Tenor

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 26.05.2015 sowie des diesen Bescheid betreffenden Teils dessen Widerspruchsbescheids vom 13.08.2015 verpflichtet, die in dem von der Klägerin vorgelegten kieferorthopädischen Behandlungsplan vom 13.05.2015 genannten Maßnahmen dem Grunde nach für beihilfefähig anzuerkennen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin, eine zu 50 % beihilfeberechtigte Beamtin im Dienst des beklagten Landes, begehrt die Anerkennung der Beihilfefähigkeit einer kieferorthopädischen Behandlung dem Grunde nach.
Im Oberkiefer der am … 1954 geborenen Klägerin liegt eine Zahnfehlstellung vor mit einer Retroinklination der beiden Vorderzähne 11 und 21 sowie einer Labialkippung und Rotation der Zähne 12 und 22. Zugleich leidet sie an einer craniomandibulären Dysfunktion (CMD).
Mit Schreiben vom 20.05.2015 beantragte die Klägerin gegenüber dem Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg - im Folgenden: Landesamt - die Erklärung der Übernahme der Kosten einer von ihr geplanten kieferorthopädischen Behandlung zur Korrektur der Zahnfehlstellung im Oberkiefer, die sich ausweislich des von ihr vorgelegten kieferorthopädischen Behandlungs- und Kostenplans vom 13.05.2015 auf insgesamt 3.649,65 Euro beliefen.
Mit Bescheid vom 26.05.2015 teilte das Landesamt der Klägerin mit, dass für die Aufwendungen der im Heil- und Kostenplan vom 13.05.2015 geplanten kieferorthopädischen Behandlung keine Beihilfe gewährt werde. Die Voraussetzungen für eine Beihilfefähigkeit für kieferorthopädischen Leistungen lägen nicht vor.
Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch, zu dessen Begründung sie auf eine Stellungnahme des behandelnden Arztes vom 08.06.2015 sowie das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 15.11.2012 - 2 S 1053/12 - verwies. Der Arzt führte u. a. aus, durch die Zahnfehlstellung sei es zu einer Kompression der Kiefergelenke gekommen; die Korrektur der Zahnfehlstellung sei deswegen absolut medizinisch indiziert.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13.08.2015 wies das Landesamt den Widerspruch als unbegründet zurück.
Die Klägerin hat am 10.09.2015 Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen unter Vorlage weiterer ärztlicher Stellungnahmen vorgetragen, die geplante Behandlung sei gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 BVO i. V. m. Nr. 1.2.3 Buchst. b Hs. 2 Alt. 1 der Anlage zur BVO beihilfefähig, weil bei ihr eine schwere Kieferanomalie vorliege und der derzeitige Zustand mit erheblichen Folgeproblemen verbunden sei, die eine Behandlung unbedingt erforderlich machten, um im Hinblick auf eine chronische Schmerzsymptomatik den möglichen Eintritt der Berufsunfähigkeit zu vermeiden. Die Beihilfefähigkeit folge zudem aus Nr. 1.2.3 Buchst. b Hs. 2 Alt. 2 der Anlage zur BVO, denn die Zahnfehlstellung mit erheblichen Folgeproblemen sei erst im erwachsenen Alter erworben worden. Die Kiefergelenkskompression sei erst durch das nächtliche Knirschen und Pressen im Alter von circa 38 Jahren aufgetreten. Nunmehr bestehe eine arthritische Änderung der Kiefergelenke sowie eine chronische Schmerzsymptomatik, die zur Berufsunfähigkeit führen könne; die Ursache für die Behandlungsnotwendigkeit sei erst im Erwachsenenalter aufgetreten. Angesichts des Charakters der Beihilfevorschriften als Konkretisierung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn dürfe die Nr. 1.2.3 der Anlage nicht so ausgelegt werden, dass bereits das Vorliegen einer Zahnfehlstellung im Kindesalter mit geringer Ausprägung zur Ablehnung der Beihilfefähigkeit reichen solle.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 26.05.2015 sowie des diesen Bescheid betreffenden Teils dessen Widerspruchsbescheids vom 13.08.2015 zu verpflichten, die in dem von ihr vorgelegten kieferorthopädischen Behandlungsplan vom 13.05.2015 genannten Maßnahmen dem Grunde nach für beihilfefähig anzuerkennen.
10 
Der Beklagte beantragt,
11 
die Klage abzuweisen.
12 
Er trägt vor, die Voraussetzungen für eine Beihilfefähigkeit der kieferorthopädischen Behandlung lägen nicht vor. Es fehle an einer schweren Kieferanomalie. Den von der Klägerin vorgelegten Bescheinigungen könnten auch nicht mit hinreichender Sicherheit entnommen werden, dass die Zahnfehlstellung mit erheblichen Folgeproblemen verbunden sei. Zudem sei die Fehlstellung wenn auch in einem schwächeren Ausprägungsgrad bereits im Jugendalter vorhanden gewesen.
13 
Die Kammer hat mit Beschluss vom 16.02.2017 ein Sachverständigengutachten zum Bestehen der tatsächlichen Voraussetzungen der Nr. 1.2.3 Buchst. b Hs. 2 Alt. 1 und Alt. 2 der Anlage zur BVO eingeholt. Im dem daraufhin von einem Fachzahnarzt für Kieferorthopädie vorgelegten Gutachten vom 01.07.2017 heißt es insbesondere, bei der Klägerin liege keine schwere Kieferanomalie vor. Bei ihr bestehe eine ausgeprägte CMD mit röntgenologisch diagnostizierten pathologischen Kiefergelenksbefunden. Eine CMD sei als multikausale Erkrankung des stomatognathen Systems zu beurteilen. Inwieweit die vorliegende Zahn- und Kiefergelenksfehlstellung für diese ursächlich sei, lasse sich medizinisch nicht beweisen; umgekehrt könne eine ursächliche Beteiligung wenn auch nur geringen Grades nicht ausgeschlossen werden. Bei der Klägerin bestehe außer der Zahn- und Kieferfehlstellung ein stark geschädigtes Gebiss mit umfangreicher zahnmedizinischer Versorgung in Form von Kronen, Brücken, Implantaten, Wurzelfüllungen etc. All diese könnten für sich potentiell ursächlich für Folgeprobleme sein. Wie hoch unter diesen Bedingungen die Wahrscheinlichkeit zu erwartender Folgeprobleme ursächlich allein durch die vorliegende Zahn- und Kieferfehlstellung sei, lasse sich unmöglich quantifizieren. Die Zahn- und Kieferfehlstellung der Klägerin sei genetisch bedingt. Es könne davon ausgegangen werden, dass sich die Fehlstellung im Alter von 17 Jahren bereits manifestiert habe und sich bereits habe diagnostizieren lassen. Wie weit sie jedoch ausgeprägt gewesen sei und ob zur damaligen Zeit von zahnärztlicher Seite eine Behandlungsindikation gesehen wurde, lasse sich nachträglich nicht belegen. Grundsätzlich könne es auch nach Wachstumsabschluss, zwischen dem 18. und dem 21. Lebensjahr noch zu deutlicher Verstärkung der Ausprägung von Zahn- und Kieferfehlstellung kommen. Die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bereits im Jugendalter vorhandene Fehlstellung hätte bei der Klägerin im Alter von 11 bis 15 Jahren, also im Zeitraum zwischen 1965 und 1969, kieferorthopädisch mit Erfolg behandelt werden können. Die von der Klägerin heute beabsichtigte Behandlung sei ausschließlich medizinisch indiziert. Eine Behandlungsalternative bestehe nicht.
14 
Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 18.09.2017 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
15 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Akten, die gewechselten Schriftsätze sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 01.03.2018, insbesondere die dort erfolgte Anhörung des Sachverständigen, verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf die Anerkennung der Beihilfefähigkeit der von ihr geplanten kieferorthopädischen Behandlung; die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin deshalb in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
A.
17 
Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.04.2015 - 5 C 2.14 - NVwZ-RR 2015, 748; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 26.01.2018 - 2 S 1177/17 - IÖD 2018, 60). Da hier noch keine Aufwendungen entstanden sind, sondern über die Beihilfefähigkeit einer geplanten Maßnahme dem Grunde nach zu entscheiden ist, ist die Verordnung des Finanz- und Wirtschaftsministeriums über die Gewährung von Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen vom 28.07.1995 (Beihilfeverordnung - BVO) in der aktuellen Fassung vom 22.11.2016 (GBl. S. 611) maßgeblich.
18 
Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 BVO sind Aufwendungen für zahnärztliche Leistungen nur nach Maßgabe der Anlage der BVO beihilfefähig. Nach Nr. 1.2.3 Buchst. b Hs. 1 der Anlage zur BVO sind Aufwendungen für kieferorthopädische Leistungen beihilfefähig, wenn die behandelte Person bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Dies gilt gemäß Nr. 1.2.3 Buchst. b Hs. 2 Alt. 1 der Anlage zur BVO nicht bei schweren Kieferanomalien, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordern oder gemäß Nr. 1.2.3 Buchst. b Hs. 2 Alt. 2 der Anlage zur BVO, wenn die Behandlung ausschließlich medizinisch indiziert ist und nicht aus ästhetischen Gründen erfolgt, keine Behandlungsalternative gegeben ist, die Zahnfehlstellung mit erheblichen Folgeproblemen verbunden ist und erst im Erwachsenenalter erworben wurde.
19 
Die Voraussetzungen einer der beiden Ausnahmen von dem Grundsatz der Nr. 1.2.3 Buchst. b Hs. 1 der Anlage zur BVO, dass die kieferorthopädische Behandlung bereits im Jugendalter begonnen worden sein muss, dürften bei der Klägerin zwar nicht vorliegen (I.). Ein Anspruch der Klägerin folgt aber jedenfalls auf Grundlage einer verfassungskonformen und an Sinn und Zweck der Nr. 1.2.3 Buchst. b Hs. 1 der Anlage zur BVO orientierten Auslegung (II.).
I.
20 
Weder die Voraussetzungen der Nr. 1.2.3 Buchst. b Hs. 2 Alt. 1 der Anlage zur BVO (vgl. sogleich 1.) noch die Voraussetzungen der Nr. 1.2.3 Buchst. b Hs. 2 Alt. 2 der Anlage zur BVO (vgl. 2.) dürften gegeben sein.
21 
1. Ein Anspruch aus Nr. 1.2.3 Buchst. b Hs. 2 Alt. 1 der Anlage zur BVO scheidet bereits insoweit aus, als im Fall der Klägerin unstreitig keine kieferchirurgische Behandlung erforderlich ist. Insoweit kann offen bleiben, ob bei ihr – wie teilweise in den von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen vertreten – eine schwere Kieferanomalie vorliegt oder ob dies mit dem gerichtlich eingeholten Gutachten zu verneinen ist.
22 
2. Auch die Voraussetzungen einer Ausnahme nach der Nr. 1.2.3 Buchst. b Hs. 2 Alt. 2 der Anlage zur BVO dürften nicht vorliegen.
23 
Zwar ist die geplante Behandlung nicht ästhetisch, sondern ausschließlich medizinisch indiziert. Denn es besteht nach Ansicht der behandelnden Ärzte und auch nach der in der mündlichen Verhandlung weiter dargelegten Auffassung des gerichtlich bestellten Gutachters eine zumindest nicht fernliegende Möglichkeit, dass durch die Korrektur der Zahnfehlstellung eine weitere Schädigung der Kiefergelenke der Klägerin vermieden wird. Auch ist keine Behandlungsalternative gegeben. Allerdings liegt bei der Klägerin keine Zahnfehlstellung vor, die erst im Erwachsenalter erworben wurde (vgl. a)). Hinzu kommt, dass ein Anspruch nach der Nr. 1.2.3 Buchst. b Hs. 2 Alt. 2 der Anlage zur BVO wohl auch insoweit ausscheidet, als die Zahnfehlstellung nicht mit erheblichen Folgeproblemen im Sinne der Vorschrift verbunden sein dürfte (vgl. b)).
24 
Bei der Vorschrift der Nr. 1.2.3 Buchst. b Hs. 2 Alt. 2 der Anlage zur BVO handelt es sich um eine Kodifizierung des zweiten Leitsatzes des Urteils des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 02.05.2012 - 2 S 2904/10 - (juris), in dem es heißt, die Gewährung einer Beihilfe zu Aufwendungen für eine kieferorthopädische Behandlung Erwachsener könne über die in der (damaligen Fassung der) Anlage der Beihilfeverordnung geregelten Ausnahmen (die heutige Nr. 1.2.3 Buchst. b Hs. 2 Alt. 1 der Anlage zur BVO) hinaus geboten sein, wenn die Behandlung ausschließlich medizinisch indiziert ist und ästhetische Gründe ausgeschlossen werden können, keine Behandlungsalternative vorhanden ist, erhebliche Folgeprobleme (z. B. CMD) bestehen und eine sog. sekundäre Anomalie vorliegt, die erst im Erwachsenenalter erworben wurde. Mit der Vorschrift sollte der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs entsprochen werden; über diese Entscheidung hinausgehende weitere Ausnahmen von dem grundsätzlichen Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für kieferorthopädische Behandlungen Erwachsener sollten ersichtlich nicht geschaffen werden. Die Bestimmung ist mithin einerseits im Lichte dieser Entscheidung, andererseits – wie bei Ausnahmevorschriften nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 21.06.2005 - 2 WD 12.04 - BVerwGE 127, 302) – eng auszulegen.
25 
a) Danach dürfte ein Anspruch nach der Nr. 1.2.3 Buchst. b Hs. 2 Alt. 2 der Anlage zur BVO jedenfalls deswegen ausscheiden, weil die Zahnfehlstellung der Klägerin bereits im Jugendalter vorgelegen hat, bei ihr mithin – anders im Verfahren 2 S 2904/10 – keine sog. sekundäre, sondern eine sog. primäre Anomalie vorliegt.
26 
Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die Zahnfehlstellung der Klägerin genetisch bedingt ist. Nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen, die auch von der Klägerin zuletzt nicht mehr in Abrede gestellt worden sind, hat sich diese auch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bereits im Jugendalter manifestiert, auch wenn unklar ist, in welchem Maße sie bereits damals gegeben war. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Nr. 1.2.3 Buchst. b Hs. 2 Alt. 2 der Anlage zur BVO scheidet damit eine Ausnahme vom grundsätzlichen Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für kieferorthopädische Behandlungen Erwachsener aller Voraussicht nach aus.
27 
Entgegen der Ansicht der Klägerin dürfte nichts Anderes aus einer an der Fürsorgepflicht des Dienstherrn orientierten Auslegung folgen. Denn die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht fordert keine lückenlose Erstattung aller Kosten in Krankheits-, Geburts-, Pflege- oder Todesfällen; insbesondere gebietet die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht grundsätzlich nicht, einem Beamten mehr zu gewährleisten als das, was den Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung als medizinisch gebotene Behandlung garantiert wird (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 07.11.2002 - 2 BvR 1053/98 - BVerfGE 106, 225; BVerwG, Urteil vom 14.12.2017 - 5 C 17.16 - NVwZ-RR 2018, 270). Für die gesetzliche Krankenversicherung sieht § 28 Abs. 2 Satz 6 und 7 SGB V aber lediglich eine der Nr. 1.2.3 Buchst. b Hs. 2 Alt. 1 der Anlage zur BVO entsprechende Ausnahme bei „schweren Kieferanomalien, die ein Ausmaß haben, das kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlungsmaßnahmen erfordert“, vor, die nach ständiger Rechtsprechung der Sozialgerichte keinen verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt (siehe BSG, Urteil vom 09.12.1997 - 1 RK 11/97 - BSGE 81, 245; Thüringer LSG, Urteil vom 30.06.2015 - L 6 KR 1152/13 - juris).
28 
Ebenfalls kein anderes Auslegungsergebnis dürfte unter Berücksichtigung des Urteils des Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg vom 02.05.2012 - 2 S 2904/10 - in Betracht kommen. Denn ausweislich des mit der Nr. 1.2.3 Buchst. b Hs. 2 Alt. 2 der Anlage zur BVO kodifizierten Leitsatzes der Entscheidung war aus Sicht des Verwaltungsgerichtshofs für die Annahme einer Beihilfefähigkeit unter anderem entscheidend, dass die dortige Klägerin (anders als hier) eine sich erst im Erwachsenenalter herausgebildete – offenbar vor allem auf einer Parodontoseproblematik beruhende – sekundäre Anomalie aufwies (vgl. auch a. a. O. juris Rn. 39). Anders als im dortigen Fall wäre der Klägerin im vorliegenden nach den Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen eine Korrektur ihrer Zahnfehlstellung im Jugendalter möglich gewesen, auch wenn unklar bleibt, ob eine solche auch unter Berücksichtigung des Anfang der 1970er Jahre (im Vergleich zu heute) noch wenig entwickelten kieferorthopädischen Behandlungsangebots und der Unklarheit, in welchem Ausmaß sich die Zahnfehlstellung bereits vor dem 18. Geburtstag der Klägerin manifestiert hat, von einem behandelnden Kieferorthopäden als behandlungsbedürftig angesehen worden wäre. Zwar spricht viel dafür, dass die tragende Erwägung, die den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 02.05.2012 - 2 S 2904/10 - dazu bewogen hat, das Vorliegen einer sekundären Anomalie als entscheidend für die Bejahung einer Beihilfefähigkeit anzusehen, im Gedanken der Vorwerfbarkeit liegt; so ist in dem Urteil die Rede davon, ein Kostenersatz solle ausscheiden, wenn der Beamte eine medizinisch notwendige Behandlung gewissermaßen verschleppt habe (so die Rn. 39 des Urteils). Das Fehlen einer Vorwerfbarkeit einer erstmals im Erwachsenenalter beantragten kieferorthopädischen Behandlung ist allerdings nicht Teil der (eng auszulegenden) Beihilfevorschrift der Nr. 1.2.3 Buchst. b Hs. 2 Alt. 2 der Anlage zur BVO geworden und kann damit allein im Rahmen der nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs vorzunehmenden kombinierten verfassungskonformen und teleologischen Auslegung relevant werden (vgl. hierzu unten II.).
29 
b) Unabhängig hiervon dürfte ein Anspruch nach der Nr. 1.2.3 Buchst. b Hs. 2 Alt. 2 der Anlage zur BVO wohl auch insoweit ausscheiden, als die Zahnfehlstellung der Klägerin nicht mit erheblichen Folgeproblemen im Sinne der Vorschrift verbunden sein dürfte.
30 
Nach Ansicht des Gerichts spricht viel dafür, dass das Erfordernis, dass die Zahnfehlstellung mit erheblichen Folgeproblemen verbunden sein muss, nicht dahingehend verstanden werden kann, dass hierfür bereits das Bestehen einer medizinischen Indikation der kieferorthopädischen Behandlung zur Vermeidung erheblicher Folgeprobleme ausreichend sein soll. Wäre es dem Verordnungsgeber darum gegangen, das Vorliegen einer ausschließlich medizinischen Indikation im Hinblick auf die beabsichtigten Behandlungsziele zu qualifizieren, hätte ein anderer Wortlaut der Vorschrift nahegelegen, etwa in dem Sinne, dass „die Behandlung zur Vermeidung oder Behandlung erheblicher Folgeprobleme medizinisch indiziert“ sein müsste. Der vom Verordnungsgeber gewählte Wortlaut spricht aus Sicht des Gerichts eher dafür, dass hier über die bloße medizinische Indikation der Behandlung hinaus eine Beihilfefähigkeit den Nachweis eines Ursachenzusammenhangs zwischen der Zahnfehlstellung und etwaigen Folgeprobleme voraussetzen sollte. Hierfür spricht auch die mit der Vorschrift kodifizierte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 02.05.2012 - 2 S 2904/10 -, die sowohl im Leitsatz wie auch in den Entscheidungsgründen für eine Ausnahme vom Beihilfeausschluss neben der medizinischen Indikation der Behandlung offenbar als entscheidend den Nachweis eines Ursachenzusammenhangs zwischen der Korrektur der Zahnfehlstellung und Behebung der erheblichen Folgeprobleme ansah (vgl. Rn. 38: „Ursache“).
31 
Ein solcher Ursachenzusammenhang besteht hier aber nach den überzeugenden – insbesondere nicht in Widerspruch zur bejahten medizinischen Indikation der Behandlung stehenden – und auch vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht mehr in Frage gestellten Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen nicht. Denn bei der CMD handelt es sich um eine multikausale Erkrankung, für die jedenfalls im Fall der Klägerin (im Vorfeld der Behandlung) nicht der Nachweis erbracht werden kann, dass sie gerade durch die Zahnfehlstellung der Klägerin, und nicht auf andere Ursachen wie beispielsweise die bei ihr bereits in der Vergangenheit vorgenommene umfangreiche zahnmedizinische Versorgung, hervorgerufen wurde. Dass im Fall des Verwaltungsgerichtshofs, in dem die dortige Klägerin ebenfalls Ersatz für die Kosten der Behandlung einer CMD durch eine Zahnkorrektur verlangte, die Beweissituation insoweit eine andere war, als im dortigen Verfahren die Zahnkorrektur bereits durchgeführt worden war und zu einer Behebung der CMD geführt hatte, dürfte kein anderes Auslegungsergebnis als das hier präferierte rechtfertigen; dieser Umstand ist vielmehr im Rahmen der Frage zu behandeln, ob hier ein weiterer (vom Fall des Verwaltungsgerichtshofs vom 02.05.2012 - 2 S 2904/10 - abweichender) Ausnahmefall vorliegt (siehe dazu sogleich).
II.
32 
Ein Anspruch der Klägerin auf Beihilfe für die Kosten der beabsichtigten Behandlung ergibt sich aber bei der nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg gebotenen verfassungskonformen und an Sinn und Zweck der Regelung orientierten Auslegung der Ausschlussvorschrift der Nr. 1.2.3 Buchst. b Hs. 1 der Anlage zur BVO.
33 
1. Dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 02.05.2012 - 2 S 2904/10 - zufolge spricht viel dafür, dass die Erwägungen, die ursprünglich zu einem Ausschluss von der Beihilfefähigkeit der Kosten kieferorthopädischer Behandlungen bei Erwachsenen geführt haben, heute nicht mehr tragfähig sind und deswegen der grundsätzliche Ausschluss kieferorthopädischer Leistungen mit höherrangigen Recht unvereinbar ist (a. a. O. Rn. 28 ff.). Jedenfalls aber müsse die Ausnahmevorschrift entsprechend ihrem Sinn und Zweck sowie unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Vorgaben ausgelegt werden. Hieraus könne sich ergeben, dass bei Vorliegen besonderer Umstände des Einzelfalls zu Aufwendungen kieferorthopädischer Behandlungen Erwachsener über die in der Nr. 1.2.3 der Anlage zur BVO geregelten Ausnahmen hinaus Beihilfe zu gewähren sei. Das Gericht schließt sich dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht zuletzt aus Gründen der Rechtseinheitlichkeit an (kritisch demgegenüber etwa BayVGH, Beschluss vom 24.06.2015 - 14 ZB 15.568 - juris Rn. 16; NdsOVG, Beschluss vom 07.08.2013 - 5 LA 95/13 - juris Rn. 7; LAG Hamm, Urteil vom 05.02.2015 - 17 Sa 1293/14 - juris Rn. 58 ff.).
34 
Wann besondere Umstände im Sinne des Urteils des Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg vom 02.05.2012 - 2 S 2904/10 - vorliegen, hat der Verwaltungsgerichtshof bislang weder im Sinne einer Definition noch durch Formulierung eines Prüfungsmaßstabs abstrakt-generell geklärt. Allerdings lassen sich dem Urteil vom 02.05.2012 Anhaltspunkte dafür entnehmen, welche Umstände vorliegen müssen, um im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs von der Annahme eines weiteren (nicht geregelten) Ausnahmefalls auszugehen.
35 
So verweist der Verwaltungsgerichtshof zum einen darauf, dass der Verordnungsgeber bei Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung vor dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, die wie hier an ein personenbezogenes Merkmal wie das Alter anknüpft, grundsätzlich nur einen engen Beurteilungsspielraum hat. Diese Ansicht findet ihre Bestätigung insbesondere in der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das annimmt, dass die sich aus der Richtlinie 2000/78/EG sowie der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ergebenden unionsrechtlichen Anforderungen zur Rechtfertigung von Altersdiskriminierungen im Zusammenhang mit Beamtenverhältnissen verfassungsrechtliche Anforderungen verstärken (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21.04.2015 - 2 BvR 1322/12 - BVerfGE 139, 19). Zum anderen geht der Verwaltungsgerichtshof offenbar davon aus, dass eine Rechtfertigung des Ausschlusses der Gewährung von Beihilfe für ausschließlich medizinisch indizierte kieferorthopädische Behandlungen desto weniger in Betracht kommt, je erheblicher die Folgeprobleme sind, die mit der Behandlung kuriert bzw. vermieden werden sollen und je weniger dem Beihilfeberechtigten vorgeworfen werden kann, eine im Jugendalter mögliche Behandlung ins Erwachsenenalter „verschleppt“ zu haben.
36 
2. Gemessen hieran bestehen im Fall der Klägerin besondere Umstände, die ihr einen Anspruch auf Gewährung von Beihilfe für die Aufwendungen der von ihr geplanten kieferorthopädischen Behandlung vermitteln. Angesichts des großen Gewichts der im Fall einer Nichtbehandlung der Zahnfehlstellung der Klägerin drohenden Folgeprobleme und der der Klägerin nicht oder allenfalls geringfügig zum Vorwurf zu machenden Nichtbehandlung der Zahnfehlstellung im Jugendalter kann die Ausschlussvorschrift der Nr. 1.2.3 Buchst. b Hs. 1 der Anlage zur BVO im vorliegenden Fall keine Geltung beanspruchen (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 02.05.2012 a. a. O. Rn. 34).
37 
Die von der Klägerin beabsichtigte Maßnahme ist zur Behandlung der bei ihr bestehenden ausgeprägten CMD ausschließlich medizinisch indiziert. Die im Fall einer Nichtbehandlung drohenden Folgeprobleme sind sehr erheblich und können nach den insoweit unbestrittenen Ausführungen des von der Klägerin vorgelegten Schreibens des behandelnden Arztes PD Dr. Dr. ... vom 22.10.2015 und vom 22.12.2015 zu einer Zerstörung der Kiefergelenkstrukturen und damit einhergehend einer chronischen Schmerzsymptomatik bis hin zur Berufsunfähigkeit führen. Auch der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg war in seinem Urteil vom 02.05.2012 - 2 S 2904/10 - der Meinung, dass eine CMD ein erhebliches Folgeproblem darstellt. Bestätigt wird dies zudem durch § 15a Abs. 2 Nr. 3 der Bundesbeihilfeverordnung - BBhV - in seiner seit dem 01.11.2016 geltenden Fassung, der offenbar ebenfalls in Rezeption des Urteils des Verwaltungsgerichtshofs vom 02.05.2012 davon ausgeht, dass eine CMD als erhebliches Folgeproblem zu qualifizieren ist.
38 
Nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen hat die Klägerin zudem eine im Jugendalter mögliche Behandlung nicht ins Erwachsenenalter verschleppt. Zwar spricht viel dafür, dass eine Behandlung im Jugendalter der Klägerin möglich war, weil ihre Zahnfehlstellung bereits vor dem 18. Geburtstag vorhanden gewesen ist und eine Korrektur der Zahnfehlstellung auch nach dem damaligen Stand der kieferorthopädischen Technik möglich gewesen wäre. Allerdings kann die Nichtbehandlung (nach Ansicht des gerichtlich bestellten Sachverständigen sowie des Gerichts) der Klägerin nicht zum Vorwurf gemacht werden; allenfalls könnte von einem sehr geringen, angesichts des Ausmaßes der drohenden Folgeprobleme nicht ins Gewicht fallenden Grad einer Vorwerfbarkeit ausgegangen werden. Zum einen hatte die Kieferorthopädie als Zweig der Zahnmedizin im Jahr 1972, dem Jahr des 18. Geburtstags der Klägerin, insbesondere angesichts der offenbar erst in den 1970er Jahren sukzessive sich verbessernden Ersatzfähigkeit von kieferorthopädischer Behandlungen durch die gesetzlichen Krankenkassen, bei weiten noch nicht ihre heutige Verbreitung erfahren (vgl. hierzu etwa auch BT-Drs. IV/2896 v. 30.12.1964, S. 3; BT-Drs. VI/2492, S. 50, Juli 1971; BT-Drs. VI/3816, S. 75 f., August 1972). Ob die Zahnfehlstellung der Klägerin, deren Ausprägungsgrad vor ihrem 18. Geburtstag zudem heute nicht mehr ermittelbar ist, zum damaligen Zeitpunkt von einem Kieferorthopäden nach dem damaligen Stand der ärztlichen Praxis als behandlungsbedürftig angesehen worden wäre, ist unklar. Hinzu kommt, dass die Klägerin spürbare, möglicherweise auch auf die Zahnfehlstellung zurückzuführende Probleme erst seit ihrem achtunddreißigsten Lebensjahr hatte, früher also kein Leidensdruck bestand, angesichts dessen sich eine Korrektur der Zahnfehlstellung gewissermaßen hätte aufdrängen müssen.
B.
39 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Berufung war nach § 124a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Einer vorherigen Rückübertragung des Rechtsstreits vom Einzelrichter auf die Kammer (vgl. zum Streitstand hinsichtlich der Möglichkeit der Berufungszulassung durch den Einzelrichter Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 124a Rn. 11) bedurfte es hier jedenfalls insoweit nicht, als sich die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung auch mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt haben.
40 
B E S C H L U S S
41 
Der Streitwert wird unter Abänderung der vorläufigen Streitwertfestsetzung vom 15.09.2015 gemäß § 52 Abs. 3 GKG auf 1.825,-- EUR festgesetzt (= 50 % der Gesamtkosten laut Kostenplan v. 13.05.2015).
42 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

Gründe

 
16 
Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf die Anerkennung der Beihilfefähigkeit der von ihr geplanten kieferorthopädischen Behandlung; die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin deshalb in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
A.
17 
Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.04.2015 - 5 C 2.14 - NVwZ-RR 2015, 748; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 26.01.2018 - 2 S 1177/17 - IÖD 2018, 60). Da hier noch keine Aufwendungen entstanden sind, sondern über die Beihilfefähigkeit einer geplanten Maßnahme dem Grunde nach zu entscheiden ist, ist die Verordnung des Finanz- und Wirtschaftsministeriums über die Gewährung von Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen vom 28.07.1995 (Beihilfeverordnung - BVO) in der aktuellen Fassung vom 22.11.2016 (GBl. S. 611) maßgeblich.
18 
Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 BVO sind Aufwendungen für zahnärztliche Leistungen nur nach Maßgabe der Anlage der BVO beihilfefähig. Nach Nr. 1.2.3 Buchst. b Hs. 1 der Anlage zur BVO sind Aufwendungen für kieferorthopädische Leistungen beihilfefähig, wenn die behandelte Person bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Dies gilt gemäß Nr. 1.2.3 Buchst. b Hs. 2 Alt. 1 der Anlage zur BVO nicht bei schweren Kieferanomalien, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordern oder gemäß Nr. 1.2.3 Buchst. b Hs. 2 Alt. 2 der Anlage zur BVO, wenn die Behandlung ausschließlich medizinisch indiziert ist und nicht aus ästhetischen Gründen erfolgt, keine Behandlungsalternative gegeben ist, die Zahnfehlstellung mit erheblichen Folgeproblemen verbunden ist und erst im Erwachsenenalter erworben wurde.
19 
Die Voraussetzungen einer der beiden Ausnahmen von dem Grundsatz der Nr. 1.2.3 Buchst. b Hs. 1 der Anlage zur BVO, dass die kieferorthopädische Behandlung bereits im Jugendalter begonnen worden sein muss, dürften bei der Klägerin zwar nicht vorliegen (I.). Ein Anspruch der Klägerin folgt aber jedenfalls auf Grundlage einer verfassungskonformen und an Sinn und Zweck der Nr. 1.2.3 Buchst. b Hs. 1 der Anlage zur BVO orientierten Auslegung (II.).
I.
20 
Weder die Voraussetzungen der Nr. 1.2.3 Buchst. b Hs. 2 Alt. 1 der Anlage zur BVO (vgl. sogleich 1.) noch die Voraussetzungen der Nr. 1.2.3 Buchst. b Hs. 2 Alt. 2 der Anlage zur BVO (vgl. 2.) dürften gegeben sein.
21 
1. Ein Anspruch aus Nr. 1.2.3 Buchst. b Hs. 2 Alt. 1 der Anlage zur BVO scheidet bereits insoweit aus, als im Fall der Klägerin unstreitig keine kieferchirurgische Behandlung erforderlich ist. Insoweit kann offen bleiben, ob bei ihr – wie teilweise in den von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen vertreten – eine schwere Kieferanomalie vorliegt oder ob dies mit dem gerichtlich eingeholten Gutachten zu verneinen ist.
22 
2. Auch die Voraussetzungen einer Ausnahme nach der Nr. 1.2.3 Buchst. b Hs. 2 Alt. 2 der Anlage zur BVO dürften nicht vorliegen.
23 
Zwar ist die geplante Behandlung nicht ästhetisch, sondern ausschließlich medizinisch indiziert. Denn es besteht nach Ansicht der behandelnden Ärzte und auch nach der in der mündlichen Verhandlung weiter dargelegten Auffassung des gerichtlich bestellten Gutachters eine zumindest nicht fernliegende Möglichkeit, dass durch die Korrektur der Zahnfehlstellung eine weitere Schädigung der Kiefergelenke der Klägerin vermieden wird. Auch ist keine Behandlungsalternative gegeben. Allerdings liegt bei der Klägerin keine Zahnfehlstellung vor, die erst im Erwachsenalter erworben wurde (vgl. a)). Hinzu kommt, dass ein Anspruch nach der Nr. 1.2.3 Buchst. b Hs. 2 Alt. 2 der Anlage zur BVO wohl auch insoweit ausscheidet, als die Zahnfehlstellung nicht mit erheblichen Folgeproblemen im Sinne der Vorschrift verbunden sein dürfte (vgl. b)).
24 
Bei der Vorschrift der Nr. 1.2.3 Buchst. b Hs. 2 Alt. 2 der Anlage zur BVO handelt es sich um eine Kodifizierung des zweiten Leitsatzes des Urteils des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 02.05.2012 - 2 S 2904/10 - (juris), in dem es heißt, die Gewährung einer Beihilfe zu Aufwendungen für eine kieferorthopädische Behandlung Erwachsener könne über die in der (damaligen Fassung der) Anlage der Beihilfeverordnung geregelten Ausnahmen (die heutige Nr. 1.2.3 Buchst. b Hs. 2 Alt. 1 der Anlage zur BVO) hinaus geboten sein, wenn die Behandlung ausschließlich medizinisch indiziert ist und ästhetische Gründe ausgeschlossen werden können, keine Behandlungsalternative vorhanden ist, erhebliche Folgeprobleme (z. B. CMD) bestehen und eine sog. sekundäre Anomalie vorliegt, die erst im Erwachsenenalter erworben wurde. Mit der Vorschrift sollte der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs entsprochen werden; über diese Entscheidung hinausgehende weitere Ausnahmen von dem grundsätzlichen Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für kieferorthopädische Behandlungen Erwachsener sollten ersichtlich nicht geschaffen werden. Die Bestimmung ist mithin einerseits im Lichte dieser Entscheidung, andererseits – wie bei Ausnahmevorschriften nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 21.06.2005 - 2 WD 12.04 - BVerwGE 127, 302) – eng auszulegen.
25 
a) Danach dürfte ein Anspruch nach der Nr. 1.2.3 Buchst. b Hs. 2 Alt. 2 der Anlage zur BVO jedenfalls deswegen ausscheiden, weil die Zahnfehlstellung der Klägerin bereits im Jugendalter vorgelegen hat, bei ihr mithin – anders im Verfahren 2 S 2904/10 – keine sog. sekundäre, sondern eine sog. primäre Anomalie vorliegt.
26 
Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die Zahnfehlstellung der Klägerin genetisch bedingt ist. Nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen, die auch von der Klägerin zuletzt nicht mehr in Abrede gestellt worden sind, hat sich diese auch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bereits im Jugendalter manifestiert, auch wenn unklar ist, in welchem Maße sie bereits damals gegeben war. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Nr. 1.2.3 Buchst. b Hs. 2 Alt. 2 der Anlage zur BVO scheidet damit eine Ausnahme vom grundsätzlichen Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für kieferorthopädische Behandlungen Erwachsener aller Voraussicht nach aus.
27 
Entgegen der Ansicht der Klägerin dürfte nichts Anderes aus einer an der Fürsorgepflicht des Dienstherrn orientierten Auslegung folgen. Denn die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht fordert keine lückenlose Erstattung aller Kosten in Krankheits-, Geburts-, Pflege- oder Todesfällen; insbesondere gebietet die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht grundsätzlich nicht, einem Beamten mehr zu gewährleisten als das, was den Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung als medizinisch gebotene Behandlung garantiert wird (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 07.11.2002 - 2 BvR 1053/98 - BVerfGE 106, 225; BVerwG, Urteil vom 14.12.2017 - 5 C 17.16 - NVwZ-RR 2018, 270). Für die gesetzliche Krankenversicherung sieht § 28 Abs. 2 Satz 6 und 7 SGB V aber lediglich eine der Nr. 1.2.3 Buchst. b Hs. 2 Alt. 1 der Anlage zur BVO entsprechende Ausnahme bei „schweren Kieferanomalien, die ein Ausmaß haben, das kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlungsmaßnahmen erfordert“, vor, die nach ständiger Rechtsprechung der Sozialgerichte keinen verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt (siehe BSG, Urteil vom 09.12.1997 - 1 RK 11/97 - BSGE 81, 245; Thüringer LSG, Urteil vom 30.06.2015 - L 6 KR 1152/13 - juris).
28 
Ebenfalls kein anderes Auslegungsergebnis dürfte unter Berücksichtigung des Urteils des Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg vom 02.05.2012 - 2 S 2904/10 - in Betracht kommen. Denn ausweislich des mit der Nr. 1.2.3 Buchst. b Hs. 2 Alt. 2 der Anlage zur BVO kodifizierten Leitsatzes der Entscheidung war aus Sicht des Verwaltungsgerichtshofs für die Annahme einer Beihilfefähigkeit unter anderem entscheidend, dass die dortige Klägerin (anders als hier) eine sich erst im Erwachsenenalter herausgebildete – offenbar vor allem auf einer Parodontoseproblematik beruhende – sekundäre Anomalie aufwies (vgl. auch a. a. O. juris Rn. 39). Anders als im dortigen Fall wäre der Klägerin im vorliegenden nach den Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen eine Korrektur ihrer Zahnfehlstellung im Jugendalter möglich gewesen, auch wenn unklar bleibt, ob eine solche auch unter Berücksichtigung des Anfang der 1970er Jahre (im Vergleich zu heute) noch wenig entwickelten kieferorthopädischen Behandlungsangebots und der Unklarheit, in welchem Ausmaß sich die Zahnfehlstellung bereits vor dem 18. Geburtstag der Klägerin manifestiert hat, von einem behandelnden Kieferorthopäden als behandlungsbedürftig angesehen worden wäre. Zwar spricht viel dafür, dass die tragende Erwägung, die den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 02.05.2012 - 2 S 2904/10 - dazu bewogen hat, das Vorliegen einer sekundären Anomalie als entscheidend für die Bejahung einer Beihilfefähigkeit anzusehen, im Gedanken der Vorwerfbarkeit liegt; so ist in dem Urteil die Rede davon, ein Kostenersatz solle ausscheiden, wenn der Beamte eine medizinisch notwendige Behandlung gewissermaßen verschleppt habe (so die Rn. 39 des Urteils). Das Fehlen einer Vorwerfbarkeit einer erstmals im Erwachsenenalter beantragten kieferorthopädischen Behandlung ist allerdings nicht Teil der (eng auszulegenden) Beihilfevorschrift der Nr. 1.2.3 Buchst. b Hs. 2 Alt. 2 der Anlage zur BVO geworden und kann damit allein im Rahmen der nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs vorzunehmenden kombinierten verfassungskonformen und teleologischen Auslegung relevant werden (vgl. hierzu unten II.).
29 
b) Unabhängig hiervon dürfte ein Anspruch nach der Nr. 1.2.3 Buchst. b Hs. 2 Alt. 2 der Anlage zur BVO wohl auch insoweit ausscheiden, als die Zahnfehlstellung der Klägerin nicht mit erheblichen Folgeproblemen im Sinne der Vorschrift verbunden sein dürfte.
30 
Nach Ansicht des Gerichts spricht viel dafür, dass das Erfordernis, dass die Zahnfehlstellung mit erheblichen Folgeproblemen verbunden sein muss, nicht dahingehend verstanden werden kann, dass hierfür bereits das Bestehen einer medizinischen Indikation der kieferorthopädischen Behandlung zur Vermeidung erheblicher Folgeprobleme ausreichend sein soll. Wäre es dem Verordnungsgeber darum gegangen, das Vorliegen einer ausschließlich medizinischen Indikation im Hinblick auf die beabsichtigten Behandlungsziele zu qualifizieren, hätte ein anderer Wortlaut der Vorschrift nahegelegen, etwa in dem Sinne, dass „die Behandlung zur Vermeidung oder Behandlung erheblicher Folgeprobleme medizinisch indiziert“ sein müsste. Der vom Verordnungsgeber gewählte Wortlaut spricht aus Sicht des Gerichts eher dafür, dass hier über die bloße medizinische Indikation der Behandlung hinaus eine Beihilfefähigkeit den Nachweis eines Ursachenzusammenhangs zwischen der Zahnfehlstellung und etwaigen Folgeprobleme voraussetzen sollte. Hierfür spricht auch die mit der Vorschrift kodifizierte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 02.05.2012 - 2 S 2904/10 -, die sowohl im Leitsatz wie auch in den Entscheidungsgründen für eine Ausnahme vom Beihilfeausschluss neben der medizinischen Indikation der Behandlung offenbar als entscheidend den Nachweis eines Ursachenzusammenhangs zwischen der Korrektur der Zahnfehlstellung und Behebung der erheblichen Folgeprobleme ansah (vgl. Rn. 38: „Ursache“).
31 
Ein solcher Ursachenzusammenhang besteht hier aber nach den überzeugenden – insbesondere nicht in Widerspruch zur bejahten medizinischen Indikation der Behandlung stehenden – und auch vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht mehr in Frage gestellten Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen nicht. Denn bei der CMD handelt es sich um eine multikausale Erkrankung, für die jedenfalls im Fall der Klägerin (im Vorfeld der Behandlung) nicht der Nachweis erbracht werden kann, dass sie gerade durch die Zahnfehlstellung der Klägerin, und nicht auf andere Ursachen wie beispielsweise die bei ihr bereits in der Vergangenheit vorgenommene umfangreiche zahnmedizinische Versorgung, hervorgerufen wurde. Dass im Fall des Verwaltungsgerichtshofs, in dem die dortige Klägerin ebenfalls Ersatz für die Kosten der Behandlung einer CMD durch eine Zahnkorrektur verlangte, die Beweissituation insoweit eine andere war, als im dortigen Verfahren die Zahnkorrektur bereits durchgeführt worden war und zu einer Behebung der CMD geführt hatte, dürfte kein anderes Auslegungsergebnis als das hier präferierte rechtfertigen; dieser Umstand ist vielmehr im Rahmen der Frage zu behandeln, ob hier ein weiterer (vom Fall des Verwaltungsgerichtshofs vom 02.05.2012 - 2 S 2904/10 - abweichender) Ausnahmefall vorliegt (siehe dazu sogleich).
II.
32 
Ein Anspruch der Klägerin auf Beihilfe für die Kosten der beabsichtigten Behandlung ergibt sich aber bei der nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg gebotenen verfassungskonformen und an Sinn und Zweck der Regelung orientierten Auslegung der Ausschlussvorschrift der Nr. 1.2.3 Buchst. b Hs. 1 der Anlage zur BVO.
33 
1. Dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 02.05.2012 - 2 S 2904/10 - zufolge spricht viel dafür, dass die Erwägungen, die ursprünglich zu einem Ausschluss von der Beihilfefähigkeit der Kosten kieferorthopädischer Behandlungen bei Erwachsenen geführt haben, heute nicht mehr tragfähig sind und deswegen der grundsätzliche Ausschluss kieferorthopädischer Leistungen mit höherrangigen Recht unvereinbar ist (a. a. O. Rn. 28 ff.). Jedenfalls aber müsse die Ausnahmevorschrift entsprechend ihrem Sinn und Zweck sowie unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Vorgaben ausgelegt werden. Hieraus könne sich ergeben, dass bei Vorliegen besonderer Umstände des Einzelfalls zu Aufwendungen kieferorthopädischer Behandlungen Erwachsener über die in der Nr. 1.2.3 der Anlage zur BVO geregelten Ausnahmen hinaus Beihilfe zu gewähren sei. Das Gericht schließt sich dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht zuletzt aus Gründen der Rechtseinheitlichkeit an (kritisch demgegenüber etwa BayVGH, Beschluss vom 24.06.2015 - 14 ZB 15.568 - juris Rn. 16; NdsOVG, Beschluss vom 07.08.2013 - 5 LA 95/13 - juris Rn. 7; LAG Hamm, Urteil vom 05.02.2015 - 17 Sa 1293/14 - juris Rn. 58 ff.).
34 
Wann besondere Umstände im Sinne des Urteils des Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg vom 02.05.2012 - 2 S 2904/10 - vorliegen, hat der Verwaltungsgerichtshof bislang weder im Sinne einer Definition noch durch Formulierung eines Prüfungsmaßstabs abstrakt-generell geklärt. Allerdings lassen sich dem Urteil vom 02.05.2012 Anhaltspunkte dafür entnehmen, welche Umstände vorliegen müssen, um im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs von der Annahme eines weiteren (nicht geregelten) Ausnahmefalls auszugehen.
35 
So verweist der Verwaltungsgerichtshof zum einen darauf, dass der Verordnungsgeber bei Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung vor dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, die wie hier an ein personenbezogenes Merkmal wie das Alter anknüpft, grundsätzlich nur einen engen Beurteilungsspielraum hat. Diese Ansicht findet ihre Bestätigung insbesondere in der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das annimmt, dass die sich aus der Richtlinie 2000/78/EG sowie der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ergebenden unionsrechtlichen Anforderungen zur Rechtfertigung von Altersdiskriminierungen im Zusammenhang mit Beamtenverhältnissen verfassungsrechtliche Anforderungen verstärken (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21.04.2015 - 2 BvR 1322/12 - BVerfGE 139, 19). Zum anderen geht der Verwaltungsgerichtshof offenbar davon aus, dass eine Rechtfertigung des Ausschlusses der Gewährung von Beihilfe für ausschließlich medizinisch indizierte kieferorthopädische Behandlungen desto weniger in Betracht kommt, je erheblicher die Folgeprobleme sind, die mit der Behandlung kuriert bzw. vermieden werden sollen und je weniger dem Beihilfeberechtigten vorgeworfen werden kann, eine im Jugendalter mögliche Behandlung ins Erwachsenenalter „verschleppt“ zu haben.
36 
2. Gemessen hieran bestehen im Fall der Klägerin besondere Umstände, die ihr einen Anspruch auf Gewährung von Beihilfe für die Aufwendungen der von ihr geplanten kieferorthopädischen Behandlung vermitteln. Angesichts des großen Gewichts der im Fall einer Nichtbehandlung der Zahnfehlstellung der Klägerin drohenden Folgeprobleme und der der Klägerin nicht oder allenfalls geringfügig zum Vorwurf zu machenden Nichtbehandlung der Zahnfehlstellung im Jugendalter kann die Ausschlussvorschrift der Nr. 1.2.3 Buchst. b Hs. 1 der Anlage zur BVO im vorliegenden Fall keine Geltung beanspruchen (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 02.05.2012 a. a. O. Rn. 34).
37 
Die von der Klägerin beabsichtigte Maßnahme ist zur Behandlung der bei ihr bestehenden ausgeprägten CMD ausschließlich medizinisch indiziert. Die im Fall einer Nichtbehandlung drohenden Folgeprobleme sind sehr erheblich und können nach den insoweit unbestrittenen Ausführungen des von der Klägerin vorgelegten Schreibens des behandelnden Arztes PD Dr. Dr. ... vom 22.10.2015 und vom 22.12.2015 zu einer Zerstörung der Kiefergelenkstrukturen und damit einhergehend einer chronischen Schmerzsymptomatik bis hin zur Berufsunfähigkeit führen. Auch der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg war in seinem Urteil vom 02.05.2012 - 2 S 2904/10 - der Meinung, dass eine CMD ein erhebliches Folgeproblem darstellt. Bestätigt wird dies zudem durch § 15a Abs. 2 Nr. 3 der Bundesbeihilfeverordnung - BBhV - in seiner seit dem 01.11.2016 geltenden Fassung, der offenbar ebenfalls in Rezeption des Urteils des Verwaltungsgerichtshofs vom 02.05.2012 davon ausgeht, dass eine CMD als erhebliches Folgeproblem zu qualifizieren ist.
38 
Nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen hat die Klägerin zudem eine im Jugendalter mögliche Behandlung nicht ins Erwachsenenalter verschleppt. Zwar spricht viel dafür, dass eine Behandlung im Jugendalter der Klägerin möglich war, weil ihre Zahnfehlstellung bereits vor dem 18. Geburtstag vorhanden gewesen ist und eine Korrektur der Zahnfehlstellung auch nach dem damaligen Stand der kieferorthopädischen Technik möglich gewesen wäre. Allerdings kann die Nichtbehandlung (nach Ansicht des gerichtlich bestellten Sachverständigen sowie des Gerichts) der Klägerin nicht zum Vorwurf gemacht werden; allenfalls könnte von einem sehr geringen, angesichts des Ausmaßes der drohenden Folgeprobleme nicht ins Gewicht fallenden Grad einer Vorwerfbarkeit ausgegangen werden. Zum einen hatte die Kieferorthopädie als Zweig der Zahnmedizin im Jahr 1972, dem Jahr des 18. Geburtstags der Klägerin, insbesondere angesichts der offenbar erst in den 1970er Jahren sukzessive sich verbessernden Ersatzfähigkeit von kieferorthopädischer Behandlungen durch die gesetzlichen Krankenkassen, bei weiten noch nicht ihre heutige Verbreitung erfahren (vgl. hierzu etwa auch BT-Drs. IV/2896 v. 30.12.1964, S. 3; BT-Drs. VI/2492, S. 50, Juli 1971; BT-Drs. VI/3816, S. 75 f., August 1972). Ob die Zahnfehlstellung der Klägerin, deren Ausprägungsgrad vor ihrem 18. Geburtstag zudem heute nicht mehr ermittelbar ist, zum damaligen Zeitpunkt von einem Kieferorthopäden nach dem damaligen Stand der ärztlichen Praxis als behandlungsbedürftig angesehen worden wäre, ist unklar. Hinzu kommt, dass die Klägerin spürbare, möglicherweise auch auf die Zahnfehlstellung zurückzuführende Probleme erst seit ihrem achtunddreißigsten Lebensjahr hatte, früher also kein Leidensdruck bestand, angesichts dessen sich eine Korrektur der Zahnfehlstellung gewissermaßen hätte aufdrängen müssen.
B.
39 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Berufung war nach § 124a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Einer vorherigen Rückübertragung des Rechtsstreits vom Einzelrichter auf die Kammer (vgl. zum Streitstand hinsichtlich der Möglichkeit der Berufungszulassung durch den Einzelrichter Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 124a Rn. 11) bedurfte es hier jedenfalls insoweit nicht, als sich die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung auch mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt haben.
40 
B E S C H L U S S
41 
Der Streitwert wird unter Abänderung der vorläufigen Streitwertfestsetzung vom 15.09.2015 gemäß § 52 Abs. 3 GKG auf 1.825,-- EUR festgesetzt (= 50 % der Gesamtkosten laut Kostenplan v. 13.05.2015).
42 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

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Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 01. März 2018 - 9 k 4201/15 zitiert 11 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 68 Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwerts


(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Geri

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 28 Ärztliche und zahnärztliche Behandlung


(1) Die ärztliche Behandlung umfaßt die Tätigkeit des Arztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. Zur ärztlichen Behandlung gehört auch die Hilfeleistung

Bundesbeihilfeverordnung - BBhV | § 15a Kieferorthopädische Leistungen


(1) Aufwendungen für kieferorthopädische Leistungen sind beihilfefähig, wenn 1. bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet ist oder2. bei schweren Kieferanomalien, insbesondere bei angeborenen Missbildungen des Gesichts oder eines

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Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 16.11.2011 - 9 K 207/11 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt Beihilfe zu Aufwendungen für Zahnimplantate.
Der am ...1947 geborene Kläger ist als Regierungsdirektor mit einem Bemessungssatz von 70 % beihilfeberechtigt. Ihm waren in der Vergangenheit bereits drei Implantate (regio 15, 16, 17) im rechten Oberkiefer gesetzt worden. Hierfür hatte der Beklagte Beihilfe gewährt.
Der Facharzt für Mund-Kiefer- und Gesichtschirurgie Dr. Dr. Hb. erstellte am 17.2.2009 einen Kostenplan für das Setzen von zwei weiteren Zahnimplantaten im rechten Oberkiefer (regio 13 und 14) des Klägers. Das Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg (im Folgenden: Landesamt) lehnte es mit Bescheid vom 3.3.2009 ab, diese Leistungen als beihilfefähig anzuerkennen. Die hiergegen nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens erhobene Klage stellte das Verwaltungsgericht ein, nachdem beide Beteiligte den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt hatten.
Unter dem 28.10.2010 beantragte der Kläger Beihilfe zu den Aufwendungen für das zwischenzeitlich erfolgte Setzen der beiden Zahnimplantate in seinen rechten Oberkiefer. Er legte eine Rechnung des Facharztes für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Dr. Dr. Hb. vom 17.8.2009 über 1.963,10 EUR sowie eine Rechnung des Zahnarztes Dr. B. vom 18.8.2009 über 2.181,83 EUR vor.
Mit Bescheid vom 17.11.2010 lehnte das Landesamt eine Beihilfegewährung ab. Zur Begründung verwies es darauf, dass pro Kieferhälfte grundsätzlich nur bis zu zwei Implantate, einschließlich bereits vorhandener Implantate, beihilfefähig seien.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger fristgerecht Widerspruch ein. Zur Begründung trug er unter Verweis auf sein Vorbringen im abgeschlossenen Voranerkennungsverfahren vor: Die in Nr. 1.2.4 der Anlage zur Beihilfeverordnung enthaltene Beschränkung der Beihilfefähigkeit auf grundsätzlich nur zwei Implantate pro Kieferhälfte verstoße gegen höherrangiges Recht. Sie sei unangemessen, überschreite den Gestaltungsspielraum des Verordnungsgebers und verstoße gegen die aus Art. 33 Abs. 5 GG folgende Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Aus den vorgelegten Stellungnahmen von Prof. Hm. vom 16.2.2009, von Dr. Dr. Hb. vom 30.4.2009 sowie von Dr. B. vom 20.2.2009 und vom 14.4.2009 ergebe sich, dass die weitere Implantatversorgung medizinisch notwendig sei und zudem die kostengünstigste Behandlungsmöglichkeit darstelle.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18.1.2011 wies das Landesamt den Widerspruch des Klägers zurück. Ergänzend führte es zur Begründung aus: Die Begrenzung der Beihilfefähigkeit auf grundsätzlich nur zwei Implantate pro Kieferhälfte verstoße im vorliegenden Fall nicht gegen die Fürsorgepflicht des Dienstherrn, da keine zwingende Indikation für weitere Implantate vorliege.
Das Verwaltungsgericht hat der am 25.1.2011 erhobenen Klage mit Urteil vom 16.11.2011 stattgegeben. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt: Der Anspruch auf Gewährung der begehrten Beihilfe folge unmittelbar aus dem verfassungsrechtlich aus Art. 33 Abs. 5 GG vorgegebenen Grundsatz der Fürsorge. Aus den vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen sei abzuleiten, dass der Kläger auf die Implantatversorgung angewiesen sei und aus individuellen medizinischen Gründen nicht auf eine Versorgung mit einer Brücke oder Prothese verwiesen werden könne. In diesem Sinne sei insbesondere das Schreiben von Prof. Dr. Hm., Direktor der HNO-Klinik des Universitätsklinikums ..., vom 16.2.2009 zu verstehen. Dort heiße es, in der konkreten Situation - einer nach einer endonasalen Operation an der Kieferhöhle rechts diagnostizierten chronisch-hyperplastischen Sinusitis maxillaris rechts mit leichter Gewebseosinophilie bei schwachem Zahnlager und abgestoßenem transplantiertem Knochenmaterial - sei in Anbetracht des geschwächten Transplantatlagers eine mehrfache implantologische Versorgung zwingend erforderlich. Auch der Zahnarzt Dr. B. habe im Schreiben vom 20.2.2009 erklärt, die Versorgung der Zahnlücke mit zwei Implantaten stelle die einzig medizinisch sinnvolle Lösung der vorhandenen Situation dar. Dies werde durch den an dieser Stelle medizinisch notwendigen Knochenerhalt, wie er nur mit Implantaten erreicht werden könne, untermauert. Schließlich verweise auch der behandelnde Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurg Dr. Dr. Hb. in seinem Schreiben vom 30.4.2009 auf einen extremen Knochenschwund beim Kläger. Dies schließe einen Verweis auf eine Alternativversorgung zu den beiden Implantaten aus.
Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts richtet sich die vom Senat zugelassene Berufung des Beklagten. Er macht ergänzend geltend: Ein Anspruch aus der Fürsorgepflicht könne allenfalls dann bestehen, wenn diese andernfalls in ihrem Wesenskern verletzt werden würde. Dies setze einen atypischen Ausnahmefall voraus, der die Verweigerung der Beihilfeleistung als grob fürsorgepflichtwidrig erscheinen lasse. Ein solcher atypischer Ausnahmefall liege hier nicht vor. Prof. Dr. Hm. habe in seinem Schreiben vom 16.2.2009 zwar ausgeführt, dass angesichts des geschwächten Transplantatlagers eine mehrfache implantologische Versorgung rechts zwingend erforderlich sei. Er habe diese Aussage jedoch dahingehend relativiert, dass dies von einem operierenden Implantologen gesondert geprüft werden möge. In dem Schreiben des Zahnarztes Dr. B. vom 20.2.2009 werde zum Ausdruck gebracht, dass es neben der als sinnvoll erachteten Möglichkeit weitere Behandlungsmöglichkeiten gebe. Hiernach seien eine Prothese oder eine Brückenversorgung als Alternativtherapien möglich. Auch aus dem Schreiben von Dr. Dr. Hb. vom 30.4.2009 ergebe sich, das alternativ auch eine Versorgung durch eine Brücke möglich gewesen sei, wenngleich er diese nicht für sinnvoll erachte. Dem Schreiben lasse sich auch nicht entnehmen, dass zur Behandlung des Knochenschwundes lediglich eine Implantierung möglich gewesen sei. Der Knochenschwund sei durch eine Knochentransplantation behoben worden, er mache jedoch nicht die Implantierung zwingend erforderlich.
10 
Der Beklagte beantragt,
11 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 16.11.2011 - 9 K 207/11 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
12 
Der Kläger beantragt,
13 
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
14 
Er wiederholt und vertieft sein früheres Vorbringen und verweist auf die von ihm vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen. Daraus ergebe sich, dass ein atypischer Ausnahmefall vorliege, weil aus medizinischen Gründen keine zumutbare Alternative zu der durchgeführten Behandlung bestanden habe.
15 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie die dem Senat vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet, denn das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Der Kläger hat einen Anspruch auf die begehrten Beihilfeleistungen für die 2009 durchgeführte Implantatbehandlung (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
17 
1. Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.2005 - 2 C 35.04 - BVerwGE 125, 21 m.w.N.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.10.2011 - 2 S 1369/11 - Juris). Hier sind die Aufwendungen im Jahr 2009 entstanden. Anspruchsgrundlage sind danach §§ 5 Abs. 1 und 6 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung des Finanzministeriums über die Gewährung von Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfeverordnung - BVO -) vom 28.7.1995 (GBl. S. 561) in der Fassung der Verordnung vom 30.10.2008 (GBl. S 407). Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 BVO sind aus Anlass einer Krankheit entstandene Aufwendungen für gesondert erbrachte und berechnete zahnärztliche Leistungen beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. Dies gilt jedoch nur nach Maßgabe der Anlage zur Beihilfeverordnung. Nach Nr. 1.2.4 der Anlage sind grundsätzlich Aufwendungen für mehr als zwei Implantate pro Kieferhälfte, einschließlich vorhandener Implantate, und die damit verbundenen weiteren zahnärztlichen Leistungen von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen. Die Anlage zur Beihilfeverordnung sieht darüber hinaus die unbeschränkte Übernahme der Aufwendungen für implantologische Leistungen ausnahmsweise dann vor, wenn im jugendlichen Erwachsenengebiss Zähne nicht angelegt sind oder wenn ein großer Kieferdefekt infolge von Kieferbruch oder Kieferresektion vorliegt (Satz 1 Buchstabe a und b der Nr. 1.2.4 der Anlage zur Beihilfeverordnung).
18 
2. Diese Regelung, die die Beihilfefähigkeit implantologischer Zahnarztleistungen auf zwei Implantate pro Kieferhälfte beschränkt, verstößt nicht gegen höherrangiges Recht (ausführlich: Senatsurteil vom 15.3.2012 - 2 S 2542/11 - Juris).
19 
Die Beschränkung der Implantatversorgung ist nicht in Anknüpfung an den Gesichtspunkt der medizinischen Notwendigkeit, sondern im Hinblick auf den Gesichtspunkt der Angemessenheit der beihilfefähigen Aufwendungen erfolgt (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.5.2008 - 2 C 12.07 - DÖV 2008, 961 zu einer generellen Beschränkung der Implantatleistungen in Rheinland-Pfalz). Die Regelung verfolgt den legitimen Zweck, einer durch die im Allgemeinen kostenintensivere Behandlungsart der Implantatversorgung bedingten Ausuferung der für die öffentlichen Kassen entstehenden Kosten entgegen zu wirken. Maßgeblich ist dabei der Gesichtspunkt, dass neben der Einbringung von Implantaten regelmäßig die Möglichkeit einer typischerweise kostengünstigeren Alternativversorgung auf „herkömmliche“ Art und Weise, etwa mit einer Brücke, gegeben ist (vgl. auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 17.9.2003 - 4 S 1869/02 - IÖD 2004, 22 und Beschluss vom 14.12.2001 - 4 S 2442/99 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 15.8.2008 - 6 A 2861/06 - IÖD 2009, 236 und - 6 A 4309/05 - juris).
20 
3. Nach dem Wortlaut der in Nr. 1.2.4 der Anlage zur BVO enthaltenen Regelung scheinen im vorliegenden Fall die Aufwendungen für die Implantatbehandlung in regio 13 und 14 im Oberkiefer des Klägers sowie die damit verbundenen weiteren zahnärztlichen Leistungen von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen zu sein, weil sich in der hier zu beurteilenden Kieferhälfte unstreitig bereits drei Implantate befanden, für die der Dienstherr Beihilfe geleistet hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.5.2008 - 2 C 12.07 - DÖV 2008, 961, wonach Implantate bei einer generellen zahlenmäßigen Begrenzung nicht mitgerechnet werden dürfen, deren Kosten nicht aus öffentlichen Mitteln mitgetragen worden sind). Auch die dargestellten Indikationen, bei denen die Implantatbehandlung ausnahmsweise unbeschränkt beihilfefähig ist, sind im vorliegenden Fall unstreitig nicht gegeben.
21 
4. Auf der Grundlage einer an Sinn und Zweck der Regelung orientierten (teleologischen) Auslegung ist aber jedenfalls unter den im Fall des Klägers gegebenen Umständen die Gewährung einer Beihilfe zu Aufwendungen für eine weitere Implantatbehandlung über die in Nr. 1.2.4 der Anlage zur BVO geregelten Ausnahmen hinaus geboten.
22 
a) Die in der Beihilfeverordnung vorgenommene Begrenzung der Aufwendungen für Implantate beruht auf der - jedenfalls in der Regel zutreffenden - Annahme, dass neben der Einbringung von Implantaten die Möglichkeit einer kostengünstigeren Alternativversorgung gegeben ist (s. oben unter 2.). Die betreffende Einschränkung der Beihilfefähigkeit kann daher in solchen Fällen keine Geltung beanspruchen, in denen die Versorgung mit weiteren Implantaten auf einer zahnmedizinisch zwingenden Indikation beruht. Dies ist dann der Fall, wenn eine Alternativbehandlung überhaupt nicht existiert oder mit weitgehenden Eingriffen in die körperliche Unversehrtheit oder erheblichen gesundheitlichen Nachteilen verbunden wäre. In diesen Fällen ist über den Beihilfeanspruch allein nach dem allgemeinen Grundsatz (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO) zu entscheiden, dass Beihilfe zu gewähren ist, soweit die Aufwendungen nach medizinischer Beurteilung erforderlich sind (vgl. Senatsurteile vom 15.3.2012 - 2 S 2542/11 - und vom 2.5.2012 - 2 S 2904/10 - Juris; BVerwG, Urteil vom 28.5.2008 - 2 C 24.07 - NVwZ 2008, 1378).
23 
b) Die Regelung in Nr. 1.2.4 der Anlage zur BVO kann danach im vorliegenden Fall keine Anwendung finden. Die beim Kläger durchgeführte Behandlung war nach der Überzeugung des Senats medizinisch zwingend notwendig, weil keine zumutbare Behandlungsalternative bestand. Dies ergibt sich aus den vom Kläger vorgelegten schriftlichen Stellungnahmen der behandelnden Ärzte in Verbindung mit den Ausführungen des in der mündlichen Verhandlung angehörten behandelnden Hals-, Nasen- und Ohrenarztes Prof. Dr. Hm., Direktor der HNO-Klinik des Universitätsklinikums ...
24 
aa) Nach den von Prof. Dr. Hm. abgegebenen Erklärungen war die beim Kläger durchgeführte Implantatbehandlung zum einen zur Bekämpfung der starken Schmerzen geboten, unter denen der Kläger seit Jahren gelitten hatte. Durch die Implantate wurde - so Prof. Dr. Hm. - ein „starker“ Ersatz für die zuvor vorhandenen Zähne geschaffen. Durch das dadurch entstehende „Feedback“ konnten die Schmerzen wirksam bekämpft werden. Mit einer Brücke, die keinen entsprechenden Gegendruck erzeugt hätte, wäre dies nach den überzeugenden Ausführungen von Prof. Dr. Hm. hingegen nicht möglich gewesen. Der Erfolg der Behandlung zeigt sich im Übrigen ex post darin, dass der Kläger seit der Behandlung schmerzfrei ist.
25 
Wie Prof. Dr. Hm. weiter erklärt hat, war die Behandlung zum anderen auch durch den starken Knochenschwund im Oberkiefer des Klägers geboten, der bereits eine Knochentransplantation erforderlich gemacht hatte. Der Oberkieferknochen des Klägers war Prof. Dr. Hm. zufolge vor den durch- geführten Maßnahmen extrem dünn („papierdünn“). Ohne Implantate - also z.B. bei einer Brückenversorgung - hätte sich der Knochen nach der überzeugend begründeten Ansicht von Prof. Dr. Hm. voraussichtlich wieder zurückgebildet. Im Normalfall - also bei ausreichend dickem Knochen - ist dies zwar möglicherweise hinnehmbar. Im Fall des Klägers hätte aber aufgrund seiner extrem dünnen Oberkieferknochen die Gefahr von Fisteln („Löchern“) bestanden, sodass die Versorgung mit einer Brücke mit erheblichen - dem Kläger nicht zumutbaren - gesundheitlichen Nachteilen verbunden gewesen wäre.
26 
bb) Der Senat schließt sich dieser überzeugend begründeten Ansicht der behandelnden Ärzte an. Gegen die Ausführungen von Prof. Dr. Hm. in der mündlichen Verhandlung hat im Übrigen auch der Beklagte keine substantiierten Einwendungen (mehr) erhoben.
27 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
28 
Beschluss vom 15. November 2012
29 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.901,45 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
30 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
16 
Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet, denn das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Der Kläger hat einen Anspruch auf die begehrten Beihilfeleistungen für die 2009 durchgeführte Implantatbehandlung (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
17 
1. Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.2005 - 2 C 35.04 - BVerwGE 125, 21 m.w.N.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.10.2011 - 2 S 1369/11 - Juris). Hier sind die Aufwendungen im Jahr 2009 entstanden. Anspruchsgrundlage sind danach §§ 5 Abs. 1 und 6 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung des Finanzministeriums über die Gewährung von Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfeverordnung - BVO -) vom 28.7.1995 (GBl. S. 561) in der Fassung der Verordnung vom 30.10.2008 (GBl. S 407). Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 BVO sind aus Anlass einer Krankheit entstandene Aufwendungen für gesondert erbrachte und berechnete zahnärztliche Leistungen beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. Dies gilt jedoch nur nach Maßgabe der Anlage zur Beihilfeverordnung. Nach Nr. 1.2.4 der Anlage sind grundsätzlich Aufwendungen für mehr als zwei Implantate pro Kieferhälfte, einschließlich vorhandener Implantate, und die damit verbundenen weiteren zahnärztlichen Leistungen von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen. Die Anlage zur Beihilfeverordnung sieht darüber hinaus die unbeschränkte Übernahme der Aufwendungen für implantologische Leistungen ausnahmsweise dann vor, wenn im jugendlichen Erwachsenengebiss Zähne nicht angelegt sind oder wenn ein großer Kieferdefekt infolge von Kieferbruch oder Kieferresektion vorliegt (Satz 1 Buchstabe a und b der Nr. 1.2.4 der Anlage zur Beihilfeverordnung).
18 
2. Diese Regelung, die die Beihilfefähigkeit implantologischer Zahnarztleistungen auf zwei Implantate pro Kieferhälfte beschränkt, verstößt nicht gegen höherrangiges Recht (ausführlich: Senatsurteil vom 15.3.2012 - 2 S 2542/11 - Juris).
19 
Die Beschränkung der Implantatversorgung ist nicht in Anknüpfung an den Gesichtspunkt der medizinischen Notwendigkeit, sondern im Hinblick auf den Gesichtspunkt der Angemessenheit der beihilfefähigen Aufwendungen erfolgt (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.5.2008 - 2 C 12.07 - DÖV 2008, 961 zu einer generellen Beschränkung der Implantatleistungen in Rheinland-Pfalz). Die Regelung verfolgt den legitimen Zweck, einer durch die im Allgemeinen kostenintensivere Behandlungsart der Implantatversorgung bedingten Ausuferung der für die öffentlichen Kassen entstehenden Kosten entgegen zu wirken. Maßgeblich ist dabei der Gesichtspunkt, dass neben der Einbringung von Implantaten regelmäßig die Möglichkeit einer typischerweise kostengünstigeren Alternativversorgung auf „herkömmliche“ Art und Weise, etwa mit einer Brücke, gegeben ist (vgl. auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 17.9.2003 - 4 S 1869/02 - IÖD 2004, 22 und Beschluss vom 14.12.2001 - 4 S 2442/99 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 15.8.2008 - 6 A 2861/06 - IÖD 2009, 236 und - 6 A 4309/05 - juris).
20 
3. Nach dem Wortlaut der in Nr. 1.2.4 der Anlage zur BVO enthaltenen Regelung scheinen im vorliegenden Fall die Aufwendungen für die Implantatbehandlung in regio 13 und 14 im Oberkiefer des Klägers sowie die damit verbundenen weiteren zahnärztlichen Leistungen von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen zu sein, weil sich in der hier zu beurteilenden Kieferhälfte unstreitig bereits drei Implantate befanden, für die der Dienstherr Beihilfe geleistet hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.5.2008 - 2 C 12.07 - DÖV 2008, 961, wonach Implantate bei einer generellen zahlenmäßigen Begrenzung nicht mitgerechnet werden dürfen, deren Kosten nicht aus öffentlichen Mitteln mitgetragen worden sind). Auch die dargestellten Indikationen, bei denen die Implantatbehandlung ausnahmsweise unbeschränkt beihilfefähig ist, sind im vorliegenden Fall unstreitig nicht gegeben.
21 
4. Auf der Grundlage einer an Sinn und Zweck der Regelung orientierten (teleologischen) Auslegung ist aber jedenfalls unter den im Fall des Klägers gegebenen Umständen die Gewährung einer Beihilfe zu Aufwendungen für eine weitere Implantatbehandlung über die in Nr. 1.2.4 der Anlage zur BVO geregelten Ausnahmen hinaus geboten.
22 
a) Die in der Beihilfeverordnung vorgenommene Begrenzung der Aufwendungen für Implantate beruht auf der - jedenfalls in der Regel zutreffenden - Annahme, dass neben der Einbringung von Implantaten die Möglichkeit einer kostengünstigeren Alternativversorgung gegeben ist (s. oben unter 2.). Die betreffende Einschränkung der Beihilfefähigkeit kann daher in solchen Fällen keine Geltung beanspruchen, in denen die Versorgung mit weiteren Implantaten auf einer zahnmedizinisch zwingenden Indikation beruht. Dies ist dann der Fall, wenn eine Alternativbehandlung überhaupt nicht existiert oder mit weitgehenden Eingriffen in die körperliche Unversehrtheit oder erheblichen gesundheitlichen Nachteilen verbunden wäre. In diesen Fällen ist über den Beihilfeanspruch allein nach dem allgemeinen Grundsatz (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO) zu entscheiden, dass Beihilfe zu gewähren ist, soweit die Aufwendungen nach medizinischer Beurteilung erforderlich sind (vgl. Senatsurteile vom 15.3.2012 - 2 S 2542/11 - und vom 2.5.2012 - 2 S 2904/10 - Juris; BVerwG, Urteil vom 28.5.2008 - 2 C 24.07 - NVwZ 2008, 1378).
23 
b) Die Regelung in Nr. 1.2.4 der Anlage zur BVO kann danach im vorliegenden Fall keine Anwendung finden. Die beim Kläger durchgeführte Behandlung war nach der Überzeugung des Senats medizinisch zwingend notwendig, weil keine zumutbare Behandlungsalternative bestand. Dies ergibt sich aus den vom Kläger vorgelegten schriftlichen Stellungnahmen der behandelnden Ärzte in Verbindung mit den Ausführungen des in der mündlichen Verhandlung angehörten behandelnden Hals-, Nasen- und Ohrenarztes Prof. Dr. Hm., Direktor der HNO-Klinik des Universitätsklinikums ...
24 
aa) Nach den von Prof. Dr. Hm. abgegebenen Erklärungen war die beim Kläger durchgeführte Implantatbehandlung zum einen zur Bekämpfung der starken Schmerzen geboten, unter denen der Kläger seit Jahren gelitten hatte. Durch die Implantate wurde - so Prof. Dr. Hm. - ein „starker“ Ersatz für die zuvor vorhandenen Zähne geschaffen. Durch das dadurch entstehende „Feedback“ konnten die Schmerzen wirksam bekämpft werden. Mit einer Brücke, die keinen entsprechenden Gegendruck erzeugt hätte, wäre dies nach den überzeugenden Ausführungen von Prof. Dr. Hm. hingegen nicht möglich gewesen. Der Erfolg der Behandlung zeigt sich im Übrigen ex post darin, dass der Kläger seit der Behandlung schmerzfrei ist.
25 
Wie Prof. Dr. Hm. weiter erklärt hat, war die Behandlung zum anderen auch durch den starken Knochenschwund im Oberkiefer des Klägers geboten, der bereits eine Knochentransplantation erforderlich gemacht hatte. Der Oberkieferknochen des Klägers war Prof. Dr. Hm. zufolge vor den durch- geführten Maßnahmen extrem dünn („papierdünn“). Ohne Implantate - also z.B. bei einer Brückenversorgung - hätte sich der Knochen nach der überzeugend begründeten Ansicht von Prof. Dr. Hm. voraussichtlich wieder zurückgebildet. Im Normalfall - also bei ausreichend dickem Knochen - ist dies zwar möglicherweise hinnehmbar. Im Fall des Klägers hätte aber aufgrund seiner extrem dünnen Oberkieferknochen die Gefahr von Fisteln („Löchern“) bestanden, sodass die Versorgung mit einer Brücke mit erheblichen - dem Kläger nicht zumutbaren - gesundheitlichen Nachteilen verbunden gewesen wäre.
26 
bb) Der Senat schließt sich dieser überzeugend begründeten Ansicht der behandelnden Ärzte an. Gegen die Ausführungen von Prof. Dr. Hm. in der mündlichen Verhandlung hat im Übrigen auch der Beklagte keine substantiierten Einwendungen (mehr) erhoben.
27 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
28 
Beschluss vom 15. November 2012
29 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.901,45 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
30 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 05. April 2017 - 12 K 473/16 - geändert.

Ziffer 2 des Bescheides des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 02.10.2015 in Gestalt dessen Widerspruchsbescheides vom 18.12.2015 wird insoweit aufgehoben als ein Betrag von mehr als 790,00 EUR zurückgefordert wurde.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.785,23 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.01.2016 zu bezahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

Die Beteiligten tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen jeweils zur Hälfte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Teilrücknahme eines Beihilfebescheides und die Rückforderung von Beihilfeleistungen.
Er ist am … 1952 geboren und als - inzwischen pensionierter - Realschulrektor mit einem Bemessungssatz von 50 % beihilfeberechtigt. Mit Schreiben vom 18.04.2011 beantragte er beim Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg (im Folgenden: Landesamt), Aufwendungen für eine stationäre Krankenhausbehandlung in der N... Fachklinik in Bad W... als beihilfefähig anzuerkennen. Das Landesamt erkannte mit Schreiben vom 26.04.2011 die Kosten einer 14-tägigen stationären Behandlung in der N... Fachklinik nach Maßgabe der BVO und der nachfolgend erteilten Hinweise als dem Grunde nach beihilfefähig an. Mit Schreiben des Landesamts vom 19.05.2011 wurde die anerkannte Behandlungsdauer um 28 Tage verlängert. In der Zeit vom 10.05. bis 07.06.2011 hielt sich die Kläger in der N... Fachklinik auf. Ausweislich des Behandlungsplans erhielt er in dieser Zeit u.a. folgende Therapien: „Dornbreuss“, „Craniosacral-Therapie“, „Softpack Kreidepackung“, „Körper-Seele-Int(Trager)“, „Strömen“, „Biografie-Arbeit“, „Aurum Manus“, „Facial Harmony“, „Kraft der Stimme“, „Heiße Steine“ und „Walking in der Gruppe“. Am 11.05.2011 und am 06.06.2011 fanden Abrechnungs-Beratungen statt.
Mit privatärztlicher Liquidation vom 10.06.2011 stellte die R... GmbH dem Kläger im Auftrag von Dr. M.../Dr. D... in Bad W... einen Betrag von 5.150,45 EUR für die Belegarzt-Behandlung vom 10.05.2011 bis 07.06.2011 in Rechnung. Unter dem 26.06.2011 beantragte der Kläger bei dem Beklagten, ihm u.a. für diese Aufwendungen Beihilfeleistungen zu gewähren. Das Landesamt erkannte mit Beihilfebescheid vom 06.07.2011 die mit der Rechnung vom 10.06.2011 abgerechneten Aufwendungen in Höhe von 5.150,45 EUR als beihilfefähig an und gewährte dem Kläger Beihilfe in Höhe von 2.575,23 EUR (50 %).
Mit Schreiben vom 13.07.2015 hörte der Beklagte den Kläger zur Rücknahme des Bescheides unter Rückforderung der Beihilfe an. Der Leiter der N...-... Fachklinik, Dr. M..., und dessen Ehefrau seien mit Urteil des Landgerichts R... vom 09.02.2015 wegen gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Betrugs verurteilt worden. Die R... GmbH habe im Auftrag der Ärzte der N... Fachklinik erbrachte Leistungen wissentlich falsch abgerechnet, um dem Grunde nach nicht beihilfefähige Aufwendungen für die Patienten erstattungsfähig zu machen. In der Regel seien die unzutreffenden Rechnungen sowohl zu Beginn als auch zum Ende des Aufenthalts von den Rechnungsstellern mit den Patienten durchgesprochen worden. Der Kläger habe während seines Aufenthalts in der N... Fachklinik Leistungen in Anspruch genommen, bei denen es sich nicht um beihilfefähige Leistungen gehandelt habe. Er habe spätestens ab Erhalt der Rechnung Kenntnis davon gehabt, dass die bei ihm durchgeführten Behandlungen nicht den abgerechneten Behandlungen auf der Rechnung entsprochen hätten.
Daraufhin erstattete der Kläger dem Beklagten den Betrag i.H.v. 2.575,23 EUR unter dem Vorbehalt der Rückforderung.
Mit Schreiben vom 25.08.2015 teilte das Landesamt dem Kläger mit, dass laut dem Behandlungsplan am 19.05.2011 eine „Aurum Manus“-Behandlung durchgeführt worden sei. Für diese sei in der Rechnung eine siebenteilige Kette aus Gebührenziffern (3305, 5, 505, 506, 514, 558 und 846) ausgewiesen. Zudem sei die am 23.05.2011 durchgeführte Behandlung „Strömen“ durch eine vierteilige Ziffernkette (269a, 200, 846 und 849) ausgewiesen. Die genannten Gebührenziffern seien also nicht erbracht, aber in Rechnung gestellt worden. Darüber hinaus sei in Frage zu stellen, ob an jedem Morgen um 9.00 Uhr eine Visite stattgefunden habe.
Mit Bescheid vom 02.10.2015 nahm das Landesamt den Bescheid vom 06.07.2011 zurück, soweit darin zu der Rechnung vom 10.06.2011 in Höhe von 5.150,45 EUR Beihilfe gewährt wurde (Nr. 1 des Bescheides), und forderte die zu Unrecht gezahlte Beihilfe in Höhe von 2.575,23 EUR zurück (Nr. 2 des Bescheides). Nach Nr. 3 des Bescheides ergeht dieser gebührenfrei und werden Auslagen nicht erhoben. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger habe Leistungen in Anspruch genommen, die nicht beihilfefähig seien und auch nicht als solche abgerechnet worden seien. Dies seien die Leistungen: „Dornbreuss“, „Craniosacral-Therapie“, „Softpack Kreidepackung“, „Strömen“, „Biografie-Arbeit“, „Aurum Manus“, „Facial Harmony“, „Kraft der Stimme“, „Heiße Steine“ und „Walking in der Gruppe“ gewesen. Für diese seien Ziffernketten der GOÄ anstelle der tatsächlich erbrachten Leistungen in Rechnung gestellt worden. Somit seien nicht erbrachte Leistungen, aber auch nie erbrachte ärztliche Visiten abgerechnet worden. Dadurch seien höhere Rechnungsbeträge erzielt und sei die Erkennbarkeit der Ziffernketten verschleiert worden. Die vorgelegte Rechnung sei daher aufgrund der betrügerischen Abrechnungssystematik in ihrer Gesamtheit unzutreffend und spiegele keinesfalls die erbrachten ärztlichen Leistungen wider. Der rechtswidrige Verwaltungsakt könne zurückgenommen werden, denn der Kläger könne sich nicht auf schutzwürdiges Vertrauen berufen, weil er den Verwaltungsakt durch in wesentlicher Beziehung unrichtige Angaben erwirkt und spätestens mit dem Erhalt der Rechnung auch gewusst habe, dass die abgerechneten Behandlungen nicht den tatsächlich durchgeführten Behandlungen entsprochen hätten. Dennoch habe er die unrichtigen Rechnungen eingereicht. Unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Auswirkungen, der Rechtmäßigkeit der Verwaltung und des allgemeinen fiskalischen Interesses an der Vermeidung nicht gerechtfertigter öffentlicher Ausgaben könne der Bescheid zurückgenommen werden.
Mit Schreiben vom 03.11.2015 legte der Kläger Widerspruch ein, den er wie folgt begründete: Das Landesamt habe die beabsichtigte Behandlung nur eingeschränkt anerkannt. Zur Vermeidung persönlicher Kosten habe er sich an die N... Klinik gewandt und die Bestätigung erhalten, dass nur beihilfefähige Behandlungen durchgeführt würden. Er sei lediglich damit einverstanden gewesen, notwendige physiotherapeutische Behandlungen und Laborkosten selbst bezahlen zu müssen, habe aber klargestellt, dass ihm nur beihilfefähige Behandlungen und Rechnungspositionen in Rechnung gestellt werden sollten. Dies sei ihm von der Klinik versichert worden. Im Vertrauen hierauf sei er davon ausgegangen, dass mit der Rechnung nur beihilfefähige Behandlungen abgerechnet würden. Mit betrügerischem Verhalten des Klinikdirektors und dessen Ehefrau habe er nicht zu rechnen brauchen. Zu keiner Zeit sei ihm gegenüber davon die Rede gewesen, dass nicht beihilfefähige Leistungen mit erstattungsfähigen GOÄ-Ziffernketten in Rechnung gestellt und auf diese Weise das Landesamt betrogen werde. Einzelheiten der Behandlung, insbesondere Fachbezeichnungen für die durchgeführten therapeutischen Maßnahmen, seien ihm nicht gesondert mitgeteilt worden. Über Arztvisiten und deren Zeitpunkt habe er kein Buch geführt. Die Liquidation der Fa. R...-... habe er daher ohne Bedenken an das Landesamt weitergeleitet; eine Überprüfung der einzelnen Rechnungspositionen habe er nicht vorgenommen, weil er weder mit den Fachbegriffen noch mit den GOÄ-Ziffern etwas habe anfangen können. Im Übrigen sei er davon ausgegangen, dass das Landesamt die Liquidationsgrundlage überprüfen könne und eine ordnungsgemäße Entscheidung treffe. Mit Bescheid vom 06.07.2011 habe das Landesamt diese Überprüfung bestätigt. Er habe diesen Bescheid zum Anlass genommen, um die R... GmbH mit Schreiben vom 10.07.2011 daran zu erinnern, dass nur beihilfefähige Leistungen erbracht und nur solche in Rechnung gestellt werden sollten. Zudem habe er eine neue Abrechnungsübersicht erbeten, die unter dem 15.07.2011 unter Berücksichtigung der Einschränkungen aus dem Beihilfebescheid, der selbst zu tragenden Physiotherapie und der Laborrechnung erstellt worden sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18.12.2015 wies das Landesamt den Widerspruch zurück und verwies auf die Ausgangsentscheidung. Ergänzend wurde dort u.a. ausgeführt: Unabhängig davon, ob Abrechnungsgespräche nun stattgefunden hätten oder nicht, sei anhand des Vergleiches des individuell erstellten Therapieplanes mit der entsprechenden Arztrechnung zu erkennen gewesen, dass die durchgeführten Behandlungen nicht den abgerechneten entsprächen. Kriminalkommissar K... vom Polizeipräsidium K... habe in seinem Schreiben vom 09.06.2015 den Wahrheitsgehalt des Behandlungsplanes bestätigt. Einem Laien ohne Kenntnisse der GOÄ sei zuzumuten, dass er eine Rechnung dahingehend überprüfe, ob die aufgeführten Einzelleistungen und Therapien erbracht worden seien. Ein medizinischer Laie sei auch in der Lage, zu prüfen, ob Visiten, Infusionen, Injektionen, Blutabnahmen und Akupunkturen stattgefunden hätten. Auch die Prüfung der Anzahl der in Rechnung gestellten tiefenpsychologischen Therapien oder verhaltenstherapeutischen Behandlungen erfordere keine medizinischen Fachkenntnisse. Der Kläger habe zudem mit Unterschrift auf dem Beihilfeantrag bestätigt, dass er nachträgliche Preisermäßigungen oder Preisnachlässe auf die Aufwendungen schriftlich anzeige. Dies habe der Kläger unterlassen, nachdem er eine neue Rechnung vom 15.07.2011 erhalten habe. Der Beihilfeberechtigte dürfe nicht die Beihilfe zu der gesamten Rechnung beantragen, wenn er an den Arzt in Wirklichkeit nur denjenigen Betrag zahlen solle, für den er Beihilfe erhalte.
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Am 28.01.2016 hat der KIäger Klage erhoben mit dem Ziel, die Aufhebungsentscheidung und den Rückforderungsbetrag auf 1.785,23 EUR zu reduzieren und den Beklagten zur (Rück-)Zahlung von 1.785,23 EUR nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verurteilen. Zur Begründung der Klage hat er zusammengefasst vorgetragen: Die Voraussetzungen für eine Rücknahme der Beihilfegewährung lägen nicht vor. Da es sich letztlich um die Rückzahlung eines bestimmten Geldbetrages handele, der sich wiederum aus einer Summe von einzelnen Rechnungsposten zusammen setze, könne nicht kurzerhand vom Vorliegen einzelner unzutreffender Rechnungsposten auf die Rechtswidrigkeit aller Rechnungsposten geschlossen werden. Der Beklagte hätte daher ermitteln müssen, welche einzelnen Rechnungsposten zu Recht erbracht worden seien und welche nicht. Ein solcher Abgleich sei, wie sich aus dem Schreiben des Polizeipräsidiums K... vom 09.06.2015 an den Beklagte ergebe, auch möglich gewesen, da dem Beklagten der Therapieplan übermittelt worden sei, aus dem sich die beim Kläger tatsächlich durchgeführten Maßnahmen ergäben. Aus der von der Kriminalpolizei zusätzlich übermittelten Excel-Tabelle ergebe sich weiter, dass dem Beklagten im Zusammenhang mit dem Beihilfeantrag des Klägers nur ein Schaden i.H.v. 790,00 EUR entstanden sei. Daraus folge, dass von dem als Beihilfeleistung gezahlten Betrag (i.H.v. 2.575,23 EUR) 1.785,23 EUR mit Rechtsgrund erstattet worden seien. Unabhängig davon habe der Kläger die in der ärztlichen Liquidation enthaltenen Daten mit den sich aus dem Behandlungsplan ergebenden Daten abgeglichen. Danach seien nach GOÄ abrechenbare Leistungen zumindest in Höhe von 784,58 EUR (353,81 EUR + 430,77 EUR) entstanden, weshalb die angefochtenen Bescheide nur insoweit aufzuheben wären. Auf den formalen Aspekt des § 17 Abs. 3 BVO sei in diesem Zusammenhang nicht abzustellen, sondern darauf, inwieweit dem Beklagten tatsächlich ein Schaden entstanden sei. Soweit Beihilfeleistungen zu Unrecht erbracht worden seien, gehe der Beklagte zwar zu Recht davon aus, dass die Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG vorlägen, weil die Beihilfeleistung durch den Beihilfeantrag vom 26.06.2011 „erwirkt“ worden sei. Allerdings unterstelle der Beklagte ihm - dem Kläger - zu Unrecht, er habe die Rechtswidrigkeit der Beihilfegewährung positiv gekannt oder grob fahrlässig nicht gekannt. Bei dem „Abrechnungsgespräch“ am 11.05.2011 um 11.00 Uhr seien nur Daten (welche Krankenkasse, welche LBV, die geleistete Vorauszahlung) abgeglichen worden. Außerdem sei es um die Zahlung der Kurtaxe und um Kosten für Dinge des persönlichen Bedarfs gegangen. Bei dem zweiten Gespräch am 07.06.2011 (nicht wie im Behandlungsplan ausgewiesen am 06.06.2011) sei es um die Abrechnung der am 11.05.2011 besprochenen Kosten gegangen. Zur Abrechnung der Kosten für den Klinikaufenthalt sei ihm von Frau M... lediglich mitgeteilt worden, dass die Rechnung noch nicht fertig sei und ihm zugeschickt werde. Betrügerische Gespräche hätten nie stattgefunden. Er habe auch nicht damit rechnen müssen, dass die Abrechnung manipuliert würde. Die fehlende Kenntnis bzw. grobfahrlässige Unkenntnis des Klägers hätte der Beklagte bei der zu treffenden Ermessensentscheidung nach § 48 Abs. 2 Satz 4 LVwVfG berücksichtigen müssen, was nicht geschehen sei. Im Zeitpunkt der Entscheidung über die Rücknahme habe es wegen des Vorliegens eines Behandlungsplanes und der Möglichkeit, die tatsächlich erbrachten Behandlungsleistungen zu berechnen, genügend Anhaltspunkte für eine Ausnahme von der Bewertungsregel der genannten Vorschrift gegeben. Die notwendige Abwägungsentscheidung unter Berücksichtigung der konkreten Interessenlagen sei aber unterblieben.
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Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat zusammengefasst vorgetragen: Der gesamte Beihilfebetrag sei zurückgefordert worden, denn die Rechnung sei rein fiktiv erstellt worden. Für den Beklagten sei nicht ersichtlich, welche abrechnungsfähigen Behandlungen im Einzelnen tatsächlich stattgefunden hätten. Beihilfe werde gem. § 17 Abs. 3 BVO nur zu Behandlungen gewährt, die durch Belege nachgewiesen seien. Es handele sich um eine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung, wobei es dem Kläger obliege, eine nicht gefälschte Rechnung der R... GmbH vorzulegen. Ein Abgleich der erfundenen, falschen Rechnung mit den tatsächlich erbrachten Leistungen sei dem Landesamt nicht möglich. Auf die Schadensberechnung der Ermittlungsbehörden könne bei der Beurteilung der Rechtswidrigkeit der erbrachten Beihilfeleistungen nicht abgestellt werden, da es sich nur um eine Schätzung handele. Die Gewährung und Auszahlung der Beihilfe aufgrund der falschen Rechnungen sei durch Angaben erwirkt worden, die unrichtig gewesen seien. Die Rechtswidrigkeit des Beihilfebescheides habe der Kläger auch gekannt, denn nach den Feststellungen des Landgerichts R... sei gegenüber den Patienten die Zusicherung abgegeben worden, die Rechnung werde so gestaltet, dass die Kostenträger eine Erstattung vornähmen. Damit habe der Kläger gewusst, dass die eingereichte Rechnung unrichtige Angaben enthalten habe. Unabhängig davon liege bei ihm grob fahrlässige Unkenntnis vor, denn bei der gebotenen Überprüfung der Rechnung hätte sich deren Unrichtigkeit dem Kläger aufdrängen müssen. Für ihn sei ohne weitere Nachforschungen und Rechtskenntnisse erkennbar gewesen, welche Leistungen erbracht worden und welche abgerechnet worden seien. Damit hätte er auch die Abweichung erkennen können. Im Schriftsatz vom 16.12.2015 habe der Kläger selbst ausgeführt, dass er die Rechnungspositionen gar nicht überprüft habe. Die gewährten Beihilfeleistungen habe der Kläger auch nicht verbraucht, denn er habe diese zur Schuldentilgung bei der Klinik eingesetzt. Die Befreiung von dieser Verbindlichkeit sei seinem Vermögen zugewachsen.
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Mit Schriftsatz vom 19.12.2016 hat der Beklagte eine Billigkeitsentscheidung gem. § 15 Abs. 2 LBesG getroffen und im Einzelnen ausgeführt, dass die vorliegenden Umstände weder ein vollständiges noch ein teilweises Absehen von der Rückforderung geböten, denn die Gründe für die Überzahlung lägen ausschließlich in der Sphäre des Klägers. Zahlungserleichterungen seien nicht erforderlich, weil der Kläger den Rückforderungsbetrag vollständig gezahlt habe. Von der Verzinsung des Rückforderungsanspruchs werde allerdings abgesehen.
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Mit Urteil vom 05.04.2017 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Rücknahmeentscheidung des Beklagten sei rechtmäßig, weil die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG vorlägen. Der Beihilfebescheid vom 06.07.2011 sei rechtswidrig, da in der eingereichten Rechnung vom 10.06.2011 in Form einer langen Auflistung zahlreicher ärztlicher Leistungen unter Angabe der GOÄ-Nummern über die gesamte Aufenthaltszeit des Klägers hinweg Leistungen aufgeführt seien, die tatsächlich nicht erbracht worden seien. Die tatsächlich erbrachten Leistungen ergäben sich aus dem Behandlungsplan und enthielten nur ganz vereinzelt zugehörige GOÄ-Ziffern. Ein Großteil der darin aufgeführten Leistungen sei nicht beihilfefähig. Dies ergebe sich zur Überzeugung des Gerichts aus dem Urteil des Landgerichts R... vom 09.02.2015 (2 KLs 31 Js 14206/12), wo im Einzelnen dargestellt sei, wie der verurteilte leitende Arzt der N... Fachklinik durch Angabe fiktiver, plausibler GOÄ-Ziffernketten und das „Einstreuen“ von Gebührenziffern für Spritzen und Visiten verschleiert habe, dass tatsächlich ganz andere Leistungen erbracht worden seien. Die in der Rechnung angegebenen GOÄ-Ziffern seien dabei so gewählt und entsprechend aufgefüllt worden, dass die von der N... Fachklinik intern zugrunde gelegten Preise für einzelne Therapien wie z.B. „Strömen“ und „Aurum Manus“ etc. in der Summe erreicht worden seien. Dies stehe aufgrund des Urteils des Landgerichts fest und werde zu Unrecht bestritten. Die in Rechnung gestellten Leistungen seien nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 3 BVO nicht beihilfefähig. Der Einwand des Klägers, die Rechnung vom 10.06.2011 enthalte auch tatsächlich erbrachte Leistungen, weshalb der Beihilfebescheid teilweise rechtmäßig sei, treffe nicht zu. Bei Zugrundelegung des von der N…-... Fachklinik angewendeten kriminellen Abrechnungssystems gebe es keine sicheren und konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die privatärztlichen Liquidation vom 10.06.2011 auch tatsächlich erbrachte und beihilfefähige Leistungen enthalte. Dies möge so sein, müsse aber nicht zutreffen, da die Liquidation auch zur Gänze aus rein fiktiv aufgeführten GOÄ-Ziffern bestehen könne. Zwar spreche eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass einzelne tatsächlich erbrachte Leistungen in der Rechnung aufgeführt seien. Es sei indessen nicht möglich, diese im Einzelnen zweifelsfrei zu identifizieren. Die vorliegenden Unterlagen, insbesondere der Therapieplan ließen dies nicht nachvollziehbar zu. Die Liquidation vom 10.06.2011 sei daher insgesamt kein zum Nachweis geeigneter Beleg i.S.d. § 17 Abs. 3 Satz 1 BVO. Der Beklagte sei zu Recht davon ausgegangen, dass den Rechnungen insgesamt die Erstattungsfähigkeit fehle. Eine korrigierte und nunmehr den Tatsachen entsprechende Abrechnung habe der Kläger nicht vorgelegt. Den im Urteil des LG R... erwähnten Schadensbetrag i.H.v. 790 EUR könne man hier nicht zugrunde legen. Denn hierbei handele es sich um eine Schätzung, welche zugunsten des Angeklagten den nachweisbaren Mindestbetrag des Schadens pauschaliert angebe. Der tatsächlich angerichtete Schaden sei weitaus höher.
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Auf schutzwürdiges Vertrauen i.S.d. § 48 Abs. 2 Satz 2 LVwVfG könne der Kläger sich nicht berufen. Er habe den Verwaltungsakt durch unrichtige Angaben i.S.v. § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG erwirkt. Für diesen Ausschlusstatbestand sei nicht Voraussetzung, dass der Betroffene die Unrichtigkeit der von ihm vorgelegten Unterlagen kenne; auch auf ein Verschulden komme es nicht an. Zudem lägen die Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 LVwVfG vor, denn der Kläger habe die Rechtswidrigkeit des Beihilfebescheides vom 06.07.2011 infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt. Er habe -unter Anlegung des bei Beamten aufgrund der Treuepflicht anzuwendenden erhöhten Sorgfaltsmaßstabs - seine Sorgfaltspflichten in besonders hohem Maße verletzt. Durch einen einfachen Vergleich der bei ihm erbrachten Leistungen mit den privatärztlichen Liquidationen hätte er auf den ersten Blick erkennen können und müssen, dass nicht die im Behandlungsplan ausgewiesenen Leistungen abgerechnet worden seien. Hierauf hätte der Kläger den Beklagten hinweisen müssen. Bei Parallelwertung in der Laiensphäre hätte ihm auch klar sein müssen, dass ein Verwaltungsakt, der auf in wesentlicher Hinsicht unrichtigen Angaben beruhe, nicht rechtmäßig sein könne.
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Die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 LVwVfG sei eingehalten. Die Frist beginne mit der Kenntnis des Landesamts von dem die Rücknahme rechtfertigenden Sachverhalt. Kenntnis in diesem Sinne habe das Landesamt wohl erst mit der am 17.02.2015 eingetretenen Rechtskraft des Urteils des Landgerichts R... gehabt. Nichts anderes ergebe sich, wenn man die erste Unterrichtung des Landesamts durch die E-Mail der Kriminaldirektion F...-... vom 01.12.2014 zugrunde lege. Ermessensfehler bei der Rücknahmeentscheidung seien nicht erkennbar. Mit Blick auf den fehlenden Vertrauensschutz sei regelmäßig eine Ermessensreduktion in Richtung einer Rücknahme auch für die Vergangenheit anzunehmen, wenn für einen Ausnahmefall nichts ersichtlich sei. Entgegen der Auffassung des Klägers ergebe sich kein Ausnahmefall daraus, dass der im Urteil des Landgerichts R... für den Fall des Klägers angeführte Schaden wesentlich niedriger sei als die gewährte Beihilfe. Im Übrigen habe das Landesamt sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt, indem es auf die wirtschaftlichen Auswirkungen, die Rechtmäßigkeit der Verwaltung und das allgemeine fiskalische Interesse an einer Vermeidung nicht gerechtfertigter öffentlicher Ausgaben abgestellt habe.
16 
Die Rückforderungsentscheidung nach § 49a Abs. 1 Satz 1 LVwVfG sei ebenfalls rechtmäßig. Die Bereicherungsvorschriften des BGB stünden dem Rückforderungsverlangen nicht entgegen, wobei offen bleiben könne, ob der Kläger gemäß § 818 Abs. 3 BGB entreichert sei. Denn gem. § 49 Abs. 2 Satz 2 LVwVfG könne er sich auf den Entreicherungseinwand nicht berufen, weil er die zur Rücknahme des Beihilfebescheides führenden Umstände infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt habe. Soweit nach der Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg bei der Rückforderung nach § 49a LVwVfG den Anforderungen des Berufsbeamtentums Rechnung getragen werden müsse, sei dies der Fall. Der Beklagte habe - im Wege zulässiger Ergänzung der Ermessenserwägungen gem. § 114 Satz 2 VwGO - das Ob und Wie des Erstattungsverlangens geprüft und auf eine Zinsforderung verzichtet. Ermessensfehlerfrei habe das Landesamt ein vollständiges oder teilweises Absehen von einer Rückforderung abgelehnt.
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Gegen das ihm am 24.04.2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 10.05.2017 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er vor: Der Beihilfebescheid vom 06.07.2011 sei entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts teilweise rechtmäßig, denn aus dem für den Kläger erstellten Behandlungsplan ergebe sich - auch nach den Ermittlungen der Kriminalpolizei, z.B. ausweislich des Schreibens des Polizeipräsidiums K... vom 09.06.2015 - zweifelsfrei, welche Behandlungen in seinem Falle tatsächlich erbracht worden seien. Diese ließen sich den in der Rechnung korrespondierenden Leistungen zuordnen, die nach GOÄ abrechenbar seien und insoweit auch gem. § 17 Abs. 3 Satz 1 BVO nachgewiesen seien. Zwar habe die jetzige Betreiberin der Klinik, die A...-... U..., ausweislich ihres Schreibens vom 19.05.2017 die Ausstellung einer korrigierten Rechnung abgelehnt und sei eine direkte Zuordnung der nach Therapieplan erbrachten Leistungen zu den einzelnen Rechnungsposten zumindest zum Teil nicht möglich, dies ändere aber nichts daran, dass die Leistungen erbracht und zu Recht in Rechnung gestellt worden seien. Daher hätte die Rechnung vom 10.06.2011 nicht insgesamt als rein fiktiv angesehen dürfen, sondern auf die Rechtmäßigkeit der Einzelpositionen abgestellt werden müssen. Aus dem vom Kläger selbst durchgeführten Abgleich ergebe sich unter Berücksichtigung des von der Polizei ermittelten Schadensbetrages i.H.v. 790 EUR, dass insgesamt 1.222,15 EUR (868,23 EUR + 353,81 EUR) an Beihilfeleistungen rechtmäßig erbracht worden seien und die Beihilfegewährung insoweit nicht hätte zurückgenommen werden dürfen. Der Beklagte habe auch sein Rücknahmeermessen nicht fehlerfrei ausgeübt. Zwar müsse davon ausgegangen werden, dass die Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG vorlägen, weil der Kläger durch seinen in Teilen unrichtigen Beihilfeantrag den Beihilfebescheid erwirkt habe. Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 LVwVfG lägen aber nicht vor. Denn der Kläger habe keine Veranlassung gehabt, Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abrechnung vom 10.06.2011 zu hegen. Gespräche mit Vertretern der Klinik über die Abrechnungsmanipulation hätten nicht stattgefunden. Über die zahlreich bei ihm durchgeführten Behandlungen und Visiten habe er nicht Buch geführt und deren Notwendigkeit auch nicht hinterfragen müssen. Ihm sei auch nicht bekannt gewesen, was unter den genannten Leistungen, wie z. B. „Dornbreuss“, „Craniosacral-Therapie“ oder „Aurum Manus“ zu verstehen gewesen sei. Für ihn sei entscheidend gewesen, dass die durchgeführten Behandlungen und Therapien gut getan hätten. Als mit der GOÄ nicht vertrauter Laie habe er ärztliche Rechnungen auch nur schwer verifizieren können. Auch dass die Behandlerin G... keine Therapeutin gewesen sei und die von ihr erbrachten Leistungen aus diesem Grund nicht abrechenbar gewesen seien, habe er nicht gewusst. Wenn lediglich die in § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG genannte Konstellation vorliege, könne nicht automatisch ein Regelfall für die Rücknahme i.S.v. § 48 Abs. 2 Satz 4 LVwVfG angenommen werden, sondern seien die Hürden für die Annahme eines Ausnahmefalles geringer und müsse geprüft werden, ob der Unrechtsgehalt, der mit einem Fall des § 48 Abs. 2 Satz 3 LVwVfG typischerweise verbunden sei, wegen der Besonderheiten des Einzelfalles überhaupt noch vorliege. Dies sei hier nicht der Fall, da die Rechnung vom 10.06.2011 sich aus fast 300 Rechnungspositionen zusammensetze, die auf ihre Richtigkeit zu überprüfen seien. Es entspreche der gängigen Praxis des Beklagten, bei Nichtabrechenbarkeit einzelner Rechnungspositionen nur insoweit eine Beihilfegewährung zu verweigern und nicht die Gesamtrechnung abzulehnen. Hier hätte der Beklagte die mögliche und gebotene Einzelprüfung durchführen können und müssen. Da dies unterblieben sei, wäre der Beklagte nach § 48 Abs. 2 Satz 4 LVwVfG verpflichtet gewesen, sein Ermessen umfassend auszuüben. Der Verweis auf das intendierte Ermessen reiche jedenfalls nicht aus, weil der Beklagte bei einer Einzelprüfung der Rechnungspositionen zu dem Ergebnis hätte kommen müssen, dass die Rechnung allenfalls in Höhe von 1.373,08 EUR (790,00 EUR + 583,08 EUR) unrichtig sei und der Bescheid nur insoweit hätte zurückgenommen werden dürfen. Wenn davon auszugehen sein sollte, dass der ermittelte Betrag i.H.v. 868,34 EUR nicht rechtmäßig erstattet worden sei, ändere dies nichts, denn bei richtiger Abwägung der widerstreitenden Interessenlagen hätte der Beklagte dann zwangsläufig zu dem Ergebnis kommen müssen, dass insoweit als bei ihm kein Schaden entstanden sei, also i.H.v. 868,34 EUR, das öffentliche Interesse an der Vermeidung ungerechtfertigter Ausgaben nicht verletzt werde. Auch die Rückforderungsentscheidung sei allenfalls zum Teil rechtmäßig, da die Rückforderung nur in Höhe von 1.353,20 EUR (2.575,23 EUR - 1.222,03 EUR) berechtigt sei. Unabhängig davon sei der Kläger entreichert, da er die erstattete Beihilfe zur Begleichung der Klinikrechnung verwendet habe. Die in § 49a Abs. 2 LVwVfG genannten Umstände habe er nicht gekannt und auch nicht in grob fahrlässiger Weise nicht gekannt. Die vom Beklagten nachträglich zu § 15 Abs. 2 LBesG getroffene Billigkeitsentscheidung sei rechtswidrig. Sie hätte nicht gem. § 114 Satz 2 VwGO im gerichtlichen Verfahren nachgeschoben werden dürfen, weil schon vorgerichtlich keine Ermessensausübung stattgefunden habe. Die Anfechtung der Rückforderung werde insgesamt auf den Betrag von 1.785,23 EUR (2.575,23 EUR - 790 EUR) beschränkt. Rechtsgrundlage für die geltend gemachte Erstattung (beschränkt auf 1.785,23 EUR) sei der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch, dessen Voraussetzungen hier erfüllt seien, denn in der geltend gemachten Höhe sei die Vermögensverschiebung zugunsten des Beklagten rechtsgrundlos erfolgt. Der Zinsanspruch ergebe sich aus § 291 ZPO i.V.m. §§ 288 Abs. 2 und 14 BGB.
18 
Der Kläger beantragt,
19 
1. das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 05.04.2017 - 12 K 473/16 - zu ändern und Ziffern 1 und 2 des Bescheids des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 02.10.2015 in Gestalt dessen Widerspruchsbescheids vom 18.12.2015 insoweit aufzuheben als der Beihilfebescheid in Höhe eines Betrages bis 1.785,23 EUR zurückgenommen und dieser Betrag zurückgefordert wurde,
20 
2. den Beklagten verurteilen, an den Kläger 1.785,23 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen,
21 
3. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
22 
Der Beklagte beantragt,
23 
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
24 
Er verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vorbringens. Ergänzend führt er aus: Soweit der Kläger auf das Urteil des Landgerichts R... vom 09.02.2015 und den dort erwähnten Schaden des Beklagten von 790 EUR verweise, sei dem entgegenzuhalten, dass im Ermittlungsverfahren kein abschließender Schaden in dieser Höhe festgestellt worden sei. Ausweislich S. 4 und 14 des Urteils seien die Ermittlungen und Schadensberechnungen auf die dort explizit aufgelisteten Behandlungen beschränkt worden, so dass die Feststellungen zum jeweiligen Schaden auf Schätzungen beruhten. Selbst wenn vereinzelte, in den Rechnungen angeführte Leistungen tatsächlich erbracht worden seien, ändere dies nichts daran, dass die Aufwendungen nicht durch Belege nachgewiesen seien. Ein Nachweis durch Beleg sei aber konstitutive Tatbestandsvoraussetzung für die Beihilfegewährung. Hinzu komme, dass der Kläger bezüglich der tatsächlich erbrachten Leistungen zu keinem Zeitpunkt einen Beihilfeantrag gestellt habe. Der Kläger habe die Beihilfeleistungen durch unrichtige Angaben erwirkt und die Rechtswidrigkeit des Beihilfebescheides zudem grob fahrlässig nicht gekannt. Auch wenn nicht jeder Beamte in der Lage sei, die GOÄ-Ziffern zu „lesen“ und diese zu überprüfen, so müsse wenigstens eine Plausibilitätskontrolle erfolgen. Eine solche sei möglich, weil die Rechnungen nicht nur die „reinen“ GOÄ-Ziffern, sondern zumindest stichwortartig auch die erbrachten Leistungen angäben. Daran gemessen hätte der Kläger Veranlassung gehabt, der Rechnung zu misstrauen. Denn er hätte durch einen Vergleich seines Behandlungsplans mit der privatärztlichen Liquidation auf den ersten Blick erkennen können und müssen, dass die im Behandlungsplan genannten Leistungen wie z.B. „Kraft der Stimme“, „Alexander Technik“, „Facial Harmony“, „Heiße Steine“ und „Softpack Kreidepackung“ nicht abgerechnet und dass die in der privatärztlichen Liquidation aufgeführten Leistungen tatsächlich nicht erbracht worden seien. Hierauf hätte der Kläger das Landesamt hinweisen müssen. Mit Blick auf den fehlenden Vertrauensschutz sei regelmäßig eine Ermessensreduktion in Richtung einer Rücknahme auch für die Vergangenheit anzunehmen, wenn - wie hier - für einen Ausnahmefall nichts ersichtlich sei.
25 
Die Rückforderungsentscheidung sei ebenfalls rechtmäßig. Nach § 15 Abs. 2 S. 1 LBesG i.V.m. §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4 BGB und § 15 Abs. 2 Satz 2 LBesG könne sich der Kläger auf den Wegfall der Bereicherung nicht berufen, weil in Bezug auf die gewährte Beihilfezahlung der Mangel des rechtlichen Grundes so offensichtlich gewesen sei, dass der Kläger ihn hätte erkennen können. Die gewährte Beihilfe sei auch nicht verbraucht i.S.v. § 818 Abs. 3 BGB, denn im vorliegenden Fall sei eine Bereicherung bestehen geblieben. Die mit dem Abschluss des Behandlungsvertrages verbundene Vermögensdisposition des Klägers könne durch eine Rückforderung bei der Klinik rückgängig gemacht werden. Der Behandlungsvertrag mit der Klinik sei aufgrund Sittenwidrigkeit ex tunc nichtig. Dem Kläger stehe damit ein Rückforderungsanspruch gegen die Klinik zu. Dieser Anspruch könne auch noch realisiert werden, da die Klinik in rechtlicher Hinsicht fortbestehe. Es sei auch nicht substantiiert dargelegt worden, dass die streitige Geldsumme zur allgemeinen Lebenshaltung ausgegeben worden sei. Dies wäre aus beihilferechtlicher Sicht zudem irrelevant, da die zum Verbrauch im Rahmen allgemeiner Lebensführung ergangene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 26.04.2012 - 2 C 4.11 -, juris ) auf zweckgebunden erbrachte Beihilfeleistungen nicht übertragbar sei. Die nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs erforderliche Billigkeitsentscheidung nach § 15 Abs. 2 LBesG sei während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nach § 114 Satz 2 VwGO in zulässiger Weise nachgeschoben worden, da sich die Notwendigkeit einer Ermessensentscheidung aufgrund des Bekanntwerdens der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes erst nach Klageerhebung herausgestellt habe.
26 
Mit Schriftsätzen vom 07.08.2017, 05.12.2017 und 11.12.2017 hat der Kläger ergänzend geltend gemacht: Einen Abgleich des Behandlungsplanes mit der privatärztlichen Liquidation vom 10.06.2017 habe er nicht vornehmen können, da ihm der Behandlungsplan erstmals im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens vorgelegt worden sei. Während des Klinikaufenthalts habe er lediglich eine wöchentliche Übersicht über die geplanten Behandlungen erhalten, die z.T. täglich durch neue Versionen ersetzt worden sei. Er habe keine Notwendigkeit gesehen, diese Zettel aufzubewahren. Bei der Ausübung pflichtgemäßen Ermessens im Rahmen des § 48 Abs. 2 Satz 4 LVwVfG und des § 15 Abs. 2 LBesG hätte der Beklagte jeweils auch die Höhe des ihm entstandenen Schadens berücksichtigen müssen. Nach Auskunft der Klinikleitung habe der Beklagte am 19.01.2017 mit der A... U... inzwischen einen Vergleich abgeschlossen, mit dem u.a. auch ein durch Gewährung von Beihilfen entstandener Schaden ausgeglichen werden solle. Dieser Umstand sei hier auch berücksichtigungsfähig, weil die Sach- und Rechtslage nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zu beurteilen sei. Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten habe der Kläger die Beihilfeleistungen i.S.v. § 818 Abs. 3 BGB verbraucht. Rückforderungsansprüche könne er nicht mit Erfolg gegen Dr. M... durchsetzen, weil dieser nach dem Kenntnisstand des Klägers insolvent sei.
27 
Die Akten des Beklagten und die Gerichtsakte des Verwaltungsgerichts Stuttgart waren Gegenstand des Verfahrens. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird hierauf, auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 26.01.2018 verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
28 
Die zulässige Berufung ist in dem aus dem Entscheidungstenor ersichtlichen Umfang teilweise begründet. Das Verwaltungsgericht hat zwar die Anfechtungsklage des Klägers gegen die vom Landesamt unter Ziffer 1 des Bescheides vom 02.10.2015 verfügte Teilrücknahme in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.12.2015 zu Recht abgewiesen. Denn insoweit ist der Bescheid rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, dazu I.). Dagegen erweist sich die ergangene Rückforderungsentscheidung (Nr. 2 des Bescheides vom 02.10.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.12.2015) in dem vom Kläger angefochtenen Umfang als rechtswidrig. Insoweit waren die angefochtenen Bescheide aufzuheben und das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern (dazu II.). Da der Kläger den zurückgeforderten Betrag in dem angefochtenen Umfang bereits vollständig an den Beklagten bezahlt hat, steht ihm insoweit ein Anspruch auf Erstattung gegenüber dem Beklagten zu (dazu III.).
I.
29 
Rechtsgrundlage für die von dem Beklagten vorgenommene (Teil)Rücknahme ist § 48 Abs. 1 LVwVfG. Danach kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen werden (Abs. 1 Satz 1). Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt kann nach Abs. 1 Satz 2 LVwVfG allerdings nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden. Diese Voraussetzungen liegen hier vor:
30 
1. Der unanfechtbar gewordene Beihilfebescheid vom 06.07.2011 ist in Bezug auf die zu den Rechnungen der R... GmbH gewährte Beihilfe und damit im Umfang seiner Rücknahme rechtswidrig, denn für die dort im Einzelnen aufgeführten Leistungen lagen die Voraussetzungen für die Gewährung einer Beihilfe von vornherein nicht vor. Maßgebend für die Beihilfegewährung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen, für die Beihilfe verlangt wird (BVerwG, Urteil vom 23.04.2015 - 5 C 2.14 -, juris Rdnr. 10; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24.03.2017 - 2 S 701/16 -, juris Rdnr. 26). Da es vorliegend um Aufwendungen für Leistungen geht, die während des stationären Aufenthalts des Klägers in der Zeit vom 10.05.2011 bis 07.06.2011 in der N... Fachklinik erbracht worden sein sollen, ist die Verordnung des Finanzministeriums über die Gewährung einer Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen vom 28.07.1995 (GBl. 1995, 561) in der im Sommer 2011 gültigen Fassung anzuwenden (im Folgenden: BVO). Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO sind Aufwendungen nach den folgenden Vorschriften beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. § 6 BVO enthält nähere Vorschriften über die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen bei Krankheit und bestimmt, dass aus Anlass einer Krankheit Aufwendungen nur für „gesondert erbrachte und berechnete“ Leistungen (§ 6 Abs. 1 Nr. 1), Arznei- und Verbandmittel (§ 6 Abs. 1 Nr. 2) sowie Heilbehandlungen (§ 6 Abs. 1 Nr. 3) beihilfefähig sind. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BVO wird Beihilfe nur auf schriftlichen Antrag eines Beihilfeberechtigten gewährt; nach § 17 Abs. 3 Satz 1 BVO setzt die Beihilfegewährung weiter voraus, dass die geltend gemachten Aufwendungen durch Belege nachgewiesen sind.
31 
a) Hier hat der Kläger mit Vorlage der Rechnung vom 10.06.2011 nicht den notwendigen Nachweis dafür erbracht, dass die darin dokumentierten belegärztlichen Leistungen auch tatsächlich erbracht wurden. Denn die Rechnung beruht auf einer betrügerischen Abrechnungspraxis des leitenden Arztes der N... Fachklinik und der Abrechnungsstelle R... GmbH. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus den Feststellungen des Landgerichts R... in dem Urteil vom 09.02.2015 (Az.: 2 KLs 31 Js 14206/12). Der Senat hat keine Veranlassung, an der Richtigkeit dieser Feststellungen zu zweifeln, zumal auch der Kläger im vorliegenden Berufungsverfahren keine Anhaltspunkte für solche Zweifel benannt hat, sondern selbst konzediert, dass der Beihilfebescheid, soweit er sich auf in der privatärztlichen Liquidation vom 10.06.2011 abgerechnete, aber tatsächlich nicht erbrachte Leistungen bezieht, rechtswidrig war. Das Landgericht hat in seinem Urteil (insb. auf S. 9, 10, 12, 18 und 19) ausgeführt, dass der leitende Arzt der N... Fachklinik, Dr. M..., in seiner Klinikgruppe eine Vielzahl von Behandlungen angeboten hatte, die von Kostenträgern u.a. als „medizinische Wellness“ oder Esoterik gewertet und deshalb als medizinisch nicht notwendig und nicht erstattungsfähig angesehen werden. Über die von ihm faktisch geleitete Abrechnungsstelle R... GmbH habe Dr. M... in der Zeit von 2009 bis Anfang 2013 systematisch Behandlungsleistungen in den zur Abrechnung mit den Krankenversicherungen und Beihilfestellen bestimmten Rechnungen falsch deklariert, um - teils unter Mitwirkung der Patienten - den Kostenträgern eine Abrechenbarkeit der Behandlung vorzuspiegeln und so eine Bezahlung zu erreichen. Zu diesem Zweck habe Dr. M... beschlossen, nach der Gebührenordnung nicht abrechenbare Behandlungen in den für die Abrechnung mit den Kostenträgern bestimmten Rechnungen als von ihm nach dem Gebührenverzeichnis der GOÄ erbrachte Wahlarztleistung zu deklarieren, wobei er die - angeblich erbrachte - Leistung so bestimmt habe, dass die hierfür von ihm angesetzten Gebührensätze der GOÄ ungefähr den Betrag erreicht hätten, zu dem er selbst die Behandlungen gegenüber den Patienten angeboten habe. Nach den Feststellungen des Landgerichts tüftelte der leitende Arzt aus, welche Gebührensätze in der Addition für eine Behandlung in einem Krankenhaus oder einem Sanatorium für Psychosomatik plausibel erschienen und den von ihm gewünschten Betrag ergäben. Soweit die Addition von Gebührensätzen nicht genügt habe, um den von ihm gewünschten Betrag zu erreichen, was regelmäßig der Fall gewesen sei, habe er Visiten oder die Verabreichung von Spritzen fingiert. Die Mitarbeiter der Abrechnungsstelle habe er - zumindest konkludent - angewiesen, die in den Therapiezetteln und in dem elektronischen Therapieplanungsprogramm MAMP eingetragenen, tatsächlich durchgeführten Behandlungen im Abrechnungsprogramm DOC-Concept als wahlärztliche Leistungen zu deklarieren, indem die im Therapieplan enthaltenen Kürzel nunmehr mit den im Abrechnungsprogramm DOC-Concept bereits enthaltenen fingierten Gebührenketten angelegt worden seien. Die auf diese Weise erstellte Wahlarztrechnung sei in aufwendiger Einzelarbeit kontrolliert und überarbeitet worden, um einzelne, nebeneinander oder gehäuft erscheinende GOÄ-Ziffern manuell durch in der Summe vergleichbare Gebühren oder Gebührenketten zu ersetzen. Nach den Feststellungen des Landgerichts (Urteil S. 22 und 142) wurde auf die dargestellte Weise auch im Falle des Klägers verfahren. Denn auf S. 114 des Urteils sind auf den Klinikaufenthalt des Klägers vom 10.05.2011 bis 07.06.2011 bezogene Abrechnungen vom 10.06.2011 als „Fall 385 der Anklage“ aufgeführt. Der Kläger bestreitet im Klage- und Berufungsverfahren auch gar nicht, dass in der Rechnung nicht beihilfefähige Leistungen als beihilfefähig abgerechnet werden.
32 
Die damit auch im Falle des Klägers anzunehmende betrügerische Abrechnung tatsächlich nicht erbrachter Leistungen in der Rechnung vom 10.06.2011 hat zur Konsequenz, dass dieser Beleg von vorneherein nicht mehr geeignet ist, einen Nachweis für getätigte Aufwendungen i.S.v. § 17 Abs. 3 BVO zu erbringen. Denn beihilfefähige Aufwendungen müssen, wie sich allgemein aus § 5 Abs. 2 Satz 2 BVO und speziell in Bezug auf Aufwendungen bei Krankheit aus § 6 Abs. 1 BVO ergibt, tatsächlich erbracht und in der konkret erbrachten Form auch nachgewiesen sein (vgl. Keufer/Hellstern/ Zimmermann, Beihilfevorschriften Baden-Württemberg, § 6 BVO, S. 11). Dies ist hier nicht der Fall. Es kann offen bleiben, ob die nach dem vorliegenden Behandlungsplan - und den Schilderungen des Klägers - tatsächlich erbrachten Leistungen (z.B. „Dornbreuss“ , „Craniosacral-Therapie“, „Softpack Kreidepackung“, „Strömen“, „Biografie Arbeit“, „Körp-Seele-Int(Trager)“, „Aurum Manus“, „Kraft der Stimme“, „TP: Alexander Technik“, „Heiße Steine“, „Facial Harmony“, „Walking Gruppe B“) sich mit den abgerechneten GOÄ-Ziffern im weitesten Sinn noch in Einklang bringen lassen (z.B. die am 12.05. 2011 im Behandlungsplan benannte manuelle Wirbelsäulentherapie nach Dorn/Breuss dem abgerechneten „chirotherapeutischen Eingriff an der Wirbelsäule“, die am 12.05.2011 und am 31.05.2011 durchgeführte manuelle Craniosacraltherapie der unter demselben Datum abgerechneten „krankengymnastischen Ganzbehandlung“ bzw. „chirotherapeutischen Wirbelsäulenbehandlung“, die am 17.05.2011 durchgeführte „Biografie-Arbeit“ der unter demselben Datum abgerechneten „psychotherapeutischen Einzelbehandlung“) oder ob die Abrechnung vom 10.06.2011 allein schon deshalb zum Nachweis nicht geeignet ist, weil die tatsächlich erbrachten Leistungen dort nicht in der konkret erbrachten Form benannt werden. Denn bei allen abgerechneten Leistungen, selbst bei denen, die wie z.B. das mit dem Arzt am 23.05.2011 geführte „psych. Gespräch“ sowohl im Behandlungsplan aufgeführt als auch in der Rechnung benannt und abgerechnet werden, ist aufgrund der geschilderten Abrechnungspraxis völlig unklar, ob sie sich korrekt auf eine tatsächlich erbrachte Leistung beziehen oder nicht vielmehr als Teil des vom abrechnenden Arzt im Ergebnis gewünschten Rechnungsbetrages manipuliert wurden.
33 
Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers ergibt sich weder aus dem Schreiben des Polizeipräsidiums K... vom 09.06.2015 noch aus den Feststellungen des Landgerichts R... in dem Urteil vom 09.02.2015, dass in seinem Falle der der Beihilfestelle entstandene Schaden nur 790 EUR beträgt und folglich nur in dieser Höhe Beihilfeleistungen rechtswidrig erbracht worden sind. Hinsichtlich des durch den Abrechnungsbetrug entstandenen Schadens hat das Landgericht auf S. 4 seines Urteils ausgeführt, dass die Feststellungen auf einer Schätzung beruhen, deren Grundlage die von der Polizei erhobenen und akribisch ausgewerteten Daten zu den in Therapieplänen ausgewerteten Einzelbehandlungen bilde. Mangels Detailaufklärung, ob die rund 35.000 verfahrensgegenständlichen Einzelbehandlungen allesamt tatsächlich in die Rechnung eingestellt und wie sie dort eingeflossen sind, ist das Landgericht zugunsten des Angeklagten Dr. M... von „vorsorglichen Annahmen“ ausgegangen. Diese vorsorglichen Annahmen sind in Bezug auf die hier relevante Frage, in welcher Höhe gegenüber dem Kläger tatsächlich abrechenbare Leistungen erbracht wurden, ohne Aussagewert. Hinzu kommt, dass sich der vom Kläger als vermeintlicher Schaden herangezogene Betrag von 790,00 EUR in dem Urteil des Landgerichts R... (S. 114) in Spalte 12 findet. Ausweislich der Erläuterungen auf S. 22 (3. und 4. Absatz) und 163 (4. Absatz) des Urteils ist in Spalte 12 lediglich der Betrag aufgeführt, welcher der Beihilfestelle als (von dieser zu tragender) Rechnungsbetrag „übermittelt“ wurde. Ein brauchbarer tatsächlicher Anhaltspunkt dafür, in welcher genauen Höhe die Beihilfestelle auf tatsächlich nicht erbrachte, vermeintlich beihilfefähige Leistungen - unter Abzug tatsächlich erbrachter und beihilfefähiger Leistungen - letztlich zu Unrecht Beihilfeleistungen gewährt hat, ergibt sich hieraus nicht, zumal mit Blick auf die von der GOÄ eingeräumten Spielräume bei der Bemessung des Gebührensatzes auch völlig offen ist, wie die tatsächlich erbrachten Leistungen abgerechnet worden wären. Aus denselben Gründen führen auch die Ausführungen des Polizeipräsidiums K... in dem Schreiben vom 09.06.2015 zur Möglichkeit einer patientenbezogenen Schadensermittlung nicht weiter. Unabhängig davon fehlte es in Bezug auf solche Leistungen, die nach Auffassung der Klägerseite konkret erbracht wurden und als solche beihilfefähig sind, in jedem Fall an dem beihilferechtlich notwendigen Nachweis.
34 
b) Den ihm obliegenden Nachweis erbrachter Aufwendungen i.S.v. § 17 Abs. 3 BVO hat der Kläger auch nicht mit Vorlage einer nachträglich erstellten Abrechnung zu führen vermocht. Eine „korrigierte“ weitere Rechnung hat er von der Fa. R... GmbH nicht erhalten. In der mündlichen Verhandlung am 26.01.2017 hat der Kläger hierzu vorgetragen, zwar hätten sich in Bezug auf eine Krankenhausrechnung vom 08.06.2011 noch nachträgliche Änderungen ergeben, nicht aber in Bezug auf die hier streitgegenständliche Rechnung vom 10.06.2011. Ausweislich des vorliegenden Schreibens vom 19.05.2017 hat er sich an die A... U... als Funktionsnachfolgerin der N... Klinikgruppe gewandt mit der Bitte, ihm hinsichtlich der tatsächlich erbrachten Leistungen eine korrigierte Rechnung zukommen zu lassen. Der A... U... sei es jedoch aus buchhalterischen Gründen nicht mehr möglich, für die lange zurückliegende Zeit eine Rechnung auszustellen. Unabhängig davon hat der Kläger in Bezug auf die tatsächlich erbrachten Leistungen bis heute gar keinen Beihilfeantrag gestellt. Dies wäre aber erforderlich gewesen, denn nach § 17 Abs. 1 BVO wird die Beihilfe nur auf schriftlichen Antrag des Beihilfeberechtigten gewährt. In dem Antrag sind die beihilfefähigen Aufwendungen - unter Vorlage von Belegen i.S.v. § 17 Abs. 3 BVO - zu bezeichnen. Hieran fehlt es. Es war auch nicht Sache des Landesamts, aus der eingereichten, nicht zum Nachweis geeigneten Rechnung vom 10.06.2011 von Amts wegen solche einzelnen Leistungspositionen herauszudestillieren, die trotz der anzunehmenden betrügerischen Abrechnung tatsächlich erbracht wurden und unter irgendeinem Gesichtspunkt beihilfefähig sein könnten. Vielmehr obliegt es nach § 17 Abs. 1 und Abs. 3 BVO dem Beihilfeantragsteller, dann, wenn - wie hier -Zweifel an der Richtigkeit der Abrechnung auftreten, rechtzeitig (v.a. vor Ablauf der Antragsfrist des § 17 Abs. 9 BVO) eine korrigierte Rechnung vorzulegen. Gelingt dies nicht, so geht dies zu seinen Lasten (Senatsurteil vom 16.11.2017 - 2 S 1276/17 -, juris).
35 
Fehlt es damit nicht nur in Bezug auf die in der Rechnung vom 10.06.2011 genannten und betrügerisch abgerechneten Leistungen, sondern auch in Bezug auf die nach Rechtsauffassung des Klägers tatsächlich erbrachten und zugleich beihilfefähigen Leistungen an dem notwendigen Nachweis durch Vorlage von Belegen, so lagen - und liegen - die Voraussetzungen für die Gewährung einer Beihilfe i.H.v. 2.575,22 EUR nicht vor. Der Bescheid des Landesamts vom 02.10.2015 ist daher im Umfang der verfügten Rücknahme - und damit auch in dem vom Kläger angefochtenen Umfang - rechtswidrig.
36 
2. Schutzwürdiges Vertrauen des Klägers steht der (Teil-)Rücknahme des Bescheides vom 06.07.2011 hier nicht entgegen. Nach § 48 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG darf ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. § 48 Abs. 2 Satz 3 LVwVfG enthält nähere Vorgaben zur Schutzwürdigkeit des Vertrauens. Auf schutzwürdiges Vertrauen kann sich der Kläger hier aber nicht berufen, weil die Voraussetzungen von § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG vorliegend erfüllt sind. Denn der Kläger hat den Leistungsbescheid durch Angaben erwirkt, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren, indem er die Arztrechnung vom 10.06.2011 ohne weitere Kommentierung eingereicht, die Richtigkeit seiner Angaben versichert und damit zum Ausdruck gebracht hat, die konkret abgerechneten medizinischen Leistungen seien erbracht worden. Die entsprechenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts hat der Kläger im Berufungsverfahren nicht in Zweifel gezogen und zudem in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat selbst bestätigt, dass er den Beihilfeantrag vom 26.06.2011 gestellt und eigenhändig unterschrieben habe. Der Senat hat daher keinen Zweifel daran, dass der Kläger gerade auch die -auf jedem Beihilfeantrag des Beklagten vorformulierte und vorgegebene - Versicherung der Richtigkeit seiner Angaben unterschrieben hat, auch wenn der Originalantrag vom 26.06.2011 von dem Beklagten inzwischen vernichtet wurde und nicht mehr vorgelegt werden konnte. Auf die Frage eines Verschuldens kommt es im Rahmen des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG nicht an (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.08.2015 - 2 S 384/14 -, juris Rdnr. 30; BVerwG, Urteil vom 28.06.2012 - 2 C 13.11 -, juris). Vielmehr reicht es in diesem Zusammenhang aus, dass der Begünstigte die Fehlerhaftigkeit des Verwaltungsaktes durch eine in seinem Verantwortungsbereich liegende Handlung kausal hervorgerufen hat. Diese Kausalität liegt hier vor, denn ohne die von dem Kläger eingereichte Rechnung - welche als für die Beihilfegewährung erforderlicher Nachweis i.S.v. § 17 Abs. 3 Satz 1 BVO vorgelegt wurde -hätte das Landesamt die Beihilfe nicht wie geschehen antragsgemäß gewährt.
37 
3. Die Rücknahmeentscheidung des Beklagten ist innerhalb der Jahresfrist des § 48 Abs. 4 LVwVfG ergangen. Dies hat das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt. Insoweit kann der Senat auf die zutreffende Begründung des Verwaltungsgerichts in der angefochtenen Entscheidung verweisen (§§ 125 Abs. 1, 117 Abs. 5 VwGO), zumal der Kläger diesbezüglich im Berufungsverfahren keine Einwendungen erhoben hat.
38 
4. Ermessensfehler bei der Rücknahmeentscheidung kann der Kläger nicht für sich geltend machen. Die Entscheidung über die Rücknahme i.S.v. § 48 Abs. 1 LVwVfG liegt grundsätzlich im Ermessen der Behörde. Liegt allerdings ein Anwendungsfall des § 48 Abs. 2 LVwVfG vor und kann sich der Begünstigte auf Vertrauensschutz berufen, so darf der Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden und besteht kein entsprechender Ermessensspielraum der Behörde mehr (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. § 127a). Diese Regelung greift hier nicht ein, denn nach den Ausführungen unter 2. kann sich der Kläger - wegen § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG - nicht auf Vertrauensschutz berufen. In einem solchen Fall bestimmt § 48 Abs. 2 Satz 4 LVwVfG, dass der Verwaltungsakt „in der Regel“ mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen wird. Diese Regelung bezieht sich nicht nur - was aber der Wortlaut für sich genommen nahelegen würde - auf die Frage, ob der Verwaltungsakt für die Vergangenheit zurückgenommen wird, sondern auch auf die logisch vorrangige Frage, ob er überhaupt zurückgenommen werden soll (Kopp/ Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl., § 48 Rdnr. 127b; OVG Berlin-Bbg., Urteil vom 26.11.2015 - 7 B 4.15 -, juris Rdnr. 29; Hamburgisches OVG, Urteil vom 25.07.2017 - 3 Bf 96/15 -, juris Rdnr. 72). § 48 Abs. 2 Satz 4 LVwVfG lenkt das der Behörde nach der Grundsatzregelung des § 48 Abs. 1 LVwVfG bei Nichteingreifen der Vertrauensschutzregelung des § 48 Abs. 2 LVwVfG wieder zustehende Ermessen, indem er für die Fälle des § 48 Abs. 2 Satz 3 LVwVfG die Rücknahme des Verwaltungsaktes mit Wirkung für die Vergangenheit als Regel festlegt (BVerwG, Urteil vom 23.05.1996 - 3 C 13.94 -, juris Rdnr. 51; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.08.2015 - 2 S 384/14 -, juris Rdnr. 31; Urteil vom 11.01.2006 - 13 S 2345/05 -, juris Rdnr. 36; OVG Berlin-Bbg., a.a.O., Hamburgisches OVG, a.a.O., Kopp/Ramsauer, a.a.O. Rdnr. 127b). Daher müssen im Anwendungsbereich des § 48 Abs. 2 Satz 4 LVwVfG besondere, atypische Gründe vorliegen, wenn eine Rücknahme nur für die Zukunft angenommen oder von der Rücknahme ganz abgesehen werden soll. Das kann der Fall sein, wenn der Unrechtsgehalt, der mit einem Fall des § 48 Abs. 2 Satz 3 LVwVfG typischerweise verbunden ist, wegen Besonderheiten des Einzelfalles ausnahmsweise nicht vorliegt (Kopp/Ramsauer, a.a.O. Rdnr. 127; OVG Berlin-Bbg., a.a.O. Rdnr. 30). Einen atypischen Fall vermag der Senat hier nicht zu erkennen. Entgegen seinem Vortrag mussten die nach Auffassung des Klägers tatsächlich erbrachten, beihilfefähigen Leistungen bei der (Teil-)Rücknahme des Beihilfebescheides nicht berücksichtigt werden (s.o.), so dass sich hieraus auch kein Ausnahmefall von der Regelrücknahme des § 48 Abs. 2 Satz 4 LVwVfG ableiten lässt. Ferner ist nicht zu erkennen, inwiefern der einem Fall des § 48 Abs. 2 Satz 3 LVwVfG innewohnende typische Unrechtsgehalt hier ausnahmsweise fehlen könnte. Der Kläger hat den Beihilfebescheid vom 06.07.2011 durch in wesentlicher Beziehung unrichtige oder unvollständige Angaben erwirkt (§ 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG, dazu s.o. 2.). Da es in diesem Zusammenhang allein darauf ankommt, ob der Begünstigte die Fehlerhaftigkeit des Verwaltungsaktes durch eine in seinem Verantwortungsbereich liegende Handlung kausal hervorgerufen hat und etwaiges Verschulden des Begünstigten unmaßgeblich ist (s.o.), gehört fehlendes Verschulden bereits zur typisierten Bewertung des Gesetzgebers bei § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG und vermag keine einzelfallbezogene Atypik zu begründen.
39 
Eine die Regelrücknahme beseitigende atypische Sachlage liegt auch dann nicht vor, wenn man mit dem Kläger davon ausgeht (dazu näher unter II. 2 b)), dass er die Rechtswidrigkeit der Beihilfegewährung weder positiv kannte noch infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte und ein Anwendungsfall des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 LVwVfG mithin nicht anzunehmen ist. Denn die Regelrücknahme nach § 48 Abs. 2 Satz 4 LVwVfG wird allein schon durch das Eingreifen des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG - und das Nichtvorliegen eines hierauf bezogenen atypischen Sonderfalls - ausgelöst. Wenn der Kläger zwar den Unrechtsgehalt des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG, nicht aber zusätzlich den des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 LVwVfG verwirklicht hätte, änderte sich an der bereits anzunehmenden Regelrücknahme nichts.
40 
Schließlich lässt sich eine einzelfallbezogene Atypik im Rahmen des § 48 Abs. 2 Satz 4 LVwVfG entgegen dem Klägervortrag auch nicht damit begründen, dass der Beklagte im Januar 2017 einen Vergleich mit der A... U…-... abgeschlossen hat, aufgrund dessen die Klinik sich zu Zahlungen an den Beklagten bereit erklärt hat. Dieser Vergleich bezieht sich nach dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten auf den Ausgleich des Schadens, den der Beklagte infolge möglicher deliktischer Handlungen der N... Fachklinik bzw. solcher Personen, deren Handlungen sich diese Klinik eventuell zurechnen lassen muss, erlitten hat. Erfasst sind von dem Vergleich aber nur die Fälle, in denen das Landesamt keinen individuellen Rückforderungsbescheid gegenüber einem Beihilfeempfänger mehr erlassen kann, weil zwar dessen Behandlung in der Klinik bekannt ist, aber keine individuelle Rechnung mehr vorliegt. Von diesem Regelungsinhalt gehen die Beteiligten nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung übereinstimmend aus. Dann aber ist die vorliegende Sachverhaltskonstellation, in der ja gerade ein individueller Rückforderungsbescheid in Rede steht, von den Vergleichsregelungen nicht umfasst. Der mit der A... U... als Funktions- bzw. Rechtsnachfolgerin der N... Fachklinik abgeschlossene Vergleich dürfte hier aber auch deshalb ohne Relevanz sein, weil es vorliegend um (betrügerisch abgerechnete) Belegarztleistungen geht, Belegarztleistungen aber nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 18 Abs. 1 Krankenhausentgeltgesetz nicht zu den Krankenhausleistungen gehören, die von dem Krankenhaus selbst erbracht und abgerechnet werden und für die es einzustehen hat.
41 
Das Nichtvorliegen eines Ausnahmefalls zur Regelrücknahme hat zur Konsequenz, dass der Beklagte über den Hinweis auf § 48 Abs. 2 Satz 4 LVwVfG hinaus keine weitergehenden Ermessenserwägungen anstellen musste und sich die vom Kläger aufgeworfene Frage nach dem Vorliegen von Ermessensfehlern nicht stellt. Insbesondere kommt es nicht darauf an, wie vom Kläger mit Schriftsatz vom 11.12.2017 vorgetragen, ob der Beklagte die mit der A... U... vereinbarten Schadensersatzzahlungen nachträglich „bei der Ermessensentscheidung über die Rücknahme“ hätte berücksichtigen müssen.
II.
42 
Anders als die Rücknahmeentscheidung erweist sich jedoch die unter Nr. 2 des angefochtenen Bescheides verfügte Rückforderungsentscheidung des Beklagten in dem angefochtenen Umfang als rechtswidrig. Insoweit war der Bescheid aufzuheben und das Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern.
43 
Rechtsgrundlage für die Erstattungsforderung ist § 15 Abs. 2 Satz 1 LBesG, wonach sich die Rückforderung zu viel gezahlter Bezüge nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung richtet. Zwar gilt diese Vorschrift nach ihrem Wortlaut an sich nur für die Rückforderung „zuviel gezahlter Bezüge“, worum es hier nicht geht. Nach der Rechtsprechung des Senats ist die Vorschrift aber nach dem ersatzlosen Wegfall des § 109 LBG a.F. auf die Rückforderung zu Unrecht erbrachter Beihilfeleistungen entsprechend anwendbar (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 20.09.2016 - 2 S 994/15 -, juris Rdnr. 19ff und Urteil vom 24.03.2017 - 2 S 701/16 -, juris Rdnr. 32).
44 
1. Damit ist auch zu prüfen, ob der Kläger nicht mehr bereichert ist (§ 818 Abs. 3 BGB). Der Kläger hat sich vorliegend ausdrücklich darauf berufen, dass er den zurückgeforderten Betrag (2.575,23 EUR) im Vertrauen auf den Bestand der Beihilfegewährung an den Rechnungssteller bezahlt habe und damit nicht mehr bereichert sei. In der mündlichen Verhandlung hat er hierzu unwidersprochen ausgeführt, die Rechnungssumme habe er am 01.08.2011 an die Fa. R... GmbH und damit an die inkassoberechtigte Stelle überwiesen. Zwischen der Gewährung/Auszahlung der Beihilfe im Juli 2011 und der Anhörung zur Rückforderung im Juli 2015 liegt ein langer Zeitraum von 4 Jahren, in welchem der Kläger nicht mit einer Rückforderung zu rechnen brauchte.
45 
Eine Bereicherung des Klägers besteht auch nicht deshalb fort, weil er den von der Beklagten erhaltenen Betrag i.H.v. 2.575,23 EUR zur Zahlung an die R... GmbH (respektive Dr. M.../Dr. D...) verwendet und sich insoweit von der Rechnungsschuld befreit hat. Zwar ist im Rahmen der zum Begriff der Entreicherung entwickelten Grundsätze anerkannt, dass der Begriff des Wegfalls der Bereicherung nicht nach rechtlichen, sondern nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten durch einen saldenmäßigen Vergleich des Aktiv- und des Passivvermögens zu beurteilen ist (BVerwG, Urteil vom 28.01.1993 - 2 C 15.91 -, juris), weshalb der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon ausgeht, dass sich der zur Herausgabe verpflichtete Empfänger einer Leistung dann nicht mehr auf den Wegfall der Bereicherung berufen kann, wenn er mit dem erlangten Betrag ganz oder teilweise Schulden getilgt hat (BGH, Urteil vom 09.05.1984 - IV B ZR 7/93 -, juris; für den Fall überzahlter Versorgung/überzahlter Dienstbezüge auch BVerwG, Urteil vom 10.10.1961 - VI C 25.60 -, juris und BVerwG, Urteil vom 28.01.1993 - 2 C 15.91 -, juris). Hier liegt jedoch die beihilfespezifische Besonderheit vor, dass der Kläger die ihm von dem Beklagten bewilligten und ausgezahlten Beihilfeleistungen bestimmungsgemäß verwendet und zur Begleichung der Arztrechnung eingesetzt hat. Hiervon geht auch der Beklagte in seinem Schriftsatz vom 19.12.2017 (S. 2 am Ende) ausdrücklich aus. Ein Beihilfeberechtigter vertraut aber in grundsätzlich schutzwürdiger Weise auf den Bestand von Beihilfebescheiden, wenn er mit der gewährten Beihilfe die diesen Bescheiden zugrundeliegenden Arztrechnungen begleicht (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.02.2012 - 2 S 2983/11 -, juris Rdnr. 25; OVG Nordrh.-Westf., Beschluss vom 05.07.2007 - 6 A 4961/05 -, juris Rdnr. 6; VG Düsseldorf, Urteil vom 15.11.2011 - 26 K 444/11 -, juris Rdnr. 37). Anders als im Falle gewöhnlicher Schuldentilgung hat der Beihilfeempfänger durch die bestimmungsgemäße Verwendung der erhaltenen Beihilfeleistungen gerade keinen anderweitigen Vorteil - etwa in Form ersparter Schuldzinsen oder der Befreiung von einer Drittverbindlichkeit - erlangt.
46 
Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten liegt auch in einem behaupteten Rückforderungsanspruch des Klägers gegen die A... U... - als Funktionsnachfolgerin und möglicherweise auch Rechtsnachfolgerin der N...-... Fachklinik - keine „bestehengebliebene“ Bereicherung. Denn ein wegen fehlerhafter bzw. betrügerischer Rechnungsstellung etwa bestehender Rückforderungsanspruch richtete sich jedenfalls nicht gegen die A... U... Den Behandlungsvertrag hat der Kläger nämlich mit Dr. M...-.../Dr. D... als Belegärzten der A... U... abgeschlossen, wie sich aus der Rechnung vom 10.06.2011 ausdrücklich ergibt. Belegarztleistungen gehören aber nicht zu den Krankenhausleistungen, vielmehr rechnet der Belegarzt die von ihm erbrachten Leistungen selbst ab (§§ 2 Abs. 1 Satz 2 und 18 KHEntgeltG). So ist es auch vorliegend geschehen. Etwaige Rückforderungsansprüche des Klägers gegen die behandelnden Ärzte „stehen aber lediglich auf dem Papier“ und zwar unabhängig davon, ob man mit dem Kläger davon ausgeht, dass Dr. M... inzwischen insolvent ist. Es ist schon mehr als zweifelhaft, ob - wie der Beklagte vorträgt - wegen der betrügerischen Rechnungsstellung der mit dem Kläger abgeschlossene Behandlungsvertrag nichtig ist. Denn dazu bedürfte es der Feststellung, dass der Vertragsschluss gegen ein gesetzliches Verbot verstößt (§ 134 BGB) oder aber, dass zwischen der angebotenen ärztlichen Leistung und der vereinbarten Vergütung ein grobes Missverhältnis vorliegt (OLG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 26.06.2008 - 1 U 9/08 -, juris Rdnr. 25). Für beides bestehen keine Anhaltspunkte. Aber selbst wenn man eine Nichtigkeit des Behandlungsvertrages unterstellt und davon ausgeht, dass das Vertragsverhältnis rückabgewickelt werden muss und kann, könnte der Kläger nicht lediglich den von ihm auf die Rechnung vom 10.06.2011 geleisteten Zahlungsbetrag zurückverlangen (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB), sondern müsste im Gegenzug im Umfang der von ihm empfangenen und nicht mehr rückabwickelbaren ärztlichen Behandlung Wertersatz leisten (§ 818 Abs. 2 BGB). Bei wirtschaftlicher Betrachtung erscheint es bei dieser Sachlage lebensfremd anzunehmen, dass gegenüber dem behandelnden Arzt ein realisierbarer Bereicherungsanspruch besteht und der zur Tilgung der Arztrechnung verwendete Betrag deshalb wertmäßig noch im Vermögen des Klägers vorhanden ist. Gleiches gilt, soweit sich der Beklagte in der mündlichen Verhandlung erstmals darauf berufen hat, dem Land, um dessen „Beihilfeschulden“ es bei wirtschaftlicher Betrachtung gehe, stehe ein deliktischer Anspruch gegen den betrügerischen Rechnungssteller oder die Klinik aus § 826 BGB und möglicherweise auch ein Anspruch aus § 242 BGB zu. Auch diese nur äußerst vage behaupteten, völlig ungewissen Ansprüche erlauben jedenfalls nicht den Schluss, das Vermögen des Klägers sei bei wirtschaftlicher Betrachtung noch in einer fassbaren Weise wertmäßig erhöht (BGH, Urteil vom 29.05.1978 - II ZR 166/77 -, juris Rdnr. 11f; Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 28.04.2016 - 5 U 36/15 -, juris Rdnr. 73).
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2. Auf den Wegfall der Bereicherung kann sich der Kläger vorliegend auch berufen. Die in § 15 Abs. 2 Satz 1 LBesG i.V.m. § 819 Abs. 4 BGB und § 15 Abs. 2 Satz 2 LBesG genannten Ausschlussgründe liegen nicht vor:
48 
a) Der Kläger hatte von den Umständen, welche zur Rücknahme des Verwaltungsaktes geführt haben - und damit von dem Mangel des Rechtsgrundes für die Beihilfezahlung i.S.v. § 15 Abs. 2 Satz 1 LBesG i.V.m. § 819 Abs. 4 Satz 1 BGB -, zur Überzeugung des Senats keine positive Kenntnis. Zwar ist in den Feststellungen des Landgerichts R... zur manipulativen Abrechnungspraxis in der N... Fachklinik davon die Rede (Urteil vom 09.02.2015, S. 20), dass jeder Patient zusätzlich eine nur für ihn bestimmte transparente Abrechnung der tatsächlich erbrachten Leistungen erhalten habe. Der Kläger hat im vorliegenden Verfahren jedoch konsequent bestritten, dass dies auch bei ihm der Fall gewesen sei. Er hat nachvollziehbar und glaubhaft ausgeführt, dass ihm insbesondere der Behandlungsplan, welcher aus den Ermittlungsakten der Polizei in die Rückforderungsakte gelangt ist, erst im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens bekannt geworden ist. Hierfür spricht, dass es sich bei diesem Behandlungsplan schon nach seiner äußeren Gestaltung um ein klinikinternes Schriftstück handelt. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung auch plausibel ausgeführt, dass die in dem Behandlungsplan erwähnten „Abrechnungsberatungen“ zwar am 11.05.2011 und am 07.06.2011 stattgefunden hätten, es dort aber lediglich um technische Abrechnungsfragen (Name der Krankenkasse, leistender Beihilfeträger, Vorausleistungen, Kurtaxepflicht, anfallende Kosten für den persönlichen Bedarf) bzw. um die Zahlung direkt vor Ort abzurechnender Leistungen gegangen sei.
49 
b) Dem Kläger ist auch nicht vorzuwerfen, dass er die Umstände, welche zur Rücknahme des Verwaltungsaktes geführt haben - und damit den Mangel des Rechtsgrundes für die Beihilfezahlung - hätte erkennen müssen (§ 15 Abs. 2 Satz 2 LBesG). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg zu der Parallelregelung des § 12 Abs. 2 Satz 2 BBesG ist der Mangel des rechtlichen Grundes für die Zahlung von Bezügen dann offensichtlich, wenn der Empfänger ihn nur deshalb nicht erkannt hat, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht gelassen hat (BVerwG, Urteil vom 25.11.1982 - 2 C 14.81 -, juris Rdnr. 22; Urteil vom 27.01.1987 -2 C 9.85-, juris Rdnr. 18; Beschluss vom 19.11.1996 - 2 B 42.96 -, juris Rdnr. 5; Urteil vom 26.04.2012 -2 C 15.10 -, juris Rdnr. 16; Urteil vom 26.04.2012 - 2 C 4.11 -, juris Rdnr. 10, VGH Bad.-Württ., Urteil vom 04.10.1995 - 4 S 1799/94 -, juris Rdnr. 32), also grob fahrlässig gehandelt hat. Letztlich ist das Fehlen eines Rechtsgrundes für die Zahlung dann offensichtlich, wenn es für den Empfänger ohne weiteres erkennbar ist (BVerwG, Urteil vom 26.04.2012 - 2 C 15.10 -, juris Rdnr. 16; Urteil vom 26.04.2012 - 2 C 4.11 -, juris Rdnr. 10). Für die Beurteilung, ob der Beamte die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders hohem Maße außer Acht gelassen hat, ist auf die individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten des Empfängers (z.B. Vor- und Ausbildung, dienstliche Tätigkeit) zur Prüfung der ihm zuerkannten Beträge abzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.11.1982 - 2 C 14.81 -, juris Rdnr. 22; Urteil vom 26.04.2012 - 2 C 15.10 -, juris Rdnr. 17; Urteil vom 26.04.2012 - 2 C 4.11 -, juris Rdnr. 11). Im Rahmen des § 15 Abs. 2 Satz 2 LBesG gelten dieselben Maßstäbe (Hellstern/ Kaufmann/Ludy, Handbuch des Besoldungsrechts für Baden-Württemberg, § 15 LBesG Rdnr. 15.2.3.4.).
50 
Unter Berücksichtigung dessen liegt beim Kläger jedenfalls keine „grobe“ Fahrlässigkeit vor. Denn aus der Kenntnis der bei ihm tatsächlich durchgeführten Behandlungen in Zusammenschau mit den Angaben auf der Rechnung vom 10.06.2011 musste er nicht den Schluss ziehen, die Abrechnung könne nicht stimmen und die auf der Einreichung dieser Rechnung beruhende Beihilfegewährung sei mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig. Eine Prüfung der in der Rechnung aufgeführten einzelnen GOÄ-Ziffern daraufhin, ob sie tatsächlich nach der GOÄ abrechenbar sind und ob die auf der Rechnung stichwortartig ausgewiesenen Leistungen der jeweils zugeordneten GOÄ-Ziffer entsprechen, war dem Kläger als medizinischem Laien objektiv nicht möglich und auch subjektiv von ihm nicht zu verlangen. Allerdings war von ihm zu erwarten, die abgerechneten Leistungspositionen anhand der stichwortartig ausgewiesenen Leistungsbeschreibung daraufhin zu überprüfen, ob sie plausibel sind, insbesondere, ob ihnen eine tatsächlich erbrachte Leistung gegenüber steht. Diesen Anforderungen ist der Kläger hier nachgekommen. Zwar hat er im Widerspruchsverfahren anwaltlich u.a. vortragen lassen, eine Überprüfung der einzelnen Rechnungspositionen habe er „nicht vorgenommen“, da er weder mit den ärztlichen Fachbegriffen noch mit den GOÄ-Ziffern sachlich etwas habe anfangen können und zudem davon ausgegangen sei, dass die Fachbeamten des Landesamts die Liquidationsgrundlage sachlich überprüfen könnten. Dies war jedoch schon bei isolierter Betrachtung nicht so zu verstehen, dass der Kläger die Rechnung vom 10.06.2011 völlig ungeprüft an das Landesamt weitergegeben hat. Die unterlassene Einzelprüfung bezog sich vielmehr - wie der Hinweis auf die fehlende medizinische Sachkunde des Klägers zeigt - auf die ärztlichen Fachbegriffe bzw. die Abrechenbarkeit der in der Rechnung genannten GOÄ-Ziffern und betraf damit einen Bereich, den der Kläger im Einzelnen gar nicht überprüfen konnte. Die ihm auch als medizinischem Laien obliegende Plausibilitätsprüfung hat der Kläger hingegen vorgenommen. In der mündlichen Verhandlung hat er hierzu nachvollziehbar und glaubhaft ausgeführt, nach Erhalt der Rechnung habe er die Einzelpositionen daraufhin durchgeschaut, ob die Leistungen nicht wie abgerechnet erbracht worden sein können, z.B. an einem Sonntag oder außerhalb des Behandlungszeitraums.
51 
Zwar fällt bei einem inhaltlichen Blick auf die abgerechneten Positionen ins Auge, dass ein Großteil der in dem Behandlungsplan genannten Leistungen, welche der Kläger - auch nach seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung - tatsächlich in Anspruch genommen hat und welche ihm demgemäß bekannt waren, sich in der Rechnung vom 10.06.2011 nicht wiederfinden (z.B. „Dornbreuss“, „Craniosacral-Therapie“, „Softpack Kreidepackung“, „Strömen“, „Körper-Seele-Int.(Trager), „Aurum Manus“, „Biografie-Arbeit“, „TP: Alexander Technik“, „Heiße Steine“, „Facial Harmony“, „Walking Gruppe (B)“). Diese Leistungen konnten von einem medizinischen Laien aber ohne weiteres als Einzelmaßnahme im Rahmen der in den Rechnungen genannten Oberbegriffe verstanden werden. Denn bei „Dornbreuss“ handelt es sich um eine manuelle Wirbelsäulentherapie nach Dorn/Breuss, die dem abgerechneten „chirotherapeutischen Eingriff an der Wirbelsäule“ zugeordnet werden konnte. Bei der z.B. am 12.05.2011 und am 31.05.2011 durchgeführten manuellen Craniosacraltherapie handelt es sich um ein manuelles Verfahren, bei dem Handgriffe vorwiegend im Bereich des Schädels, des Nackens, des Zungenbeins, des Thorax, der Wirbelsäule, des Kreuzbeins, des Zwerchfells, des Beckens und der Füße durchgeführt werden und bei dem die Annahme nicht fern liegt, es handele sich um eine unter demselben Datum abgerechnete krankengymnastische Ganzbehandlung bzw. chirotherapeutische Wirbelsäulenbehandlung. Die durchgeführten Maßnahmen „Biografie-Arbeit“, „Körper-Seele-Int (Trager)“, „Facial Harmony“, „Heiße Steine“, „Aurum Manus“ und „Softpack-Kreidepackungen“, „Kraft der Stimme“, „Strömen“ und „Alexander-Technik“ konnten in derselben Weise jedenfalls von einem medizinischen Laien als Entspannungs- oder Vorbereitungstechniken der jeweils abgerechneten Maßnahmen „tiefenpsychologische Psychotherapie, Einzelbehandlung“ oder „Autogenes Training“ bzw. als „Extensionsbehandlung kombiniert mit Wärmetherapie“ zugeordnet werden. Der Kläger hat hierzu in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, er sei bei Beginn seines Klinikaufenthalts gesundheitlich am Ende gewesen. Die genannten Maßnahmen hätten aus seiner Sicht dazu gedient, ihn zunächst einmal zu aktivieren, zu stabilisieren und abzulenken. Kern der Behandlungen seien die - in der Rechnung vom 10.06.2011 als solche abgerechneten - therapeutischen Gespräche gewesen, die ihn sehr angestrengt hätten. Dies ist für den Senat ohne weiteres nachvollziehbar, zumal der Kläger darauf hingewiesen hat, er habe die durchgeführten Anwendungen auch aufgrund eines früheren Klinikaufenthalts „einordnen“ können. Berücksichtigt man schließlich noch, dass dem Kläger - wie von ihm unwidersprochen vorgetragen - bereits vor Beginn seiner Behandlung seitens der Klinik bestätigt wurde, es würden nur beihilfefähige Behandlungen durchgeführt, und er entsprechend dieser Auskunft nicht abrechenbare physiotherapeutische Leistungen gesondert bezahlt hat (Rechnung vom 09.06.2011), so musste sich dem Kläger bei einer Gesamtwürdigung der vorliegenden Umstände nicht aufdrängen, dass es sich bei den nicht gesondert abgerechneten Behandlungen und Maßnahmen um medizinisch nicht indizierte Wellnessmaßnahmen handeln könnte, die nicht nach GOÄ abgerechnet werden können und nicht beihilfefähig sind.
52 
Der Kläger hatte auch keine Veranlassung zu der Annahme, bei den durchgeführten Behandlungen handele es sich um Behandlungsmethoden, die in dem Hinweisschreiben des LBV vom 26.04.2011 (S. 3 bis 6) als von der Beihilfefähigkeit vollständig oder teilweise ausgeschlossen bezeichnet werden. Zweifelhaft ist hier allenfalls die Zuordnung der im Behandlungsplan aufgeführten Therapie „Walking Gruppe“. Hierbei geht es erkennbar um eine reine Sportmaßnahme. Anhand der Abrechnung vom 10.06.2011 musste der Kläger aber schon nicht davon ausgehen, dass eine solche Sportmaßnahme vom Rechnungssteller überhaupt abgerechnet wurde.
53 
Kann sich der Kläger mithin erfolgreich auf den Wegfall der Bereicherung berufen, so führt dies zur Aufhebung der verfügten Rückforderung, ohne dass es noch weiter darauf ankäme, ob die in der Rückforderungsentscheidung angestellten Billigkeitserwägungen in ausreichender Weise den Besonderheiten des Berufsbeamtentums Rechnung tragen.
III.
54 
Der Kläger kann von dem Beklagten antragsgemäß auch die Erstattung des von ihm bereits - unter Vorbehalt - bezahlten Rückforderungsbetrages i.H.v. 1.785,23 EUR beanspruchen. Anspruchsgrundlage ist mangels spezialgesetzlicher Grundlage (§ 15 LBesG betrifft nur die Rückforderung zuviel bezahlter Bezüge, worum es hier nicht geht) der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch.Dabei handelt es sich um ein aus den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts, insbesondere der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, abgeleitetes eigenständiges Rechtsinstitut des öffentlichen Rechts, dessen Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen, soweit sie - wie hier - nicht spezialgesetzlich geregelt sind, denen des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs entsprechen, sofern den §§ 812ff BGB keine abweichende Interessenbewertung zugrunde liegt, die in das öffentliche Recht nicht übertragbar ist (VGH Bad.-Württ, Urteil vom 15.09.2011 - 2 S 654/11 -, juris Rdnr. 18; BVerwG, Urteil vom 18.01.2001 - 3 C 7.00-BVerwGE 112, 351; BVerwG, Beschluss vom 07.10.2009 -9 B 24.09- juris, mit weiteren Nachweisen). Letzteres ist hier nicht der Fall. Die Voraussetzungen des Erstattungsanspruches liegen hier auch vor. Aus den Ausführungen unter II. ergibt sich, dass der Beklagte die Zahlung des zurückgeforderten Betrages durch den Kläger als „Leistung“ i.S.v. § 812 Abs. 1 BGB ohne rechtlichen Grund erlangt hat. Die Rückforderung des gezahlten Betrages ist auch nicht gem. § 814 BGB ausgeschlossen. Denn die Vorschrift dürfte auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch schon nicht anwendbar sein, weil hier abweichend von den Wertungen des Zivilrechts dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltungstätigkeit Rechnung zu tragen ist (vgl. hierzu ThürOVG, Urteil vom 17.12.2002 - 2 KO 701/00 -, juris Rdnr. 51, HessVGH, Urteil vom 17.07.1990 - 11 UE 1487/89 -, juris Rdnr. 30). Unabhängig davon hat der Kläger den nunmehr zurückgeforderten Betrag jedenfalls nicht in Kenntnis der Nichtschuld an den Beklagten bezahlt, sondern im Gegenteil unter dem Vorbehalt der Rückforderung, falls die Rückforderung der Beihilfeleistung ihrerseits nicht gerechtfertigt ist (Behördenakte Bl. 25).
55 
Die Erstattungsforderung ist mit 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit des Antrages zu verzinsen (§§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB). Rechtshängigkeit ist mit Eingang der - formgerecht erhobenen -Klage beim Verwaltungsgericht am 28.01.2016 eingetreten. Der Tag des Klageeingangs wird bei der Pflicht zur Zinszahlung allerdings nicht mitgerechnet (§ 187 Abs. 1 BGB in analoger Anwendung, vgl. BVerwG, Urteil vom 30.06.2011 - 3 C 30.10 -, juris Rdnr. 21, BGH, Urteil vom 04.07.2017 - XI ZR 562/15 -, juris Rdnr. 103), weshalb die Forderung erst ab dem 29.01.2016 zu verzinsen ist.
56 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 708 Nr. 10 Satz 1 ZPO, § 711 ZPO i.V.m. § 709 Satz 2 ZPO. § 167 Abs. 2 VwGO findet auf die vorliegende Fallkonstellation weder direkte noch entsprechende Anwendung, da die Behörde hier im Wege der Leistungsklage zur Zahlung eines Geldbetrages und nicht zur Vornahme einer schlicht-hoheitlichen Maßnahme verurteilt worden ist (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 03.11.2011 - 6 S 2904/11 -, juris Rdnr. 11; Beschluss vom 24.03.1999 - 9 S 3012/98 -, juris Rdnr. 3f; Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. § 167 Rdnr. 21)
57 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
58 
Beschluss vom 26.01.2018
59 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 1.785,23 EUR festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 Satz 1 GKG). Die Anfechtungsklage gegen die Rücknahme des Beihilfebescheides und gegen die Rückforderung der geleisteten Beihilfe sowie die Leistungsklage auf Erstattung des unter Vorbehalt gezahlten Rückforderungsbetrages sind bei wirtschaftlicher Betrachtung auf dasselbe Ziel gerichtet, das Behaltendürfen der gewährten Beihilfe i.H.v. 1.785,23 EUR. Für eine künstliche Auftrennung dieses einheitlichen Begehrens in mehrere einzelne Streitgegenstände und Zusammenrechnung dieser Werte gem. § 39 Abs. 1 GKG ist daher kein Raum (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.12.1988 - 7 C 93.86 -, juris Rdnr. 12; OVG Nordrh.-Westf., Beschluss vom 21.10.2014 - 14 E 938/14 -, juris).
60 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
28 
Die zulässige Berufung ist in dem aus dem Entscheidungstenor ersichtlichen Umfang teilweise begründet. Das Verwaltungsgericht hat zwar die Anfechtungsklage des Klägers gegen die vom Landesamt unter Ziffer 1 des Bescheides vom 02.10.2015 verfügte Teilrücknahme in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.12.2015 zu Recht abgewiesen. Denn insoweit ist der Bescheid rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, dazu I.). Dagegen erweist sich die ergangene Rückforderungsentscheidung (Nr. 2 des Bescheides vom 02.10.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.12.2015) in dem vom Kläger angefochtenen Umfang als rechtswidrig. Insoweit waren die angefochtenen Bescheide aufzuheben und das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern (dazu II.). Da der Kläger den zurückgeforderten Betrag in dem angefochtenen Umfang bereits vollständig an den Beklagten bezahlt hat, steht ihm insoweit ein Anspruch auf Erstattung gegenüber dem Beklagten zu (dazu III.).
I.
29 
Rechtsgrundlage für die von dem Beklagten vorgenommene (Teil)Rücknahme ist § 48 Abs. 1 LVwVfG. Danach kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen werden (Abs. 1 Satz 1). Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt kann nach Abs. 1 Satz 2 LVwVfG allerdings nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden. Diese Voraussetzungen liegen hier vor:
30 
1. Der unanfechtbar gewordene Beihilfebescheid vom 06.07.2011 ist in Bezug auf die zu den Rechnungen der R... GmbH gewährte Beihilfe und damit im Umfang seiner Rücknahme rechtswidrig, denn für die dort im Einzelnen aufgeführten Leistungen lagen die Voraussetzungen für die Gewährung einer Beihilfe von vornherein nicht vor. Maßgebend für die Beihilfegewährung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen, für die Beihilfe verlangt wird (BVerwG, Urteil vom 23.04.2015 - 5 C 2.14 -, juris Rdnr. 10; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24.03.2017 - 2 S 701/16 -, juris Rdnr. 26). Da es vorliegend um Aufwendungen für Leistungen geht, die während des stationären Aufenthalts des Klägers in der Zeit vom 10.05.2011 bis 07.06.2011 in der N... Fachklinik erbracht worden sein sollen, ist die Verordnung des Finanzministeriums über die Gewährung einer Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen vom 28.07.1995 (GBl. 1995, 561) in der im Sommer 2011 gültigen Fassung anzuwenden (im Folgenden: BVO). Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO sind Aufwendungen nach den folgenden Vorschriften beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. § 6 BVO enthält nähere Vorschriften über die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen bei Krankheit und bestimmt, dass aus Anlass einer Krankheit Aufwendungen nur für „gesondert erbrachte und berechnete“ Leistungen (§ 6 Abs. 1 Nr. 1), Arznei- und Verbandmittel (§ 6 Abs. 1 Nr. 2) sowie Heilbehandlungen (§ 6 Abs. 1 Nr. 3) beihilfefähig sind. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BVO wird Beihilfe nur auf schriftlichen Antrag eines Beihilfeberechtigten gewährt; nach § 17 Abs. 3 Satz 1 BVO setzt die Beihilfegewährung weiter voraus, dass die geltend gemachten Aufwendungen durch Belege nachgewiesen sind.
31 
a) Hier hat der Kläger mit Vorlage der Rechnung vom 10.06.2011 nicht den notwendigen Nachweis dafür erbracht, dass die darin dokumentierten belegärztlichen Leistungen auch tatsächlich erbracht wurden. Denn die Rechnung beruht auf einer betrügerischen Abrechnungspraxis des leitenden Arztes der N... Fachklinik und der Abrechnungsstelle R... GmbH. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus den Feststellungen des Landgerichts R... in dem Urteil vom 09.02.2015 (Az.: 2 KLs 31 Js 14206/12). Der Senat hat keine Veranlassung, an der Richtigkeit dieser Feststellungen zu zweifeln, zumal auch der Kläger im vorliegenden Berufungsverfahren keine Anhaltspunkte für solche Zweifel benannt hat, sondern selbst konzediert, dass der Beihilfebescheid, soweit er sich auf in der privatärztlichen Liquidation vom 10.06.2011 abgerechnete, aber tatsächlich nicht erbrachte Leistungen bezieht, rechtswidrig war. Das Landgericht hat in seinem Urteil (insb. auf S. 9, 10, 12, 18 und 19) ausgeführt, dass der leitende Arzt der N... Fachklinik, Dr. M..., in seiner Klinikgruppe eine Vielzahl von Behandlungen angeboten hatte, die von Kostenträgern u.a. als „medizinische Wellness“ oder Esoterik gewertet und deshalb als medizinisch nicht notwendig und nicht erstattungsfähig angesehen werden. Über die von ihm faktisch geleitete Abrechnungsstelle R... GmbH habe Dr. M... in der Zeit von 2009 bis Anfang 2013 systematisch Behandlungsleistungen in den zur Abrechnung mit den Krankenversicherungen und Beihilfestellen bestimmten Rechnungen falsch deklariert, um - teils unter Mitwirkung der Patienten - den Kostenträgern eine Abrechenbarkeit der Behandlung vorzuspiegeln und so eine Bezahlung zu erreichen. Zu diesem Zweck habe Dr. M... beschlossen, nach der Gebührenordnung nicht abrechenbare Behandlungen in den für die Abrechnung mit den Kostenträgern bestimmten Rechnungen als von ihm nach dem Gebührenverzeichnis der GOÄ erbrachte Wahlarztleistung zu deklarieren, wobei er die - angeblich erbrachte - Leistung so bestimmt habe, dass die hierfür von ihm angesetzten Gebührensätze der GOÄ ungefähr den Betrag erreicht hätten, zu dem er selbst die Behandlungen gegenüber den Patienten angeboten habe. Nach den Feststellungen des Landgerichts tüftelte der leitende Arzt aus, welche Gebührensätze in der Addition für eine Behandlung in einem Krankenhaus oder einem Sanatorium für Psychosomatik plausibel erschienen und den von ihm gewünschten Betrag ergäben. Soweit die Addition von Gebührensätzen nicht genügt habe, um den von ihm gewünschten Betrag zu erreichen, was regelmäßig der Fall gewesen sei, habe er Visiten oder die Verabreichung von Spritzen fingiert. Die Mitarbeiter der Abrechnungsstelle habe er - zumindest konkludent - angewiesen, die in den Therapiezetteln und in dem elektronischen Therapieplanungsprogramm MAMP eingetragenen, tatsächlich durchgeführten Behandlungen im Abrechnungsprogramm DOC-Concept als wahlärztliche Leistungen zu deklarieren, indem die im Therapieplan enthaltenen Kürzel nunmehr mit den im Abrechnungsprogramm DOC-Concept bereits enthaltenen fingierten Gebührenketten angelegt worden seien. Die auf diese Weise erstellte Wahlarztrechnung sei in aufwendiger Einzelarbeit kontrolliert und überarbeitet worden, um einzelne, nebeneinander oder gehäuft erscheinende GOÄ-Ziffern manuell durch in der Summe vergleichbare Gebühren oder Gebührenketten zu ersetzen. Nach den Feststellungen des Landgerichts (Urteil S. 22 und 142) wurde auf die dargestellte Weise auch im Falle des Klägers verfahren. Denn auf S. 114 des Urteils sind auf den Klinikaufenthalt des Klägers vom 10.05.2011 bis 07.06.2011 bezogene Abrechnungen vom 10.06.2011 als „Fall 385 der Anklage“ aufgeführt. Der Kläger bestreitet im Klage- und Berufungsverfahren auch gar nicht, dass in der Rechnung nicht beihilfefähige Leistungen als beihilfefähig abgerechnet werden.
32 
Die damit auch im Falle des Klägers anzunehmende betrügerische Abrechnung tatsächlich nicht erbrachter Leistungen in der Rechnung vom 10.06.2011 hat zur Konsequenz, dass dieser Beleg von vorneherein nicht mehr geeignet ist, einen Nachweis für getätigte Aufwendungen i.S.v. § 17 Abs. 3 BVO zu erbringen. Denn beihilfefähige Aufwendungen müssen, wie sich allgemein aus § 5 Abs. 2 Satz 2 BVO und speziell in Bezug auf Aufwendungen bei Krankheit aus § 6 Abs. 1 BVO ergibt, tatsächlich erbracht und in der konkret erbrachten Form auch nachgewiesen sein (vgl. Keufer/Hellstern/ Zimmermann, Beihilfevorschriften Baden-Württemberg, § 6 BVO, S. 11). Dies ist hier nicht der Fall. Es kann offen bleiben, ob die nach dem vorliegenden Behandlungsplan - und den Schilderungen des Klägers - tatsächlich erbrachten Leistungen (z.B. „Dornbreuss“ , „Craniosacral-Therapie“, „Softpack Kreidepackung“, „Strömen“, „Biografie Arbeit“, „Körp-Seele-Int(Trager)“, „Aurum Manus“, „Kraft der Stimme“, „TP: Alexander Technik“, „Heiße Steine“, „Facial Harmony“, „Walking Gruppe B“) sich mit den abgerechneten GOÄ-Ziffern im weitesten Sinn noch in Einklang bringen lassen (z.B. die am 12.05. 2011 im Behandlungsplan benannte manuelle Wirbelsäulentherapie nach Dorn/Breuss dem abgerechneten „chirotherapeutischen Eingriff an der Wirbelsäule“, die am 12.05.2011 und am 31.05.2011 durchgeführte manuelle Craniosacraltherapie der unter demselben Datum abgerechneten „krankengymnastischen Ganzbehandlung“ bzw. „chirotherapeutischen Wirbelsäulenbehandlung“, die am 17.05.2011 durchgeführte „Biografie-Arbeit“ der unter demselben Datum abgerechneten „psychotherapeutischen Einzelbehandlung“) oder ob die Abrechnung vom 10.06.2011 allein schon deshalb zum Nachweis nicht geeignet ist, weil die tatsächlich erbrachten Leistungen dort nicht in der konkret erbrachten Form benannt werden. Denn bei allen abgerechneten Leistungen, selbst bei denen, die wie z.B. das mit dem Arzt am 23.05.2011 geführte „psych. Gespräch“ sowohl im Behandlungsplan aufgeführt als auch in der Rechnung benannt und abgerechnet werden, ist aufgrund der geschilderten Abrechnungspraxis völlig unklar, ob sie sich korrekt auf eine tatsächlich erbrachte Leistung beziehen oder nicht vielmehr als Teil des vom abrechnenden Arzt im Ergebnis gewünschten Rechnungsbetrages manipuliert wurden.
33 
Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers ergibt sich weder aus dem Schreiben des Polizeipräsidiums K... vom 09.06.2015 noch aus den Feststellungen des Landgerichts R... in dem Urteil vom 09.02.2015, dass in seinem Falle der der Beihilfestelle entstandene Schaden nur 790 EUR beträgt und folglich nur in dieser Höhe Beihilfeleistungen rechtswidrig erbracht worden sind. Hinsichtlich des durch den Abrechnungsbetrug entstandenen Schadens hat das Landgericht auf S. 4 seines Urteils ausgeführt, dass die Feststellungen auf einer Schätzung beruhen, deren Grundlage die von der Polizei erhobenen und akribisch ausgewerteten Daten zu den in Therapieplänen ausgewerteten Einzelbehandlungen bilde. Mangels Detailaufklärung, ob die rund 35.000 verfahrensgegenständlichen Einzelbehandlungen allesamt tatsächlich in die Rechnung eingestellt und wie sie dort eingeflossen sind, ist das Landgericht zugunsten des Angeklagten Dr. M... von „vorsorglichen Annahmen“ ausgegangen. Diese vorsorglichen Annahmen sind in Bezug auf die hier relevante Frage, in welcher Höhe gegenüber dem Kläger tatsächlich abrechenbare Leistungen erbracht wurden, ohne Aussagewert. Hinzu kommt, dass sich der vom Kläger als vermeintlicher Schaden herangezogene Betrag von 790,00 EUR in dem Urteil des Landgerichts R... (S. 114) in Spalte 12 findet. Ausweislich der Erläuterungen auf S. 22 (3. und 4. Absatz) und 163 (4. Absatz) des Urteils ist in Spalte 12 lediglich der Betrag aufgeführt, welcher der Beihilfestelle als (von dieser zu tragender) Rechnungsbetrag „übermittelt“ wurde. Ein brauchbarer tatsächlicher Anhaltspunkt dafür, in welcher genauen Höhe die Beihilfestelle auf tatsächlich nicht erbrachte, vermeintlich beihilfefähige Leistungen - unter Abzug tatsächlich erbrachter und beihilfefähiger Leistungen - letztlich zu Unrecht Beihilfeleistungen gewährt hat, ergibt sich hieraus nicht, zumal mit Blick auf die von der GOÄ eingeräumten Spielräume bei der Bemessung des Gebührensatzes auch völlig offen ist, wie die tatsächlich erbrachten Leistungen abgerechnet worden wären. Aus denselben Gründen führen auch die Ausführungen des Polizeipräsidiums K... in dem Schreiben vom 09.06.2015 zur Möglichkeit einer patientenbezogenen Schadensermittlung nicht weiter. Unabhängig davon fehlte es in Bezug auf solche Leistungen, die nach Auffassung der Klägerseite konkret erbracht wurden und als solche beihilfefähig sind, in jedem Fall an dem beihilferechtlich notwendigen Nachweis.
34 
b) Den ihm obliegenden Nachweis erbrachter Aufwendungen i.S.v. § 17 Abs. 3 BVO hat der Kläger auch nicht mit Vorlage einer nachträglich erstellten Abrechnung zu führen vermocht. Eine „korrigierte“ weitere Rechnung hat er von der Fa. R... GmbH nicht erhalten. In der mündlichen Verhandlung am 26.01.2017 hat der Kläger hierzu vorgetragen, zwar hätten sich in Bezug auf eine Krankenhausrechnung vom 08.06.2011 noch nachträgliche Änderungen ergeben, nicht aber in Bezug auf die hier streitgegenständliche Rechnung vom 10.06.2011. Ausweislich des vorliegenden Schreibens vom 19.05.2017 hat er sich an die A... U... als Funktionsnachfolgerin der N... Klinikgruppe gewandt mit der Bitte, ihm hinsichtlich der tatsächlich erbrachten Leistungen eine korrigierte Rechnung zukommen zu lassen. Der A... U... sei es jedoch aus buchhalterischen Gründen nicht mehr möglich, für die lange zurückliegende Zeit eine Rechnung auszustellen. Unabhängig davon hat der Kläger in Bezug auf die tatsächlich erbrachten Leistungen bis heute gar keinen Beihilfeantrag gestellt. Dies wäre aber erforderlich gewesen, denn nach § 17 Abs. 1 BVO wird die Beihilfe nur auf schriftlichen Antrag des Beihilfeberechtigten gewährt. In dem Antrag sind die beihilfefähigen Aufwendungen - unter Vorlage von Belegen i.S.v. § 17 Abs. 3 BVO - zu bezeichnen. Hieran fehlt es. Es war auch nicht Sache des Landesamts, aus der eingereichten, nicht zum Nachweis geeigneten Rechnung vom 10.06.2011 von Amts wegen solche einzelnen Leistungspositionen herauszudestillieren, die trotz der anzunehmenden betrügerischen Abrechnung tatsächlich erbracht wurden und unter irgendeinem Gesichtspunkt beihilfefähig sein könnten. Vielmehr obliegt es nach § 17 Abs. 1 und Abs. 3 BVO dem Beihilfeantragsteller, dann, wenn - wie hier -Zweifel an der Richtigkeit der Abrechnung auftreten, rechtzeitig (v.a. vor Ablauf der Antragsfrist des § 17 Abs. 9 BVO) eine korrigierte Rechnung vorzulegen. Gelingt dies nicht, so geht dies zu seinen Lasten (Senatsurteil vom 16.11.2017 - 2 S 1276/17 -, juris).
35 
Fehlt es damit nicht nur in Bezug auf die in der Rechnung vom 10.06.2011 genannten und betrügerisch abgerechneten Leistungen, sondern auch in Bezug auf die nach Rechtsauffassung des Klägers tatsächlich erbrachten und zugleich beihilfefähigen Leistungen an dem notwendigen Nachweis durch Vorlage von Belegen, so lagen - und liegen - die Voraussetzungen für die Gewährung einer Beihilfe i.H.v. 2.575,22 EUR nicht vor. Der Bescheid des Landesamts vom 02.10.2015 ist daher im Umfang der verfügten Rücknahme - und damit auch in dem vom Kläger angefochtenen Umfang - rechtswidrig.
36 
2. Schutzwürdiges Vertrauen des Klägers steht der (Teil-)Rücknahme des Bescheides vom 06.07.2011 hier nicht entgegen. Nach § 48 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG darf ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. § 48 Abs. 2 Satz 3 LVwVfG enthält nähere Vorgaben zur Schutzwürdigkeit des Vertrauens. Auf schutzwürdiges Vertrauen kann sich der Kläger hier aber nicht berufen, weil die Voraussetzungen von § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG vorliegend erfüllt sind. Denn der Kläger hat den Leistungsbescheid durch Angaben erwirkt, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren, indem er die Arztrechnung vom 10.06.2011 ohne weitere Kommentierung eingereicht, die Richtigkeit seiner Angaben versichert und damit zum Ausdruck gebracht hat, die konkret abgerechneten medizinischen Leistungen seien erbracht worden. Die entsprechenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts hat der Kläger im Berufungsverfahren nicht in Zweifel gezogen und zudem in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat selbst bestätigt, dass er den Beihilfeantrag vom 26.06.2011 gestellt und eigenhändig unterschrieben habe. Der Senat hat daher keinen Zweifel daran, dass der Kläger gerade auch die -auf jedem Beihilfeantrag des Beklagten vorformulierte und vorgegebene - Versicherung der Richtigkeit seiner Angaben unterschrieben hat, auch wenn der Originalantrag vom 26.06.2011 von dem Beklagten inzwischen vernichtet wurde und nicht mehr vorgelegt werden konnte. Auf die Frage eines Verschuldens kommt es im Rahmen des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG nicht an (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.08.2015 - 2 S 384/14 -, juris Rdnr. 30; BVerwG, Urteil vom 28.06.2012 - 2 C 13.11 -, juris). Vielmehr reicht es in diesem Zusammenhang aus, dass der Begünstigte die Fehlerhaftigkeit des Verwaltungsaktes durch eine in seinem Verantwortungsbereich liegende Handlung kausal hervorgerufen hat. Diese Kausalität liegt hier vor, denn ohne die von dem Kläger eingereichte Rechnung - welche als für die Beihilfegewährung erforderlicher Nachweis i.S.v. § 17 Abs. 3 Satz 1 BVO vorgelegt wurde -hätte das Landesamt die Beihilfe nicht wie geschehen antragsgemäß gewährt.
37 
3. Die Rücknahmeentscheidung des Beklagten ist innerhalb der Jahresfrist des § 48 Abs. 4 LVwVfG ergangen. Dies hat das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt. Insoweit kann der Senat auf die zutreffende Begründung des Verwaltungsgerichts in der angefochtenen Entscheidung verweisen (§§ 125 Abs. 1, 117 Abs. 5 VwGO), zumal der Kläger diesbezüglich im Berufungsverfahren keine Einwendungen erhoben hat.
38 
4. Ermessensfehler bei der Rücknahmeentscheidung kann der Kläger nicht für sich geltend machen. Die Entscheidung über die Rücknahme i.S.v. § 48 Abs. 1 LVwVfG liegt grundsätzlich im Ermessen der Behörde. Liegt allerdings ein Anwendungsfall des § 48 Abs. 2 LVwVfG vor und kann sich der Begünstigte auf Vertrauensschutz berufen, so darf der Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden und besteht kein entsprechender Ermessensspielraum der Behörde mehr (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. § 127a). Diese Regelung greift hier nicht ein, denn nach den Ausführungen unter 2. kann sich der Kläger - wegen § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG - nicht auf Vertrauensschutz berufen. In einem solchen Fall bestimmt § 48 Abs. 2 Satz 4 LVwVfG, dass der Verwaltungsakt „in der Regel“ mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen wird. Diese Regelung bezieht sich nicht nur - was aber der Wortlaut für sich genommen nahelegen würde - auf die Frage, ob der Verwaltungsakt für die Vergangenheit zurückgenommen wird, sondern auch auf die logisch vorrangige Frage, ob er überhaupt zurückgenommen werden soll (Kopp/ Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl., § 48 Rdnr. 127b; OVG Berlin-Bbg., Urteil vom 26.11.2015 - 7 B 4.15 -, juris Rdnr. 29; Hamburgisches OVG, Urteil vom 25.07.2017 - 3 Bf 96/15 -, juris Rdnr. 72). § 48 Abs. 2 Satz 4 LVwVfG lenkt das der Behörde nach der Grundsatzregelung des § 48 Abs. 1 LVwVfG bei Nichteingreifen der Vertrauensschutzregelung des § 48 Abs. 2 LVwVfG wieder zustehende Ermessen, indem er für die Fälle des § 48 Abs. 2 Satz 3 LVwVfG die Rücknahme des Verwaltungsaktes mit Wirkung für die Vergangenheit als Regel festlegt (BVerwG, Urteil vom 23.05.1996 - 3 C 13.94 -, juris Rdnr. 51; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.08.2015 - 2 S 384/14 -, juris Rdnr. 31; Urteil vom 11.01.2006 - 13 S 2345/05 -, juris Rdnr. 36; OVG Berlin-Bbg., a.a.O., Hamburgisches OVG, a.a.O., Kopp/Ramsauer, a.a.O. Rdnr. 127b). Daher müssen im Anwendungsbereich des § 48 Abs. 2 Satz 4 LVwVfG besondere, atypische Gründe vorliegen, wenn eine Rücknahme nur für die Zukunft angenommen oder von der Rücknahme ganz abgesehen werden soll. Das kann der Fall sein, wenn der Unrechtsgehalt, der mit einem Fall des § 48 Abs. 2 Satz 3 LVwVfG typischerweise verbunden ist, wegen Besonderheiten des Einzelfalles ausnahmsweise nicht vorliegt (Kopp/Ramsauer, a.a.O. Rdnr. 127; OVG Berlin-Bbg., a.a.O. Rdnr. 30). Einen atypischen Fall vermag der Senat hier nicht zu erkennen. Entgegen seinem Vortrag mussten die nach Auffassung des Klägers tatsächlich erbrachten, beihilfefähigen Leistungen bei der (Teil-)Rücknahme des Beihilfebescheides nicht berücksichtigt werden (s.o.), so dass sich hieraus auch kein Ausnahmefall von der Regelrücknahme des § 48 Abs. 2 Satz 4 LVwVfG ableiten lässt. Ferner ist nicht zu erkennen, inwiefern der einem Fall des § 48 Abs. 2 Satz 3 LVwVfG innewohnende typische Unrechtsgehalt hier ausnahmsweise fehlen könnte. Der Kläger hat den Beihilfebescheid vom 06.07.2011 durch in wesentlicher Beziehung unrichtige oder unvollständige Angaben erwirkt (§ 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG, dazu s.o. 2.). Da es in diesem Zusammenhang allein darauf ankommt, ob der Begünstigte die Fehlerhaftigkeit des Verwaltungsaktes durch eine in seinem Verantwortungsbereich liegende Handlung kausal hervorgerufen hat und etwaiges Verschulden des Begünstigten unmaßgeblich ist (s.o.), gehört fehlendes Verschulden bereits zur typisierten Bewertung des Gesetzgebers bei § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG und vermag keine einzelfallbezogene Atypik zu begründen.
39 
Eine die Regelrücknahme beseitigende atypische Sachlage liegt auch dann nicht vor, wenn man mit dem Kläger davon ausgeht (dazu näher unter II. 2 b)), dass er die Rechtswidrigkeit der Beihilfegewährung weder positiv kannte noch infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte und ein Anwendungsfall des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 LVwVfG mithin nicht anzunehmen ist. Denn die Regelrücknahme nach § 48 Abs. 2 Satz 4 LVwVfG wird allein schon durch das Eingreifen des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG - und das Nichtvorliegen eines hierauf bezogenen atypischen Sonderfalls - ausgelöst. Wenn der Kläger zwar den Unrechtsgehalt des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG, nicht aber zusätzlich den des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 LVwVfG verwirklicht hätte, änderte sich an der bereits anzunehmenden Regelrücknahme nichts.
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Schließlich lässt sich eine einzelfallbezogene Atypik im Rahmen des § 48 Abs. 2 Satz 4 LVwVfG entgegen dem Klägervortrag auch nicht damit begründen, dass der Beklagte im Januar 2017 einen Vergleich mit der A... U…-... abgeschlossen hat, aufgrund dessen die Klinik sich zu Zahlungen an den Beklagten bereit erklärt hat. Dieser Vergleich bezieht sich nach dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten auf den Ausgleich des Schadens, den der Beklagte infolge möglicher deliktischer Handlungen der N... Fachklinik bzw. solcher Personen, deren Handlungen sich diese Klinik eventuell zurechnen lassen muss, erlitten hat. Erfasst sind von dem Vergleich aber nur die Fälle, in denen das Landesamt keinen individuellen Rückforderungsbescheid gegenüber einem Beihilfeempfänger mehr erlassen kann, weil zwar dessen Behandlung in der Klinik bekannt ist, aber keine individuelle Rechnung mehr vorliegt. Von diesem Regelungsinhalt gehen die Beteiligten nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung übereinstimmend aus. Dann aber ist die vorliegende Sachverhaltskonstellation, in der ja gerade ein individueller Rückforderungsbescheid in Rede steht, von den Vergleichsregelungen nicht umfasst. Der mit der A... U... als Funktions- bzw. Rechtsnachfolgerin der N... Fachklinik abgeschlossene Vergleich dürfte hier aber auch deshalb ohne Relevanz sein, weil es vorliegend um (betrügerisch abgerechnete) Belegarztleistungen geht, Belegarztleistungen aber nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 18 Abs. 1 Krankenhausentgeltgesetz nicht zu den Krankenhausleistungen gehören, die von dem Krankenhaus selbst erbracht und abgerechnet werden und für die es einzustehen hat.
41 
Das Nichtvorliegen eines Ausnahmefalls zur Regelrücknahme hat zur Konsequenz, dass der Beklagte über den Hinweis auf § 48 Abs. 2 Satz 4 LVwVfG hinaus keine weitergehenden Ermessenserwägungen anstellen musste und sich die vom Kläger aufgeworfene Frage nach dem Vorliegen von Ermessensfehlern nicht stellt. Insbesondere kommt es nicht darauf an, wie vom Kläger mit Schriftsatz vom 11.12.2017 vorgetragen, ob der Beklagte die mit der A... U... vereinbarten Schadensersatzzahlungen nachträglich „bei der Ermessensentscheidung über die Rücknahme“ hätte berücksichtigen müssen.
II.
42 
Anders als die Rücknahmeentscheidung erweist sich jedoch die unter Nr. 2 des angefochtenen Bescheides verfügte Rückforderungsentscheidung des Beklagten in dem angefochtenen Umfang als rechtswidrig. Insoweit war der Bescheid aufzuheben und das Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern.
43 
Rechtsgrundlage für die Erstattungsforderung ist § 15 Abs. 2 Satz 1 LBesG, wonach sich die Rückforderung zu viel gezahlter Bezüge nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung richtet. Zwar gilt diese Vorschrift nach ihrem Wortlaut an sich nur für die Rückforderung „zuviel gezahlter Bezüge“, worum es hier nicht geht. Nach der Rechtsprechung des Senats ist die Vorschrift aber nach dem ersatzlosen Wegfall des § 109 LBG a.F. auf die Rückforderung zu Unrecht erbrachter Beihilfeleistungen entsprechend anwendbar (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 20.09.2016 - 2 S 994/15 -, juris Rdnr. 19ff und Urteil vom 24.03.2017 - 2 S 701/16 -, juris Rdnr. 32).
44 
1. Damit ist auch zu prüfen, ob der Kläger nicht mehr bereichert ist (§ 818 Abs. 3 BGB). Der Kläger hat sich vorliegend ausdrücklich darauf berufen, dass er den zurückgeforderten Betrag (2.575,23 EUR) im Vertrauen auf den Bestand der Beihilfegewährung an den Rechnungssteller bezahlt habe und damit nicht mehr bereichert sei. In der mündlichen Verhandlung hat er hierzu unwidersprochen ausgeführt, die Rechnungssumme habe er am 01.08.2011 an die Fa. R... GmbH und damit an die inkassoberechtigte Stelle überwiesen. Zwischen der Gewährung/Auszahlung der Beihilfe im Juli 2011 und der Anhörung zur Rückforderung im Juli 2015 liegt ein langer Zeitraum von 4 Jahren, in welchem der Kläger nicht mit einer Rückforderung zu rechnen brauchte.
45 
Eine Bereicherung des Klägers besteht auch nicht deshalb fort, weil er den von der Beklagten erhaltenen Betrag i.H.v. 2.575,23 EUR zur Zahlung an die R... GmbH (respektive Dr. M.../Dr. D...) verwendet und sich insoweit von der Rechnungsschuld befreit hat. Zwar ist im Rahmen der zum Begriff der Entreicherung entwickelten Grundsätze anerkannt, dass der Begriff des Wegfalls der Bereicherung nicht nach rechtlichen, sondern nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten durch einen saldenmäßigen Vergleich des Aktiv- und des Passivvermögens zu beurteilen ist (BVerwG, Urteil vom 28.01.1993 - 2 C 15.91 -, juris), weshalb der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon ausgeht, dass sich der zur Herausgabe verpflichtete Empfänger einer Leistung dann nicht mehr auf den Wegfall der Bereicherung berufen kann, wenn er mit dem erlangten Betrag ganz oder teilweise Schulden getilgt hat (BGH, Urteil vom 09.05.1984 - IV B ZR 7/93 -, juris; für den Fall überzahlter Versorgung/überzahlter Dienstbezüge auch BVerwG, Urteil vom 10.10.1961 - VI C 25.60 -, juris und BVerwG, Urteil vom 28.01.1993 - 2 C 15.91 -, juris). Hier liegt jedoch die beihilfespezifische Besonderheit vor, dass der Kläger die ihm von dem Beklagten bewilligten und ausgezahlten Beihilfeleistungen bestimmungsgemäß verwendet und zur Begleichung der Arztrechnung eingesetzt hat. Hiervon geht auch der Beklagte in seinem Schriftsatz vom 19.12.2017 (S. 2 am Ende) ausdrücklich aus. Ein Beihilfeberechtigter vertraut aber in grundsätzlich schutzwürdiger Weise auf den Bestand von Beihilfebescheiden, wenn er mit der gewährten Beihilfe die diesen Bescheiden zugrundeliegenden Arztrechnungen begleicht (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.02.2012 - 2 S 2983/11 -, juris Rdnr. 25; OVG Nordrh.-Westf., Beschluss vom 05.07.2007 - 6 A 4961/05 -, juris Rdnr. 6; VG Düsseldorf, Urteil vom 15.11.2011 - 26 K 444/11 -, juris Rdnr. 37). Anders als im Falle gewöhnlicher Schuldentilgung hat der Beihilfeempfänger durch die bestimmungsgemäße Verwendung der erhaltenen Beihilfeleistungen gerade keinen anderweitigen Vorteil - etwa in Form ersparter Schuldzinsen oder der Befreiung von einer Drittverbindlichkeit - erlangt.
46 
Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten liegt auch in einem behaupteten Rückforderungsanspruch des Klägers gegen die A... U... - als Funktionsnachfolgerin und möglicherweise auch Rechtsnachfolgerin der N...-... Fachklinik - keine „bestehengebliebene“ Bereicherung. Denn ein wegen fehlerhafter bzw. betrügerischer Rechnungsstellung etwa bestehender Rückforderungsanspruch richtete sich jedenfalls nicht gegen die A... U... Den Behandlungsvertrag hat der Kläger nämlich mit Dr. M...-.../Dr. D... als Belegärzten der A... U... abgeschlossen, wie sich aus der Rechnung vom 10.06.2011 ausdrücklich ergibt. Belegarztleistungen gehören aber nicht zu den Krankenhausleistungen, vielmehr rechnet der Belegarzt die von ihm erbrachten Leistungen selbst ab (§§ 2 Abs. 1 Satz 2 und 18 KHEntgeltG). So ist es auch vorliegend geschehen. Etwaige Rückforderungsansprüche des Klägers gegen die behandelnden Ärzte „stehen aber lediglich auf dem Papier“ und zwar unabhängig davon, ob man mit dem Kläger davon ausgeht, dass Dr. M... inzwischen insolvent ist. Es ist schon mehr als zweifelhaft, ob - wie der Beklagte vorträgt - wegen der betrügerischen Rechnungsstellung der mit dem Kläger abgeschlossene Behandlungsvertrag nichtig ist. Denn dazu bedürfte es der Feststellung, dass der Vertragsschluss gegen ein gesetzliches Verbot verstößt (§ 134 BGB) oder aber, dass zwischen der angebotenen ärztlichen Leistung und der vereinbarten Vergütung ein grobes Missverhältnis vorliegt (OLG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 26.06.2008 - 1 U 9/08 -, juris Rdnr. 25). Für beides bestehen keine Anhaltspunkte. Aber selbst wenn man eine Nichtigkeit des Behandlungsvertrages unterstellt und davon ausgeht, dass das Vertragsverhältnis rückabgewickelt werden muss und kann, könnte der Kläger nicht lediglich den von ihm auf die Rechnung vom 10.06.2011 geleisteten Zahlungsbetrag zurückverlangen (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB), sondern müsste im Gegenzug im Umfang der von ihm empfangenen und nicht mehr rückabwickelbaren ärztlichen Behandlung Wertersatz leisten (§ 818 Abs. 2 BGB). Bei wirtschaftlicher Betrachtung erscheint es bei dieser Sachlage lebensfremd anzunehmen, dass gegenüber dem behandelnden Arzt ein realisierbarer Bereicherungsanspruch besteht und der zur Tilgung der Arztrechnung verwendete Betrag deshalb wertmäßig noch im Vermögen des Klägers vorhanden ist. Gleiches gilt, soweit sich der Beklagte in der mündlichen Verhandlung erstmals darauf berufen hat, dem Land, um dessen „Beihilfeschulden“ es bei wirtschaftlicher Betrachtung gehe, stehe ein deliktischer Anspruch gegen den betrügerischen Rechnungssteller oder die Klinik aus § 826 BGB und möglicherweise auch ein Anspruch aus § 242 BGB zu. Auch diese nur äußerst vage behaupteten, völlig ungewissen Ansprüche erlauben jedenfalls nicht den Schluss, das Vermögen des Klägers sei bei wirtschaftlicher Betrachtung noch in einer fassbaren Weise wertmäßig erhöht (BGH, Urteil vom 29.05.1978 - II ZR 166/77 -, juris Rdnr. 11f; Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 28.04.2016 - 5 U 36/15 -, juris Rdnr. 73).
47 
2. Auf den Wegfall der Bereicherung kann sich der Kläger vorliegend auch berufen. Die in § 15 Abs. 2 Satz 1 LBesG i.V.m. § 819 Abs. 4 BGB und § 15 Abs. 2 Satz 2 LBesG genannten Ausschlussgründe liegen nicht vor:
48 
a) Der Kläger hatte von den Umständen, welche zur Rücknahme des Verwaltungsaktes geführt haben - und damit von dem Mangel des Rechtsgrundes für die Beihilfezahlung i.S.v. § 15 Abs. 2 Satz 1 LBesG i.V.m. § 819 Abs. 4 Satz 1 BGB -, zur Überzeugung des Senats keine positive Kenntnis. Zwar ist in den Feststellungen des Landgerichts R... zur manipulativen Abrechnungspraxis in der N... Fachklinik davon die Rede (Urteil vom 09.02.2015, S. 20), dass jeder Patient zusätzlich eine nur für ihn bestimmte transparente Abrechnung der tatsächlich erbrachten Leistungen erhalten habe. Der Kläger hat im vorliegenden Verfahren jedoch konsequent bestritten, dass dies auch bei ihm der Fall gewesen sei. Er hat nachvollziehbar und glaubhaft ausgeführt, dass ihm insbesondere der Behandlungsplan, welcher aus den Ermittlungsakten der Polizei in die Rückforderungsakte gelangt ist, erst im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens bekannt geworden ist. Hierfür spricht, dass es sich bei diesem Behandlungsplan schon nach seiner äußeren Gestaltung um ein klinikinternes Schriftstück handelt. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung auch plausibel ausgeführt, dass die in dem Behandlungsplan erwähnten „Abrechnungsberatungen“ zwar am 11.05.2011 und am 07.06.2011 stattgefunden hätten, es dort aber lediglich um technische Abrechnungsfragen (Name der Krankenkasse, leistender Beihilfeträger, Vorausleistungen, Kurtaxepflicht, anfallende Kosten für den persönlichen Bedarf) bzw. um die Zahlung direkt vor Ort abzurechnender Leistungen gegangen sei.
49 
b) Dem Kläger ist auch nicht vorzuwerfen, dass er die Umstände, welche zur Rücknahme des Verwaltungsaktes geführt haben - und damit den Mangel des Rechtsgrundes für die Beihilfezahlung - hätte erkennen müssen (§ 15 Abs. 2 Satz 2 LBesG). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg zu der Parallelregelung des § 12 Abs. 2 Satz 2 BBesG ist der Mangel des rechtlichen Grundes für die Zahlung von Bezügen dann offensichtlich, wenn der Empfänger ihn nur deshalb nicht erkannt hat, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht gelassen hat (BVerwG, Urteil vom 25.11.1982 - 2 C 14.81 -, juris Rdnr. 22; Urteil vom 27.01.1987 -2 C 9.85-, juris Rdnr. 18; Beschluss vom 19.11.1996 - 2 B 42.96 -, juris Rdnr. 5; Urteil vom 26.04.2012 -2 C 15.10 -, juris Rdnr. 16; Urteil vom 26.04.2012 - 2 C 4.11 -, juris Rdnr. 10, VGH Bad.-Württ., Urteil vom 04.10.1995 - 4 S 1799/94 -, juris Rdnr. 32), also grob fahrlässig gehandelt hat. Letztlich ist das Fehlen eines Rechtsgrundes für die Zahlung dann offensichtlich, wenn es für den Empfänger ohne weiteres erkennbar ist (BVerwG, Urteil vom 26.04.2012 - 2 C 15.10 -, juris Rdnr. 16; Urteil vom 26.04.2012 - 2 C 4.11 -, juris Rdnr. 10). Für die Beurteilung, ob der Beamte die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders hohem Maße außer Acht gelassen hat, ist auf die individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten des Empfängers (z.B. Vor- und Ausbildung, dienstliche Tätigkeit) zur Prüfung der ihm zuerkannten Beträge abzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.11.1982 - 2 C 14.81 -, juris Rdnr. 22; Urteil vom 26.04.2012 - 2 C 15.10 -, juris Rdnr. 17; Urteil vom 26.04.2012 - 2 C 4.11 -, juris Rdnr. 11). Im Rahmen des § 15 Abs. 2 Satz 2 LBesG gelten dieselben Maßstäbe (Hellstern/ Kaufmann/Ludy, Handbuch des Besoldungsrechts für Baden-Württemberg, § 15 LBesG Rdnr. 15.2.3.4.).
50 
Unter Berücksichtigung dessen liegt beim Kläger jedenfalls keine „grobe“ Fahrlässigkeit vor. Denn aus der Kenntnis der bei ihm tatsächlich durchgeführten Behandlungen in Zusammenschau mit den Angaben auf der Rechnung vom 10.06.2011 musste er nicht den Schluss ziehen, die Abrechnung könne nicht stimmen und die auf der Einreichung dieser Rechnung beruhende Beihilfegewährung sei mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig. Eine Prüfung der in der Rechnung aufgeführten einzelnen GOÄ-Ziffern daraufhin, ob sie tatsächlich nach der GOÄ abrechenbar sind und ob die auf der Rechnung stichwortartig ausgewiesenen Leistungen der jeweils zugeordneten GOÄ-Ziffer entsprechen, war dem Kläger als medizinischem Laien objektiv nicht möglich und auch subjektiv von ihm nicht zu verlangen. Allerdings war von ihm zu erwarten, die abgerechneten Leistungspositionen anhand der stichwortartig ausgewiesenen Leistungsbeschreibung daraufhin zu überprüfen, ob sie plausibel sind, insbesondere, ob ihnen eine tatsächlich erbrachte Leistung gegenüber steht. Diesen Anforderungen ist der Kläger hier nachgekommen. Zwar hat er im Widerspruchsverfahren anwaltlich u.a. vortragen lassen, eine Überprüfung der einzelnen Rechnungspositionen habe er „nicht vorgenommen“, da er weder mit den ärztlichen Fachbegriffen noch mit den GOÄ-Ziffern sachlich etwas habe anfangen können und zudem davon ausgegangen sei, dass die Fachbeamten des Landesamts die Liquidationsgrundlage sachlich überprüfen könnten. Dies war jedoch schon bei isolierter Betrachtung nicht so zu verstehen, dass der Kläger die Rechnung vom 10.06.2011 völlig ungeprüft an das Landesamt weitergegeben hat. Die unterlassene Einzelprüfung bezog sich vielmehr - wie der Hinweis auf die fehlende medizinische Sachkunde des Klägers zeigt - auf die ärztlichen Fachbegriffe bzw. die Abrechenbarkeit der in der Rechnung genannten GOÄ-Ziffern und betraf damit einen Bereich, den der Kläger im Einzelnen gar nicht überprüfen konnte. Die ihm auch als medizinischem Laien obliegende Plausibilitätsprüfung hat der Kläger hingegen vorgenommen. In der mündlichen Verhandlung hat er hierzu nachvollziehbar und glaubhaft ausgeführt, nach Erhalt der Rechnung habe er die Einzelpositionen daraufhin durchgeschaut, ob die Leistungen nicht wie abgerechnet erbracht worden sein können, z.B. an einem Sonntag oder außerhalb des Behandlungszeitraums.
51 
Zwar fällt bei einem inhaltlichen Blick auf die abgerechneten Positionen ins Auge, dass ein Großteil der in dem Behandlungsplan genannten Leistungen, welche der Kläger - auch nach seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung - tatsächlich in Anspruch genommen hat und welche ihm demgemäß bekannt waren, sich in der Rechnung vom 10.06.2011 nicht wiederfinden (z.B. „Dornbreuss“, „Craniosacral-Therapie“, „Softpack Kreidepackung“, „Strömen“, „Körper-Seele-Int.(Trager), „Aurum Manus“, „Biografie-Arbeit“, „TP: Alexander Technik“, „Heiße Steine“, „Facial Harmony“, „Walking Gruppe (B)“). Diese Leistungen konnten von einem medizinischen Laien aber ohne weiteres als Einzelmaßnahme im Rahmen der in den Rechnungen genannten Oberbegriffe verstanden werden. Denn bei „Dornbreuss“ handelt es sich um eine manuelle Wirbelsäulentherapie nach Dorn/Breuss, die dem abgerechneten „chirotherapeutischen Eingriff an der Wirbelsäule“ zugeordnet werden konnte. Bei der z.B. am 12.05.2011 und am 31.05.2011 durchgeführten manuellen Craniosacraltherapie handelt es sich um ein manuelles Verfahren, bei dem Handgriffe vorwiegend im Bereich des Schädels, des Nackens, des Zungenbeins, des Thorax, der Wirbelsäule, des Kreuzbeins, des Zwerchfells, des Beckens und der Füße durchgeführt werden und bei dem die Annahme nicht fern liegt, es handele sich um eine unter demselben Datum abgerechnete krankengymnastische Ganzbehandlung bzw. chirotherapeutische Wirbelsäulenbehandlung. Die durchgeführten Maßnahmen „Biografie-Arbeit“, „Körper-Seele-Int (Trager)“, „Facial Harmony“, „Heiße Steine“, „Aurum Manus“ und „Softpack-Kreidepackungen“, „Kraft der Stimme“, „Strömen“ und „Alexander-Technik“ konnten in derselben Weise jedenfalls von einem medizinischen Laien als Entspannungs- oder Vorbereitungstechniken der jeweils abgerechneten Maßnahmen „tiefenpsychologische Psychotherapie, Einzelbehandlung“ oder „Autogenes Training“ bzw. als „Extensionsbehandlung kombiniert mit Wärmetherapie“ zugeordnet werden. Der Kläger hat hierzu in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, er sei bei Beginn seines Klinikaufenthalts gesundheitlich am Ende gewesen. Die genannten Maßnahmen hätten aus seiner Sicht dazu gedient, ihn zunächst einmal zu aktivieren, zu stabilisieren und abzulenken. Kern der Behandlungen seien die - in der Rechnung vom 10.06.2011 als solche abgerechneten - therapeutischen Gespräche gewesen, die ihn sehr angestrengt hätten. Dies ist für den Senat ohne weiteres nachvollziehbar, zumal der Kläger darauf hingewiesen hat, er habe die durchgeführten Anwendungen auch aufgrund eines früheren Klinikaufenthalts „einordnen“ können. Berücksichtigt man schließlich noch, dass dem Kläger - wie von ihm unwidersprochen vorgetragen - bereits vor Beginn seiner Behandlung seitens der Klinik bestätigt wurde, es würden nur beihilfefähige Behandlungen durchgeführt, und er entsprechend dieser Auskunft nicht abrechenbare physiotherapeutische Leistungen gesondert bezahlt hat (Rechnung vom 09.06.2011), so musste sich dem Kläger bei einer Gesamtwürdigung der vorliegenden Umstände nicht aufdrängen, dass es sich bei den nicht gesondert abgerechneten Behandlungen und Maßnahmen um medizinisch nicht indizierte Wellnessmaßnahmen handeln könnte, die nicht nach GOÄ abgerechnet werden können und nicht beihilfefähig sind.
52 
Der Kläger hatte auch keine Veranlassung zu der Annahme, bei den durchgeführten Behandlungen handele es sich um Behandlungsmethoden, die in dem Hinweisschreiben des LBV vom 26.04.2011 (S. 3 bis 6) als von der Beihilfefähigkeit vollständig oder teilweise ausgeschlossen bezeichnet werden. Zweifelhaft ist hier allenfalls die Zuordnung der im Behandlungsplan aufgeführten Therapie „Walking Gruppe“. Hierbei geht es erkennbar um eine reine Sportmaßnahme. Anhand der Abrechnung vom 10.06.2011 musste der Kläger aber schon nicht davon ausgehen, dass eine solche Sportmaßnahme vom Rechnungssteller überhaupt abgerechnet wurde.
53 
Kann sich der Kläger mithin erfolgreich auf den Wegfall der Bereicherung berufen, so führt dies zur Aufhebung der verfügten Rückforderung, ohne dass es noch weiter darauf ankäme, ob die in der Rückforderungsentscheidung angestellten Billigkeitserwägungen in ausreichender Weise den Besonderheiten des Berufsbeamtentums Rechnung tragen.
III.
54 
Der Kläger kann von dem Beklagten antragsgemäß auch die Erstattung des von ihm bereits - unter Vorbehalt - bezahlten Rückforderungsbetrages i.H.v. 1.785,23 EUR beanspruchen. Anspruchsgrundlage ist mangels spezialgesetzlicher Grundlage (§ 15 LBesG betrifft nur die Rückforderung zuviel bezahlter Bezüge, worum es hier nicht geht) der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch.Dabei handelt es sich um ein aus den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts, insbesondere der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, abgeleitetes eigenständiges Rechtsinstitut des öffentlichen Rechts, dessen Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen, soweit sie - wie hier - nicht spezialgesetzlich geregelt sind, denen des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs entsprechen, sofern den §§ 812ff BGB keine abweichende Interessenbewertung zugrunde liegt, die in das öffentliche Recht nicht übertragbar ist (VGH Bad.-Württ, Urteil vom 15.09.2011 - 2 S 654/11 -, juris Rdnr. 18; BVerwG, Urteil vom 18.01.2001 - 3 C 7.00-BVerwGE 112, 351; BVerwG, Beschluss vom 07.10.2009 -9 B 24.09- juris, mit weiteren Nachweisen). Letzteres ist hier nicht der Fall. Die Voraussetzungen des Erstattungsanspruches liegen hier auch vor. Aus den Ausführungen unter II. ergibt sich, dass der Beklagte die Zahlung des zurückgeforderten Betrages durch den Kläger als „Leistung“ i.S.v. § 812 Abs. 1 BGB ohne rechtlichen Grund erlangt hat. Die Rückforderung des gezahlten Betrages ist auch nicht gem. § 814 BGB ausgeschlossen. Denn die Vorschrift dürfte auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch schon nicht anwendbar sein, weil hier abweichend von den Wertungen des Zivilrechts dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltungstätigkeit Rechnung zu tragen ist (vgl. hierzu ThürOVG, Urteil vom 17.12.2002 - 2 KO 701/00 -, juris Rdnr. 51, HessVGH, Urteil vom 17.07.1990 - 11 UE 1487/89 -, juris Rdnr. 30). Unabhängig davon hat der Kläger den nunmehr zurückgeforderten Betrag jedenfalls nicht in Kenntnis der Nichtschuld an den Beklagten bezahlt, sondern im Gegenteil unter dem Vorbehalt der Rückforderung, falls die Rückforderung der Beihilfeleistung ihrerseits nicht gerechtfertigt ist (Behördenakte Bl. 25).
55 
Die Erstattungsforderung ist mit 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit des Antrages zu verzinsen (§§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB). Rechtshängigkeit ist mit Eingang der - formgerecht erhobenen -Klage beim Verwaltungsgericht am 28.01.2016 eingetreten. Der Tag des Klageeingangs wird bei der Pflicht zur Zinszahlung allerdings nicht mitgerechnet (§ 187 Abs. 1 BGB in analoger Anwendung, vgl. BVerwG, Urteil vom 30.06.2011 - 3 C 30.10 -, juris Rdnr. 21, BGH, Urteil vom 04.07.2017 - XI ZR 562/15 -, juris Rdnr. 103), weshalb die Forderung erst ab dem 29.01.2016 zu verzinsen ist.
56 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 708 Nr. 10 Satz 1 ZPO, § 711 ZPO i.V.m. § 709 Satz 2 ZPO. § 167 Abs. 2 VwGO findet auf die vorliegende Fallkonstellation weder direkte noch entsprechende Anwendung, da die Behörde hier im Wege der Leistungsklage zur Zahlung eines Geldbetrages und nicht zur Vornahme einer schlicht-hoheitlichen Maßnahme verurteilt worden ist (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 03.11.2011 - 6 S 2904/11 -, juris Rdnr. 11; Beschluss vom 24.03.1999 - 9 S 3012/98 -, juris Rdnr. 3f; Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. § 167 Rdnr. 21)
57 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
58 
Beschluss vom 26.01.2018
59 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 1.785,23 EUR festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 Satz 1 GKG). Die Anfechtungsklage gegen die Rücknahme des Beihilfebescheides und gegen die Rückforderung der geleisteten Beihilfe sowie die Leistungsklage auf Erstattung des unter Vorbehalt gezahlten Rückforderungsbetrages sind bei wirtschaftlicher Betrachtung auf dasselbe Ziel gerichtet, das Behaltendürfen der gewährten Beihilfe i.H.v. 1.785,23 EUR. Für eine künstliche Auftrennung dieses einheitlichen Begehrens in mehrere einzelne Streitgegenstände und Zusammenrechnung dieser Werte gem. § 39 Abs. 1 GKG ist daher kein Raum (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.12.1988 - 7 C 93.86 -, juris Rdnr. 12; OVG Nordrh.-Westf., Beschluss vom 21.10.2014 - 14 E 938/14 -, juris).
60 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 15.7.2010 - 9 K 470/09 - geändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 27.10.2008 und dessen Widerspruchsbescheids vom 29.1.2009 verpflichtet, den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Beihilfe vom 12.10.2008 hinsichtlich der geltend gemachten kieferorthopädischen Aufwendungen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die 1948 geborene Klägerin begehrt Beihilfe zu den Aufwendungen für eine kieferorthopädische Behandlung. Sie ist als Beamtin mit einem Bemessungssatz von 70 % beihilfeberechtigt.
Mit Schreiben vom 28.8.2008 legte sie dem Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg (im Folgenden: Landesamt) einen kieferorthopädischen Behandlungsplan zur Prüfung der Beihilfefähigkeit vor. In dem Behandlungsplan wurden die voraussichtlichen Gesamtkosten auf 3.666,57 EUR geschätzt. Die Diagnose für den Oberkiefer lautete: „Retinierter und verlagerter Zahn 13; fehlender Zahn 25; mesiopaltinal rotierter Zahn 26; Implantate regio 25 und 27 bereits gesetzt". Zum Unterkiefer wurde festgestellt: „Fehlende Zähne durch Implantate ersetzt regio 36 und 45, 46; mesioklinierte Molaren; frontaler Engstand, Rotationen und Kippungen". Die Bisslage wird wie folgt beschrieben: „Skel. Klasse I, mand. Verschiebung nach rechts; Biss abgesackt durch fehlende dorsale Abstützung". Des Weiteren heißt es, die Behandlung sei aus funktionellen Gründen (Kiefergelenke) und zum längeren Erhalt der Zähne indiziert. Ohne die kieferorthopädische Aufrichtung der Molaren sei die prothetische Versorgung nicht lege artis möglich.
Unter dem 3.9.2008 teilte das Landesamt der Klägerin mit, dass die Kosten der geplanten Maßnahme nicht als beihilfefähig anerkannt würden. Aufwendungen für kieferorthopädische Leistungen seien nur dann beihilfefähig, wenn die behandelte Person bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet habe. Etwas anderes gelte nur bei schweren Kieferanomalien, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erforderten. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch.
Mit Antrag vom 12.10.2008 begehrte die Klägerin Beihilfe zu den bis dahin entstandenen Aufwendungen für die mittlerweile durchgeführte kieferorthopädische Behandlung in Höhe von 1.122,69 EUR (Rechnung vom 10.10.2008). Mit Bescheid vom 27.10.2008 versagte das Landesamt die begehrte Beihilfe.
Mit ihrem hiergegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend: Durch eine starke Bissabsenkung und ein prothetisch unterversorgtes Gebiss habe sie funktionale Probleme im Kieferbereich (schmerzhafte Kiefergelenke und eine eingeschränkte Kaufunktion). Durch die langjährigen Zahnlücken rechts und links im Unterkiefer seien die Backenzähne gekippt, was auch die Ursache starker parodontaler Probleme sei. Auch Schmerzen im Halswirbelbereich hingen damit zusammen. Nur durch eine kieferorthopädische Behandlung könnten die prothetische Versorgung durchgeführt und die gesetzten Implantate fertiggestellt werden, um ihre Zähne auf lange Sicht zu erhalten.
In einer dem Widerspruch beigefügten Stellungnahme der die Klägerin behandelnden Zahnärzte vom 17.11.2008 heißt es, dass eine kieferorthopädische Behandlung wegen einer Bisshebung, Aufrüstung und Passung der Seitenzähne dringend erforderlich gewesen sei. Dadurch sei eine Verbesserung der parodontalen Situation gegeben. Es habe außerdem eine schwere craniomandibuläre Dysfunktion (CMD) - Problematik der Muskel- und Kieferfunktion - bestanden, die starke Schmerzen hervorgerufen habe. Die Folge seien Verspannungen der Nackenmuskulatur und Spannungskopfschmerz. Kiefergelenksbeschwerden, Kiefergelenksknacken und eine eingeschränkte Nackenbeweglichkeit seien schmerzhaft und hätten nur durch die kieferorthopädische Behandlung behoben werden können.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29.1.2009 wies das Landesamt den Widerspruch der Klägerin zurück, da die Voraussetzungen der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für kieferorthopädische Maßnahmen bei über 18-jährigen Beihilfeberechtigten nicht vorlägen.
Am 25.2.2009 hat die Klägerin Klage vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen: Der in Nr. 1.2.3 der Anlage zur BVO geregelte Ausschluss von Aufwendungen für kieferorthopädische Leistungen bei Personen über 18 Jahren von der Beihilfefähigkeit stelle eine sachlich unbegründete Diskriminierung erwachsener Beihilfeberechtigter dar. Er verstoße auch gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Es handle sich um eine ausschließlich an das Alter gebundene Diskriminierung, für die es keine zulässigen Gründe gebe. Die inzwischen abgeschlossenen kieferorthopädischen Maßnahmen seien medizinisch notwendig gewesen. Sie habe schon viele Jahre eine Doppellücke und zwei weitere Zahnlücken durch fehlende Zähne gehabt. Oben habe sie keinen Gegenbiss gehabt und ihr Kiefer habe sich verändert, da der Biss schon lange nicht mehr gestimmt habe. Vier Zähne seien in die Lücke „gekippt" und ein Zahn habe sich gedreht. Bei der Sanierung ihres Gebisses sei es erforderlich gewesen, mehrere gesunde Backenzähne mittels einer kieferorthopädischen Behandlung zu richten. Eine fachgerechte Alternative zu dieser Behandlung habe es nicht gegeben. Auch ihre chronischen Nacken- und Kopfschmerzen seien geheilt.
Der Beklagte hat Klagabweisung beantragt und erwidert: Auch die Fürsorgepflicht erfordere nicht den Ausgleich jeglicher aus Krankheitsfällen entstandener Aufwendungen. Allenfalls unzumutbare Belastungen bzw. erhebliche Aufwendungen, die für den Beamten unausweichlich seien und denen er sich nicht entziehen könne, könnten den Wesenskern der Fürsorgepflicht berühren. Zu denken sei an die Behandlung schwerer oder gar lebensbedrohlicher Krankheiten. Um eine solche handele es sich vorliegend nicht.
10 
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 15.7.2010 - zugestellt am 2.12.2010 - abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt: Nach Nr. 1.2.3 der Anlage zur BVO seien kieferorthopädische Leistungen nur beihilfefähig, wenn die behandelte Person bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet habe; dies gelte nicht bei schweren Kieferanomalien, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erforderten. Gemessen hieran komme eine Beihilfegewährung nicht in Betracht. Die Klägerin habe bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr (längst) überschritten. Auch eine Ausnahme von der Altersgrenze habe nicht vorgelegen, da sie nicht an einer schweren Kieferanomalie gelitten habe. Dass die kieferorthopädische Behandlung nach ihrem Vorbringen und den vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen für eine prothetische Versorgung und zur Behebung einer durch die Zahnfehlstellungen verursachten craniomandibulären Dysfunktion erforderlich gewesen sei, sei unbeachtlich.
11 
Die unterschiedliche Regelung der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für kieferorthopädische Behandlungen für Minderjährige und Erwachsene verstoße nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz und die Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Bei der im Beihilferecht erlaubten pauschalisierenden und typisierenden Betrachtungsweise lägen sachliche Gründe für die unterschiedliche Behandlung der Minderjährigen und Erwachsenen vor, die auch nicht zu einer Verletzung der Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern führten. Dem grundsätzlichen Leistungsausschluss liege die Erwägung zugrunde, dass mit einer kieferorthopädischen Behandlung aus medizinischen Gründen vor Abschluss des Körperwachstums begonnen werden solle, und dass solche Maßnahmen bei Erwachsenen überwiegend aus ästhetischen Gründen oder wegen mangelnder zahnmedizinischer Vorsorge in früheren Jahren erfolgten. Dies sei nicht zu beanstanden.
12 
Allerdings schließe Nr. 1.2.3 der Anlage zur BVO die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für die kieferorthopädische Behandlung Erwachsener auch in den Fällen aus, in denen die herkömmlichen beihilferechtlichen Voraussetzungen der Notwendigkeit und Angemessenheit für eine kieferorthopädische Behandlung erfüllt seien. Da der Verordnungsgeber typisieren dürfe, sei dies rechtlich nicht zu beanstanden, solange solche Fallgestaltungen nicht von vornherein absehbar einen solchen Umfang und ein solches Gewicht erreichten, dass sie auch bei typisierender Betrachtungsweise nicht vernachlässigt werden könnten. Davon sei hier nicht auszugehen. Für eine verfassungsrechtlich gebotene Korrektur sei die Härtefallregelung des § 5 Abs. 6 BVO in den Blick zu nehmen. Eine atypische Fallgestaltung, die die Annahme eines Härtefalls rechtfertige, liege bei der Klägerin jedoch nicht vor. Nach ihrem Vorbringen seien es die von ihr hingenommenen und nicht behandelten Zahnlücken gewesen, die zur Verlagerung von Zähnen und zur Veränderung des Gebisses geführt hätten.
13 
Schließlich verstoße der Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für kieferorthopädische Behandlungen von Erwachsenen nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Ob die Gewährung von Beihilfe in Krankheitsfällen für Beamte unter den sachlichen Anwendungsbereich dieses Gesetzes falle, könne dahingestellt bleiben, da die unterschiedliche Behandlung von Minderjährigen und Erwachsenen jedenfalls nicht wegen des Merkmals „Alter" erfolge, sondern auf den unterschiedlichen Anlässen und Voraussetzungen für eine kieferorthopädische Behandlung beruhe. Selbst wenn man dies anders sehen wolle, sei die in Streit stehende Regelung zulässig, da sie durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sei. Dazu gehöre auch das Ziel einer sparsamen Haushaltsführung. Den einzelnen Mitgliedstaaten sei nicht nur bei der Bestimmung der Ziele, sondern auch bei der Wahl der Mittel ein Gestaltungsspielraum eingeräumt, bei dem auch haushaltsbezogene Erwägungen Berücksichtigung finden könnten.
14 
Die Klägerin hat am 27.12.2010 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und mit Schriftsatz vom 31.1.2011 - beim Verwaltungsgerichtshof eingegangen am 1.2.2011 - begründet.
15 
Der Senat hat Beweis durch die Einholung ein Sachverständigengutachtens erhoben, das von Prof. em. Dr. Sch. unter dem 12.1.2012 erstattet worden ist. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieses Gutachtens verwiesen.
16 
Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie ist der Auffassung, dass der Sachverständige den von ihr vorgetragenen Sachverhalt bestätigt habe.
17 
Sie beantragt,
18 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 15.7.2010 - 9 K 470/09 - zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden- Württemberg vom 27.10.2008 und dessen Widerspruchsbescheids vom 29.1.2009 zu verpflichten, ihren Antrag auf Gewährung einer Beihilfe vom 12.10.2008 hinsichtlich der geltend gemachten kieferorthopädischen Aufwendungen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
19 
Der Beklagte beantragt,
20 
die Berufung zurückzuweisen.
21 
Er macht ergänzend geltend: Der Gutachter habe darauf hingewiesen, als Behandlungsziel der kieferorthopädischen Behandlung Erwachsener stehe häufig die Verbesserung der Ästhetik im Vordergrund. Zudem bestünden erhebliche biologische Unterschiede. Daher bestehe die sachliche Rechtfertigung für die unterschiedliche Behandlung von Minderjährigen und Erwachsenen weiterhin. Der beihilferechtliche Verordnungsgeber habe einen weiten Ermessensspielraum, der ihn dazu berechtige, generalisierende, typisierende und pauschalierende Maßstäbe anzulegen.
22 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die beigezogenen Beihilfeakten des Landesamts verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
23 
Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (vgl. §§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
24 
Die Berufung der Klägerin ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen, da die Klägerin - entsprechend ihrem ausdrücklich gestellten Antrag - verlangen kann, dass der Beklagte ihren Antrag auf Gewährung einer Beihilfe vom 12.10.2008 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut bescheidet (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Die ihr entstandenen Aufwendungen für die streitgegenständliche kieferorthopädische Behandlung sind beihilfefähig.
25 
I. Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.2005 - 2 C 35.04 - BVerwGE 125, 21 m.w.N.; VGH Bad,-Württ., Urteil vom 10.10.2011 - 2 S 1369/11 - Juris). Hier sind die Aufwendungen im September 2008 entstanden. Ob und inwieweit die Klägerin für diese Aufwendungen die Gewährung einer Beihilfe beanspruchen kann, bestimmt sich somit nach §§ 5 Abs. 1 und 6 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung des Finanzministeriums über die Gewährung von Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfeverordnung - BVO -) vom 28.7.1995 (GBl. S. 561) in der Fassung von Art. 10 des Gesetzes vom 17.2.2004 (GBl. S 66).
26 
Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 BVO sind aus Anlass einer Krankheit entstandene Aufwendungen für gesondert erbrachte und berechnete zahnärztliche Leistungen beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. Dies gilt jedoch nur nach Maßgabe der Anlage zur Beihilfeverordnung. Nach Nr. 1.2.3 lit. b der Anlage sind Aufwendungen für kieferorthopädische Behandlungen unter anderem dann beihilfefähig, wenn die behandelte Person bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr noch nicht überschritten hat; die gilt nicht bei schweren Kieferanomalien, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordern.
27 
II. Nach diesen Regelungen sind die Aufwendungen für die kieferorthopädische Behandlung der 1948 geborenen Klägerin von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen, da die dargestellten Indikationen, bei denen die kieferorthopädische Behandlung ausnahmsweise auch bei über 18-Jährigen beihilfefähig ist, im Fall der Klägerin nicht vorliegen. Eine schwere Kieferanomalie, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordert hätte, ist unstreitig nicht gegeben. Dies hat auch der Sachverständige ausdrücklich bestätigt.
28 
III. Die in Nr. 1.2.3 lit b der Anlage zur BVO getroffene Ausschlussregelung kann jedoch unter den im Fall der Klägerin gegebenen Umständen keine Anwendung finden. Hierbei kann offen bleiben, ob der grundsätzliche Ausschluss der kieferorthopädischen Behandlung Erwachsener von der Beihilfefähigkeit mit höherrangigem Recht vereinbar ist (1.). Denn die Versagung der Beihilfe verstößt jedenfalls im vorliegenden Einzelfall gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (2., grundlegend zur Anwendung von Art. 3 Abs. 1 GG im Beihilferecht: Senatsurteil vom 15.3.2012 - 2 S 2542/11 -).
29 
1. Es ist fraglich, ob sich der grundsätzliche Ausschluss kieferorthopädischer Behandlungen für Erwachsene - von eng gefassten Ausnahmen abgesehen - von der Beihilfefähigkeit sachlich rechtfertigen lässt.
30 
Einerseits spricht Vieles dafür, dass die Erwägungen, die ursprünglich zu dem Ausschluss von der Beihilfefähigkeit geführt haben, heute nicht mehr tragfähig sind. Dieser grundsätzliche Ausschluss ist in Anknüpfung an den Gesichtspunkt der medizinischen Notwendigkeit erfolgt. Er beruhte ersichtlich darauf, dass die kieferorthopädische Behandlung Erwachsener früher auch in der Fachwelt mit erheblicher Skepsis betrachtet worden ist (vgl. beispielhaft: BSG, Urteil vom 9.12.1997 - 1 RK 11.97 - BSGE 81, 245, juris-Rn. 20).
        
31 
Diese Skepsis dürfte nicht mehr der heutigen Erkenntnislage entsprechen. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 12.1.2012 schlüssig und nachvollziehbar ausgeführt, dass es auch im Erwachsenenalter möglich und sinnvoll sein kann, Zahnstellungsanomalien durch konservative kieferorthopädische Maßnahmen zu korrigieren. In vielen internationalen Publikationen werde in den letzten Jahren eine Zunahme der kieferorthopädischen Behandlungen Erwachsener beschrieben. Die Behauptung, eine kieferorthopädische Behandlung Erwachsener dauere länger als die von Kindern, lasse sich wissenschaftlich nicht bestätigen. Bei erwachsenen Patienten kämen überwiegend festsitzende Apparaturen zur Anwendung und die Motivation sei in der Regel sehr hoch, was die Behandlungsdauer reduziere; bei Kindern hingegen sei durch den Einsatz herausnehmbarer Geräte, Verzögerungen durch den Zahnwechsel und eingeschränkte Kooperation nicht selten eine längere Behandlungszeit zu beobachten. Die in früherer Zeit vorgebrachten Vorbehalte seien nicht mehr berechtigt.
32 
Andererseits zeigt das vom Senat eingeholte Gerichtsgutachten aber auch Gesichtspunkte auf, die bei typisierender Betrachtungsweise möglicherweise noch heute einen weitgehenden Ausschluss der kieferorthopädischen Behandlung Erwachsener rechtfertigen könnten. Insoweit weist der Beklagte insbesondere darauf hin, dass dem Gutachten zufolge nicht (nur) medizinische Gründe, sondern auch gestiegene ästhetische Ansprüche für die Zunahme der kieferorthopädischen Behandlungen Erwachsener ursächlich seien; für den Patienten stehe häufig die Verbesserung der Ästhetik und erst in zweiter Linie die Verbesserung der Kaufähigkeit im Vordergrund.
33 
2. Es kann jedoch für den vorliegenden Fall dahinstehen, ob die Regelung in der Beihilfeverordnung, die die Beihilfefähigkeit kieferorthopädischer Behandlungen für Erwachsene - von eng gefassten Ausnahmen abgesehen - grundsätzlich ausschließt, generell gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (oder die Vorschriften des AGG) verstößt. Denn auf der Grundlage einer verfassungskonformen und an Sinn und Zweck der Regelung orientierten Auslegung ist jedenfalls unter den hier im Fall der Klägerin gegebenen Umständen die Gewährung einer Beihilfe zu Aufwendungen für eine kieferorthopädische Behandlung auch über die in Nr. 1.2.3 lit. b der Anlage zur BVO geregelten Ausnahmen hinaus geboten.
34 
Der in der Beihilfeverordnung vorgenommene grundsätzliche Ausschluss der Aufwendungen für eine kieferorthopädische Behandlung Erwachsener lässt sich nach heutiger Erkenntnislage höchstens noch mit der Erwägung sachlich rechtfertigen, dass sie typischerweise in erster Linie aus ästhetischen Gründen durchgeführt wird (s. oben). Daher kann die betreffende Vorschrift jedenfalls dann keine Geltung beanspruchen, wenn die Behandlung wie hier ausschließlich auf einer zahnmedizinisch zwingenden Indikation beruht. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Verordnungsgeber grundsätzlich nur einen engen Gestaltungsspielraum hat, wenn eine Ungleichbehandlung wie hier an ein personenbezogenes Merkmal wie das Alter und nicht an Lebenssachverhalte anknüpft oder von freiwilligen Entscheidungen der Betroffenen abhängt (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 28.5.2008 - 2 C 24.07 - NVwZ 2008, 1378, juris-Rn. 25).
35 
Aus dem vom Senat eingeholten Gutachten ergibt sich, dass im vorliegenden Einzelfall mehrere Besonderheiten vorliegen, die einen Ausschluss von der Beihilfefähigkeit als sachwidrig erscheinen lassen. Die bei der Klägerin durchgeführte Behandlung war ausschließlich medizinische indiziert; ästhetische Gründe können ausgeschlossen werden (a). Außerdem war keine Behandlungsalternative vorhanden (b). Die Zahnfehlstellungen im Gebiss der Klägerin waren mit erheblichen Folgeproblemen (craniomandibuläre Dysfunktion) verbunden (c). Schließlich liegt eine sog. sekundäre Anomalie vor, die erst im Erwachsenenalter erworben wurde (d). Der Senat schließt sich insoweit jeweils der überzeugend begründeten Ansicht des Gutachters an, zumal der Beklagte insoweit keine Einwendungen erhoben hat.
36 
a) Für die Behandlung der Klägerin waren ausschließlich medizinische Gründe ausschlaggebend. Der Sachverständige hat im einzelnen dargelegt, dass bei Anwendung der Kieferorthopädischen Indikationsgruppen (KIG), die für die Behandlung von Mitgliedern der Gesetzlichen Krankenkassen entwickelt worden sind, hier die Gruppe U 4 (Unterzahl) in Betracht kommt (vgl. B.2. und Anl. 1 der Richtlinien). Die vorgenommene Behandlung war nach den Feststelllungen in dem Gutachten geeignet, angemessen und notwendig, um bessere Voraussetzungen für eine funktionsoptimierte prothetische Versorgung zu schaffen. Ästhetische Aspekte haben hingegen dem Gutachten zufolge keine Rolle gespielt, da kein nennenswerter Einfluss auf die dentale Ästhetik und die Gesichtsästhetik bestehe. Diese Schlussfolgerung ist ohne Weiteres nachvollziehbar, da lediglich Seiten- und keine Frontzähne betroffen waren.
37 
b) Außerdem war keine Behandlungsalternative vorhanden. Aufgrund der ausgeprägten Kippung einiger Seitenzähne und der Lückeneinengung 25, 35 war eine funktionell zufriedenstellende prothetische Lückenversorgung ohne vorherige Stellungskorrektur der gekippten Zähne und Lückenöffnung nicht möglich. Aufgrund des Ausgangsbefundes war nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen nur die vorgeschlagene kieferorthopädische Behandlung erfolgversprechend; alternativ wäre nur die Nichtdurchführung einer Behandlung, d.h. das Belassen der Gebissanomalie und der Dysfunktion infrage gekommen
38 
c) Die Zahnfehlstellungen im Gebiss der Klägerin waren Ursache erheblicher Folgeprobleme in Form einer craniomandibulären Dysfunktion (CMD) mit Kiefergelenkbeschwerden, Muskelverspannungen und Schmerzen. Ein infolge Seitenzahnverlusts abgesunkener Biss ist dem Gutachten zufolge eine häufig zu beobachtende Ursache für derartige Funktionsstörungen. Die durchgeführte kieferorthopädische Behandlung hat dementsprechend nach Angaben der Kieferorthopädin und der Klägerin dazu geführt, die vorher bestehende craniomandibuläre Dysfunktion zu beheben.
39 
d) Schließlich liegt bei der Klägerin eine sog. sekundäre Anomalie vor, also eine solche, die sich erst im Erwachsenenalter herausgebildet hat. Während bei sog. primären Zahnstellungsfehlern - die in der Jugend nicht oder nur unzureichend behandelt wurden oder bei denen es nach Behandlung zu einem Rezidiv gekommen ist - eine erfolgreiche Behandlung im Kindes- oder Jugendalter möglich gewesen wäre, ist dies bei sekundären Anomalien denknotwendig nicht der Fall. Daher kann der Klägerin auch nicht vorgeworfen werden, eine im Kindes- oder Jugendalter mögliche Behandlung ins Erwachsenenalter „verschleppt“ zu haben.
40 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
41 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
42 
Beschluss vom 2. Mai 2012
43 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 785,88 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
44 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
23 
Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (vgl. §§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
24 
Die Berufung der Klägerin ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen, da die Klägerin - entsprechend ihrem ausdrücklich gestellten Antrag - verlangen kann, dass der Beklagte ihren Antrag auf Gewährung einer Beihilfe vom 12.10.2008 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut bescheidet (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Die ihr entstandenen Aufwendungen für die streitgegenständliche kieferorthopädische Behandlung sind beihilfefähig.
25 
I. Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.2005 - 2 C 35.04 - BVerwGE 125, 21 m.w.N.; VGH Bad,-Württ., Urteil vom 10.10.2011 - 2 S 1369/11 - Juris). Hier sind die Aufwendungen im September 2008 entstanden. Ob und inwieweit die Klägerin für diese Aufwendungen die Gewährung einer Beihilfe beanspruchen kann, bestimmt sich somit nach §§ 5 Abs. 1 und 6 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung des Finanzministeriums über die Gewährung von Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfeverordnung - BVO -) vom 28.7.1995 (GBl. S. 561) in der Fassung von Art. 10 des Gesetzes vom 17.2.2004 (GBl. S 66).
26 
Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 BVO sind aus Anlass einer Krankheit entstandene Aufwendungen für gesondert erbrachte und berechnete zahnärztliche Leistungen beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. Dies gilt jedoch nur nach Maßgabe der Anlage zur Beihilfeverordnung. Nach Nr. 1.2.3 lit. b der Anlage sind Aufwendungen für kieferorthopädische Behandlungen unter anderem dann beihilfefähig, wenn die behandelte Person bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr noch nicht überschritten hat; die gilt nicht bei schweren Kieferanomalien, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordern.
27 
II. Nach diesen Regelungen sind die Aufwendungen für die kieferorthopädische Behandlung der 1948 geborenen Klägerin von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen, da die dargestellten Indikationen, bei denen die kieferorthopädische Behandlung ausnahmsweise auch bei über 18-Jährigen beihilfefähig ist, im Fall der Klägerin nicht vorliegen. Eine schwere Kieferanomalie, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordert hätte, ist unstreitig nicht gegeben. Dies hat auch der Sachverständige ausdrücklich bestätigt.
28 
III. Die in Nr. 1.2.3 lit b der Anlage zur BVO getroffene Ausschlussregelung kann jedoch unter den im Fall der Klägerin gegebenen Umständen keine Anwendung finden. Hierbei kann offen bleiben, ob der grundsätzliche Ausschluss der kieferorthopädischen Behandlung Erwachsener von der Beihilfefähigkeit mit höherrangigem Recht vereinbar ist (1.). Denn die Versagung der Beihilfe verstößt jedenfalls im vorliegenden Einzelfall gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (2., grundlegend zur Anwendung von Art. 3 Abs. 1 GG im Beihilferecht: Senatsurteil vom 15.3.2012 - 2 S 2542/11 -).
29 
1. Es ist fraglich, ob sich der grundsätzliche Ausschluss kieferorthopädischer Behandlungen für Erwachsene - von eng gefassten Ausnahmen abgesehen - von der Beihilfefähigkeit sachlich rechtfertigen lässt.
30 
Einerseits spricht Vieles dafür, dass die Erwägungen, die ursprünglich zu dem Ausschluss von der Beihilfefähigkeit geführt haben, heute nicht mehr tragfähig sind. Dieser grundsätzliche Ausschluss ist in Anknüpfung an den Gesichtspunkt der medizinischen Notwendigkeit erfolgt. Er beruhte ersichtlich darauf, dass die kieferorthopädische Behandlung Erwachsener früher auch in der Fachwelt mit erheblicher Skepsis betrachtet worden ist (vgl. beispielhaft: BSG, Urteil vom 9.12.1997 - 1 RK 11.97 - BSGE 81, 245, juris-Rn. 20).
        
31 
Diese Skepsis dürfte nicht mehr der heutigen Erkenntnislage entsprechen. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 12.1.2012 schlüssig und nachvollziehbar ausgeführt, dass es auch im Erwachsenenalter möglich und sinnvoll sein kann, Zahnstellungsanomalien durch konservative kieferorthopädische Maßnahmen zu korrigieren. In vielen internationalen Publikationen werde in den letzten Jahren eine Zunahme der kieferorthopädischen Behandlungen Erwachsener beschrieben. Die Behauptung, eine kieferorthopädische Behandlung Erwachsener dauere länger als die von Kindern, lasse sich wissenschaftlich nicht bestätigen. Bei erwachsenen Patienten kämen überwiegend festsitzende Apparaturen zur Anwendung und die Motivation sei in der Regel sehr hoch, was die Behandlungsdauer reduziere; bei Kindern hingegen sei durch den Einsatz herausnehmbarer Geräte, Verzögerungen durch den Zahnwechsel und eingeschränkte Kooperation nicht selten eine längere Behandlungszeit zu beobachten. Die in früherer Zeit vorgebrachten Vorbehalte seien nicht mehr berechtigt.
32 
Andererseits zeigt das vom Senat eingeholte Gerichtsgutachten aber auch Gesichtspunkte auf, die bei typisierender Betrachtungsweise möglicherweise noch heute einen weitgehenden Ausschluss der kieferorthopädischen Behandlung Erwachsener rechtfertigen könnten. Insoweit weist der Beklagte insbesondere darauf hin, dass dem Gutachten zufolge nicht (nur) medizinische Gründe, sondern auch gestiegene ästhetische Ansprüche für die Zunahme der kieferorthopädischen Behandlungen Erwachsener ursächlich seien; für den Patienten stehe häufig die Verbesserung der Ästhetik und erst in zweiter Linie die Verbesserung der Kaufähigkeit im Vordergrund.
33 
2. Es kann jedoch für den vorliegenden Fall dahinstehen, ob die Regelung in der Beihilfeverordnung, die die Beihilfefähigkeit kieferorthopädischer Behandlungen für Erwachsene - von eng gefassten Ausnahmen abgesehen - grundsätzlich ausschließt, generell gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (oder die Vorschriften des AGG) verstößt. Denn auf der Grundlage einer verfassungskonformen und an Sinn und Zweck der Regelung orientierten Auslegung ist jedenfalls unter den hier im Fall der Klägerin gegebenen Umständen die Gewährung einer Beihilfe zu Aufwendungen für eine kieferorthopädische Behandlung auch über die in Nr. 1.2.3 lit. b der Anlage zur BVO geregelten Ausnahmen hinaus geboten.
34 
Der in der Beihilfeverordnung vorgenommene grundsätzliche Ausschluss der Aufwendungen für eine kieferorthopädische Behandlung Erwachsener lässt sich nach heutiger Erkenntnislage höchstens noch mit der Erwägung sachlich rechtfertigen, dass sie typischerweise in erster Linie aus ästhetischen Gründen durchgeführt wird (s. oben). Daher kann die betreffende Vorschrift jedenfalls dann keine Geltung beanspruchen, wenn die Behandlung wie hier ausschließlich auf einer zahnmedizinisch zwingenden Indikation beruht. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Verordnungsgeber grundsätzlich nur einen engen Gestaltungsspielraum hat, wenn eine Ungleichbehandlung wie hier an ein personenbezogenes Merkmal wie das Alter und nicht an Lebenssachverhalte anknüpft oder von freiwilligen Entscheidungen der Betroffenen abhängt (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 28.5.2008 - 2 C 24.07 - NVwZ 2008, 1378, juris-Rn. 25).
35 
Aus dem vom Senat eingeholten Gutachten ergibt sich, dass im vorliegenden Einzelfall mehrere Besonderheiten vorliegen, die einen Ausschluss von der Beihilfefähigkeit als sachwidrig erscheinen lassen. Die bei der Klägerin durchgeführte Behandlung war ausschließlich medizinische indiziert; ästhetische Gründe können ausgeschlossen werden (a). Außerdem war keine Behandlungsalternative vorhanden (b). Die Zahnfehlstellungen im Gebiss der Klägerin waren mit erheblichen Folgeproblemen (craniomandibuläre Dysfunktion) verbunden (c). Schließlich liegt eine sog. sekundäre Anomalie vor, die erst im Erwachsenenalter erworben wurde (d). Der Senat schließt sich insoweit jeweils der überzeugend begründeten Ansicht des Gutachters an, zumal der Beklagte insoweit keine Einwendungen erhoben hat.
36 
a) Für die Behandlung der Klägerin waren ausschließlich medizinische Gründe ausschlaggebend. Der Sachverständige hat im einzelnen dargelegt, dass bei Anwendung der Kieferorthopädischen Indikationsgruppen (KIG), die für die Behandlung von Mitgliedern der Gesetzlichen Krankenkassen entwickelt worden sind, hier die Gruppe U 4 (Unterzahl) in Betracht kommt (vgl. B.2. und Anl. 1 der Richtlinien). Die vorgenommene Behandlung war nach den Feststelllungen in dem Gutachten geeignet, angemessen und notwendig, um bessere Voraussetzungen für eine funktionsoptimierte prothetische Versorgung zu schaffen. Ästhetische Aspekte haben hingegen dem Gutachten zufolge keine Rolle gespielt, da kein nennenswerter Einfluss auf die dentale Ästhetik und die Gesichtsästhetik bestehe. Diese Schlussfolgerung ist ohne Weiteres nachvollziehbar, da lediglich Seiten- und keine Frontzähne betroffen waren.
37 
b) Außerdem war keine Behandlungsalternative vorhanden. Aufgrund der ausgeprägten Kippung einiger Seitenzähne und der Lückeneinengung 25, 35 war eine funktionell zufriedenstellende prothetische Lückenversorgung ohne vorherige Stellungskorrektur der gekippten Zähne und Lückenöffnung nicht möglich. Aufgrund des Ausgangsbefundes war nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen nur die vorgeschlagene kieferorthopädische Behandlung erfolgversprechend; alternativ wäre nur die Nichtdurchführung einer Behandlung, d.h. das Belassen der Gebissanomalie und der Dysfunktion infrage gekommen
38 
c) Die Zahnfehlstellungen im Gebiss der Klägerin waren Ursache erheblicher Folgeprobleme in Form einer craniomandibulären Dysfunktion (CMD) mit Kiefergelenkbeschwerden, Muskelverspannungen und Schmerzen. Ein infolge Seitenzahnverlusts abgesunkener Biss ist dem Gutachten zufolge eine häufig zu beobachtende Ursache für derartige Funktionsstörungen. Die durchgeführte kieferorthopädische Behandlung hat dementsprechend nach Angaben der Kieferorthopädin und der Klägerin dazu geführt, die vorher bestehende craniomandibuläre Dysfunktion zu beheben.
39 
d) Schließlich liegt bei der Klägerin eine sog. sekundäre Anomalie vor, also eine solche, die sich erst im Erwachsenenalter herausgebildet hat. Während bei sog. primären Zahnstellungsfehlern - die in der Jugend nicht oder nur unzureichend behandelt wurden oder bei denen es nach Behandlung zu einem Rezidiv gekommen ist - eine erfolgreiche Behandlung im Kindes- oder Jugendalter möglich gewesen wäre, ist dies bei sekundären Anomalien denknotwendig nicht der Fall. Daher kann der Klägerin auch nicht vorgeworfen werden, eine im Kindes- oder Jugendalter mögliche Behandlung ins Erwachsenenalter „verschleppt“ zu haben.
40 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
41 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
42 
Beschluss vom 2. Mai 2012
43 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 785,88 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
44 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Die ärztliche Behandlung umfaßt die Tätigkeit des Arztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. Zur ärztlichen Behandlung gehört auch die Hilfeleistung anderer Personen, die von dem Arzt angeordnet und von ihm zu verantworten ist. Die Partner der Bundesmantelverträge legen für die ambulante Versorgung beispielhaft fest, bei welchen Tätigkeiten Personen nach Satz 2 ärztliche Leistungen erbringen können und welche Anforderungen an die Erbringung zu stellen sind. Der Bundesärztekammer ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(2) Die zahnärztliche Behandlung umfaßt die Tätigkeit des Zahnarztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist; sie umfasst auch konservierend-chirurgische Leistungen und Röntgenleistungen, die im Zusammenhang mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen erbracht werden. Wählen Versicherte bei Zahnfüllungen eine darüber hinausgehende Versorgung, haben sie die Mehrkosten selbst zu tragen. In diesen Fällen ist von den Kassen die vergleichbare preisgünstigste plastische Füllung als Sachleistung abzurechnen. In Fällen des Satzes 2 ist vor Beginn der Behandlung eine schriftliche Vereinbarung zwischen dem Zahnarzt und dem Versicherten zu treffen. Die Mehrkostenregelung gilt nicht für Fälle, in denen intakte plastische Füllungen ausgetauscht werden. Nicht zur zahnärztlichen Behandlung gehört die kieferorthopädische Behandlung von Versicherten, die zu Beginn der Behandlung das 18. Lebensjahr vollendet haben. Dies gilt nicht für Versicherte mit schweren Kieferanomalien, die ein Ausmaß haben, das kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlungsmaßnahmen erfordert. Ebenso gehören funktionsanalytische und funktionstherapeutische Maßnahmen nicht zur zahnärztlichen Behandlung; sie dürfen von den Krankenkassen auch nicht bezuschußt werden. Das Gleiche gilt für implantologische Leistungen, es sei denn, es liegen seltene vom Gemeinsamen Bundesausschuss in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 festzulegende Ausnahmeindikationen für besonders schwere Fälle vor, in denen die Krankenkasse diese Leistung einschließlich der Suprakonstruktion als Sachleistung im Rahmen einer medizinischen Gesamtbehandlung erbringt. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend.

(3) Die psychotherapeutische Behandlung einer Krankheit wird durch Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten nach den §§ 26 und 27 des Psychotherapeutengesetzes und durch Psychotherapeuten nach § 1 Absatz 1 Satz 1 des Psychotherapeutengesetzes (Psychotherapeuten), soweit sie zur psychotherapeutischen Behandlung zugelassen sind, sowie durch Vertragsärzte entsprechend den Richtlinien nach § 92 durchgeführt. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend. Spätestens nach den probatorischen Sitzungen gemäß § 92 Abs. 6a hat der Psychotherapeut vor Beginn der Behandlung den Konsiliarbericht eines Vertragsarztes zur Abklärung einer somatischen Erkrankung sowie, falls der somatisch abklärende Vertragsarzt dies für erforderlich hält, eines psychiatrisch tätigen Vertragsarztes einzuholen.

(4) (weggefallen)

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 15.7.2010 - 9 K 470/09 - geändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 27.10.2008 und dessen Widerspruchsbescheids vom 29.1.2009 verpflichtet, den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Beihilfe vom 12.10.2008 hinsichtlich der geltend gemachten kieferorthopädischen Aufwendungen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die 1948 geborene Klägerin begehrt Beihilfe zu den Aufwendungen für eine kieferorthopädische Behandlung. Sie ist als Beamtin mit einem Bemessungssatz von 70 % beihilfeberechtigt.
Mit Schreiben vom 28.8.2008 legte sie dem Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg (im Folgenden: Landesamt) einen kieferorthopädischen Behandlungsplan zur Prüfung der Beihilfefähigkeit vor. In dem Behandlungsplan wurden die voraussichtlichen Gesamtkosten auf 3.666,57 EUR geschätzt. Die Diagnose für den Oberkiefer lautete: „Retinierter und verlagerter Zahn 13; fehlender Zahn 25; mesiopaltinal rotierter Zahn 26; Implantate regio 25 und 27 bereits gesetzt". Zum Unterkiefer wurde festgestellt: „Fehlende Zähne durch Implantate ersetzt regio 36 und 45, 46; mesioklinierte Molaren; frontaler Engstand, Rotationen und Kippungen". Die Bisslage wird wie folgt beschrieben: „Skel. Klasse I, mand. Verschiebung nach rechts; Biss abgesackt durch fehlende dorsale Abstützung". Des Weiteren heißt es, die Behandlung sei aus funktionellen Gründen (Kiefergelenke) und zum längeren Erhalt der Zähne indiziert. Ohne die kieferorthopädische Aufrichtung der Molaren sei die prothetische Versorgung nicht lege artis möglich.
Unter dem 3.9.2008 teilte das Landesamt der Klägerin mit, dass die Kosten der geplanten Maßnahme nicht als beihilfefähig anerkannt würden. Aufwendungen für kieferorthopädische Leistungen seien nur dann beihilfefähig, wenn die behandelte Person bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet habe. Etwas anderes gelte nur bei schweren Kieferanomalien, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erforderten. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch.
Mit Antrag vom 12.10.2008 begehrte die Klägerin Beihilfe zu den bis dahin entstandenen Aufwendungen für die mittlerweile durchgeführte kieferorthopädische Behandlung in Höhe von 1.122,69 EUR (Rechnung vom 10.10.2008). Mit Bescheid vom 27.10.2008 versagte das Landesamt die begehrte Beihilfe.
Mit ihrem hiergegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend: Durch eine starke Bissabsenkung und ein prothetisch unterversorgtes Gebiss habe sie funktionale Probleme im Kieferbereich (schmerzhafte Kiefergelenke und eine eingeschränkte Kaufunktion). Durch die langjährigen Zahnlücken rechts und links im Unterkiefer seien die Backenzähne gekippt, was auch die Ursache starker parodontaler Probleme sei. Auch Schmerzen im Halswirbelbereich hingen damit zusammen. Nur durch eine kieferorthopädische Behandlung könnten die prothetische Versorgung durchgeführt und die gesetzten Implantate fertiggestellt werden, um ihre Zähne auf lange Sicht zu erhalten.
In einer dem Widerspruch beigefügten Stellungnahme der die Klägerin behandelnden Zahnärzte vom 17.11.2008 heißt es, dass eine kieferorthopädische Behandlung wegen einer Bisshebung, Aufrüstung und Passung der Seitenzähne dringend erforderlich gewesen sei. Dadurch sei eine Verbesserung der parodontalen Situation gegeben. Es habe außerdem eine schwere craniomandibuläre Dysfunktion (CMD) - Problematik der Muskel- und Kieferfunktion - bestanden, die starke Schmerzen hervorgerufen habe. Die Folge seien Verspannungen der Nackenmuskulatur und Spannungskopfschmerz. Kiefergelenksbeschwerden, Kiefergelenksknacken und eine eingeschränkte Nackenbeweglichkeit seien schmerzhaft und hätten nur durch die kieferorthopädische Behandlung behoben werden können.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29.1.2009 wies das Landesamt den Widerspruch der Klägerin zurück, da die Voraussetzungen der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für kieferorthopädische Maßnahmen bei über 18-jährigen Beihilfeberechtigten nicht vorlägen.
Am 25.2.2009 hat die Klägerin Klage vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen: Der in Nr. 1.2.3 der Anlage zur BVO geregelte Ausschluss von Aufwendungen für kieferorthopädische Leistungen bei Personen über 18 Jahren von der Beihilfefähigkeit stelle eine sachlich unbegründete Diskriminierung erwachsener Beihilfeberechtigter dar. Er verstoße auch gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Es handle sich um eine ausschließlich an das Alter gebundene Diskriminierung, für die es keine zulässigen Gründe gebe. Die inzwischen abgeschlossenen kieferorthopädischen Maßnahmen seien medizinisch notwendig gewesen. Sie habe schon viele Jahre eine Doppellücke und zwei weitere Zahnlücken durch fehlende Zähne gehabt. Oben habe sie keinen Gegenbiss gehabt und ihr Kiefer habe sich verändert, da der Biss schon lange nicht mehr gestimmt habe. Vier Zähne seien in die Lücke „gekippt" und ein Zahn habe sich gedreht. Bei der Sanierung ihres Gebisses sei es erforderlich gewesen, mehrere gesunde Backenzähne mittels einer kieferorthopädischen Behandlung zu richten. Eine fachgerechte Alternative zu dieser Behandlung habe es nicht gegeben. Auch ihre chronischen Nacken- und Kopfschmerzen seien geheilt.
Der Beklagte hat Klagabweisung beantragt und erwidert: Auch die Fürsorgepflicht erfordere nicht den Ausgleich jeglicher aus Krankheitsfällen entstandener Aufwendungen. Allenfalls unzumutbare Belastungen bzw. erhebliche Aufwendungen, die für den Beamten unausweichlich seien und denen er sich nicht entziehen könne, könnten den Wesenskern der Fürsorgepflicht berühren. Zu denken sei an die Behandlung schwerer oder gar lebensbedrohlicher Krankheiten. Um eine solche handele es sich vorliegend nicht.
10 
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 15.7.2010 - zugestellt am 2.12.2010 - abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt: Nach Nr. 1.2.3 der Anlage zur BVO seien kieferorthopädische Leistungen nur beihilfefähig, wenn die behandelte Person bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet habe; dies gelte nicht bei schweren Kieferanomalien, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erforderten. Gemessen hieran komme eine Beihilfegewährung nicht in Betracht. Die Klägerin habe bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr (längst) überschritten. Auch eine Ausnahme von der Altersgrenze habe nicht vorgelegen, da sie nicht an einer schweren Kieferanomalie gelitten habe. Dass die kieferorthopädische Behandlung nach ihrem Vorbringen und den vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen für eine prothetische Versorgung und zur Behebung einer durch die Zahnfehlstellungen verursachten craniomandibulären Dysfunktion erforderlich gewesen sei, sei unbeachtlich.
11 
Die unterschiedliche Regelung der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für kieferorthopädische Behandlungen für Minderjährige und Erwachsene verstoße nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz und die Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Bei der im Beihilferecht erlaubten pauschalisierenden und typisierenden Betrachtungsweise lägen sachliche Gründe für die unterschiedliche Behandlung der Minderjährigen und Erwachsenen vor, die auch nicht zu einer Verletzung der Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern führten. Dem grundsätzlichen Leistungsausschluss liege die Erwägung zugrunde, dass mit einer kieferorthopädischen Behandlung aus medizinischen Gründen vor Abschluss des Körperwachstums begonnen werden solle, und dass solche Maßnahmen bei Erwachsenen überwiegend aus ästhetischen Gründen oder wegen mangelnder zahnmedizinischer Vorsorge in früheren Jahren erfolgten. Dies sei nicht zu beanstanden.
12 
Allerdings schließe Nr. 1.2.3 der Anlage zur BVO die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für die kieferorthopädische Behandlung Erwachsener auch in den Fällen aus, in denen die herkömmlichen beihilferechtlichen Voraussetzungen der Notwendigkeit und Angemessenheit für eine kieferorthopädische Behandlung erfüllt seien. Da der Verordnungsgeber typisieren dürfe, sei dies rechtlich nicht zu beanstanden, solange solche Fallgestaltungen nicht von vornherein absehbar einen solchen Umfang und ein solches Gewicht erreichten, dass sie auch bei typisierender Betrachtungsweise nicht vernachlässigt werden könnten. Davon sei hier nicht auszugehen. Für eine verfassungsrechtlich gebotene Korrektur sei die Härtefallregelung des § 5 Abs. 6 BVO in den Blick zu nehmen. Eine atypische Fallgestaltung, die die Annahme eines Härtefalls rechtfertige, liege bei der Klägerin jedoch nicht vor. Nach ihrem Vorbringen seien es die von ihr hingenommenen und nicht behandelten Zahnlücken gewesen, die zur Verlagerung von Zähnen und zur Veränderung des Gebisses geführt hätten.
13 
Schließlich verstoße der Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für kieferorthopädische Behandlungen von Erwachsenen nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Ob die Gewährung von Beihilfe in Krankheitsfällen für Beamte unter den sachlichen Anwendungsbereich dieses Gesetzes falle, könne dahingestellt bleiben, da die unterschiedliche Behandlung von Minderjährigen und Erwachsenen jedenfalls nicht wegen des Merkmals „Alter" erfolge, sondern auf den unterschiedlichen Anlässen und Voraussetzungen für eine kieferorthopädische Behandlung beruhe. Selbst wenn man dies anders sehen wolle, sei die in Streit stehende Regelung zulässig, da sie durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sei. Dazu gehöre auch das Ziel einer sparsamen Haushaltsführung. Den einzelnen Mitgliedstaaten sei nicht nur bei der Bestimmung der Ziele, sondern auch bei der Wahl der Mittel ein Gestaltungsspielraum eingeräumt, bei dem auch haushaltsbezogene Erwägungen Berücksichtigung finden könnten.
14 
Die Klägerin hat am 27.12.2010 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und mit Schriftsatz vom 31.1.2011 - beim Verwaltungsgerichtshof eingegangen am 1.2.2011 - begründet.
15 
Der Senat hat Beweis durch die Einholung ein Sachverständigengutachtens erhoben, das von Prof. em. Dr. Sch. unter dem 12.1.2012 erstattet worden ist. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieses Gutachtens verwiesen.
16 
Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie ist der Auffassung, dass der Sachverständige den von ihr vorgetragenen Sachverhalt bestätigt habe.
17 
Sie beantragt,
18 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 15.7.2010 - 9 K 470/09 - zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden- Württemberg vom 27.10.2008 und dessen Widerspruchsbescheids vom 29.1.2009 zu verpflichten, ihren Antrag auf Gewährung einer Beihilfe vom 12.10.2008 hinsichtlich der geltend gemachten kieferorthopädischen Aufwendungen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
19 
Der Beklagte beantragt,
20 
die Berufung zurückzuweisen.
21 
Er macht ergänzend geltend: Der Gutachter habe darauf hingewiesen, als Behandlungsziel der kieferorthopädischen Behandlung Erwachsener stehe häufig die Verbesserung der Ästhetik im Vordergrund. Zudem bestünden erhebliche biologische Unterschiede. Daher bestehe die sachliche Rechtfertigung für die unterschiedliche Behandlung von Minderjährigen und Erwachsenen weiterhin. Der beihilferechtliche Verordnungsgeber habe einen weiten Ermessensspielraum, der ihn dazu berechtige, generalisierende, typisierende und pauschalierende Maßstäbe anzulegen.
22 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die beigezogenen Beihilfeakten des Landesamts verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
23 
Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (vgl. §§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
24 
Die Berufung der Klägerin ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen, da die Klägerin - entsprechend ihrem ausdrücklich gestellten Antrag - verlangen kann, dass der Beklagte ihren Antrag auf Gewährung einer Beihilfe vom 12.10.2008 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut bescheidet (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Die ihr entstandenen Aufwendungen für die streitgegenständliche kieferorthopädische Behandlung sind beihilfefähig.
25 
I. Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.2005 - 2 C 35.04 - BVerwGE 125, 21 m.w.N.; VGH Bad,-Württ., Urteil vom 10.10.2011 - 2 S 1369/11 - Juris). Hier sind die Aufwendungen im September 2008 entstanden. Ob und inwieweit die Klägerin für diese Aufwendungen die Gewährung einer Beihilfe beanspruchen kann, bestimmt sich somit nach §§ 5 Abs. 1 und 6 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung des Finanzministeriums über die Gewährung von Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfeverordnung - BVO -) vom 28.7.1995 (GBl. S. 561) in der Fassung von Art. 10 des Gesetzes vom 17.2.2004 (GBl. S 66).
26 
Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 BVO sind aus Anlass einer Krankheit entstandene Aufwendungen für gesondert erbrachte und berechnete zahnärztliche Leistungen beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. Dies gilt jedoch nur nach Maßgabe der Anlage zur Beihilfeverordnung. Nach Nr. 1.2.3 lit. b der Anlage sind Aufwendungen für kieferorthopädische Behandlungen unter anderem dann beihilfefähig, wenn die behandelte Person bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr noch nicht überschritten hat; die gilt nicht bei schweren Kieferanomalien, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordern.
27 
II. Nach diesen Regelungen sind die Aufwendungen für die kieferorthopädische Behandlung der 1948 geborenen Klägerin von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen, da die dargestellten Indikationen, bei denen die kieferorthopädische Behandlung ausnahmsweise auch bei über 18-Jährigen beihilfefähig ist, im Fall der Klägerin nicht vorliegen. Eine schwere Kieferanomalie, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordert hätte, ist unstreitig nicht gegeben. Dies hat auch der Sachverständige ausdrücklich bestätigt.
28 
III. Die in Nr. 1.2.3 lit b der Anlage zur BVO getroffene Ausschlussregelung kann jedoch unter den im Fall der Klägerin gegebenen Umständen keine Anwendung finden. Hierbei kann offen bleiben, ob der grundsätzliche Ausschluss der kieferorthopädischen Behandlung Erwachsener von der Beihilfefähigkeit mit höherrangigem Recht vereinbar ist (1.). Denn die Versagung der Beihilfe verstößt jedenfalls im vorliegenden Einzelfall gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (2., grundlegend zur Anwendung von Art. 3 Abs. 1 GG im Beihilferecht: Senatsurteil vom 15.3.2012 - 2 S 2542/11 -).
29 
1. Es ist fraglich, ob sich der grundsätzliche Ausschluss kieferorthopädischer Behandlungen für Erwachsene - von eng gefassten Ausnahmen abgesehen - von der Beihilfefähigkeit sachlich rechtfertigen lässt.
30 
Einerseits spricht Vieles dafür, dass die Erwägungen, die ursprünglich zu dem Ausschluss von der Beihilfefähigkeit geführt haben, heute nicht mehr tragfähig sind. Dieser grundsätzliche Ausschluss ist in Anknüpfung an den Gesichtspunkt der medizinischen Notwendigkeit erfolgt. Er beruhte ersichtlich darauf, dass die kieferorthopädische Behandlung Erwachsener früher auch in der Fachwelt mit erheblicher Skepsis betrachtet worden ist (vgl. beispielhaft: BSG, Urteil vom 9.12.1997 - 1 RK 11.97 - BSGE 81, 245, juris-Rn. 20).
        
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Diese Skepsis dürfte nicht mehr der heutigen Erkenntnislage entsprechen. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 12.1.2012 schlüssig und nachvollziehbar ausgeführt, dass es auch im Erwachsenenalter möglich und sinnvoll sein kann, Zahnstellungsanomalien durch konservative kieferorthopädische Maßnahmen zu korrigieren. In vielen internationalen Publikationen werde in den letzten Jahren eine Zunahme der kieferorthopädischen Behandlungen Erwachsener beschrieben. Die Behauptung, eine kieferorthopädische Behandlung Erwachsener dauere länger als die von Kindern, lasse sich wissenschaftlich nicht bestätigen. Bei erwachsenen Patienten kämen überwiegend festsitzende Apparaturen zur Anwendung und die Motivation sei in der Regel sehr hoch, was die Behandlungsdauer reduziere; bei Kindern hingegen sei durch den Einsatz herausnehmbarer Geräte, Verzögerungen durch den Zahnwechsel und eingeschränkte Kooperation nicht selten eine längere Behandlungszeit zu beobachten. Die in früherer Zeit vorgebrachten Vorbehalte seien nicht mehr berechtigt.
32 
Andererseits zeigt das vom Senat eingeholte Gerichtsgutachten aber auch Gesichtspunkte auf, die bei typisierender Betrachtungsweise möglicherweise noch heute einen weitgehenden Ausschluss der kieferorthopädischen Behandlung Erwachsener rechtfertigen könnten. Insoweit weist der Beklagte insbesondere darauf hin, dass dem Gutachten zufolge nicht (nur) medizinische Gründe, sondern auch gestiegene ästhetische Ansprüche für die Zunahme der kieferorthopädischen Behandlungen Erwachsener ursächlich seien; für den Patienten stehe häufig die Verbesserung der Ästhetik und erst in zweiter Linie die Verbesserung der Kaufähigkeit im Vordergrund.
33 
2. Es kann jedoch für den vorliegenden Fall dahinstehen, ob die Regelung in der Beihilfeverordnung, die die Beihilfefähigkeit kieferorthopädischer Behandlungen für Erwachsene - von eng gefassten Ausnahmen abgesehen - grundsätzlich ausschließt, generell gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (oder die Vorschriften des AGG) verstößt. Denn auf der Grundlage einer verfassungskonformen und an Sinn und Zweck der Regelung orientierten Auslegung ist jedenfalls unter den hier im Fall der Klägerin gegebenen Umständen die Gewährung einer Beihilfe zu Aufwendungen für eine kieferorthopädische Behandlung auch über die in Nr. 1.2.3 lit. b der Anlage zur BVO geregelten Ausnahmen hinaus geboten.
34 
Der in der Beihilfeverordnung vorgenommene grundsätzliche Ausschluss der Aufwendungen für eine kieferorthopädische Behandlung Erwachsener lässt sich nach heutiger Erkenntnislage höchstens noch mit der Erwägung sachlich rechtfertigen, dass sie typischerweise in erster Linie aus ästhetischen Gründen durchgeführt wird (s. oben). Daher kann die betreffende Vorschrift jedenfalls dann keine Geltung beanspruchen, wenn die Behandlung wie hier ausschließlich auf einer zahnmedizinisch zwingenden Indikation beruht. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Verordnungsgeber grundsätzlich nur einen engen Gestaltungsspielraum hat, wenn eine Ungleichbehandlung wie hier an ein personenbezogenes Merkmal wie das Alter und nicht an Lebenssachverhalte anknüpft oder von freiwilligen Entscheidungen der Betroffenen abhängt (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 28.5.2008 - 2 C 24.07 - NVwZ 2008, 1378, juris-Rn. 25).
35 
Aus dem vom Senat eingeholten Gutachten ergibt sich, dass im vorliegenden Einzelfall mehrere Besonderheiten vorliegen, die einen Ausschluss von der Beihilfefähigkeit als sachwidrig erscheinen lassen. Die bei der Klägerin durchgeführte Behandlung war ausschließlich medizinische indiziert; ästhetische Gründe können ausgeschlossen werden (a). Außerdem war keine Behandlungsalternative vorhanden (b). Die Zahnfehlstellungen im Gebiss der Klägerin waren mit erheblichen Folgeproblemen (craniomandibuläre Dysfunktion) verbunden (c). Schließlich liegt eine sog. sekundäre Anomalie vor, die erst im Erwachsenenalter erworben wurde (d). Der Senat schließt sich insoweit jeweils der überzeugend begründeten Ansicht des Gutachters an, zumal der Beklagte insoweit keine Einwendungen erhoben hat.
36 
a) Für die Behandlung der Klägerin waren ausschließlich medizinische Gründe ausschlaggebend. Der Sachverständige hat im einzelnen dargelegt, dass bei Anwendung der Kieferorthopädischen Indikationsgruppen (KIG), die für die Behandlung von Mitgliedern der Gesetzlichen Krankenkassen entwickelt worden sind, hier die Gruppe U 4 (Unterzahl) in Betracht kommt (vgl. B.2. und Anl. 1 der Richtlinien). Die vorgenommene Behandlung war nach den Feststelllungen in dem Gutachten geeignet, angemessen und notwendig, um bessere Voraussetzungen für eine funktionsoptimierte prothetische Versorgung zu schaffen. Ästhetische Aspekte haben hingegen dem Gutachten zufolge keine Rolle gespielt, da kein nennenswerter Einfluss auf die dentale Ästhetik und die Gesichtsästhetik bestehe. Diese Schlussfolgerung ist ohne Weiteres nachvollziehbar, da lediglich Seiten- und keine Frontzähne betroffen waren.
37 
b) Außerdem war keine Behandlungsalternative vorhanden. Aufgrund der ausgeprägten Kippung einiger Seitenzähne und der Lückeneinengung 25, 35 war eine funktionell zufriedenstellende prothetische Lückenversorgung ohne vorherige Stellungskorrektur der gekippten Zähne und Lückenöffnung nicht möglich. Aufgrund des Ausgangsbefundes war nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen nur die vorgeschlagene kieferorthopädische Behandlung erfolgversprechend; alternativ wäre nur die Nichtdurchführung einer Behandlung, d.h. das Belassen der Gebissanomalie und der Dysfunktion infrage gekommen
38 
c) Die Zahnfehlstellungen im Gebiss der Klägerin waren Ursache erheblicher Folgeprobleme in Form einer craniomandibulären Dysfunktion (CMD) mit Kiefergelenkbeschwerden, Muskelverspannungen und Schmerzen. Ein infolge Seitenzahnverlusts abgesunkener Biss ist dem Gutachten zufolge eine häufig zu beobachtende Ursache für derartige Funktionsstörungen. Die durchgeführte kieferorthopädische Behandlung hat dementsprechend nach Angaben der Kieferorthopädin und der Klägerin dazu geführt, die vorher bestehende craniomandibuläre Dysfunktion zu beheben.
39 
d) Schließlich liegt bei der Klägerin eine sog. sekundäre Anomalie vor, also eine solche, die sich erst im Erwachsenenalter herausgebildet hat. Während bei sog. primären Zahnstellungsfehlern - die in der Jugend nicht oder nur unzureichend behandelt wurden oder bei denen es nach Behandlung zu einem Rezidiv gekommen ist - eine erfolgreiche Behandlung im Kindes- oder Jugendalter möglich gewesen wäre, ist dies bei sekundären Anomalien denknotwendig nicht der Fall. Daher kann der Klägerin auch nicht vorgeworfen werden, eine im Kindes- oder Jugendalter mögliche Behandlung ins Erwachsenenalter „verschleppt“ zu haben.
40 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
41 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
42 
Beschluss vom 2. Mai 2012
43 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 785,88 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
44 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
23 
Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (vgl. §§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
24 
Die Berufung der Klägerin ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen, da die Klägerin - entsprechend ihrem ausdrücklich gestellten Antrag - verlangen kann, dass der Beklagte ihren Antrag auf Gewährung einer Beihilfe vom 12.10.2008 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut bescheidet (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Die ihr entstandenen Aufwendungen für die streitgegenständliche kieferorthopädische Behandlung sind beihilfefähig.
25 
I. Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.2005 - 2 C 35.04 - BVerwGE 125, 21 m.w.N.; VGH Bad,-Württ., Urteil vom 10.10.2011 - 2 S 1369/11 - Juris). Hier sind die Aufwendungen im September 2008 entstanden. Ob und inwieweit die Klägerin für diese Aufwendungen die Gewährung einer Beihilfe beanspruchen kann, bestimmt sich somit nach §§ 5 Abs. 1 und 6 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung des Finanzministeriums über die Gewährung von Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfeverordnung - BVO -) vom 28.7.1995 (GBl. S. 561) in der Fassung von Art. 10 des Gesetzes vom 17.2.2004 (GBl. S 66).
26 
Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 BVO sind aus Anlass einer Krankheit entstandene Aufwendungen für gesondert erbrachte und berechnete zahnärztliche Leistungen beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. Dies gilt jedoch nur nach Maßgabe der Anlage zur Beihilfeverordnung. Nach Nr. 1.2.3 lit. b der Anlage sind Aufwendungen für kieferorthopädische Behandlungen unter anderem dann beihilfefähig, wenn die behandelte Person bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr noch nicht überschritten hat; die gilt nicht bei schweren Kieferanomalien, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordern.
27 
II. Nach diesen Regelungen sind die Aufwendungen für die kieferorthopädische Behandlung der 1948 geborenen Klägerin von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen, da die dargestellten Indikationen, bei denen die kieferorthopädische Behandlung ausnahmsweise auch bei über 18-Jährigen beihilfefähig ist, im Fall der Klägerin nicht vorliegen. Eine schwere Kieferanomalie, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordert hätte, ist unstreitig nicht gegeben. Dies hat auch der Sachverständige ausdrücklich bestätigt.
28 
III. Die in Nr. 1.2.3 lit b der Anlage zur BVO getroffene Ausschlussregelung kann jedoch unter den im Fall der Klägerin gegebenen Umständen keine Anwendung finden. Hierbei kann offen bleiben, ob der grundsätzliche Ausschluss der kieferorthopädischen Behandlung Erwachsener von der Beihilfefähigkeit mit höherrangigem Recht vereinbar ist (1.). Denn die Versagung der Beihilfe verstößt jedenfalls im vorliegenden Einzelfall gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (2., grundlegend zur Anwendung von Art. 3 Abs. 1 GG im Beihilferecht: Senatsurteil vom 15.3.2012 - 2 S 2542/11 -).
29 
1. Es ist fraglich, ob sich der grundsätzliche Ausschluss kieferorthopädischer Behandlungen für Erwachsene - von eng gefassten Ausnahmen abgesehen - von der Beihilfefähigkeit sachlich rechtfertigen lässt.
30 
Einerseits spricht Vieles dafür, dass die Erwägungen, die ursprünglich zu dem Ausschluss von der Beihilfefähigkeit geführt haben, heute nicht mehr tragfähig sind. Dieser grundsätzliche Ausschluss ist in Anknüpfung an den Gesichtspunkt der medizinischen Notwendigkeit erfolgt. Er beruhte ersichtlich darauf, dass die kieferorthopädische Behandlung Erwachsener früher auch in der Fachwelt mit erheblicher Skepsis betrachtet worden ist (vgl. beispielhaft: BSG, Urteil vom 9.12.1997 - 1 RK 11.97 - BSGE 81, 245, juris-Rn. 20).
        
31 
Diese Skepsis dürfte nicht mehr der heutigen Erkenntnislage entsprechen. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 12.1.2012 schlüssig und nachvollziehbar ausgeführt, dass es auch im Erwachsenenalter möglich und sinnvoll sein kann, Zahnstellungsanomalien durch konservative kieferorthopädische Maßnahmen zu korrigieren. In vielen internationalen Publikationen werde in den letzten Jahren eine Zunahme der kieferorthopädischen Behandlungen Erwachsener beschrieben. Die Behauptung, eine kieferorthopädische Behandlung Erwachsener dauere länger als die von Kindern, lasse sich wissenschaftlich nicht bestätigen. Bei erwachsenen Patienten kämen überwiegend festsitzende Apparaturen zur Anwendung und die Motivation sei in der Regel sehr hoch, was die Behandlungsdauer reduziere; bei Kindern hingegen sei durch den Einsatz herausnehmbarer Geräte, Verzögerungen durch den Zahnwechsel und eingeschränkte Kooperation nicht selten eine längere Behandlungszeit zu beobachten. Die in früherer Zeit vorgebrachten Vorbehalte seien nicht mehr berechtigt.
32 
Andererseits zeigt das vom Senat eingeholte Gerichtsgutachten aber auch Gesichtspunkte auf, die bei typisierender Betrachtungsweise möglicherweise noch heute einen weitgehenden Ausschluss der kieferorthopädischen Behandlung Erwachsener rechtfertigen könnten. Insoweit weist der Beklagte insbesondere darauf hin, dass dem Gutachten zufolge nicht (nur) medizinische Gründe, sondern auch gestiegene ästhetische Ansprüche für die Zunahme der kieferorthopädischen Behandlungen Erwachsener ursächlich seien; für den Patienten stehe häufig die Verbesserung der Ästhetik und erst in zweiter Linie die Verbesserung der Kaufähigkeit im Vordergrund.
33 
2. Es kann jedoch für den vorliegenden Fall dahinstehen, ob die Regelung in der Beihilfeverordnung, die die Beihilfefähigkeit kieferorthopädischer Behandlungen für Erwachsene - von eng gefassten Ausnahmen abgesehen - grundsätzlich ausschließt, generell gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (oder die Vorschriften des AGG) verstößt. Denn auf der Grundlage einer verfassungskonformen und an Sinn und Zweck der Regelung orientierten Auslegung ist jedenfalls unter den hier im Fall der Klägerin gegebenen Umständen die Gewährung einer Beihilfe zu Aufwendungen für eine kieferorthopädische Behandlung auch über die in Nr. 1.2.3 lit. b der Anlage zur BVO geregelten Ausnahmen hinaus geboten.
34 
Der in der Beihilfeverordnung vorgenommene grundsätzliche Ausschluss der Aufwendungen für eine kieferorthopädische Behandlung Erwachsener lässt sich nach heutiger Erkenntnislage höchstens noch mit der Erwägung sachlich rechtfertigen, dass sie typischerweise in erster Linie aus ästhetischen Gründen durchgeführt wird (s. oben). Daher kann die betreffende Vorschrift jedenfalls dann keine Geltung beanspruchen, wenn die Behandlung wie hier ausschließlich auf einer zahnmedizinisch zwingenden Indikation beruht. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Verordnungsgeber grundsätzlich nur einen engen Gestaltungsspielraum hat, wenn eine Ungleichbehandlung wie hier an ein personenbezogenes Merkmal wie das Alter und nicht an Lebenssachverhalte anknüpft oder von freiwilligen Entscheidungen der Betroffenen abhängt (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 28.5.2008 - 2 C 24.07 - NVwZ 2008, 1378, juris-Rn. 25).
35 
Aus dem vom Senat eingeholten Gutachten ergibt sich, dass im vorliegenden Einzelfall mehrere Besonderheiten vorliegen, die einen Ausschluss von der Beihilfefähigkeit als sachwidrig erscheinen lassen. Die bei der Klägerin durchgeführte Behandlung war ausschließlich medizinische indiziert; ästhetische Gründe können ausgeschlossen werden (a). Außerdem war keine Behandlungsalternative vorhanden (b). Die Zahnfehlstellungen im Gebiss der Klägerin waren mit erheblichen Folgeproblemen (craniomandibuläre Dysfunktion) verbunden (c). Schließlich liegt eine sog. sekundäre Anomalie vor, die erst im Erwachsenenalter erworben wurde (d). Der Senat schließt sich insoweit jeweils der überzeugend begründeten Ansicht des Gutachters an, zumal der Beklagte insoweit keine Einwendungen erhoben hat.
36 
a) Für die Behandlung der Klägerin waren ausschließlich medizinische Gründe ausschlaggebend. Der Sachverständige hat im einzelnen dargelegt, dass bei Anwendung der Kieferorthopädischen Indikationsgruppen (KIG), die für die Behandlung von Mitgliedern der Gesetzlichen Krankenkassen entwickelt worden sind, hier die Gruppe U 4 (Unterzahl) in Betracht kommt (vgl. B.2. und Anl. 1 der Richtlinien). Die vorgenommene Behandlung war nach den Feststelllungen in dem Gutachten geeignet, angemessen und notwendig, um bessere Voraussetzungen für eine funktionsoptimierte prothetische Versorgung zu schaffen. Ästhetische Aspekte haben hingegen dem Gutachten zufolge keine Rolle gespielt, da kein nennenswerter Einfluss auf die dentale Ästhetik und die Gesichtsästhetik bestehe. Diese Schlussfolgerung ist ohne Weiteres nachvollziehbar, da lediglich Seiten- und keine Frontzähne betroffen waren.
37 
b) Außerdem war keine Behandlungsalternative vorhanden. Aufgrund der ausgeprägten Kippung einiger Seitenzähne und der Lückeneinengung 25, 35 war eine funktionell zufriedenstellende prothetische Lückenversorgung ohne vorherige Stellungskorrektur der gekippten Zähne und Lückenöffnung nicht möglich. Aufgrund des Ausgangsbefundes war nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen nur die vorgeschlagene kieferorthopädische Behandlung erfolgversprechend; alternativ wäre nur die Nichtdurchführung einer Behandlung, d.h. das Belassen der Gebissanomalie und der Dysfunktion infrage gekommen
38 
c) Die Zahnfehlstellungen im Gebiss der Klägerin waren Ursache erheblicher Folgeprobleme in Form einer craniomandibulären Dysfunktion (CMD) mit Kiefergelenkbeschwerden, Muskelverspannungen und Schmerzen. Ein infolge Seitenzahnverlusts abgesunkener Biss ist dem Gutachten zufolge eine häufig zu beobachtende Ursache für derartige Funktionsstörungen. Die durchgeführte kieferorthopädische Behandlung hat dementsprechend nach Angaben der Kieferorthopädin und der Klägerin dazu geführt, die vorher bestehende craniomandibuläre Dysfunktion zu beheben.
39 
d) Schließlich liegt bei der Klägerin eine sog. sekundäre Anomalie vor, also eine solche, die sich erst im Erwachsenenalter herausgebildet hat. Während bei sog. primären Zahnstellungsfehlern - die in der Jugend nicht oder nur unzureichend behandelt wurden oder bei denen es nach Behandlung zu einem Rezidiv gekommen ist - eine erfolgreiche Behandlung im Kindes- oder Jugendalter möglich gewesen wäre, ist dies bei sekundären Anomalien denknotwendig nicht der Fall. Daher kann der Klägerin auch nicht vorgeworfen werden, eine im Kindes- oder Jugendalter mögliche Behandlung ins Erwachsenenalter „verschleppt“ zu haben.
40 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
41 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
42 
Beschluss vom 2. Mai 2012
43 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 785,88 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
44 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 2.306,12 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Nach dem insoweit maßgeblichen Vortrag des Klägers (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) sind die geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 124 Abs. 2 Nr. 1, 2, 3 und 4 VwGO) nicht in der erforderlichen Art und Weise dargelegt bzw. liegen jedenfalls nicht vor.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ergeben sich aus den Darlegungen des Klägers nicht.

Solche Zweifel wären anzunehmen, wenn in der Antragsbegründung ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt werden (vgl. etwa BVerfG, B. v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - NJW 2009, 3642) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (BVerwG, B. v. 10.3.2004 - 7 AV 4.03 - DVBl 2004, 838/839). Schlüssige Gegenargumente in diesem Sinn liegen dann vor, wenn der Rechtsmittelführer substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die Entscheidung im Ergebnis unrichtig ist (vgl. BVerfG, B. v. 20.12.2010 - 1 BvR 2011/10 - NVwZ 2011, 546/548).

Das Verwaltungsgericht hat die Verpflichtungsklage des 1954 geborenen Klägers auf Gewährung von Beihilfeleistungen für eine kieferorthopädische Behandlung abgewiesen. Die Klage sei unzulässig, soweit Beihilfe zu den laut Rechnung vom 29. Dezember 2011 angefallenen Aufwendungen begehrt werde, da der Kläger für diese Aufwendungen vor Klageerhebung nicht erfolglos einen Beihilfeantrag gestellt habe. Im Übrigen sei die Klage im Hinblick auf § 15 Satz 2 BayBhV unbegründet. Die dortigen Voraussetzungen, in denen ausnahmsweise auch Aufwendungen für kieferorthopädische Leistungen für Erwachsene beihilfefähig seien, lägen nicht vor. Nach dem eingeholten Sachverständigengutachten bestehe beim Kläger weder eine schwere Kieferanomalie noch sei bei ihm eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erforderlich gewesen.

Hiergegen wendet der Kläger im Wesentlichen ein, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass von der gerichtlich bestellten Sachverständigen eine „schwerwiegende funktionelle Problematik“ des Zahn- und Kieferzustandes bescheinigt worden sei. Das Verwaltungsgericht klammere sich an den Wortlaut des Sachverständigengutachtens, ohne zu erkennen, dass die durch die erhebliche Fehlstellung der Zähne und die Anomalie des Kiefers verursachten Störungen durchaus einer schweren Anomalie des Kiefers entsprächen. Die alternativ durchführbare zahnärztliche Behandlung wäre wesentlich teurer und ohne jegliche Abstriche beihilfefähig gewesen. Bei der zahnärztlichen Behandlung hätten noch die Zähne abgeschliffen werden müssen, was einen erheblichen Substanzverlust bedeutet hätte. Schon aus Gründen des geringstmöglichen Eingriffs in die körperliche Unversehrtheit und aus Gründen der Wirtschaftlichkeit sei daher die kieferorthopädische Behandlung geboten gewesen.

Durch dieses Vorbringen des Klägers werden die Erwägungen des Verwaltungsgerichts im angegriffenen Urteil nicht ernstlich infrage gestellt und keine Gesichtspunkte aufgezeigt, die weiterer Klärung in einem Berufungsverfahren bedürfen.

Gemäß § 15 Satz 2 BayBhV gilt der Beihilfeausschluss hinsichtlich Aufwendungen für kieferorthopädische Leistungen für Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben (§ 15 Satz 1 Nr. 2 BayBhV), nicht bei schweren Kieferanomalien, die (1.) eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordern sowie (2.) in besonderen Ausnahmefällen, wenn nach einem zahnärztlichen Gutachten eine alleinige kieferorthopädische Behandlung medizinisch ausreichend ist. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, ist eine schwere Kieferanomalie beim Kläger auf der Grundlage der Beweiserhebung nicht feststellbar. Die gerichtlich bestellte Gutachterin hat sowohl skelettal als auch dental eine schwere Kieferanomalie beim Kläger verneint. Soweit der Kläger meint, das Verwaltungsgericht klammere sich zu sehr an den Wortlaut des Gutachtens und es müssten die durch die erhebliche Fehlstellung der Zähne und die Anomalie des Kiefers verursachten Störungen einer schweren Anomalie des Kiefers gleichgestellt werden, setzt er seine (laienhafte) Bewertung an die Stelle der Bewertung der (fachlich ausgebildeten) Gutachterin. Damit kann er deren Aussage nicht erschüttern. Das Verwaltungsgericht hat auf Seite 12 seines Urteils nachvollziehbar begründet, warum es die von der Gutachterin bescheinigte schwerwiegende funktionelle Problematik einer schweren Anomalie nicht gleichstellt. Zum einen seien nach dem Gutachten funktionelle und zentralnervöse Aspekte keineswegs zwingend in das Krankheitsbild einzubeziehen. Zum anderen liege der Fokus der heranzuziehenden Definitionen einer schweren Kieferanomalie klar auf skelettalen Aspekten, die nach dem Sachverständigengutachten beim Krankheitsbild des Klägers praktisch keine Rolle spielten. Auch das Ausmaß der Anomalie in dentaler Hinsicht werde von der Gutachterin als geringfügig beschrieben. Vor diesem Hintergrund sei die funktionelle Problematik für sich genommen nicht geeignet, einen hinreichenden Beitrag zum Gesamtbild einer schweren Kieferanomalie zu leisten.

Auch soweit das Verwaltungsgericht davon ausgeht, dass die Ausnahmevorschrift des § 15 Satz 2 BayBhV streng zu handhaben und nicht auf sonstige Fälle einer kieferorthopädischen Erkrankung auszudehnen sei (UA S. 13), begegnet dies keinen Bedenken. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits zur Vorgängerbestimmung entschieden, dass eine gegen den Wortlaut der Norm sprechende Auslegung grundsätzlich nicht in Betracht kommt (BayVGH, B. v. 5.10.2006 - 14 B 04.2997 - juris Rn. 16 ff.). Gleiches gilt für die zwischenzeitlich geltende (um einen Ausnahmefall erweiterte) Regelung. Die Verwaltungsgerichte dürfen sich nicht an die Stelle des Normgebers setzen und sich über die eindeutige Beschränkung - hier die Altersbegrenzung und die diesbezüglich geregelten Ausnahmefälle - hinwegsetzen, um den Beihilfevorschriften gleichwohl Leistungsansprüche des Beihilfeberechtigten entnehmen zu können (BVerwG, U. v. 28.4.2011 - 2 C 51.08 - ZBR 2011, 379 Rn. 15). Dies gilt jedenfalls dann, wenn andere beihilfefähige Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Soweit keine Behandlungsalternative vorhanden ist, wäre es nicht mehr hinzunehmen, dass Leistungen für eine kieferorthopädische Behandlung verweigert werden (so die Fallgestaltung bei VGH BW, U. v. 2.5.2012 - 2 S 2904/10 - juris); in derartigen Fällen müsste Beihilfe auch für andere als in § 15 Satz 2 BayBhV genannte kieferorthopädische Behandlungen gewährt werden (vgl. hierzu § 49 Abs. 3 BayBhV in der bis 30.9.2014 geltenden Fassung vom 2.1.2007; nunmehr § 49 Abs. 2 BayBhV). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die alternative Behandlungsmöglichkeit (hier die zahnärztliche Behandlung) im Einzelfall teurer ist als ein vom Beihilfeberechtigten favorisiertes, aber nicht beihilfefähiges Heilverfahren; andernfalls würden über diesen Umweg im Einzelfall nicht beihilfefähige Leistungen zu beihilfefähigen Leistungen (BayVGH, B. v. 5.10.2006 a. a. O. Rn. 18; OVG Berlin-Bbg, U. v. 11.11.2010 - OVG 4 B 22.10 - juris Rn. 22). Soweit der Kläger darauf verweist, auch aus Gründen des geringstmöglichen Eingriffs sei in seinem Fall die kieferorthopädische Behandlung geboten gewesen, ist dem entgegenzuhalten, dass es sich vorliegend nicht um einen Eingriff eines Hoheitsträgers, sondern um Leistungen des Dienstherrn handelt und es im Hinblick auf den pauschalierenden und typisierenden Ansatz der Beihilfe nicht ausgeschlossen werden kann, dass im Einzelfall gewisse Härten entstehen; diese sind vom Betroffenen hinzunehmen, soweit sie keine unzumutbaren Belastungen darstellen (BayVGH, B. v. 8.1.2007 - 14 ZB 06.2911 - juris Rn. 13 m. w. N.). Durch den Verweis auf andere, dem Stand der Wissenschaft entsprechende, nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchzuführende und darüber hinaus auch beihilfefähige Behandlungsmöglichkeiten wird der Beihilfeberechtigte nicht unzumutbar belastet (BayVGH, B. v. 5.10.2006 a. a. O. Rn. 20).

2. Die Rechtssache weist nicht die vom Kläger geltend gemachten besonderen rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) auf.

Der Kläger sieht die besondere Schwierigkeit der Sache darin, dass es seiner Meinung nach bei vorheriger Ablehnung eines eingereichten Heil- und Kostenplans nicht darauf ankommen dürfe, ob eine ärztliche Abrechnung eingegangen sei, und es auch nicht darauf ankommen dürfe, ob nach den Buchstaben des Sachverständigengutachtens in Übereinstimmung mit den Beihilfevorschriften eine „schwere“ Kieferanomalie vorliege. Dem kann nicht gefolgt werden.

Die erste angesprochene Frage betrifft die Klageabweisung als unzulässig, soweit der Kläger für Aufwendungen nicht vor Klageerhebung einen Beihilfeantrag gestellt hat. Das Verfahren über die Gewährung von Beihilfe ergibt sich eindeutig aus § 48 BayBhV. Nach Absatz 1 Satz 1 dieser Bestimmung müssen Beihilfen vom Beihilfeberechtigten schriftlich beantragt werden. Gemäß Absatz 3 Satz 1 dieser Bestimmung sind die Beihilfeanträge mit Belegen der Festsetzungsstelle vorzulegen. Daraus ergibt sich eindeutig, dass ein gemäß § 15 Satz 1 Nr. 1 BayBhV vor Behandlungsbeginn vorzulegender Heil- und Kostenplan nicht ausreichend ist für eine ordnungsgemäße Antragstellung. Damit ist, wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, die Verpflichtungsklage in Form der Untätigkeitsklage mangels Antragstellung unzulässig. Es stellt keine unnötige Förmelei dar, dass ein derartiger Antrag auch verlangt wird, wenn der Heil- und Kostenplan von der Beihilfestelle nicht akzeptiert wird. Soweit der Kläger geltend macht, er habe die Rechnung abgesandt, diese sei aber bei der Beihilfestelle ohne sein Verschulden nicht eingegangen, stellt dies eine bloße, nicht tatsachengestützte Behauptung dar und kann daher eine rechtliche Schwierigkeit nicht begründen.

Soweit der Kläger meint, es sei schwierig zu beurteilen, ob nach den Buchstaben des Sachverständigengutachtens in Übereinstimmung mit den Beihilfevorschriften eine „schwere“ Kieferanomalie vorliege, wird auf die unter Nr. 1 gemachten Ausführungen verwiesen, denen zu entnehmen ist, dass eine rechtliche Schwierigkeit nicht vorliegt.

3. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) hat der Kläger nicht dargelegt.

Um eine solche zu begründen, muss der Rechtsmittelführer (1.) eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, (2.) ausführen, weshalb diese Rechtsfrage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, (3.) erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist und (4.) darlegen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt; Darlegungen zu offensichtlichen Punkten sind dabei entbehrlich (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 72 m. w. N.; BayVGH, B. v. 21.1.2015 - 14 ZB 13.489 - juris Rn. 11).

Diesen Anforderungen genügt das Zulassungsvorbringen nicht. Der Kläger formuliert schon keine konkrete Rechtsfrage. Soweit seinem Vortrag zu entnehmen ist, dass er sinngemäß geklärt haben will, ob die Regelung des § 15 BayBhV im Hinblick auf die dortige Altersgrenze gegen das Diskriminierungsverbot und gegen Art. 2 Abs. 2 GG verstößt, fehlt es an jeglicher Darlegung, weshalb diese Frage klärungsbedürftig ist. In Bezug auf den geltend gemachten Verstoß gegen Art. 2 Abs. 2 GG kann auf die unter Nr. 1 gemachten Ausführungen verwiesen werden. Was die gerügte Altersdiskriminierung betrifft, ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt, dass eine Regelung, die wie § 15 BayBhV - neben dem zwischenzeitlich eingefügten weiteren Ausnahmefall des Satz 2 Nr. 2 - vorsieht, dass Aufwendungen für kieferorthopädische Leistungen bei Personen, welche bei Behandlungsbeginn das achtzehnte Lebensjahr bereits vollendet haben, nur dann beihilfefähig sind, wenn eine schwere Kieferanomalie vorliegt, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordert, nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt (BayVGH, B. v. 5.10.2006 - 14 B 04.2997 - juris Rn. 20). Denn die dem Leistungsausschluss bei Erwachsenen zugrunde liegende medizinische Erwägung, zwischen kieferorthopädischen Maßnahmen vor Abschluss des Skelettwachstums und danach zu differenzieren, rechtfertigt die ungleiche Behandlung von Erwachsenen und Jugendlichen bei kieferorthopädischen Maßnahmen (so jeweils für das dortige Landesbeihilferecht OVG NW, B. v. 30.5.2012 - 1 A 1290/11 - juris Rn. 25 f. m. w. N. und NdsOVG, B. v. 7.8.2013 - 5 LA 95/13 - IÖD 2013, 249 m. w. N.; für das frühere Bundesbeihilferecht OVG Berlin-Bbg, U. v. 11.11.2010 - OVG 4 B 22.10 - juris Rn. 21, 23; für das allgemeine Krankenversicherungsrecht BSG, B. v. 20.6.2005 - B 1 KR 20/04 B - juris Rn. 5). Der Kläger legt nichts dafür dar, dass diese Erwägung keinen hinreichenden sachlichen Grund (mehr) darstellen kann.

4. Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) ist ebenfalls nicht hinreichend dargelegt.

Für die Darlegung der Divergenz ist der in einer konkreten Entscheidung des Divergenzgerichts enthaltene (abstrakte) Rechts- oder Tatsachensatz dem bei der Anwendung derselben Rechtsvorschrift im angegriffenen Urteil dazu in Widerspruch stehende (abstrakte) Rechts- oder Tatsachensatz gegenüber zu stellen (vgl. BayVGH, B. v. 21.1.2015 - 14 ZB 13.489 - juris Rn. 10). Außerdem muss es sich bei der Divergenzentscheidung um eine solche des dem Verwaltungsgericht übergeordneten Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs handeln. Eine Entscheidung anderer Verwaltungsgerichtshöfe oder Oberverwaltungsgerichte kann die Divergenz nicht begründen (Happ in Eyermann, VwGO, § 124 Rn. 45). Der Kläger stellt keine (abstrakten) Rechts- oder Tatsachensätze gegenüber und verweist im Übrigen nur auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg.

Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.

Streitwertfestsetzung: § 47, § 52 Abs. 3 GKG.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 19.08.2014 – 1 Ca 2551/13 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 15.7.2010 - 9 K 470/09 - geändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 27.10.2008 und dessen Widerspruchsbescheids vom 29.1.2009 verpflichtet, den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Beihilfe vom 12.10.2008 hinsichtlich der geltend gemachten kieferorthopädischen Aufwendungen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die 1948 geborene Klägerin begehrt Beihilfe zu den Aufwendungen für eine kieferorthopädische Behandlung. Sie ist als Beamtin mit einem Bemessungssatz von 70 % beihilfeberechtigt.
Mit Schreiben vom 28.8.2008 legte sie dem Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg (im Folgenden: Landesamt) einen kieferorthopädischen Behandlungsplan zur Prüfung der Beihilfefähigkeit vor. In dem Behandlungsplan wurden die voraussichtlichen Gesamtkosten auf 3.666,57 EUR geschätzt. Die Diagnose für den Oberkiefer lautete: „Retinierter und verlagerter Zahn 13; fehlender Zahn 25; mesiopaltinal rotierter Zahn 26; Implantate regio 25 und 27 bereits gesetzt". Zum Unterkiefer wurde festgestellt: „Fehlende Zähne durch Implantate ersetzt regio 36 und 45, 46; mesioklinierte Molaren; frontaler Engstand, Rotationen und Kippungen". Die Bisslage wird wie folgt beschrieben: „Skel. Klasse I, mand. Verschiebung nach rechts; Biss abgesackt durch fehlende dorsale Abstützung". Des Weiteren heißt es, die Behandlung sei aus funktionellen Gründen (Kiefergelenke) und zum längeren Erhalt der Zähne indiziert. Ohne die kieferorthopädische Aufrichtung der Molaren sei die prothetische Versorgung nicht lege artis möglich.
Unter dem 3.9.2008 teilte das Landesamt der Klägerin mit, dass die Kosten der geplanten Maßnahme nicht als beihilfefähig anerkannt würden. Aufwendungen für kieferorthopädische Leistungen seien nur dann beihilfefähig, wenn die behandelte Person bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet habe. Etwas anderes gelte nur bei schweren Kieferanomalien, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erforderten. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch.
Mit Antrag vom 12.10.2008 begehrte die Klägerin Beihilfe zu den bis dahin entstandenen Aufwendungen für die mittlerweile durchgeführte kieferorthopädische Behandlung in Höhe von 1.122,69 EUR (Rechnung vom 10.10.2008). Mit Bescheid vom 27.10.2008 versagte das Landesamt die begehrte Beihilfe.
Mit ihrem hiergegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend: Durch eine starke Bissabsenkung und ein prothetisch unterversorgtes Gebiss habe sie funktionale Probleme im Kieferbereich (schmerzhafte Kiefergelenke und eine eingeschränkte Kaufunktion). Durch die langjährigen Zahnlücken rechts und links im Unterkiefer seien die Backenzähne gekippt, was auch die Ursache starker parodontaler Probleme sei. Auch Schmerzen im Halswirbelbereich hingen damit zusammen. Nur durch eine kieferorthopädische Behandlung könnten die prothetische Versorgung durchgeführt und die gesetzten Implantate fertiggestellt werden, um ihre Zähne auf lange Sicht zu erhalten.
In einer dem Widerspruch beigefügten Stellungnahme der die Klägerin behandelnden Zahnärzte vom 17.11.2008 heißt es, dass eine kieferorthopädische Behandlung wegen einer Bisshebung, Aufrüstung und Passung der Seitenzähne dringend erforderlich gewesen sei. Dadurch sei eine Verbesserung der parodontalen Situation gegeben. Es habe außerdem eine schwere craniomandibuläre Dysfunktion (CMD) - Problematik der Muskel- und Kieferfunktion - bestanden, die starke Schmerzen hervorgerufen habe. Die Folge seien Verspannungen der Nackenmuskulatur und Spannungskopfschmerz. Kiefergelenksbeschwerden, Kiefergelenksknacken und eine eingeschränkte Nackenbeweglichkeit seien schmerzhaft und hätten nur durch die kieferorthopädische Behandlung behoben werden können.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29.1.2009 wies das Landesamt den Widerspruch der Klägerin zurück, da die Voraussetzungen der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für kieferorthopädische Maßnahmen bei über 18-jährigen Beihilfeberechtigten nicht vorlägen.
Am 25.2.2009 hat die Klägerin Klage vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen: Der in Nr. 1.2.3 der Anlage zur BVO geregelte Ausschluss von Aufwendungen für kieferorthopädische Leistungen bei Personen über 18 Jahren von der Beihilfefähigkeit stelle eine sachlich unbegründete Diskriminierung erwachsener Beihilfeberechtigter dar. Er verstoße auch gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Es handle sich um eine ausschließlich an das Alter gebundene Diskriminierung, für die es keine zulässigen Gründe gebe. Die inzwischen abgeschlossenen kieferorthopädischen Maßnahmen seien medizinisch notwendig gewesen. Sie habe schon viele Jahre eine Doppellücke und zwei weitere Zahnlücken durch fehlende Zähne gehabt. Oben habe sie keinen Gegenbiss gehabt und ihr Kiefer habe sich verändert, da der Biss schon lange nicht mehr gestimmt habe. Vier Zähne seien in die Lücke „gekippt" und ein Zahn habe sich gedreht. Bei der Sanierung ihres Gebisses sei es erforderlich gewesen, mehrere gesunde Backenzähne mittels einer kieferorthopädischen Behandlung zu richten. Eine fachgerechte Alternative zu dieser Behandlung habe es nicht gegeben. Auch ihre chronischen Nacken- und Kopfschmerzen seien geheilt.
Der Beklagte hat Klagabweisung beantragt und erwidert: Auch die Fürsorgepflicht erfordere nicht den Ausgleich jeglicher aus Krankheitsfällen entstandener Aufwendungen. Allenfalls unzumutbare Belastungen bzw. erhebliche Aufwendungen, die für den Beamten unausweichlich seien und denen er sich nicht entziehen könne, könnten den Wesenskern der Fürsorgepflicht berühren. Zu denken sei an die Behandlung schwerer oder gar lebensbedrohlicher Krankheiten. Um eine solche handele es sich vorliegend nicht.
10 
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 15.7.2010 - zugestellt am 2.12.2010 - abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt: Nach Nr. 1.2.3 der Anlage zur BVO seien kieferorthopädische Leistungen nur beihilfefähig, wenn die behandelte Person bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet habe; dies gelte nicht bei schweren Kieferanomalien, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erforderten. Gemessen hieran komme eine Beihilfegewährung nicht in Betracht. Die Klägerin habe bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr (längst) überschritten. Auch eine Ausnahme von der Altersgrenze habe nicht vorgelegen, da sie nicht an einer schweren Kieferanomalie gelitten habe. Dass die kieferorthopädische Behandlung nach ihrem Vorbringen und den vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen für eine prothetische Versorgung und zur Behebung einer durch die Zahnfehlstellungen verursachten craniomandibulären Dysfunktion erforderlich gewesen sei, sei unbeachtlich.
11 
Die unterschiedliche Regelung der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für kieferorthopädische Behandlungen für Minderjährige und Erwachsene verstoße nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz und die Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Bei der im Beihilferecht erlaubten pauschalisierenden und typisierenden Betrachtungsweise lägen sachliche Gründe für die unterschiedliche Behandlung der Minderjährigen und Erwachsenen vor, die auch nicht zu einer Verletzung der Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern führten. Dem grundsätzlichen Leistungsausschluss liege die Erwägung zugrunde, dass mit einer kieferorthopädischen Behandlung aus medizinischen Gründen vor Abschluss des Körperwachstums begonnen werden solle, und dass solche Maßnahmen bei Erwachsenen überwiegend aus ästhetischen Gründen oder wegen mangelnder zahnmedizinischer Vorsorge in früheren Jahren erfolgten. Dies sei nicht zu beanstanden.
12 
Allerdings schließe Nr. 1.2.3 der Anlage zur BVO die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für die kieferorthopädische Behandlung Erwachsener auch in den Fällen aus, in denen die herkömmlichen beihilferechtlichen Voraussetzungen der Notwendigkeit und Angemessenheit für eine kieferorthopädische Behandlung erfüllt seien. Da der Verordnungsgeber typisieren dürfe, sei dies rechtlich nicht zu beanstanden, solange solche Fallgestaltungen nicht von vornherein absehbar einen solchen Umfang und ein solches Gewicht erreichten, dass sie auch bei typisierender Betrachtungsweise nicht vernachlässigt werden könnten. Davon sei hier nicht auszugehen. Für eine verfassungsrechtlich gebotene Korrektur sei die Härtefallregelung des § 5 Abs. 6 BVO in den Blick zu nehmen. Eine atypische Fallgestaltung, die die Annahme eines Härtefalls rechtfertige, liege bei der Klägerin jedoch nicht vor. Nach ihrem Vorbringen seien es die von ihr hingenommenen und nicht behandelten Zahnlücken gewesen, die zur Verlagerung von Zähnen und zur Veränderung des Gebisses geführt hätten.
13 
Schließlich verstoße der Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für kieferorthopädische Behandlungen von Erwachsenen nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Ob die Gewährung von Beihilfe in Krankheitsfällen für Beamte unter den sachlichen Anwendungsbereich dieses Gesetzes falle, könne dahingestellt bleiben, da die unterschiedliche Behandlung von Minderjährigen und Erwachsenen jedenfalls nicht wegen des Merkmals „Alter" erfolge, sondern auf den unterschiedlichen Anlässen und Voraussetzungen für eine kieferorthopädische Behandlung beruhe. Selbst wenn man dies anders sehen wolle, sei die in Streit stehende Regelung zulässig, da sie durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sei. Dazu gehöre auch das Ziel einer sparsamen Haushaltsführung. Den einzelnen Mitgliedstaaten sei nicht nur bei der Bestimmung der Ziele, sondern auch bei der Wahl der Mittel ein Gestaltungsspielraum eingeräumt, bei dem auch haushaltsbezogene Erwägungen Berücksichtigung finden könnten.
14 
Die Klägerin hat am 27.12.2010 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und mit Schriftsatz vom 31.1.2011 - beim Verwaltungsgerichtshof eingegangen am 1.2.2011 - begründet.
15 
Der Senat hat Beweis durch die Einholung ein Sachverständigengutachtens erhoben, das von Prof. em. Dr. Sch. unter dem 12.1.2012 erstattet worden ist. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieses Gutachtens verwiesen.
16 
Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie ist der Auffassung, dass der Sachverständige den von ihr vorgetragenen Sachverhalt bestätigt habe.
17 
Sie beantragt,
18 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 15.7.2010 - 9 K 470/09 - zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden- Württemberg vom 27.10.2008 und dessen Widerspruchsbescheids vom 29.1.2009 zu verpflichten, ihren Antrag auf Gewährung einer Beihilfe vom 12.10.2008 hinsichtlich der geltend gemachten kieferorthopädischen Aufwendungen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
19 
Der Beklagte beantragt,
20 
die Berufung zurückzuweisen.
21 
Er macht ergänzend geltend: Der Gutachter habe darauf hingewiesen, als Behandlungsziel der kieferorthopädischen Behandlung Erwachsener stehe häufig die Verbesserung der Ästhetik im Vordergrund. Zudem bestünden erhebliche biologische Unterschiede. Daher bestehe die sachliche Rechtfertigung für die unterschiedliche Behandlung von Minderjährigen und Erwachsenen weiterhin. Der beihilferechtliche Verordnungsgeber habe einen weiten Ermessensspielraum, der ihn dazu berechtige, generalisierende, typisierende und pauschalierende Maßstäbe anzulegen.
22 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die beigezogenen Beihilfeakten des Landesamts verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
23 
Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (vgl. §§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
24 
Die Berufung der Klägerin ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen, da die Klägerin - entsprechend ihrem ausdrücklich gestellten Antrag - verlangen kann, dass der Beklagte ihren Antrag auf Gewährung einer Beihilfe vom 12.10.2008 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut bescheidet (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Die ihr entstandenen Aufwendungen für die streitgegenständliche kieferorthopädische Behandlung sind beihilfefähig.
25 
I. Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.2005 - 2 C 35.04 - BVerwGE 125, 21 m.w.N.; VGH Bad,-Württ., Urteil vom 10.10.2011 - 2 S 1369/11 - Juris). Hier sind die Aufwendungen im September 2008 entstanden. Ob und inwieweit die Klägerin für diese Aufwendungen die Gewährung einer Beihilfe beanspruchen kann, bestimmt sich somit nach §§ 5 Abs. 1 und 6 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung des Finanzministeriums über die Gewährung von Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfeverordnung - BVO -) vom 28.7.1995 (GBl. S. 561) in der Fassung von Art. 10 des Gesetzes vom 17.2.2004 (GBl. S 66).
26 
Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 BVO sind aus Anlass einer Krankheit entstandene Aufwendungen für gesondert erbrachte und berechnete zahnärztliche Leistungen beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. Dies gilt jedoch nur nach Maßgabe der Anlage zur Beihilfeverordnung. Nach Nr. 1.2.3 lit. b der Anlage sind Aufwendungen für kieferorthopädische Behandlungen unter anderem dann beihilfefähig, wenn die behandelte Person bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr noch nicht überschritten hat; die gilt nicht bei schweren Kieferanomalien, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordern.
27 
II. Nach diesen Regelungen sind die Aufwendungen für die kieferorthopädische Behandlung der 1948 geborenen Klägerin von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen, da die dargestellten Indikationen, bei denen die kieferorthopädische Behandlung ausnahmsweise auch bei über 18-Jährigen beihilfefähig ist, im Fall der Klägerin nicht vorliegen. Eine schwere Kieferanomalie, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordert hätte, ist unstreitig nicht gegeben. Dies hat auch der Sachverständige ausdrücklich bestätigt.
28 
III. Die in Nr. 1.2.3 lit b der Anlage zur BVO getroffene Ausschlussregelung kann jedoch unter den im Fall der Klägerin gegebenen Umständen keine Anwendung finden. Hierbei kann offen bleiben, ob der grundsätzliche Ausschluss der kieferorthopädischen Behandlung Erwachsener von der Beihilfefähigkeit mit höherrangigem Recht vereinbar ist (1.). Denn die Versagung der Beihilfe verstößt jedenfalls im vorliegenden Einzelfall gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (2., grundlegend zur Anwendung von Art. 3 Abs. 1 GG im Beihilferecht: Senatsurteil vom 15.3.2012 - 2 S 2542/11 -).
29 
1. Es ist fraglich, ob sich der grundsätzliche Ausschluss kieferorthopädischer Behandlungen für Erwachsene - von eng gefassten Ausnahmen abgesehen - von der Beihilfefähigkeit sachlich rechtfertigen lässt.
30 
Einerseits spricht Vieles dafür, dass die Erwägungen, die ursprünglich zu dem Ausschluss von der Beihilfefähigkeit geführt haben, heute nicht mehr tragfähig sind. Dieser grundsätzliche Ausschluss ist in Anknüpfung an den Gesichtspunkt der medizinischen Notwendigkeit erfolgt. Er beruhte ersichtlich darauf, dass die kieferorthopädische Behandlung Erwachsener früher auch in der Fachwelt mit erheblicher Skepsis betrachtet worden ist (vgl. beispielhaft: BSG, Urteil vom 9.12.1997 - 1 RK 11.97 - BSGE 81, 245, juris-Rn. 20).
        
31 
Diese Skepsis dürfte nicht mehr der heutigen Erkenntnislage entsprechen. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 12.1.2012 schlüssig und nachvollziehbar ausgeführt, dass es auch im Erwachsenenalter möglich und sinnvoll sein kann, Zahnstellungsanomalien durch konservative kieferorthopädische Maßnahmen zu korrigieren. In vielen internationalen Publikationen werde in den letzten Jahren eine Zunahme der kieferorthopädischen Behandlungen Erwachsener beschrieben. Die Behauptung, eine kieferorthopädische Behandlung Erwachsener dauere länger als die von Kindern, lasse sich wissenschaftlich nicht bestätigen. Bei erwachsenen Patienten kämen überwiegend festsitzende Apparaturen zur Anwendung und die Motivation sei in der Regel sehr hoch, was die Behandlungsdauer reduziere; bei Kindern hingegen sei durch den Einsatz herausnehmbarer Geräte, Verzögerungen durch den Zahnwechsel und eingeschränkte Kooperation nicht selten eine längere Behandlungszeit zu beobachten. Die in früherer Zeit vorgebrachten Vorbehalte seien nicht mehr berechtigt.
32 
Andererseits zeigt das vom Senat eingeholte Gerichtsgutachten aber auch Gesichtspunkte auf, die bei typisierender Betrachtungsweise möglicherweise noch heute einen weitgehenden Ausschluss der kieferorthopädischen Behandlung Erwachsener rechtfertigen könnten. Insoweit weist der Beklagte insbesondere darauf hin, dass dem Gutachten zufolge nicht (nur) medizinische Gründe, sondern auch gestiegene ästhetische Ansprüche für die Zunahme der kieferorthopädischen Behandlungen Erwachsener ursächlich seien; für den Patienten stehe häufig die Verbesserung der Ästhetik und erst in zweiter Linie die Verbesserung der Kaufähigkeit im Vordergrund.
33 
2. Es kann jedoch für den vorliegenden Fall dahinstehen, ob die Regelung in der Beihilfeverordnung, die die Beihilfefähigkeit kieferorthopädischer Behandlungen für Erwachsene - von eng gefassten Ausnahmen abgesehen - grundsätzlich ausschließt, generell gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (oder die Vorschriften des AGG) verstößt. Denn auf der Grundlage einer verfassungskonformen und an Sinn und Zweck der Regelung orientierten Auslegung ist jedenfalls unter den hier im Fall der Klägerin gegebenen Umständen die Gewährung einer Beihilfe zu Aufwendungen für eine kieferorthopädische Behandlung auch über die in Nr. 1.2.3 lit. b der Anlage zur BVO geregelten Ausnahmen hinaus geboten.
34 
Der in der Beihilfeverordnung vorgenommene grundsätzliche Ausschluss der Aufwendungen für eine kieferorthopädische Behandlung Erwachsener lässt sich nach heutiger Erkenntnislage höchstens noch mit der Erwägung sachlich rechtfertigen, dass sie typischerweise in erster Linie aus ästhetischen Gründen durchgeführt wird (s. oben). Daher kann die betreffende Vorschrift jedenfalls dann keine Geltung beanspruchen, wenn die Behandlung wie hier ausschließlich auf einer zahnmedizinisch zwingenden Indikation beruht. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Verordnungsgeber grundsätzlich nur einen engen Gestaltungsspielraum hat, wenn eine Ungleichbehandlung wie hier an ein personenbezogenes Merkmal wie das Alter und nicht an Lebenssachverhalte anknüpft oder von freiwilligen Entscheidungen der Betroffenen abhängt (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 28.5.2008 - 2 C 24.07 - NVwZ 2008, 1378, juris-Rn. 25).
35 
Aus dem vom Senat eingeholten Gutachten ergibt sich, dass im vorliegenden Einzelfall mehrere Besonderheiten vorliegen, die einen Ausschluss von der Beihilfefähigkeit als sachwidrig erscheinen lassen. Die bei der Klägerin durchgeführte Behandlung war ausschließlich medizinische indiziert; ästhetische Gründe können ausgeschlossen werden (a). Außerdem war keine Behandlungsalternative vorhanden (b). Die Zahnfehlstellungen im Gebiss der Klägerin waren mit erheblichen Folgeproblemen (craniomandibuläre Dysfunktion) verbunden (c). Schließlich liegt eine sog. sekundäre Anomalie vor, die erst im Erwachsenenalter erworben wurde (d). Der Senat schließt sich insoweit jeweils der überzeugend begründeten Ansicht des Gutachters an, zumal der Beklagte insoweit keine Einwendungen erhoben hat.
36 
a) Für die Behandlung der Klägerin waren ausschließlich medizinische Gründe ausschlaggebend. Der Sachverständige hat im einzelnen dargelegt, dass bei Anwendung der Kieferorthopädischen Indikationsgruppen (KIG), die für die Behandlung von Mitgliedern der Gesetzlichen Krankenkassen entwickelt worden sind, hier die Gruppe U 4 (Unterzahl) in Betracht kommt (vgl. B.2. und Anl. 1 der Richtlinien). Die vorgenommene Behandlung war nach den Feststelllungen in dem Gutachten geeignet, angemessen und notwendig, um bessere Voraussetzungen für eine funktionsoptimierte prothetische Versorgung zu schaffen. Ästhetische Aspekte haben hingegen dem Gutachten zufolge keine Rolle gespielt, da kein nennenswerter Einfluss auf die dentale Ästhetik und die Gesichtsästhetik bestehe. Diese Schlussfolgerung ist ohne Weiteres nachvollziehbar, da lediglich Seiten- und keine Frontzähne betroffen waren.
37 
b) Außerdem war keine Behandlungsalternative vorhanden. Aufgrund der ausgeprägten Kippung einiger Seitenzähne und der Lückeneinengung 25, 35 war eine funktionell zufriedenstellende prothetische Lückenversorgung ohne vorherige Stellungskorrektur der gekippten Zähne und Lückenöffnung nicht möglich. Aufgrund des Ausgangsbefundes war nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen nur die vorgeschlagene kieferorthopädische Behandlung erfolgversprechend; alternativ wäre nur die Nichtdurchführung einer Behandlung, d.h. das Belassen der Gebissanomalie und der Dysfunktion infrage gekommen
38 
c) Die Zahnfehlstellungen im Gebiss der Klägerin waren Ursache erheblicher Folgeprobleme in Form einer craniomandibulären Dysfunktion (CMD) mit Kiefergelenkbeschwerden, Muskelverspannungen und Schmerzen. Ein infolge Seitenzahnverlusts abgesunkener Biss ist dem Gutachten zufolge eine häufig zu beobachtende Ursache für derartige Funktionsstörungen. Die durchgeführte kieferorthopädische Behandlung hat dementsprechend nach Angaben der Kieferorthopädin und der Klägerin dazu geführt, die vorher bestehende craniomandibuläre Dysfunktion zu beheben.
39 
d) Schließlich liegt bei der Klägerin eine sog. sekundäre Anomalie vor, also eine solche, die sich erst im Erwachsenenalter herausgebildet hat. Während bei sog. primären Zahnstellungsfehlern - die in der Jugend nicht oder nur unzureichend behandelt wurden oder bei denen es nach Behandlung zu einem Rezidiv gekommen ist - eine erfolgreiche Behandlung im Kindes- oder Jugendalter möglich gewesen wäre, ist dies bei sekundären Anomalien denknotwendig nicht der Fall. Daher kann der Klägerin auch nicht vorgeworfen werden, eine im Kindes- oder Jugendalter mögliche Behandlung ins Erwachsenenalter „verschleppt“ zu haben.
40 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
41 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
42 
Beschluss vom 2. Mai 2012
43 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 785,88 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
44 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
23 
Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (vgl. §§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
24 
Die Berufung der Klägerin ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen, da die Klägerin - entsprechend ihrem ausdrücklich gestellten Antrag - verlangen kann, dass der Beklagte ihren Antrag auf Gewährung einer Beihilfe vom 12.10.2008 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut bescheidet (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Die ihr entstandenen Aufwendungen für die streitgegenständliche kieferorthopädische Behandlung sind beihilfefähig.
25 
I. Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.2005 - 2 C 35.04 - BVerwGE 125, 21 m.w.N.; VGH Bad,-Württ., Urteil vom 10.10.2011 - 2 S 1369/11 - Juris). Hier sind die Aufwendungen im September 2008 entstanden. Ob und inwieweit die Klägerin für diese Aufwendungen die Gewährung einer Beihilfe beanspruchen kann, bestimmt sich somit nach §§ 5 Abs. 1 und 6 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung des Finanzministeriums über die Gewährung von Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfeverordnung - BVO -) vom 28.7.1995 (GBl. S. 561) in der Fassung von Art. 10 des Gesetzes vom 17.2.2004 (GBl. S 66).
26 
Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 BVO sind aus Anlass einer Krankheit entstandene Aufwendungen für gesondert erbrachte und berechnete zahnärztliche Leistungen beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. Dies gilt jedoch nur nach Maßgabe der Anlage zur Beihilfeverordnung. Nach Nr. 1.2.3 lit. b der Anlage sind Aufwendungen für kieferorthopädische Behandlungen unter anderem dann beihilfefähig, wenn die behandelte Person bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr noch nicht überschritten hat; die gilt nicht bei schweren Kieferanomalien, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordern.
27 
II. Nach diesen Regelungen sind die Aufwendungen für die kieferorthopädische Behandlung der 1948 geborenen Klägerin von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen, da die dargestellten Indikationen, bei denen die kieferorthopädische Behandlung ausnahmsweise auch bei über 18-Jährigen beihilfefähig ist, im Fall der Klägerin nicht vorliegen. Eine schwere Kieferanomalie, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordert hätte, ist unstreitig nicht gegeben. Dies hat auch der Sachverständige ausdrücklich bestätigt.
28 
III. Die in Nr. 1.2.3 lit b der Anlage zur BVO getroffene Ausschlussregelung kann jedoch unter den im Fall der Klägerin gegebenen Umständen keine Anwendung finden. Hierbei kann offen bleiben, ob der grundsätzliche Ausschluss der kieferorthopädischen Behandlung Erwachsener von der Beihilfefähigkeit mit höherrangigem Recht vereinbar ist (1.). Denn die Versagung der Beihilfe verstößt jedenfalls im vorliegenden Einzelfall gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (2., grundlegend zur Anwendung von Art. 3 Abs. 1 GG im Beihilferecht: Senatsurteil vom 15.3.2012 - 2 S 2542/11 -).
29 
1. Es ist fraglich, ob sich der grundsätzliche Ausschluss kieferorthopädischer Behandlungen für Erwachsene - von eng gefassten Ausnahmen abgesehen - von der Beihilfefähigkeit sachlich rechtfertigen lässt.
30 
Einerseits spricht Vieles dafür, dass die Erwägungen, die ursprünglich zu dem Ausschluss von der Beihilfefähigkeit geführt haben, heute nicht mehr tragfähig sind. Dieser grundsätzliche Ausschluss ist in Anknüpfung an den Gesichtspunkt der medizinischen Notwendigkeit erfolgt. Er beruhte ersichtlich darauf, dass die kieferorthopädische Behandlung Erwachsener früher auch in der Fachwelt mit erheblicher Skepsis betrachtet worden ist (vgl. beispielhaft: BSG, Urteil vom 9.12.1997 - 1 RK 11.97 - BSGE 81, 245, juris-Rn. 20).
        
31 
Diese Skepsis dürfte nicht mehr der heutigen Erkenntnislage entsprechen. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 12.1.2012 schlüssig und nachvollziehbar ausgeführt, dass es auch im Erwachsenenalter möglich und sinnvoll sein kann, Zahnstellungsanomalien durch konservative kieferorthopädische Maßnahmen zu korrigieren. In vielen internationalen Publikationen werde in den letzten Jahren eine Zunahme der kieferorthopädischen Behandlungen Erwachsener beschrieben. Die Behauptung, eine kieferorthopädische Behandlung Erwachsener dauere länger als die von Kindern, lasse sich wissenschaftlich nicht bestätigen. Bei erwachsenen Patienten kämen überwiegend festsitzende Apparaturen zur Anwendung und die Motivation sei in der Regel sehr hoch, was die Behandlungsdauer reduziere; bei Kindern hingegen sei durch den Einsatz herausnehmbarer Geräte, Verzögerungen durch den Zahnwechsel und eingeschränkte Kooperation nicht selten eine längere Behandlungszeit zu beobachten. Die in früherer Zeit vorgebrachten Vorbehalte seien nicht mehr berechtigt.
32 
Andererseits zeigt das vom Senat eingeholte Gerichtsgutachten aber auch Gesichtspunkte auf, die bei typisierender Betrachtungsweise möglicherweise noch heute einen weitgehenden Ausschluss der kieferorthopädischen Behandlung Erwachsener rechtfertigen könnten. Insoweit weist der Beklagte insbesondere darauf hin, dass dem Gutachten zufolge nicht (nur) medizinische Gründe, sondern auch gestiegene ästhetische Ansprüche für die Zunahme der kieferorthopädischen Behandlungen Erwachsener ursächlich seien; für den Patienten stehe häufig die Verbesserung der Ästhetik und erst in zweiter Linie die Verbesserung der Kaufähigkeit im Vordergrund.
33 
2. Es kann jedoch für den vorliegenden Fall dahinstehen, ob die Regelung in der Beihilfeverordnung, die die Beihilfefähigkeit kieferorthopädischer Behandlungen für Erwachsene - von eng gefassten Ausnahmen abgesehen - grundsätzlich ausschließt, generell gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (oder die Vorschriften des AGG) verstößt. Denn auf der Grundlage einer verfassungskonformen und an Sinn und Zweck der Regelung orientierten Auslegung ist jedenfalls unter den hier im Fall der Klägerin gegebenen Umständen die Gewährung einer Beihilfe zu Aufwendungen für eine kieferorthopädische Behandlung auch über die in Nr. 1.2.3 lit. b der Anlage zur BVO geregelten Ausnahmen hinaus geboten.
34 
Der in der Beihilfeverordnung vorgenommene grundsätzliche Ausschluss der Aufwendungen für eine kieferorthopädische Behandlung Erwachsener lässt sich nach heutiger Erkenntnislage höchstens noch mit der Erwägung sachlich rechtfertigen, dass sie typischerweise in erster Linie aus ästhetischen Gründen durchgeführt wird (s. oben). Daher kann die betreffende Vorschrift jedenfalls dann keine Geltung beanspruchen, wenn die Behandlung wie hier ausschließlich auf einer zahnmedizinisch zwingenden Indikation beruht. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Verordnungsgeber grundsätzlich nur einen engen Gestaltungsspielraum hat, wenn eine Ungleichbehandlung wie hier an ein personenbezogenes Merkmal wie das Alter und nicht an Lebenssachverhalte anknüpft oder von freiwilligen Entscheidungen der Betroffenen abhängt (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 28.5.2008 - 2 C 24.07 - NVwZ 2008, 1378, juris-Rn. 25).
35 
Aus dem vom Senat eingeholten Gutachten ergibt sich, dass im vorliegenden Einzelfall mehrere Besonderheiten vorliegen, die einen Ausschluss von der Beihilfefähigkeit als sachwidrig erscheinen lassen. Die bei der Klägerin durchgeführte Behandlung war ausschließlich medizinische indiziert; ästhetische Gründe können ausgeschlossen werden (a). Außerdem war keine Behandlungsalternative vorhanden (b). Die Zahnfehlstellungen im Gebiss der Klägerin waren mit erheblichen Folgeproblemen (craniomandibuläre Dysfunktion) verbunden (c). Schließlich liegt eine sog. sekundäre Anomalie vor, die erst im Erwachsenenalter erworben wurde (d). Der Senat schließt sich insoweit jeweils der überzeugend begründeten Ansicht des Gutachters an, zumal der Beklagte insoweit keine Einwendungen erhoben hat.
36 
a) Für die Behandlung der Klägerin waren ausschließlich medizinische Gründe ausschlaggebend. Der Sachverständige hat im einzelnen dargelegt, dass bei Anwendung der Kieferorthopädischen Indikationsgruppen (KIG), die für die Behandlung von Mitgliedern der Gesetzlichen Krankenkassen entwickelt worden sind, hier die Gruppe U 4 (Unterzahl) in Betracht kommt (vgl. B.2. und Anl. 1 der Richtlinien). Die vorgenommene Behandlung war nach den Feststelllungen in dem Gutachten geeignet, angemessen und notwendig, um bessere Voraussetzungen für eine funktionsoptimierte prothetische Versorgung zu schaffen. Ästhetische Aspekte haben hingegen dem Gutachten zufolge keine Rolle gespielt, da kein nennenswerter Einfluss auf die dentale Ästhetik und die Gesichtsästhetik bestehe. Diese Schlussfolgerung ist ohne Weiteres nachvollziehbar, da lediglich Seiten- und keine Frontzähne betroffen waren.
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b) Außerdem war keine Behandlungsalternative vorhanden. Aufgrund der ausgeprägten Kippung einiger Seitenzähne und der Lückeneinengung 25, 35 war eine funktionell zufriedenstellende prothetische Lückenversorgung ohne vorherige Stellungskorrektur der gekippten Zähne und Lückenöffnung nicht möglich. Aufgrund des Ausgangsbefundes war nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen nur die vorgeschlagene kieferorthopädische Behandlung erfolgversprechend; alternativ wäre nur die Nichtdurchführung einer Behandlung, d.h. das Belassen der Gebissanomalie und der Dysfunktion infrage gekommen
38 
c) Die Zahnfehlstellungen im Gebiss der Klägerin waren Ursache erheblicher Folgeprobleme in Form einer craniomandibulären Dysfunktion (CMD) mit Kiefergelenkbeschwerden, Muskelverspannungen und Schmerzen. Ein infolge Seitenzahnverlusts abgesunkener Biss ist dem Gutachten zufolge eine häufig zu beobachtende Ursache für derartige Funktionsstörungen. Die durchgeführte kieferorthopädische Behandlung hat dementsprechend nach Angaben der Kieferorthopädin und der Klägerin dazu geführt, die vorher bestehende craniomandibuläre Dysfunktion zu beheben.
39 
d) Schließlich liegt bei der Klägerin eine sog. sekundäre Anomalie vor, also eine solche, die sich erst im Erwachsenenalter herausgebildet hat. Während bei sog. primären Zahnstellungsfehlern - die in der Jugend nicht oder nur unzureichend behandelt wurden oder bei denen es nach Behandlung zu einem Rezidiv gekommen ist - eine erfolgreiche Behandlung im Kindes- oder Jugendalter möglich gewesen wäre, ist dies bei sekundären Anomalien denknotwendig nicht der Fall. Daher kann der Klägerin auch nicht vorgeworfen werden, eine im Kindes- oder Jugendalter mögliche Behandlung ins Erwachsenenalter „verschleppt“ zu haben.
40 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
41 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
42 
Beschluss vom 2. Mai 2012
43 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 785,88 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
44 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 15.7.2010 - 9 K 470/09 - geändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 27.10.2008 und dessen Widerspruchsbescheids vom 29.1.2009 verpflichtet, den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Beihilfe vom 12.10.2008 hinsichtlich der geltend gemachten kieferorthopädischen Aufwendungen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die 1948 geborene Klägerin begehrt Beihilfe zu den Aufwendungen für eine kieferorthopädische Behandlung. Sie ist als Beamtin mit einem Bemessungssatz von 70 % beihilfeberechtigt.
Mit Schreiben vom 28.8.2008 legte sie dem Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg (im Folgenden: Landesamt) einen kieferorthopädischen Behandlungsplan zur Prüfung der Beihilfefähigkeit vor. In dem Behandlungsplan wurden die voraussichtlichen Gesamtkosten auf 3.666,57 EUR geschätzt. Die Diagnose für den Oberkiefer lautete: „Retinierter und verlagerter Zahn 13; fehlender Zahn 25; mesiopaltinal rotierter Zahn 26; Implantate regio 25 und 27 bereits gesetzt". Zum Unterkiefer wurde festgestellt: „Fehlende Zähne durch Implantate ersetzt regio 36 und 45, 46; mesioklinierte Molaren; frontaler Engstand, Rotationen und Kippungen". Die Bisslage wird wie folgt beschrieben: „Skel. Klasse I, mand. Verschiebung nach rechts; Biss abgesackt durch fehlende dorsale Abstützung". Des Weiteren heißt es, die Behandlung sei aus funktionellen Gründen (Kiefergelenke) und zum längeren Erhalt der Zähne indiziert. Ohne die kieferorthopädische Aufrichtung der Molaren sei die prothetische Versorgung nicht lege artis möglich.
Unter dem 3.9.2008 teilte das Landesamt der Klägerin mit, dass die Kosten der geplanten Maßnahme nicht als beihilfefähig anerkannt würden. Aufwendungen für kieferorthopädische Leistungen seien nur dann beihilfefähig, wenn die behandelte Person bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet habe. Etwas anderes gelte nur bei schweren Kieferanomalien, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erforderten. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch.
Mit Antrag vom 12.10.2008 begehrte die Klägerin Beihilfe zu den bis dahin entstandenen Aufwendungen für die mittlerweile durchgeführte kieferorthopädische Behandlung in Höhe von 1.122,69 EUR (Rechnung vom 10.10.2008). Mit Bescheid vom 27.10.2008 versagte das Landesamt die begehrte Beihilfe.
Mit ihrem hiergegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend: Durch eine starke Bissabsenkung und ein prothetisch unterversorgtes Gebiss habe sie funktionale Probleme im Kieferbereich (schmerzhafte Kiefergelenke und eine eingeschränkte Kaufunktion). Durch die langjährigen Zahnlücken rechts und links im Unterkiefer seien die Backenzähne gekippt, was auch die Ursache starker parodontaler Probleme sei. Auch Schmerzen im Halswirbelbereich hingen damit zusammen. Nur durch eine kieferorthopädische Behandlung könnten die prothetische Versorgung durchgeführt und die gesetzten Implantate fertiggestellt werden, um ihre Zähne auf lange Sicht zu erhalten.
In einer dem Widerspruch beigefügten Stellungnahme der die Klägerin behandelnden Zahnärzte vom 17.11.2008 heißt es, dass eine kieferorthopädische Behandlung wegen einer Bisshebung, Aufrüstung und Passung der Seitenzähne dringend erforderlich gewesen sei. Dadurch sei eine Verbesserung der parodontalen Situation gegeben. Es habe außerdem eine schwere craniomandibuläre Dysfunktion (CMD) - Problematik der Muskel- und Kieferfunktion - bestanden, die starke Schmerzen hervorgerufen habe. Die Folge seien Verspannungen der Nackenmuskulatur und Spannungskopfschmerz. Kiefergelenksbeschwerden, Kiefergelenksknacken und eine eingeschränkte Nackenbeweglichkeit seien schmerzhaft und hätten nur durch die kieferorthopädische Behandlung behoben werden können.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29.1.2009 wies das Landesamt den Widerspruch der Klägerin zurück, da die Voraussetzungen der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für kieferorthopädische Maßnahmen bei über 18-jährigen Beihilfeberechtigten nicht vorlägen.
Am 25.2.2009 hat die Klägerin Klage vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen: Der in Nr. 1.2.3 der Anlage zur BVO geregelte Ausschluss von Aufwendungen für kieferorthopädische Leistungen bei Personen über 18 Jahren von der Beihilfefähigkeit stelle eine sachlich unbegründete Diskriminierung erwachsener Beihilfeberechtigter dar. Er verstoße auch gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Es handle sich um eine ausschließlich an das Alter gebundene Diskriminierung, für die es keine zulässigen Gründe gebe. Die inzwischen abgeschlossenen kieferorthopädischen Maßnahmen seien medizinisch notwendig gewesen. Sie habe schon viele Jahre eine Doppellücke und zwei weitere Zahnlücken durch fehlende Zähne gehabt. Oben habe sie keinen Gegenbiss gehabt und ihr Kiefer habe sich verändert, da der Biss schon lange nicht mehr gestimmt habe. Vier Zähne seien in die Lücke „gekippt" und ein Zahn habe sich gedreht. Bei der Sanierung ihres Gebisses sei es erforderlich gewesen, mehrere gesunde Backenzähne mittels einer kieferorthopädischen Behandlung zu richten. Eine fachgerechte Alternative zu dieser Behandlung habe es nicht gegeben. Auch ihre chronischen Nacken- und Kopfschmerzen seien geheilt.
Der Beklagte hat Klagabweisung beantragt und erwidert: Auch die Fürsorgepflicht erfordere nicht den Ausgleich jeglicher aus Krankheitsfällen entstandener Aufwendungen. Allenfalls unzumutbare Belastungen bzw. erhebliche Aufwendungen, die für den Beamten unausweichlich seien und denen er sich nicht entziehen könne, könnten den Wesenskern der Fürsorgepflicht berühren. Zu denken sei an die Behandlung schwerer oder gar lebensbedrohlicher Krankheiten. Um eine solche handele es sich vorliegend nicht.
10 
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 15.7.2010 - zugestellt am 2.12.2010 - abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt: Nach Nr. 1.2.3 der Anlage zur BVO seien kieferorthopädische Leistungen nur beihilfefähig, wenn die behandelte Person bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet habe; dies gelte nicht bei schweren Kieferanomalien, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erforderten. Gemessen hieran komme eine Beihilfegewährung nicht in Betracht. Die Klägerin habe bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr (längst) überschritten. Auch eine Ausnahme von der Altersgrenze habe nicht vorgelegen, da sie nicht an einer schweren Kieferanomalie gelitten habe. Dass die kieferorthopädische Behandlung nach ihrem Vorbringen und den vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen für eine prothetische Versorgung und zur Behebung einer durch die Zahnfehlstellungen verursachten craniomandibulären Dysfunktion erforderlich gewesen sei, sei unbeachtlich.
11 
Die unterschiedliche Regelung der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für kieferorthopädische Behandlungen für Minderjährige und Erwachsene verstoße nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz und die Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Bei der im Beihilferecht erlaubten pauschalisierenden und typisierenden Betrachtungsweise lägen sachliche Gründe für die unterschiedliche Behandlung der Minderjährigen und Erwachsenen vor, die auch nicht zu einer Verletzung der Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern führten. Dem grundsätzlichen Leistungsausschluss liege die Erwägung zugrunde, dass mit einer kieferorthopädischen Behandlung aus medizinischen Gründen vor Abschluss des Körperwachstums begonnen werden solle, und dass solche Maßnahmen bei Erwachsenen überwiegend aus ästhetischen Gründen oder wegen mangelnder zahnmedizinischer Vorsorge in früheren Jahren erfolgten. Dies sei nicht zu beanstanden.
12 
Allerdings schließe Nr. 1.2.3 der Anlage zur BVO die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für die kieferorthopädische Behandlung Erwachsener auch in den Fällen aus, in denen die herkömmlichen beihilferechtlichen Voraussetzungen der Notwendigkeit und Angemessenheit für eine kieferorthopädische Behandlung erfüllt seien. Da der Verordnungsgeber typisieren dürfe, sei dies rechtlich nicht zu beanstanden, solange solche Fallgestaltungen nicht von vornherein absehbar einen solchen Umfang und ein solches Gewicht erreichten, dass sie auch bei typisierender Betrachtungsweise nicht vernachlässigt werden könnten. Davon sei hier nicht auszugehen. Für eine verfassungsrechtlich gebotene Korrektur sei die Härtefallregelung des § 5 Abs. 6 BVO in den Blick zu nehmen. Eine atypische Fallgestaltung, die die Annahme eines Härtefalls rechtfertige, liege bei der Klägerin jedoch nicht vor. Nach ihrem Vorbringen seien es die von ihr hingenommenen und nicht behandelten Zahnlücken gewesen, die zur Verlagerung von Zähnen und zur Veränderung des Gebisses geführt hätten.
13 
Schließlich verstoße der Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für kieferorthopädische Behandlungen von Erwachsenen nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Ob die Gewährung von Beihilfe in Krankheitsfällen für Beamte unter den sachlichen Anwendungsbereich dieses Gesetzes falle, könne dahingestellt bleiben, da die unterschiedliche Behandlung von Minderjährigen und Erwachsenen jedenfalls nicht wegen des Merkmals „Alter" erfolge, sondern auf den unterschiedlichen Anlässen und Voraussetzungen für eine kieferorthopädische Behandlung beruhe. Selbst wenn man dies anders sehen wolle, sei die in Streit stehende Regelung zulässig, da sie durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sei. Dazu gehöre auch das Ziel einer sparsamen Haushaltsführung. Den einzelnen Mitgliedstaaten sei nicht nur bei der Bestimmung der Ziele, sondern auch bei der Wahl der Mittel ein Gestaltungsspielraum eingeräumt, bei dem auch haushaltsbezogene Erwägungen Berücksichtigung finden könnten.
14 
Die Klägerin hat am 27.12.2010 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und mit Schriftsatz vom 31.1.2011 - beim Verwaltungsgerichtshof eingegangen am 1.2.2011 - begründet.
15 
Der Senat hat Beweis durch die Einholung ein Sachverständigengutachtens erhoben, das von Prof. em. Dr. Sch. unter dem 12.1.2012 erstattet worden ist. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieses Gutachtens verwiesen.
16 
Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie ist der Auffassung, dass der Sachverständige den von ihr vorgetragenen Sachverhalt bestätigt habe.
17 
Sie beantragt,
18 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 15.7.2010 - 9 K 470/09 - zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden- Württemberg vom 27.10.2008 und dessen Widerspruchsbescheids vom 29.1.2009 zu verpflichten, ihren Antrag auf Gewährung einer Beihilfe vom 12.10.2008 hinsichtlich der geltend gemachten kieferorthopädischen Aufwendungen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
19 
Der Beklagte beantragt,
20 
die Berufung zurückzuweisen.
21 
Er macht ergänzend geltend: Der Gutachter habe darauf hingewiesen, als Behandlungsziel der kieferorthopädischen Behandlung Erwachsener stehe häufig die Verbesserung der Ästhetik im Vordergrund. Zudem bestünden erhebliche biologische Unterschiede. Daher bestehe die sachliche Rechtfertigung für die unterschiedliche Behandlung von Minderjährigen und Erwachsenen weiterhin. Der beihilferechtliche Verordnungsgeber habe einen weiten Ermessensspielraum, der ihn dazu berechtige, generalisierende, typisierende und pauschalierende Maßstäbe anzulegen.
22 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die beigezogenen Beihilfeakten des Landesamts verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
23 
Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (vgl. §§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
24 
Die Berufung der Klägerin ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen, da die Klägerin - entsprechend ihrem ausdrücklich gestellten Antrag - verlangen kann, dass der Beklagte ihren Antrag auf Gewährung einer Beihilfe vom 12.10.2008 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut bescheidet (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Die ihr entstandenen Aufwendungen für die streitgegenständliche kieferorthopädische Behandlung sind beihilfefähig.
25 
I. Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.2005 - 2 C 35.04 - BVerwGE 125, 21 m.w.N.; VGH Bad,-Württ., Urteil vom 10.10.2011 - 2 S 1369/11 - Juris). Hier sind die Aufwendungen im September 2008 entstanden. Ob und inwieweit die Klägerin für diese Aufwendungen die Gewährung einer Beihilfe beanspruchen kann, bestimmt sich somit nach §§ 5 Abs. 1 und 6 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung des Finanzministeriums über die Gewährung von Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfeverordnung - BVO -) vom 28.7.1995 (GBl. S. 561) in der Fassung von Art. 10 des Gesetzes vom 17.2.2004 (GBl. S 66).
26 
Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 BVO sind aus Anlass einer Krankheit entstandene Aufwendungen für gesondert erbrachte und berechnete zahnärztliche Leistungen beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. Dies gilt jedoch nur nach Maßgabe der Anlage zur Beihilfeverordnung. Nach Nr. 1.2.3 lit. b der Anlage sind Aufwendungen für kieferorthopädische Behandlungen unter anderem dann beihilfefähig, wenn die behandelte Person bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr noch nicht überschritten hat; die gilt nicht bei schweren Kieferanomalien, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordern.
27 
II. Nach diesen Regelungen sind die Aufwendungen für die kieferorthopädische Behandlung der 1948 geborenen Klägerin von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen, da die dargestellten Indikationen, bei denen die kieferorthopädische Behandlung ausnahmsweise auch bei über 18-Jährigen beihilfefähig ist, im Fall der Klägerin nicht vorliegen. Eine schwere Kieferanomalie, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordert hätte, ist unstreitig nicht gegeben. Dies hat auch der Sachverständige ausdrücklich bestätigt.
28 
III. Die in Nr. 1.2.3 lit b der Anlage zur BVO getroffene Ausschlussregelung kann jedoch unter den im Fall der Klägerin gegebenen Umständen keine Anwendung finden. Hierbei kann offen bleiben, ob der grundsätzliche Ausschluss der kieferorthopädischen Behandlung Erwachsener von der Beihilfefähigkeit mit höherrangigem Recht vereinbar ist (1.). Denn die Versagung der Beihilfe verstößt jedenfalls im vorliegenden Einzelfall gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (2., grundlegend zur Anwendung von Art. 3 Abs. 1 GG im Beihilferecht: Senatsurteil vom 15.3.2012 - 2 S 2542/11 -).
29 
1. Es ist fraglich, ob sich der grundsätzliche Ausschluss kieferorthopädischer Behandlungen für Erwachsene - von eng gefassten Ausnahmen abgesehen - von der Beihilfefähigkeit sachlich rechtfertigen lässt.
30 
Einerseits spricht Vieles dafür, dass die Erwägungen, die ursprünglich zu dem Ausschluss von der Beihilfefähigkeit geführt haben, heute nicht mehr tragfähig sind. Dieser grundsätzliche Ausschluss ist in Anknüpfung an den Gesichtspunkt der medizinischen Notwendigkeit erfolgt. Er beruhte ersichtlich darauf, dass die kieferorthopädische Behandlung Erwachsener früher auch in der Fachwelt mit erheblicher Skepsis betrachtet worden ist (vgl. beispielhaft: BSG, Urteil vom 9.12.1997 - 1 RK 11.97 - BSGE 81, 245, juris-Rn. 20).
        
31 
Diese Skepsis dürfte nicht mehr der heutigen Erkenntnislage entsprechen. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 12.1.2012 schlüssig und nachvollziehbar ausgeführt, dass es auch im Erwachsenenalter möglich und sinnvoll sein kann, Zahnstellungsanomalien durch konservative kieferorthopädische Maßnahmen zu korrigieren. In vielen internationalen Publikationen werde in den letzten Jahren eine Zunahme der kieferorthopädischen Behandlungen Erwachsener beschrieben. Die Behauptung, eine kieferorthopädische Behandlung Erwachsener dauere länger als die von Kindern, lasse sich wissenschaftlich nicht bestätigen. Bei erwachsenen Patienten kämen überwiegend festsitzende Apparaturen zur Anwendung und die Motivation sei in der Regel sehr hoch, was die Behandlungsdauer reduziere; bei Kindern hingegen sei durch den Einsatz herausnehmbarer Geräte, Verzögerungen durch den Zahnwechsel und eingeschränkte Kooperation nicht selten eine längere Behandlungszeit zu beobachten. Die in früherer Zeit vorgebrachten Vorbehalte seien nicht mehr berechtigt.
32 
Andererseits zeigt das vom Senat eingeholte Gerichtsgutachten aber auch Gesichtspunkte auf, die bei typisierender Betrachtungsweise möglicherweise noch heute einen weitgehenden Ausschluss der kieferorthopädischen Behandlung Erwachsener rechtfertigen könnten. Insoweit weist der Beklagte insbesondere darauf hin, dass dem Gutachten zufolge nicht (nur) medizinische Gründe, sondern auch gestiegene ästhetische Ansprüche für die Zunahme der kieferorthopädischen Behandlungen Erwachsener ursächlich seien; für den Patienten stehe häufig die Verbesserung der Ästhetik und erst in zweiter Linie die Verbesserung der Kaufähigkeit im Vordergrund.
33 
2. Es kann jedoch für den vorliegenden Fall dahinstehen, ob die Regelung in der Beihilfeverordnung, die die Beihilfefähigkeit kieferorthopädischer Behandlungen für Erwachsene - von eng gefassten Ausnahmen abgesehen - grundsätzlich ausschließt, generell gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (oder die Vorschriften des AGG) verstößt. Denn auf der Grundlage einer verfassungskonformen und an Sinn und Zweck der Regelung orientierten Auslegung ist jedenfalls unter den hier im Fall der Klägerin gegebenen Umständen die Gewährung einer Beihilfe zu Aufwendungen für eine kieferorthopädische Behandlung auch über die in Nr. 1.2.3 lit. b der Anlage zur BVO geregelten Ausnahmen hinaus geboten.
34 
Der in der Beihilfeverordnung vorgenommene grundsätzliche Ausschluss der Aufwendungen für eine kieferorthopädische Behandlung Erwachsener lässt sich nach heutiger Erkenntnislage höchstens noch mit der Erwägung sachlich rechtfertigen, dass sie typischerweise in erster Linie aus ästhetischen Gründen durchgeführt wird (s. oben). Daher kann die betreffende Vorschrift jedenfalls dann keine Geltung beanspruchen, wenn die Behandlung wie hier ausschließlich auf einer zahnmedizinisch zwingenden Indikation beruht. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Verordnungsgeber grundsätzlich nur einen engen Gestaltungsspielraum hat, wenn eine Ungleichbehandlung wie hier an ein personenbezogenes Merkmal wie das Alter und nicht an Lebenssachverhalte anknüpft oder von freiwilligen Entscheidungen der Betroffenen abhängt (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 28.5.2008 - 2 C 24.07 - NVwZ 2008, 1378, juris-Rn. 25).
35 
Aus dem vom Senat eingeholten Gutachten ergibt sich, dass im vorliegenden Einzelfall mehrere Besonderheiten vorliegen, die einen Ausschluss von der Beihilfefähigkeit als sachwidrig erscheinen lassen. Die bei der Klägerin durchgeführte Behandlung war ausschließlich medizinische indiziert; ästhetische Gründe können ausgeschlossen werden (a). Außerdem war keine Behandlungsalternative vorhanden (b). Die Zahnfehlstellungen im Gebiss der Klägerin waren mit erheblichen Folgeproblemen (craniomandibuläre Dysfunktion) verbunden (c). Schließlich liegt eine sog. sekundäre Anomalie vor, die erst im Erwachsenenalter erworben wurde (d). Der Senat schließt sich insoweit jeweils der überzeugend begründeten Ansicht des Gutachters an, zumal der Beklagte insoweit keine Einwendungen erhoben hat.
36 
a) Für die Behandlung der Klägerin waren ausschließlich medizinische Gründe ausschlaggebend. Der Sachverständige hat im einzelnen dargelegt, dass bei Anwendung der Kieferorthopädischen Indikationsgruppen (KIG), die für die Behandlung von Mitgliedern der Gesetzlichen Krankenkassen entwickelt worden sind, hier die Gruppe U 4 (Unterzahl) in Betracht kommt (vgl. B.2. und Anl. 1 der Richtlinien). Die vorgenommene Behandlung war nach den Feststelllungen in dem Gutachten geeignet, angemessen und notwendig, um bessere Voraussetzungen für eine funktionsoptimierte prothetische Versorgung zu schaffen. Ästhetische Aspekte haben hingegen dem Gutachten zufolge keine Rolle gespielt, da kein nennenswerter Einfluss auf die dentale Ästhetik und die Gesichtsästhetik bestehe. Diese Schlussfolgerung ist ohne Weiteres nachvollziehbar, da lediglich Seiten- und keine Frontzähne betroffen waren.
37 
b) Außerdem war keine Behandlungsalternative vorhanden. Aufgrund der ausgeprägten Kippung einiger Seitenzähne und der Lückeneinengung 25, 35 war eine funktionell zufriedenstellende prothetische Lückenversorgung ohne vorherige Stellungskorrektur der gekippten Zähne und Lückenöffnung nicht möglich. Aufgrund des Ausgangsbefundes war nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen nur die vorgeschlagene kieferorthopädische Behandlung erfolgversprechend; alternativ wäre nur die Nichtdurchführung einer Behandlung, d.h. das Belassen der Gebissanomalie und der Dysfunktion infrage gekommen
38 
c) Die Zahnfehlstellungen im Gebiss der Klägerin waren Ursache erheblicher Folgeprobleme in Form einer craniomandibulären Dysfunktion (CMD) mit Kiefergelenkbeschwerden, Muskelverspannungen und Schmerzen. Ein infolge Seitenzahnverlusts abgesunkener Biss ist dem Gutachten zufolge eine häufig zu beobachtende Ursache für derartige Funktionsstörungen. Die durchgeführte kieferorthopädische Behandlung hat dementsprechend nach Angaben der Kieferorthopädin und der Klägerin dazu geführt, die vorher bestehende craniomandibuläre Dysfunktion zu beheben.
39 
d) Schließlich liegt bei der Klägerin eine sog. sekundäre Anomalie vor, also eine solche, die sich erst im Erwachsenenalter herausgebildet hat. Während bei sog. primären Zahnstellungsfehlern - die in der Jugend nicht oder nur unzureichend behandelt wurden oder bei denen es nach Behandlung zu einem Rezidiv gekommen ist - eine erfolgreiche Behandlung im Kindes- oder Jugendalter möglich gewesen wäre, ist dies bei sekundären Anomalien denknotwendig nicht der Fall. Daher kann der Klägerin auch nicht vorgeworfen werden, eine im Kindes- oder Jugendalter mögliche Behandlung ins Erwachsenenalter „verschleppt“ zu haben.
40 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
41 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
42 
Beschluss vom 2. Mai 2012
43 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 785,88 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
44 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
23 
Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (vgl. §§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
24 
Die Berufung der Klägerin ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen, da die Klägerin - entsprechend ihrem ausdrücklich gestellten Antrag - verlangen kann, dass der Beklagte ihren Antrag auf Gewährung einer Beihilfe vom 12.10.2008 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut bescheidet (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Die ihr entstandenen Aufwendungen für die streitgegenständliche kieferorthopädische Behandlung sind beihilfefähig.
25 
I. Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.2005 - 2 C 35.04 - BVerwGE 125, 21 m.w.N.; VGH Bad,-Württ., Urteil vom 10.10.2011 - 2 S 1369/11 - Juris). Hier sind die Aufwendungen im September 2008 entstanden. Ob und inwieweit die Klägerin für diese Aufwendungen die Gewährung einer Beihilfe beanspruchen kann, bestimmt sich somit nach §§ 5 Abs. 1 und 6 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung des Finanzministeriums über die Gewährung von Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfeverordnung - BVO -) vom 28.7.1995 (GBl. S. 561) in der Fassung von Art. 10 des Gesetzes vom 17.2.2004 (GBl. S 66).
26 
Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 BVO sind aus Anlass einer Krankheit entstandene Aufwendungen für gesondert erbrachte und berechnete zahnärztliche Leistungen beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. Dies gilt jedoch nur nach Maßgabe der Anlage zur Beihilfeverordnung. Nach Nr. 1.2.3 lit. b der Anlage sind Aufwendungen für kieferorthopädische Behandlungen unter anderem dann beihilfefähig, wenn die behandelte Person bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr noch nicht überschritten hat; die gilt nicht bei schweren Kieferanomalien, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordern.
27 
II. Nach diesen Regelungen sind die Aufwendungen für die kieferorthopädische Behandlung der 1948 geborenen Klägerin von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen, da die dargestellten Indikationen, bei denen die kieferorthopädische Behandlung ausnahmsweise auch bei über 18-Jährigen beihilfefähig ist, im Fall der Klägerin nicht vorliegen. Eine schwere Kieferanomalie, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordert hätte, ist unstreitig nicht gegeben. Dies hat auch der Sachverständige ausdrücklich bestätigt.
28 
III. Die in Nr. 1.2.3 lit b der Anlage zur BVO getroffene Ausschlussregelung kann jedoch unter den im Fall der Klägerin gegebenen Umständen keine Anwendung finden. Hierbei kann offen bleiben, ob der grundsätzliche Ausschluss der kieferorthopädischen Behandlung Erwachsener von der Beihilfefähigkeit mit höherrangigem Recht vereinbar ist (1.). Denn die Versagung der Beihilfe verstößt jedenfalls im vorliegenden Einzelfall gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (2., grundlegend zur Anwendung von Art. 3 Abs. 1 GG im Beihilferecht: Senatsurteil vom 15.3.2012 - 2 S 2542/11 -).
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1. Es ist fraglich, ob sich der grundsätzliche Ausschluss kieferorthopädischer Behandlungen für Erwachsene - von eng gefassten Ausnahmen abgesehen - von der Beihilfefähigkeit sachlich rechtfertigen lässt.
30 
Einerseits spricht Vieles dafür, dass die Erwägungen, die ursprünglich zu dem Ausschluss von der Beihilfefähigkeit geführt haben, heute nicht mehr tragfähig sind. Dieser grundsätzliche Ausschluss ist in Anknüpfung an den Gesichtspunkt der medizinischen Notwendigkeit erfolgt. Er beruhte ersichtlich darauf, dass die kieferorthopädische Behandlung Erwachsener früher auch in der Fachwelt mit erheblicher Skepsis betrachtet worden ist (vgl. beispielhaft: BSG, Urteil vom 9.12.1997 - 1 RK 11.97 - BSGE 81, 245, juris-Rn. 20).
        
31 
Diese Skepsis dürfte nicht mehr der heutigen Erkenntnislage entsprechen. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 12.1.2012 schlüssig und nachvollziehbar ausgeführt, dass es auch im Erwachsenenalter möglich und sinnvoll sein kann, Zahnstellungsanomalien durch konservative kieferorthopädische Maßnahmen zu korrigieren. In vielen internationalen Publikationen werde in den letzten Jahren eine Zunahme der kieferorthopädischen Behandlungen Erwachsener beschrieben. Die Behauptung, eine kieferorthopädische Behandlung Erwachsener dauere länger als die von Kindern, lasse sich wissenschaftlich nicht bestätigen. Bei erwachsenen Patienten kämen überwiegend festsitzende Apparaturen zur Anwendung und die Motivation sei in der Regel sehr hoch, was die Behandlungsdauer reduziere; bei Kindern hingegen sei durch den Einsatz herausnehmbarer Geräte, Verzögerungen durch den Zahnwechsel und eingeschränkte Kooperation nicht selten eine längere Behandlungszeit zu beobachten. Die in früherer Zeit vorgebrachten Vorbehalte seien nicht mehr berechtigt.
32 
Andererseits zeigt das vom Senat eingeholte Gerichtsgutachten aber auch Gesichtspunkte auf, die bei typisierender Betrachtungsweise möglicherweise noch heute einen weitgehenden Ausschluss der kieferorthopädischen Behandlung Erwachsener rechtfertigen könnten. Insoweit weist der Beklagte insbesondere darauf hin, dass dem Gutachten zufolge nicht (nur) medizinische Gründe, sondern auch gestiegene ästhetische Ansprüche für die Zunahme der kieferorthopädischen Behandlungen Erwachsener ursächlich seien; für den Patienten stehe häufig die Verbesserung der Ästhetik und erst in zweiter Linie die Verbesserung der Kaufähigkeit im Vordergrund.
33 
2. Es kann jedoch für den vorliegenden Fall dahinstehen, ob die Regelung in der Beihilfeverordnung, die die Beihilfefähigkeit kieferorthopädischer Behandlungen für Erwachsene - von eng gefassten Ausnahmen abgesehen - grundsätzlich ausschließt, generell gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (oder die Vorschriften des AGG) verstößt. Denn auf der Grundlage einer verfassungskonformen und an Sinn und Zweck der Regelung orientierten Auslegung ist jedenfalls unter den hier im Fall der Klägerin gegebenen Umständen die Gewährung einer Beihilfe zu Aufwendungen für eine kieferorthopädische Behandlung auch über die in Nr. 1.2.3 lit. b der Anlage zur BVO geregelten Ausnahmen hinaus geboten.
34 
Der in der Beihilfeverordnung vorgenommene grundsätzliche Ausschluss der Aufwendungen für eine kieferorthopädische Behandlung Erwachsener lässt sich nach heutiger Erkenntnislage höchstens noch mit der Erwägung sachlich rechtfertigen, dass sie typischerweise in erster Linie aus ästhetischen Gründen durchgeführt wird (s. oben). Daher kann die betreffende Vorschrift jedenfalls dann keine Geltung beanspruchen, wenn die Behandlung wie hier ausschließlich auf einer zahnmedizinisch zwingenden Indikation beruht. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Verordnungsgeber grundsätzlich nur einen engen Gestaltungsspielraum hat, wenn eine Ungleichbehandlung wie hier an ein personenbezogenes Merkmal wie das Alter und nicht an Lebenssachverhalte anknüpft oder von freiwilligen Entscheidungen der Betroffenen abhängt (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 28.5.2008 - 2 C 24.07 - NVwZ 2008, 1378, juris-Rn. 25).
35 
Aus dem vom Senat eingeholten Gutachten ergibt sich, dass im vorliegenden Einzelfall mehrere Besonderheiten vorliegen, die einen Ausschluss von der Beihilfefähigkeit als sachwidrig erscheinen lassen. Die bei der Klägerin durchgeführte Behandlung war ausschließlich medizinische indiziert; ästhetische Gründe können ausgeschlossen werden (a). Außerdem war keine Behandlungsalternative vorhanden (b). Die Zahnfehlstellungen im Gebiss der Klägerin waren mit erheblichen Folgeproblemen (craniomandibuläre Dysfunktion) verbunden (c). Schließlich liegt eine sog. sekundäre Anomalie vor, die erst im Erwachsenenalter erworben wurde (d). Der Senat schließt sich insoweit jeweils der überzeugend begründeten Ansicht des Gutachters an, zumal der Beklagte insoweit keine Einwendungen erhoben hat.
36 
a) Für die Behandlung der Klägerin waren ausschließlich medizinische Gründe ausschlaggebend. Der Sachverständige hat im einzelnen dargelegt, dass bei Anwendung der Kieferorthopädischen Indikationsgruppen (KIG), die für die Behandlung von Mitgliedern der Gesetzlichen Krankenkassen entwickelt worden sind, hier die Gruppe U 4 (Unterzahl) in Betracht kommt (vgl. B.2. und Anl. 1 der Richtlinien). Die vorgenommene Behandlung war nach den Feststelllungen in dem Gutachten geeignet, angemessen und notwendig, um bessere Voraussetzungen für eine funktionsoptimierte prothetische Versorgung zu schaffen. Ästhetische Aspekte haben hingegen dem Gutachten zufolge keine Rolle gespielt, da kein nennenswerter Einfluss auf die dentale Ästhetik und die Gesichtsästhetik bestehe. Diese Schlussfolgerung ist ohne Weiteres nachvollziehbar, da lediglich Seiten- und keine Frontzähne betroffen waren.
37 
b) Außerdem war keine Behandlungsalternative vorhanden. Aufgrund der ausgeprägten Kippung einiger Seitenzähne und der Lückeneinengung 25, 35 war eine funktionell zufriedenstellende prothetische Lückenversorgung ohne vorherige Stellungskorrektur der gekippten Zähne und Lückenöffnung nicht möglich. Aufgrund des Ausgangsbefundes war nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen nur die vorgeschlagene kieferorthopädische Behandlung erfolgversprechend; alternativ wäre nur die Nichtdurchführung einer Behandlung, d.h. das Belassen der Gebissanomalie und der Dysfunktion infrage gekommen
38 
c) Die Zahnfehlstellungen im Gebiss der Klägerin waren Ursache erheblicher Folgeprobleme in Form einer craniomandibulären Dysfunktion (CMD) mit Kiefergelenkbeschwerden, Muskelverspannungen und Schmerzen. Ein infolge Seitenzahnverlusts abgesunkener Biss ist dem Gutachten zufolge eine häufig zu beobachtende Ursache für derartige Funktionsstörungen. Die durchgeführte kieferorthopädische Behandlung hat dementsprechend nach Angaben der Kieferorthopädin und der Klägerin dazu geführt, die vorher bestehende craniomandibuläre Dysfunktion zu beheben.
39 
d) Schließlich liegt bei der Klägerin eine sog. sekundäre Anomalie vor, also eine solche, die sich erst im Erwachsenenalter herausgebildet hat. Während bei sog. primären Zahnstellungsfehlern - die in der Jugend nicht oder nur unzureichend behandelt wurden oder bei denen es nach Behandlung zu einem Rezidiv gekommen ist - eine erfolgreiche Behandlung im Kindes- oder Jugendalter möglich gewesen wäre, ist dies bei sekundären Anomalien denknotwendig nicht der Fall. Daher kann der Klägerin auch nicht vorgeworfen werden, eine im Kindes- oder Jugendalter mögliche Behandlung ins Erwachsenenalter „verschleppt“ zu haben.
40 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
41 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
42 
Beschluss vom 2. Mai 2012
43 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 785,88 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
44 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Aufwendungen für kieferorthopädische Leistungen sind beihilfefähig, wenn

1.
bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet ist oder
2.
bei schweren Kieferanomalien, insbesondere bei angeborenen Missbildungen des Gesichts oder eines Kiefers, skelettalen Dysgnathien oder verletzungsbedingten Kieferfehlstellungen, eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfolgt.
Voraussetzung ist, dass die Festsetzungsstelle den Aufwendungen vor Beginn der Behandlung auf der Grundlage eines vorgelegten Heil- und Kostenplanes zugestimmt hat. Die Aufwendungen für die Erstellung des Heil- und Kostenplanes nach Satz 2 sind beihilfefähig.

(2) Für eine kieferorthopädische Behandlung Erwachsener ist abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 eine Beihilfe zu Aufwendungen zu bewilligen, wenn durch ein Gutachten bestätigt wird, dass

1.
die Behandlung ausschließlich medizinisch indiziert ist und ästhetische Gründe ausgeschlossen werden können,
2.
keine Behandlungsalternative vorhanden ist,
3.
erhebliche Folgeprobleme bestehen, insbesondere bei einer craniomandibulären Dysfunktion.

(3) Bei einem Wechsel der Kieferorthopädin oder des Kieferorthopäden, den die beihilfeberechtigte oder die berücksichtigungsfähige Person zu vertreten hat, bleiben nur die Aufwendungen beihilfefähig, die nach dem Heil- und Kostenplan, dem die Festsetzungsstelle zugestimmt hatte, noch nicht abgerechnet sind.

(4) Ist eine Weiterbehandlung über den Regelfall eines vierjährigen Zeitraums hinaus medizinisch notwendig, muss der Festsetzungsstelle vor Ablauf der laufenden Behandlung ein neuer Heil- und Kostenplan vorgelegt werden. Pro Jahr der Weiterbehandlung werden 25 Prozent der Aufwendungen für die kieferorthopädischen Leistungen nach den Nummern 6030 bis 6080 der Anlage 1 zur Gebührenordnung für Zahnärzte als beihilfefähig anerkannt. Aufwendungen für eine Behandlung, die vor Vollendung des 18. Lebensjahres begonnen wurde, sind auch bei einer medizinisch notwendigen Weiterbehandlung nach Vollendung des 18. Lebensjahres beihilfefähig.

(5) Aufwendungen für Leistungen zur Retention sind bis zu zwei Jahre nach Abschluss der kieferorthopädischen Behandlung beihilfefähig, die auf Grundlage des Heil- und Kostenplanes nach Absatz 1 Satz 2 von der Festsetzungsstelle genehmigt wurde.

(6) Aufwendungen für kieferorthopädische Leistungen vor Beginn der zweiten Phase des Zahnwechsels sind nur beihilfefähig bei

1.
Beseitigung von Habits bei einem habituellen Distalbiss bei distal sagittaler Stufe mit einer Frontzahnstufe von mehr als 9 Millimetern,
2.
Beseitigung von Habits bei einem habituellen offenen oder seitlichen Biss bei vertikaler Stufe von mehr als 4 Millimetern,
3.
Offenhalten von Lücken infolge vorzeitigen Milchzahnverlustes,
4.
Frühbehandlung
a)
eines Distalbisses bei distal sagittaler Stufe mit einer Frontzahnstufe von mehr als 9 Millimetern,
b)
eines lateralen Kreuz- oder Zwangsbisses bei transversaler Abweichung mit einseitigem oder beidseitigem Kreuzbiss, der durch präventive Maßnahmen nicht zu korrigieren ist,
c)
einer Bukkalokklusion, Nonokklusion oder Lingualokklusion permanenter Zähne bei transversaler Abweichung,
d)
eines progenen Zwangsbisses oder frontalen Kreuzbisses bei mesial sagittaler Stufe,
e)
bei Platzmangel zum Schaffen von Zahnlücken von mehr als 3 und höchstens 4 Millimetern oder zum Vergrößern von Zahnlücken um mehr als 3 und höchstens 4 Millimetern,
5.
früher Behandlung
a)
einer Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte oder anderer kraniofazialer Anomalien,
b)
eines skelettal offenen Bisses bei vertikaler Stufe von mehr als 4 Millimetern,
c)
einer Progenie bei mesial sagittaler Stufe,
d)
verletzungsbedingter Kieferfehlstellungen.
Die Frühbehandlung nach Satz 1 Nummer 4 soll nicht vor Vollendung des dritten Lebensjahres begonnen und innerhalb von sechs Kalenderquartalen abgeschlossen werden; eine reguläre kieferorthopädische Behandlung kann sich anschließen, wenn die zweite Phase des Zahnwechsels vorliegt. Aufwendungen für den Einsatz individuell gefertigter Behandlungsgeräte sind neben den Aufwendungen für eine Behandlung nach Satz 1 Nummer 4 oder Nummer 5 gesondert beihilfefähig.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.

(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 05. April 2017 - 12 K 473/16 - geändert.

Ziffer 2 des Bescheides des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 02.10.2015 in Gestalt dessen Widerspruchsbescheides vom 18.12.2015 wird insoweit aufgehoben als ein Betrag von mehr als 790,00 EUR zurückgefordert wurde.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.785,23 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.01.2016 zu bezahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

Die Beteiligten tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen jeweils zur Hälfte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Teilrücknahme eines Beihilfebescheides und die Rückforderung von Beihilfeleistungen.
Er ist am … 1952 geboren und als - inzwischen pensionierter - Realschulrektor mit einem Bemessungssatz von 50 % beihilfeberechtigt. Mit Schreiben vom 18.04.2011 beantragte er beim Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg (im Folgenden: Landesamt), Aufwendungen für eine stationäre Krankenhausbehandlung in der N... Fachklinik in Bad W... als beihilfefähig anzuerkennen. Das Landesamt erkannte mit Schreiben vom 26.04.2011 die Kosten einer 14-tägigen stationären Behandlung in der N... Fachklinik nach Maßgabe der BVO und der nachfolgend erteilten Hinweise als dem Grunde nach beihilfefähig an. Mit Schreiben des Landesamts vom 19.05.2011 wurde die anerkannte Behandlungsdauer um 28 Tage verlängert. In der Zeit vom 10.05. bis 07.06.2011 hielt sich die Kläger in der N... Fachklinik auf. Ausweislich des Behandlungsplans erhielt er in dieser Zeit u.a. folgende Therapien: „Dornbreuss“, „Craniosacral-Therapie“, „Softpack Kreidepackung“, „Körper-Seele-Int(Trager)“, „Strömen“, „Biografie-Arbeit“, „Aurum Manus“, „Facial Harmony“, „Kraft der Stimme“, „Heiße Steine“ und „Walking in der Gruppe“. Am 11.05.2011 und am 06.06.2011 fanden Abrechnungs-Beratungen statt.
Mit privatärztlicher Liquidation vom 10.06.2011 stellte die R... GmbH dem Kläger im Auftrag von Dr. M.../Dr. D... in Bad W... einen Betrag von 5.150,45 EUR für die Belegarzt-Behandlung vom 10.05.2011 bis 07.06.2011 in Rechnung. Unter dem 26.06.2011 beantragte der Kläger bei dem Beklagten, ihm u.a. für diese Aufwendungen Beihilfeleistungen zu gewähren. Das Landesamt erkannte mit Beihilfebescheid vom 06.07.2011 die mit der Rechnung vom 10.06.2011 abgerechneten Aufwendungen in Höhe von 5.150,45 EUR als beihilfefähig an und gewährte dem Kläger Beihilfe in Höhe von 2.575,23 EUR (50 %).
Mit Schreiben vom 13.07.2015 hörte der Beklagte den Kläger zur Rücknahme des Bescheides unter Rückforderung der Beihilfe an. Der Leiter der N...-... Fachklinik, Dr. M..., und dessen Ehefrau seien mit Urteil des Landgerichts R... vom 09.02.2015 wegen gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Betrugs verurteilt worden. Die R... GmbH habe im Auftrag der Ärzte der N... Fachklinik erbrachte Leistungen wissentlich falsch abgerechnet, um dem Grunde nach nicht beihilfefähige Aufwendungen für die Patienten erstattungsfähig zu machen. In der Regel seien die unzutreffenden Rechnungen sowohl zu Beginn als auch zum Ende des Aufenthalts von den Rechnungsstellern mit den Patienten durchgesprochen worden. Der Kläger habe während seines Aufenthalts in der N... Fachklinik Leistungen in Anspruch genommen, bei denen es sich nicht um beihilfefähige Leistungen gehandelt habe. Er habe spätestens ab Erhalt der Rechnung Kenntnis davon gehabt, dass die bei ihm durchgeführten Behandlungen nicht den abgerechneten Behandlungen auf der Rechnung entsprochen hätten.
Daraufhin erstattete der Kläger dem Beklagten den Betrag i.H.v. 2.575,23 EUR unter dem Vorbehalt der Rückforderung.
Mit Schreiben vom 25.08.2015 teilte das Landesamt dem Kläger mit, dass laut dem Behandlungsplan am 19.05.2011 eine „Aurum Manus“-Behandlung durchgeführt worden sei. Für diese sei in der Rechnung eine siebenteilige Kette aus Gebührenziffern (3305, 5, 505, 506, 514, 558 und 846) ausgewiesen. Zudem sei die am 23.05.2011 durchgeführte Behandlung „Strömen“ durch eine vierteilige Ziffernkette (269a, 200, 846 und 849) ausgewiesen. Die genannten Gebührenziffern seien also nicht erbracht, aber in Rechnung gestellt worden. Darüber hinaus sei in Frage zu stellen, ob an jedem Morgen um 9.00 Uhr eine Visite stattgefunden habe.
Mit Bescheid vom 02.10.2015 nahm das Landesamt den Bescheid vom 06.07.2011 zurück, soweit darin zu der Rechnung vom 10.06.2011 in Höhe von 5.150,45 EUR Beihilfe gewährt wurde (Nr. 1 des Bescheides), und forderte die zu Unrecht gezahlte Beihilfe in Höhe von 2.575,23 EUR zurück (Nr. 2 des Bescheides). Nach Nr. 3 des Bescheides ergeht dieser gebührenfrei und werden Auslagen nicht erhoben. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger habe Leistungen in Anspruch genommen, die nicht beihilfefähig seien und auch nicht als solche abgerechnet worden seien. Dies seien die Leistungen: „Dornbreuss“, „Craniosacral-Therapie“, „Softpack Kreidepackung“, „Strömen“, „Biografie-Arbeit“, „Aurum Manus“, „Facial Harmony“, „Kraft der Stimme“, „Heiße Steine“ und „Walking in der Gruppe“ gewesen. Für diese seien Ziffernketten der GOÄ anstelle der tatsächlich erbrachten Leistungen in Rechnung gestellt worden. Somit seien nicht erbrachte Leistungen, aber auch nie erbrachte ärztliche Visiten abgerechnet worden. Dadurch seien höhere Rechnungsbeträge erzielt und sei die Erkennbarkeit der Ziffernketten verschleiert worden. Die vorgelegte Rechnung sei daher aufgrund der betrügerischen Abrechnungssystematik in ihrer Gesamtheit unzutreffend und spiegele keinesfalls die erbrachten ärztlichen Leistungen wider. Der rechtswidrige Verwaltungsakt könne zurückgenommen werden, denn der Kläger könne sich nicht auf schutzwürdiges Vertrauen berufen, weil er den Verwaltungsakt durch in wesentlicher Beziehung unrichtige Angaben erwirkt und spätestens mit dem Erhalt der Rechnung auch gewusst habe, dass die abgerechneten Behandlungen nicht den tatsächlich durchgeführten Behandlungen entsprochen hätten. Dennoch habe er die unrichtigen Rechnungen eingereicht. Unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Auswirkungen, der Rechtmäßigkeit der Verwaltung und des allgemeinen fiskalischen Interesses an der Vermeidung nicht gerechtfertigter öffentlicher Ausgaben könne der Bescheid zurückgenommen werden.
Mit Schreiben vom 03.11.2015 legte der Kläger Widerspruch ein, den er wie folgt begründete: Das Landesamt habe die beabsichtigte Behandlung nur eingeschränkt anerkannt. Zur Vermeidung persönlicher Kosten habe er sich an die N... Klinik gewandt und die Bestätigung erhalten, dass nur beihilfefähige Behandlungen durchgeführt würden. Er sei lediglich damit einverstanden gewesen, notwendige physiotherapeutische Behandlungen und Laborkosten selbst bezahlen zu müssen, habe aber klargestellt, dass ihm nur beihilfefähige Behandlungen und Rechnungspositionen in Rechnung gestellt werden sollten. Dies sei ihm von der Klinik versichert worden. Im Vertrauen hierauf sei er davon ausgegangen, dass mit der Rechnung nur beihilfefähige Behandlungen abgerechnet würden. Mit betrügerischem Verhalten des Klinikdirektors und dessen Ehefrau habe er nicht zu rechnen brauchen. Zu keiner Zeit sei ihm gegenüber davon die Rede gewesen, dass nicht beihilfefähige Leistungen mit erstattungsfähigen GOÄ-Ziffernketten in Rechnung gestellt und auf diese Weise das Landesamt betrogen werde. Einzelheiten der Behandlung, insbesondere Fachbezeichnungen für die durchgeführten therapeutischen Maßnahmen, seien ihm nicht gesondert mitgeteilt worden. Über Arztvisiten und deren Zeitpunkt habe er kein Buch geführt. Die Liquidation der Fa. R...-... habe er daher ohne Bedenken an das Landesamt weitergeleitet; eine Überprüfung der einzelnen Rechnungspositionen habe er nicht vorgenommen, weil er weder mit den Fachbegriffen noch mit den GOÄ-Ziffern etwas habe anfangen können. Im Übrigen sei er davon ausgegangen, dass das Landesamt die Liquidationsgrundlage überprüfen könne und eine ordnungsgemäße Entscheidung treffe. Mit Bescheid vom 06.07.2011 habe das Landesamt diese Überprüfung bestätigt. Er habe diesen Bescheid zum Anlass genommen, um die R... GmbH mit Schreiben vom 10.07.2011 daran zu erinnern, dass nur beihilfefähige Leistungen erbracht und nur solche in Rechnung gestellt werden sollten. Zudem habe er eine neue Abrechnungsübersicht erbeten, die unter dem 15.07.2011 unter Berücksichtigung der Einschränkungen aus dem Beihilfebescheid, der selbst zu tragenden Physiotherapie und der Laborrechnung erstellt worden sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18.12.2015 wies das Landesamt den Widerspruch zurück und verwies auf die Ausgangsentscheidung. Ergänzend wurde dort u.a. ausgeführt: Unabhängig davon, ob Abrechnungsgespräche nun stattgefunden hätten oder nicht, sei anhand des Vergleiches des individuell erstellten Therapieplanes mit der entsprechenden Arztrechnung zu erkennen gewesen, dass die durchgeführten Behandlungen nicht den abgerechneten entsprächen. Kriminalkommissar K... vom Polizeipräsidium K... habe in seinem Schreiben vom 09.06.2015 den Wahrheitsgehalt des Behandlungsplanes bestätigt. Einem Laien ohne Kenntnisse der GOÄ sei zuzumuten, dass er eine Rechnung dahingehend überprüfe, ob die aufgeführten Einzelleistungen und Therapien erbracht worden seien. Ein medizinischer Laie sei auch in der Lage, zu prüfen, ob Visiten, Infusionen, Injektionen, Blutabnahmen und Akupunkturen stattgefunden hätten. Auch die Prüfung der Anzahl der in Rechnung gestellten tiefenpsychologischen Therapien oder verhaltenstherapeutischen Behandlungen erfordere keine medizinischen Fachkenntnisse. Der Kläger habe zudem mit Unterschrift auf dem Beihilfeantrag bestätigt, dass er nachträgliche Preisermäßigungen oder Preisnachlässe auf die Aufwendungen schriftlich anzeige. Dies habe der Kläger unterlassen, nachdem er eine neue Rechnung vom 15.07.2011 erhalten habe. Der Beihilfeberechtigte dürfe nicht die Beihilfe zu der gesamten Rechnung beantragen, wenn er an den Arzt in Wirklichkeit nur denjenigen Betrag zahlen solle, für den er Beihilfe erhalte.
10 
Am 28.01.2016 hat der KIäger Klage erhoben mit dem Ziel, die Aufhebungsentscheidung und den Rückforderungsbetrag auf 1.785,23 EUR zu reduzieren und den Beklagten zur (Rück-)Zahlung von 1.785,23 EUR nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verurteilen. Zur Begründung der Klage hat er zusammengefasst vorgetragen: Die Voraussetzungen für eine Rücknahme der Beihilfegewährung lägen nicht vor. Da es sich letztlich um die Rückzahlung eines bestimmten Geldbetrages handele, der sich wiederum aus einer Summe von einzelnen Rechnungsposten zusammen setze, könne nicht kurzerhand vom Vorliegen einzelner unzutreffender Rechnungsposten auf die Rechtswidrigkeit aller Rechnungsposten geschlossen werden. Der Beklagte hätte daher ermitteln müssen, welche einzelnen Rechnungsposten zu Recht erbracht worden seien und welche nicht. Ein solcher Abgleich sei, wie sich aus dem Schreiben des Polizeipräsidiums K... vom 09.06.2015 an den Beklagte ergebe, auch möglich gewesen, da dem Beklagten der Therapieplan übermittelt worden sei, aus dem sich die beim Kläger tatsächlich durchgeführten Maßnahmen ergäben. Aus der von der Kriminalpolizei zusätzlich übermittelten Excel-Tabelle ergebe sich weiter, dass dem Beklagten im Zusammenhang mit dem Beihilfeantrag des Klägers nur ein Schaden i.H.v. 790,00 EUR entstanden sei. Daraus folge, dass von dem als Beihilfeleistung gezahlten Betrag (i.H.v. 2.575,23 EUR) 1.785,23 EUR mit Rechtsgrund erstattet worden seien. Unabhängig davon habe der Kläger die in der ärztlichen Liquidation enthaltenen Daten mit den sich aus dem Behandlungsplan ergebenden Daten abgeglichen. Danach seien nach GOÄ abrechenbare Leistungen zumindest in Höhe von 784,58 EUR (353,81 EUR + 430,77 EUR) entstanden, weshalb die angefochtenen Bescheide nur insoweit aufzuheben wären. Auf den formalen Aspekt des § 17 Abs. 3 BVO sei in diesem Zusammenhang nicht abzustellen, sondern darauf, inwieweit dem Beklagten tatsächlich ein Schaden entstanden sei. Soweit Beihilfeleistungen zu Unrecht erbracht worden seien, gehe der Beklagte zwar zu Recht davon aus, dass die Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG vorlägen, weil die Beihilfeleistung durch den Beihilfeantrag vom 26.06.2011 „erwirkt“ worden sei. Allerdings unterstelle der Beklagte ihm - dem Kläger - zu Unrecht, er habe die Rechtswidrigkeit der Beihilfegewährung positiv gekannt oder grob fahrlässig nicht gekannt. Bei dem „Abrechnungsgespräch“ am 11.05.2011 um 11.00 Uhr seien nur Daten (welche Krankenkasse, welche LBV, die geleistete Vorauszahlung) abgeglichen worden. Außerdem sei es um die Zahlung der Kurtaxe und um Kosten für Dinge des persönlichen Bedarfs gegangen. Bei dem zweiten Gespräch am 07.06.2011 (nicht wie im Behandlungsplan ausgewiesen am 06.06.2011) sei es um die Abrechnung der am 11.05.2011 besprochenen Kosten gegangen. Zur Abrechnung der Kosten für den Klinikaufenthalt sei ihm von Frau M... lediglich mitgeteilt worden, dass die Rechnung noch nicht fertig sei und ihm zugeschickt werde. Betrügerische Gespräche hätten nie stattgefunden. Er habe auch nicht damit rechnen müssen, dass die Abrechnung manipuliert würde. Die fehlende Kenntnis bzw. grobfahrlässige Unkenntnis des Klägers hätte der Beklagte bei der zu treffenden Ermessensentscheidung nach § 48 Abs. 2 Satz 4 LVwVfG berücksichtigen müssen, was nicht geschehen sei. Im Zeitpunkt der Entscheidung über die Rücknahme habe es wegen des Vorliegens eines Behandlungsplanes und der Möglichkeit, die tatsächlich erbrachten Behandlungsleistungen zu berechnen, genügend Anhaltspunkte für eine Ausnahme von der Bewertungsregel der genannten Vorschrift gegeben. Die notwendige Abwägungsentscheidung unter Berücksichtigung der konkreten Interessenlagen sei aber unterblieben.
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Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat zusammengefasst vorgetragen: Der gesamte Beihilfebetrag sei zurückgefordert worden, denn die Rechnung sei rein fiktiv erstellt worden. Für den Beklagten sei nicht ersichtlich, welche abrechnungsfähigen Behandlungen im Einzelnen tatsächlich stattgefunden hätten. Beihilfe werde gem. § 17 Abs. 3 BVO nur zu Behandlungen gewährt, die durch Belege nachgewiesen seien. Es handele sich um eine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung, wobei es dem Kläger obliege, eine nicht gefälschte Rechnung der R... GmbH vorzulegen. Ein Abgleich der erfundenen, falschen Rechnung mit den tatsächlich erbrachten Leistungen sei dem Landesamt nicht möglich. Auf die Schadensberechnung der Ermittlungsbehörden könne bei der Beurteilung der Rechtswidrigkeit der erbrachten Beihilfeleistungen nicht abgestellt werden, da es sich nur um eine Schätzung handele. Die Gewährung und Auszahlung der Beihilfe aufgrund der falschen Rechnungen sei durch Angaben erwirkt worden, die unrichtig gewesen seien. Die Rechtswidrigkeit des Beihilfebescheides habe der Kläger auch gekannt, denn nach den Feststellungen des Landgerichts R... sei gegenüber den Patienten die Zusicherung abgegeben worden, die Rechnung werde so gestaltet, dass die Kostenträger eine Erstattung vornähmen. Damit habe der Kläger gewusst, dass die eingereichte Rechnung unrichtige Angaben enthalten habe. Unabhängig davon liege bei ihm grob fahrlässige Unkenntnis vor, denn bei der gebotenen Überprüfung der Rechnung hätte sich deren Unrichtigkeit dem Kläger aufdrängen müssen. Für ihn sei ohne weitere Nachforschungen und Rechtskenntnisse erkennbar gewesen, welche Leistungen erbracht worden und welche abgerechnet worden seien. Damit hätte er auch die Abweichung erkennen können. Im Schriftsatz vom 16.12.2015 habe der Kläger selbst ausgeführt, dass er die Rechnungspositionen gar nicht überprüft habe. Die gewährten Beihilfeleistungen habe der Kläger auch nicht verbraucht, denn er habe diese zur Schuldentilgung bei der Klinik eingesetzt. Die Befreiung von dieser Verbindlichkeit sei seinem Vermögen zugewachsen.
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Mit Schriftsatz vom 19.12.2016 hat der Beklagte eine Billigkeitsentscheidung gem. § 15 Abs. 2 LBesG getroffen und im Einzelnen ausgeführt, dass die vorliegenden Umstände weder ein vollständiges noch ein teilweises Absehen von der Rückforderung geböten, denn die Gründe für die Überzahlung lägen ausschließlich in der Sphäre des Klägers. Zahlungserleichterungen seien nicht erforderlich, weil der Kläger den Rückforderungsbetrag vollständig gezahlt habe. Von der Verzinsung des Rückforderungsanspruchs werde allerdings abgesehen.
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Mit Urteil vom 05.04.2017 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Rücknahmeentscheidung des Beklagten sei rechtmäßig, weil die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG vorlägen. Der Beihilfebescheid vom 06.07.2011 sei rechtswidrig, da in der eingereichten Rechnung vom 10.06.2011 in Form einer langen Auflistung zahlreicher ärztlicher Leistungen unter Angabe der GOÄ-Nummern über die gesamte Aufenthaltszeit des Klägers hinweg Leistungen aufgeführt seien, die tatsächlich nicht erbracht worden seien. Die tatsächlich erbrachten Leistungen ergäben sich aus dem Behandlungsplan und enthielten nur ganz vereinzelt zugehörige GOÄ-Ziffern. Ein Großteil der darin aufgeführten Leistungen sei nicht beihilfefähig. Dies ergebe sich zur Überzeugung des Gerichts aus dem Urteil des Landgerichts R... vom 09.02.2015 (2 KLs 31 Js 14206/12), wo im Einzelnen dargestellt sei, wie der verurteilte leitende Arzt der N... Fachklinik durch Angabe fiktiver, plausibler GOÄ-Ziffernketten und das „Einstreuen“ von Gebührenziffern für Spritzen und Visiten verschleiert habe, dass tatsächlich ganz andere Leistungen erbracht worden seien. Die in der Rechnung angegebenen GOÄ-Ziffern seien dabei so gewählt und entsprechend aufgefüllt worden, dass die von der N... Fachklinik intern zugrunde gelegten Preise für einzelne Therapien wie z.B. „Strömen“ und „Aurum Manus“ etc. in der Summe erreicht worden seien. Dies stehe aufgrund des Urteils des Landgerichts fest und werde zu Unrecht bestritten. Die in Rechnung gestellten Leistungen seien nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 3 BVO nicht beihilfefähig. Der Einwand des Klägers, die Rechnung vom 10.06.2011 enthalte auch tatsächlich erbrachte Leistungen, weshalb der Beihilfebescheid teilweise rechtmäßig sei, treffe nicht zu. Bei Zugrundelegung des von der N…-... Fachklinik angewendeten kriminellen Abrechnungssystems gebe es keine sicheren und konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die privatärztlichen Liquidation vom 10.06.2011 auch tatsächlich erbrachte und beihilfefähige Leistungen enthalte. Dies möge so sein, müsse aber nicht zutreffen, da die Liquidation auch zur Gänze aus rein fiktiv aufgeführten GOÄ-Ziffern bestehen könne. Zwar spreche eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass einzelne tatsächlich erbrachte Leistungen in der Rechnung aufgeführt seien. Es sei indessen nicht möglich, diese im Einzelnen zweifelsfrei zu identifizieren. Die vorliegenden Unterlagen, insbesondere der Therapieplan ließen dies nicht nachvollziehbar zu. Die Liquidation vom 10.06.2011 sei daher insgesamt kein zum Nachweis geeigneter Beleg i.S.d. § 17 Abs. 3 Satz 1 BVO. Der Beklagte sei zu Recht davon ausgegangen, dass den Rechnungen insgesamt die Erstattungsfähigkeit fehle. Eine korrigierte und nunmehr den Tatsachen entsprechende Abrechnung habe der Kläger nicht vorgelegt. Den im Urteil des LG R... erwähnten Schadensbetrag i.H.v. 790 EUR könne man hier nicht zugrunde legen. Denn hierbei handele es sich um eine Schätzung, welche zugunsten des Angeklagten den nachweisbaren Mindestbetrag des Schadens pauschaliert angebe. Der tatsächlich angerichtete Schaden sei weitaus höher.
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Auf schutzwürdiges Vertrauen i.S.d. § 48 Abs. 2 Satz 2 LVwVfG könne der Kläger sich nicht berufen. Er habe den Verwaltungsakt durch unrichtige Angaben i.S.v. § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG erwirkt. Für diesen Ausschlusstatbestand sei nicht Voraussetzung, dass der Betroffene die Unrichtigkeit der von ihm vorgelegten Unterlagen kenne; auch auf ein Verschulden komme es nicht an. Zudem lägen die Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 LVwVfG vor, denn der Kläger habe die Rechtswidrigkeit des Beihilfebescheides vom 06.07.2011 infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt. Er habe -unter Anlegung des bei Beamten aufgrund der Treuepflicht anzuwendenden erhöhten Sorgfaltsmaßstabs - seine Sorgfaltspflichten in besonders hohem Maße verletzt. Durch einen einfachen Vergleich der bei ihm erbrachten Leistungen mit den privatärztlichen Liquidationen hätte er auf den ersten Blick erkennen können und müssen, dass nicht die im Behandlungsplan ausgewiesenen Leistungen abgerechnet worden seien. Hierauf hätte der Kläger den Beklagten hinweisen müssen. Bei Parallelwertung in der Laiensphäre hätte ihm auch klar sein müssen, dass ein Verwaltungsakt, der auf in wesentlicher Hinsicht unrichtigen Angaben beruhe, nicht rechtmäßig sein könne.
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Die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 LVwVfG sei eingehalten. Die Frist beginne mit der Kenntnis des Landesamts von dem die Rücknahme rechtfertigenden Sachverhalt. Kenntnis in diesem Sinne habe das Landesamt wohl erst mit der am 17.02.2015 eingetretenen Rechtskraft des Urteils des Landgerichts R... gehabt. Nichts anderes ergebe sich, wenn man die erste Unterrichtung des Landesamts durch die E-Mail der Kriminaldirektion F...-... vom 01.12.2014 zugrunde lege. Ermessensfehler bei der Rücknahmeentscheidung seien nicht erkennbar. Mit Blick auf den fehlenden Vertrauensschutz sei regelmäßig eine Ermessensreduktion in Richtung einer Rücknahme auch für die Vergangenheit anzunehmen, wenn für einen Ausnahmefall nichts ersichtlich sei. Entgegen der Auffassung des Klägers ergebe sich kein Ausnahmefall daraus, dass der im Urteil des Landgerichts R... für den Fall des Klägers angeführte Schaden wesentlich niedriger sei als die gewährte Beihilfe. Im Übrigen habe das Landesamt sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt, indem es auf die wirtschaftlichen Auswirkungen, die Rechtmäßigkeit der Verwaltung und das allgemeine fiskalische Interesse an einer Vermeidung nicht gerechtfertigter öffentlicher Ausgaben abgestellt habe.
16 
Die Rückforderungsentscheidung nach § 49a Abs. 1 Satz 1 LVwVfG sei ebenfalls rechtmäßig. Die Bereicherungsvorschriften des BGB stünden dem Rückforderungsverlangen nicht entgegen, wobei offen bleiben könne, ob der Kläger gemäß § 818 Abs. 3 BGB entreichert sei. Denn gem. § 49 Abs. 2 Satz 2 LVwVfG könne er sich auf den Entreicherungseinwand nicht berufen, weil er die zur Rücknahme des Beihilfebescheides führenden Umstände infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt habe. Soweit nach der Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg bei der Rückforderung nach § 49a LVwVfG den Anforderungen des Berufsbeamtentums Rechnung getragen werden müsse, sei dies der Fall. Der Beklagte habe - im Wege zulässiger Ergänzung der Ermessenserwägungen gem. § 114 Satz 2 VwGO - das Ob und Wie des Erstattungsverlangens geprüft und auf eine Zinsforderung verzichtet. Ermessensfehlerfrei habe das Landesamt ein vollständiges oder teilweises Absehen von einer Rückforderung abgelehnt.
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Gegen das ihm am 24.04.2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 10.05.2017 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er vor: Der Beihilfebescheid vom 06.07.2011 sei entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts teilweise rechtmäßig, denn aus dem für den Kläger erstellten Behandlungsplan ergebe sich - auch nach den Ermittlungen der Kriminalpolizei, z.B. ausweislich des Schreibens des Polizeipräsidiums K... vom 09.06.2015 - zweifelsfrei, welche Behandlungen in seinem Falle tatsächlich erbracht worden seien. Diese ließen sich den in der Rechnung korrespondierenden Leistungen zuordnen, die nach GOÄ abrechenbar seien und insoweit auch gem. § 17 Abs. 3 Satz 1 BVO nachgewiesen seien. Zwar habe die jetzige Betreiberin der Klinik, die A...-... U..., ausweislich ihres Schreibens vom 19.05.2017 die Ausstellung einer korrigierten Rechnung abgelehnt und sei eine direkte Zuordnung der nach Therapieplan erbrachten Leistungen zu den einzelnen Rechnungsposten zumindest zum Teil nicht möglich, dies ändere aber nichts daran, dass die Leistungen erbracht und zu Recht in Rechnung gestellt worden seien. Daher hätte die Rechnung vom 10.06.2011 nicht insgesamt als rein fiktiv angesehen dürfen, sondern auf die Rechtmäßigkeit der Einzelpositionen abgestellt werden müssen. Aus dem vom Kläger selbst durchgeführten Abgleich ergebe sich unter Berücksichtigung des von der Polizei ermittelten Schadensbetrages i.H.v. 790 EUR, dass insgesamt 1.222,15 EUR (868,23 EUR + 353,81 EUR) an Beihilfeleistungen rechtmäßig erbracht worden seien und die Beihilfegewährung insoweit nicht hätte zurückgenommen werden dürfen. Der Beklagte habe auch sein Rücknahmeermessen nicht fehlerfrei ausgeübt. Zwar müsse davon ausgegangen werden, dass die Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG vorlägen, weil der Kläger durch seinen in Teilen unrichtigen Beihilfeantrag den Beihilfebescheid erwirkt habe. Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 LVwVfG lägen aber nicht vor. Denn der Kläger habe keine Veranlassung gehabt, Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abrechnung vom 10.06.2011 zu hegen. Gespräche mit Vertretern der Klinik über die Abrechnungsmanipulation hätten nicht stattgefunden. Über die zahlreich bei ihm durchgeführten Behandlungen und Visiten habe er nicht Buch geführt und deren Notwendigkeit auch nicht hinterfragen müssen. Ihm sei auch nicht bekannt gewesen, was unter den genannten Leistungen, wie z. B. „Dornbreuss“, „Craniosacral-Therapie“ oder „Aurum Manus“ zu verstehen gewesen sei. Für ihn sei entscheidend gewesen, dass die durchgeführten Behandlungen und Therapien gut getan hätten. Als mit der GOÄ nicht vertrauter Laie habe er ärztliche Rechnungen auch nur schwer verifizieren können. Auch dass die Behandlerin G... keine Therapeutin gewesen sei und die von ihr erbrachten Leistungen aus diesem Grund nicht abrechenbar gewesen seien, habe er nicht gewusst. Wenn lediglich die in § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG genannte Konstellation vorliege, könne nicht automatisch ein Regelfall für die Rücknahme i.S.v. § 48 Abs. 2 Satz 4 LVwVfG angenommen werden, sondern seien die Hürden für die Annahme eines Ausnahmefalles geringer und müsse geprüft werden, ob der Unrechtsgehalt, der mit einem Fall des § 48 Abs. 2 Satz 3 LVwVfG typischerweise verbunden sei, wegen der Besonderheiten des Einzelfalles überhaupt noch vorliege. Dies sei hier nicht der Fall, da die Rechnung vom 10.06.2011 sich aus fast 300 Rechnungspositionen zusammensetze, die auf ihre Richtigkeit zu überprüfen seien. Es entspreche der gängigen Praxis des Beklagten, bei Nichtabrechenbarkeit einzelner Rechnungspositionen nur insoweit eine Beihilfegewährung zu verweigern und nicht die Gesamtrechnung abzulehnen. Hier hätte der Beklagte die mögliche und gebotene Einzelprüfung durchführen können und müssen. Da dies unterblieben sei, wäre der Beklagte nach § 48 Abs. 2 Satz 4 LVwVfG verpflichtet gewesen, sein Ermessen umfassend auszuüben. Der Verweis auf das intendierte Ermessen reiche jedenfalls nicht aus, weil der Beklagte bei einer Einzelprüfung der Rechnungspositionen zu dem Ergebnis hätte kommen müssen, dass die Rechnung allenfalls in Höhe von 1.373,08 EUR (790,00 EUR + 583,08 EUR) unrichtig sei und der Bescheid nur insoweit hätte zurückgenommen werden dürfen. Wenn davon auszugehen sein sollte, dass der ermittelte Betrag i.H.v. 868,34 EUR nicht rechtmäßig erstattet worden sei, ändere dies nichts, denn bei richtiger Abwägung der widerstreitenden Interessenlagen hätte der Beklagte dann zwangsläufig zu dem Ergebnis kommen müssen, dass insoweit als bei ihm kein Schaden entstanden sei, also i.H.v. 868,34 EUR, das öffentliche Interesse an der Vermeidung ungerechtfertigter Ausgaben nicht verletzt werde. Auch die Rückforderungsentscheidung sei allenfalls zum Teil rechtmäßig, da die Rückforderung nur in Höhe von 1.353,20 EUR (2.575,23 EUR - 1.222,03 EUR) berechtigt sei. Unabhängig davon sei der Kläger entreichert, da er die erstattete Beihilfe zur Begleichung der Klinikrechnung verwendet habe. Die in § 49a Abs. 2 LVwVfG genannten Umstände habe er nicht gekannt und auch nicht in grob fahrlässiger Weise nicht gekannt. Die vom Beklagten nachträglich zu § 15 Abs. 2 LBesG getroffene Billigkeitsentscheidung sei rechtswidrig. Sie hätte nicht gem. § 114 Satz 2 VwGO im gerichtlichen Verfahren nachgeschoben werden dürfen, weil schon vorgerichtlich keine Ermessensausübung stattgefunden habe. Die Anfechtung der Rückforderung werde insgesamt auf den Betrag von 1.785,23 EUR (2.575,23 EUR - 790 EUR) beschränkt. Rechtsgrundlage für die geltend gemachte Erstattung (beschränkt auf 1.785,23 EUR) sei der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch, dessen Voraussetzungen hier erfüllt seien, denn in der geltend gemachten Höhe sei die Vermögensverschiebung zugunsten des Beklagten rechtsgrundlos erfolgt. Der Zinsanspruch ergebe sich aus § 291 ZPO i.V.m. §§ 288 Abs. 2 und 14 BGB.
18 
Der Kläger beantragt,
19 
1. das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 05.04.2017 - 12 K 473/16 - zu ändern und Ziffern 1 und 2 des Bescheids des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 02.10.2015 in Gestalt dessen Widerspruchsbescheids vom 18.12.2015 insoweit aufzuheben als der Beihilfebescheid in Höhe eines Betrages bis 1.785,23 EUR zurückgenommen und dieser Betrag zurückgefordert wurde,
20 
2. den Beklagten verurteilen, an den Kläger 1.785,23 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen,
21 
3. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
22 
Der Beklagte beantragt,
23 
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
24 
Er verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vorbringens. Ergänzend führt er aus: Soweit der Kläger auf das Urteil des Landgerichts R... vom 09.02.2015 und den dort erwähnten Schaden des Beklagten von 790 EUR verweise, sei dem entgegenzuhalten, dass im Ermittlungsverfahren kein abschließender Schaden in dieser Höhe festgestellt worden sei. Ausweislich S. 4 und 14 des Urteils seien die Ermittlungen und Schadensberechnungen auf die dort explizit aufgelisteten Behandlungen beschränkt worden, so dass die Feststellungen zum jeweiligen Schaden auf Schätzungen beruhten. Selbst wenn vereinzelte, in den Rechnungen angeführte Leistungen tatsächlich erbracht worden seien, ändere dies nichts daran, dass die Aufwendungen nicht durch Belege nachgewiesen seien. Ein Nachweis durch Beleg sei aber konstitutive Tatbestandsvoraussetzung für die Beihilfegewährung. Hinzu komme, dass der Kläger bezüglich der tatsächlich erbrachten Leistungen zu keinem Zeitpunkt einen Beihilfeantrag gestellt habe. Der Kläger habe die Beihilfeleistungen durch unrichtige Angaben erwirkt und die Rechtswidrigkeit des Beihilfebescheides zudem grob fahrlässig nicht gekannt. Auch wenn nicht jeder Beamte in der Lage sei, die GOÄ-Ziffern zu „lesen“ und diese zu überprüfen, so müsse wenigstens eine Plausibilitätskontrolle erfolgen. Eine solche sei möglich, weil die Rechnungen nicht nur die „reinen“ GOÄ-Ziffern, sondern zumindest stichwortartig auch die erbrachten Leistungen angäben. Daran gemessen hätte der Kläger Veranlassung gehabt, der Rechnung zu misstrauen. Denn er hätte durch einen Vergleich seines Behandlungsplans mit der privatärztlichen Liquidation auf den ersten Blick erkennen können und müssen, dass die im Behandlungsplan genannten Leistungen wie z.B. „Kraft der Stimme“, „Alexander Technik“, „Facial Harmony“, „Heiße Steine“ und „Softpack Kreidepackung“ nicht abgerechnet und dass die in der privatärztlichen Liquidation aufgeführten Leistungen tatsächlich nicht erbracht worden seien. Hierauf hätte der Kläger das Landesamt hinweisen müssen. Mit Blick auf den fehlenden Vertrauensschutz sei regelmäßig eine Ermessensreduktion in Richtung einer Rücknahme auch für die Vergangenheit anzunehmen, wenn - wie hier - für einen Ausnahmefall nichts ersichtlich sei.
25 
Die Rückforderungsentscheidung sei ebenfalls rechtmäßig. Nach § 15 Abs. 2 S. 1 LBesG i.V.m. §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4 BGB und § 15 Abs. 2 Satz 2 LBesG könne sich der Kläger auf den Wegfall der Bereicherung nicht berufen, weil in Bezug auf die gewährte Beihilfezahlung der Mangel des rechtlichen Grundes so offensichtlich gewesen sei, dass der Kläger ihn hätte erkennen können. Die gewährte Beihilfe sei auch nicht verbraucht i.S.v. § 818 Abs. 3 BGB, denn im vorliegenden Fall sei eine Bereicherung bestehen geblieben. Die mit dem Abschluss des Behandlungsvertrages verbundene Vermögensdisposition des Klägers könne durch eine Rückforderung bei der Klinik rückgängig gemacht werden. Der Behandlungsvertrag mit der Klinik sei aufgrund Sittenwidrigkeit ex tunc nichtig. Dem Kläger stehe damit ein Rückforderungsanspruch gegen die Klinik zu. Dieser Anspruch könne auch noch realisiert werden, da die Klinik in rechtlicher Hinsicht fortbestehe. Es sei auch nicht substantiiert dargelegt worden, dass die streitige Geldsumme zur allgemeinen Lebenshaltung ausgegeben worden sei. Dies wäre aus beihilferechtlicher Sicht zudem irrelevant, da die zum Verbrauch im Rahmen allgemeiner Lebensführung ergangene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 26.04.2012 - 2 C 4.11 -, juris ) auf zweckgebunden erbrachte Beihilfeleistungen nicht übertragbar sei. Die nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs erforderliche Billigkeitsentscheidung nach § 15 Abs. 2 LBesG sei während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nach § 114 Satz 2 VwGO in zulässiger Weise nachgeschoben worden, da sich die Notwendigkeit einer Ermessensentscheidung aufgrund des Bekanntwerdens der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes erst nach Klageerhebung herausgestellt habe.
26 
Mit Schriftsätzen vom 07.08.2017, 05.12.2017 und 11.12.2017 hat der Kläger ergänzend geltend gemacht: Einen Abgleich des Behandlungsplanes mit der privatärztlichen Liquidation vom 10.06.2017 habe er nicht vornehmen können, da ihm der Behandlungsplan erstmals im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens vorgelegt worden sei. Während des Klinikaufenthalts habe er lediglich eine wöchentliche Übersicht über die geplanten Behandlungen erhalten, die z.T. täglich durch neue Versionen ersetzt worden sei. Er habe keine Notwendigkeit gesehen, diese Zettel aufzubewahren. Bei der Ausübung pflichtgemäßen Ermessens im Rahmen des § 48 Abs. 2 Satz 4 LVwVfG und des § 15 Abs. 2 LBesG hätte der Beklagte jeweils auch die Höhe des ihm entstandenen Schadens berücksichtigen müssen. Nach Auskunft der Klinikleitung habe der Beklagte am 19.01.2017 mit der A... U... inzwischen einen Vergleich abgeschlossen, mit dem u.a. auch ein durch Gewährung von Beihilfen entstandener Schaden ausgeglichen werden solle. Dieser Umstand sei hier auch berücksichtigungsfähig, weil die Sach- und Rechtslage nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zu beurteilen sei. Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten habe der Kläger die Beihilfeleistungen i.S.v. § 818 Abs. 3 BGB verbraucht. Rückforderungsansprüche könne er nicht mit Erfolg gegen Dr. M... durchsetzen, weil dieser nach dem Kenntnisstand des Klägers insolvent sei.
27 
Die Akten des Beklagten und die Gerichtsakte des Verwaltungsgerichts Stuttgart waren Gegenstand des Verfahrens. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird hierauf, auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 26.01.2018 verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
28 
Die zulässige Berufung ist in dem aus dem Entscheidungstenor ersichtlichen Umfang teilweise begründet. Das Verwaltungsgericht hat zwar die Anfechtungsklage des Klägers gegen die vom Landesamt unter Ziffer 1 des Bescheides vom 02.10.2015 verfügte Teilrücknahme in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.12.2015 zu Recht abgewiesen. Denn insoweit ist der Bescheid rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, dazu I.). Dagegen erweist sich die ergangene Rückforderungsentscheidung (Nr. 2 des Bescheides vom 02.10.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.12.2015) in dem vom Kläger angefochtenen Umfang als rechtswidrig. Insoweit waren die angefochtenen Bescheide aufzuheben und das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern (dazu II.). Da der Kläger den zurückgeforderten Betrag in dem angefochtenen Umfang bereits vollständig an den Beklagten bezahlt hat, steht ihm insoweit ein Anspruch auf Erstattung gegenüber dem Beklagten zu (dazu III.).
I.
29 
Rechtsgrundlage für die von dem Beklagten vorgenommene (Teil)Rücknahme ist § 48 Abs. 1 LVwVfG. Danach kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen werden (Abs. 1 Satz 1). Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt kann nach Abs. 1 Satz 2 LVwVfG allerdings nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden. Diese Voraussetzungen liegen hier vor:
30 
1. Der unanfechtbar gewordene Beihilfebescheid vom 06.07.2011 ist in Bezug auf die zu den Rechnungen der R... GmbH gewährte Beihilfe und damit im Umfang seiner Rücknahme rechtswidrig, denn für die dort im Einzelnen aufgeführten Leistungen lagen die Voraussetzungen für die Gewährung einer Beihilfe von vornherein nicht vor. Maßgebend für die Beihilfegewährung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen, für die Beihilfe verlangt wird (BVerwG, Urteil vom 23.04.2015 - 5 C 2.14 -, juris Rdnr. 10; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24.03.2017 - 2 S 701/16 -, juris Rdnr. 26). Da es vorliegend um Aufwendungen für Leistungen geht, die während des stationären Aufenthalts des Klägers in der Zeit vom 10.05.2011 bis 07.06.2011 in der N... Fachklinik erbracht worden sein sollen, ist die Verordnung des Finanzministeriums über die Gewährung einer Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen vom 28.07.1995 (GBl. 1995, 561) in der im Sommer 2011 gültigen Fassung anzuwenden (im Folgenden: BVO). Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO sind Aufwendungen nach den folgenden Vorschriften beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. § 6 BVO enthält nähere Vorschriften über die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen bei Krankheit und bestimmt, dass aus Anlass einer Krankheit Aufwendungen nur für „gesondert erbrachte und berechnete“ Leistungen (§ 6 Abs. 1 Nr. 1), Arznei- und Verbandmittel (§ 6 Abs. 1 Nr. 2) sowie Heilbehandlungen (§ 6 Abs. 1 Nr. 3) beihilfefähig sind. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BVO wird Beihilfe nur auf schriftlichen Antrag eines Beihilfeberechtigten gewährt; nach § 17 Abs. 3 Satz 1 BVO setzt die Beihilfegewährung weiter voraus, dass die geltend gemachten Aufwendungen durch Belege nachgewiesen sind.
31 
a) Hier hat der Kläger mit Vorlage der Rechnung vom 10.06.2011 nicht den notwendigen Nachweis dafür erbracht, dass die darin dokumentierten belegärztlichen Leistungen auch tatsächlich erbracht wurden. Denn die Rechnung beruht auf einer betrügerischen Abrechnungspraxis des leitenden Arztes der N... Fachklinik und der Abrechnungsstelle R... GmbH. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus den Feststellungen des Landgerichts R... in dem Urteil vom 09.02.2015 (Az.: 2 KLs 31 Js 14206/12). Der Senat hat keine Veranlassung, an der Richtigkeit dieser Feststellungen zu zweifeln, zumal auch der Kläger im vorliegenden Berufungsverfahren keine Anhaltspunkte für solche Zweifel benannt hat, sondern selbst konzediert, dass der Beihilfebescheid, soweit er sich auf in der privatärztlichen Liquidation vom 10.06.2011 abgerechnete, aber tatsächlich nicht erbrachte Leistungen bezieht, rechtswidrig war. Das Landgericht hat in seinem Urteil (insb. auf S. 9, 10, 12, 18 und 19) ausgeführt, dass der leitende Arzt der N... Fachklinik, Dr. M..., in seiner Klinikgruppe eine Vielzahl von Behandlungen angeboten hatte, die von Kostenträgern u.a. als „medizinische Wellness“ oder Esoterik gewertet und deshalb als medizinisch nicht notwendig und nicht erstattungsfähig angesehen werden. Über die von ihm faktisch geleitete Abrechnungsstelle R... GmbH habe Dr. M... in der Zeit von 2009 bis Anfang 2013 systematisch Behandlungsleistungen in den zur Abrechnung mit den Krankenversicherungen und Beihilfestellen bestimmten Rechnungen falsch deklariert, um - teils unter Mitwirkung der Patienten - den Kostenträgern eine Abrechenbarkeit der Behandlung vorzuspiegeln und so eine Bezahlung zu erreichen. Zu diesem Zweck habe Dr. M... beschlossen, nach der Gebührenordnung nicht abrechenbare Behandlungen in den für die Abrechnung mit den Kostenträgern bestimmten Rechnungen als von ihm nach dem Gebührenverzeichnis der GOÄ erbrachte Wahlarztleistung zu deklarieren, wobei er die - angeblich erbrachte - Leistung so bestimmt habe, dass die hierfür von ihm angesetzten Gebührensätze der GOÄ ungefähr den Betrag erreicht hätten, zu dem er selbst die Behandlungen gegenüber den Patienten angeboten habe. Nach den Feststellungen des Landgerichts tüftelte der leitende Arzt aus, welche Gebührensätze in der Addition für eine Behandlung in einem Krankenhaus oder einem Sanatorium für Psychosomatik plausibel erschienen und den von ihm gewünschten Betrag ergäben. Soweit die Addition von Gebührensätzen nicht genügt habe, um den von ihm gewünschten Betrag zu erreichen, was regelmäßig der Fall gewesen sei, habe er Visiten oder die Verabreichung von Spritzen fingiert. Die Mitarbeiter der Abrechnungsstelle habe er - zumindest konkludent - angewiesen, die in den Therapiezetteln und in dem elektronischen Therapieplanungsprogramm MAMP eingetragenen, tatsächlich durchgeführten Behandlungen im Abrechnungsprogramm DOC-Concept als wahlärztliche Leistungen zu deklarieren, indem die im Therapieplan enthaltenen Kürzel nunmehr mit den im Abrechnungsprogramm DOC-Concept bereits enthaltenen fingierten Gebührenketten angelegt worden seien. Die auf diese Weise erstellte Wahlarztrechnung sei in aufwendiger Einzelarbeit kontrolliert und überarbeitet worden, um einzelne, nebeneinander oder gehäuft erscheinende GOÄ-Ziffern manuell durch in der Summe vergleichbare Gebühren oder Gebührenketten zu ersetzen. Nach den Feststellungen des Landgerichts (Urteil S. 22 und 142) wurde auf die dargestellte Weise auch im Falle des Klägers verfahren. Denn auf S. 114 des Urteils sind auf den Klinikaufenthalt des Klägers vom 10.05.2011 bis 07.06.2011 bezogene Abrechnungen vom 10.06.2011 als „Fall 385 der Anklage“ aufgeführt. Der Kläger bestreitet im Klage- und Berufungsverfahren auch gar nicht, dass in der Rechnung nicht beihilfefähige Leistungen als beihilfefähig abgerechnet werden.
32 
Die damit auch im Falle des Klägers anzunehmende betrügerische Abrechnung tatsächlich nicht erbrachter Leistungen in der Rechnung vom 10.06.2011 hat zur Konsequenz, dass dieser Beleg von vorneherein nicht mehr geeignet ist, einen Nachweis für getätigte Aufwendungen i.S.v. § 17 Abs. 3 BVO zu erbringen. Denn beihilfefähige Aufwendungen müssen, wie sich allgemein aus § 5 Abs. 2 Satz 2 BVO und speziell in Bezug auf Aufwendungen bei Krankheit aus § 6 Abs. 1 BVO ergibt, tatsächlich erbracht und in der konkret erbrachten Form auch nachgewiesen sein (vgl. Keufer/Hellstern/ Zimmermann, Beihilfevorschriften Baden-Württemberg, § 6 BVO, S. 11). Dies ist hier nicht der Fall. Es kann offen bleiben, ob die nach dem vorliegenden Behandlungsplan - und den Schilderungen des Klägers - tatsächlich erbrachten Leistungen (z.B. „Dornbreuss“ , „Craniosacral-Therapie“, „Softpack Kreidepackung“, „Strömen“, „Biografie Arbeit“, „Körp-Seele-Int(Trager)“, „Aurum Manus“, „Kraft der Stimme“, „TP: Alexander Technik“, „Heiße Steine“, „Facial Harmony“, „Walking Gruppe B“) sich mit den abgerechneten GOÄ-Ziffern im weitesten Sinn noch in Einklang bringen lassen (z.B. die am 12.05. 2011 im Behandlungsplan benannte manuelle Wirbelsäulentherapie nach Dorn/Breuss dem abgerechneten „chirotherapeutischen Eingriff an der Wirbelsäule“, die am 12.05.2011 und am 31.05.2011 durchgeführte manuelle Craniosacraltherapie der unter demselben Datum abgerechneten „krankengymnastischen Ganzbehandlung“ bzw. „chirotherapeutischen Wirbelsäulenbehandlung“, die am 17.05.2011 durchgeführte „Biografie-Arbeit“ der unter demselben Datum abgerechneten „psychotherapeutischen Einzelbehandlung“) oder ob die Abrechnung vom 10.06.2011 allein schon deshalb zum Nachweis nicht geeignet ist, weil die tatsächlich erbrachten Leistungen dort nicht in der konkret erbrachten Form benannt werden. Denn bei allen abgerechneten Leistungen, selbst bei denen, die wie z.B. das mit dem Arzt am 23.05.2011 geführte „psych. Gespräch“ sowohl im Behandlungsplan aufgeführt als auch in der Rechnung benannt und abgerechnet werden, ist aufgrund der geschilderten Abrechnungspraxis völlig unklar, ob sie sich korrekt auf eine tatsächlich erbrachte Leistung beziehen oder nicht vielmehr als Teil des vom abrechnenden Arzt im Ergebnis gewünschten Rechnungsbetrages manipuliert wurden.
33 
Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers ergibt sich weder aus dem Schreiben des Polizeipräsidiums K... vom 09.06.2015 noch aus den Feststellungen des Landgerichts R... in dem Urteil vom 09.02.2015, dass in seinem Falle der der Beihilfestelle entstandene Schaden nur 790 EUR beträgt und folglich nur in dieser Höhe Beihilfeleistungen rechtswidrig erbracht worden sind. Hinsichtlich des durch den Abrechnungsbetrug entstandenen Schadens hat das Landgericht auf S. 4 seines Urteils ausgeführt, dass die Feststellungen auf einer Schätzung beruhen, deren Grundlage die von der Polizei erhobenen und akribisch ausgewerteten Daten zu den in Therapieplänen ausgewerteten Einzelbehandlungen bilde. Mangels Detailaufklärung, ob die rund 35.000 verfahrensgegenständlichen Einzelbehandlungen allesamt tatsächlich in die Rechnung eingestellt und wie sie dort eingeflossen sind, ist das Landgericht zugunsten des Angeklagten Dr. M... von „vorsorglichen Annahmen“ ausgegangen. Diese vorsorglichen Annahmen sind in Bezug auf die hier relevante Frage, in welcher Höhe gegenüber dem Kläger tatsächlich abrechenbare Leistungen erbracht wurden, ohne Aussagewert. Hinzu kommt, dass sich der vom Kläger als vermeintlicher Schaden herangezogene Betrag von 790,00 EUR in dem Urteil des Landgerichts R... (S. 114) in Spalte 12 findet. Ausweislich der Erläuterungen auf S. 22 (3. und 4. Absatz) und 163 (4. Absatz) des Urteils ist in Spalte 12 lediglich der Betrag aufgeführt, welcher der Beihilfestelle als (von dieser zu tragender) Rechnungsbetrag „übermittelt“ wurde. Ein brauchbarer tatsächlicher Anhaltspunkt dafür, in welcher genauen Höhe die Beihilfestelle auf tatsächlich nicht erbrachte, vermeintlich beihilfefähige Leistungen - unter Abzug tatsächlich erbrachter und beihilfefähiger Leistungen - letztlich zu Unrecht Beihilfeleistungen gewährt hat, ergibt sich hieraus nicht, zumal mit Blick auf die von der GOÄ eingeräumten Spielräume bei der Bemessung des Gebührensatzes auch völlig offen ist, wie die tatsächlich erbrachten Leistungen abgerechnet worden wären. Aus denselben Gründen führen auch die Ausführungen des Polizeipräsidiums K... in dem Schreiben vom 09.06.2015 zur Möglichkeit einer patientenbezogenen Schadensermittlung nicht weiter. Unabhängig davon fehlte es in Bezug auf solche Leistungen, die nach Auffassung der Klägerseite konkret erbracht wurden und als solche beihilfefähig sind, in jedem Fall an dem beihilferechtlich notwendigen Nachweis.
34 
b) Den ihm obliegenden Nachweis erbrachter Aufwendungen i.S.v. § 17 Abs. 3 BVO hat der Kläger auch nicht mit Vorlage einer nachträglich erstellten Abrechnung zu führen vermocht. Eine „korrigierte“ weitere Rechnung hat er von der Fa. R... GmbH nicht erhalten. In der mündlichen Verhandlung am 26.01.2017 hat der Kläger hierzu vorgetragen, zwar hätten sich in Bezug auf eine Krankenhausrechnung vom 08.06.2011 noch nachträgliche Änderungen ergeben, nicht aber in Bezug auf die hier streitgegenständliche Rechnung vom 10.06.2011. Ausweislich des vorliegenden Schreibens vom 19.05.2017 hat er sich an die A... U... als Funktionsnachfolgerin der N... Klinikgruppe gewandt mit der Bitte, ihm hinsichtlich der tatsächlich erbrachten Leistungen eine korrigierte Rechnung zukommen zu lassen. Der A... U... sei es jedoch aus buchhalterischen Gründen nicht mehr möglich, für die lange zurückliegende Zeit eine Rechnung auszustellen. Unabhängig davon hat der Kläger in Bezug auf die tatsächlich erbrachten Leistungen bis heute gar keinen Beihilfeantrag gestellt. Dies wäre aber erforderlich gewesen, denn nach § 17 Abs. 1 BVO wird die Beihilfe nur auf schriftlichen Antrag des Beihilfeberechtigten gewährt. In dem Antrag sind die beihilfefähigen Aufwendungen - unter Vorlage von Belegen i.S.v. § 17 Abs. 3 BVO - zu bezeichnen. Hieran fehlt es. Es war auch nicht Sache des Landesamts, aus der eingereichten, nicht zum Nachweis geeigneten Rechnung vom 10.06.2011 von Amts wegen solche einzelnen Leistungspositionen herauszudestillieren, die trotz der anzunehmenden betrügerischen Abrechnung tatsächlich erbracht wurden und unter irgendeinem Gesichtspunkt beihilfefähig sein könnten. Vielmehr obliegt es nach § 17 Abs. 1 und Abs. 3 BVO dem Beihilfeantragsteller, dann, wenn - wie hier -Zweifel an der Richtigkeit der Abrechnung auftreten, rechtzeitig (v.a. vor Ablauf der Antragsfrist des § 17 Abs. 9 BVO) eine korrigierte Rechnung vorzulegen. Gelingt dies nicht, so geht dies zu seinen Lasten (Senatsurteil vom 16.11.2017 - 2 S 1276/17 -, juris).
35 
Fehlt es damit nicht nur in Bezug auf die in der Rechnung vom 10.06.2011 genannten und betrügerisch abgerechneten Leistungen, sondern auch in Bezug auf die nach Rechtsauffassung des Klägers tatsächlich erbrachten und zugleich beihilfefähigen Leistungen an dem notwendigen Nachweis durch Vorlage von Belegen, so lagen - und liegen - die Voraussetzungen für die Gewährung einer Beihilfe i.H.v. 2.575,22 EUR nicht vor. Der Bescheid des Landesamts vom 02.10.2015 ist daher im Umfang der verfügten Rücknahme - und damit auch in dem vom Kläger angefochtenen Umfang - rechtswidrig.
36 
2. Schutzwürdiges Vertrauen des Klägers steht der (Teil-)Rücknahme des Bescheides vom 06.07.2011 hier nicht entgegen. Nach § 48 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG darf ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. § 48 Abs. 2 Satz 3 LVwVfG enthält nähere Vorgaben zur Schutzwürdigkeit des Vertrauens. Auf schutzwürdiges Vertrauen kann sich der Kläger hier aber nicht berufen, weil die Voraussetzungen von § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG vorliegend erfüllt sind. Denn der Kläger hat den Leistungsbescheid durch Angaben erwirkt, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren, indem er die Arztrechnung vom 10.06.2011 ohne weitere Kommentierung eingereicht, die Richtigkeit seiner Angaben versichert und damit zum Ausdruck gebracht hat, die konkret abgerechneten medizinischen Leistungen seien erbracht worden. Die entsprechenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts hat der Kläger im Berufungsverfahren nicht in Zweifel gezogen und zudem in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat selbst bestätigt, dass er den Beihilfeantrag vom 26.06.2011 gestellt und eigenhändig unterschrieben habe. Der Senat hat daher keinen Zweifel daran, dass der Kläger gerade auch die -auf jedem Beihilfeantrag des Beklagten vorformulierte und vorgegebene - Versicherung der Richtigkeit seiner Angaben unterschrieben hat, auch wenn der Originalantrag vom 26.06.2011 von dem Beklagten inzwischen vernichtet wurde und nicht mehr vorgelegt werden konnte. Auf die Frage eines Verschuldens kommt es im Rahmen des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG nicht an (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.08.2015 - 2 S 384/14 -, juris Rdnr. 30; BVerwG, Urteil vom 28.06.2012 - 2 C 13.11 -, juris). Vielmehr reicht es in diesem Zusammenhang aus, dass der Begünstigte die Fehlerhaftigkeit des Verwaltungsaktes durch eine in seinem Verantwortungsbereich liegende Handlung kausal hervorgerufen hat. Diese Kausalität liegt hier vor, denn ohne die von dem Kläger eingereichte Rechnung - welche als für die Beihilfegewährung erforderlicher Nachweis i.S.v. § 17 Abs. 3 Satz 1 BVO vorgelegt wurde -hätte das Landesamt die Beihilfe nicht wie geschehen antragsgemäß gewährt.
37 
3. Die Rücknahmeentscheidung des Beklagten ist innerhalb der Jahresfrist des § 48 Abs. 4 LVwVfG ergangen. Dies hat das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt. Insoweit kann der Senat auf die zutreffende Begründung des Verwaltungsgerichts in der angefochtenen Entscheidung verweisen (§§ 125 Abs. 1, 117 Abs. 5 VwGO), zumal der Kläger diesbezüglich im Berufungsverfahren keine Einwendungen erhoben hat.
38 
4. Ermessensfehler bei der Rücknahmeentscheidung kann der Kläger nicht für sich geltend machen. Die Entscheidung über die Rücknahme i.S.v. § 48 Abs. 1 LVwVfG liegt grundsätzlich im Ermessen der Behörde. Liegt allerdings ein Anwendungsfall des § 48 Abs. 2 LVwVfG vor und kann sich der Begünstigte auf Vertrauensschutz berufen, so darf der Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden und besteht kein entsprechender Ermessensspielraum der Behörde mehr (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. § 127a). Diese Regelung greift hier nicht ein, denn nach den Ausführungen unter 2. kann sich der Kläger - wegen § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG - nicht auf Vertrauensschutz berufen. In einem solchen Fall bestimmt § 48 Abs. 2 Satz 4 LVwVfG, dass der Verwaltungsakt „in der Regel“ mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen wird. Diese Regelung bezieht sich nicht nur - was aber der Wortlaut für sich genommen nahelegen würde - auf die Frage, ob der Verwaltungsakt für die Vergangenheit zurückgenommen wird, sondern auch auf die logisch vorrangige Frage, ob er überhaupt zurückgenommen werden soll (Kopp/ Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl., § 48 Rdnr. 127b; OVG Berlin-Bbg., Urteil vom 26.11.2015 - 7 B 4.15 -, juris Rdnr. 29; Hamburgisches OVG, Urteil vom 25.07.2017 - 3 Bf 96/15 -, juris Rdnr. 72). § 48 Abs. 2 Satz 4 LVwVfG lenkt das der Behörde nach der Grundsatzregelung des § 48 Abs. 1 LVwVfG bei Nichteingreifen der Vertrauensschutzregelung des § 48 Abs. 2 LVwVfG wieder zustehende Ermessen, indem er für die Fälle des § 48 Abs. 2 Satz 3 LVwVfG die Rücknahme des Verwaltungsaktes mit Wirkung für die Vergangenheit als Regel festlegt (BVerwG, Urteil vom 23.05.1996 - 3 C 13.94 -, juris Rdnr. 51; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.08.2015 - 2 S 384/14 -, juris Rdnr. 31; Urteil vom 11.01.2006 - 13 S 2345/05 -, juris Rdnr. 36; OVG Berlin-Bbg., a.a.O., Hamburgisches OVG, a.a.O., Kopp/Ramsauer, a.a.O. Rdnr. 127b). Daher müssen im Anwendungsbereich des § 48 Abs. 2 Satz 4 LVwVfG besondere, atypische Gründe vorliegen, wenn eine Rücknahme nur für die Zukunft angenommen oder von der Rücknahme ganz abgesehen werden soll. Das kann der Fall sein, wenn der Unrechtsgehalt, der mit einem Fall des § 48 Abs. 2 Satz 3 LVwVfG typischerweise verbunden ist, wegen Besonderheiten des Einzelfalles ausnahmsweise nicht vorliegt (Kopp/Ramsauer, a.a.O. Rdnr. 127; OVG Berlin-Bbg., a.a.O. Rdnr. 30). Einen atypischen Fall vermag der Senat hier nicht zu erkennen. Entgegen seinem Vortrag mussten die nach Auffassung des Klägers tatsächlich erbrachten, beihilfefähigen Leistungen bei der (Teil-)Rücknahme des Beihilfebescheides nicht berücksichtigt werden (s.o.), so dass sich hieraus auch kein Ausnahmefall von der Regelrücknahme des § 48 Abs. 2 Satz 4 LVwVfG ableiten lässt. Ferner ist nicht zu erkennen, inwiefern der einem Fall des § 48 Abs. 2 Satz 3 LVwVfG innewohnende typische Unrechtsgehalt hier ausnahmsweise fehlen könnte. Der Kläger hat den Beihilfebescheid vom 06.07.2011 durch in wesentlicher Beziehung unrichtige oder unvollständige Angaben erwirkt (§ 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG, dazu s.o. 2.). Da es in diesem Zusammenhang allein darauf ankommt, ob der Begünstigte die Fehlerhaftigkeit des Verwaltungsaktes durch eine in seinem Verantwortungsbereich liegende Handlung kausal hervorgerufen hat und etwaiges Verschulden des Begünstigten unmaßgeblich ist (s.o.), gehört fehlendes Verschulden bereits zur typisierten Bewertung des Gesetzgebers bei § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG und vermag keine einzelfallbezogene Atypik zu begründen.
39 
Eine die Regelrücknahme beseitigende atypische Sachlage liegt auch dann nicht vor, wenn man mit dem Kläger davon ausgeht (dazu näher unter II. 2 b)), dass er die Rechtswidrigkeit der Beihilfegewährung weder positiv kannte noch infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte und ein Anwendungsfall des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 LVwVfG mithin nicht anzunehmen ist. Denn die Regelrücknahme nach § 48 Abs. 2 Satz 4 LVwVfG wird allein schon durch das Eingreifen des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG - und das Nichtvorliegen eines hierauf bezogenen atypischen Sonderfalls - ausgelöst. Wenn der Kläger zwar den Unrechtsgehalt des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG, nicht aber zusätzlich den des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 LVwVfG verwirklicht hätte, änderte sich an der bereits anzunehmenden Regelrücknahme nichts.
40 
Schließlich lässt sich eine einzelfallbezogene Atypik im Rahmen des § 48 Abs. 2 Satz 4 LVwVfG entgegen dem Klägervortrag auch nicht damit begründen, dass der Beklagte im Januar 2017 einen Vergleich mit der A... U…-... abgeschlossen hat, aufgrund dessen die Klinik sich zu Zahlungen an den Beklagten bereit erklärt hat. Dieser Vergleich bezieht sich nach dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten auf den Ausgleich des Schadens, den der Beklagte infolge möglicher deliktischer Handlungen der N... Fachklinik bzw. solcher Personen, deren Handlungen sich diese Klinik eventuell zurechnen lassen muss, erlitten hat. Erfasst sind von dem Vergleich aber nur die Fälle, in denen das Landesamt keinen individuellen Rückforderungsbescheid gegenüber einem Beihilfeempfänger mehr erlassen kann, weil zwar dessen Behandlung in der Klinik bekannt ist, aber keine individuelle Rechnung mehr vorliegt. Von diesem Regelungsinhalt gehen die Beteiligten nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung übereinstimmend aus. Dann aber ist die vorliegende Sachverhaltskonstellation, in der ja gerade ein individueller Rückforderungsbescheid in Rede steht, von den Vergleichsregelungen nicht umfasst. Der mit der A... U... als Funktions- bzw. Rechtsnachfolgerin der N... Fachklinik abgeschlossene Vergleich dürfte hier aber auch deshalb ohne Relevanz sein, weil es vorliegend um (betrügerisch abgerechnete) Belegarztleistungen geht, Belegarztleistungen aber nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 18 Abs. 1 Krankenhausentgeltgesetz nicht zu den Krankenhausleistungen gehören, die von dem Krankenhaus selbst erbracht und abgerechnet werden und für die es einzustehen hat.
41 
Das Nichtvorliegen eines Ausnahmefalls zur Regelrücknahme hat zur Konsequenz, dass der Beklagte über den Hinweis auf § 48 Abs. 2 Satz 4 LVwVfG hinaus keine weitergehenden Ermessenserwägungen anstellen musste und sich die vom Kläger aufgeworfene Frage nach dem Vorliegen von Ermessensfehlern nicht stellt. Insbesondere kommt es nicht darauf an, wie vom Kläger mit Schriftsatz vom 11.12.2017 vorgetragen, ob der Beklagte die mit der A... U... vereinbarten Schadensersatzzahlungen nachträglich „bei der Ermessensentscheidung über die Rücknahme“ hätte berücksichtigen müssen.
II.
42 
Anders als die Rücknahmeentscheidung erweist sich jedoch die unter Nr. 2 des angefochtenen Bescheides verfügte Rückforderungsentscheidung des Beklagten in dem angefochtenen Umfang als rechtswidrig. Insoweit war der Bescheid aufzuheben und das Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern.
43 
Rechtsgrundlage für die Erstattungsforderung ist § 15 Abs. 2 Satz 1 LBesG, wonach sich die Rückforderung zu viel gezahlter Bezüge nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung richtet. Zwar gilt diese Vorschrift nach ihrem Wortlaut an sich nur für die Rückforderung „zuviel gezahlter Bezüge“, worum es hier nicht geht. Nach der Rechtsprechung des Senats ist die Vorschrift aber nach dem ersatzlosen Wegfall des § 109 LBG a.F. auf die Rückforderung zu Unrecht erbrachter Beihilfeleistungen entsprechend anwendbar (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 20.09.2016 - 2 S 994/15 -, juris Rdnr. 19ff und Urteil vom 24.03.2017 - 2 S 701/16 -, juris Rdnr. 32).
44 
1. Damit ist auch zu prüfen, ob der Kläger nicht mehr bereichert ist (§ 818 Abs. 3 BGB). Der Kläger hat sich vorliegend ausdrücklich darauf berufen, dass er den zurückgeforderten Betrag (2.575,23 EUR) im Vertrauen auf den Bestand der Beihilfegewährung an den Rechnungssteller bezahlt habe und damit nicht mehr bereichert sei. In der mündlichen Verhandlung hat er hierzu unwidersprochen ausgeführt, die Rechnungssumme habe er am 01.08.2011 an die Fa. R... GmbH und damit an die inkassoberechtigte Stelle überwiesen. Zwischen der Gewährung/Auszahlung der Beihilfe im Juli 2011 und der Anhörung zur Rückforderung im Juli 2015 liegt ein langer Zeitraum von 4 Jahren, in welchem der Kläger nicht mit einer Rückforderung zu rechnen brauchte.
45 
Eine Bereicherung des Klägers besteht auch nicht deshalb fort, weil er den von der Beklagten erhaltenen Betrag i.H.v. 2.575,23 EUR zur Zahlung an die R... GmbH (respektive Dr. M.../Dr. D...) verwendet und sich insoweit von der Rechnungsschuld befreit hat. Zwar ist im Rahmen der zum Begriff der Entreicherung entwickelten Grundsätze anerkannt, dass der Begriff des Wegfalls der Bereicherung nicht nach rechtlichen, sondern nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten durch einen saldenmäßigen Vergleich des Aktiv- und des Passivvermögens zu beurteilen ist (BVerwG, Urteil vom 28.01.1993 - 2 C 15.91 -, juris), weshalb der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon ausgeht, dass sich der zur Herausgabe verpflichtete Empfänger einer Leistung dann nicht mehr auf den Wegfall der Bereicherung berufen kann, wenn er mit dem erlangten Betrag ganz oder teilweise Schulden getilgt hat (BGH, Urteil vom 09.05.1984 - IV B ZR 7/93 -, juris; für den Fall überzahlter Versorgung/überzahlter Dienstbezüge auch BVerwG, Urteil vom 10.10.1961 - VI C 25.60 -, juris und BVerwG, Urteil vom 28.01.1993 - 2 C 15.91 -, juris). Hier liegt jedoch die beihilfespezifische Besonderheit vor, dass der Kläger die ihm von dem Beklagten bewilligten und ausgezahlten Beihilfeleistungen bestimmungsgemäß verwendet und zur Begleichung der Arztrechnung eingesetzt hat. Hiervon geht auch der Beklagte in seinem Schriftsatz vom 19.12.2017 (S. 2 am Ende) ausdrücklich aus. Ein Beihilfeberechtigter vertraut aber in grundsätzlich schutzwürdiger Weise auf den Bestand von Beihilfebescheiden, wenn er mit der gewährten Beihilfe die diesen Bescheiden zugrundeliegenden Arztrechnungen begleicht (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.02.2012 - 2 S 2983/11 -, juris Rdnr. 25; OVG Nordrh.-Westf., Beschluss vom 05.07.2007 - 6 A 4961/05 -, juris Rdnr. 6; VG Düsseldorf, Urteil vom 15.11.2011 - 26 K 444/11 -, juris Rdnr. 37). Anders als im Falle gewöhnlicher Schuldentilgung hat der Beihilfeempfänger durch die bestimmungsgemäße Verwendung der erhaltenen Beihilfeleistungen gerade keinen anderweitigen Vorteil - etwa in Form ersparter Schuldzinsen oder der Befreiung von einer Drittverbindlichkeit - erlangt.
46 
Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten liegt auch in einem behaupteten Rückforderungsanspruch des Klägers gegen die A... U... - als Funktionsnachfolgerin und möglicherweise auch Rechtsnachfolgerin der N...-... Fachklinik - keine „bestehengebliebene“ Bereicherung. Denn ein wegen fehlerhafter bzw. betrügerischer Rechnungsstellung etwa bestehender Rückforderungsanspruch richtete sich jedenfalls nicht gegen die A... U... Den Behandlungsvertrag hat der Kläger nämlich mit Dr. M...-.../Dr. D... als Belegärzten der A... U... abgeschlossen, wie sich aus der Rechnung vom 10.06.2011 ausdrücklich ergibt. Belegarztleistungen gehören aber nicht zu den Krankenhausleistungen, vielmehr rechnet der Belegarzt die von ihm erbrachten Leistungen selbst ab (§§ 2 Abs. 1 Satz 2 und 18 KHEntgeltG). So ist es auch vorliegend geschehen. Etwaige Rückforderungsansprüche des Klägers gegen die behandelnden Ärzte „stehen aber lediglich auf dem Papier“ und zwar unabhängig davon, ob man mit dem Kläger davon ausgeht, dass Dr. M... inzwischen insolvent ist. Es ist schon mehr als zweifelhaft, ob - wie der Beklagte vorträgt - wegen der betrügerischen Rechnungsstellung der mit dem Kläger abgeschlossene Behandlungsvertrag nichtig ist. Denn dazu bedürfte es der Feststellung, dass der Vertragsschluss gegen ein gesetzliches Verbot verstößt (§ 134 BGB) oder aber, dass zwischen der angebotenen ärztlichen Leistung und der vereinbarten Vergütung ein grobes Missverhältnis vorliegt (OLG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 26.06.2008 - 1 U 9/08 -, juris Rdnr. 25). Für beides bestehen keine Anhaltspunkte. Aber selbst wenn man eine Nichtigkeit des Behandlungsvertrages unterstellt und davon ausgeht, dass das Vertragsverhältnis rückabgewickelt werden muss und kann, könnte der Kläger nicht lediglich den von ihm auf die Rechnung vom 10.06.2011 geleisteten Zahlungsbetrag zurückverlangen (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB), sondern müsste im Gegenzug im Umfang der von ihm empfangenen und nicht mehr rückabwickelbaren ärztlichen Behandlung Wertersatz leisten (§ 818 Abs. 2 BGB). Bei wirtschaftlicher Betrachtung erscheint es bei dieser Sachlage lebensfremd anzunehmen, dass gegenüber dem behandelnden Arzt ein realisierbarer Bereicherungsanspruch besteht und der zur Tilgung der Arztrechnung verwendete Betrag deshalb wertmäßig noch im Vermögen des Klägers vorhanden ist. Gleiches gilt, soweit sich der Beklagte in der mündlichen Verhandlung erstmals darauf berufen hat, dem Land, um dessen „Beihilfeschulden“ es bei wirtschaftlicher Betrachtung gehe, stehe ein deliktischer Anspruch gegen den betrügerischen Rechnungssteller oder die Klinik aus § 826 BGB und möglicherweise auch ein Anspruch aus § 242 BGB zu. Auch diese nur äußerst vage behaupteten, völlig ungewissen Ansprüche erlauben jedenfalls nicht den Schluss, das Vermögen des Klägers sei bei wirtschaftlicher Betrachtung noch in einer fassbaren Weise wertmäßig erhöht (BGH, Urteil vom 29.05.1978 - II ZR 166/77 -, juris Rdnr. 11f; Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 28.04.2016 - 5 U 36/15 -, juris Rdnr. 73).
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2. Auf den Wegfall der Bereicherung kann sich der Kläger vorliegend auch berufen. Die in § 15 Abs. 2 Satz 1 LBesG i.V.m. § 819 Abs. 4 BGB und § 15 Abs. 2 Satz 2 LBesG genannten Ausschlussgründe liegen nicht vor:
48 
a) Der Kläger hatte von den Umständen, welche zur Rücknahme des Verwaltungsaktes geführt haben - und damit von dem Mangel des Rechtsgrundes für die Beihilfezahlung i.S.v. § 15 Abs. 2 Satz 1 LBesG i.V.m. § 819 Abs. 4 Satz 1 BGB -, zur Überzeugung des Senats keine positive Kenntnis. Zwar ist in den Feststellungen des Landgerichts R... zur manipulativen Abrechnungspraxis in der N... Fachklinik davon die Rede (Urteil vom 09.02.2015, S. 20), dass jeder Patient zusätzlich eine nur für ihn bestimmte transparente Abrechnung der tatsächlich erbrachten Leistungen erhalten habe. Der Kläger hat im vorliegenden Verfahren jedoch konsequent bestritten, dass dies auch bei ihm der Fall gewesen sei. Er hat nachvollziehbar und glaubhaft ausgeführt, dass ihm insbesondere der Behandlungsplan, welcher aus den Ermittlungsakten der Polizei in die Rückforderungsakte gelangt ist, erst im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens bekannt geworden ist. Hierfür spricht, dass es sich bei diesem Behandlungsplan schon nach seiner äußeren Gestaltung um ein klinikinternes Schriftstück handelt. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung auch plausibel ausgeführt, dass die in dem Behandlungsplan erwähnten „Abrechnungsberatungen“ zwar am 11.05.2011 und am 07.06.2011 stattgefunden hätten, es dort aber lediglich um technische Abrechnungsfragen (Name der Krankenkasse, leistender Beihilfeträger, Vorausleistungen, Kurtaxepflicht, anfallende Kosten für den persönlichen Bedarf) bzw. um die Zahlung direkt vor Ort abzurechnender Leistungen gegangen sei.
49 
b) Dem Kläger ist auch nicht vorzuwerfen, dass er die Umstände, welche zur Rücknahme des Verwaltungsaktes geführt haben - und damit den Mangel des Rechtsgrundes für die Beihilfezahlung - hätte erkennen müssen (§ 15 Abs. 2 Satz 2 LBesG). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg zu der Parallelregelung des § 12 Abs. 2 Satz 2 BBesG ist der Mangel des rechtlichen Grundes für die Zahlung von Bezügen dann offensichtlich, wenn der Empfänger ihn nur deshalb nicht erkannt hat, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht gelassen hat (BVerwG, Urteil vom 25.11.1982 - 2 C 14.81 -, juris Rdnr. 22; Urteil vom 27.01.1987 -2 C 9.85-, juris Rdnr. 18; Beschluss vom 19.11.1996 - 2 B 42.96 -, juris Rdnr. 5; Urteil vom 26.04.2012 -2 C 15.10 -, juris Rdnr. 16; Urteil vom 26.04.2012 - 2 C 4.11 -, juris Rdnr. 10, VGH Bad.-Württ., Urteil vom 04.10.1995 - 4 S 1799/94 -, juris Rdnr. 32), also grob fahrlässig gehandelt hat. Letztlich ist das Fehlen eines Rechtsgrundes für die Zahlung dann offensichtlich, wenn es für den Empfänger ohne weiteres erkennbar ist (BVerwG, Urteil vom 26.04.2012 - 2 C 15.10 -, juris Rdnr. 16; Urteil vom 26.04.2012 - 2 C 4.11 -, juris Rdnr. 10). Für die Beurteilung, ob der Beamte die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders hohem Maße außer Acht gelassen hat, ist auf die individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten des Empfängers (z.B. Vor- und Ausbildung, dienstliche Tätigkeit) zur Prüfung der ihm zuerkannten Beträge abzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.11.1982 - 2 C 14.81 -, juris Rdnr. 22; Urteil vom 26.04.2012 - 2 C 15.10 -, juris Rdnr. 17; Urteil vom 26.04.2012 - 2 C 4.11 -, juris Rdnr. 11). Im Rahmen des § 15 Abs. 2 Satz 2 LBesG gelten dieselben Maßstäbe (Hellstern/ Kaufmann/Ludy, Handbuch des Besoldungsrechts für Baden-Württemberg, § 15 LBesG Rdnr. 15.2.3.4.).
50 
Unter Berücksichtigung dessen liegt beim Kläger jedenfalls keine „grobe“ Fahrlässigkeit vor. Denn aus der Kenntnis der bei ihm tatsächlich durchgeführten Behandlungen in Zusammenschau mit den Angaben auf der Rechnung vom 10.06.2011 musste er nicht den Schluss ziehen, die Abrechnung könne nicht stimmen und die auf der Einreichung dieser Rechnung beruhende Beihilfegewährung sei mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig. Eine Prüfung der in der Rechnung aufgeführten einzelnen GOÄ-Ziffern daraufhin, ob sie tatsächlich nach der GOÄ abrechenbar sind und ob die auf der Rechnung stichwortartig ausgewiesenen Leistungen der jeweils zugeordneten GOÄ-Ziffer entsprechen, war dem Kläger als medizinischem Laien objektiv nicht möglich und auch subjektiv von ihm nicht zu verlangen. Allerdings war von ihm zu erwarten, die abgerechneten Leistungspositionen anhand der stichwortartig ausgewiesenen Leistungsbeschreibung daraufhin zu überprüfen, ob sie plausibel sind, insbesondere, ob ihnen eine tatsächlich erbrachte Leistung gegenüber steht. Diesen Anforderungen ist der Kläger hier nachgekommen. Zwar hat er im Widerspruchsverfahren anwaltlich u.a. vortragen lassen, eine Überprüfung der einzelnen Rechnungspositionen habe er „nicht vorgenommen“, da er weder mit den ärztlichen Fachbegriffen noch mit den GOÄ-Ziffern sachlich etwas habe anfangen können und zudem davon ausgegangen sei, dass die Fachbeamten des Landesamts die Liquidationsgrundlage sachlich überprüfen könnten. Dies war jedoch schon bei isolierter Betrachtung nicht so zu verstehen, dass der Kläger die Rechnung vom 10.06.2011 völlig ungeprüft an das Landesamt weitergegeben hat. Die unterlassene Einzelprüfung bezog sich vielmehr - wie der Hinweis auf die fehlende medizinische Sachkunde des Klägers zeigt - auf die ärztlichen Fachbegriffe bzw. die Abrechenbarkeit der in der Rechnung genannten GOÄ-Ziffern und betraf damit einen Bereich, den der Kläger im Einzelnen gar nicht überprüfen konnte. Die ihm auch als medizinischem Laien obliegende Plausibilitätsprüfung hat der Kläger hingegen vorgenommen. In der mündlichen Verhandlung hat er hierzu nachvollziehbar und glaubhaft ausgeführt, nach Erhalt der Rechnung habe er die Einzelpositionen daraufhin durchgeschaut, ob die Leistungen nicht wie abgerechnet erbracht worden sein können, z.B. an einem Sonntag oder außerhalb des Behandlungszeitraums.
51 
Zwar fällt bei einem inhaltlichen Blick auf die abgerechneten Positionen ins Auge, dass ein Großteil der in dem Behandlungsplan genannten Leistungen, welche der Kläger - auch nach seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung - tatsächlich in Anspruch genommen hat und welche ihm demgemäß bekannt waren, sich in der Rechnung vom 10.06.2011 nicht wiederfinden (z.B. „Dornbreuss“, „Craniosacral-Therapie“, „Softpack Kreidepackung“, „Strömen“, „Körper-Seele-Int.(Trager), „Aurum Manus“, „Biografie-Arbeit“, „TP: Alexander Technik“, „Heiße Steine“, „Facial Harmony“, „Walking Gruppe (B)“). Diese Leistungen konnten von einem medizinischen Laien aber ohne weiteres als Einzelmaßnahme im Rahmen der in den Rechnungen genannten Oberbegriffe verstanden werden. Denn bei „Dornbreuss“ handelt es sich um eine manuelle Wirbelsäulentherapie nach Dorn/Breuss, die dem abgerechneten „chirotherapeutischen Eingriff an der Wirbelsäule“ zugeordnet werden konnte. Bei der z.B. am 12.05.2011 und am 31.05.2011 durchgeführten manuellen Craniosacraltherapie handelt es sich um ein manuelles Verfahren, bei dem Handgriffe vorwiegend im Bereich des Schädels, des Nackens, des Zungenbeins, des Thorax, der Wirbelsäule, des Kreuzbeins, des Zwerchfells, des Beckens und der Füße durchgeführt werden und bei dem die Annahme nicht fern liegt, es handele sich um eine unter demselben Datum abgerechnete krankengymnastische Ganzbehandlung bzw. chirotherapeutische Wirbelsäulenbehandlung. Die durchgeführten Maßnahmen „Biografie-Arbeit“, „Körper-Seele-Int (Trager)“, „Facial Harmony“, „Heiße Steine“, „Aurum Manus“ und „Softpack-Kreidepackungen“, „Kraft der Stimme“, „Strömen“ und „Alexander-Technik“ konnten in derselben Weise jedenfalls von einem medizinischen Laien als Entspannungs- oder Vorbereitungstechniken der jeweils abgerechneten Maßnahmen „tiefenpsychologische Psychotherapie, Einzelbehandlung“ oder „Autogenes Training“ bzw. als „Extensionsbehandlung kombiniert mit Wärmetherapie“ zugeordnet werden. Der Kläger hat hierzu in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, er sei bei Beginn seines Klinikaufenthalts gesundheitlich am Ende gewesen. Die genannten Maßnahmen hätten aus seiner Sicht dazu gedient, ihn zunächst einmal zu aktivieren, zu stabilisieren und abzulenken. Kern der Behandlungen seien die - in der Rechnung vom 10.06.2011 als solche abgerechneten - therapeutischen Gespräche gewesen, die ihn sehr angestrengt hätten. Dies ist für den Senat ohne weiteres nachvollziehbar, zumal der Kläger darauf hingewiesen hat, er habe die durchgeführten Anwendungen auch aufgrund eines früheren Klinikaufenthalts „einordnen“ können. Berücksichtigt man schließlich noch, dass dem Kläger - wie von ihm unwidersprochen vorgetragen - bereits vor Beginn seiner Behandlung seitens der Klinik bestätigt wurde, es würden nur beihilfefähige Behandlungen durchgeführt, und er entsprechend dieser Auskunft nicht abrechenbare physiotherapeutische Leistungen gesondert bezahlt hat (Rechnung vom 09.06.2011), so musste sich dem Kläger bei einer Gesamtwürdigung der vorliegenden Umstände nicht aufdrängen, dass es sich bei den nicht gesondert abgerechneten Behandlungen und Maßnahmen um medizinisch nicht indizierte Wellnessmaßnahmen handeln könnte, die nicht nach GOÄ abgerechnet werden können und nicht beihilfefähig sind.
52 
Der Kläger hatte auch keine Veranlassung zu der Annahme, bei den durchgeführten Behandlungen handele es sich um Behandlungsmethoden, die in dem Hinweisschreiben des LBV vom 26.04.2011 (S. 3 bis 6) als von der Beihilfefähigkeit vollständig oder teilweise ausgeschlossen bezeichnet werden. Zweifelhaft ist hier allenfalls die Zuordnung der im Behandlungsplan aufgeführten Therapie „Walking Gruppe“. Hierbei geht es erkennbar um eine reine Sportmaßnahme. Anhand der Abrechnung vom 10.06.2011 musste der Kläger aber schon nicht davon ausgehen, dass eine solche Sportmaßnahme vom Rechnungssteller überhaupt abgerechnet wurde.
53 
Kann sich der Kläger mithin erfolgreich auf den Wegfall der Bereicherung berufen, so führt dies zur Aufhebung der verfügten Rückforderung, ohne dass es noch weiter darauf ankäme, ob die in der Rückforderungsentscheidung angestellten Billigkeitserwägungen in ausreichender Weise den Besonderheiten des Berufsbeamtentums Rechnung tragen.
III.
54 
Der Kläger kann von dem Beklagten antragsgemäß auch die Erstattung des von ihm bereits - unter Vorbehalt - bezahlten Rückforderungsbetrages i.H.v. 1.785,23 EUR beanspruchen. Anspruchsgrundlage ist mangels spezialgesetzlicher Grundlage (§ 15 LBesG betrifft nur die Rückforderung zuviel bezahlter Bezüge, worum es hier nicht geht) der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch.Dabei handelt es sich um ein aus den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts, insbesondere der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, abgeleitetes eigenständiges Rechtsinstitut des öffentlichen Rechts, dessen Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen, soweit sie - wie hier - nicht spezialgesetzlich geregelt sind, denen des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs entsprechen, sofern den §§ 812ff BGB keine abweichende Interessenbewertung zugrunde liegt, die in das öffentliche Recht nicht übertragbar ist (VGH Bad.-Württ, Urteil vom 15.09.2011 - 2 S 654/11 -, juris Rdnr. 18; BVerwG, Urteil vom 18.01.2001 - 3 C 7.00-BVerwGE 112, 351; BVerwG, Beschluss vom 07.10.2009 -9 B 24.09- juris, mit weiteren Nachweisen). Letzteres ist hier nicht der Fall. Die Voraussetzungen des Erstattungsanspruches liegen hier auch vor. Aus den Ausführungen unter II. ergibt sich, dass der Beklagte die Zahlung des zurückgeforderten Betrages durch den Kläger als „Leistung“ i.S.v. § 812 Abs. 1 BGB ohne rechtlichen Grund erlangt hat. Die Rückforderung des gezahlten Betrages ist auch nicht gem. § 814 BGB ausgeschlossen. Denn die Vorschrift dürfte auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch schon nicht anwendbar sein, weil hier abweichend von den Wertungen des Zivilrechts dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltungstätigkeit Rechnung zu tragen ist (vgl. hierzu ThürOVG, Urteil vom 17.12.2002 - 2 KO 701/00 -, juris Rdnr. 51, HessVGH, Urteil vom 17.07.1990 - 11 UE 1487/89 -, juris Rdnr. 30). Unabhängig davon hat der Kläger den nunmehr zurückgeforderten Betrag jedenfalls nicht in Kenntnis der Nichtschuld an den Beklagten bezahlt, sondern im Gegenteil unter dem Vorbehalt der Rückforderung, falls die Rückforderung der Beihilfeleistung ihrerseits nicht gerechtfertigt ist (Behördenakte Bl. 25).
55 
Die Erstattungsforderung ist mit 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit des Antrages zu verzinsen (§§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB). Rechtshängigkeit ist mit Eingang der - formgerecht erhobenen -Klage beim Verwaltungsgericht am 28.01.2016 eingetreten. Der Tag des Klageeingangs wird bei der Pflicht zur Zinszahlung allerdings nicht mitgerechnet (§ 187 Abs. 1 BGB in analoger Anwendung, vgl. BVerwG, Urteil vom 30.06.2011 - 3 C 30.10 -, juris Rdnr. 21, BGH, Urteil vom 04.07.2017 - XI ZR 562/15 -, juris Rdnr. 103), weshalb die Forderung erst ab dem 29.01.2016 zu verzinsen ist.
56 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 708 Nr. 10 Satz 1 ZPO, § 711 ZPO i.V.m. § 709 Satz 2 ZPO. § 167 Abs. 2 VwGO findet auf die vorliegende Fallkonstellation weder direkte noch entsprechende Anwendung, da die Behörde hier im Wege der Leistungsklage zur Zahlung eines Geldbetrages und nicht zur Vornahme einer schlicht-hoheitlichen Maßnahme verurteilt worden ist (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 03.11.2011 - 6 S 2904/11 -, juris Rdnr. 11; Beschluss vom 24.03.1999 - 9 S 3012/98 -, juris Rdnr. 3f; Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. § 167 Rdnr. 21)
57 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
58 
Beschluss vom 26.01.2018
59 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 1.785,23 EUR festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 Satz 1 GKG). Die Anfechtungsklage gegen die Rücknahme des Beihilfebescheides und gegen die Rückforderung der geleisteten Beihilfe sowie die Leistungsklage auf Erstattung des unter Vorbehalt gezahlten Rückforderungsbetrages sind bei wirtschaftlicher Betrachtung auf dasselbe Ziel gerichtet, das Behaltendürfen der gewährten Beihilfe i.H.v. 1.785,23 EUR. Für eine künstliche Auftrennung dieses einheitlichen Begehrens in mehrere einzelne Streitgegenstände und Zusammenrechnung dieser Werte gem. § 39 Abs. 1 GKG ist daher kein Raum (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.12.1988 - 7 C 93.86 -, juris Rdnr. 12; OVG Nordrh.-Westf., Beschluss vom 21.10.2014 - 14 E 938/14 -, juris).
60 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
28 
Die zulässige Berufung ist in dem aus dem Entscheidungstenor ersichtlichen Umfang teilweise begründet. Das Verwaltungsgericht hat zwar die Anfechtungsklage des Klägers gegen die vom Landesamt unter Ziffer 1 des Bescheides vom 02.10.2015 verfügte Teilrücknahme in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.12.2015 zu Recht abgewiesen. Denn insoweit ist der Bescheid rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, dazu I.). Dagegen erweist sich die ergangene Rückforderungsentscheidung (Nr. 2 des Bescheides vom 02.10.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.12.2015) in dem vom Kläger angefochtenen Umfang als rechtswidrig. Insoweit waren die angefochtenen Bescheide aufzuheben und das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern (dazu II.). Da der Kläger den zurückgeforderten Betrag in dem angefochtenen Umfang bereits vollständig an den Beklagten bezahlt hat, steht ihm insoweit ein Anspruch auf Erstattung gegenüber dem Beklagten zu (dazu III.).
I.
29 
Rechtsgrundlage für die von dem Beklagten vorgenommene (Teil)Rücknahme ist § 48 Abs. 1 LVwVfG. Danach kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen werden (Abs. 1 Satz 1). Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt kann nach Abs. 1 Satz 2 LVwVfG allerdings nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden. Diese Voraussetzungen liegen hier vor:
30 
1. Der unanfechtbar gewordene Beihilfebescheid vom 06.07.2011 ist in Bezug auf die zu den Rechnungen der R... GmbH gewährte Beihilfe und damit im Umfang seiner Rücknahme rechtswidrig, denn für die dort im Einzelnen aufgeführten Leistungen lagen die Voraussetzungen für die Gewährung einer Beihilfe von vornherein nicht vor. Maßgebend für die Beihilfegewährung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen, für die Beihilfe verlangt wird (BVerwG, Urteil vom 23.04.2015 - 5 C 2.14 -, juris Rdnr. 10; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24.03.2017 - 2 S 701/16 -, juris Rdnr. 26). Da es vorliegend um Aufwendungen für Leistungen geht, die während des stationären Aufenthalts des Klägers in der Zeit vom 10.05.2011 bis 07.06.2011 in der N... Fachklinik erbracht worden sein sollen, ist die Verordnung des Finanzministeriums über die Gewährung einer Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen vom 28.07.1995 (GBl. 1995, 561) in der im Sommer 2011 gültigen Fassung anzuwenden (im Folgenden: BVO). Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO sind Aufwendungen nach den folgenden Vorschriften beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. § 6 BVO enthält nähere Vorschriften über die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen bei Krankheit und bestimmt, dass aus Anlass einer Krankheit Aufwendungen nur für „gesondert erbrachte und berechnete“ Leistungen (§ 6 Abs. 1 Nr. 1), Arznei- und Verbandmittel (§ 6 Abs. 1 Nr. 2) sowie Heilbehandlungen (§ 6 Abs. 1 Nr. 3) beihilfefähig sind. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BVO wird Beihilfe nur auf schriftlichen Antrag eines Beihilfeberechtigten gewährt; nach § 17 Abs. 3 Satz 1 BVO setzt die Beihilfegewährung weiter voraus, dass die geltend gemachten Aufwendungen durch Belege nachgewiesen sind.
31 
a) Hier hat der Kläger mit Vorlage der Rechnung vom 10.06.2011 nicht den notwendigen Nachweis dafür erbracht, dass die darin dokumentierten belegärztlichen Leistungen auch tatsächlich erbracht wurden. Denn die Rechnung beruht auf einer betrügerischen Abrechnungspraxis des leitenden Arztes der N... Fachklinik und der Abrechnungsstelle R... GmbH. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus den Feststellungen des Landgerichts R... in dem Urteil vom 09.02.2015 (Az.: 2 KLs 31 Js 14206/12). Der Senat hat keine Veranlassung, an der Richtigkeit dieser Feststellungen zu zweifeln, zumal auch der Kläger im vorliegenden Berufungsverfahren keine Anhaltspunkte für solche Zweifel benannt hat, sondern selbst konzediert, dass der Beihilfebescheid, soweit er sich auf in der privatärztlichen Liquidation vom 10.06.2011 abgerechnete, aber tatsächlich nicht erbrachte Leistungen bezieht, rechtswidrig war. Das Landgericht hat in seinem Urteil (insb. auf S. 9, 10, 12, 18 und 19) ausgeführt, dass der leitende Arzt der N... Fachklinik, Dr. M..., in seiner Klinikgruppe eine Vielzahl von Behandlungen angeboten hatte, die von Kostenträgern u.a. als „medizinische Wellness“ oder Esoterik gewertet und deshalb als medizinisch nicht notwendig und nicht erstattungsfähig angesehen werden. Über die von ihm faktisch geleitete Abrechnungsstelle R... GmbH habe Dr. M... in der Zeit von 2009 bis Anfang 2013 systematisch Behandlungsleistungen in den zur Abrechnung mit den Krankenversicherungen und Beihilfestellen bestimmten Rechnungen falsch deklariert, um - teils unter Mitwirkung der Patienten - den Kostenträgern eine Abrechenbarkeit der Behandlung vorzuspiegeln und so eine Bezahlung zu erreichen. Zu diesem Zweck habe Dr. M... beschlossen, nach der Gebührenordnung nicht abrechenbare Behandlungen in den für die Abrechnung mit den Kostenträgern bestimmten Rechnungen als von ihm nach dem Gebührenverzeichnis der GOÄ erbrachte Wahlarztleistung zu deklarieren, wobei er die - angeblich erbrachte - Leistung so bestimmt habe, dass die hierfür von ihm angesetzten Gebührensätze der GOÄ ungefähr den Betrag erreicht hätten, zu dem er selbst die Behandlungen gegenüber den Patienten angeboten habe. Nach den Feststellungen des Landgerichts tüftelte der leitende Arzt aus, welche Gebührensätze in der Addition für eine Behandlung in einem Krankenhaus oder einem Sanatorium für Psychosomatik plausibel erschienen und den von ihm gewünschten Betrag ergäben. Soweit die Addition von Gebührensätzen nicht genügt habe, um den von ihm gewünschten Betrag zu erreichen, was regelmäßig der Fall gewesen sei, habe er Visiten oder die Verabreichung von Spritzen fingiert. Die Mitarbeiter der Abrechnungsstelle habe er - zumindest konkludent - angewiesen, die in den Therapiezetteln und in dem elektronischen Therapieplanungsprogramm MAMP eingetragenen, tatsächlich durchgeführten Behandlungen im Abrechnungsprogramm DOC-Concept als wahlärztliche Leistungen zu deklarieren, indem die im Therapieplan enthaltenen Kürzel nunmehr mit den im Abrechnungsprogramm DOC-Concept bereits enthaltenen fingierten Gebührenketten angelegt worden seien. Die auf diese Weise erstellte Wahlarztrechnung sei in aufwendiger Einzelarbeit kontrolliert und überarbeitet worden, um einzelne, nebeneinander oder gehäuft erscheinende GOÄ-Ziffern manuell durch in der Summe vergleichbare Gebühren oder Gebührenketten zu ersetzen. Nach den Feststellungen des Landgerichts (Urteil S. 22 und 142) wurde auf die dargestellte Weise auch im Falle des Klägers verfahren. Denn auf S. 114 des Urteils sind auf den Klinikaufenthalt des Klägers vom 10.05.2011 bis 07.06.2011 bezogene Abrechnungen vom 10.06.2011 als „Fall 385 der Anklage“ aufgeführt. Der Kläger bestreitet im Klage- und Berufungsverfahren auch gar nicht, dass in der Rechnung nicht beihilfefähige Leistungen als beihilfefähig abgerechnet werden.
32 
Die damit auch im Falle des Klägers anzunehmende betrügerische Abrechnung tatsächlich nicht erbrachter Leistungen in der Rechnung vom 10.06.2011 hat zur Konsequenz, dass dieser Beleg von vorneherein nicht mehr geeignet ist, einen Nachweis für getätigte Aufwendungen i.S.v. § 17 Abs. 3 BVO zu erbringen. Denn beihilfefähige Aufwendungen müssen, wie sich allgemein aus § 5 Abs. 2 Satz 2 BVO und speziell in Bezug auf Aufwendungen bei Krankheit aus § 6 Abs. 1 BVO ergibt, tatsächlich erbracht und in der konkret erbrachten Form auch nachgewiesen sein (vgl. Keufer/Hellstern/ Zimmermann, Beihilfevorschriften Baden-Württemberg, § 6 BVO, S. 11). Dies ist hier nicht der Fall. Es kann offen bleiben, ob die nach dem vorliegenden Behandlungsplan - und den Schilderungen des Klägers - tatsächlich erbrachten Leistungen (z.B. „Dornbreuss“ , „Craniosacral-Therapie“, „Softpack Kreidepackung“, „Strömen“, „Biografie Arbeit“, „Körp-Seele-Int(Trager)“, „Aurum Manus“, „Kraft der Stimme“, „TP: Alexander Technik“, „Heiße Steine“, „Facial Harmony“, „Walking Gruppe B“) sich mit den abgerechneten GOÄ-Ziffern im weitesten Sinn noch in Einklang bringen lassen (z.B. die am 12.05. 2011 im Behandlungsplan benannte manuelle Wirbelsäulentherapie nach Dorn/Breuss dem abgerechneten „chirotherapeutischen Eingriff an der Wirbelsäule“, die am 12.05.2011 und am 31.05.2011 durchgeführte manuelle Craniosacraltherapie der unter demselben Datum abgerechneten „krankengymnastischen Ganzbehandlung“ bzw. „chirotherapeutischen Wirbelsäulenbehandlung“, die am 17.05.2011 durchgeführte „Biografie-Arbeit“ der unter demselben Datum abgerechneten „psychotherapeutischen Einzelbehandlung“) oder ob die Abrechnung vom 10.06.2011 allein schon deshalb zum Nachweis nicht geeignet ist, weil die tatsächlich erbrachten Leistungen dort nicht in der konkret erbrachten Form benannt werden. Denn bei allen abgerechneten Leistungen, selbst bei denen, die wie z.B. das mit dem Arzt am 23.05.2011 geführte „psych. Gespräch“ sowohl im Behandlungsplan aufgeführt als auch in der Rechnung benannt und abgerechnet werden, ist aufgrund der geschilderten Abrechnungspraxis völlig unklar, ob sie sich korrekt auf eine tatsächlich erbrachte Leistung beziehen oder nicht vielmehr als Teil des vom abrechnenden Arzt im Ergebnis gewünschten Rechnungsbetrages manipuliert wurden.
33 
Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers ergibt sich weder aus dem Schreiben des Polizeipräsidiums K... vom 09.06.2015 noch aus den Feststellungen des Landgerichts R... in dem Urteil vom 09.02.2015, dass in seinem Falle der der Beihilfestelle entstandene Schaden nur 790 EUR beträgt und folglich nur in dieser Höhe Beihilfeleistungen rechtswidrig erbracht worden sind. Hinsichtlich des durch den Abrechnungsbetrug entstandenen Schadens hat das Landgericht auf S. 4 seines Urteils ausgeführt, dass die Feststellungen auf einer Schätzung beruhen, deren Grundlage die von der Polizei erhobenen und akribisch ausgewerteten Daten zu den in Therapieplänen ausgewerteten Einzelbehandlungen bilde. Mangels Detailaufklärung, ob die rund 35.000 verfahrensgegenständlichen Einzelbehandlungen allesamt tatsächlich in die Rechnung eingestellt und wie sie dort eingeflossen sind, ist das Landgericht zugunsten des Angeklagten Dr. M... von „vorsorglichen Annahmen“ ausgegangen. Diese vorsorglichen Annahmen sind in Bezug auf die hier relevante Frage, in welcher Höhe gegenüber dem Kläger tatsächlich abrechenbare Leistungen erbracht wurden, ohne Aussagewert. Hinzu kommt, dass sich der vom Kläger als vermeintlicher Schaden herangezogene Betrag von 790,00 EUR in dem Urteil des Landgerichts R... (S. 114) in Spalte 12 findet. Ausweislich der Erläuterungen auf S. 22 (3. und 4. Absatz) und 163 (4. Absatz) des Urteils ist in Spalte 12 lediglich der Betrag aufgeführt, welcher der Beihilfestelle als (von dieser zu tragender) Rechnungsbetrag „übermittelt“ wurde. Ein brauchbarer tatsächlicher Anhaltspunkt dafür, in welcher genauen Höhe die Beihilfestelle auf tatsächlich nicht erbrachte, vermeintlich beihilfefähige Leistungen - unter Abzug tatsächlich erbrachter und beihilfefähiger Leistungen - letztlich zu Unrecht Beihilfeleistungen gewährt hat, ergibt sich hieraus nicht, zumal mit Blick auf die von der GOÄ eingeräumten Spielräume bei der Bemessung des Gebührensatzes auch völlig offen ist, wie die tatsächlich erbrachten Leistungen abgerechnet worden wären. Aus denselben Gründen führen auch die Ausführungen des Polizeipräsidiums K... in dem Schreiben vom 09.06.2015 zur Möglichkeit einer patientenbezogenen Schadensermittlung nicht weiter. Unabhängig davon fehlte es in Bezug auf solche Leistungen, die nach Auffassung der Klägerseite konkret erbracht wurden und als solche beihilfefähig sind, in jedem Fall an dem beihilferechtlich notwendigen Nachweis.
34 
b) Den ihm obliegenden Nachweis erbrachter Aufwendungen i.S.v. § 17 Abs. 3 BVO hat der Kläger auch nicht mit Vorlage einer nachträglich erstellten Abrechnung zu führen vermocht. Eine „korrigierte“ weitere Rechnung hat er von der Fa. R... GmbH nicht erhalten. In der mündlichen Verhandlung am 26.01.2017 hat der Kläger hierzu vorgetragen, zwar hätten sich in Bezug auf eine Krankenhausrechnung vom 08.06.2011 noch nachträgliche Änderungen ergeben, nicht aber in Bezug auf die hier streitgegenständliche Rechnung vom 10.06.2011. Ausweislich des vorliegenden Schreibens vom 19.05.2017 hat er sich an die A... U... als Funktionsnachfolgerin der N... Klinikgruppe gewandt mit der Bitte, ihm hinsichtlich der tatsächlich erbrachten Leistungen eine korrigierte Rechnung zukommen zu lassen. Der A... U... sei es jedoch aus buchhalterischen Gründen nicht mehr möglich, für die lange zurückliegende Zeit eine Rechnung auszustellen. Unabhängig davon hat der Kläger in Bezug auf die tatsächlich erbrachten Leistungen bis heute gar keinen Beihilfeantrag gestellt. Dies wäre aber erforderlich gewesen, denn nach § 17 Abs. 1 BVO wird die Beihilfe nur auf schriftlichen Antrag des Beihilfeberechtigten gewährt. In dem Antrag sind die beihilfefähigen Aufwendungen - unter Vorlage von Belegen i.S.v. § 17 Abs. 3 BVO - zu bezeichnen. Hieran fehlt es. Es war auch nicht Sache des Landesamts, aus der eingereichten, nicht zum Nachweis geeigneten Rechnung vom 10.06.2011 von Amts wegen solche einzelnen Leistungspositionen herauszudestillieren, die trotz der anzunehmenden betrügerischen Abrechnung tatsächlich erbracht wurden und unter irgendeinem Gesichtspunkt beihilfefähig sein könnten. Vielmehr obliegt es nach § 17 Abs. 1 und Abs. 3 BVO dem Beihilfeantragsteller, dann, wenn - wie hier -Zweifel an der Richtigkeit der Abrechnung auftreten, rechtzeitig (v.a. vor Ablauf der Antragsfrist des § 17 Abs. 9 BVO) eine korrigierte Rechnung vorzulegen. Gelingt dies nicht, so geht dies zu seinen Lasten (Senatsurteil vom 16.11.2017 - 2 S 1276/17 -, juris).
35 
Fehlt es damit nicht nur in Bezug auf die in der Rechnung vom 10.06.2011 genannten und betrügerisch abgerechneten Leistungen, sondern auch in Bezug auf die nach Rechtsauffassung des Klägers tatsächlich erbrachten und zugleich beihilfefähigen Leistungen an dem notwendigen Nachweis durch Vorlage von Belegen, so lagen - und liegen - die Voraussetzungen für die Gewährung einer Beihilfe i.H.v. 2.575,22 EUR nicht vor. Der Bescheid des Landesamts vom 02.10.2015 ist daher im Umfang der verfügten Rücknahme - und damit auch in dem vom Kläger angefochtenen Umfang - rechtswidrig.
36 
2. Schutzwürdiges Vertrauen des Klägers steht der (Teil-)Rücknahme des Bescheides vom 06.07.2011 hier nicht entgegen. Nach § 48 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG darf ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. § 48 Abs. 2 Satz 3 LVwVfG enthält nähere Vorgaben zur Schutzwürdigkeit des Vertrauens. Auf schutzwürdiges Vertrauen kann sich der Kläger hier aber nicht berufen, weil die Voraussetzungen von § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG vorliegend erfüllt sind. Denn der Kläger hat den Leistungsbescheid durch Angaben erwirkt, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren, indem er die Arztrechnung vom 10.06.2011 ohne weitere Kommentierung eingereicht, die Richtigkeit seiner Angaben versichert und damit zum Ausdruck gebracht hat, die konkret abgerechneten medizinischen Leistungen seien erbracht worden. Die entsprechenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts hat der Kläger im Berufungsverfahren nicht in Zweifel gezogen und zudem in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat selbst bestätigt, dass er den Beihilfeantrag vom 26.06.2011 gestellt und eigenhändig unterschrieben habe. Der Senat hat daher keinen Zweifel daran, dass der Kläger gerade auch die -auf jedem Beihilfeantrag des Beklagten vorformulierte und vorgegebene - Versicherung der Richtigkeit seiner Angaben unterschrieben hat, auch wenn der Originalantrag vom 26.06.2011 von dem Beklagten inzwischen vernichtet wurde und nicht mehr vorgelegt werden konnte. Auf die Frage eines Verschuldens kommt es im Rahmen des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG nicht an (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.08.2015 - 2 S 384/14 -, juris Rdnr. 30; BVerwG, Urteil vom 28.06.2012 - 2 C 13.11 -, juris). Vielmehr reicht es in diesem Zusammenhang aus, dass der Begünstigte die Fehlerhaftigkeit des Verwaltungsaktes durch eine in seinem Verantwortungsbereich liegende Handlung kausal hervorgerufen hat. Diese Kausalität liegt hier vor, denn ohne die von dem Kläger eingereichte Rechnung - welche als für die Beihilfegewährung erforderlicher Nachweis i.S.v. § 17 Abs. 3 Satz 1 BVO vorgelegt wurde -hätte das Landesamt die Beihilfe nicht wie geschehen antragsgemäß gewährt.
37 
3. Die Rücknahmeentscheidung des Beklagten ist innerhalb der Jahresfrist des § 48 Abs. 4 LVwVfG ergangen. Dies hat das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt. Insoweit kann der Senat auf die zutreffende Begründung des Verwaltungsgerichts in der angefochtenen Entscheidung verweisen (§§ 125 Abs. 1, 117 Abs. 5 VwGO), zumal der Kläger diesbezüglich im Berufungsverfahren keine Einwendungen erhoben hat.
38 
4. Ermessensfehler bei der Rücknahmeentscheidung kann der Kläger nicht für sich geltend machen. Die Entscheidung über die Rücknahme i.S.v. § 48 Abs. 1 LVwVfG liegt grundsätzlich im Ermessen der Behörde. Liegt allerdings ein Anwendungsfall des § 48 Abs. 2 LVwVfG vor und kann sich der Begünstigte auf Vertrauensschutz berufen, so darf der Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden und besteht kein entsprechender Ermessensspielraum der Behörde mehr (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. § 127a). Diese Regelung greift hier nicht ein, denn nach den Ausführungen unter 2. kann sich der Kläger - wegen § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG - nicht auf Vertrauensschutz berufen. In einem solchen Fall bestimmt § 48 Abs. 2 Satz 4 LVwVfG, dass der Verwaltungsakt „in der Regel“ mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen wird. Diese Regelung bezieht sich nicht nur - was aber der Wortlaut für sich genommen nahelegen würde - auf die Frage, ob der Verwaltungsakt für die Vergangenheit zurückgenommen wird, sondern auch auf die logisch vorrangige Frage, ob er überhaupt zurückgenommen werden soll (Kopp/ Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl., § 48 Rdnr. 127b; OVG Berlin-Bbg., Urteil vom 26.11.2015 - 7 B 4.15 -, juris Rdnr. 29; Hamburgisches OVG, Urteil vom 25.07.2017 - 3 Bf 96/15 -, juris Rdnr. 72). § 48 Abs. 2 Satz 4 LVwVfG lenkt das der Behörde nach der Grundsatzregelung des § 48 Abs. 1 LVwVfG bei Nichteingreifen der Vertrauensschutzregelung des § 48 Abs. 2 LVwVfG wieder zustehende Ermessen, indem er für die Fälle des § 48 Abs. 2 Satz 3 LVwVfG die Rücknahme des Verwaltungsaktes mit Wirkung für die Vergangenheit als Regel festlegt (BVerwG, Urteil vom 23.05.1996 - 3 C 13.94 -, juris Rdnr. 51; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.08.2015 - 2 S 384/14 -, juris Rdnr. 31; Urteil vom 11.01.2006 - 13 S 2345/05 -, juris Rdnr. 36; OVG Berlin-Bbg., a.a.O., Hamburgisches OVG, a.a.O., Kopp/Ramsauer, a.a.O. Rdnr. 127b). Daher müssen im Anwendungsbereich des § 48 Abs. 2 Satz 4 LVwVfG besondere, atypische Gründe vorliegen, wenn eine Rücknahme nur für die Zukunft angenommen oder von der Rücknahme ganz abgesehen werden soll. Das kann der Fall sein, wenn der Unrechtsgehalt, der mit einem Fall des § 48 Abs. 2 Satz 3 LVwVfG typischerweise verbunden ist, wegen Besonderheiten des Einzelfalles ausnahmsweise nicht vorliegt (Kopp/Ramsauer, a.a.O. Rdnr. 127; OVG Berlin-Bbg., a.a.O. Rdnr. 30). Einen atypischen Fall vermag der Senat hier nicht zu erkennen. Entgegen seinem Vortrag mussten die nach Auffassung des Klägers tatsächlich erbrachten, beihilfefähigen Leistungen bei der (Teil-)Rücknahme des Beihilfebescheides nicht berücksichtigt werden (s.o.), so dass sich hieraus auch kein Ausnahmefall von der Regelrücknahme des § 48 Abs. 2 Satz 4 LVwVfG ableiten lässt. Ferner ist nicht zu erkennen, inwiefern der einem Fall des § 48 Abs. 2 Satz 3 LVwVfG innewohnende typische Unrechtsgehalt hier ausnahmsweise fehlen könnte. Der Kläger hat den Beihilfebescheid vom 06.07.2011 durch in wesentlicher Beziehung unrichtige oder unvollständige Angaben erwirkt (§ 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG, dazu s.o. 2.). Da es in diesem Zusammenhang allein darauf ankommt, ob der Begünstigte die Fehlerhaftigkeit des Verwaltungsaktes durch eine in seinem Verantwortungsbereich liegende Handlung kausal hervorgerufen hat und etwaiges Verschulden des Begünstigten unmaßgeblich ist (s.o.), gehört fehlendes Verschulden bereits zur typisierten Bewertung des Gesetzgebers bei § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG und vermag keine einzelfallbezogene Atypik zu begründen.
39 
Eine die Regelrücknahme beseitigende atypische Sachlage liegt auch dann nicht vor, wenn man mit dem Kläger davon ausgeht (dazu näher unter II. 2 b)), dass er die Rechtswidrigkeit der Beihilfegewährung weder positiv kannte noch infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte und ein Anwendungsfall des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 LVwVfG mithin nicht anzunehmen ist. Denn die Regelrücknahme nach § 48 Abs. 2 Satz 4 LVwVfG wird allein schon durch das Eingreifen des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG - und das Nichtvorliegen eines hierauf bezogenen atypischen Sonderfalls - ausgelöst. Wenn der Kläger zwar den Unrechtsgehalt des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG, nicht aber zusätzlich den des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 LVwVfG verwirklicht hätte, änderte sich an der bereits anzunehmenden Regelrücknahme nichts.
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Schließlich lässt sich eine einzelfallbezogene Atypik im Rahmen des § 48 Abs. 2 Satz 4 LVwVfG entgegen dem Klägervortrag auch nicht damit begründen, dass der Beklagte im Januar 2017 einen Vergleich mit der A... U…-... abgeschlossen hat, aufgrund dessen die Klinik sich zu Zahlungen an den Beklagten bereit erklärt hat. Dieser Vergleich bezieht sich nach dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten auf den Ausgleich des Schadens, den der Beklagte infolge möglicher deliktischer Handlungen der N... Fachklinik bzw. solcher Personen, deren Handlungen sich diese Klinik eventuell zurechnen lassen muss, erlitten hat. Erfasst sind von dem Vergleich aber nur die Fälle, in denen das Landesamt keinen individuellen Rückforderungsbescheid gegenüber einem Beihilfeempfänger mehr erlassen kann, weil zwar dessen Behandlung in der Klinik bekannt ist, aber keine individuelle Rechnung mehr vorliegt. Von diesem Regelungsinhalt gehen die Beteiligten nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung übereinstimmend aus. Dann aber ist die vorliegende Sachverhaltskonstellation, in der ja gerade ein individueller Rückforderungsbescheid in Rede steht, von den Vergleichsregelungen nicht umfasst. Der mit der A... U... als Funktions- bzw. Rechtsnachfolgerin der N... Fachklinik abgeschlossene Vergleich dürfte hier aber auch deshalb ohne Relevanz sein, weil es vorliegend um (betrügerisch abgerechnete) Belegarztleistungen geht, Belegarztleistungen aber nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 18 Abs. 1 Krankenhausentgeltgesetz nicht zu den Krankenhausleistungen gehören, die von dem Krankenhaus selbst erbracht und abgerechnet werden und für die es einzustehen hat.
41 
Das Nichtvorliegen eines Ausnahmefalls zur Regelrücknahme hat zur Konsequenz, dass der Beklagte über den Hinweis auf § 48 Abs. 2 Satz 4 LVwVfG hinaus keine weitergehenden Ermessenserwägungen anstellen musste und sich die vom Kläger aufgeworfene Frage nach dem Vorliegen von Ermessensfehlern nicht stellt. Insbesondere kommt es nicht darauf an, wie vom Kläger mit Schriftsatz vom 11.12.2017 vorgetragen, ob der Beklagte die mit der A... U... vereinbarten Schadensersatzzahlungen nachträglich „bei der Ermessensentscheidung über die Rücknahme“ hätte berücksichtigen müssen.
II.
42 
Anders als die Rücknahmeentscheidung erweist sich jedoch die unter Nr. 2 des angefochtenen Bescheides verfügte Rückforderungsentscheidung des Beklagten in dem angefochtenen Umfang als rechtswidrig. Insoweit war der Bescheid aufzuheben und das Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern.
43 
Rechtsgrundlage für die Erstattungsforderung ist § 15 Abs. 2 Satz 1 LBesG, wonach sich die Rückforderung zu viel gezahlter Bezüge nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung richtet. Zwar gilt diese Vorschrift nach ihrem Wortlaut an sich nur für die Rückforderung „zuviel gezahlter Bezüge“, worum es hier nicht geht. Nach der Rechtsprechung des Senats ist die Vorschrift aber nach dem ersatzlosen Wegfall des § 109 LBG a.F. auf die Rückforderung zu Unrecht erbrachter Beihilfeleistungen entsprechend anwendbar (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 20.09.2016 - 2 S 994/15 -, juris Rdnr. 19ff und Urteil vom 24.03.2017 - 2 S 701/16 -, juris Rdnr. 32).
44 
1. Damit ist auch zu prüfen, ob der Kläger nicht mehr bereichert ist (§ 818 Abs. 3 BGB). Der Kläger hat sich vorliegend ausdrücklich darauf berufen, dass er den zurückgeforderten Betrag (2.575,23 EUR) im Vertrauen auf den Bestand der Beihilfegewährung an den Rechnungssteller bezahlt habe und damit nicht mehr bereichert sei. In der mündlichen Verhandlung hat er hierzu unwidersprochen ausgeführt, die Rechnungssumme habe er am 01.08.2011 an die Fa. R... GmbH und damit an die inkassoberechtigte Stelle überwiesen. Zwischen der Gewährung/Auszahlung der Beihilfe im Juli 2011 und der Anhörung zur Rückforderung im Juli 2015 liegt ein langer Zeitraum von 4 Jahren, in welchem der Kläger nicht mit einer Rückforderung zu rechnen brauchte.
45 
Eine Bereicherung des Klägers besteht auch nicht deshalb fort, weil er den von der Beklagten erhaltenen Betrag i.H.v. 2.575,23 EUR zur Zahlung an die R... GmbH (respektive Dr. M.../Dr. D...) verwendet und sich insoweit von der Rechnungsschuld befreit hat. Zwar ist im Rahmen der zum Begriff der Entreicherung entwickelten Grundsätze anerkannt, dass der Begriff des Wegfalls der Bereicherung nicht nach rechtlichen, sondern nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten durch einen saldenmäßigen Vergleich des Aktiv- und des Passivvermögens zu beurteilen ist (BVerwG, Urteil vom 28.01.1993 - 2 C 15.91 -, juris), weshalb der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon ausgeht, dass sich der zur Herausgabe verpflichtete Empfänger einer Leistung dann nicht mehr auf den Wegfall der Bereicherung berufen kann, wenn er mit dem erlangten Betrag ganz oder teilweise Schulden getilgt hat (BGH, Urteil vom 09.05.1984 - IV B ZR 7/93 -, juris; für den Fall überzahlter Versorgung/überzahlter Dienstbezüge auch BVerwG, Urteil vom 10.10.1961 - VI C 25.60 -, juris und BVerwG, Urteil vom 28.01.1993 - 2 C 15.91 -, juris). Hier liegt jedoch die beihilfespezifische Besonderheit vor, dass der Kläger die ihm von dem Beklagten bewilligten und ausgezahlten Beihilfeleistungen bestimmungsgemäß verwendet und zur Begleichung der Arztrechnung eingesetzt hat. Hiervon geht auch der Beklagte in seinem Schriftsatz vom 19.12.2017 (S. 2 am Ende) ausdrücklich aus. Ein Beihilfeberechtigter vertraut aber in grundsätzlich schutzwürdiger Weise auf den Bestand von Beihilfebescheiden, wenn er mit der gewährten Beihilfe die diesen Bescheiden zugrundeliegenden Arztrechnungen begleicht (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.02.2012 - 2 S 2983/11 -, juris Rdnr. 25; OVG Nordrh.-Westf., Beschluss vom 05.07.2007 - 6 A 4961/05 -, juris Rdnr. 6; VG Düsseldorf, Urteil vom 15.11.2011 - 26 K 444/11 -, juris Rdnr. 37). Anders als im Falle gewöhnlicher Schuldentilgung hat der Beihilfeempfänger durch die bestimmungsgemäße Verwendung der erhaltenen Beihilfeleistungen gerade keinen anderweitigen Vorteil - etwa in Form ersparter Schuldzinsen oder der Befreiung von einer Drittverbindlichkeit - erlangt.
46 
Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten liegt auch in einem behaupteten Rückforderungsanspruch des Klägers gegen die A... U... - als Funktionsnachfolgerin und möglicherweise auch Rechtsnachfolgerin der N...-... Fachklinik - keine „bestehengebliebene“ Bereicherung. Denn ein wegen fehlerhafter bzw. betrügerischer Rechnungsstellung etwa bestehender Rückforderungsanspruch richtete sich jedenfalls nicht gegen die A... U... Den Behandlungsvertrag hat der Kläger nämlich mit Dr. M...-.../Dr. D... als Belegärzten der A... U... abgeschlossen, wie sich aus der Rechnung vom 10.06.2011 ausdrücklich ergibt. Belegarztleistungen gehören aber nicht zu den Krankenhausleistungen, vielmehr rechnet der Belegarzt die von ihm erbrachten Leistungen selbst ab (§§ 2 Abs. 1 Satz 2 und 18 KHEntgeltG). So ist es auch vorliegend geschehen. Etwaige Rückforderungsansprüche des Klägers gegen die behandelnden Ärzte „stehen aber lediglich auf dem Papier“ und zwar unabhängig davon, ob man mit dem Kläger davon ausgeht, dass Dr. M... inzwischen insolvent ist. Es ist schon mehr als zweifelhaft, ob - wie der Beklagte vorträgt - wegen der betrügerischen Rechnungsstellung der mit dem Kläger abgeschlossene Behandlungsvertrag nichtig ist. Denn dazu bedürfte es der Feststellung, dass der Vertragsschluss gegen ein gesetzliches Verbot verstößt (§ 134 BGB) oder aber, dass zwischen der angebotenen ärztlichen Leistung und der vereinbarten Vergütung ein grobes Missverhältnis vorliegt (OLG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 26.06.2008 - 1 U 9/08 -, juris Rdnr. 25). Für beides bestehen keine Anhaltspunkte. Aber selbst wenn man eine Nichtigkeit des Behandlungsvertrages unterstellt und davon ausgeht, dass das Vertragsverhältnis rückabgewickelt werden muss und kann, könnte der Kläger nicht lediglich den von ihm auf die Rechnung vom 10.06.2011 geleisteten Zahlungsbetrag zurückverlangen (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB), sondern müsste im Gegenzug im Umfang der von ihm empfangenen und nicht mehr rückabwickelbaren ärztlichen Behandlung Wertersatz leisten (§ 818 Abs. 2 BGB). Bei wirtschaftlicher Betrachtung erscheint es bei dieser Sachlage lebensfremd anzunehmen, dass gegenüber dem behandelnden Arzt ein realisierbarer Bereicherungsanspruch besteht und der zur Tilgung der Arztrechnung verwendete Betrag deshalb wertmäßig noch im Vermögen des Klägers vorhanden ist. Gleiches gilt, soweit sich der Beklagte in der mündlichen Verhandlung erstmals darauf berufen hat, dem Land, um dessen „Beihilfeschulden“ es bei wirtschaftlicher Betrachtung gehe, stehe ein deliktischer Anspruch gegen den betrügerischen Rechnungssteller oder die Klinik aus § 826 BGB und möglicherweise auch ein Anspruch aus § 242 BGB zu. Auch diese nur äußerst vage behaupteten, völlig ungewissen Ansprüche erlauben jedenfalls nicht den Schluss, das Vermögen des Klägers sei bei wirtschaftlicher Betrachtung noch in einer fassbaren Weise wertmäßig erhöht (BGH, Urteil vom 29.05.1978 - II ZR 166/77 -, juris Rdnr. 11f; Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 28.04.2016 - 5 U 36/15 -, juris Rdnr. 73).
47 
2. Auf den Wegfall der Bereicherung kann sich der Kläger vorliegend auch berufen. Die in § 15 Abs. 2 Satz 1 LBesG i.V.m. § 819 Abs. 4 BGB und § 15 Abs. 2 Satz 2 LBesG genannten Ausschlussgründe liegen nicht vor:
48 
a) Der Kläger hatte von den Umständen, welche zur Rücknahme des Verwaltungsaktes geführt haben - und damit von dem Mangel des Rechtsgrundes für die Beihilfezahlung i.S.v. § 15 Abs. 2 Satz 1 LBesG i.V.m. § 819 Abs. 4 Satz 1 BGB -, zur Überzeugung des Senats keine positive Kenntnis. Zwar ist in den Feststellungen des Landgerichts R... zur manipulativen Abrechnungspraxis in der N... Fachklinik davon die Rede (Urteil vom 09.02.2015, S. 20), dass jeder Patient zusätzlich eine nur für ihn bestimmte transparente Abrechnung der tatsächlich erbrachten Leistungen erhalten habe. Der Kläger hat im vorliegenden Verfahren jedoch konsequent bestritten, dass dies auch bei ihm der Fall gewesen sei. Er hat nachvollziehbar und glaubhaft ausgeführt, dass ihm insbesondere der Behandlungsplan, welcher aus den Ermittlungsakten der Polizei in die Rückforderungsakte gelangt ist, erst im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens bekannt geworden ist. Hierfür spricht, dass es sich bei diesem Behandlungsplan schon nach seiner äußeren Gestaltung um ein klinikinternes Schriftstück handelt. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung auch plausibel ausgeführt, dass die in dem Behandlungsplan erwähnten „Abrechnungsberatungen“ zwar am 11.05.2011 und am 07.06.2011 stattgefunden hätten, es dort aber lediglich um technische Abrechnungsfragen (Name der Krankenkasse, leistender Beihilfeträger, Vorausleistungen, Kurtaxepflicht, anfallende Kosten für den persönlichen Bedarf) bzw. um die Zahlung direkt vor Ort abzurechnender Leistungen gegangen sei.
49 
b) Dem Kläger ist auch nicht vorzuwerfen, dass er die Umstände, welche zur Rücknahme des Verwaltungsaktes geführt haben - und damit den Mangel des Rechtsgrundes für die Beihilfezahlung - hätte erkennen müssen (§ 15 Abs. 2 Satz 2 LBesG). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg zu der Parallelregelung des § 12 Abs. 2 Satz 2 BBesG ist der Mangel des rechtlichen Grundes für die Zahlung von Bezügen dann offensichtlich, wenn der Empfänger ihn nur deshalb nicht erkannt hat, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht gelassen hat (BVerwG, Urteil vom 25.11.1982 - 2 C 14.81 -, juris Rdnr. 22; Urteil vom 27.01.1987 -2 C 9.85-, juris Rdnr. 18; Beschluss vom 19.11.1996 - 2 B 42.96 -, juris Rdnr. 5; Urteil vom 26.04.2012 -2 C 15.10 -, juris Rdnr. 16; Urteil vom 26.04.2012 - 2 C 4.11 -, juris Rdnr. 10, VGH Bad.-Württ., Urteil vom 04.10.1995 - 4 S 1799/94 -, juris Rdnr. 32), also grob fahrlässig gehandelt hat. Letztlich ist das Fehlen eines Rechtsgrundes für die Zahlung dann offensichtlich, wenn es für den Empfänger ohne weiteres erkennbar ist (BVerwG, Urteil vom 26.04.2012 - 2 C 15.10 -, juris Rdnr. 16; Urteil vom 26.04.2012 - 2 C 4.11 -, juris Rdnr. 10). Für die Beurteilung, ob der Beamte die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders hohem Maße außer Acht gelassen hat, ist auf die individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten des Empfängers (z.B. Vor- und Ausbildung, dienstliche Tätigkeit) zur Prüfung der ihm zuerkannten Beträge abzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.11.1982 - 2 C 14.81 -, juris Rdnr. 22; Urteil vom 26.04.2012 - 2 C 15.10 -, juris Rdnr. 17; Urteil vom 26.04.2012 - 2 C 4.11 -, juris Rdnr. 11). Im Rahmen des § 15 Abs. 2 Satz 2 LBesG gelten dieselben Maßstäbe (Hellstern/ Kaufmann/Ludy, Handbuch des Besoldungsrechts für Baden-Württemberg, § 15 LBesG Rdnr. 15.2.3.4.).
50 
Unter Berücksichtigung dessen liegt beim Kläger jedenfalls keine „grobe“ Fahrlässigkeit vor. Denn aus der Kenntnis der bei ihm tatsächlich durchgeführten Behandlungen in Zusammenschau mit den Angaben auf der Rechnung vom 10.06.2011 musste er nicht den Schluss ziehen, die Abrechnung könne nicht stimmen und die auf der Einreichung dieser Rechnung beruhende Beihilfegewährung sei mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig. Eine Prüfung der in der Rechnung aufgeführten einzelnen GOÄ-Ziffern daraufhin, ob sie tatsächlich nach der GOÄ abrechenbar sind und ob die auf der Rechnung stichwortartig ausgewiesenen Leistungen der jeweils zugeordneten GOÄ-Ziffer entsprechen, war dem Kläger als medizinischem Laien objektiv nicht möglich und auch subjektiv von ihm nicht zu verlangen. Allerdings war von ihm zu erwarten, die abgerechneten Leistungspositionen anhand der stichwortartig ausgewiesenen Leistungsbeschreibung daraufhin zu überprüfen, ob sie plausibel sind, insbesondere, ob ihnen eine tatsächlich erbrachte Leistung gegenüber steht. Diesen Anforderungen ist der Kläger hier nachgekommen. Zwar hat er im Widerspruchsverfahren anwaltlich u.a. vortragen lassen, eine Überprüfung der einzelnen Rechnungspositionen habe er „nicht vorgenommen“, da er weder mit den ärztlichen Fachbegriffen noch mit den GOÄ-Ziffern sachlich etwas habe anfangen können und zudem davon ausgegangen sei, dass die Fachbeamten des Landesamts die Liquidationsgrundlage sachlich überprüfen könnten. Dies war jedoch schon bei isolierter Betrachtung nicht so zu verstehen, dass der Kläger die Rechnung vom 10.06.2011 völlig ungeprüft an das Landesamt weitergegeben hat. Die unterlassene Einzelprüfung bezog sich vielmehr - wie der Hinweis auf die fehlende medizinische Sachkunde des Klägers zeigt - auf die ärztlichen Fachbegriffe bzw. die Abrechenbarkeit der in der Rechnung genannten GOÄ-Ziffern und betraf damit einen Bereich, den der Kläger im Einzelnen gar nicht überprüfen konnte. Die ihm auch als medizinischem Laien obliegende Plausibilitätsprüfung hat der Kläger hingegen vorgenommen. In der mündlichen Verhandlung hat er hierzu nachvollziehbar und glaubhaft ausgeführt, nach Erhalt der Rechnung habe er die Einzelpositionen daraufhin durchgeschaut, ob die Leistungen nicht wie abgerechnet erbracht worden sein können, z.B. an einem Sonntag oder außerhalb des Behandlungszeitraums.
51 
Zwar fällt bei einem inhaltlichen Blick auf die abgerechneten Positionen ins Auge, dass ein Großteil der in dem Behandlungsplan genannten Leistungen, welche der Kläger - auch nach seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung - tatsächlich in Anspruch genommen hat und welche ihm demgemäß bekannt waren, sich in der Rechnung vom 10.06.2011 nicht wiederfinden (z.B. „Dornbreuss“, „Craniosacral-Therapie“, „Softpack Kreidepackung“, „Strömen“, „Körper-Seele-Int.(Trager), „Aurum Manus“, „Biografie-Arbeit“, „TP: Alexander Technik“, „Heiße Steine“, „Facial Harmony“, „Walking Gruppe (B)“). Diese Leistungen konnten von einem medizinischen Laien aber ohne weiteres als Einzelmaßnahme im Rahmen der in den Rechnungen genannten Oberbegriffe verstanden werden. Denn bei „Dornbreuss“ handelt es sich um eine manuelle Wirbelsäulentherapie nach Dorn/Breuss, die dem abgerechneten „chirotherapeutischen Eingriff an der Wirbelsäule“ zugeordnet werden konnte. Bei der z.B. am 12.05.2011 und am 31.05.2011 durchgeführten manuellen Craniosacraltherapie handelt es sich um ein manuelles Verfahren, bei dem Handgriffe vorwiegend im Bereich des Schädels, des Nackens, des Zungenbeins, des Thorax, der Wirbelsäule, des Kreuzbeins, des Zwerchfells, des Beckens und der Füße durchgeführt werden und bei dem die Annahme nicht fern liegt, es handele sich um eine unter demselben Datum abgerechnete krankengymnastische Ganzbehandlung bzw. chirotherapeutische Wirbelsäulenbehandlung. Die durchgeführten Maßnahmen „Biografie-Arbeit“, „Körper-Seele-Int (Trager)“, „Facial Harmony“, „Heiße Steine“, „Aurum Manus“ und „Softpack-Kreidepackungen“, „Kraft der Stimme“, „Strömen“ und „Alexander-Technik“ konnten in derselben Weise jedenfalls von einem medizinischen Laien als Entspannungs- oder Vorbereitungstechniken der jeweils abgerechneten Maßnahmen „tiefenpsychologische Psychotherapie, Einzelbehandlung“ oder „Autogenes Training“ bzw. als „Extensionsbehandlung kombiniert mit Wärmetherapie“ zugeordnet werden. Der Kläger hat hierzu in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, er sei bei Beginn seines Klinikaufenthalts gesundheitlich am Ende gewesen. Die genannten Maßnahmen hätten aus seiner Sicht dazu gedient, ihn zunächst einmal zu aktivieren, zu stabilisieren und abzulenken. Kern der Behandlungen seien die - in der Rechnung vom 10.06.2011 als solche abgerechneten - therapeutischen Gespräche gewesen, die ihn sehr angestrengt hätten. Dies ist für den Senat ohne weiteres nachvollziehbar, zumal der Kläger darauf hingewiesen hat, er habe die durchgeführten Anwendungen auch aufgrund eines früheren Klinikaufenthalts „einordnen“ können. Berücksichtigt man schließlich noch, dass dem Kläger - wie von ihm unwidersprochen vorgetragen - bereits vor Beginn seiner Behandlung seitens der Klinik bestätigt wurde, es würden nur beihilfefähige Behandlungen durchgeführt, und er entsprechend dieser Auskunft nicht abrechenbare physiotherapeutische Leistungen gesondert bezahlt hat (Rechnung vom 09.06.2011), so musste sich dem Kläger bei einer Gesamtwürdigung der vorliegenden Umstände nicht aufdrängen, dass es sich bei den nicht gesondert abgerechneten Behandlungen und Maßnahmen um medizinisch nicht indizierte Wellnessmaßnahmen handeln könnte, die nicht nach GOÄ abgerechnet werden können und nicht beihilfefähig sind.
52 
Der Kläger hatte auch keine Veranlassung zu der Annahme, bei den durchgeführten Behandlungen handele es sich um Behandlungsmethoden, die in dem Hinweisschreiben des LBV vom 26.04.2011 (S. 3 bis 6) als von der Beihilfefähigkeit vollständig oder teilweise ausgeschlossen bezeichnet werden. Zweifelhaft ist hier allenfalls die Zuordnung der im Behandlungsplan aufgeführten Therapie „Walking Gruppe“. Hierbei geht es erkennbar um eine reine Sportmaßnahme. Anhand der Abrechnung vom 10.06.2011 musste der Kläger aber schon nicht davon ausgehen, dass eine solche Sportmaßnahme vom Rechnungssteller überhaupt abgerechnet wurde.
53 
Kann sich der Kläger mithin erfolgreich auf den Wegfall der Bereicherung berufen, so führt dies zur Aufhebung der verfügten Rückforderung, ohne dass es noch weiter darauf ankäme, ob die in der Rückforderungsentscheidung angestellten Billigkeitserwägungen in ausreichender Weise den Besonderheiten des Berufsbeamtentums Rechnung tragen.
III.
54 
Der Kläger kann von dem Beklagten antragsgemäß auch die Erstattung des von ihm bereits - unter Vorbehalt - bezahlten Rückforderungsbetrages i.H.v. 1.785,23 EUR beanspruchen. Anspruchsgrundlage ist mangels spezialgesetzlicher Grundlage (§ 15 LBesG betrifft nur die Rückforderung zuviel bezahlter Bezüge, worum es hier nicht geht) der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch.Dabei handelt es sich um ein aus den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts, insbesondere der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, abgeleitetes eigenständiges Rechtsinstitut des öffentlichen Rechts, dessen Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen, soweit sie - wie hier - nicht spezialgesetzlich geregelt sind, denen des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs entsprechen, sofern den §§ 812ff BGB keine abweichende Interessenbewertung zugrunde liegt, die in das öffentliche Recht nicht übertragbar ist (VGH Bad.-Württ, Urteil vom 15.09.2011 - 2 S 654/11 -, juris Rdnr. 18; BVerwG, Urteil vom 18.01.2001 - 3 C 7.00-BVerwGE 112, 351; BVerwG, Beschluss vom 07.10.2009 -9 B 24.09- juris, mit weiteren Nachweisen). Letzteres ist hier nicht der Fall. Die Voraussetzungen des Erstattungsanspruches liegen hier auch vor. Aus den Ausführungen unter II. ergibt sich, dass der Beklagte die Zahlung des zurückgeforderten Betrages durch den Kläger als „Leistung“ i.S.v. § 812 Abs. 1 BGB ohne rechtlichen Grund erlangt hat. Die Rückforderung des gezahlten Betrages ist auch nicht gem. § 814 BGB ausgeschlossen. Denn die Vorschrift dürfte auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch schon nicht anwendbar sein, weil hier abweichend von den Wertungen des Zivilrechts dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltungstätigkeit Rechnung zu tragen ist (vgl. hierzu ThürOVG, Urteil vom 17.12.2002 - 2 KO 701/00 -, juris Rdnr. 51, HessVGH, Urteil vom 17.07.1990 - 11 UE 1487/89 -, juris Rdnr. 30). Unabhängig davon hat der Kläger den nunmehr zurückgeforderten Betrag jedenfalls nicht in Kenntnis der Nichtschuld an den Beklagten bezahlt, sondern im Gegenteil unter dem Vorbehalt der Rückforderung, falls die Rückforderung der Beihilfeleistung ihrerseits nicht gerechtfertigt ist (Behördenakte Bl. 25).
55 
Die Erstattungsforderung ist mit 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit des Antrages zu verzinsen (§§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB). Rechtshängigkeit ist mit Eingang der - formgerecht erhobenen -Klage beim Verwaltungsgericht am 28.01.2016 eingetreten. Der Tag des Klageeingangs wird bei der Pflicht zur Zinszahlung allerdings nicht mitgerechnet (§ 187 Abs. 1 BGB in analoger Anwendung, vgl. BVerwG, Urteil vom 30.06.2011 - 3 C 30.10 -, juris Rdnr. 21, BGH, Urteil vom 04.07.2017 - XI ZR 562/15 -, juris Rdnr. 103), weshalb die Forderung erst ab dem 29.01.2016 zu verzinsen ist.
56 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 708 Nr. 10 Satz 1 ZPO, § 711 ZPO i.V.m. § 709 Satz 2 ZPO. § 167 Abs. 2 VwGO findet auf die vorliegende Fallkonstellation weder direkte noch entsprechende Anwendung, da die Behörde hier im Wege der Leistungsklage zur Zahlung eines Geldbetrages und nicht zur Vornahme einer schlicht-hoheitlichen Maßnahme verurteilt worden ist (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 03.11.2011 - 6 S 2904/11 -, juris Rdnr. 11; Beschluss vom 24.03.1999 - 9 S 3012/98 -, juris Rdnr. 3f; Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. § 167 Rdnr. 21)
57 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
58 
Beschluss vom 26.01.2018
59 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 1.785,23 EUR festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 Satz 1 GKG). Die Anfechtungsklage gegen die Rücknahme des Beihilfebescheides und gegen die Rückforderung der geleisteten Beihilfe sowie die Leistungsklage auf Erstattung des unter Vorbehalt gezahlten Rückforderungsbetrages sind bei wirtschaftlicher Betrachtung auf dasselbe Ziel gerichtet, das Behaltendürfen der gewährten Beihilfe i.H.v. 1.785,23 EUR. Für eine künstliche Auftrennung dieses einheitlichen Begehrens in mehrere einzelne Streitgegenstände und Zusammenrechnung dieser Werte gem. § 39 Abs. 1 GKG ist daher kein Raum (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.12.1988 - 7 C 93.86 -, juris Rdnr. 12; OVG Nordrh.-Westf., Beschluss vom 21.10.2014 - 14 E 938/14 -, juris).
60 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 15.7.2010 - 9 K 470/09 - geändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 27.10.2008 und dessen Widerspruchsbescheids vom 29.1.2009 verpflichtet, den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Beihilfe vom 12.10.2008 hinsichtlich der geltend gemachten kieferorthopädischen Aufwendungen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die 1948 geborene Klägerin begehrt Beihilfe zu den Aufwendungen für eine kieferorthopädische Behandlung. Sie ist als Beamtin mit einem Bemessungssatz von 70 % beihilfeberechtigt.
Mit Schreiben vom 28.8.2008 legte sie dem Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg (im Folgenden: Landesamt) einen kieferorthopädischen Behandlungsplan zur Prüfung der Beihilfefähigkeit vor. In dem Behandlungsplan wurden die voraussichtlichen Gesamtkosten auf 3.666,57 EUR geschätzt. Die Diagnose für den Oberkiefer lautete: „Retinierter und verlagerter Zahn 13; fehlender Zahn 25; mesiopaltinal rotierter Zahn 26; Implantate regio 25 und 27 bereits gesetzt". Zum Unterkiefer wurde festgestellt: „Fehlende Zähne durch Implantate ersetzt regio 36 und 45, 46; mesioklinierte Molaren; frontaler Engstand, Rotationen und Kippungen". Die Bisslage wird wie folgt beschrieben: „Skel. Klasse I, mand. Verschiebung nach rechts; Biss abgesackt durch fehlende dorsale Abstützung". Des Weiteren heißt es, die Behandlung sei aus funktionellen Gründen (Kiefergelenke) und zum längeren Erhalt der Zähne indiziert. Ohne die kieferorthopädische Aufrichtung der Molaren sei die prothetische Versorgung nicht lege artis möglich.
Unter dem 3.9.2008 teilte das Landesamt der Klägerin mit, dass die Kosten der geplanten Maßnahme nicht als beihilfefähig anerkannt würden. Aufwendungen für kieferorthopädische Leistungen seien nur dann beihilfefähig, wenn die behandelte Person bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet habe. Etwas anderes gelte nur bei schweren Kieferanomalien, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erforderten. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch.
Mit Antrag vom 12.10.2008 begehrte die Klägerin Beihilfe zu den bis dahin entstandenen Aufwendungen für die mittlerweile durchgeführte kieferorthopädische Behandlung in Höhe von 1.122,69 EUR (Rechnung vom 10.10.2008). Mit Bescheid vom 27.10.2008 versagte das Landesamt die begehrte Beihilfe.
Mit ihrem hiergegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend: Durch eine starke Bissabsenkung und ein prothetisch unterversorgtes Gebiss habe sie funktionale Probleme im Kieferbereich (schmerzhafte Kiefergelenke und eine eingeschränkte Kaufunktion). Durch die langjährigen Zahnlücken rechts und links im Unterkiefer seien die Backenzähne gekippt, was auch die Ursache starker parodontaler Probleme sei. Auch Schmerzen im Halswirbelbereich hingen damit zusammen. Nur durch eine kieferorthopädische Behandlung könnten die prothetische Versorgung durchgeführt und die gesetzten Implantate fertiggestellt werden, um ihre Zähne auf lange Sicht zu erhalten.
In einer dem Widerspruch beigefügten Stellungnahme der die Klägerin behandelnden Zahnärzte vom 17.11.2008 heißt es, dass eine kieferorthopädische Behandlung wegen einer Bisshebung, Aufrüstung und Passung der Seitenzähne dringend erforderlich gewesen sei. Dadurch sei eine Verbesserung der parodontalen Situation gegeben. Es habe außerdem eine schwere craniomandibuläre Dysfunktion (CMD) - Problematik der Muskel- und Kieferfunktion - bestanden, die starke Schmerzen hervorgerufen habe. Die Folge seien Verspannungen der Nackenmuskulatur und Spannungskopfschmerz. Kiefergelenksbeschwerden, Kiefergelenksknacken und eine eingeschränkte Nackenbeweglichkeit seien schmerzhaft und hätten nur durch die kieferorthopädische Behandlung behoben werden können.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29.1.2009 wies das Landesamt den Widerspruch der Klägerin zurück, da die Voraussetzungen der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für kieferorthopädische Maßnahmen bei über 18-jährigen Beihilfeberechtigten nicht vorlägen.
Am 25.2.2009 hat die Klägerin Klage vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen: Der in Nr. 1.2.3 der Anlage zur BVO geregelte Ausschluss von Aufwendungen für kieferorthopädische Leistungen bei Personen über 18 Jahren von der Beihilfefähigkeit stelle eine sachlich unbegründete Diskriminierung erwachsener Beihilfeberechtigter dar. Er verstoße auch gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Es handle sich um eine ausschließlich an das Alter gebundene Diskriminierung, für die es keine zulässigen Gründe gebe. Die inzwischen abgeschlossenen kieferorthopädischen Maßnahmen seien medizinisch notwendig gewesen. Sie habe schon viele Jahre eine Doppellücke und zwei weitere Zahnlücken durch fehlende Zähne gehabt. Oben habe sie keinen Gegenbiss gehabt und ihr Kiefer habe sich verändert, da der Biss schon lange nicht mehr gestimmt habe. Vier Zähne seien in die Lücke „gekippt" und ein Zahn habe sich gedreht. Bei der Sanierung ihres Gebisses sei es erforderlich gewesen, mehrere gesunde Backenzähne mittels einer kieferorthopädischen Behandlung zu richten. Eine fachgerechte Alternative zu dieser Behandlung habe es nicht gegeben. Auch ihre chronischen Nacken- und Kopfschmerzen seien geheilt.
Der Beklagte hat Klagabweisung beantragt und erwidert: Auch die Fürsorgepflicht erfordere nicht den Ausgleich jeglicher aus Krankheitsfällen entstandener Aufwendungen. Allenfalls unzumutbare Belastungen bzw. erhebliche Aufwendungen, die für den Beamten unausweichlich seien und denen er sich nicht entziehen könne, könnten den Wesenskern der Fürsorgepflicht berühren. Zu denken sei an die Behandlung schwerer oder gar lebensbedrohlicher Krankheiten. Um eine solche handele es sich vorliegend nicht.
10 
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 15.7.2010 - zugestellt am 2.12.2010 - abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt: Nach Nr. 1.2.3 der Anlage zur BVO seien kieferorthopädische Leistungen nur beihilfefähig, wenn die behandelte Person bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet habe; dies gelte nicht bei schweren Kieferanomalien, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erforderten. Gemessen hieran komme eine Beihilfegewährung nicht in Betracht. Die Klägerin habe bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr (längst) überschritten. Auch eine Ausnahme von der Altersgrenze habe nicht vorgelegen, da sie nicht an einer schweren Kieferanomalie gelitten habe. Dass die kieferorthopädische Behandlung nach ihrem Vorbringen und den vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen für eine prothetische Versorgung und zur Behebung einer durch die Zahnfehlstellungen verursachten craniomandibulären Dysfunktion erforderlich gewesen sei, sei unbeachtlich.
11 
Die unterschiedliche Regelung der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für kieferorthopädische Behandlungen für Minderjährige und Erwachsene verstoße nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz und die Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Bei der im Beihilferecht erlaubten pauschalisierenden und typisierenden Betrachtungsweise lägen sachliche Gründe für die unterschiedliche Behandlung der Minderjährigen und Erwachsenen vor, die auch nicht zu einer Verletzung der Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern führten. Dem grundsätzlichen Leistungsausschluss liege die Erwägung zugrunde, dass mit einer kieferorthopädischen Behandlung aus medizinischen Gründen vor Abschluss des Körperwachstums begonnen werden solle, und dass solche Maßnahmen bei Erwachsenen überwiegend aus ästhetischen Gründen oder wegen mangelnder zahnmedizinischer Vorsorge in früheren Jahren erfolgten. Dies sei nicht zu beanstanden.
12 
Allerdings schließe Nr. 1.2.3 der Anlage zur BVO die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für die kieferorthopädische Behandlung Erwachsener auch in den Fällen aus, in denen die herkömmlichen beihilferechtlichen Voraussetzungen der Notwendigkeit und Angemessenheit für eine kieferorthopädische Behandlung erfüllt seien. Da der Verordnungsgeber typisieren dürfe, sei dies rechtlich nicht zu beanstanden, solange solche Fallgestaltungen nicht von vornherein absehbar einen solchen Umfang und ein solches Gewicht erreichten, dass sie auch bei typisierender Betrachtungsweise nicht vernachlässigt werden könnten. Davon sei hier nicht auszugehen. Für eine verfassungsrechtlich gebotene Korrektur sei die Härtefallregelung des § 5 Abs. 6 BVO in den Blick zu nehmen. Eine atypische Fallgestaltung, die die Annahme eines Härtefalls rechtfertige, liege bei der Klägerin jedoch nicht vor. Nach ihrem Vorbringen seien es die von ihr hingenommenen und nicht behandelten Zahnlücken gewesen, die zur Verlagerung von Zähnen und zur Veränderung des Gebisses geführt hätten.
13 
Schließlich verstoße der Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für kieferorthopädische Behandlungen von Erwachsenen nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Ob die Gewährung von Beihilfe in Krankheitsfällen für Beamte unter den sachlichen Anwendungsbereich dieses Gesetzes falle, könne dahingestellt bleiben, da die unterschiedliche Behandlung von Minderjährigen und Erwachsenen jedenfalls nicht wegen des Merkmals „Alter" erfolge, sondern auf den unterschiedlichen Anlässen und Voraussetzungen für eine kieferorthopädische Behandlung beruhe. Selbst wenn man dies anders sehen wolle, sei die in Streit stehende Regelung zulässig, da sie durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sei. Dazu gehöre auch das Ziel einer sparsamen Haushaltsführung. Den einzelnen Mitgliedstaaten sei nicht nur bei der Bestimmung der Ziele, sondern auch bei der Wahl der Mittel ein Gestaltungsspielraum eingeräumt, bei dem auch haushaltsbezogene Erwägungen Berücksichtigung finden könnten.
14 
Die Klägerin hat am 27.12.2010 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und mit Schriftsatz vom 31.1.2011 - beim Verwaltungsgerichtshof eingegangen am 1.2.2011 - begründet.
15 
Der Senat hat Beweis durch die Einholung ein Sachverständigengutachtens erhoben, das von Prof. em. Dr. Sch. unter dem 12.1.2012 erstattet worden ist. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieses Gutachtens verwiesen.
16 
Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie ist der Auffassung, dass der Sachverständige den von ihr vorgetragenen Sachverhalt bestätigt habe.
17 
Sie beantragt,
18 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 15.7.2010 - 9 K 470/09 - zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden- Württemberg vom 27.10.2008 und dessen Widerspruchsbescheids vom 29.1.2009 zu verpflichten, ihren Antrag auf Gewährung einer Beihilfe vom 12.10.2008 hinsichtlich der geltend gemachten kieferorthopädischen Aufwendungen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
19 
Der Beklagte beantragt,
20 
die Berufung zurückzuweisen.
21 
Er macht ergänzend geltend: Der Gutachter habe darauf hingewiesen, als Behandlungsziel der kieferorthopädischen Behandlung Erwachsener stehe häufig die Verbesserung der Ästhetik im Vordergrund. Zudem bestünden erhebliche biologische Unterschiede. Daher bestehe die sachliche Rechtfertigung für die unterschiedliche Behandlung von Minderjährigen und Erwachsenen weiterhin. Der beihilferechtliche Verordnungsgeber habe einen weiten Ermessensspielraum, der ihn dazu berechtige, generalisierende, typisierende und pauschalierende Maßstäbe anzulegen.
22 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die beigezogenen Beihilfeakten des Landesamts verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
23 
Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (vgl. §§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
24 
Die Berufung der Klägerin ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen, da die Klägerin - entsprechend ihrem ausdrücklich gestellten Antrag - verlangen kann, dass der Beklagte ihren Antrag auf Gewährung einer Beihilfe vom 12.10.2008 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut bescheidet (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Die ihr entstandenen Aufwendungen für die streitgegenständliche kieferorthopädische Behandlung sind beihilfefähig.
25 
I. Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.2005 - 2 C 35.04 - BVerwGE 125, 21 m.w.N.; VGH Bad,-Württ., Urteil vom 10.10.2011 - 2 S 1369/11 - Juris). Hier sind die Aufwendungen im September 2008 entstanden. Ob und inwieweit die Klägerin für diese Aufwendungen die Gewährung einer Beihilfe beanspruchen kann, bestimmt sich somit nach §§ 5 Abs. 1 und 6 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung des Finanzministeriums über die Gewährung von Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfeverordnung - BVO -) vom 28.7.1995 (GBl. S. 561) in der Fassung von Art. 10 des Gesetzes vom 17.2.2004 (GBl. S 66).
26 
Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 BVO sind aus Anlass einer Krankheit entstandene Aufwendungen für gesondert erbrachte und berechnete zahnärztliche Leistungen beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. Dies gilt jedoch nur nach Maßgabe der Anlage zur Beihilfeverordnung. Nach Nr. 1.2.3 lit. b der Anlage sind Aufwendungen für kieferorthopädische Behandlungen unter anderem dann beihilfefähig, wenn die behandelte Person bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr noch nicht überschritten hat; die gilt nicht bei schweren Kieferanomalien, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordern.
27 
II. Nach diesen Regelungen sind die Aufwendungen für die kieferorthopädische Behandlung der 1948 geborenen Klägerin von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen, da die dargestellten Indikationen, bei denen die kieferorthopädische Behandlung ausnahmsweise auch bei über 18-Jährigen beihilfefähig ist, im Fall der Klägerin nicht vorliegen. Eine schwere Kieferanomalie, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordert hätte, ist unstreitig nicht gegeben. Dies hat auch der Sachverständige ausdrücklich bestätigt.
28 
III. Die in Nr. 1.2.3 lit b der Anlage zur BVO getroffene Ausschlussregelung kann jedoch unter den im Fall der Klägerin gegebenen Umständen keine Anwendung finden. Hierbei kann offen bleiben, ob der grundsätzliche Ausschluss der kieferorthopädischen Behandlung Erwachsener von der Beihilfefähigkeit mit höherrangigem Recht vereinbar ist (1.). Denn die Versagung der Beihilfe verstößt jedenfalls im vorliegenden Einzelfall gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (2., grundlegend zur Anwendung von Art. 3 Abs. 1 GG im Beihilferecht: Senatsurteil vom 15.3.2012 - 2 S 2542/11 -).
29 
1. Es ist fraglich, ob sich der grundsätzliche Ausschluss kieferorthopädischer Behandlungen für Erwachsene - von eng gefassten Ausnahmen abgesehen - von der Beihilfefähigkeit sachlich rechtfertigen lässt.
30 
Einerseits spricht Vieles dafür, dass die Erwägungen, die ursprünglich zu dem Ausschluss von der Beihilfefähigkeit geführt haben, heute nicht mehr tragfähig sind. Dieser grundsätzliche Ausschluss ist in Anknüpfung an den Gesichtspunkt der medizinischen Notwendigkeit erfolgt. Er beruhte ersichtlich darauf, dass die kieferorthopädische Behandlung Erwachsener früher auch in der Fachwelt mit erheblicher Skepsis betrachtet worden ist (vgl. beispielhaft: BSG, Urteil vom 9.12.1997 - 1 RK 11.97 - BSGE 81, 245, juris-Rn. 20).
        
31 
Diese Skepsis dürfte nicht mehr der heutigen Erkenntnislage entsprechen. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 12.1.2012 schlüssig und nachvollziehbar ausgeführt, dass es auch im Erwachsenenalter möglich und sinnvoll sein kann, Zahnstellungsanomalien durch konservative kieferorthopädische Maßnahmen zu korrigieren. In vielen internationalen Publikationen werde in den letzten Jahren eine Zunahme der kieferorthopädischen Behandlungen Erwachsener beschrieben. Die Behauptung, eine kieferorthopädische Behandlung Erwachsener dauere länger als die von Kindern, lasse sich wissenschaftlich nicht bestätigen. Bei erwachsenen Patienten kämen überwiegend festsitzende Apparaturen zur Anwendung und die Motivation sei in der Regel sehr hoch, was die Behandlungsdauer reduziere; bei Kindern hingegen sei durch den Einsatz herausnehmbarer Geräte, Verzögerungen durch den Zahnwechsel und eingeschränkte Kooperation nicht selten eine längere Behandlungszeit zu beobachten. Die in früherer Zeit vorgebrachten Vorbehalte seien nicht mehr berechtigt.
32 
Andererseits zeigt das vom Senat eingeholte Gerichtsgutachten aber auch Gesichtspunkte auf, die bei typisierender Betrachtungsweise möglicherweise noch heute einen weitgehenden Ausschluss der kieferorthopädischen Behandlung Erwachsener rechtfertigen könnten. Insoweit weist der Beklagte insbesondere darauf hin, dass dem Gutachten zufolge nicht (nur) medizinische Gründe, sondern auch gestiegene ästhetische Ansprüche für die Zunahme der kieferorthopädischen Behandlungen Erwachsener ursächlich seien; für den Patienten stehe häufig die Verbesserung der Ästhetik und erst in zweiter Linie die Verbesserung der Kaufähigkeit im Vordergrund.
33 
2. Es kann jedoch für den vorliegenden Fall dahinstehen, ob die Regelung in der Beihilfeverordnung, die die Beihilfefähigkeit kieferorthopädischer Behandlungen für Erwachsene - von eng gefassten Ausnahmen abgesehen - grundsätzlich ausschließt, generell gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (oder die Vorschriften des AGG) verstößt. Denn auf der Grundlage einer verfassungskonformen und an Sinn und Zweck der Regelung orientierten Auslegung ist jedenfalls unter den hier im Fall der Klägerin gegebenen Umständen die Gewährung einer Beihilfe zu Aufwendungen für eine kieferorthopädische Behandlung auch über die in Nr. 1.2.3 lit. b der Anlage zur BVO geregelten Ausnahmen hinaus geboten.
34 
Der in der Beihilfeverordnung vorgenommene grundsätzliche Ausschluss der Aufwendungen für eine kieferorthopädische Behandlung Erwachsener lässt sich nach heutiger Erkenntnislage höchstens noch mit der Erwägung sachlich rechtfertigen, dass sie typischerweise in erster Linie aus ästhetischen Gründen durchgeführt wird (s. oben). Daher kann die betreffende Vorschrift jedenfalls dann keine Geltung beanspruchen, wenn die Behandlung wie hier ausschließlich auf einer zahnmedizinisch zwingenden Indikation beruht. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Verordnungsgeber grundsätzlich nur einen engen Gestaltungsspielraum hat, wenn eine Ungleichbehandlung wie hier an ein personenbezogenes Merkmal wie das Alter und nicht an Lebenssachverhalte anknüpft oder von freiwilligen Entscheidungen der Betroffenen abhängt (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 28.5.2008 - 2 C 24.07 - NVwZ 2008, 1378, juris-Rn. 25).
35 
Aus dem vom Senat eingeholten Gutachten ergibt sich, dass im vorliegenden Einzelfall mehrere Besonderheiten vorliegen, die einen Ausschluss von der Beihilfefähigkeit als sachwidrig erscheinen lassen. Die bei der Klägerin durchgeführte Behandlung war ausschließlich medizinische indiziert; ästhetische Gründe können ausgeschlossen werden (a). Außerdem war keine Behandlungsalternative vorhanden (b). Die Zahnfehlstellungen im Gebiss der Klägerin waren mit erheblichen Folgeproblemen (craniomandibuläre Dysfunktion) verbunden (c). Schließlich liegt eine sog. sekundäre Anomalie vor, die erst im Erwachsenenalter erworben wurde (d). Der Senat schließt sich insoweit jeweils der überzeugend begründeten Ansicht des Gutachters an, zumal der Beklagte insoweit keine Einwendungen erhoben hat.
36 
a) Für die Behandlung der Klägerin waren ausschließlich medizinische Gründe ausschlaggebend. Der Sachverständige hat im einzelnen dargelegt, dass bei Anwendung der Kieferorthopädischen Indikationsgruppen (KIG), die für die Behandlung von Mitgliedern der Gesetzlichen Krankenkassen entwickelt worden sind, hier die Gruppe U 4 (Unterzahl) in Betracht kommt (vgl. B.2. und Anl. 1 der Richtlinien). Die vorgenommene Behandlung war nach den Feststelllungen in dem Gutachten geeignet, angemessen und notwendig, um bessere Voraussetzungen für eine funktionsoptimierte prothetische Versorgung zu schaffen. Ästhetische Aspekte haben hingegen dem Gutachten zufolge keine Rolle gespielt, da kein nennenswerter Einfluss auf die dentale Ästhetik und die Gesichtsästhetik bestehe. Diese Schlussfolgerung ist ohne Weiteres nachvollziehbar, da lediglich Seiten- und keine Frontzähne betroffen waren.
37 
b) Außerdem war keine Behandlungsalternative vorhanden. Aufgrund der ausgeprägten Kippung einiger Seitenzähne und der Lückeneinengung 25, 35 war eine funktionell zufriedenstellende prothetische Lückenversorgung ohne vorherige Stellungskorrektur der gekippten Zähne und Lückenöffnung nicht möglich. Aufgrund des Ausgangsbefundes war nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen nur die vorgeschlagene kieferorthopädische Behandlung erfolgversprechend; alternativ wäre nur die Nichtdurchführung einer Behandlung, d.h. das Belassen der Gebissanomalie und der Dysfunktion infrage gekommen
38 
c) Die Zahnfehlstellungen im Gebiss der Klägerin waren Ursache erheblicher Folgeprobleme in Form einer craniomandibulären Dysfunktion (CMD) mit Kiefergelenkbeschwerden, Muskelverspannungen und Schmerzen. Ein infolge Seitenzahnverlusts abgesunkener Biss ist dem Gutachten zufolge eine häufig zu beobachtende Ursache für derartige Funktionsstörungen. Die durchgeführte kieferorthopädische Behandlung hat dementsprechend nach Angaben der Kieferorthopädin und der Klägerin dazu geführt, die vorher bestehende craniomandibuläre Dysfunktion zu beheben.
39 
d) Schließlich liegt bei der Klägerin eine sog. sekundäre Anomalie vor, also eine solche, die sich erst im Erwachsenenalter herausgebildet hat. Während bei sog. primären Zahnstellungsfehlern - die in der Jugend nicht oder nur unzureichend behandelt wurden oder bei denen es nach Behandlung zu einem Rezidiv gekommen ist - eine erfolgreiche Behandlung im Kindes- oder Jugendalter möglich gewesen wäre, ist dies bei sekundären Anomalien denknotwendig nicht der Fall. Daher kann der Klägerin auch nicht vorgeworfen werden, eine im Kindes- oder Jugendalter mögliche Behandlung ins Erwachsenenalter „verschleppt“ zu haben.
40 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
41 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
42 
Beschluss vom 2. Mai 2012
43 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 785,88 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
44 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
23 
Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (vgl. §§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
24 
Die Berufung der Klägerin ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen, da die Klägerin - entsprechend ihrem ausdrücklich gestellten Antrag - verlangen kann, dass der Beklagte ihren Antrag auf Gewährung einer Beihilfe vom 12.10.2008 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut bescheidet (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Die ihr entstandenen Aufwendungen für die streitgegenständliche kieferorthopädische Behandlung sind beihilfefähig.
25 
I. Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.2005 - 2 C 35.04 - BVerwGE 125, 21 m.w.N.; VGH Bad,-Württ., Urteil vom 10.10.2011 - 2 S 1369/11 - Juris). Hier sind die Aufwendungen im September 2008 entstanden. Ob und inwieweit die Klägerin für diese Aufwendungen die Gewährung einer Beihilfe beanspruchen kann, bestimmt sich somit nach §§ 5 Abs. 1 und 6 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung des Finanzministeriums über die Gewährung von Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfeverordnung - BVO -) vom 28.7.1995 (GBl. S. 561) in der Fassung von Art. 10 des Gesetzes vom 17.2.2004 (GBl. S 66).
26 
Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 BVO sind aus Anlass einer Krankheit entstandene Aufwendungen für gesondert erbrachte und berechnete zahnärztliche Leistungen beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. Dies gilt jedoch nur nach Maßgabe der Anlage zur Beihilfeverordnung. Nach Nr. 1.2.3 lit. b der Anlage sind Aufwendungen für kieferorthopädische Behandlungen unter anderem dann beihilfefähig, wenn die behandelte Person bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr noch nicht überschritten hat; die gilt nicht bei schweren Kieferanomalien, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordern.
27 
II. Nach diesen Regelungen sind die Aufwendungen für die kieferorthopädische Behandlung der 1948 geborenen Klägerin von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen, da die dargestellten Indikationen, bei denen die kieferorthopädische Behandlung ausnahmsweise auch bei über 18-Jährigen beihilfefähig ist, im Fall der Klägerin nicht vorliegen. Eine schwere Kieferanomalie, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordert hätte, ist unstreitig nicht gegeben. Dies hat auch der Sachverständige ausdrücklich bestätigt.
28 
III. Die in Nr. 1.2.3 lit b der Anlage zur BVO getroffene Ausschlussregelung kann jedoch unter den im Fall der Klägerin gegebenen Umständen keine Anwendung finden. Hierbei kann offen bleiben, ob der grundsätzliche Ausschluss der kieferorthopädischen Behandlung Erwachsener von der Beihilfefähigkeit mit höherrangigem Recht vereinbar ist (1.). Denn die Versagung der Beihilfe verstößt jedenfalls im vorliegenden Einzelfall gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (2., grundlegend zur Anwendung von Art. 3 Abs. 1 GG im Beihilferecht: Senatsurteil vom 15.3.2012 - 2 S 2542/11 -).
29 
1. Es ist fraglich, ob sich der grundsätzliche Ausschluss kieferorthopädischer Behandlungen für Erwachsene - von eng gefassten Ausnahmen abgesehen - von der Beihilfefähigkeit sachlich rechtfertigen lässt.
30 
Einerseits spricht Vieles dafür, dass die Erwägungen, die ursprünglich zu dem Ausschluss von der Beihilfefähigkeit geführt haben, heute nicht mehr tragfähig sind. Dieser grundsätzliche Ausschluss ist in Anknüpfung an den Gesichtspunkt der medizinischen Notwendigkeit erfolgt. Er beruhte ersichtlich darauf, dass die kieferorthopädische Behandlung Erwachsener früher auch in der Fachwelt mit erheblicher Skepsis betrachtet worden ist (vgl. beispielhaft: BSG, Urteil vom 9.12.1997 - 1 RK 11.97 - BSGE 81, 245, juris-Rn. 20).
        
31 
Diese Skepsis dürfte nicht mehr der heutigen Erkenntnislage entsprechen. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 12.1.2012 schlüssig und nachvollziehbar ausgeführt, dass es auch im Erwachsenenalter möglich und sinnvoll sein kann, Zahnstellungsanomalien durch konservative kieferorthopädische Maßnahmen zu korrigieren. In vielen internationalen Publikationen werde in den letzten Jahren eine Zunahme der kieferorthopädischen Behandlungen Erwachsener beschrieben. Die Behauptung, eine kieferorthopädische Behandlung Erwachsener dauere länger als die von Kindern, lasse sich wissenschaftlich nicht bestätigen. Bei erwachsenen Patienten kämen überwiegend festsitzende Apparaturen zur Anwendung und die Motivation sei in der Regel sehr hoch, was die Behandlungsdauer reduziere; bei Kindern hingegen sei durch den Einsatz herausnehmbarer Geräte, Verzögerungen durch den Zahnwechsel und eingeschränkte Kooperation nicht selten eine längere Behandlungszeit zu beobachten. Die in früherer Zeit vorgebrachten Vorbehalte seien nicht mehr berechtigt.
32 
Andererseits zeigt das vom Senat eingeholte Gerichtsgutachten aber auch Gesichtspunkte auf, die bei typisierender Betrachtungsweise möglicherweise noch heute einen weitgehenden Ausschluss der kieferorthopädischen Behandlung Erwachsener rechtfertigen könnten. Insoweit weist der Beklagte insbesondere darauf hin, dass dem Gutachten zufolge nicht (nur) medizinische Gründe, sondern auch gestiegene ästhetische Ansprüche für die Zunahme der kieferorthopädischen Behandlungen Erwachsener ursächlich seien; für den Patienten stehe häufig die Verbesserung der Ästhetik und erst in zweiter Linie die Verbesserung der Kaufähigkeit im Vordergrund.
33 
2. Es kann jedoch für den vorliegenden Fall dahinstehen, ob die Regelung in der Beihilfeverordnung, die die Beihilfefähigkeit kieferorthopädischer Behandlungen für Erwachsene - von eng gefassten Ausnahmen abgesehen - grundsätzlich ausschließt, generell gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (oder die Vorschriften des AGG) verstößt. Denn auf der Grundlage einer verfassungskonformen und an Sinn und Zweck der Regelung orientierten Auslegung ist jedenfalls unter den hier im Fall der Klägerin gegebenen Umständen die Gewährung einer Beihilfe zu Aufwendungen für eine kieferorthopädische Behandlung auch über die in Nr. 1.2.3 lit. b der Anlage zur BVO geregelten Ausnahmen hinaus geboten.
34 
Der in der Beihilfeverordnung vorgenommene grundsätzliche Ausschluss der Aufwendungen für eine kieferorthopädische Behandlung Erwachsener lässt sich nach heutiger Erkenntnislage höchstens noch mit der Erwägung sachlich rechtfertigen, dass sie typischerweise in erster Linie aus ästhetischen Gründen durchgeführt wird (s. oben). Daher kann die betreffende Vorschrift jedenfalls dann keine Geltung beanspruchen, wenn die Behandlung wie hier ausschließlich auf einer zahnmedizinisch zwingenden Indikation beruht. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Verordnungsgeber grundsätzlich nur einen engen Gestaltungsspielraum hat, wenn eine Ungleichbehandlung wie hier an ein personenbezogenes Merkmal wie das Alter und nicht an Lebenssachverhalte anknüpft oder von freiwilligen Entscheidungen der Betroffenen abhängt (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 28.5.2008 - 2 C 24.07 - NVwZ 2008, 1378, juris-Rn. 25).
35 
Aus dem vom Senat eingeholten Gutachten ergibt sich, dass im vorliegenden Einzelfall mehrere Besonderheiten vorliegen, die einen Ausschluss von der Beihilfefähigkeit als sachwidrig erscheinen lassen. Die bei der Klägerin durchgeführte Behandlung war ausschließlich medizinische indiziert; ästhetische Gründe können ausgeschlossen werden (a). Außerdem war keine Behandlungsalternative vorhanden (b). Die Zahnfehlstellungen im Gebiss der Klägerin waren mit erheblichen Folgeproblemen (craniomandibuläre Dysfunktion) verbunden (c). Schließlich liegt eine sog. sekundäre Anomalie vor, die erst im Erwachsenenalter erworben wurde (d). Der Senat schließt sich insoweit jeweils der überzeugend begründeten Ansicht des Gutachters an, zumal der Beklagte insoweit keine Einwendungen erhoben hat.
36 
a) Für die Behandlung der Klägerin waren ausschließlich medizinische Gründe ausschlaggebend. Der Sachverständige hat im einzelnen dargelegt, dass bei Anwendung der Kieferorthopädischen Indikationsgruppen (KIG), die für die Behandlung von Mitgliedern der Gesetzlichen Krankenkassen entwickelt worden sind, hier die Gruppe U 4 (Unterzahl) in Betracht kommt (vgl. B.2. und Anl. 1 der Richtlinien). Die vorgenommene Behandlung war nach den Feststelllungen in dem Gutachten geeignet, angemessen und notwendig, um bessere Voraussetzungen für eine funktionsoptimierte prothetische Versorgung zu schaffen. Ästhetische Aspekte haben hingegen dem Gutachten zufolge keine Rolle gespielt, da kein nennenswerter Einfluss auf die dentale Ästhetik und die Gesichtsästhetik bestehe. Diese Schlussfolgerung ist ohne Weiteres nachvollziehbar, da lediglich Seiten- und keine Frontzähne betroffen waren.
37 
b) Außerdem war keine Behandlungsalternative vorhanden. Aufgrund der ausgeprägten Kippung einiger Seitenzähne und der Lückeneinengung 25, 35 war eine funktionell zufriedenstellende prothetische Lückenversorgung ohne vorherige Stellungskorrektur der gekippten Zähne und Lückenöffnung nicht möglich. Aufgrund des Ausgangsbefundes war nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen nur die vorgeschlagene kieferorthopädische Behandlung erfolgversprechend; alternativ wäre nur die Nichtdurchführung einer Behandlung, d.h. das Belassen der Gebissanomalie und der Dysfunktion infrage gekommen
38 
c) Die Zahnfehlstellungen im Gebiss der Klägerin waren Ursache erheblicher Folgeprobleme in Form einer craniomandibulären Dysfunktion (CMD) mit Kiefergelenkbeschwerden, Muskelverspannungen und Schmerzen. Ein infolge Seitenzahnverlusts abgesunkener Biss ist dem Gutachten zufolge eine häufig zu beobachtende Ursache für derartige Funktionsstörungen. Die durchgeführte kieferorthopädische Behandlung hat dementsprechend nach Angaben der Kieferorthopädin und der Klägerin dazu geführt, die vorher bestehende craniomandibuläre Dysfunktion zu beheben.
39 
d) Schließlich liegt bei der Klägerin eine sog. sekundäre Anomalie vor, also eine solche, die sich erst im Erwachsenenalter herausgebildet hat. Während bei sog. primären Zahnstellungsfehlern - die in der Jugend nicht oder nur unzureichend behandelt wurden oder bei denen es nach Behandlung zu einem Rezidiv gekommen ist - eine erfolgreiche Behandlung im Kindes- oder Jugendalter möglich gewesen wäre, ist dies bei sekundären Anomalien denknotwendig nicht der Fall. Daher kann der Klägerin auch nicht vorgeworfen werden, eine im Kindes- oder Jugendalter mögliche Behandlung ins Erwachsenenalter „verschleppt“ zu haben.
40 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
41 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
42 
Beschluss vom 2. Mai 2012
43 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 785,88 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
44 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Die ärztliche Behandlung umfaßt die Tätigkeit des Arztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. Zur ärztlichen Behandlung gehört auch die Hilfeleistung anderer Personen, die von dem Arzt angeordnet und von ihm zu verantworten ist. Die Partner der Bundesmantelverträge legen für die ambulante Versorgung beispielhaft fest, bei welchen Tätigkeiten Personen nach Satz 2 ärztliche Leistungen erbringen können und welche Anforderungen an die Erbringung zu stellen sind. Der Bundesärztekammer ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(2) Die zahnärztliche Behandlung umfaßt die Tätigkeit des Zahnarztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist; sie umfasst auch konservierend-chirurgische Leistungen und Röntgenleistungen, die im Zusammenhang mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen erbracht werden. Wählen Versicherte bei Zahnfüllungen eine darüber hinausgehende Versorgung, haben sie die Mehrkosten selbst zu tragen. In diesen Fällen ist von den Kassen die vergleichbare preisgünstigste plastische Füllung als Sachleistung abzurechnen. In Fällen des Satzes 2 ist vor Beginn der Behandlung eine schriftliche Vereinbarung zwischen dem Zahnarzt und dem Versicherten zu treffen. Die Mehrkostenregelung gilt nicht für Fälle, in denen intakte plastische Füllungen ausgetauscht werden. Nicht zur zahnärztlichen Behandlung gehört die kieferorthopädische Behandlung von Versicherten, die zu Beginn der Behandlung das 18. Lebensjahr vollendet haben. Dies gilt nicht für Versicherte mit schweren Kieferanomalien, die ein Ausmaß haben, das kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlungsmaßnahmen erfordert. Ebenso gehören funktionsanalytische und funktionstherapeutische Maßnahmen nicht zur zahnärztlichen Behandlung; sie dürfen von den Krankenkassen auch nicht bezuschußt werden. Das Gleiche gilt für implantologische Leistungen, es sei denn, es liegen seltene vom Gemeinsamen Bundesausschuss in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 festzulegende Ausnahmeindikationen für besonders schwere Fälle vor, in denen die Krankenkasse diese Leistung einschließlich der Suprakonstruktion als Sachleistung im Rahmen einer medizinischen Gesamtbehandlung erbringt. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend.

(3) Die psychotherapeutische Behandlung einer Krankheit wird durch Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten nach den §§ 26 und 27 des Psychotherapeutengesetzes und durch Psychotherapeuten nach § 1 Absatz 1 Satz 1 des Psychotherapeutengesetzes (Psychotherapeuten), soweit sie zur psychotherapeutischen Behandlung zugelassen sind, sowie durch Vertragsärzte entsprechend den Richtlinien nach § 92 durchgeführt. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend. Spätestens nach den probatorischen Sitzungen gemäß § 92 Abs. 6a hat der Psychotherapeut vor Beginn der Behandlung den Konsiliarbericht eines Vertragsarztes zur Abklärung einer somatischen Erkrankung sowie, falls der somatisch abklärende Vertragsarzt dies für erforderlich hält, eines psychiatrisch tätigen Vertragsarztes einzuholen.

(4) (weggefallen)

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 15.7.2010 - 9 K 470/09 - geändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 27.10.2008 und dessen Widerspruchsbescheids vom 29.1.2009 verpflichtet, den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Beihilfe vom 12.10.2008 hinsichtlich der geltend gemachten kieferorthopädischen Aufwendungen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die 1948 geborene Klägerin begehrt Beihilfe zu den Aufwendungen für eine kieferorthopädische Behandlung. Sie ist als Beamtin mit einem Bemessungssatz von 70 % beihilfeberechtigt.
Mit Schreiben vom 28.8.2008 legte sie dem Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg (im Folgenden: Landesamt) einen kieferorthopädischen Behandlungsplan zur Prüfung der Beihilfefähigkeit vor. In dem Behandlungsplan wurden die voraussichtlichen Gesamtkosten auf 3.666,57 EUR geschätzt. Die Diagnose für den Oberkiefer lautete: „Retinierter und verlagerter Zahn 13; fehlender Zahn 25; mesiopaltinal rotierter Zahn 26; Implantate regio 25 und 27 bereits gesetzt". Zum Unterkiefer wurde festgestellt: „Fehlende Zähne durch Implantate ersetzt regio 36 und 45, 46; mesioklinierte Molaren; frontaler Engstand, Rotationen und Kippungen". Die Bisslage wird wie folgt beschrieben: „Skel. Klasse I, mand. Verschiebung nach rechts; Biss abgesackt durch fehlende dorsale Abstützung". Des Weiteren heißt es, die Behandlung sei aus funktionellen Gründen (Kiefergelenke) und zum längeren Erhalt der Zähne indiziert. Ohne die kieferorthopädische Aufrichtung der Molaren sei die prothetische Versorgung nicht lege artis möglich.
Unter dem 3.9.2008 teilte das Landesamt der Klägerin mit, dass die Kosten der geplanten Maßnahme nicht als beihilfefähig anerkannt würden. Aufwendungen für kieferorthopädische Leistungen seien nur dann beihilfefähig, wenn die behandelte Person bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet habe. Etwas anderes gelte nur bei schweren Kieferanomalien, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erforderten. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch.
Mit Antrag vom 12.10.2008 begehrte die Klägerin Beihilfe zu den bis dahin entstandenen Aufwendungen für die mittlerweile durchgeführte kieferorthopädische Behandlung in Höhe von 1.122,69 EUR (Rechnung vom 10.10.2008). Mit Bescheid vom 27.10.2008 versagte das Landesamt die begehrte Beihilfe.
Mit ihrem hiergegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend: Durch eine starke Bissabsenkung und ein prothetisch unterversorgtes Gebiss habe sie funktionale Probleme im Kieferbereich (schmerzhafte Kiefergelenke und eine eingeschränkte Kaufunktion). Durch die langjährigen Zahnlücken rechts und links im Unterkiefer seien die Backenzähne gekippt, was auch die Ursache starker parodontaler Probleme sei. Auch Schmerzen im Halswirbelbereich hingen damit zusammen. Nur durch eine kieferorthopädische Behandlung könnten die prothetische Versorgung durchgeführt und die gesetzten Implantate fertiggestellt werden, um ihre Zähne auf lange Sicht zu erhalten.
In einer dem Widerspruch beigefügten Stellungnahme der die Klägerin behandelnden Zahnärzte vom 17.11.2008 heißt es, dass eine kieferorthopädische Behandlung wegen einer Bisshebung, Aufrüstung und Passung der Seitenzähne dringend erforderlich gewesen sei. Dadurch sei eine Verbesserung der parodontalen Situation gegeben. Es habe außerdem eine schwere craniomandibuläre Dysfunktion (CMD) - Problematik der Muskel- und Kieferfunktion - bestanden, die starke Schmerzen hervorgerufen habe. Die Folge seien Verspannungen der Nackenmuskulatur und Spannungskopfschmerz. Kiefergelenksbeschwerden, Kiefergelenksknacken und eine eingeschränkte Nackenbeweglichkeit seien schmerzhaft und hätten nur durch die kieferorthopädische Behandlung behoben werden können.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29.1.2009 wies das Landesamt den Widerspruch der Klägerin zurück, da die Voraussetzungen der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für kieferorthopädische Maßnahmen bei über 18-jährigen Beihilfeberechtigten nicht vorlägen.
Am 25.2.2009 hat die Klägerin Klage vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen: Der in Nr. 1.2.3 der Anlage zur BVO geregelte Ausschluss von Aufwendungen für kieferorthopädische Leistungen bei Personen über 18 Jahren von der Beihilfefähigkeit stelle eine sachlich unbegründete Diskriminierung erwachsener Beihilfeberechtigter dar. Er verstoße auch gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Es handle sich um eine ausschließlich an das Alter gebundene Diskriminierung, für die es keine zulässigen Gründe gebe. Die inzwischen abgeschlossenen kieferorthopädischen Maßnahmen seien medizinisch notwendig gewesen. Sie habe schon viele Jahre eine Doppellücke und zwei weitere Zahnlücken durch fehlende Zähne gehabt. Oben habe sie keinen Gegenbiss gehabt und ihr Kiefer habe sich verändert, da der Biss schon lange nicht mehr gestimmt habe. Vier Zähne seien in die Lücke „gekippt" und ein Zahn habe sich gedreht. Bei der Sanierung ihres Gebisses sei es erforderlich gewesen, mehrere gesunde Backenzähne mittels einer kieferorthopädischen Behandlung zu richten. Eine fachgerechte Alternative zu dieser Behandlung habe es nicht gegeben. Auch ihre chronischen Nacken- und Kopfschmerzen seien geheilt.
Der Beklagte hat Klagabweisung beantragt und erwidert: Auch die Fürsorgepflicht erfordere nicht den Ausgleich jeglicher aus Krankheitsfällen entstandener Aufwendungen. Allenfalls unzumutbare Belastungen bzw. erhebliche Aufwendungen, die für den Beamten unausweichlich seien und denen er sich nicht entziehen könne, könnten den Wesenskern der Fürsorgepflicht berühren. Zu denken sei an die Behandlung schwerer oder gar lebensbedrohlicher Krankheiten. Um eine solche handele es sich vorliegend nicht.
10 
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 15.7.2010 - zugestellt am 2.12.2010 - abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt: Nach Nr. 1.2.3 der Anlage zur BVO seien kieferorthopädische Leistungen nur beihilfefähig, wenn die behandelte Person bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet habe; dies gelte nicht bei schweren Kieferanomalien, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erforderten. Gemessen hieran komme eine Beihilfegewährung nicht in Betracht. Die Klägerin habe bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr (längst) überschritten. Auch eine Ausnahme von der Altersgrenze habe nicht vorgelegen, da sie nicht an einer schweren Kieferanomalie gelitten habe. Dass die kieferorthopädische Behandlung nach ihrem Vorbringen und den vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen für eine prothetische Versorgung und zur Behebung einer durch die Zahnfehlstellungen verursachten craniomandibulären Dysfunktion erforderlich gewesen sei, sei unbeachtlich.
11 
Die unterschiedliche Regelung der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für kieferorthopädische Behandlungen für Minderjährige und Erwachsene verstoße nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz und die Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Bei der im Beihilferecht erlaubten pauschalisierenden und typisierenden Betrachtungsweise lägen sachliche Gründe für die unterschiedliche Behandlung der Minderjährigen und Erwachsenen vor, die auch nicht zu einer Verletzung der Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern führten. Dem grundsätzlichen Leistungsausschluss liege die Erwägung zugrunde, dass mit einer kieferorthopädischen Behandlung aus medizinischen Gründen vor Abschluss des Körperwachstums begonnen werden solle, und dass solche Maßnahmen bei Erwachsenen überwiegend aus ästhetischen Gründen oder wegen mangelnder zahnmedizinischer Vorsorge in früheren Jahren erfolgten. Dies sei nicht zu beanstanden.
12 
Allerdings schließe Nr. 1.2.3 der Anlage zur BVO die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für die kieferorthopädische Behandlung Erwachsener auch in den Fällen aus, in denen die herkömmlichen beihilferechtlichen Voraussetzungen der Notwendigkeit und Angemessenheit für eine kieferorthopädische Behandlung erfüllt seien. Da der Verordnungsgeber typisieren dürfe, sei dies rechtlich nicht zu beanstanden, solange solche Fallgestaltungen nicht von vornherein absehbar einen solchen Umfang und ein solches Gewicht erreichten, dass sie auch bei typisierender Betrachtungsweise nicht vernachlässigt werden könnten. Davon sei hier nicht auszugehen. Für eine verfassungsrechtlich gebotene Korrektur sei die Härtefallregelung des § 5 Abs. 6 BVO in den Blick zu nehmen. Eine atypische Fallgestaltung, die die Annahme eines Härtefalls rechtfertige, liege bei der Klägerin jedoch nicht vor. Nach ihrem Vorbringen seien es die von ihr hingenommenen und nicht behandelten Zahnlücken gewesen, die zur Verlagerung von Zähnen und zur Veränderung des Gebisses geführt hätten.
13 
Schließlich verstoße der Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für kieferorthopädische Behandlungen von Erwachsenen nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Ob die Gewährung von Beihilfe in Krankheitsfällen für Beamte unter den sachlichen Anwendungsbereich dieses Gesetzes falle, könne dahingestellt bleiben, da die unterschiedliche Behandlung von Minderjährigen und Erwachsenen jedenfalls nicht wegen des Merkmals „Alter" erfolge, sondern auf den unterschiedlichen Anlässen und Voraussetzungen für eine kieferorthopädische Behandlung beruhe. Selbst wenn man dies anders sehen wolle, sei die in Streit stehende Regelung zulässig, da sie durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sei. Dazu gehöre auch das Ziel einer sparsamen Haushaltsführung. Den einzelnen Mitgliedstaaten sei nicht nur bei der Bestimmung der Ziele, sondern auch bei der Wahl der Mittel ein Gestaltungsspielraum eingeräumt, bei dem auch haushaltsbezogene Erwägungen Berücksichtigung finden könnten.
14 
Die Klägerin hat am 27.12.2010 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und mit Schriftsatz vom 31.1.2011 - beim Verwaltungsgerichtshof eingegangen am 1.2.2011 - begründet.
15 
Der Senat hat Beweis durch die Einholung ein Sachverständigengutachtens erhoben, das von Prof. em. Dr. Sch. unter dem 12.1.2012 erstattet worden ist. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieses Gutachtens verwiesen.
16 
Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie ist der Auffassung, dass der Sachverständige den von ihr vorgetragenen Sachverhalt bestätigt habe.
17 
Sie beantragt,
18 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 15.7.2010 - 9 K 470/09 - zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden- Württemberg vom 27.10.2008 und dessen Widerspruchsbescheids vom 29.1.2009 zu verpflichten, ihren Antrag auf Gewährung einer Beihilfe vom 12.10.2008 hinsichtlich der geltend gemachten kieferorthopädischen Aufwendungen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
19 
Der Beklagte beantragt,
20 
die Berufung zurückzuweisen.
21 
Er macht ergänzend geltend: Der Gutachter habe darauf hingewiesen, als Behandlungsziel der kieferorthopädischen Behandlung Erwachsener stehe häufig die Verbesserung der Ästhetik im Vordergrund. Zudem bestünden erhebliche biologische Unterschiede. Daher bestehe die sachliche Rechtfertigung für die unterschiedliche Behandlung von Minderjährigen und Erwachsenen weiterhin. Der beihilferechtliche Verordnungsgeber habe einen weiten Ermessensspielraum, der ihn dazu berechtige, generalisierende, typisierende und pauschalierende Maßstäbe anzulegen.
22 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die beigezogenen Beihilfeakten des Landesamts verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
23 
Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (vgl. §§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
24 
Die Berufung der Klägerin ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen, da die Klägerin - entsprechend ihrem ausdrücklich gestellten Antrag - verlangen kann, dass der Beklagte ihren Antrag auf Gewährung einer Beihilfe vom 12.10.2008 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut bescheidet (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Die ihr entstandenen Aufwendungen für die streitgegenständliche kieferorthopädische Behandlung sind beihilfefähig.
25 
I. Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.2005 - 2 C 35.04 - BVerwGE 125, 21 m.w.N.; VGH Bad,-Württ., Urteil vom 10.10.2011 - 2 S 1369/11 - Juris). Hier sind die Aufwendungen im September 2008 entstanden. Ob und inwieweit die Klägerin für diese Aufwendungen die Gewährung einer Beihilfe beanspruchen kann, bestimmt sich somit nach §§ 5 Abs. 1 und 6 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung des Finanzministeriums über die Gewährung von Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfeverordnung - BVO -) vom 28.7.1995 (GBl. S. 561) in der Fassung von Art. 10 des Gesetzes vom 17.2.2004 (GBl. S 66).
26 
Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 BVO sind aus Anlass einer Krankheit entstandene Aufwendungen für gesondert erbrachte und berechnete zahnärztliche Leistungen beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. Dies gilt jedoch nur nach Maßgabe der Anlage zur Beihilfeverordnung. Nach Nr. 1.2.3 lit. b der Anlage sind Aufwendungen für kieferorthopädische Behandlungen unter anderem dann beihilfefähig, wenn die behandelte Person bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr noch nicht überschritten hat; die gilt nicht bei schweren Kieferanomalien, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordern.
27 
II. Nach diesen Regelungen sind die Aufwendungen für die kieferorthopädische Behandlung der 1948 geborenen Klägerin von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen, da die dargestellten Indikationen, bei denen die kieferorthopädische Behandlung ausnahmsweise auch bei über 18-Jährigen beihilfefähig ist, im Fall der Klägerin nicht vorliegen. Eine schwere Kieferanomalie, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordert hätte, ist unstreitig nicht gegeben. Dies hat auch der Sachverständige ausdrücklich bestätigt.
28 
III. Die in Nr. 1.2.3 lit b der Anlage zur BVO getroffene Ausschlussregelung kann jedoch unter den im Fall der Klägerin gegebenen Umständen keine Anwendung finden. Hierbei kann offen bleiben, ob der grundsätzliche Ausschluss der kieferorthopädischen Behandlung Erwachsener von der Beihilfefähigkeit mit höherrangigem Recht vereinbar ist (1.). Denn die Versagung der Beihilfe verstößt jedenfalls im vorliegenden Einzelfall gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (2., grundlegend zur Anwendung von Art. 3 Abs. 1 GG im Beihilferecht: Senatsurteil vom 15.3.2012 - 2 S 2542/11 -).
29 
1. Es ist fraglich, ob sich der grundsätzliche Ausschluss kieferorthopädischer Behandlungen für Erwachsene - von eng gefassten Ausnahmen abgesehen - von der Beihilfefähigkeit sachlich rechtfertigen lässt.
30 
Einerseits spricht Vieles dafür, dass die Erwägungen, die ursprünglich zu dem Ausschluss von der Beihilfefähigkeit geführt haben, heute nicht mehr tragfähig sind. Dieser grundsätzliche Ausschluss ist in Anknüpfung an den Gesichtspunkt der medizinischen Notwendigkeit erfolgt. Er beruhte ersichtlich darauf, dass die kieferorthopädische Behandlung Erwachsener früher auch in der Fachwelt mit erheblicher Skepsis betrachtet worden ist (vgl. beispielhaft: BSG, Urteil vom 9.12.1997 - 1 RK 11.97 - BSGE 81, 245, juris-Rn. 20).
        
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Diese Skepsis dürfte nicht mehr der heutigen Erkenntnislage entsprechen. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 12.1.2012 schlüssig und nachvollziehbar ausgeführt, dass es auch im Erwachsenenalter möglich und sinnvoll sein kann, Zahnstellungsanomalien durch konservative kieferorthopädische Maßnahmen zu korrigieren. In vielen internationalen Publikationen werde in den letzten Jahren eine Zunahme der kieferorthopädischen Behandlungen Erwachsener beschrieben. Die Behauptung, eine kieferorthopädische Behandlung Erwachsener dauere länger als die von Kindern, lasse sich wissenschaftlich nicht bestätigen. Bei erwachsenen Patienten kämen überwiegend festsitzende Apparaturen zur Anwendung und die Motivation sei in der Regel sehr hoch, was die Behandlungsdauer reduziere; bei Kindern hingegen sei durch den Einsatz herausnehmbarer Geräte, Verzögerungen durch den Zahnwechsel und eingeschränkte Kooperation nicht selten eine längere Behandlungszeit zu beobachten. Die in früherer Zeit vorgebrachten Vorbehalte seien nicht mehr berechtigt.
32 
Andererseits zeigt das vom Senat eingeholte Gerichtsgutachten aber auch Gesichtspunkte auf, die bei typisierender Betrachtungsweise möglicherweise noch heute einen weitgehenden Ausschluss der kieferorthopädischen Behandlung Erwachsener rechtfertigen könnten. Insoweit weist der Beklagte insbesondere darauf hin, dass dem Gutachten zufolge nicht (nur) medizinische Gründe, sondern auch gestiegene ästhetische Ansprüche für die Zunahme der kieferorthopädischen Behandlungen Erwachsener ursächlich seien; für den Patienten stehe häufig die Verbesserung der Ästhetik und erst in zweiter Linie die Verbesserung der Kaufähigkeit im Vordergrund.
33 
2. Es kann jedoch für den vorliegenden Fall dahinstehen, ob die Regelung in der Beihilfeverordnung, die die Beihilfefähigkeit kieferorthopädischer Behandlungen für Erwachsene - von eng gefassten Ausnahmen abgesehen - grundsätzlich ausschließt, generell gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (oder die Vorschriften des AGG) verstößt. Denn auf der Grundlage einer verfassungskonformen und an Sinn und Zweck der Regelung orientierten Auslegung ist jedenfalls unter den hier im Fall der Klägerin gegebenen Umständen die Gewährung einer Beihilfe zu Aufwendungen für eine kieferorthopädische Behandlung auch über die in Nr. 1.2.3 lit. b der Anlage zur BVO geregelten Ausnahmen hinaus geboten.
34 
Der in der Beihilfeverordnung vorgenommene grundsätzliche Ausschluss der Aufwendungen für eine kieferorthopädische Behandlung Erwachsener lässt sich nach heutiger Erkenntnislage höchstens noch mit der Erwägung sachlich rechtfertigen, dass sie typischerweise in erster Linie aus ästhetischen Gründen durchgeführt wird (s. oben). Daher kann die betreffende Vorschrift jedenfalls dann keine Geltung beanspruchen, wenn die Behandlung wie hier ausschließlich auf einer zahnmedizinisch zwingenden Indikation beruht. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Verordnungsgeber grundsätzlich nur einen engen Gestaltungsspielraum hat, wenn eine Ungleichbehandlung wie hier an ein personenbezogenes Merkmal wie das Alter und nicht an Lebenssachverhalte anknüpft oder von freiwilligen Entscheidungen der Betroffenen abhängt (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 28.5.2008 - 2 C 24.07 - NVwZ 2008, 1378, juris-Rn. 25).
35 
Aus dem vom Senat eingeholten Gutachten ergibt sich, dass im vorliegenden Einzelfall mehrere Besonderheiten vorliegen, die einen Ausschluss von der Beihilfefähigkeit als sachwidrig erscheinen lassen. Die bei der Klägerin durchgeführte Behandlung war ausschließlich medizinische indiziert; ästhetische Gründe können ausgeschlossen werden (a). Außerdem war keine Behandlungsalternative vorhanden (b). Die Zahnfehlstellungen im Gebiss der Klägerin waren mit erheblichen Folgeproblemen (craniomandibuläre Dysfunktion) verbunden (c). Schließlich liegt eine sog. sekundäre Anomalie vor, die erst im Erwachsenenalter erworben wurde (d). Der Senat schließt sich insoweit jeweils der überzeugend begründeten Ansicht des Gutachters an, zumal der Beklagte insoweit keine Einwendungen erhoben hat.
36 
a) Für die Behandlung der Klägerin waren ausschließlich medizinische Gründe ausschlaggebend. Der Sachverständige hat im einzelnen dargelegt, dass bei Anwendung der Kieferorthopädischen Indikationsgruppen (KIG), die für die Behandlung von Mitgliedern der Gesetzlichen Krankenkassen entwickelt worden sind, hier die Gruppe U 4 (Unterzahl) in Betracht kommt (vgl. B.2. und Anl. 1 der Richtlinien). Die vorgenommene Behandlung war nach den Feststelllungen in dem Gutachten geeignet, angemessen und notwendig, um bessere Voraussetzungen für eine funktionsoptimierte prothetische Versorgung zu schaffen. Ästhetische Aspekte haben hingegen dem Gutachten zufolge keine Rolle gespielt, da kein nennenswerter Einfluss auf die dentale Ästhetik und die Gesichtsästhetik bestehe. Diese Schlussfolgerung ist ohne Weiteres nachvollziehbar, da lediglich Seiten- und keine Frontzähne betroffen waren.
37 
b) Außerdem war keine Behandlungsalternative vorhanden. Aufgrund der ausgeprägten Kippung einiger Seitenzähne und der Lückeneinengung 25, 35 war eine funktionell zufriedenstellende prothetische Lückenversorgung ohne vorherige Stellungskorrektur der gekippten Zähne und Lückenöffnung nicht möglich. Aufgrund des Ausgangsbefundes war nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen nur die vorgeschlagene kieferorthopädische Behandlung erfolgversprechend; alternativ wäre nur die Nichtdurchführung einer Behandlung, d.h. das Belassen der Gebissanomalie und der Dysfunktion infrage gekommen
38 
c) Die Zahnfehlstellungen im Gebiss der Klägerin waren Ursache erheblicher Folgeprobleme in Form einer craniomandibulären Dysfunktion (CMD) mit Kiefergelenkbeschwerden, Muskelverspannungen und Schmerzen. Ein infolge Seitenzahnverlusts abgesunkener Biss ist dem Gutachten zufolge eine häufig zu beobachtende Ursache für derartige Funktionsstörungen. Die durchgeführte kieferorthopädische Behandlung hat dementsprechend nach Angaben der Kieferorthopädin und der Klägerin dazu geführt, die vorher bestehende craniomandibuläre Dysfunktion zu beheben.
39 
d) Schließlich liegt bei der Klägerin eine sog. sekundäre Anomalie vor, also eine solche, die sich erst im Erwachsenenalter herausgebildet hat. Während bei sog. primären Zahnstellungsfehlern - die in der Jugend nicht oder nur unzureichend behandelt wurden oder bei denen es nach Behandlung zu einem Rezidiv gekommen ist - eine erfolgreiche Behandlung im Kindes- oder Jugendalter möglich gewesen wäre, ist dies bei sekundären Anomalien denknotwendig nicht der Fall. Daher kann der Klägerin auch nicht vorgeworfen werden, eine im Kindes- oder Jugendalter mögliche Behandlung ins Erwachsenenalter „verschleppt“ zu haben.
40 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
41 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
42 
Beschluss vom 2. Mai 2012
43 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 785,88 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
44 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
23 
Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (vgl. §§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
24 
Die Berufung der Klägerin ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen, da die Klägerin - entsprechend ihrem ausdrücklich gestellten Antrag - verlangen kann, dass der Beklagte ihren Antrag auf Gewährung einer Beihilfe vom 12.10.2008 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut bescheidet (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Die ihr entstandenen Aufwendungen für die streitgegenständliche kieferorthopädische Behandlung sind beihilfefähig.
25 
I. Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.2005 - 2 C 35.04 - BVerwGE 125, 21 m.w.N.; VGH Bad,-Württ., Urteil vom 10.10.2011 - 2 S 1369/11 - Juris). Hier sind die Aufwendungen im September 2008 entstanden. Ob und inwieweit die Klägerin für diese Aufwendungen die Gewährung einer Beihilfe beanspruchen kann, bestimmt sich somit nach §§ 5 Abs. 1 und 6 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung des Finanzministeriums über die Gewährung von Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfeverordnung - BVO -) vom 28.7.1995 (GBl. S. 561) in der Fassung von Art. 10 des Gesetzes vom 17.2.2004 (GBl. S 66).
26 
Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 BVO sind aus Anlass einer Krankheit entstandene Aufwendungen für gesondert erbrachte und berechnete zahnärztliche Leistungen beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. Dies gilt jedoch nur nach Maßgabe der Anlage zur Beihilfeverordnung. Nach Nr. 1.2.3 lit. b der Anlage sind Aufwendungen für kieferorthopädische Behandlungen unter anderem dann beihilfefähig, wenn die behandelte Person bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr noch nicht überschritten hat; die gilt nicht bei schweren Kieferanomalien, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordern.
27 
II. Nach diesen Regelungen sind die Aufwendungen für die kieferorthopädische Behandlung der 1948 geborenen Klägerin von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen, da die dargestellten Indikationen, bei denen die kieferorthopädische Behandlung ausnahmsweise auch bei über 18-Jährigen beihilfefähig ist, im Fall der Klägerin nicht vorliegen. Eine schwere Kieferanomalie, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordert hätte, ist unstreitig nicht gegeben. Dies hat auch der Sachverständige ausdrücklich bestätigt.
28 
III. Die in Nr. 1.2.3 lit b der Anlage zur BVO getroffene Ausschlussregelung kann jedoch unter den im Fall der Klägerin gegebenen Umständen keine Anwendung finden. Hierbei kann offen bleiben, ob der grundsätzliche Ausschluss der kieferorthopädischen Behandlung Erwachsener von der Beihilfefähigkeit mit höherrangigem Recht vereinbar ist (1.). Denn die Versagung der Beihilfe verstößt jedenfalls im vorliegenden Einzelfall gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (2., grundlegend zur Anwendung von Art. 3 Abs. 1 GG im Beihilferecht: Senatsurteil vom 15.3.2012 - 2 S 2542/11 -).
29 
1. Es ist fraglich, ob sich der grundsätzliche Ausschluss kieferorthopädischer Behandlungen für Erwachsene - von eng gefassten Ausnahmen abgesehen - von der Beihilfefähigkeit sachlich rechtfertigen lässt.
30 
Einerseits spricht Vieles dafür, dass die Erwägungen, die ursprünglich zu dem Ausschluss von der Beihilfefähigkeit geführt haben, heute nicht mehr tragfähig sind. Dieser grundsätzliche Ausschluss ist in Anknüpfung an den Gesichtspunkt der medizinischen Notwendigkeit erfolgt. Er beruhte ersichtlich darauf, dass die kieferorthopädische Behandlung Erwachsener früher auch in der Fachwelt mit erheblicher Skepsis betrachtet worden ist (vgl. beispielhaft: BSG, Urteil vom 9.12.1997 - 1 RK 11.97 - BSGE 81, 245, juris-Rn. 20).
        
31 
Diese Skepsis dürfte nicht mehr der heutigen Erkenntnislage entsprechen. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 12.1.2012 schlüssig und nachvollziehbar ausgeführt, dass es auch im Erwachsenenalter möglich und sinnvoll sein kann, Zahnstellungsanomalien durch konservative kieferorthopädische Maßnahmen zu korrigieren. In vielen internationalen Publikationen werde in den letzten Jahren eine Zunahme der kieferorthopädischen Behandlungen Erwachsener beschrieben. Die Behauptung, eine kieferorthopädische Behandlung Erwachsener dauere länger als die von Kindern, lasse sich wissenschaftlich nicht bestätigen. Bei erwachsenen Patienten kämen überwiegend festsitzende Apparaturen zur Anwendung und die Motivation sei in der Regel sehr hoch, was die Behandlungsdauer reduziere; bei Kindern hingegen sei durch den Einsatz herausnehmbarer Geräte, Verzögerungen durch den Zahnwechsel und eingeschränkte Kooperation nicht selten eine längere Behandlungszeit zu beobachten. Die in früherer Zeit vorgebrachten Vorbehalte seien nicht mehr berechtigt.
32 
Andererseits zeigt das vom Senat eingeholte Gerichtsgutachten aber auch Gesichtspunkte auf, die bei typisierender Betrachtungsweise möglicherweise noch heute einen weitgehenden Ausschluss der kieferorthopädischen Behandlung Erwachsener rechtfertigen könnten. Insoweit weist der Beklagte insbesondere darauf hin, dass dem Gutachten zufolge nicht (nur) medizinische Gründe, sondern auch gestiegene ästhetische Ansprüche für die Zunahme der kieferorthopädischen Behandlungen Erwachsener ursächlich seien; für den Patienten stehe häufig die Verbesserung der Ästhetik und erst in zweiter Linie die Verbesserung der Kaufähigkeit im Vordergrund.
33 
2. Es kann jedoch für den vorliegenden Fall dahinstehen, ob die Regelung in der Beihilfeverordnung, die die Beihilfefähigkeit kieferorthopädischer Behandlungen für Erwachsene - von eng gefassten Ausnahmen abgesehen - grundsätzlich ausschließt, generell gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (oder die Vorschriften des AGG) verstößt. Denn auf der Grundlage einer verfassungskonformen und an Sinn und Zweck der Regelung orientierten Auslegung ist jedenfalls unter den hier im Fall der Klägerin gegebenen Umständen die Gewährung einer Beihilfe zu Aufwendungen für eine kieferorthopädische Behandlung auch über die in Nr. 1.2.3 lit. b der Anlage zur BVO geregelten Ausnahmen hinaus geboten.
34 
Der in der Beihilfeverordnung vorgenommene grundsätzliche Ausschluss der Aufwendungen für eine kieferorthopädische Behandlung Erwachsener lässt sich nach heutiger Erkenntnislage höchstens noch mit der Erwägung sachlich rechtfertigen, dass sie typischerweise in erster Linie aus ästhetischen Gründen durchgeführt wird (s. oben). Daher kann die betreffende Vorschrift jedenfalls dann keine Geltung beanspruchen, wenn die Behandlung wie hier ausschließlich auf einer zahnmedizinisch zwingenden Indikation beruht. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Verordnungsgeber grundsätzlich nur einen engen Gestaltungsspielraum hat, wenn eine Ungleichbehandlung wie hier an ein personenbezogenes Merkmal wie das Alter und nicht an Lebenssachverhalte anknüpft oder von freiwilligen Entscheidungen der Betroffenen abhängt (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 28.5.2008 - 2 C 24.07 - NVwZ 2008, 1378, juris-Rn. 25).
35 
Aus dem vom Senat eingeholten Gutachten ergibt sich, dass im vorliegenden Einzelfall mehrere Besonderheiten vorliegen, die einen Ausschluss von der Beihilfefähigkeit als sachwidrig erscheinen lassen. Die bei der Klägerin durchgeführte Behandlung war ausschließlich medizinische indiziert; ästhetische Gründe können ausgeschlossen werden (a). Außerdem war keine Behandlungsalternative vorhanden (b). Die Zahnfehlstellungen im Gebiss der Klägerin waren mit erheblichen Folgeproblemen (craniomandibuläre Dysfunktion) verbunden (c). Schließlich liegt eine sog. sekundäre Anomalie vor, die erst im Erwachsenenalter erworben wurde (d). Der Senat schließt sich insoweit jeweils der überzeugend begründeten Ansicht des Gutachters an, zumal der Beklagte insoweit keine Einwendungen erhoben hat.
36 
a) Für die Behandlung der Klägerin waren ausschließlich medizinische Gründe ausschlaggebend. Der Sachverständige hat im einzelnen dargelegt, dass bei Anwendung der Kieferorthopädischen Indikationsgruppen (KIG), die für die Behandlung von Mitgliedern der Gesetzlichen Krankenkassen entwickelt worden sind, hier die Gruppe U 4 (Unterzahl) in Betracht kommt (vgl. B.2. und Anl. 1 der Richtlinien). Die vorgenommene Behandlung war nach den Feststelllungen in dem Gutachten geeignet, angemessen und notwendig, um bessere Voraussetzungen für eine funktionsoptimierte prothetische Versorgung zu schaffen. Ästhetische Aspekte haben hingegen dem Gutachten zufolge keine Rolle gespielt, da kein nennenswerter Einfluss auf die dentale Ästhetik und die Gesichtsästhetik bestehe. Diese Schlussfolgerung ist ohne Weiteres nachvollziehbar, da lediglich Seiten- und keine Frontzähne betroffen waren.
37 
b) Außerdem war keine Behandlungsalternative vorhanden. Aufgrund der ausgeprägten Kippung einiger Seitenzähne und der Lückeneinengung 25, 35 war eine funktionell zufriedenstellende prothetische Lückenversorgung ohne vorherige Stellungskorrektur der gekippten Zähne und Lückenöffnung nicht möglich. Aufgrund des Ausgangsbefundes war nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen nur die vorgeschlagene kieferorthopädische Behandlung erfolgversprechend; alternativ wäre nur die Nichtdurchführung einer Behandlung, d.h. das Belassen der Gebissanomalie und der Dysfunktion infrage gekommen
38 
c) Die Zahnfehlstellungen im Gebiss der Klägerin waren Ursache erheblicher Folgeprobleme in Form einer craniomandibulären Dysfunktion (CMD) mit Kiefergelenkbeschwerden, Muskelverspannungen und Schmerzen. Ein infolge Seitenzahnverlusts abgesunkener Biss ist dem Gutachten zufolge eine häufig zu beobachtende Ursache für derartige Funktionsstörungen. Die durchgeführte kieferorthopädische Behandlung hat dementsprechend nach Angaben der Kieferorthopädin und der Klägerin dazu geführt, die vorher bestehende craniomandibuläre Dysfunktion zu beheben.
39 
d) Schließlich liegt bei der Klägerin eine sog. sekundäre Anomalie vor, also eine solche, die sich erst im Erwachsenenalter herausgebildet hat. Während bei sog. primären Zahnstellungsfehlern - die in der Jugend nicht oder nur unzureichend behandelt wurden oder bei denen es nach Behandlung zu einem Rezidiv gekommen ist - eine erfolgreiche Behandlung im Kindes- oder Jugendalter möglich gewesen wäre, ist dies bei sekundären Anomalien denknotwendig nicht der Fall. Daher kann der Klägerin auch nicht vorgeworfen werden, eine im Kindes- oder Jugendalter mögliche Behandlung ins Erwachsenenalter „verschleppt“ zu haben.
40 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
41 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
42 
Beschluss vom 2. Mai 2012
43 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 785,88 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
44 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 2.306,12 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Nach dem insoweit maßgeblichen Vortrag des Klägers (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) sind die geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 124 Abs. 2 Nr. 1, 2, 3 und 4 VwGO) nicht in der erforderlichen Art und Weise dargelegt bzw. liegen jedenfalls nicht vor.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ergeben sich aus den Darlegungen des Klägers nicht.

Solche Zweifel wären anzunehmen, wenn in der Antragsbegründung ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt werden (vgl. etwa BVerfG, B. v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - NJW 2009, 3642) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (BVerwG, B. v. 10.3.2004 - 7 AV 4.03 - DVBl 2004, 838/839). Schlüssige Gegenargumente in diesem Sinn liegen dann vor, wenn der Rechtsmittelführer substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die Entscheidung im Ergebnis unrichtig ist (vgl. BVerfG, B. v. 20.12.2010 - 1 BvR 2011/10 - NVwZ 2011, 546/548).

Das Verwaltungsgericht hat die Verpflichtungsklage des 1954 geborenen Klägers auf Gewährung von Beihilfeleistungen für eine kieferorthopädische Behandlung abgewiesen. Die Klage sei unzulässig, soweit Beihilfe zu den laut Rechnung vom 29. Dezember 2011 angefallenen Aufwendungen begehrt werde, da der Kläger für diese Aufwendungen vor Klageerhebung nicht erfolglos einen Beihilfeantrag gestellt habe. Im Übrigen sei die Klage im Hinblick auf § 15 Satz 2 BayBhV unbegründet. Die dortigen Voraussetzungen, in denen ausnahmsweise auch Aufwendungen für kieferorthopädische Leistungen für Erwachsene beihilfefähig seien, lägen nicht vor. Nach dem eingeholten Sachverständigengutachten bestehe beim Kläger weder eine schwere Kieferanomalie noch sei bei ihm eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erforderlich gewesen.

Hiergegen wendet der Kläger im Wesentlichen ein, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass von der gerichtlich bestellten Sachverständigen eine „schwerwiegende funktionelle Problematik“ des Zahn- und Kieferzustandes bescheinigt worden sei. Das Verwaltungsgericht klammere sich an den Wortlaut des Sachverständigengutachtens, ohne zu erkennen, dass die durch die erhebliche Fehlstellung der Zähne und die Anomalie des Kiefers verursachten Störungen durchaus einer schweren Anomalie des Kiefers entsprächen. Die alternativ durchführbare zahnärztliche Behandlung wäre wesentlich teurer und ohne jegliche Abstriche beihilfefähig gewesen. Bei der zahnärztlichen Behandlung hätten noch die Zähne abgeschliffen werden müssen, was einen erheblichen Substanzverlust bedeutet hätte. Schon aus Gründen des geringstmöglichen Eingriffs in die körperliche Unversehrtheit und aus Gründen der Wirtschaftlichkeit sei daher die kieferorthopädische Behandlung geboten gewesen.

Durch dieses Vorbringen des Klägers werden die Erwägungen des Verwaltungsgerichts im angegriffenen Urteil nicht ernstlich infrage gestellt und keine Gesichtspunkte aufgezeigt, die weiterer Klärung in einem Berufungsverfahren bedürfen.

Gemäß § 15 Satz 2 BayBhV gilt der Beihilfeausschluss hinsichtlich Aufwendungen für kieferorthopädische Leistungen für Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben (§ 15 Satz 1 Nr. 2 BayBhV), nicht bei schweren Kieferanomalien, die (1.) eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordern sowie (2.) in besonderen Ausnahmefällen, wenn nach einem zahnärztlichen Gutachten eine alleinige kieferorthopädische Behandlung medizinisch ausreichend ist. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, ist eine schwere Kieferanomalie beim Kläger auf der Grundlage der Beweiserhebung nicht feststellbar. Die gerichtlich bestellte Gutachterin hat sowohl skelettal als auch dental eine schwere Kieferanomalie beim Kläger verneint. Soweit der Kläger meint, das Verwaltungsgericht klammere sich zu sehr an den Wortlaut des Gutachtens und es müssten die durch die erhebliche Fehlstellung der Zähne und die Anomalie des Kiefers verursachten Störungen einer schweren Anomalie des Kiefers gleichgestellt werden, setzt er seine (laienhafte) Bewertung an die Stelle der Bewertung der (fachlich ausgebildeten) Gutachterin. Damit kann er deren Aussage nicht erschüttern. Das Verwaltungsgericht hat auf Seite 12 seines Urteils nachvollziehbar begründet, warum es die von der Gutachterin bescheinigte schwerwiegende funktionelle Problematik einer schweren Anomalie nicht gleichstellt. Zum einen seien nach dem Gutachten funktionelle und zentralnervöse Aspekte keineswegs zwingend in das Krankheitsbild einzubeziehen. Zum anderen liege der Fokus der heranzuziehenden Definitionen einer schweren Kieferanomalie klar auf skelettalen Aspekten, die nach dem Sachverständigengutachten beim Krankheitsbild des Klägers praktisch keine Rolle spielten. Auch das Ausmaß der Anomalie in dentaler Hinsicht werde von der Gutachterin als geringfügig beschrieben. Vor diesem Hintergrund sei die funktionelle Problematik für sich genommen nicht geeignet, einen hinreichenden Beitrag zum Gesamtbild einer schweren Kieferanomalie zu leisten.

Auch soweit das Verwaltungsgericht davon ausgeht, dass die Ausnahmevorschrift des § 15 Satz 2 BayBhV streng zu handhaben und nicht auf sonstige Fälle einer kieferorthopädischen Erkrankung auszudehnen sei (UA S. 13), begegnet dies keinen Bedenken. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits zur Vorgängerbestimmung entschieden, dass eine gegen den Wortlaut der Norm sprechende Auslegung grundsätzlich nicht in Betracht kommt (BayVGH, B. v. 5.10.2006 - 14 B 04.2997 - juris Rn. 16 ff.). Gleiches gilt für die zwischenzeitlich geltende (um einen Ausnahmefall erweiterte) Regelung. Die Verwaltungsgerichte dürfen sich nicht an die Stelle des Normgebers setzen und sich über die eindeutige Beschränkung - hier die Altersbegrenzung und die diesbezüglich geregelten Ausnahmefälle - hinwegsetzen, um den Beihilfevorschriften gleichwohl Leistungsansprüche des Beihilfeberechtigten entnehmen zu können (BVerwG, U. v. 28.4.2011 - 2 C 51.08 - ZBR 2011, 379 Rn. 15). Dies gilt jedenfalls dann, wenn andere beihilfefähige Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Soweit keine Behandlungsalternative vorhanden ist, wäre es nicht mehr hinzunehmen, dass Leistungen für eine kieferorthopädische Behandlung verweigert werden (so die Fallgestaltung bei VGH BW, U. v. 2.5.2012 - 2 S 2904/10 - juris); in derartigen Fällen müsste Beihilfe auch für andere als in § 15 Satz 2 BayBhV genannte kieferorthopädische Behandlungen gewährt werden (vgl. hierzu § 49 Abs. 3 BayBhV in der bis 30.9.2014 geltenden Fassung vom 2.1.2007; nunmehr § 49 Abs. 2 BayBhV). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die alternative Behandlungsmöglichkeit (hier die zahnärztliche Behandlung) im Einzelfall teurer ist als ein vom Beihilfeberechtigten favorisiertes, aber nicht beihilfefähiges Heilverfahren; andernfalls würden über diesen Umweg im Einzelfall nicht beihilfefähige Leistungen zu beihilfefähigen Leistungen (BayVGH, B. v. 5.10.2006 a. a. O. Rn. 18; OVG Berlin-Bbg, U. v. 11.11.2010 - OVG 4 B 22.10 - juris Rn. 22). Soweit der Kläger darauf verweist, auch aus Gründen des geringstmöglichen Eingriffs sei in seinem Fall die kieferorthopädische Behandlung geboten gewesen, ist dem entgegenzuhalten, dass es sich vorliegend nicht um einen Eingriff eines Hoheitsträgers, sondern um Leistungen des Dienstherrn handelt und es im Hinblick auf den pauschalierenden und typisierenden Ansatz der Beihilfe nicht ausgeschlossen werden kann, dass im Einzelfall gewisse Härten entstehen; diese sind vom Betroffenen hinzunehmen, soweit sie keine unzumutbaren Belastungen darstellen (BayVGH, B. v. 8.1.2007 - 14 ZB 06.2911 - juris Rn. 13 m. w. N.). Durch den Verweis auf andere, dem Stand der Wissenschaft entsprechende, nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchzuführende und darüber hinaus auch beihilfefähige Behandlungsmöglichkeiten wird der Beihilfeberechtigte nicht unzumutbar belastet (BayVGH, B. v. 5.10.2006 a. a. O. Rn. 20).

2. Die Rechtssache weist nicht die vom Kläger geltend gemachten besonderen rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) auf.

Der Kläger sieht die besondere Schwierigkeit der Sache darin, dass es seiner Meinung nach bei vorheriger Ablehnung eines eingereichten Heil- und Kostenplans nicht darauf ankommen dürfe, ob eine ärztliche Abrechnung eingegangen sei, und es auch nicht darauf ankommen dürfe, ob nach den Buchstaben des Sachverständigengutachtens in Übereinstimmung mit den Beihilfevorschriften eine „schwere“ Kieferanomalie vorliege. Dem kann nicht gefolgt werden.

Die erste angesprochene Frage betrifft die Klageabweisung als unzulässig, soweit der Kläger für Aufwendungen nicht vor Klageerhebung einen Beihilfeantrag gestellt hat. Das Verfahren über die Gewährung von Beihilfe ergibt sich eindeutig aus § 48 BayBhV. Nach Absatz 1 Satz 1 dieser Bestimmung müssen Beihilfen vom Beihilfeberechtigten schriftlich beantragt werden. Gemäß Absatz 3 Satz 1 dieser Bestimmung sind die Beihilfeanträge mit Belegen der Festsetzungsstelle vorzulegen. Daraus ergibt sich eindeutig, dass ein gemäß § 15 Satz 1 Nr. 1 BayBhV vor Behandlungsbeginn vorzulegender Heil- und Kostenplan nicht ausreichend ist für eine ordnungsgemäße Antragstellung. Damit ist, wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, die Verpflichtungsklage in Form der Untätigkeitsklage mangels Antragstellung unzulässig. Es stellt keine unnötige Förmelei dar, dass ein derartiger Antrag auch verlangt wird, wenn der Heil- und Kostenplan von der Beihilfestelle nicht akzeptiert wird. Soweit der Kläger geltend macht, er habe die Rechnung abgesandt, diese sei aber bei der Beihilfestelle ohne sein Verschulden nicht eingegangen, stellt dies eine bloße, nicht tatsachengestützte Behauptung dar und kann daher eine rechtliche Schwierigkeit nicht begründen.

Soweit der Kläger meint, es sei schwierig zu beurteilen, ob nach den Buchstaben des Sachverständigengutachtens in Übereinstimmung mit den Beihilfevorschriften eine „schwere“ Kieferanomalie vorliege, wird auf die unter Nr. 1 gemachten Ausführungen verwiesen, denen zu entnehmen ist, dass eine rechtliche Schwierigkeit nicht vorliegt.

3. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) hat der Kläger nicht dargelegt.

Um eine solche zu begründen, muss der Rechtsmittelführer (1.) eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, (2.) ausführen, weshalb diese Rechtsfrage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, (3.) erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist und (4.) darlegen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt; Darlegungen zu offensichtlichen Punkten sind dabei entbehrlich (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 72 m. w. N.; BayVGH, B. v. 21.1.2015 - 14 ZB 13.489 - juris Rn. 11).

Diesen Anforderungen genügt das Zulassungsvorbringen nicht. Der Kläger formuliert schon keine konkrete Rechtsfrage. Soweit seinem Vortrag zu entnehmen ist, dass er sinngemäß geklärt haben will, ob die Regelung des § 15 BayBhV im Hinblick auf die dortige Altersgrenze gegen das Diskriminierungsverbot und gegen Art. 2 Abs. 2 GG verstößt, fehlt es an jeglicher Darlegung, weshalb diese Frage klärungsbedürftig ist. In Bezug auf den geltend gemachten Verstoß gegen Art. 2 Abs. 2 GG kann auf die unter Nr. 1 gemachten Ausführungen verwiesen werden. Was die gerügte Altersdiskriminierung betrifft, ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt, dass eine Regelung, die wie § 15 BayBhV - neben dem zwischenzeitlich eingefügten weiteren Ausnahmefall des Satz 2 Nr. 2 - vorsieht, dass Aufwendungen für kieferorthopädische Leistungen bei Personen, welche bei Behandlungsbeginn das achtzehnte Lebensjahr bereits vollendet haben, nur dann beihilfefähig sind, wenn eine schwere Kieferanomalie vorliegt, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordert, nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt (BayVGH, B. v. 5.10.2006 - 14 B 04.2997 - juris Rn. 20). Denn die dem Leistungsausschluss bei Erwachsenen zugrunde liegende medizinische Erwägung, zwischen kieferorthopädischen Maßnahmen vor Abschluss des Skelettwachstums und danach zu differenzieren, rechtfertigt die ungleiche Behandlung von Erwachsenen und Jugendlichen bei kieferorthopädischen Maßnahmen (so jeweils für das dortige Landesbeihilferecht OVG NW, B. v. 30.5.2012 - 1 A 1290/11 - juris Rn. 25 f. m. w. N. und NdsOVG, B. v. 7.8.2013 - 5 LA 95/13 - IÖD 2013, 249 m. w. N.; für das frühere Bundesbeihilferecht OVG Berlin-Bbg, U. v. 11.11.2010 - OVG 4 B 22.10 - juris Rn. 21, 23; für das allgemeine Krankenversicherungsrecht BSG, B. v. 20.6.2005 - B 1 KR 20/04 B - juris Rn. 5). Der Kläger legt nichts dafür dar, dass diese Erwägung keinen hinreichenden sachlichen Grund (mehr) darstellen kann.

4. Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) ist ebenfalls nicht hinreichend dargelegt.

Für die Darlegung der Divergenz ist der in einer konkreten Entscheidung des Divergenzgerichts enthaltene (abstrakte) Rechts- oder Tatsachensatz dem bei der Anwendung derselben Rechtsvorschrift im angegriffenen Urteil dazu in Widerspruch stehende (abstrakte) Rechts- oder Tatsachensatz gegenüber zu stellen (vgl. BayVGH, B. v. 21.1.2015 - 14 ZB 13.489 - juris Rn. 10). Außerdem muss es sich bei der Divergenzentscheidung um eine solche des dem Verwaltungsgericht übergeordneten Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs handeln. Eine Entscheidung anderer Verwaltungsgerichtshöfe oder Oberverwaltungsgerichte kann die Divergenz nicht begründen (Happ in Eyermann, VwGO, § 124 Rn. 45). Der Kläger stellt keine (abstrakten) Rechts- oder Tatsachensätze gegenüber und verweist im Übrigen nur auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg.

Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.

Streitwertfestsetzung: § 47, § 52 Abs. 3 GKG.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 19.08.2014 – 1 Ca 2551/13 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 15.7.2010 - 9 K 470/09 - geändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 27.10.2008 und dessen Widerspruchsbescheids vom 29.1.2009 verpflichtet, den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Beihilfe vom 12.10.2008 hinsichtlich der geltend gemachten kieferorthopädischen Aufwendungen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die 1948 geborene Klägerin begehrt Beihilfe zu den Aufwendungen für eine kieferorthopädische Behandlung. Sie ist als Beamtin mit einem Bemessungssatz von 70 % beihilfeberechtigt.
Mit Schreiben vom 28.8.2008 legte sie dem Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg (im Folgenden: Landesamt) einen kieferorthopädischen Behandlungsplan zur Prüfung der Beihilfefähigkeit vor. In dem Behandlungsplan wurden die voraussichtlichen Gesamtkosten auf 3.666,57 EUR geschätzt. Die Diagnose für den Oberkiefer lautete: „Retinierter und verlagerter Zahn 13; fehlender Zahn 25; mesiopaltinal rotierter Zahn 26; Implantate regio 25 und 27 bereits gesetzt". Zum Unterkiefer wurde festgestellt: „Fehlende Zähne durch Implantate ersetzt regio 36 und 45, 46; mesioklinierte Molaren; frontaler Engstand, Rotationen und Kippungen". Die Bisslage wird wie folgt beschrieben: „Skel. Klasse I, mand. Verschiebung nach rechts; Biss abgesackt durch fehlende dorsale Abstützung". Des Weiteren heißt es, die Behandlung sei aus funktionellen Gründen (Kiefergelenke) und zum längeren Erhalt der Zähne indiziert. Ohne die kieferorthopädische Aufrichtung der Molaren sei die prothetische Versorgung nicht lege artis möglich.
Unter dem 3.9.2008 teilte das Landesamt der Klägerin mit, dass die Kosten der geplanten Maßnahme nicht als beihilfefähig anerkannt würden. Aufwendungen für kieferorthopädische Leistungen seien nur dann beihilfefähig, wenn die behandelte Person bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet habe. Etwas anderes gelte nur bei schweren Kieferanomalien, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erforderten. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch.
Mit Antrag vom 12.10.2008 begehrte die Klägerin Beihilfe zu den bis dahin entstandenen Aufwendungen für die mittlerweile durchgeführte kieferorthopädische Behandlung in Höhe von 1.122,69 EUR (Rechnung vom 10.10.2008). Mit Bescheid vom 27.10.2008 versagte das Landesamt die begehrte Beihilfe.
Mit ihrem hiergegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend: Durch eine starke Bissabsenkung und ein prothetisch unterversorgtes Gebiss habe sie funktionale Probleme im Kieferbereich (schmerzhafte Kiefergelenke und eine eingeschränkte Kaufunktion). Durch die langjährigen Zahnlücken rechts und links im Unterkiefer seien die Backenzähne gekippt, was auch die Ursache starker parodontaler Probleme sei. Auch Schmerzen im Halswirbelbereich hingen damit zusammen. Nur durch eine kieferorthopädische Behandlung könnten die prothetische Versorgung durchgeführt und die gesetzten Implantate fertiggestellt werden, um ihre Zähne auf lange Sicht zu erhalten.
In einer dem Widerspruch beigefügten Stellungnahme der die Klägerin behandelnden Zahnärzte vom 17.11.2008 heißt es, dass eine kieferorthopädische Behandlung wegen einer Bisshebung, Aufrüstung und Passung der Seitenzähne dringend erforderlich gewesen sei. Dadurch sei eine Verbesserung der parodontalen Situation gegeben. Es habe außerdem eine schwere craniomandibuläre Dysfunktion (CMD) - Problematik der Muskel- und Kieferfunktion - bestanden, die starke Schmerzen hervorgerufen habe. Die Folge seien Verspannungen der Nackenmuskulatur und Spannungskopfschmerz. Kiefergelenksbeschwerden, Kiefergelenksknacken und eine eingeschränkte Nackenbeweglichkeit seien schmerzhaft und hätten nur durch die kieferorthopädische Behandlung behoben werden können.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29.1.2009 wies das Landesamt den Widerspruch der Klägerin zurück, da die Voraussetzungen der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für kieferorthopädische Maßnahmen bei über 18-jährigen Beihilfeberechtigten nicht vorlägen.
Am 25.2.2009 hat die Klägerin Klage vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen: Der in Nr. 1.2.3 der Anlage zur BVO geregelte Ausschluss von Aufwendungen für kieferorthopädische Leistungen bei Personen über 18 Jahren von der Beihilfefähigkeit stelle eine sachlich unbegründete Diskriminierung erwachsener Beihilfeberechtigter dar. Er verstoße auch gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Es handle sich um eine ausschließlich an das Alter gebundene Diskriminierung, für die es keine zulässigen Gründe gebe. Die inzwischen abgeschlossenen kieferorthopädischen Maßnahmen seien medizinisch notwendig gewesen. Sie habe schon viele Jahre eine Doppellücke und zwei weitere Zahnlücken durch fehlende Zähne gehabt. Oben habe sie keinen Gegenbiss gehabt und ihr Kiefer habe sich verändert, da der Biss schon lange nicht mehr gestimmt habe. Vier Zähne seien in die Lücke „gekippt" und ein Zahn habe sich gedreht. Bei der Sanierung ihres Gebisses sei es erforderlich gewesen, mehrere gesunde Backenzähne mittels einer kieferorthopädischen Behandlung zu richten. Eine fachgerechte Alternative zu dieser Behandlung habe es nicht gegeben. Auch ihre chronischen Nacken- und Kopfschmerzen seien geheilt.
Der Beklagte hat Klagabweisung beantragt und erwidert: Auch die Fürsorgepflicht erfordere nicht den Ausgleich jeglicher aus Krankheitsfällen entstandener Aufwendungen. Allenfalls unzumutbare Belastungen bzw. erhebliche Aufwendungen, die für den Beamten unausweichlich seien und denen er sich nicht entziehen könne, könnten den Wesenskern der Fürsorgepflicht berühren. Zu denken sei an die Behandlung schwerer oder gar lebensbedrohlicher Krankheiten. Um eine solche handele es sich vorliegend nicht.
10 
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 15.7.2010 - zugestellt am 2.12.2010 - abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt: Nach Nr. 1.2.3 der Anlage zur BVO seien kieferorthopädische Leistungen nur beihilfefähig, wenn die behandelte Person bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet habe; dies gelte nicht bei schweren Kieferanomalien, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erforderten. Gemessen hieran komme eine Beihilfegewährung nicht in Betracht. Die Klägerin habe bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr (längst) überschritten. Auch eine Ausnahme von der Altersgrenze habe nicht vorgelegen, da sie nicht an einer schweren Kieferanomalie gelitten habe. Dass die kieferorthopädische Behandlung nach ihrem Vorbringen und den vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen für eine prothetische Versorgung und zur Behebung einer durch die Zahnfehlstellungen verursachten craniomandibulären Dysfunktion erforderlich gewesen sei, sei unbeachtlich.
11 
Die unterschiedliche Regelung der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für kieferorthopädische Behandlungen für Minderjährige und Erwachsene verstoße nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz und die Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Bei der im Beihilferecht erlaubten pauschalisierenden und typisierenden Betrachtungsweise lägen sachliche Gründe für die unterschiedliche Behandlung der Minderjährigen und Erwachsenen vor, die auch nicht zu einer Verletzung der Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern führten. Dem grundsätzlichen Leistungsausschluss liege die Erwägung zugrunde, dass mit einer kieferorthopädischen Behandlung aus medizinischen Gründen vor Abschluss des Körperwachstums begonnen werden solle, und dass solche Maßnahmen bei Erwachsenen überwiegend aus ästhetischen Gründen oder wegen mangelnder zahnmedizinischer Vorsorge in früheren Jahren erfolgten. Dies sei nicht zu beanstanden.
12 
Allerdings schließe Nr. 1.2.3 der Anlage zur BVO die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für die kieferorthopädische Behandlung Erwachsener auch in den Fällen aus, in denen die herkömmlichen beihilferechtlichen Voraussetzungen der Notwendigkeit und Angemessenheit für eine kieferorthopädische Behandlung erfüllt seien. Da der Verordnungsgeber typisieren dürfe, sei dies rechtlich nicht zu beanstanden, solange solche Fallgestaltungen nicht von vornherein absehbar einen solchen Umfang und ein solches Gewicht erreichten, dass sie auch bei typisierender Betrachtungsweise nicht vernachlässigt werden könnten. Davon sei hier nicht auszugehen. Für eine verfassungsrechtlich gebotene Korrektur sei die Härtefallregelung des § 5 Abs. 6 BVO in den Blick zu nehmen. Eine atypische Fallgestaltung, die die Annahme eines Härtefalls rechtfertige, liege bei der Klägerin jedoch nicht vor. Nach ihrem Vorbringen seien es die von ihr hingenommenen und nicht behandelten Zahnlücken gewesen, die zur Verlagerung von Zähnen und zur Veränderung des Gebisses geführt hätten.
13 
Schließlich verstoße der Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für kieferorthopädische Behandlungen von Erwachsenen nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Ob die Gewährung von Beihilfe in Krankheitsfällen für Beamte unter den sachlichen Anwendungsbereich dieses Gesetzes falle, könne dahingestellt bleiben, da die unterschiedliche Behandlung von Minderjährigen und Erwachsenen jedenfalls nicht wegen des Merkmals „Alter" erfolge, sondern auf den unterschiedlichen Anlässen und Voraussetzungen für eine kieferorthopädische Behandlung beruhe. Selbst wenn man dies anders sehen wolle, sei die in Streit stehende Regelung zulässig, da sie durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sei. Dazu gehöre auch das Ziel einer sparsamen Haushaltsführung. Den einzelnen Mitgliedstaaten sei nicht nur bei der Bestimmung der Ziele, sondern auch bei der Wahl der Mittel ein Gestaltungsspielraum eingeräumt, bei dem auch haushaltsbezogene Erwägungen Berücksichtigung finden könnten.
14 
Die Klägerin hat am 27.12.2010 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und mit Schriftsatz vom 31.1.2011 - beim Verwaltungsgerichtshof eingegangen am 1.2.2011 - begründet.
15 
Der Senat hat Beweis durch die Einholung ein Sachverständigengutachtens erhoben, das von Prof. em. Dr. Sch. unter dem 12.1.2012 erstattet worden ist. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieses Gutachtens verwiesen.
16 
Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie ist der Auffassung, dass der Sachverständige den von ihr vorgetragenen Sachverhalt bestätigt habe.
17 
Sie beantragt,
18 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 15.7.2010 - 9 K 470/09 - zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden- Württemberg vom 27.10.2008 und dessen Widerspruchsbescheids vom 29.1.2009 zu verpflichten, ihren Antrag auf Gewährung einer Beihilfe vom 12.10.2008 hinsichtlich der geltend gemachten kieferorthopädischen Aufwendungen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
19 
Der Beklagte beantragt,
20 
die Berufung zurückzuweisen.
21 
Er macht ergänzend geltend: Der Gutachter habe darauf hingewiesen, als Behandlungsziel der kieferorthopädischen Behandlung Erwachsener stehe häufig die Verbesserung der Ästhetik im Vordergrund. Zudem bestünden erhebliche biologische Unterschiede. Daher bestehe die sachliche Rechtfertigung für die unterschiedliche Behandlung von Minderjährigen und Erwachsenen weiterhin. Der beihilferechtliche Verordnungsgeber habe einen weiten Ermessensspielraum, der ihn dazu berechtige, generalisierende, typisierende und pauschalierende Maßstäbe anzulegen.
22 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die beigezogenen Beihilfeakten des Landesamts verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
23 
Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (vgl. §§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
24 
Die Berufung der Klägerin ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen, da die Klägerin - entsprechend ihrem ausdrücklich gestellten Antrag - verlangen kann, dass der Beklagte ihren Antrag auf Gewährung einer Beihilfe vom 12.10.2008 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut bescheidet (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Die ihr entstandenen Aufwendungen für die streitgegenständliche kieferorthopädische Behandlung sind beihilfefähig.
25 
I. Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.2005 - 2 C 35.04 - BVerwGE 125, 21 m.w.N.; VGH Bad,-Württ., Urteil vom 10.10.2011 - 2 S 1369/11 - Juris). Hier sind die Aufwendungen im September 2008 entstanden. Ob und inwieweit die Klägerin für diese Aufwendungen die Gewährung einer Beihilfe beanspruchen kann, bestimmt sich somit nach §§ 5 Abs. 1 und 6 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung des Finanzministeriums über die Gewährung von Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfeverordnung - BVO -) vom 28.7.1995 (GBl. S. 561) in der Fassung von Art. 10 des Gesetzes vom 17.2.2004 (GBl. S 66).
26 
Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 BVO sind aus Anlass einer Krankheit entstandene Aufwendungen für gesondert erbrachte und berechnete zahnärztliche Leistungen beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. Dies gilt jedoch nur nach Maßgabe der Anlage zur Beihilfeverordnung. Nach Nr. 1.2.3 lit. b der Anlage sind Aufwendungen für kieferorthopädische Behandlungen unter anderem dann beihilfefähig, wenn die behandelte Person bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr noch nicht überschritten hat; die gilt nicht bei schweren Kieferanomalien, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordern.
27 
II. Nach diesen Regelungen sind die Aufwendungen für die kieferorthopädische Behandlung der 1948 geborenen Klägerin von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen, da die dargestellten Indikationen, bei denen die kieferorthopädische Behandlung ausnahmsweise auch bei über 18-Jährigen beihilfefähig ist, im Fall der Klägerin nicht vorliegen. Eine schwere Kieferanomalie, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordert hätte, ist unstreitig nicht gegeben. Dies hat auch der Sachverständige ausdrücklich bestätigt.
28 
III. Die in Nr. 1.2.3 lit b der Anlage zur BVO getroffene Ausschlussregelung kann jedoch unter den im Fall der Klägerin gegebenen Umständen keine Anwendung finden. Hierbei kann offen bleiben, ob der grundsätzliche Ausschluss der kieferorthopädischen Behandlung Erwachsener von der Beihilfefähigkeit mit höherrangigem Recht vereinbar ist (1.). Denn die Versagung der Beihilfe verstößt jedenfalls im vorliegenden Einzelfall gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (2., grundlegend zur Anwendung von Art. 3 Abs. 1 GG im Beihilferecht: Senatsurteil vom 15.3.2012 - 2 S 2542/11 -).
29 
1. Es ist fraglich, ob sich der grundsätzliche Ausschluss kieferorthopädischer Behandlungen für Erwachsene - von eng gefassten Ausnahmen abgesehen - von der Beihilfefähigkeit sachlich rechtfertigen lässt.
30 
Einerseits spricht Vieles dafür, dass die Erwägungen, die ursprünglich zu dem Ausschluss von der Beihilfefähigkeit geführt haben, heute nicht mehr tragfähig sind. Dieser grundsätzliche Ausschluss ist in Anknüpfung an den Gesichtspunkt der medizinischen Notwendigkeit erfolgt. Er beruhte ersichtlich darauf, dass die kieferorthopädische Behandlung Erwachsener früher auch in der Fachwelt mit erheblicher Skepsis betrachtet worden ist (vgl. beispielhaft: BSG, Urteil vom 9.12.1997 - 1 RK 11.97 - BSGE 81, 245, juris-Rn. 20).
        
31 
Diese Skepsis dürfte nicht mehr der heutigen Erkenntnislage entsprechen. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 12.1.2012 schlüssig und nachvollziehbar ausgeführt, dass es auch im Erwachsenenalter möglich und sinnvoll sein kann, Zahnstellungsanomalien durch konservative kieferorthopädische Maßnahmen zu korrigieren. In vielen internationalen Publikationen werde in den letzten Jahren eine Zunahme der kieferorthopädischen Behandlungen Erwachsener beschrieben. Die Behauptung, eine kieferorthopädische Behandlung Erwachsener dauere länger als die von Kindern, lasse sich wissenschaftlich nicht bestätigen. Bei erwachsenen Patienten kämen überwiegend festsitzende Apparaturen zur Anwendung und die Motivation sei in der Regel sehr hoch, was die Behandlungsdauer reduziere; bei Kindern hingegen sei durch den Einsatz herausnehmbarer Geräte, Verzögerungen durch den Zahnwechsel und eingeschränkte Kooperation nicht selten eine längere Behandlungszeit zu beobachten. Die in früherer Zeit vorgebrachten Vorbehalte seien nicht mehr berechtigt.
32 
Andererseits zeigt das vom Senat eingeholte Gerichtsgutachten aber auch Gesichtspunkte auf, die bei typisierender Betrachtungsweise möglicherweise noch heute einen weitgehenden Ausschluss der kieferorthopädischen Behandlung Erwachsener rechtfertigen könnten. Insoweit weist der Beklagte insbesondere darauf hin, dass dem Gutachten zufolge nicht (nur) medizinische Gründe, sondern auch gestiegene ästhetische Ansprüche für die Zunahme der kieferorthopädischen Behandlungen Erwachsener ursächlich seien; für den Patienten stehe häufig die Verbesserung der Ästhetik und erst in zweiter Linie die Verbesserung der Kaufähigkeit im Vordergrund.
33 
2. Es kann jedoch für den vorliegenden Fall dahinstehen, ob die Regelung in der Beihilfeverordnung, die die Beihilfefähigkeit kieferorthopädischer Behandlungen für Erwachsene - von eng gefassten Ausnahmen abgesehen - grundsätzlich ausschließt, generell gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (oder die Vorschriften des AGG) verstößt. Denn auf der Grundlage einer verfassungskonformen und an Sinn und Zweck der Regelung orientierten Auslegung ist jedenfalls unter den hier im Fall der Klägerin gegebenen Umständen die Gewährung einer Beihilfe zu Aufwendungen für eine kieferorthopädische Behandlung auch über die in Nr. 1.2.3 lit. b der Anlage zur BVO geregelten Ausnahmen hinaus geboten.
34 
Der in der Beihilfeverordnung vorgenommene grundsätzliche Ausschluss der Aufwendungen für eine kieferorthopädische Behandlung Erwachsener lässt sich nach heutiger Erkenntnislage höchstens noch mit der Erwägung sachlich rechtfertigen, dass sie typischerweise in erster Linie aus ästhetischen Gründen durchgeführt wird (s. oben). Daher kann die betreffende Vorschrift jedenfalls dann keine Geltung beanspruchen, wenn die Behandlung wie hier ausschließlich auf einer zahnmedizinisch zwingenden Indikation beruht. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Verordnungsgeber grundsätzlich nur einen engen Gestaltungsspielraum hat, wenn eine Ungleichbehandlung wie hier an ein personenbezogenes Merkmal wie das Alter und nicht an Lebenssachverhalte anknüpft oder von freiwilligen Entscheidungen der Betroffenen abhängt (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 28.5.2008 - 2 C 24.07 - NVwZ 2008, 1378, juris-Rn. 25).
35 
Aus dem vom Senat eingeholten Gutachten ergibt sich, dass im vorliegenden Einzelfall mehrere Besonderheiten vorliegen, die einen Ausschluss von der Beihilfefähigkeit als sachwidrig erscheinen lassen. Die bei der Klägerin durchgeführte Behandlung war ausschließlich medizinische indiziert; ästhetische Gründe können ausgeschlossen werden (a). Außerdem war keine Behandlungsalternative vorhanden (b). Die Zahnfehlstellungen im Gebiss der Klägerin waren mit erheblichen Folgeproblemen (craniomandibuläre Dysfunktion) verbunden (c). Schließlich liegt eine sog. sekundäre Anomalie vor, die erst im Erwachsenenalter erworben wurde (d). Der Senat schließt sich insoweit jeweils der überzeugend begründeten Ansicht des Gutachters an, zumal der Beklagte insoweit keine Einwendungen erhoben hat.
36 
a) Für die Behandlung der Klägerin waren ausschließlich medizinische Gründe ausschlaggebend. Der Sachverständige hat im einzelnen dargelegt, dass bei Anwendung der Kieferorthopädischen Indikationsgruppen (KIG), die für die Behandlung von Mitgliedern der Gesetzlichen Krankenkassen entwickelt worden sind, hier die Gruppe U 4 (Unterzahl) in Betracht kommt (vgl. B.2. und Anl. 1 der Richtlinien). Die vorgenommene Behandlung war nach den Feststelllungen in dem Gutachten geeignet, angemessen und notwendig, um bessere Voraussetzungen für eine funktionsoptimierte prothetische Versorgung zu schaffen. Ästhetische Aspekte haben hingegen dem Gutachten zufolge keine Rolle gespielt, da kein nennenswerter Einfluss auf die dentale Ästhetik und die Gesichtsästhetik bestehe. Diese Schlussfolgerung ist ohne Weiteres nachvollziehbar, da lediglich Seiten- und keine Frontzähne betroffen waren.
37 
b) Außerdem war keine Behandlungsalternative vorhanden. Aufgrund der ausgeprägten Kippung einiger Seitenzähne und der Lückeneinengung 25, 35 war eine funktionell zufriedenstellende prothetische Lückenversorgung ohne vorherige Stellungskorrektur der gekippten Zähne und Lückenöffnung nicht möglich. Aufgrund des Ausgangsbefundes war nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen nur die vorgeschlagene kieferorthopädische Behandlung erfolgversprechend; alternativ wäre nur die Nichtdurchführung einer Behandlung, d.h. das Belassen der Gebissanomalie und der Dysfunktion infrage gekommen
38 
c) Die Zahnfehlstellungen im Gebiss der Klägerin waren Ursache erheblicher Folgeprobleme in Form einer craniomandibulären Dysfunktion (CMD) mit Kiefergelenkbeschwerden, Muskelverspannungen und Schmerzen. Ein infolge Seitenzahnverlusts abgesunkener Biss ist dem Gutachten zufolge eine häufig zu beobachtende Ursache für derartige Funktionsstörungen. Die durchgeführte kieferorthopädische Behandlung hat dementsprechend nach Angaben der Kieferorthopädin und der Klägerin dazu geführt, die vorher bestehende craniomandibuläre Dysfunktion zu beheben.
39 
d) Schließlich liegt bei der Klägerin eine sog. sekundäre Anomalie vor, also eine solche, die sich erst im Erwachsenenalter herausgebildet hat. Während bei sog. primären Zahnstellungsfehlern - die in der Jugend nicht oder nur unzureichend behandelt wurden oder bei denen es nach Behandlung zu einem Rezidiv gekommen ist - eine erfolgreiche Behandlung im Kindes- oder Jugendalter möglich gewesen wäre, ist dies bei sekundären Anomalien denknotwendig nicht der Fall. Daher kann der Klägerin auch nicht vorgeworfen werden, eine im Kindes- oder Jugendalter mögliche Behandlung ins Erwachsenenalter „verschleppt“ zu haben.
40 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
41 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
42 
Beschluss vom 2. Mai 2012
43 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 785,88 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
44 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
23 
Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (vgl. §§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
24 
Die Berufung der Klägerin ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen, da die Klägerin - entsprechend ihrem ausdrücklich gestellten Antrag - verlangen kann, dass der Beklagte ihren Antrag auf Gewährung einer Beihilfe vom 12.10.2008 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut bescheidet (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Die ihr entstandenen Aufwendungen für die streitgegenständliche kieferorthopädische Behandlung sind beihilfefähig.
25 
I. Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.2005 - 2 C 35.04 - BVerwGE 125, 21 m.w.N.; VGH Bad,-Württ., Urteil vom 10.10.2011 - 2 S 1369/11 - Juris). Hier sind die Aufwendungen im September 2008 entstanden. Ob und inwieweit die Klägerin für diese Aufwendungen die Gewährung einer Beihilfe beanspruchen kann, bestimmt sich somit nach §§ 5 Abs. 1 und 6 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung des Finanzministeriums über die Gewährung von Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfeverordnung - BVO -) vom 28.7.1995 (GBl. S. 561) in der Fassung von Art. 10 des Gesetzes vom 17.2.2004 (GBl. S 66).
26 
Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 BVO sind aus Anlass einer Krankheit entstandene Aufwendungen für gesondert erbrachte und berechnete zahnärztliche Leistungen beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. Dies gilt jedoch nur nach Maßgabe der Anlage zur Beihilfeverordnung. Nach Nr. 1.2.3 lit. b der Anlage sind Aufwendungen für kieferorthopädische Behandlungen unter anderem dann beihilfefähig, wenn die behandelte Person bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr noch nicht überschritten hat; die gilt nicht bei schweren Kieferanomalien, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordern.
27 
II. Nach diesen Regelungen sind die Aufwendungen für die kieferorthopädische Behandlung der 1948 geborenen Klägerin von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen, da die dargestellten Indikationen, bei denen die kieferorthopädische Behandlung ausnahmsweise auch bei über 18-Jährigen beihilfefähig ist, im Fall der Klägerin nicht vorliegen. Eine schwere Kieferanomalie, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordert hätte, ist unstreitig nicht gegeben. Dies hat auch der Sachverständige ausdrücklich bestätigt.
28 
III. Die in Nr. 1.2.3 lit b der Anlage zur BVO getroffene Ausschlussregelung kann jedoch unter den im Fall der Klägerin gegebenen Umständen keine Anwendung finden. Hierbei kann offen bleiben, ob der grundsätzliche Ausschluss der kieferorthopädischen Behandlung Erwachsener von der Beihilfefähigkeit mit höherrangigem Recht vereinbar ist (1.). Denn die Versagung der Beihilfe verstößt jedenfalls im vorliegenden Einzelfall gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (2., grundlegend zur Anwendung von Art. 3 Abs. 1 GG im Beihilferecht: Senatsurteil vom 15.3.2012 - 2 S 2542/11 -).
29 
1. Es ist fraglich, ob sich der grundsätzliche Ausschluss kieferorthopädischer Behandlungen für Erwachsene - von eng gefassten Ausnahmen abgesehen - von der Beihilfefähigkeit sachlich rechtfertigen lässt.
30 
Einerseits spricht Vieles dafür, dass die Erwägungen, die ursprünglich zu dem Ausschluss von der Beihilfefähigkeit geführt haben, heute nicht mehr tragfähig sind. Dieser grundsätzliche Ausschluss ist in Anknüpfung an den Gesichtspunkt der medizinischen Notwendigkeit erfolgt. Er beruhte ersichtlich darauf, dass die kieferorthopädische Behandlung Erwachsener früher auch in der Fachwelt mit erheblicher Skepsis betrachtet worden ist (vgl. beispielhaft: BSG, Urteil vom 9.12.1997 - 1 RK 11.97 - BSGE 81, 245, juris-Rn. 20).
        
31 
Diese Skepsis dürfte nicht mehr der heutigen Erkenntnislage entsprechen. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 12.1.2012 schlüssig und nachvollziehbar ausgeführt, dass es auch im Erwachsenenalter möglich und sinnvoll sein kann, Zahnstellungsanomalien durch konservative kieferorthopädische Maßnahmen zu korrigieren. In vielen internationalen Publikationen werde in den letzten Jahren eine Zunahme der kieferorthopädischen Behandlungen Erwachsener beschrieben. Die Behauptung, eine kieferorthopädische Behandlung Erwachsener dauere länger als die von Kindern, lasse sich wissenschaftlich nicht bestätigen. Bei erwachsenen Patienten kämen überwiegend festsitzende Apparaturen zur Anwendung und die Motivation sei in der Regel sehr hoch, was die Behandlungsdauer reduziere; bei Kindern hingegen sei durch den Einsatz herausnehmbarer Geräte, Verzögerungen durch den Zahnwechsel und eingeschränkte Kooperation nicht selten eine längere Behandlungszeit zu beobachten. Die in früherer Zeit vorgebrachten Vorbehalte seien nicht mehr berechtigt.
32 
Andererseits zeigt das vom Senat eingeholte Gerichtsgutachten aber auch Gesichtspunkte auf, die bei typisierender Betrachtungsweise möglicherweise noch heute einen weitgehenden Ausschluss der kieferorthopädischen Behandlung Erwachsener rechtfertigen könnten. Insoweit weist der Beklagte insbesondere darauf hin, dass dem Gutachten zufolge nicht (nur) medizinische Gründe, sondern auch gestiegene ästhetische Ansprüche für die Zunahme der kieferorthopädischen Behandlungen Erwachsener ursächlich seien; für den Patienten stehe häufig die Verbesserung der Ästhetik und erst in zweiter Linie die Verbesserung der Kaufähigkeit im Vordergrund.
33 
2. Es kann jedoch für den vorliegenden Fall dahinstehen, ob die Regelung in der Beihilfeverordnung, die die Beihilfefähigkeit kieferorthopädischer Behandlungen für Erwachsene - von eng gefassten Ausnahmen abgesehen - grundsätzlich ausschließt, generell gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (oder die Vorschriften des AGG) verstößt. Denn auf der Grundlage einer verfassungskonformen und an Sinn und Zweck der Regelung orientierten Auslegung ist jedenfalls unter den hier im Fall der Klägerin gegebenen Umständen die Gewährung einer Beihilfe zu Aufwendungen für eine kieferorthopädische Behandlung auch über die in Nr. 1.2.3 lit. b der Anlage zur BVO geregelten Ausnahmen hinaus geboten.
34 
Der in der Beihilfeverordnung vorgenommene grundsätzliche Ausschluss der Aufwendungen für eine kieferorthopädische Behandlung Erwachsener lässt sich nach heutiger Erkenntnislage höchstens noch mit der Erwägung sachlich rechtfertigen, dass sie typischerweise in erster Linie aus ästhetischen Gründen durchgeführt wird (s. oben). Daher kann die betreffende Vorschrift jedenfalls dann keine Geltung beanspruchen, wenn die Behandlung wie hier ausschließlich auf einer zahnmedizinisch zwingenden Indikation beruht. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Verordnungsgeber grundsätzlich nur einen engen Gestaltungsspielraum hat, wenn eine Ungleichbehandlung wie hier an ein personenbezogenes Merkmal wie das Alter und nicht an Lebenssachverhalte anknüpft oder von freiwilligen Entscheidungen der Betroffenen abhängt (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 28.5.2008 - 2 C 24.07 - NVwZ 2008, 1378, juris-Rn. 25).
35 
Aus dem vom Senat eingeholten Gutachten ergibt sich, dass im vorliegenden Einzelfall mehrere Besonderheiten vorliegen, die einen Ausschluss von der Beihilfefähigkeit als sachwidrig erscheinen lassen. Die bei der Klägerin durchgeführte Behandlung war ausschließlich medizinische indiziert; ästhetische Gründe können ausgeschlossen werden (a). Außerdem war keine Behandlungsalternative vorhanden (b). Die Zahnfehlstellungen im Gebiss der Klägerin waren mit erheblichen Folgeproblemen (craniomandibuläre Dysfunktion) verbunden (c). Schließlich liegt eine sog. sekundäre Anomalie vor, die erst im Erwachsenenalter erworben wurde (d). Der Senat schließt sich insoweit jeweils der überzeugend begründeten Ansicht des Gutachters an, zumal der Beklagte insoweit keine Einwendungen erhoben hat.
36 
a) Für die Behandlung der Klägerin waren ausschließlich medizinische Gründe ausschlaggebend. Der Sachverständige hat im einzelnen dargelegt, dass bei Anwendung der Kieferorthopädischen Indikationsgruppen (KIG), die für die Behandlung von Mitgliedern der Gesetzlichen Krankenkassen entwickelt worden sind, hier die Gruppe U 4 (Unterzahl) in Betracht kommt (vgl. B.2. und Anl. 1 der Richtlinien). Die vorgenommene Behandlung war nach den Feststelllungen in dem Gutachten geeignet, angemessen und notwendig, um bessere Voraussetzungen für eine funktionsoptimierte prothetische Versorgung zu schaffen. Ästhetische Aspekte haben hingegen dem Gutachten zufolge keine Rolle gespielt, da kein nennenswerter Einfluss auf die dentale Ästhetik und die Gesichtsästhetik bestehe. Diese Schlussfolgerung ist ohne Weiteres nachvollziehbar, da lediglich Seiten- und keine Frontzähne betroffen waren.
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b) Außerdem war keine Behandlungsalternative vorhanden. Aufgrund der ausgeprägten Kippung einiger Seitenzähne und der Lückeneinengung 25, 35 war eine funktionell zufriedenstellende prothetische Lückenversorgung ohne vorherige Stellungskorrektur der gekippten Zähne und Lückenöffnung nicht möglich. Aufgrund des Ausgangsbefundes war nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen nur die vorgeschlagene kieferorthopädische Behandlung erfolgversprechend; alternativ wäre nur die Nichtdurchführung einer Behandlung, d.h. das Belassen der Gebissanomalie und der Dysfunktion infrage gekommen
38 
c) Die Zahnfehlstellungen im Gebiss der Klägerin waren Ursache erheblicher Folgeprobleme in Form einer craniomandibulären Dysfunktion (CMD) mit Kiefergelenkbeschwerden, Muskelverspannungen und Schmerzen. Ein infolge Seitenzahnverlusts abgesunkener Biss ist dem Gutachten zufolge eine häufig zu beobachtende Ursache für derartige Funktionsstörungen. Die durchgeführte kieferorthopädische Behandlung hat dementsprechend nach Angaben der Kieferorthopädin und der Klägerin dazu geführt, die vorher bestehende craniomandibuläre Dysfunktion zu beheben.
39 
d) Schließlich liegt bei der Klägerin eine sog. sekundäre Anomalie vor, also eine solche, die sich erst im Erwachsenenalter herausgebildet hat. Während bei sog. primären Zahnstellungsfehlern - die in der Jugend nicht oder nur unzureichend behandelt wurden oder bei denen es nach Behandlung zu einem Rezidiv gekommen ist - eine erfolgreiche Behandlung im Kindes- oder Jugendalter möglich gewesen wäre, ist dies bei sekundären Anomalien denknotwendig nicht der Fall. Daher kann der Klägerin auch nicht vorgeworfen werden, eine im Kindes- oder Jugendalter mögliche Behandlung ins Erwachsenenalter „verschleppt“ zu haben.
40 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
41 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
42 
Beschluss vom 2. Mai 2012
43 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 785,88 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
44 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 15.7.2010 - 9 K 470/09 - geändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 27.10.2008 und dessen Widerspruchsbescheids vom 29.1.2009 verpflichtet, den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Beihilfe vom 12.10.2008 hinsichtlich der geltend gemachten kieferorthopädischen Aufwendungen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die 1948 geborene Klägerin begehrt Beihilfe zu den Aufwendungen für eine kieferorthopädische Behandlung. Sie ist als Beamtin mit einem Bemessungssatz von 70 % beihilfeberechtigt.
Mit Schreiben vom 28.8.2008 legte sie dem Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg (im Folgenden: Landesamt) einen kieferorthopädischen Behandlungsplan zur Prüfung der Beihilfefähigkeit vor. In dem Behandlungsplan wurden die voraussichtlichen Gesamtkosten auf 3.666,57 EUR geschätzt. Die Diagnose für den Oberkiefer lautete: „Retinierter und verlagerter Zahn 13; fehlender Zahn 25; mesiopaltinal rotierter Zahn 26; Implantate regio 25 und 27 bereits gesetzt". Zum Unterkiefer wurde festgestellt: „Fehlende Zähne durch Implantate ersetzt regio 36 und 45, 46; mesioklinierte Molaren; frontaler Engstand, Rotationen und Kippungen". Die Bisslage wird wie folgt beschrieben: „Skel. Klasse I, mand. Verschiebung nach rechts; Biss abgesackt durch fehlende dorsale Abstützung". Des Weiteren heißt es, die Behandlung sei aus funktionellen Gründen (Kiefergelenke) und zum längeren Erhalt der Zähne indiziert. Ohne die kieferorthopädische Aufrichtung der Molaren sei die prothetische Versorgung nicht lege artis möglich.
Unter dem 3.9.2008 teilte das Landesamt der Klägerin mit, dass die Kosten der geplanten Maßnahme nicht als beihilfefähig anerkannt würden. Aufwendungen für kieferorthopädische Leistungen seien nur dann beihilfefähig, wenn die behandelte Person bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet habe. Etwas anderes gelte nur bei schweren Kieferanomalien, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erforderten. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch.
Mit Antrag vom 12.10.2008 begehrte die Klägerin Beihilfe zu den bis dahin entstandenen Aufwendungen für die mittlerweile durchgeführte kieferorthopädische Behandlung in Höhe von 1.122,69 EUR (Rechnung vom 10.10.2008). Mit Bescheid vom 27.10.2008 versagte das Landesamt die begehrte Beihilfe.
Mit ihrem hiergegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend: Durch eine starke Bissabsenkung und ein prothetisch unterversorgtes Gebiss habe sie funktionale Probleme im Kieferbereich (schmerzhafte Kiefergelenke und eine eingeschränkte Kaufunktion). Durch die langjährigen Zahnlücken rechts und links im Unterkiefer seien die Backenzähne gekippt, was auch die Ursache starker parodontaler Probleme sei. Auch Schmerzen im Halswirbelbereich hingen damit zusammen. Nur durch eine kieferorthopädische Behandlung könnten die prothetische Versorgung durchgeführt und die gesetzten Implantate fertiggestellt werden, um ihre Zähne auf lange Sicht zu erhalten.
In einer dem Widerspruch beigefügten Stellungnahme der die Klägerin behandelnden Zahnärzte vom 17.11.2008 heißt es, dass eine kieferorthopädische Behandlung wegen einer Bisshebung, Aufrüstung und Passung der Seitenzähne dringend erforderlich gewesen sei. Dadurch sei eine Verbesserung der parodontalen Situation gegeben. Es habe außerdem eine schwere craniomandibuläre Dysfunktion (CMD) - Problematik der Muskel- und Kieferfunktion - bestanden, die starke Schmerzen hervorgerufen habe. Die Folge seien Verspannungen der Nackenmuskulatur und Spannungskopfschmerz. Kiefergelenksbeschwerden, Kiefergelenksknacken und eine eingeschränkte Nackenbeweglichkeit seien schmerzhaft und hätten nur durch die kieferorthopädische Behandlung behoben werden können.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29.1.2009 wies das Landesamt den Widerspruch der Klägerin zurück, da die Voraussetzungen der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für kieferorthopädische Maßnahmen bei über 18-jährigen Beihilfeberechtigten nicht vorlägen.
Am 25.2.2009 hat die Klägerin Klage vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen: Der in Nr. 1.2.3 der Anlage zur BVO geregelte Ausschluss von Aufwendungen für kieferorthopädische Leistungen bei Personen über 18 Jahren von der Beihilfefähigkeit stelle eine sachlich unbegründete Diskriminierung erwachsener Beihilfeberechtigter dar. Er verstoße auch gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Es handle sich um eine ausschließlich an das Alter gebundene Diskriminierung, für die es keine zulässigen Gründe gebe. Die inzwischen abgeschlossenen kieferorthopädischen Maßnahmen seien medizinisch notwendig gewesen. Sie habe schon viele Jahre eine Doppellücke und zwei weitere Zahnlücken durch fehlende Zähne gehabt. Oben habe sie keinen Gegenbiss gehabt und ihr Kiefer habe sich verändert, da der Biss schon lange nicht mehr gestimmt habe. Vier Zähne seien in die Lücke „gekippt" und ein Zahn habe sich gedreht. Bei der Sanierung ihres Gebisses sei es erforderlich gewesen, mehrere gesunde Backenzähne mittels einer kieferorthopädischen Behandlung zu richten. Eine fachgerechte Alternative zu dieser Behandlung habe es nicht gegeben. Auch ihre chronischen Nacken- und Kopfschmerzen seien geheilt.
Der Beklagte hat Klagabweisung beantragt und erwidert: Auch die Fürsorgepflicht erfordere nicht den Ausgleich jeglicher aus Krankheitsfällen entstandener Aufwendungen. Allenfalls unzumutbare Belastungen bzw. erhebliche Aufwendungen, die für den Beamten unausweichlich seien und denen er sich nicht entziehen könne, könnten den Wesenskern der Fürsorgepflicht berühren. Zu denken sei an die Behandlung schwerer oder gar lebensbedrohlicher Krankheiten. Um eine solche handele es sich vorliegend nicht.
10 
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 15.7.2010 - zugestellt am 2.12.2010 - abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt: Nach Nr. 1.2.3 der Anlage zur BVO seien kieferorthopädische Leistungen nur beihilfefähig, wenn die behandelte Person bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet habe; dies gelte nicht bei schweren Kieferanomalien, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erforderten. Gemessen hieran komme eine Beihilfegewährung nicht in Betracht. Die Klägerin habe bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr (längst) überschritten. Auch eine Ausnahme von der Altersgrenze habe nicht vorgelegen, da sie nicht an einer schweren Kieferanomalie gelitten habe. Dass die kieferorthopädische Behandlung nach ihrem Vorbringen und den vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen für eine prothetische Versorgung und zur Behebung einer durch die Zahnfehlstellungen verursachten craniomandibulären Dysfunktion erforderlich gewesen sei, sei unbeachtlich.
11 
Die unterschiedliche Regelung der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für kieferorthopädische Behandlungen für Minderjährige und Erwachsene verstoße nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz und die Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Bei der im Beihilferecht erlaubten pauschalisierenden und typisierenden Betrachtungsweise lägen sachliche Gründe für die unterschiedliche Behandlung der Minderjährigen und Erwachsenen vor, die auch nicht zu einer Verletzung der Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern führten. Dem grundsätzlichen Leistungsausschluss liege die Erwägung zugrunde, dass mit einer kieferorthopädischen Behandlung aus medizinischen Gründen vor Abschluss des Körperwachstums begonnen werden solle, und dass solche Maßnahmen bei Erwachsenen überwiegend aus ästhetischen Gründen oder wegen mangelnder zahnmedizinischer Vorsorge in früheren Jahren erfolgten. Dies sei nicht zu beanstanden.
12 
Allerdings schließe Nr. 1.2.3 der Anlage zur BVO die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für die kieferorthopädische Behandlung Erwachsener auch in den Fällen aus, in denen die herkömmlichen beihilferechtlichen Voraussetzungen der Notwendigkeit und Angemessenheit für eine kieferorthopädische Behandlung erfüllt seien. Da der Verordnungsgeber typisieren dürfe, sei dies rechtlich nicht zu beanstanden, solange solche Fallgestaltungen nicht von vornherein absehbar einen solchen Umfang und ein solches Gewicht erreichten, dass sie auch bei typisierender Betrachtungsweise nicht vernachlässigt werden könnten. Davon sei hier nicht auszugehen. Für eine verfassungsrechtlich gebotene Korrektur sei die Härtefallregelung des § 5 Abs. 6 BVO in den Blick zu nehmen. Eine atypische Fallgestaltung, die die Annahme eines Härtefalls rechtfertige, liege bei der Klägerin jedoch nicht vor. Nach ihrem Vorbringen seien es die von ihr hingenommenen und nicht behandelten Zahnlücken gewesen, die zur Verlagerung von Zähnen und zur Veränderung des Gebisses geführt hätten.
13 
Schließlich verstoße der Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für kieferorthopädische Behandlungen von Erwachsenen nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Ob die Gewährung von Beihilfe in Krankheitsfällen für Beamte unter den sachlichen Anwendungsbereich dieses Gesetzes falle, könne dahingestellt bleiben, da die unterschiedliche Behandlung von Minderjährigen und Erwachsenen jedenfalls nicht wegen des Merkmals „Alter" erfolge, sondern auf den unterschiedlichen Anlässen und Voraussetzungen für eine kieferorthopädische Behandlung beruhe. Selbst wenn man dies anders sehen wolle, sei die in Streit stehende Regelung zulässig, da sie durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sei. Dazu gehöre auch das Ziel einer sparsamen Haushaltsführung. Den einzelnen Mitgliedstaaten sei nicht nur bei der Bestimmung der Ziele, sondern auch bei der Wahl der Mittel ein Gestaltungsspielraum eingeräumt, bei dem auch haushaltsbezogene Erwägungen Berücksichtigung finden könnten.
14 
Die Klägerin hat am 27.12.2010 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und mit Schriftsatz vom 31.1.2011 - beim Verwaltungsgerichtshof eingegangen am 1.2.2011 - begründet.
15 
Der Senat hat Beweis durch die Einholung ein Sachverständigengutachtens erhoben, das von Prof. em. Dr. Sch. unter dem 12.1.2012 erstattet worden ist. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieses Gutachtens verwiesen.
16 
Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie ist der Auffassung, dass der Sachverständige den von ihr vorgetragenen Sachverhalt bestätigt habe.
17 
Sie beantragt,
18 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 15.7.2010 - 9 K 470/09 - zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden- Württemberg vom 27.10.2008 und dessen Widerspruchsbescheids vom 29.1.2009 zu verpflichten, ihren Antrag auf Gewährung einer Beihilfe vom 12.10.2008 hinsichtlich der geltend gemachten kieferorthopädischen Aufwendungen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
19 
Der Beklagte beantragt,
20 
die Berufung zurückzuweisen.
21 
Er macht ergänzend geltend: Der Gutachter habe darauf hingewiesen, als Behandlungsziel der kieferorthopädischen Behandlung Erwachsener stehe häufig die Verbesserung der Ästhetik im Vordergrund. Zudem bestünden erhebliche biologische Unterschiede. Daher bestehe die sachliche Rechtfertigung für die unterschiedliche Behandlung von Minderjährigen und Erwachsenen weiterhin. Der beihilferechtliche Verordnungsgeber habe einen weiten Ermessensspielraum, der ihn dazu berechtige, generalisierende, typisierende und pauschalierende Maßstäbe anzulegen.
22 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die beigezogenen Beihilfeakten des Landesamts verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
23 
Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (vgl. §§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
24 
Die Berufung der Klägerin ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen, da die Klägerin - entsprechend ihrem ausdrücklich gestellten Antrag - verlangen kann, dass der Beklagte ihren Antrag auf Gewährung einer Beihilfe vom 12.10.2008 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut bescheidet (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Die ihr entstandenen Aufwendungen für die streitgegenständliche kieferorthopädische Behandlung sind beihilfefähig.
25 
I. Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.2005 - 2 C 35.04 - BVerwGE 125, 21 m.w.N.; VGH Bad,-Württ., Urteil vom 10.10.2011 - 2 S 1369/11 - Juris). Hier sind die Aufwendungen im September 2008 entstanden. Ob und inwieweit die Klägerin für diese Aufwendungen die Gewährung einer Beihilfe beanspruchen kann, bestimmt sich somit nach §§ 5 Abs. 1 und 6 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung des Finanzministeriums über die Gewährung von Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfeverordnung - BVO -) vom 28.7.1995 (GBl. S. 561) in der Fassung von Art. 10 des Gesetzes vom 17.2.2004 (GBl. S 66).
26 
Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 BVO sind aus Anlass einer Krankheit entstandene Aufwendungen für gesondert erbrachte und berechnete zahnärztliche Leistungen beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. Dies gilt jedoch nur nach Maßgabe der Anlage zur Beihilfeverordnung. Nach Nr. 1.2.3 lit. b der Anlage sind Aufwendungen für kieferorthopädische Behandlungen unter anderem dann beihilfefähig, wenn die behandelte Person bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr noch nicht überschritten hat; die gilt nicht bei schweren Kieferanomalien, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordern.
27 
II. Nach diesen Regelungen sind die Aufwendungen für die kieferorthopädische Behandlung der 1948 geborenen Klägerin von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen, da die dargestellten Indikationen, bei denen die kieferorthopädische Behandlung ausnahmsweise auch bei über 18-Jährigen beihilfefähig ist, im Fall der Klägerin nicht vorliegen. Eine schwere Kieferanomalie, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordert hätte, ist unstreitig nicht gegeben. Dies hat auch der Sachverständige ausdrücklich bestätigt.
28 
III. Die in Nr. 1.2.3 lit b der Anlage zur BVO getroffene Ausschlussregelung kann jedoch unter den im Fall der Klägerin gegebenen Umständen keine Anwendung finden. Hierbei kann offen bleiben, ob der grundsätzliche Ausschluss der kieferorthopädischen Behandlung Erwachsener von der Beihilfefähigkeit mit höherrangigem Recht vereinbar ist (1.). Denn die Versagung der Beihilfe verstößt jedenfalls im vorliegenden Einzelfall gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (2., grundlegend zur Anwendung von Art. 3 Abs. 1 GG im Beihilferecht: Senatsurteil vom 15.3.2012 - 2 S 2542/11 -).
29 
1. Es ist fraglich, ob sich der grundsätzliche Ausschluss kieferorthopädischer Behandlungen für Erwachsene - von eng gefassten Ausnahmen abgesehen - von der Beihilfefähigkeit sachlich rechtfertigen lässt.
30 
Einerseits spricht Vieles dafür, dass die Erwägungen, die ursprünglich zu dem Ausschluss von der Beihilfefähigkeit geführt haben, heute nicht mehr tragfähig sind. Dieser grundsätzliche Ausschluss ist in Anknüpfung an den Gesichtspunkt der medizinischen Notwendigkeit erfolgt. Er beruhte ersichtlich darauf, dass die kieferorthopädische Behandlung Erwachsener früher auch in der Fachwelt mit erheblicher Skepsis betrachtet worden ist (vgl. beispielhaft: BSG, Urteil vom 9.12.1997 - 1 RK 11.97 - BSGE 81, 245, juris-Rn. 20).
        
31 
Diese Skepsis dürfte nicht mehr der heutigen Erkenntnislage entsprechen. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 12.1.2012 schlüssig und nachvollziehbar ausgeführt, dass es auch im Erwachsenenalter möglich und sinnvoll sein kann, Zahnstellungsanomalien durch konservative kieferorthopädische Maßnahmen zu korrigieren. In vielen internationalen Publikationen werde in den letzten Jahren eine Zunahme der kieferorthopädischen Behandlungen Erwachsener beschrieben. Die Behauptung, eine kieferorthopädische Behandlung Erwachsener dauere länger als die von Kindern, lasse sich wissenschaftlich nicht bestätigen. Bei erwachsenen Patienten kämen überwiegend festsitzende Apparaturen zur Anwendung und die Motivation sei in der Regel sehr hoch, was die Behandlungsdauer reduziere; bei Kindern hingegen sei durch den Einsatz herausnehmbarer Geräte, Verzögerungen durch den Zahnwechsel und eingeschränkte Kooperation nicht selten eine längere Behandlungszeit zu beobachten. Die in früherer Zeit vorgebrachten Vorbehalte seien nicht mehr berechtigt.
32 
Andererseits zeigt das vom Senat eingeholte Gerichtsgutachten aber auch Gesichtspunkte auf, die bei typisierender Betrachtungsweise möglicherweise noch heute einen weitgehenden Ausschluss der kieferorthopädischen Behandlung Erwachsener rechtfertigen könnten. Insoweit weist der Beklagte insbesondere darauf hin, dass dem Gutachten zufolge nicht (nur) medizinische Gründe, sondern auch gestiegene ästhetische Ansprüche für die Zunahme der kieferorthopädischen Behandlungen Erwachsener ursächlich seien; für den Patienten stehe häufig die Verbesserung der Ästhetik und erst in zweiter Linie die Verbesserung der Kaufähigkeit im Vordergrund.
33 
2. Es kann jedoch für den vorliegenden Fall dahinstehen, ob die Regelung in der Beihilfeverordnung, die die Beihilfefähigkeit kieferorthopädischer Behandlungen für Erwachsene - von eng gefassten Ausnahmen abgesehen - grundsätzlich ausschließt, generell gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (oder die Vorschriften des AGG) verstößt. Denn auf der Grundlage einer verfassungskonformen und an Sinn und Zweck der Regelung orientierten Auslegung ist jedenfalls unter den hier im Fall der Klägerin gegebenen Umständen die Gewährung einer Beihilfe zu Aufwendungen für eine kieferorthopädische Behandlung auch über die in Nr. 1.2.3 lit. b der Anlage zur BVO geregelten Ausnahmen hinaus geboten.
34 
Der in der Beihilfeverordnung vorgenommene grundsätzliche Ausschluss der Aufwendungen für eine kieferorthopädische Behandlung Erwachsener lässt sich nach heutiger Erkenntnislage höchstens noch mit der Erwägung sachlich rechtfertigen, dass sie typischerweise in erster Linie aus ästhetischen Gründen durchgeführt wird (s. oben). Daher kann die betreffende Vorschrift jedenfalls dann keine Geltung beanspruchen, wenn die Behandlung wie hier ausschließlich auf einer zahnmedizinisch zwingenden Indikation beruht. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Verordnungsgeber grundsätzlich nur einen engen Gestaltungsspielraum hat, wenn eine Ungleichbehandlung wie hier an ein personenbezogenes Merkmal wie das Alter und nicht an Lebenssachverhalte anknüpft oder von freiwilligen Entscheidungen der Betroffenen abhängt (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 28.5.2008 - 2 C 24.07 - NVwZ 2008, 1378, juris-Rn. 25).
35 
Aus dem vom Senat eingeholten Gutachten ergibt sich, dass im vorliegenden Einzelfall mehrere Besonderheiten vorliegen, die einen Ausschluss von der Beihilfefähigkeit als sachwidrig erscheinen lassen. Die bei der Klägerin durchgeführte Behandlung war ausschließlich medizinische indiziert; ästhetische Gründe können ausgeschlossen werden (a). Außerdem war keine Behandlungsalternative vorhanden (b). Die Zahnfehlstellungen im Gebiss der Klägerin waren mit erheblichen Folgeproblemen (craniomandibuläre Dysfunktion) verbunden (c). Schließlich liegt eine sog. sekundäre Anomalie vor, die erst im Erwachsenenalter erworben wurde (d). Der Senat schließt sich insoweit jeweils der überzeugend begründeten Ansicht des Gutachters an, zumal der Beklagte insoweit keine Einwendungen erhoben hat.
36 
a) Für die Behandlung der Klägerin waren ausschließlich medizinische Gründe ausschlaggebend. Der Sachverständige hat im einzelnen dargelegt, dass bei Anwendung der Kieferorthopädischen Indikationsgruppen (KIG), die für die Behandlung von Mitgliedern der Gesetzlichen Krankenkassen entwickelt worden sind, hier die Gruppe U 4 (Unterzahl) in Betracht kommt (vgl. B.2. und Anl. 1 der Richtlinien). Die vorgenommene Behandlung war nach den Feststelllungen in dem Gutachten geeignet, angemessen und notwendig, um bessere Voraussetzungen für eine funktionsoptimierte prothetische Versorgung zu schaffen. Ästhetische Aspekte haben hingegen dem Gutachten zufolge keine Rolle gespielt, da kein nennenswerter Einfluss auf die dentale Ästhetik und die Gesichtsästhetik bestehe. Diese Schlussfolgerung ist ohne Weiteres nachvollziehbar, da lediglich Seiten- und keine Frontzähne betroffen waren.
37 
b) Außerdem war keine Behandlungsalternative vorhanden. Aufgrund der ausgeprägten Kippung einiger Seitenzähne und der Lückeneinengung 25, 35 war eine funktionell zufriedenstellende prothetische Lückenversorgung ohne vorherige Stellungskorrektur der gekippten Zähne und Lückenöffnung nicht möglich. Aufgrund des Ausgangsbefundes war nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen nur die vorgeschlagene kieferorthopädische Behandlung erfolgversprechend; alternativ wäre nur die Nichtdurchführung einer Behandlung, d.h. das Belassen der Gebissanomalie und der Dysfunktion infrage gekommen
38 
c) Die Zahnfehlstellungen im Gebiss der Klägerin waren Ursache erheblicher Folgeprobleme in Form einer craniomandibulären Dysfunktion (CMD) mit Kiefergelenkbeschwerden, Muskelverspannungen und Schmerzen. Ein infolge Seitenzahnverlusts abgesunkener Biss ist dem Gutachten zufolge eine häufig zu beobachtende Ursache für derartige Funktionsstörungen. Die durchgeführte kieferorthopädische Behandlung hat dementsprechend nach Angaben der Kieferorthopädin und der Klägerin dazu geführt, die vorher bestehende craniomandibuläre Dysfunktion zu beheben.
39 
d) Schließlich liegt bei der Klägerin eine sog. sekundäre Anomalie vor, also eine solche, die sich erst im Erwachsenenalter herausgebildet hat. Während bei sog. primären Zahnstellungsfehlern - die in der Jugend nicht oder nur unzureichend behandelt wurden oder bei denen es nach Behandlung zu einem Rezidiv gekommen ist - eine erfolgreiche Behandlung im Kindes- oder Jugendalter möglich gewesen wäre, ist dies bei sekundären Anomalien denknotwendig nicht der Fall. Daher kann der Klägerin auch nicht vorgeworfen werden, eine im Kindes- oder Jugendalter mögliche Behandlung ins Erwachsenenalter „verschleppt“ zu haben.
40 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
41 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
42 
Beschluss vom 2. Mai 2012
43 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 785,88 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
44 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
23 
Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (vgl. §§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
24 
Die Berufung der Klägerin ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen, da die Klägerin - entsprechend ihrem ausdrücklich gestellten Antrag - verlangen kann, dass der Beklagte ihren Antrag auf Gewährung einer Beihilfe vom 12.10.2008 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut bescheidet (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Die ihr entstandenen Aufwendungen für die streitgegenständliche kieferorthopädische Behandlung sind beihilfefähig.
25 
I. Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.2005 - 2 C 35.04 - BVerwGE 125, 21 m.w.N.; VGH Bad,-Württ., Urteil vom 10.10.2011 - 2 S 1369/11 - Juris). Hier sind die Aufwendungen im September 2008 entstanden. Ob und inwieweit die Klägerin für diese Aufwendungen die Gewährung einer Beihilfe beanspruchen kann, bestimmt sich somit nach §§ 5 Abs. 1 und 6 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung des Finanzministeriums über die Gewährung von Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfeverordnung - BVO -) vom 28.7.1995 (GBl. S. 561) in der Fassung von Art. 10 des Gesetzes vom 17.2.2004 (GBl. S 66).
26 
Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 BVO sind aus Anlass einer Krankheit entstandene Aufwendungen für gesondert erbrachte und berechnete zahnärztliche Leistungen beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. Dies gilt jedoch nur nach Maßgabe der Anlage zur Beihilfeverordnung. Nach Nr. 1.2.3 lit. b der Anlage sind Aufwendungen für kieferorthopädische Behandlungen unter anderem dann beihilfefähig, wenn die behandelte Person bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr noch nicht überschritten hat; die gilt nicht bei schweren Kieferanomalien, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordern.
27 
II. Nach diesen Regelungen sind die Aufwendungen für die kieferorthopädische Behandlung der 1948 geborenen Klägerin von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen, da die dargestellten Indikationen, bei denen die kieferorthopädische Behandlung ausnahmsweise auch bei über 18-Jährigen beihilfefähig ist, im Fall der Klägerin nicht vorliegen. Eine schwere Kieferanomalie, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordert hätte, ist unstreitig nicht gegeben. Dies hat auch der Sachverständige ausdrücklich bestätigt.
28 
III. Die in Nr. 1.2.3 lit b der Anlage zur BVO getroffene Ausschlussregelung kann jedoch unter den im Fall der Klägerin gegebenen Umständen keine Anwendung finden. Hierbei kann offen bleiben, ob der grundsätzliche Ausschluss der kieferorthopädischen Behandlung Erwachsener von der Beihilfefähigkeit mit höherrangigem Recht vereinbar ist (1.). Denn die Versagung der Beihilfe verstößt jedenfalls im vorliegenden Einzelfall gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (2., grundlegend zur Anwendung von Art. 3 Abs. 1 GG im Beihilferecht: Senatsurteil vom 15.3.2012 - 2 S 2542/11 -).
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1. Es ist fraglich, ob sich der grundsätzliche Ausschluss kieferorthopädischer Behandlungen für Erwachsene - von eng gefassten Ausnahmen abgesehen - von der Beihilfefähigkeit sachlich rechtfertigen lässt.
30 
Einerseits spricht Vieles dafür, dass die Erwägungen, die ursprünglich zu dem Ausschluss von der Beihilfefähigkeit geführt haben, heute nicht mehr tragfähig sind. Dieser grundsätzliche Ausschluss ist in Anknüpfung an den Gesichtspunkt der medizinischen Notwendigkeit erfolgt. Er beruhte ersichtlich darauf, dass die kieferorthopädische Behandlung Erwachsener früher auch in der Fachwelt mit erheblicher Skepsis betrachtet worden ist (vgl. beispielhaft: BSG, Urteil vom 9.12.1997 - 1 RK 11.97 - BSGE 81, 245, juris-Rn. 20).
        
31 
Diese Skepsis dürfte nicht mehr der heutigen Erkenntnislage entsprechen. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 12.1.2012 schlüssig und nachvollziehbar ausgeführt, dass es auch im Erwachsenenalter möglich und sinnvoll sein kann, Zahnstellungsanomalien durch konservative kieferorthopädische Maßnahmen zu korrigieren. In vielen internationalen Publikationen werde in den letzten Jahren eine Zunahme der kieferorthopädischen Behandlungen Erwachsener beschrieben. Die Behauptung, eine kieferorthopädische Behandlung Erwachsener dauere länger als die von Kindern, lasse sich wissenschaftlich nicht bestätigen. Bei erwachsenen Patienten kämen überwiegend festsitzende Apparaturen zur Anwendung und die Motivation sei in der Regel sehr hoch, was die Behandlungsdauer reduziere; bei Kindern hingegen sei durch den Einsatz herausnehmbarer Geräte, Verzögerungen durch den Zahnwechsel und eingeschränkte Kooperation nicht selten eine längere Behandlungszeit zu beobachten. Die in früherer Zeit vorgebrachten Vorbehalte seien nicht mehr berechtigt.
32 
Andererseits zeigt das vom Senat eingeholte Gerichtsgutachten aber auch Gesichtspunkte auf, die bei typisierender Betrachtungsweise möglicherweise noch heute einen weitgehenden Ausschluss der kieferorthopädischen Behandlung Erwachsener rechtfertigen könnten. Insoweit weist der Beklagte insbesondere darauf hin, dass dem Gutachten zufolge nicht (nur) medizinische Gründe, sondern auch gestiegene ästhetische Ansprüche für die Zunahme der kieferorthopädischen Behandlungen Erwachsener ursächlich seien; für den Patienten stehe häufig die Verbesserung der Ästhetik und erst in zweiter Linie die Verbesserung der Kaufähigkeit im Vordergrund.
33 
2. Es kann jedoch für den vorliegenden Fall dahinstehen, ob die Regelung in der Beihilfeverordnung, die die Beihilfefähigkeit kieferorthopädischer Behandlungen für Erwachsene - von eng gefassten Ausnahmen abgesehen - grundsätzlich ausschließt, generell gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (oder die Vorschriften des AGG) verstößt. Denn auf der Grundlage einer verfassungskonformen und an Sinn und Zweck der Regelung orientierten Auslegung ist jedenfalls unter den hier im Fall der Klägerin gegebenen Umständen die Gewährung einer Beihilfe zu Aufwendungen für eine kieferorthopädische Behandlung auch über die in Nr. 1.2.3 lit. b der Anlage zur BVO geregelten Ausnahmen hinaus geboten.
34 
Der in der Beihilfeverordnung vorgenommene grundsätzliche Ausschluss der Aufwendungen für eine kieferorthopädische Behandlung Erwachsener lässt sich nach heutiger Erkenntnislage höchstens noch mit der Erwägung sachlich rechtfertigen, dass sie typischerweise in erster Linie aus ästhetischen Gründen durchgeführt wird (s. oben). Daher kann die betreffende Vorschrift jedenfalls dann keine Geltung beanspruchen, wenn die Behandlung wie hier ausschließlich auf einer zahnmedizinisch zwingenden Indikation beruht. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Verordnungsgeber grundsätzlich nur einen engen Gestaltungsspielraum hat, wenn eine Ungleichbehandlung wie hier an ein personenbezogenes Merkmal wie das Alter und nicht an Lebenssachverhalte anknüpft oder von freiwilligen Entscheidungen der Betroffenen abhängt (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 28.5.2008 - 2 C 24.07 - NVwZ 2008, 1378, juris-Rn. 25).
35 
Aus dem vom Senat eingeholten Gutachten ergibt sich, dass im vorliegenden Einzelfall mehrere Besonderheiten vorliegen, die einen Ausschluss von der Beihilfefähigkeit als sachwidrig erscheinen lassen. Die bei der Klägerin durchgeführte Behandlung war ausschließlich medizinische indiziert; ästhetische Gründe können ausgeschlossen werden (a). Außerdem war keine Behandlungsalternative vorhanden (b). Die Zahnfehlstellungen im Gebiss der Klägerin waren mit erheblichen Folgeproblemen (craniomandibuläre Dysfunktion) verbunden (c). Schließlich liegt eine sog. sekundäre Anomalie vor, die erst im Erwachsenenalter erworben wurde (d). Der Senat schließt sich insoweit jeweils der überzeugend begründeten Ansicht des Gutachters an, zumal der Beklagte insoweit keine Einwendungen erhoben hat.
36 
a) Für die Behandlung der Klägerin waren ausschließlich medizinische Gründe ausschlaggebend. Der Sachverständige hat im einzelnen dargelegt, dass bei Anwendung der Kieferorthopädischen Indikationsgruppen (KIG), die für die Behandlung von Mitgliedern der Gesetzlichen Krankenkassen entwickelt worden sind, hier die Gruppe U 4 (Unterzahl) in Betracht kommt (vgl. B.2. und Anl. 1 der Richtlinien). Die vorgenommene Behandlung war nach den Feststelllungen in dem Gutachten geeignet, angemessen und notwendig, um bessere Voraussetzungen für eine funktionsoptimierte prothetische Versorgung zu schaffen. Ästhetische Aspekte haben hingegen dem Gutachten zufolge keine Rolle gespielt, da kein nennenswerter Einfluss auf die dentale Ästhetik und die Gesichtsästhetik bestehe. Diese Schlussfolgerung ist ohne Weiteres nachvollziehbar, da lediglich Seiten- und keine Frontzähne betroffen waren.
37 
b) Außerdem war keine Behandlungsalternative vorhanden. Aufgrund der ausgeprägten Kippung einiger Seitenzähne und der Lückeneinengung 25, 35 war eine funktionell zufriedenstellende prothetische Lückenversorgung ohne vorherige Stellungskorrektur der gekippten Zähne und Lückenöffnung nicht möglich. Aufgrund des Ausgangsbefundes war nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen nur die vorgeschlagene kieferorthopädische Behandlung erfolgversprechend; alternativ wäre nur die Nichtdurchführung einer Behandlung, d.h. das Belassen der Gebissanomalie und der Dysfunktion infrage gekommen
38 
c) Die Zahnfehlstellungen im Gebiss der Klägerin waren Ursache erheblicher Folgeprobleme in Form einer craniomandibulären Dysfunktion (CMD) mit Kiefergelenkbeschwerden, Muskelverspannungen und Schmerzen. Ein infolge Seitenzahnverlusts abgesunkener Biss ist dem Gutachten zufolge eine häufig zu beobachtende Ursache für derartige Funktionsstörungen. Die durchgeführte kieferorthopädische Behandlung hat dementsprechend nach Angaben der Kieferorthopädin und der Klägerin dazu geführt, die vorher bestehende craniomandibuläre Dysfunktion zu beheben.
39 
d) Schließlich liegt bei der Klägerin eine sog. sekundäre Anomalie vor, also eine solche, die sich erst im Erwachsenenalter herausgebildet hat. Während bei sog. primären Zahnstellungsfehlern - die in der Jugend nicht oder nur unzureichend behandelt wurden oder bei denen es nach Behandlung zu einem Rezidiv gekommen ist - eine erfolgreiche Behandlung im Kindes- oder Jugendalter möglich gewesen wäre, ist dies bei sekundären Anomalien denknotwendig nicht der Fall. Daher kann der Klägerin auch nicht vorgeworfen werden, eine im Kindes- oder Jugendalter mögliche Behandlung ins Erwachsenenalter „verschleppt“ zu haben.
40 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
41 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
42 
Beschluss vom 2. Mai 2012
43 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 785,88 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
44 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Aufwendungen für kieferorthopädische Leistungen sind beihilfefähig, wenn

1.
bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet ist oder
2.
bei schweren Kieferanomalien, insbesondere bei angeborenen Missbildungen des Gesichts oder eines Kiefers, skelettalen Dysgnathien oder verletzungsbedingten Kieferfehlstellungen, eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfolgt.
Voraussetzung ist, dass die Festsetzungsstelle den Aufwendungen vor Beginn der Behandlung auf der Grundlage eines vorgelegten Heil- und Kostenplanes zugestimmt hat. Die Aufwendungen für die Erstellung des Heil- und Kostenplanes nach Satz 2 sind beihilfefähig.

(2) Für eine kieferorthopädische Behandlung Erwachsener ist abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 eine Beihilfe zu Aufwendungen zu bewilligen, wenn durch ein Gutachten bestätigt wird, dass

1.
die Behandlung ausschließlich medizinisch indiziert ist und ästhetische Gründe ausgeschlossen werden können,
2.
keine Behandlungsalternative vorhanden ist,
3.
erhebliche Folgeprobleme bestehen, insbesondere bei einer craniomandibulären Dysfunktion.

(3) Bei einem Wechsel der Kieferorthopädin oder des Kieferorthopäden, den die beihilfeberechtigte oder die berücksichtigungsfähige Person zu vertreten hat, bleiben nur die Aufwendungen beihilfefähig, die nach dem Heil- und Kostenplan, dem die Festsetzungsstelle zugestimmt hatte, noch nicht abgerechnet sind.

(4) Ist eine Weiterbehandlung über den Regelfall eines vierjährigen Zeitraums hinaus medizinisch notwendig, muss der Festsetzungsstelle vor Ablauf der laufenden Behandlung ein neuer Heil- und Kostenplan vorgelegt werden. Pro Jahr der Weiterbehandlung werden 25 Prozent der Aufwendungen für die kieferorthopädischen Leistungen nach den Nummern 6030 bis 6080 der Anlage 1 zur Gebührenordnung für Zahnärzte als beihilfefähig anerkannt. Aufwendungen für eine Behandlung, die vor Vollendung des 18. Lebensjahres begonnen wurde, sind auch bei einer medizinisch notwendigen Weiterbehandlung nach Vollendung des 18. Lebensjahres beihilfefähig.

(5) Aufwendungen für Leistungen zur Retention sind bis zu zwei Jahre nach Abschluss der kieferorthopädischen Behandlung beihilfefähig, die auf Grundlage des Heil- und Kostenplanes nach Absatz 1 Satz 2 von der Festsetzungsstelle genehmigt wurde.

(6) Aufwendungen für kieferorthopädische Leistungen vor Beginn der zweiten Phase des Zahnwechsels sind nur beihilfefähig bei

1.
Beseitigung von Habits bei einem habituellen Distalbiss bei distal sagittaler Stufe mit einer Frontzahnstufe von mehr als 9 Millimetern,
2.
Beseitigung von Habits bei einem habituellen offenen oder seitlichen Biss bei vertikaler Stufe von mehr als 4 Millimetern,
3.
Offenhalten von Lücken infolge vorzeitigen Milchzahnverlustes,
4.
Frühbehandlung
a)
eines Distalbisses bei distal sagittaler Stufe mit einer Frontzahnstufe von mehr als 9 Millimetern,
b)
eines lateralen Kreuz- oder Zwangsbisses bei transversaler Abweichung mit einseitigem oder beidseitigem Kreuzbiss, der durch präventive Maßnahmen nicht zu korrigieren ist,
c)
einer Bukkalokklusion, Nonokklusion oder Lingualokklusion permanenter Zähne bei transversaler Abweichung,
d)
eines progenen Zwangsbisses oder frontalen Kreuzbisses bei mesial sagittaler Stufe,
e)
bei Platzmangel zum Schaffen von Zahnlücken von mehr als 3 und höchstens 4 Millimetern oder zum Vergrößern von Zahnlücken um mehr als 3 und höchstens 4 Millimetern,
5.
früher Behandlung
a)
einer Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte oder anderer kraniofazialer Anomalien,
b)
eines skelettal offenen Bisses bei vertikaler Stufe von mehr als 4 Millimetern,
c)
einer Progenie bei mesial sagittaler Stufe,
d)
verletzungsbedingter Kieferfehlstellungen.
Die Frühbehandlung nach Satz 1 Nummer 4 soll nicht vor Vollendung des dritten Lebensjahres begonnen und innerhalb von sechs Kalenderquartalen abgeschlossen werden; eine reguläre kieferorthopädische Behandlung kann sich anschließen, wenn die zweite Phase des Zahnwechsels vorliegt. Aufwendungen für den Einsatz individuell gefertigter Behandlungsgeräte sind neben den Aufwendungen für eine Behandlung nach Satz 1 Nummer 4 oder Nummer 5 gesondert beihilfefähig.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.

(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.