urteil vom 16. April 1986 - VIII ZR 60/85, aaO), hält der Senat nicht fest. Das Bestreiten des Lebensunterhalts als vorrangiges Kriterium für das Vorliegen eines gewerblichen Nutzungsschwerpunkts ist im Hinblick auf die weitgefasste Formulierung im Senatsurteil vom 16. April 1986 ("im Allgemeinen") von den Instanzgerichten und vom Schrifttum als verallgemeinerungsfähiger Grundsatz aufgefasst worden (vgl. KG, GE 1995, 1205 f.; OLG Köln, ZMR 2001, 963, 965; OLG Stuttgart, MDR 2008, 1091; OLG Saarbrücken, aaO; LG Frankfurt am Main, aaO Rn. 30 f.; LG Hamburg, WuM 1993, 36; Staudinger/Emmerich, BGB, Neubearb. 2011, Vorbem. zu § 535 Rn. 28; MünchKommBGB/Bieber, 6. Aufl., § 549 Rn. 6; Erman/Lützenkirchen, BGB, 13. Aufl., Vor § 535 Rn. 15; SchmidtFutterer /Börstinghaus, Mietrecht, 11. Aufl., Vor §§ 557 - 557b BGB Rn. 25; BeckOK-BGB/Ehlert, Stand: 1. Mai 2014, § 549 Rn. 10 mwN). Dieser Gesichtspunkt stellt jedoch kein sachgerechtes Unterscheidungskriterium dar (LG Köln, WuM 1988, 313, 314 f.; LG Berlin, WuM 1988, 22; AG Fürth (Bayern), aaO; Bühler, ZMR 2010, 897, 908 ff.; MünchKommBGB/Häublein, aaO, § 573 Rn. 22 mwN; Schmidt-Futterer/Blank, aaO, Vor § 535 BGB Rn. 109 mwN).
35
(c) Ein allgemeiner Erfahrungssatz, dass bei einem Mischmietverhältnis die Schaffung einer Erwerbsgrundlage Vorrang vor der Wohnnutzung hat, besteht nicht (vgl. LG Köln, aaO; LG Berlin, aaO; AG Fürth (Bayern), aaO; Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl., Rn. VI 13; Bühler, aaO; MünchKommBGB/Häublein, aaO). Dass das Wohnen als wesentlicher Aspekt des täglichen Lebens generell hinter der Erwerbstätigkeit des Mieters zurücktreten soll, lässt sich weder mit der Bedeutung der Wohnung als Ort der Verwirklichung privater Lebensvorstellungen noch mit dem Stellenwert, dem das Wohnen in der heutigen Gesellschaft zukommt, in Einklang bringen.
36
Die Nutzung zu Wohnzwecken dient dazu, dem Mieter die Verwirklichung seiner privaten Lebensvorstellungen zu ermöglichen. Die Wohnung ist für jedermann regelmäßig der Mittelpunkt der privaten Existenz (BVerfG, NJW 1993, 2035). Der einzelne ist auf ihren Gebrauch zur Befriedigung elementarer Lebensbedürfnisse sowie zur Sicherung seiner Freiheit und zur Entfaltung seiner Persönlichkeit angewiesen (BVerfG, aaO). Im Falle der Anmietung von Wohnraum erfüllt das Besitzrecht des Mieters Funktionen, wie sie typischerweise dem Sacheigentum zukommen, und stellt daher eine privatrechtliche Position dar, die den Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG genießt (BVerfG, aaO S. 2035 f.; vgl. auch BVerfG, WuM 2011, 355, 356 f.). Die Wohnung bildet letztlich die Stätte, die der Mieter im Allgemeinen benötigt, um die Kraft und Energie für die Ausübung seiner Berufstätigkeit gewinnen zu können (Bühler, aaO S. 909 mwN). Es lässt sich damit nicht sagen, dass die gewerbliche/freiberufliche Nutzung bei Mischmietverhältnissen generell überwiegt. Umgekehrt lässt sich auch kein Erfahrungssatz aufstellen, dass die Wohnungsnutzung im Allgemeinen Vorrang vor der Nutzung zu gewerblichen/freiberuflichen Zwecken hat (Bühler, aaO S. 910 f.).
37
(2) Für die Ermittlung des nach dem Willen der Parteien vorherrschenden Vertragszwecks ist beim Fehlen ausdrücklicher Regelungen auf objektive (äußerliche ) Umstände zurückzugreifen, sofern diese tragfähige Anhaltspunkte für den Parteiwillen bilden. Als Indiz kommt etwa - je nach Fallgestaltung - die Ver- wendung eines auf eine der beiden Nutzungsarten (Geschäftsraum- oder Wohnraummiete) zugeschnittenen Vertragsformulars in Betracht (OLG Hamburg , ZMR 1995, 120, 121; OLG Düsseldorf, GE 2006, 647; OLG Stuttgart, MDR 2008, 1091; OLG Celle, ZMR 1999, 469, 470; LG Berlin, aaO; Erman /Lützenkirchen, aaO; Schmidt-Futterer/Blank, aaO; Sternel, aaO Rn. VI 12). Dabei können nicht nur der Inhalt der darin enthaltenen Regelungen (KG, ZMR 2010, 956, 957; OLG München, OLGR München 2003, 82; ZMR 2007, 119, 120; OLG Celle, aaO; LG Hamburg, WuM 1988, 406; LG Berlin, aaO) oder - unter Umständen - die Bezeichnung des Mietverhältnisses in der Überschrift Bedeutung gewinnen (vgl. KG, aaO; OLG München, ZMR 1995, 295, 296; OLG Düsseldorf, NZM 2002, 739, 740; OLG Karlsruhe, WuM 2012, 666, 668 und OLG Köln, Urteil vom 21. Juni 2005 - 22 U 8/05, juris Rn. 9 einerseits und OLG Stuttgart, aaO; OLG München, ZMR 2010, 962 andererseits), sondern auch der Aufbau der vertraglichen Regelungen (Wohnraumnutzung oder Gewerberaumnutzung als Zusatz oder Anhang zu den übrigen Vertragsregelungen [vgl. OLG Köln, ZMR 2001, 963; OLG Saarbrücken, Urteil vom 21. Juni 2012 - 8 U 451/11, juris Rn. 23, insoweit in MDR 2012, 1335 nicht abgedruckt; MünchKommBGB /Häublein, aaO]).
38
Indizwirkung kann auch dem Verhältnis der für eine gewerbliche /freiberufliche Nutzung vorgesehenen Flächen und der für Wohnzwecke bestimmten Flächen zukommen (Senatsurteil vom 16. April 1986 - VIII ZR 60/85, aaO; OLG Karlsruhe, MDR 2012, 1401; KG aaO; OLG Düsseldorf, GE 2006, 647 mwN; OLG Schleswig, aaO; OLG Hamm, aaO; LG Berlin, MM 2002, 383; LG München, Urteil vom 14. November 2006 - 3 O 7669/06, juris Rn. 20; MünchKommBGB/Häublein, aaO; Staudinger/Emmerich, aaO Rn. 27 mwN; Schmidt-Futterer/Blank, aaO). Entsprechendes gilt - falls die Miete für die verschiedenen Nutzungen gesondert ausgewiesen ist - für die Verteilung der Gesamtmiete auf die einzelnen Nutzungsanteile (vgl. OLG Düsseldorf, GE 2006, 647; OLG Hamm, aaO; LG Berlin, WuM 1988, 22; Palandt/Weidenkaff, BGB, 73. Aufl., Einf. v. § 535 Rn. 101 f.; MünchKommBGB/Häublein, aaO; Staudinger/Emmerich, aaO mwN; Schmidt-Futterer/Blank, aaO), wobei allerdings zu berücksichtigen ist, dass für Gewerberäume regelmäßig eine höhere Miete entrichtet wird (LG Köln, MDR 1988, 1061; MünchKommBGB/Häublein, aaO). Auch die baulichen Gegebenheiten (Zuschnitt, Einrichtung etc.) können gegebenenfalls Rückschlüsse auf einen von den Parteien gewollten Vorrang einer Nutzungsart zulassen (OLG Saarbrücken, aaO Rn. 24; OLG Hamm, aaO S. 12; LG München, aaO; Bühler, aaO S. 916). Ein Indiz für das Überwiegen eines Nutzungsanteils kann sich auch aus Umständen im Vorfeld des Vertragsschlusses (OLG München, ZMR 1995, 295, 296) oder aus einem nachträglichen Verhalten der Parteien - soweit dieses Rückschlüsse auf den übereinstimmenden Willen bei Vertragsschluss zulässt - ergeben (OLG Karlsruhe, aaO). Die aufgeführten Indizien sind nicht abschließend. Es obliegt dem Tatrichter, auf der Grundlage der Einzelfallumstände zu beurteilen, ob Indizien vorliegen, die einen tragfähigen Rückschluss auf den übereinstimmenden Parteiwillen über den Nutzungsschwerpunkt zulassen, und diese zu gewichten.
39
(3) Lässt sich bei der gebotenen Einzelfallprüfung ein Überwiegen der gewerblichen Nutzung nicht feststellen (also auch bei einer Gleichwertigkeit beider Nutzungen), ist von der Geltung der Vorschriften der Wohnraummiete auszugehen (OLG Stuttgart, NJW 1986, 322, 323; LGFrankfurt am Main, aaO Rn. 51; LG Berlin, MM 1990, 347; LG Hamburg, aaO; MünchKommBGB /Häublein, aaO; MünchKommBGB/Bieber, aaO; Staudinger/ Emmerich, aaO Rn. 29; Bamberger/Roth/Ehlert, BGB, 3. Aufl., § 535 Rn. 122a; Schmidt-Futterer/Blank, aaO; Sternel, aaO; Bühler, aaO S. 918; offengelassen im Senatsurteil vom 16. April 1986 - VIII ZR 60/85, aaO). Denn ansonsten würden die zum Schutz des Wohnraummieters bestehenden zwingenden Sonderregelungen , insbesondere die eingeschränkten Kündigungsmöglichkeiten des Vermieters (§§ 573, 543, 569 BGB) und die ausschließliche sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts (§ 23 Nr. 2a GVG), unterlaufen.
40
cc) Das Berufungsgericht hat das zwischen den Parteien begründete Mischmietverhältnis in Anlehnung an das Senatsurteil vom 16. April 1986 (VIII ZR 60/85, aaO) deswegen dem Gewerberaummietrecht unterstellt, weil die Beklagten mit dem Betrieb einer freiberuflichen Hypnosepraxis in den Erdgeschossräumen des angemieteten Hauses ihren Lebensunterhalt bestritten, und hat die weiteren Umstände des Streitfalls für die Auslegung als unergiebig erachtet. Diese Beurteilung ist, wie die Revision zu Recht rügt, rechtsfehlerhaft.
41
(1) Bei der im Streitfall erfolgten Übereinkunft der Parteien über die vertraglichen Nutzungszwecke und ihres Schwerpunkts handelt es sich - was der Senat selbst beurteilen kann, weil weitere Feststellungen nicht in Betracht kommen - um eine Individualvereinbarung. Dem steht nicht entgegen, dass die Parteien den Vertrag unter Verwendung eines Vertragsformulars geschlossen haben. Denn die Berechtigung der Beklagten, das Haus nicht nur zu Wohnzwecken , sondern auch zum Betrieb einer Hypnosepraxis zu nutzen, wurde als gesonderte Abrede individuell vereinbart (§ 19 Abs. 3 des Mietvertrags sowie Anlage zum Mietvertrag).
42
Die tatrichterliche Auslegung einer Individualvereinbarung kann vom Revisionsgericht zwar nur daraufhin überprüft werden, ob der Auslegungsstoff vollständig berücksichtigt ist, gesetzliche Auslegungsregeln, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt sind oder wesentlicher Auslegungsstoff außer Acht gelassen worden ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 21. April 1997 - VIII ZR 212/96, BGHZ 135, 269, 273; vom 26. Oktober 2009 - II ZR 222/08, WM 2009, 2321 Rn. 18; vom 5. Juni 2013 - VIII ZR 287/12, NJW 2013, 2417 Rn. 16). Einer an diesem Maßstab ausgerichteten Prüfung hält die Auslegung des Berufungsgerichts jedoch nicht stand.
43
(2) Das Berufungsgericht hat den Schwerpunkt der Nutzung vorliegend in der Geschäftsraummiete gesehen, weil die Beklagten mit dem ihnen bei Vertragsschluss gestatteten Betrieb einer Hypnosepraxis in den Erdgeschossräumen des angemieteten Hauses ihren Lebensunterhalt verdienten. Es hat damit - wie oben (unter II 3 b bb (1)) ausgeführt - ein Kriterium zugrunde gelegt, das für die Ermittlung des überwiegenden Vertragszwecks nicht sachgerecht ist. Außerdem hat es die Aspekte des Streitfalles, die für einen Schwerpunkt in der Wohnraummiete sprechen, - in Abweichung vom Urteil des Landgerichts - durchweg für unergiebig gehalten und dabei den Inhalt der getroffenen Vereinbarungen nicht vollständig ausgeschöpft.
44
(3) Bei der gebotenen Berücksichtigung aller Umstände des Streitfalls liegt der Schwerpunkt des zwischen den Parteien bestehenden Mischmietverhältnisses auf der Wohnnutzung. Diese Auslegung kann der Senat selbst vornehmen , weil weitere Feststellungen nicht in Betracht kommen.
45
(a) Für ein Überwiegen der Wohnraumnutzung sprechen vorliegend vor allem der Inhalt und Aufbau der getroffenen Vereinbarungen.
46
Die Parteien haben das auf eine Wohnraummiete zugeschnittene Mietvertragsformular Nr. 545 des R. -Verlags ("Vertrag für die Vermietung eines Hauses") und nicht die vom R. -Verlag ebenfalls angebotenen Formulare über die Anmietung von Gewerberäumen verwendet. Dies stellt zwar allein noch kein belastbares Indiz dafür dar, dass die Parteien die Wohnnutzung als vorherrschend angesehen haben. Denn die Verwendung dieses Formulars kann - wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - auch deswegen erfolgt sein, weil der R. -Verlag für die Anmietung eines Hauses nur das Formular 545 an- bietet. Hinzu kommt jedoch - und dies ist letztlich maßgebend -, dass nahezu alle in der Mietvertragsurkunde getroffenen Regelungen mit Ausnahme der unter § 19 Ziffer 3 des Vertrags handschriftlich eingefügten Gestattung der Einrichtung einer Hypnosepraxis an typischerweise für Wohnraummietverhältnisse vereinbarten Bedingungen ausgerichtet sind.
47
Dies wird vor allem bei der Vertragslaufzeit deutlich. Das Mietverhältnis wurde auf unbestimmte Zeit geschlossen. Eine solche Laufzeit ist bei der Anmietung von Geschäftsräumen unüblich. Hier wird in aller Regel - wie dies auch handelsübliche Gewerberaummietvertragsformulare vorsehen - ein befristeter Mietvertrag mit Verlängerungsoption des Mieters abgeschlossen, um diesem einerseits Planungssicherheit (Ausschluss der ordentlichen Kündigung des Vermieters) zu gewähren und ihm andererseits die Möglichkeit zu eröffnen, im Falle wirtschaftlicher Schwierigkeiten das Mietverhältnis in absehbarer Zeit auflösen zu können.
48
Für das Überwiegen der Wohnnutzung spricht weiter der Umstand, dass die freiberufliche Nutzung als Hypnosepraxis in dem umfangreichen Vertragsformular nicht - insbesondere nicht an exponierter Stelle - als vereinbarter Vertragszweck aufgeführt worden ist, sondern nur zum Schluss in einem einzigen Satz (§ 19 Abs. 3) erwähnt wird und auch dort nur die Rede davon ist, dass "den Mietern (…) die Einrichtung einer Hypnosepraxis in den Räumen des EG vorbehaltlich der erforderlichen behördlichen Genehmigung gestattet" wird. Diese Formulierung korrespondiert - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - mit § 7 des Mietvertrags, der eine von der Wohnnutzung abweichende Nutzung von der Einwilligung des Vermieters abhängig macht. Auch in der Anlage zum Mietvertrag, der eine voll beschriebene Seite umfasst, finden sich nur zwei Sätze zur Nutzung der Erdgeschossräume als Hypnosepraxis ("Die Mieter nutzen die Räume im Erdgeschoss des Hauses für ihre freiberufliche Tätigkeit im Rahmen einer Hypnosepraxis"; "Den Mietern wird eingeräumt, auf eigene Kosten […] ein Schild für ihre Praxis sowie eine Türsprechanlage anzubrin- gen"). Weitere gesonderte Regelungen zur Nutzung des Hauses zu freiberuflichen Zwecken (insbesondere zu der Praxiseinrichtung) sind in beiden Schriftstücken nicht enthalten.
49
Gegen einen auf der Geschäftsraummiete liegenden Schwerpunkt des Vertrags spricht auch, dass die Miete im Vertragsformular einheitlich festgesetzt worden ist; es ist weder ein Mietaufschlag für die zusätzliche Nutzung zu freiberuflichen Zwecken ausgewiesen noch ist eine Regelung über eine Umsatzsteuerpflicht aufgenommen worden. Weitere Indizien für ein Überwiegen der Wohnraummiete sind - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - die Regelungen zur Leistung einer Kaution von drei Monatsmieten, die an der zulässigen Höchstgrenze des § 551 BGB ausgerichtetist, und die Kleinreparaturregelung. Die Parteien haben auch insoweit keine Modifikationen oder Ergänzungen der auf die Wohnraummiete zugeschnittenen Regelungen vorgenommen.
50
(b) Das Verhältnis der auf die jeweiligen Nutzungszwecke entfallenden Flächenanteile spricht ebenfalls nicht für ein Überwiegen der freiberuflichen Nutzung. Denn nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts sind die nach den im Mietvertrag getroffenen Vereinbarungen auf die beiden Nutzungsarten entfallenden Flächen gleich groß. Soweit die Revisionserwiderung demgegenüber geltend macht, die Beklagten hätten im Verlauf des Mietverhältnisses auch mindestens zwei Räume im Obergeschoss oder sogar das gesamte Haus zum Betrieb der Hypnosepraxis genutzt, ist dies aus Rechtsgründen unerheblich. Denn für die rechtliche Einordnung eines Mischmietverhältnisses, also für die Beurteilung, welcher Vertragszweck überwiegt, ist - sofern keine Vertragsänderung erfolgt ist - ausschließlich auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abzustellen. Jede andere Sichtweise würde dazu führen, dass die rechtliche Bewertung eines Mietverhältnisses von dem tatsächlichen (gegebenenfalls vertragswidrigen) Nutzungsverhalten des Mieters und nicht von den getroffenen Vereinbarungen abhinge. Im Streitfall ist nicht davon auszugehen, dass die Parteien vom Inhalt des schriftlichen Mietvertrags abweichende Abreden zur Nutzung des Mietobjekts getroffen haben. Die Revisionserwiderung erwägt zwar eine von der Vertragsurkunde abweichende beiderseitige Übereinkunft beziehungsweise eine konkludente Vertragsänderung. Sie zeigt aber keinen übergangenen Sachvortrag in den Tatsacheninstanzen auf, aus dem ein Zustandekommen entsprechender Vereinbarungen abzuleiten wäre.
51
(c) Weiter sprechen gegen ein Übergewicht der freiberuflichen Nutzung das Verhalten der Kläger im Vorfeld des Vertragsschlusses ("Fragebogen zur Wohnungsbewerbung") und ihr auf Eigenbedarf (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB) gestütztes und mit einer Widerspruchsbelehrung versehenes erstes Kündigungsschreiben vom 29. Juli 2009. Zwar handelt es sich hierbei - wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat - um ambivalente Indizien. Sie bestätigen aber das aufgrund der übrigen Umstände des Streitfalls gewonnene Bild eines Mietverhältnisses , dessen Schwerpunkt auf der Wohnraummiete liegt.

III.

52
Nach alledem hätte sich das Berufungsgericht einer Entscheidung in der Sache enthalten müssen. Das angefochtene Urteil hat keinen Bestand; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Auf den erstmals in der Berufungsinstanz von den Klägern hilfsweise gestellten Antrag ist der Rechtsstreit gemäß § 281 Abs. 1 ZPO - unter Aufhebung des rechtsfehlerfrei ergangenen Urteils des Landgerichts - an das sachlich und örtlich zuständige Amtsgericht Wedding zu verweisen (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juli 1953 - II ZR 127/52, BGHZ 10, 155, 163; vom 23. Februar 1955 - VI ZR 28/54, BGHZ 16, 339, 345; BGH, Beschluss vom 15. Juni 1988 - I ARZ 331/88, NJW-RR 1988, 1405 unter [II]; jeweils mwN). Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Fetzer Dr. Bünger Kosziol
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 30.11.2012 - 12 O 268/12 -
KG Berlin, Entscheidung vom 12.08.2013 - 8 U 3/13 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 222/11 Verkündet am:
12. Oktober 2012
Weschenfelder
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. Oktober 2012 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann und die
Richter Dr. Lemke, Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, Dr. Czub und Dr. Kazele

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 2. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 2. September 2011 aufgehoben und das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Bremen vom 2. Juli 2010 abgeändert: Die Klage wird abgewiesen.
Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an die Beklagte 124.754,93 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 25. März 2009 zu zahlen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Mit notariellem Erbteilskaufvertrag vom 2. Februar 1998 verkaufte die Klägerin ihren Anteil an einer ungeteilten Erbengemeinschaft an die beklagte Bauträgerin. Der Nachlass bestand zu dieser Zeit nur aus unbebauten Grundstücken in der O. bei B. . In der Vorbemerkung des Vertrages heißt es: „Der durch den nachstehenden Erbteilskaufvertrag mitverkaufte Grundbesitz liegt im Gebiet der „O. “. Die Deputation für das Bau- wesen hat die Durchführung von Voruntersuchungen für diesen städtebaulichen Entwicklungsbereich gem. § 165 Abs. 4 BauGB beschlossen. Die Vertragsparteien gehen davon aus, dass die Stadtgemeinde B. nach Abschluss der Voruntersuchungen die förmliche Feststellung des städtebaulichen Entwicklungsbereichs als Satzung beschließen oder einen Bebauungsplan aufstellen wird. Die Käuferin beabsichtigt, den durch den Erbteilsverkauf mitverkauften Grundbesitz, soweit dieser im Rahmen der für den städtebaulichen Entwicklungsbereich aufzustellenden Bebauungspläne als Bauland ausge- wiesen wird, zu bebauen (Wohnungsbau). …“
2
Der Vertrag wurde unter einer aufschiebenden Bedingung geschlossen. § 9 lautet auszugsweise wie folgt: „1. Bedingung dieses Kaufvertrages ist, daß - die Stadtgemeinde B. die „O. “ förmlich als städtebau- lichen Entwicklungsbereich zum 31.12.2000 ausgewiesen hat oder - der durch den Erwerb des Kaufobjekts verbundene Grundbesitz um mehr als die Hälfte der Fläche in dem aufzustellenden Entwicklungsbereich liegt oder - der durch den Erwerb des Kaufobjekts verbundene Grundbesitz bis zum 31.12.2000 mit mehr als der Hälfte seiner Fläche in dem gem. § 166 BauGB aufzustellenden Bebauungsplan ausgewiesen ist oder Planreife erreicht hat, die rechtlich die Erteilung von Baugenehmigungen zur Errichtung von Wohnbauvorhaben ermöglicht. 2. Die Vertragsbedingung ist auch dann eingetreten, wenn ohne förmli- che Ausweisung der „O. “ als städtebaulicher Entwicklungs- bereich bezogen auf die im vorliegenden Vertrag unter § 1 aufgeführten Grundstücke ein Beschluß über die Aufstellung eines Bebauungsplans und Planreife vorliegt oder eine solche vor Bescheid in Aussicht gestellt ist.
… 5. Sollte die Vertragsbedingung bis zum 31.12.2000 nicht vorliegen, so tritt die Vertragsbedingung, unter der dieser Vertrag geschlossen worden ist, endgültig nicht ein. Der Kaufvertrag wird mit Fristablauf unwirksam, es sei denn, die Parteien vereinbaren eine andere Regelung oder die Käuferin hinterlegt den Kaufpreis innerhalb der Bedingungsfrist auf Notaranderkonto; in diesem Fall wird der Kaufvertrag ohne weitere Berücksichtigung der Vertragsbedingung durchgeführt. Die Parteien sind sich darüber einig, daß die Vertragsfrist angemessen verlängert wird, falls das zuständige Stadtplanungsamt den Bebauungsplan kurzfristig in Aussicht stellt oder eine Bauerlaubnis im Genehmigungsverfahren steht.“
3
Der Kaufpreis sollte eine näher bestimmte Quote des von der Stadtgemeinde B. festzusetzenden Anfangswertes sein und für den Fall, dass ein Bebauungsplan ohne vorherige Ausweisung eines städtebaulichen Entwicklungsbereichs aufgestellt würde, durch ein Verkehrswertgutachten des Gutachterausschusses des Kataster- und Vermessungsamtes B. ermittelt werden. Die Beklagte verpflichtete sich, der Klägerin einen monatlichen Vorschuss von 2.000 DM zu zahlen, und zwar erstmals an dem auf die Beurkundung des Kaufvertrages folgenden Monatsersten. Dieser Betrag sollte zur Hälfte auf den endgültigen Kaufpreis angerechnet werden. Der Restkaufpreis sollte zu einem näher bestimmten Zeitpunkt, frühestens jedoch einen Monat „nach Eintritt der Baureife, d.h. Eintritt der rechtlichen Voraussetzungen für die Erteilung von Baugenehmigungen für den gesamten verkauften Grundbesitz, soweit dieser nicht für öffentliche Zwecke … festgesetzt ist“, fällig sein.
4
Durch Ortsgesetz wurde die O. Anfang 1999 als städtebaulicher Entwicklungsbereich ausgewiesen, nachdem zuvor ein Planaufstellungsbeschluss zur Änderung des Flächennutzungsplans gefasst worden war. Ein Bebauungsplan für das Gebiet wurde nicht aufgestellt. Ein gegen das Ortsge- setz gerichteter Normenkontrollantrag wurde im September 2000 durch das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. Eine rechtskräftige Entscheidung über diesen Antrag lag nach wiederholter Aufhebung von Gerichtsentscheidungen durch das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2008 noch nicht vor. Nachdem sich mittlerweile auf politischer Ebene die Auffassung durchgesetzt hatte, dass die O. nicht bebaut werden solle, wurde im Oktober 2009 durch ein Ortsgesetz deren förmliche Ausweisung als städtebaulicher Entwicklungsbereich aufgehoben. Die Beklagte zahlte bis einschließlich Februar 2008 jeden Monat den vereinbarten Vorschuss an die Klägerin.
5
Die Klägerin verlangt mit ihrer Klage die Zahlung des monatlichen Vorschusses für den Zeitraum von März 2008 bis Januar 2010. Die Beklagte begehrt widerklagend die Rückzahlung der an die Klägerin geleisteten Beträge von insgesamt 124.754,93 €. Die Vorinstanzen haben der Klage im Wesentlichen stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag und die Widerklage weiter. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:


I.


6
Das Berufungsgericht meint, die aufschiebende Bedingung für die Wirksamkeit des Vertrages sei eingetreten, weil die O. 1999 durch Ortsgesetz als städtebaulicher Entwicklungsbereich ausgewiesen worden sei. Eine Rechtsbeständigkeit dieses Gesetzes sei nicht Vorausset- zung für den Bedingungseintritt gewesen. Allerdings enthalte der Vertrag keine Regelung für den eingetretenen Fall, dass die Voraussetzungen für den Bedingungseintritt 10 Jahre später wieder entfallen seien. Alle Vertragspassagen gingen davon aus, dass, sollten die rechtlichen Grundvoraussetzungen bis zum 31. Dezember 2000 eingetreten sein, in einem nicht auf unabsehbare Ferne hinausgeschobenen Zeitfenster die Beklagte auch würde bauen können. Die erforderliche ergänzende Auslegung des Vertrages führe zu dem Ergebnis, dass die Beklagte an ihrer Erwerbspflicht festzuhalten sei, weil das von den Parteien grundsätzlich gesehene Risiko der Unbebaubarkeit ihr nach dem Vertrag in einem nur begrenzten Umfang abgenommen worden sei. Der Vertrag biete keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass abweichend von dem Grundsatz, nach dem der Gläubiger das Risiko der Verwertbarkeit des mangelfreien Kaufgegenstandes zu tragen habe, die Parteien einen Wegfall der Erwerbspflicht bei Rückerstattung der geleisteten Zahlungen oder eines Teils davon vereinbart hätten, hätten sie den jetzt eingetretenen Fall bedacht. Da die Klägerin ihren mittlerweile fälligen Kaufpreisanspruch nicht geltend mache, komme es auf dessen exakte Höhe nicht an. Die eingeklagten Vorschusszahlungen überstiegen ihn jedenfalls nicht.

II.


7
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag nicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung entnommen werden, dass die ersatzlose Aufhebung des Ortsgesetzes über die Ausweisung der O. als städtebaulicher Entwicklungsbereich in die Risikosphäre der Beklagten fallen und daher die Wirksamkeit des Vertrages unberührt lassen sollte.
8
Zwar gehört die ergänzende Vertragsauslegung grundsätzlich in den Bereich tatrichterlicher Feststellungen und ist deshalb revisionsrechtlich nur darauf nachprüfbar, ob das Berufungsgericht Auslegungs- und Ergänzungsregeln oder Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt oder wesentliche Umstände unbeachtet gelassen hat (Senat, Urteil vom 30. März 1990 – V ZR 113/89, BGHZ 111, 110, 115; Urteil vom 12. Dezember 1997 – V ZR 250/96, NJW 1998, 1219, 1220; BGH, Urteil vom 17. April 2002 – VIII ZR 297/01, NJW 2002, 2310). Dies ist hier aber der Fall.
9
1. Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings von dem Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke und damit von der Notwendigkeit einer ergänzenden Vertragsauslegung aus. Die planwidrige Vertragslücke ist dadurch gekennzeichnet, dass die Parteien mit der getroffenen Regelung ein bestimmtes Ziel erreichen wollten, dies aber wegen der Lückenhaftigkeit des Vereinbarten nicht gelungen ist. Die Lücke muss nicht von Anfang an bestanden haben, sie kann auch, was hier allein in Frage kommt, infolge nachträglicher Umstände eingetreten sein (Senat, Versäumnisurteil vom 14. November 2003 – V ZR 346/02, NJW-RR 2004, 554, Rn. 6; Urteil vom 2. Juli 2004 – V ZR 209/03, NJW-RR 2005, 205, 206 Rn. 14).
10
Ohne Rechtsfehler und von den Parteien unbeanstandet nimmt das Berufungsgericht an, dass die Parteien die Möglichkeit der eingetretenen Situation bei Vertragsschluss nicht bedacht, sondern angenommen haben, bei Schaffung der planungsrechtlichen Grundvoraussetzungen bis Ende 2000 werde die Beklagte in absehbarer Zeit bauen können.
11
2. Dagegen beruht die von dem Berufungsgericht vorgenommene Lückenfüllung auf Rechtsfehlern.
12
a) Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichthofs ist bei der ergänzenden Auslegung darauf abzustellen, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn sie den von ihnen nicht geregelten Fall bedacht hätten (Senat, Urteil vom 6. Oktober 2006 – V ZR 20/06, BGHZ 169, 215, 219 Rn. 11). Dabei ist zunächst an den Vertrag selbst anzuknüpfen; die darin enthaltenen Regelungen und Wertungen, sein Sinn und Zweck sind Ausgangspunkt der Vertragsergänzung. Sie findet ihre Grenze an dem im - wenn auch lückenhaften - Vertrag zum Ausdruck gekommenen Parteiwillen; sie darf daher nicht zu einer Abänderung oder Erweiterung des Vertragsgegenstandes führen und sie muss in dem Vertrag auch eine Stütze finden (BGH, Urteil vom 25. Juni 1980 – VIII ZR 260/79, BGHZ 77, 301, 304).
13

b) Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht in verschiedener Hinsicht nicht beachtet.
14
Rechtsfehlerhaft stellt es nicht den Willen der Vertragsparteien in den Mittelpunkt seiner Überlegungen, sondern geht bei dem Risiko der Verwertbarkeit des mangelfreien Kaufgegenstandes von der gesetzlichen Risikoverteilung aus. Die ergänzende Vertragsauslegung darf jedoch nicht an dem gesetzlichen Leitbild des jeweiligen Vertragstyps ausgerichtet werden, sondern muss an den hypothetischen rechtsgeschäftlichen Willen der Vertragsparteien anknüpfen. Dieser ist anhand der vertraglichen Regelungen zu ermitteln und im Hinblick auf die auszufüllende Lücke fortzuentwickeln. Hierzu bestand im vorliegenden Fall schon deshalb Anlass, weil viele der Vertragspassagen den Willen der Vertragsparteien nahe legen, dass Gegenstand des - im Rahmen eines Erbteilskaufvertrags vorgenommenen - wirtschaftlichen Austausches nicht Bauerwartungsland , sondern Bauland sein sollte. Wie das Berufungsgericht an anderer Stelle selbst anführt, gehen alle Vertragspassagen davon aus, dass die Be- klagte in absehbarer Zeit würde bauen können, sollten die rechtlichen Grundvoraussetzungen , wie sie in § 9 Nr. 1 des Vertrages beschrieben und in Form der Ausweisung der O. als städtebaulicher Entwicklungsbereich auch eingetreten sind, bis zum Ende des Jahres 2000 vorliegen. Haben die Parteien den Vertrag aber in der sicheren Erwartung der Bebaubarkeit der verkauften Grundstücke geschlossen, drängt es sich auf, dass der Vertrag nach dem hypothetischen Parteiwillen nicht zur Durchführung gelangen sollte, wenn sich diese Erwartung nicht erfüllte.
15
Ein weiterer Rechtsfehler ist dem Berufungsgericht dadurch unterlaufen, dass es meint, der Vertrag biete auch deshalb keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte nicht das Risiko der Verwertung des Kaufgegenstandes übernommen habe, weil es sich bei dieser um eine erfahrene Projektentwicklerin handele, "die ihre endgültige Erwerbspflicht eben nicht von der sicheren Bebaubarkeit bis zu einem bestimmten Zeitpunkt abhängig gemacht und damit vertraglich abgesichert" habe. Hierdurch hat es nämlich von der Vertragslücke - der auf der unterbliebenen Regelung des nunmehr eingetretenen Falls beruhenden fehlenden Absicherung der Beklagten - auf den hypothetischen Willen der Parteien (Übernahme des Risikos durch die Beklagte) geschlossen. Dies verstößt gegen die Denkgesetze; denn aus dem Fehlen einer vertraglichen Regelung kann entweder auf die Regelungslücke oder auf eine (stillschweigende) Risikoverteilung geschlossen werden, nicht aber auf beides gemeinsam.

III.

16
Das Berufungsurteil kann danach keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat hat in der Sache selbst zu entscheiden, weil die Aufhebung des Urteils nur wegen einer Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf den festgestellten Sachverhalt erfolgt und nach letzte- rem die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Der Senat kann die ergänzende Vertragsauslegung aufgrund der seiner Nachprüfung unterliegenden tatsächlichen Grundlagen selbst vornehmen, weil die hierfür erforderlichen Feststellungen getroffen und weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind. Insoweit besteht kein Unterschied zur einfachen Vertragsauslegung (Senat, Versäumnisurteil vom 12. Dezember 1997 - V ZR 250/96, NJW 1998, S. 1219 f.).
17
1. Die Vertragslücke ist in der Weise zu schließen, dass die ersatzlose Aufhebung des Ortsgesetzes, mit dem die O. zunächst als städtebaulicher Entwicklungsbereich ausgewiesen worden war, wie der Nichteintritt der Bedingung im Sinne von § 9 Nr. 1 des Vertrages zu behandeln ist und damit zur Unwirksamkeit des Kaufvertrages führt.
18
Die gesamte Gestaltung des Kaufvertrages ist darauf ausgerichtet, dass die Beklagte über den Erwerb des Erbteils Grundstücke erhält, die innerhalb eines überschaubaren Zeitraums eine bestimmte Bebauung zulassen. Dies ergibt sich nicht nur aus der in § 9 enthaltenen Absicherung. Die Vorbemerkung des Kaufvertrages, die dessen wirtschaftlichen Hintergrund beschreibt, lässt dies ebenso eindeutig erkennen wie die Regelungen über die Höhe und Fälligkeit des Kaufpreises. Auch das Berufungsgericht hebt, wie dargelegt, hervor, alle Vertragspassagen gingen davon aus, dass die Beklagte auch würde bauen können, sollten die rechtlichen Grundvoraussetzungen bis zum 31. Dezember 2000 geschaffen sein.
19
Hätten die Parteien bedacht, dass die Voraussetzungen für den Eintritt der Wirksamkeit des Vertrages wieder entfallen können, so dass der wirtschaftliche Sinn des Vertrages nicht mehr zu realisieren ist, hätten sie als redliche Vertragspartner unter Fortschreibung des vertraglichen Regelungsprogramms vereinbart, dass dieser Fall dem Nichteintritt der aufschiebenden Bedingung gleichsteht. Dies folgt aus den in § 9 enthaltenen Regelungen. Der Umstand, dass die Parteien in bestimmten Fällen eine aufschiebende Bedingung vereinbart haben, lässt den Rückschluss darauf zu, dass sie für das beschriebene Risiko in Bezug auf den Zeitraum nach der förmlichen Ausweisung des städtebaulichen Entwicklungsbereichs auf diese Regelungsform zurückgegriffen hätten. Angesichts des klaren und eindeutigen Willens der Parteien, dass der Beklagten eine bestimmte Bebauung der Grundstücke möglich sein sollte, ist dies die nächstliegende Auslegung. Die Beklagte hatte nach dem gesamten vertraglichen Regelungsprogramm erkennbar kein Interesse an dem Erwerb des Erbteils für den Fall, dass eine Wohnbebauung auf den zu dem Nachlass gehörenden Grundstücken auf unabsehbare Zeit nicht möglich sein würde. Durch die Aufhebung des Ortsgesetzes im Oktober 2009 ist dieser Fall gerade eingetreten. Damit ist der Kaufvertrag so zu behandeln, als sei die Bedingung in § 9 Nr. 1 des Vertrages nie eingetreten.
20
2. Ein Zahlungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte besteht somit nicht. Nach dem im Wege der Vertragsauslegung gewonnenen Ergebnis ist der Kaufvertrag unwirksam. Damit kann die Klägerin die ihr von dem Berufungsgericht auf der Grundlage von § 4 Nr. 2 lit. a) des Vertrages zugesprochenen Vorschusszahlungen nicht mehr verlangen.
21
3. Demgegenüber ist die Widerklage begründet. Der Beklagten steht gegen die Klägerin ein Anspruch auf Rückzahlung der gezahlten Vorschüsse in Höhe von 124.754,93 € zu. Dies ergibt sich aus den im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung entsprechend heranzuziehenden § 4 Nr. 2 lit. a) Absatz 2 Satz 2 und § 10 Nr. 2 des Kaufvertrages. Es ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich , dass die Parteien den jetzt eingetretenen Fall in seinen Folgen anders geregelt hätten als den Fall des Nichteintritts der in § 9 des Vertrages vereinbarten aufschiebenden Bedingung. In § 10 Nr. 2 des Kaufvertrages ist be- stimmt, dass bei Nichteintritt der Vertragsbedingung die Verkäuferin verpflichtet ist, die bis dahin geleistete Anzahlung auf den Kaufpreis zurückzuzahlen. Der Begriff der Anzahlung auf den Kaufpreis findet sich in § 4 Nr. 2 lit. a) Absatz 1 Satz 1 des Vertrages wieder, der einen monatlichen Vorschuss von 2.000 DM nennt. Zwar sind nach § 4 Nr. 2 lit. a) Abs. 2 Satz 1 des Vertrages die „gezahl- ten Kaufpreisraten“ nur zur Hälfte auf den Kaufpreis anzurechnen. Klarstellend folgt jedoch im Rahmen dieser Vertragsklausel der Satz, dass im Fall des Nichteintritts der Vertragsbedingungen gemäß § 9 Nr. 1 die Raten „in voller Höhe“, mithin nicht nurdie auf den endgültigen Kaufpreis anzurechnende Teile , zur Rückzahlung fällig sind. Dies folgt nicht nur aus dem klaren Wortlaut der vertraglichen Regelungen, sondern auch aus dem Sinn und Zweck der lediglich hälftigen Anrechnung. Durch das Hinausschieben der Fälligkeit entging der Klägerin die Möglichkeit den Kaufpreis anzulegen, während die Beklagte die Finanzierung des Kaufpreises ersparte bzw. eigene Anlagemöglichkeiten behielt. Um hier einen Ausgleich herbeizuführen, erfolgte lediglich eine hälftige Anrechnung der monatlichen Zahlungen auf den Kaufpreis. Ist jedoch ein solcher wegen der endgültigen Unwirksamkeit des Vertrages zu keiner Zeit zu entrichten gewesen, gebührt der Klägerin als Verkäuferin auch nicht der auf den Kaufpreis nicht anzurechnende Betrag.
22
Der der Beklagten zugesprochene Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1 Satz 2, 288 Abs. 1, 247 BGB.

IV.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Stresemann Lemke Schmidt-Räntsch
Czub Kazele
Vorinstanzen:
LG Bremen, Entscheidung vom 02.07.2010 - 7 O 51/09 -
OLG Bremen, Entscheidung vom 02.09.2011 - 2 U 99/10 -

Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem

1.
der Anspruch entstanden ist und
2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren

1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und
2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
Maßgeblich ist die früher endende Frist.

(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.

(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.

(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.