Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Anerkenntnisurteil, 05. Aug. 2015 - 10K 4329/11
Tenor
Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat.Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
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T a t b e s t a n d:
2Der Kläger wendet sich gegen der Beigeladenen erteilte Baugenehmigungen betreffend ihr Warendistributionszentrum am C. I.---weg in E. .
3Der Kläger ist seit 2008 gemeinsam mit seiner Ehefrau je zur Hälfte Eigentümer des Grundstücks X. Straße 229, in E. , Gemarkung C1. , Flur °, Flurstück °°°, das mit einem Wohnhaus bebaut ist. Nach eigenen Angaben wohnt der Kläger mit seiner Ehefrau in dem vorgenannten Wohngebäude seit 2007. Das klägerische Grundstück liegt südlich der X1. Straße und am nordöstlichen Rand des Straßengebildes, das durch die X. Straße im Norden und die u-förmig verlaufende U.-----straße im Westen, Süden und Osten gebildet wird. In diesem Bereich finden sich (fast) ausschließlich Wohnnutzungen. Dieser Siedlungsbereich entstand Ende der 1950er Jahre. Das klägerische Grundstück liegt nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes.
4Östlich schließt sich an dieses Straßengeviert eine Dauerkleingartenanlage an, die von dem Bebauungsplan der Beklagten aus dem Jahre 1982 – Br 171 – erfasst wird; der Bebauungsplan setzt diesen Bereich als Fläche für Dauerkleingärten fest. Östlich von dieser Kleingartenanlage liegt das Gelände der Firma U1. GmbH – C2. -O. -, das über die X. Straße angefahren wird. Die Firma U1. GmbH befindet sich seit Anfang der 1960iger Jahre an diesem Standort und betreibt dort u.a. eine I1. sowie eine U2. . Nördlich des klägerischen Grundstücks und der X1. Straße verläuft in Ost-West-Richtung die C3. , auf der die S-Bahn von V. nach E. verkehrt.
5Nördlich dieser C3. befindet sich das Vorhabengrundstück der Beigeladenen, östlich daran schließt sich das Firmengelände der Firma S. E. Großhandel eG an. Seit Anfang der 1960iger Jahre betreibt die Firma S. E. Großhandel eG dort Lager (U3. ), G. und eine A. mit einer heutigen Fläche von über 100.000 m²; von hier aus werden M. im Ruhrgebiet, am Niederrhein sowie im Sauer- und Münsterland beliefert. Der westliche Bereich des Geländes der S. E. Großhandel eG erstreckt sich seit 2008 auch auf den früheren östlichen Bereich des Vorhabengrundstücks der Beigeladenen, auf dem in den 1950iger und 1960iger Jahren die ersten Gebäude der damaligen Konsum-Genossenschaft E. -I2. eGmbH errichtet worden waren.
6Für das Vorhabengrundstück der Beigeladenen, das nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegt, erteilte die Beklagte bereits 1957 der L. -Genossenschaft E. -I2. eGmbH die Genehmigung zur Errichtung eines Betriebszentrums (U4. , H. mit Kühlanlage, T. , I3. ) auf dem ehemaligen östlichen Teil des Geländes – angrenzend an das Gelände der heutigen S. E. Großhandel eG. In den 1950iger bis 1980iger Jahren wurden von der Beklagten weitere Genehmigungen für das Vorhabengrundstück der Beigeladenen zunächst noch der L. -Genossenschaft E. -I2. eGmbH, später der °° L1. eG erteilt. So wurde ein Zentralmagazin mit Werkstattgebäude errichtet, ebenso ein Lager- und Sozialgebäude mit 250 Parkplätzen (1971). Nach Verlegung der Betriebszentrale zum heutigen Vorhabengrundstück am C. I.---weg Anfang der 1970iger Jahre wurden die vorhandenen Gebäude erweitert. 1979 wurde die Genehmigung für die Errichtung eines weiteren Lager-, Büro- und Sozialgebäudes im westlichen Bereich des Vorhabengrundstücks der Beigeladenen erteilt. Die L1. eG, die zu diesem Zeitpunkt auch über die südlich gelegenen Gleisanlagen beliefert wurde, verfügte damals über 472 Beschäftigte; auf dem Gelände befanden sich 464 Stellplätze. Die Beklagte erteilte der L1. eG letztmalig 1986 eine Baugenehmigung zur Errichtung eines Pförtnerhauses. Eine Genehmigung für den Betrieb in der Nacht gab es damals nicht. Ende der 1990iger Jahre wurde die L1. eG abgewickelt. Diese wurde von der Firma F. übernommen. Nach Aufgabe der Nutzung auf dem Vorhabengrundstück durch die L1. erfolgte die Nutzung der vorhandenen Gebäude als Logistikstandort durch unterschiedliche Betreiber – u.a. durch die Firma E1. & Co. KG und teilweise auch schon durch die Beigeladene. Die L1. war bis 2006 Eigentümerin des Vorhabengrundstücks. Das Vorhabengrundstück der Beigeladenen ist ca. 50 m vom Grundstück des Klägers entfernt.
7Nördlich des Vorhabengrundstücks der Beigeladenen verläuft in Ost-West-Richtung der C. I.---weg , auf dem die Stadtbahn verkehrt.
8Die Beigeladene plante seit 2008 die Aufbereitung und Erweiterung des am C. I.---weg vorhandenen Logistikstandortes als Warendistributionszentrum für Non-Food Ware (95%) und Food Ware (5%) als Nachfolgenutzung des Logistikstandortes der in Insolvenz gegangenen L1. . Das Vorhaben sollte in mehreren Bauabschnitten über einen längeren Zeitraum durchgeführt werden. Einige bestehende Lagergebäude sollten danach aufgrund der Aufbereitung und der Erweiterung des qualifizierten Logistikstandortes abgebrochen werden. Im östlichen Teil des Antragsgrundstückes sollte im Anschluss an die bestehende Lagerhalle zuerst eine Erweiterung eines Hallengebäudes vorgenommen werden; in einer späteren Phase sollte im westlichen Teil des Antragsgrundstückes ein Hochregallager verwirklicht werden. Die vorhandenen Büro- und Verwaltungsgebäude sollten in ihrer Nutzung bestehen bleiben. Die Zu- und Abfahrt der Lkw sollte weiterhin nur über die vorhandene verkehrliche Erschließung im östlichen Teil des Vorhabengrundstückes erfolgen. Dieser Standort sollte schließlich nicht nur durch den Zuwachs von Gebäuden sondern auch durch die Ausdehnung der Betriebszeit von 00.00 Uhr bis 24.00 Uhr erweitert werden.
9Von 2006 bis 2008 war die L2. H1. °°°. – ein Grundstücksfonds mit Sitz in Luxemburg - Eigentümerin des Vorhabengrundstücks. Sie beantragte im September 2008 die Erteilung eines Vorbescheides betreffend die Aufbereitung des vorgenannten Logistikstandortes für die Nutzung als Drei-Schicht-Betrieb, 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche. Die damalige Eigentümerin begründete den beantragten Vorbescheid dahingehend, dass das vorhandene Logistikzentrum modernen Standards angepasst werden sollte; dies betreffe insbesondere die Beseitigung unbrauchbarer bzw. unwirtschaftlicher Gebäude und die Errichtung neuer Gebäude; der Lärmschutz solle ebenfalls unter Beachtung der Interessen der umliegenden Anwohner angepasst werden. In diesem Zusammenhang sei u.a. beabsichtigt, das Hofgelände zwischen dem Gebäude und der C3. im südlichen Grundstücksbereich ca. fünf Meter tief abzusenken. Im westlichen Bereich solle mittelfristig ein bestehendes Gebäude abgerissen und u.a. durch ein höheres Lagergebäude ersetzt werden. Ausweislich der gleichfalls vorgelegten Betriebsbeschreibung nebst Anlagen handelte es sich bei der Art des Betriebes um ein Warendistributionszentrum mit Wareneingang, Warenausgang und Kommissionierung. Flurförderfahrzeuge (Elektrohandgabelhubwagen) würden eingesetzt. Die Anzahl der Beschäftigten belaufe sich auf 457 Mitarbeiter. Geplant sei eine Betriebszeit an Werk- sowie an Sonn- und Feiertagen von jeweils 00.00 Uhr bis 24.00 Uhr; geplant sei eine Anzahl von täglich 272 Lkw, die das Betriebsgelände über die östliche Zufahrt anfahren. Weiter werde von 646 Pkw-Bewegungen auf dem Betriebsgelände ausgegangen. In der Nachtzeit sollten über die östliche Zufahrt vier Lkw in der Spitzenstunde und zehn bis 15 Lkw pro Nacht das Gelände anfahren. Weiter wurden Angaben zur Lage der Geräuschquellen und zu Maßnahmen zur Vermeidung schädlicher Geräusche gemacht. Die damalige Eigentümerin legte darüber hinaus eine Geräuschemissions- und –immissionsprognose vor. Unter dem 27. Oktober 2008 erteilte die Beklagte der L2. H1. E. °°° einen Vorbescheid für die Aufbereitung und Erweiterung des Logistikstandortes auf dem ehemaligen °°°-Gelände. Die Beklagte stellte in diesem Bescheid fest, dass das Vorhabengrundstück nach § 34 BauGB zu beurteilen sei. Das Antragsgrundstück sei weiter zudem als Gewerbegebiet nach § 8 BauNVO einzustufen. Die Aufbereitung und Erweiterung des Logistikstandortes auf dem ehemaligen °°°-Gelände sei nach § 34 BauGB auf der Grundlage der eingereichten Zeichnungen, der Geräuschprognose, der Betriebsbeschreibung nebst Anlage und den allgemeinen Erläuterungen zum Vorbescheidsantrag planungsrechtlich zulässig. Unter Beifügung von „Bedingungen Auflagen und Hinweisen“ führte die Beklagte u.a. Nebenbestimmungen zum Immissionsschutz an. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Vorbescheid verwiesen.
10Anfang 2009 erteilte die Beklagte der Beigeladenen die Abbruchgenehmigung für die auf dem Vorhabengrundstück östlich gelegene Lagerhalle.
11Am 20. Mai 2009 beantragte die Beigeladene, nachdem sie Eigentümerin des Vorhabengrundstücks geworden war, eine Baugenehmigung betreffend den Neubau, die Erweiterung und Sanierung des Verwaltungs- und Logistikzentrums. Gegenstand dieses Antrages waren folgende bauliche und betriebliche Maßnahmen:
12- Neubau einer Lagerhalle in östlicher Richtung in direktem Anschluss an das bestehende Lagergebäude. Abfertigung der Lkw an Innenrampen, geschlossenen Loadhäusern (Einhausungen).
13- Sanierung und brandschutzmäßige Ertüchtigung der vor- handenen Lagerhalle. Ersatz der offenen Außenrampen durch Innenrampen, geschlossene Loadhäuser (Einhau- sungen).
14- Sanierung und brandschutzmäßige Ertüchtigung des vor- handenen Verwaltungsgebäudes (Turm 2) in baulicher Ver- bindung mit der vorhandenen Lagerhalle und der Erweite- rung.
15- Errichtung einer Sprinklerzentrale im Bereich der nur einzi- gen Lkw-Zufahrt zu dem Antragsgrundstück.
16- Errichtung einer vier Meter hohen und 220 m langen Lärmschutzwand auf dem Antragsgrundstück selbst.
17- Abgrabung des Hofgeländes auf der Südseite zwischen den Hallen und der C3. für den Alt- und Neubau um fünf Meter.
18- Beschränkung der Betriebszeiten des Logistikstandortes auf die Tageszeit an Werktagen von 06.00 Uhr bis 22.00 Uhr.
19Der Warenumschlag sollte danach ausschließlich an der Nord- und Südseite des Gebäudes erfolgen. Die Lkw-Stellfläche befinde sich auf dem nordöstlichen Werksgelände. Darüber hinaus sollten bauliche und organisatorische Lärmminderungsmaßnahmen durchgeführt werden. Zur Nachtzeit, d.h. zwischen 05.00 Uhr und 06.00 Uhr und 22.00 Uhr und 23.00 Uhr, sollten 30 Mitarbeiter mit Pkw das Gelände an- bzw. abfahren. Der Mitarbeiterparkplatz solle insgesamt 383 Stellplätze umfassen. Die Zufahrt über den westlich des Vorhabengrundstücks gelegenen F1.---------weg sei nur noch als Zugang für Rettungskräfte vorgesehen. Weiter legte die Beigeladene eine Prognose über die zu erwartenden Geräuschemissionen und -immissionen des Instituts S1. H2. GmbH vom 3. September 2009 vor.
20Die Beklagte erteilte die begehrte Baugenehmigung unter dem 4. September 2009 für die Errichtung, Erweiterung und Sanierung des U5. -Verwaltungs- und Logistikzentrums. Darin wurde u.a. ausgeführt, dass das Warendistributionszentrum nur im Tagbetrieb mit einer Betriebszeit werktags von 06.00 Uhr bis 22.00 Uhr betrieben werden könne; ein Nachtbetrieb sei nicht Gegenstand des Bauantrages. Weiter sei die Inbetriebnahme des Warendistributionszentrums erst nach Errichtung der gemäß der Geräuschimmissionsprognose erforderlichen Lärmschutzwände im nördlichen Bereich des Antragsgrundstücks und nördlich des C. Hellwegs zulässig. Unter Beifügung von „Bedingungen, Auflagen und Hinweisen“ führt die Beklagte u.a. unter (9000) eine Nebenbestimmung an, nach der die in der Prognose über die zu erwartende Geräuschemissionen und -immissionen vom 3. September 2009 dargestellten Lärmminderungsmaßnahmen für die Ausführung des Vorhabens verbindlich seien. Darüber hinaus seien die im Einzelnen benannten aktiven Schallschutzmaßnahmen und auch bauliche und organisatorische Lärmminderungsmaßnahmen vorzunehmen. Weiter sei u.a. an dem Immissionsort 3 - X. Straße 231 – ein Beurteilungspegel der Gesamtbelastung von ≤ 50 dB(A) einzuhalten, Nebenbestimmung (8000). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Bescheides verwiesen.
21Mit der Ausführung der genehmigten Bauarbeiten wurde am 7. September 2009 begonnen.
22Im Rahmen eines Ortstermins bei der Beigeladenen stellte die Beklagte im November 2010 fest, dass es einige gegenüber der vorgenannten Baugenehmigung veränderte bauliche Ausführungen gegeben hatte. Weiter waren danach Abläufe insbesondere hinsichtlich des eingesetzten Gabelstaplers und der Fahrzeuge auf der östlichen Gebäudeseite zur Umsetzung der Wechselbrücken nicht in dem zur Baugenehmigung gehörenden Lärmschutzgutachten berücksichtigt. Daraufhin erging eine entsprechende Mängelmitteilung an die Beigeladene. Im zweiten Halbjahr des Jahres 2010 gab es zudem Beschwerden aus der Nachbarschaft betreffend die Um- und Anbaumaßnahmen sowie die verstärkte Warenauslieferung im Weihnachtsgeschäft durch die Beigeladene. Auch diesbezüglich forderte die Beklagte die Beigeladene auf, die genehmigten Betriebszeiten einzuhalten.
23Unter dem 6. Dezember 2010 genehmigte die Beklagte auf Antrag der Beigeladenen die vorzeitige Benutzung der neu errichteten Hallen 1 und 2 als Zwischenlager und der Loadhäuser auf der Südseite der Hallen 1 und 2 mit Auflagen und Bedingungen.
24Unter dem 6. Januar 2011 genehmigte die Beklagte sich selbst, d.h. ihrem Tiefbauamt, die Errichtung einer Lärmschutzwand nördlich des C. I4.---wegs . Sie verläuft entlang des nördlich davon gelegenen Wohngebietes, beginnend im Westen an der Straße X2. bis zum Ende der Bebauung im Osten, östliche Grenze des Flurstücks °°°, und knickt sodann 30 m in Richtung Norden ab. Diese Lärmschutzwand ist 223 m lang und acht Meter hoch. Die hiergegen von dem Kläger vor dem erkennenden Gericht erhobene Klage - 10 K 2848/12 – hat dieser in der mündlichen Verhandlung vom 5. August 2015 zurückgenommen.
25Die Beigeladene stellte als Reaktion auf den durch die Beklagte im November 2010 durchgeführten Ortstermin und die daraufhin ergangene Mängelmitteilung am 22. Dezember 2010 einen weiteren Bauantrag und begründete diesen damit, dass es während der Bauzeit zu baulichen Änderungen gegenüber der Genehmigungsplanung gekommen sei; zugleich würden gegenüber der Genehmigung einige Betriebsabläufe geändert; gleiches gelte für die Abmessung und den Verlauf der Lärmschutzwand auf dem Betriebsgelände, auch seien Änderungen betreffend Sprinklerzentrale und –tanks vorzunehmen. Ausweislich der in diesem Zusammenhang vorgelegten neuen Betriebsbeschreibung beinhaltete dieser Bauantrag u.a. folgende Änderungen:
26„- Maschinen, Apparate, Fördereinrichtungen, Betriebsfahr- zeuge Zusätzlich: Gabelstapler, Containerwechselfahrzeug (Swooper),
27- Geräusche Lkw-Fahrten: 127 statt 120 sowie Containerwechselfahr- zeug (Swooper),
28- Lage der Geräuschquellen Zusätzlich: Befüllen und Wechseln der Schrottcontainer, Gabelstaplergeräusche,
29- Maßnahmen zur Vermeidung schädlicher Geräusche Anstelle Bau einer 220 m langen und vier Meter hohen Lärmschutzwand, Bau von Lärmschutzwänden; zusätzlich Schließen der Rampe zum südlichen Gebäude per Schranke nachts.“
30Darüber hinaus legte die Beklagte wiederum eine Prognose über die zu erwartenden Geräuschemissionen und -immissionen des Instituts S1. H2. GmbH vom 20. Januar 2011 vor.
31Unter dem 8. Februar 2011 erteilte die Beklagte der Beigeladenen sodann eine Nachtragsgenehmigung betreffend die Konkretisierung des Betriebsablaufs, Änderung der Gestaltung des Außengeländes, Änderung der Abmessung und des Verlaufs der Lärmschutzwand sowie Änderung von Sprinklerzentrale und -tanks. Unter Beifügung von „Bedingungen, Auflagen und Hinweise“ führte die Beklagte wiederum unter (9000) die Nebenbestimmung an, nach der die in der Prognose über die zu erwartenden Geräuschemissionen und -immissionen vom 20. Januar 2011 berücksichtigten und in der Betriebsbeschreibung mit Anhang sowie im Übersichtsplan dargestellten Lärmminderungsmaßnahmen für die Ausführung und den Betrieb des Vorhabens bindend seien. Danach seien die im Einzelnen benannten betrieblichen und organisatorischen Maßnahmen einzuhalten sowie im Einzelnen benannte Lärmschutzmaßnahmen erforderlich. Schließlich sei der Beurteilungspegel der Gesamtbelastung u.a. an dem Immissionsort 3 – X. Straße 231 – am Tag ≤ 54 dB(A) und nachts ≤ 38 dB(A) einzuhalten. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten dieser Baugenehmigung wird auf den Bescheid verwiesen.
32Nachdem die Beigeladene am 9. Juni 2010 einen weiteren Antrag auf Erteilung einer Genehmigung betreffend die Erweiterung der Betriebsauslastung (statt bisher 127 Lkw nunmehr 272 Lkw) mit Erweiterung der Betriebszeit auf 0.00 Uhr bis 24.00 Uhr unter Beifügung einer weiteren Prognose des Instituts S1. H2. GmbH über die zu erwartenden Geräuschemissionen und -immissionen vom 7. Februar 2011 gestellt hatte, erteilte die Beklagte unter dem 14. Februar 2011 die Genehmigung für das vorgenannte Vorhaben. Unter Beifügung von „Bedingungen, Auflagen und Hinweisen“ führt die Beklagte u.a. unter (9000) die Nebenbestimmung an, dass die in der Prognose über die zu erwartenden Geräuschemissionen und -immissionen vom 7. Februar 2011 berücksichtigten und in der Betriebsbeschreibung mit Anhang sowie im Übersichtsplan dargestellten Lärmminderungsmaßnahmen für die Ausführung und den Betrieb des Vorhabens bindend seien. Weiter führte die Beklagte im Einzelnen benannte betriebliche und organisatorische Maßnahmen, die einzuhalten sind, sowie erforderliche Lärmschutzmaßnahmen an. Schließlich seien u.a. am Immissionsort 3 – X. Straße 231 – folgende Beurteilungspegel der Gesamtbelastung einzuhalten: Tag ≤ 54 dB(A), Nacht ≤ 43 dB(A). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid verwiesen.
33Der Kläger hat am 15. Oktober 2011 Klage gegen die Baugenehmigungen der Beklagten vom 6. Dezember 2010, vom 8. und vom 14. Februar 2011 erhoben.
34Mit Schreiben vom 11. Januar 2012 hat das Institut S1. H2. GmbH Erläuterungen zu seiner Geräuschprognose vom 7. Februar 2011 bei der Beklagten vorgelegt.
35Die Beklagte hat in einem Schreiben an die Beigeladene vom 12. Januar 2012 nach mehreren Ortsterminen festgestellt, dass die genehmigten Bauvorlagen einschließlich der Geräuschprognose nicht mit den tatsächlichen Gegebenheiten übereinstimmten und führte dies im Einzelnen aus; dies betreffe insbesondere die Abstellfläche für Wechselaufbauten bzw. -bühnen im Bereich des Kommissionierungslagers der Firma E1. und der Rampe Süd Altbau der Beigeladenen, die Pkw-Stellplatzfläche auf dem Betriebsgelände nördlich vor Turm 1 sowie die Unterbringung baurechtlich illegaler Nutzungen in dem mehrgeschossigen Gebäude an der Westseite des Vorhabengrundstücks. Die Beklagte hat die Beigeladene aufgefordert, die Geräuschprognose, die Betriebsbeschreibung sowie die Zeichnungen zu konkretisieren und ihr zur Prüfung vorzulegen.
36Am 7. Februar 2013 hat die Beklagte der Beigeladenen schließlich einen Vorbescheid für die Erweiterung ihres Logistikstandortes, dritter Bauabschnitt, betreffend die Hallen im südwestlichen Bereich des Vorhabengrundstücks erteilt. Die auch hiergegen vor dem erkennenden Gericht erhobene Klage des Klägers - 10 K 1440/13 – hat dieser in der mündlichen Verhandlung vom 5. August 2015 zurückgenommen.
37Die Firma E1. SE & Co. KG ist nach Angaben der Beigeladenen seit Ende des Jahres 2013 aus dem südwestlich auf dem Vorhabengrundstück der Beigeladenen gelegenen Gebäude ausgezogen.
38Der Kläger trägt zur Begründung seiner Klage vor, die Beklagte habe es unterlassen, für das Gelände der Beigeladenen und die angrenzenden Nachbarflächen eine Bauleitplanung vorzunehmen. Seit 2008 habe sich die Beklagte bemüht, auf dem streitgegenständlichen Gelände die Beigeladene anzusiedeln. Der Firmenstandort am C. I.---weg sei ein sehr problematischer Standort. In unmittelbarer Nähe fände sich dichte Wohnbebauung. Zudem liege das Gelände an der vielbefahrenen Straße B. bzw. C. I.---weg . Nördlich finde sich weiter eine große Grünfläche, das Landschaftsschutzgebiet C. Feld. Die Genehmigungen der Beklagten verletzten ihn in seinen Rechten. Er genieße als Nachbar Drittschutz bezüglich des von dem streitgegenständlichen Bauvorhaben ausgehenden Lärms. Zunächst sei die Fülle der Nachtragsgenehmigungen verwirrend. Es sei nicht deutlich zu erkennen, was im Einzelnen von der Beklagten gewollt gewesen sei. Es sei auch nicht möglich, den Inhalt der Baugenehmigungen durch Auslegung zu bestimmen. Die Zeiten der Nutzung und die spezifische Art der Nutzung müssten konkret in der Genehmigung geregelt werden. Auch Art und Maß des betrieblichen Geschehens und sein Umfang müssten sich aus der Genehmigung entnehmen lassen. Die Angaben in der Betriebsbeschreibung reichten jedoch nicht annähernd aus; es bleibe unklar, welche gewerbliche Tätigkeit im Einzelnen durch den Bescheid genehmigt werden solle. Weiterhin genieße er als Nachbar Drittschutz bezüglich des von dem streitgegenständlichen Bauvorhaben ausgehenden Lärms. Die Lärmstörung zur Tages- und Nachtzeit müsse er nicht hinnehmen. Die Lärmprognosen seien auf Kosten der Wirtschaftsförderung der Beklagten erstellt worden. Er wohne keine 50 m von dem Vorhabengrundstück entfernt. Er habe lange dort gelebt, bevor die Beigeladene die Gewerbefläche für sich in Nutzung genommen habe. Sein Grundstück werde im Wesentlichen nur durch die X. Straße und den parallel verlaufenden Bahndamm vom Vorhabengrundstück getrennt. Sein Grundstück liege im reinen Wohngebiet, das an ein Gewerbegebiet grenze. Daher seien Richtwerte nach der TA Lärm für den Tag von 50 dB(A) und für die Nacht von 35 dB(A) maßgebend. Die Beklagte stufe dieses Gebiet fälschlicherweise als allgemeines Wohngebiet ein. Doch auch als allgemeines Wohngebiet seien Richtwerte von 55 dB(A) am Tag und 40 dB(A) in der Nacht einzuhalten. Auch diese Werte würden überschritten. Er sei rund um die Uhr mit einem erheblichen Lärm konfrontiert, der weit über die zumutbare Grenze hinausgehe. Insbesondere sei der nächtliche Lärm unerträglich geworden. Auch die Firma S. habe ihre Nutzung des östlich des Vorhabengrundstücks gelegenen Grundstücks erheblich und lärmintensiv erweitert. Über eine Genehmigung für einen Lkw-Parkplatz mit 50 Stellplätzen und eine neue Fleischerei verfüge die Firma S. nicht. Die Lärmstörungen gingen nicht nur von der Beigeladenen, sondern auch von dem Betrieb der Firma E1. aus. Aber auch die allgemeinen Verkehre auf dem C. und B. I.---weg seien für die Lärmemissionen verantwortlich. Die anliegenden Betriebe verursachten eine intensive Straßennutzung mit entsprechenden Lärm- und Abgasemissionen. Auch von zwölf weiteren Firmen auf dem Gelände der Beigeladenen gingen Lkw-Verkehre aus. Im Übrigen würden von Mitarbeitern und Gästen bzw. Kunden des Schulungszentrums des D. C1. mit einer hohen Besucherfrequenz Parkverkehre ausgelöst. Schließlich erfolge aufgrund der Eisenbahntrasse und des Verkehrs auf der X1. Straße eine weitere erhebliche Lärmbelastung. Hinsichtlich der Bestimmtheit und der Rechtmäßigkeit des der L2. H1. E. erteilten Vorbescheides vom 27. Oktober 2008 bestünden erhebliche Bedenken, dieser sei sogar nichtig. Die auf diesen Vorbescheid folgenden Bescheide seien rechtswidrig. Nur ein Genehmigungsadressat könne aus einem Bescheid Rechte herleiten. Dieser Vorbescheid lasse zudem gerade keinen 24-Stunden-Betrieb zu. Bereits der 12-Stunden-Betrieb schaffe ein nicht zu lösendes Lärmproblem, dies gelte erst recht für den illegalen 24-Stunden-Betrieb. Die Konfliktlage, die sich aus dem Aneinandergrenzen eines Wohngebietes an ein Gewerbegebiet ergebe, hätte durch einen Bebauungsplan gelöst werden müssen. Die von der Beklagten angesetzten Richtwerte würden durch die Beigeladene und auch durch die Firma S. nicht eingehalten, sie würden ständig überschritten. Im Übrigen seien die den Baugenehmigungen zugrunde gelegten Gutachten des Instituts S1. H2. unbrauchbar. Viele Lärmquellen seien unzureichend bestimmt bzw. vergessen worden. Die Bestimmung von Lärmwerten im Mittlungsverfahren sei nicht korrekt. Weiter seien die Mitarbeiter- und Parkplatzzahlen nicht korrekt angegeben und durchweg zu niedrig in die Berechnung eingestellt worden. Viele angeführte Grundlagen entsprächen nicht der aktuellen Planlage oder der aktuellen Lage des Nachbarn S. . Durchweg seien Verkehrsdaten aus verkehrsarmen Zeiten zugrunde gelegt worden. Die Vorbelastungen durch andere auf dem Gelände ansässige Betriebe seien nicht berücksichtigt worden, ebenso wenig wie die Vorbelastung aus dem S-Bahn- und Straßenbahnverkehr. Die Beschreibung der nächtlichen Betriebsabläufe sei realitätsfern und nicht einhaltbar. Die Berechnung der Ent- und Beladevorgänge sei nicht korrekt. Der firmeninterne Pkw-Verkehr durch Gäste, Schulungsteilnehmer etc. und sonstige Lieferverkehre außerhalb des regelmäßigen Verkehrs seien nicht berücksichtigt worden. Tonale Spitzen seien nicht berücksichtigt worden. Die fünf Meter tiefe Abgrabung auf der Südseite sei zwar schallmindernd angerechnet, realisiert sei sie jedoch noch nicht. Die Prognosen, die detaillierte Prognosen sein sollten, machten einen sehr oberflächlichen Eindruck. Schließlich sei nicht erkennbar, womit die Gutachter im Einzelnen gearbeitet hätten.
39Den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat das Gericht mit Beschluss vom 4. Oktober 2012 in dem zugehörigen Verfahren 10 L 579/12 abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde, die beschränkt worden ist auf die Baugenehmigung der Beklagten vom 14. Februar 2011, ist von dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen mit Beschluss vom 23. November 2012 in dem Verfahren 7 B 1193/12 zurückgewiesen worden.
40In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger die vorliegende Klage betreffend die der Beigeladenen erteilten Baugenehmigungen vom 6. Dezember 2010 und vom 8. Februar 2011 zurückgenommen.
41Der Kläger beantragt nunmehr nur noch,
42die der Beigeladenen unter dem 14. Februar 2011 erteilte Genehmigung zur Erweiterung der Betriebsauslastung und zur Erweiterung der Betriebszeit aufzuheben.
43Die Beklagte beantragt,
44die Klage abzuweisen.
45Sie trägt zur Begründung vor, die Klage sei unbegründet, nachbarschützende Rechte des Klägers seien nicht verletzt. Im Rahmen der erforderlichen schalltechnischen Untersuchung sei die Bebauung an der X1. Straße als allgemeines Wohngebiet aufgrund der unmittelbaren Nähe der Kleingartenanlage, des Gewerbebetriebes U1. GmbH sowie des Bahndammes mit dem daran anschließenden Gewerbegebiet der Beigeladenen und der Firma S. eingestuft worden. Die Voraussetzung für die Annahme eines reinen Wohngebiets sei nicht gegeben. Die Bauvorhaben der Firma S. unterlägen den Verfahren nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz und seien von der Gemeinsamen Unteren Umweltschutzbehörde genehmigt worden, so dass dort das Vorliegen eines illegalen Zustandes zu verneinen sei. Eine Berücksichtigung der durch die Beigeladene und die Firma S. verursachten Verkehre auf dem C. und B. I.---weg erfolge nicht, da die Voraussetzungen der Ziffer 7.4 TA Lärm nicht erfüllt seien. Auf dem Gelände der Beigeladenen befänden sich noch elf weitere Firmen. Die durch diese Firmen verursachten Immissionen seien in der Schallschutzprognose berücksichtigt. Dies gelte auch für die Immissionen der Firma E1. . Eine Addition unterschiedlich zu beurteilender Lärmimmissionen sei nicht zulässig. Der Lärm, der durch die C3. hervorgerufen werde, könne nicht der gewerblichen Nutzung des Vorhabengrundstückes zugerechnet werden, das gelte auch für den Verkehrslärm auf der X1. Straße. Aufgrund des Nebeneinanders von gewerblich genutzten Grundstücken und der Wohnnutzung sei hier von einer Gemengelage im Sinne von Nr. 6.7 TA Lärm auszugehen. Auf die Ausführungen des Instituts S1. H2. vom 11. Januar 2012 werde schließlich verwiesen.
46Die Beigeladene beantragt,
47die Klage abzuweisen.
48Sie trägt zur Begründung vor, die Klage gegen die Nachtragsgenehmigung vom 14. Februar 2011 sei unzulässig, jedenfalls unbegründet. Eine Beschwer im Hinblick auf das planungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme sei mit Blick auf den Vorbescheid aus dem Jahre 2008 und der Genehmigung aus dem Jahre 2009 nicht gegeben. Bereits im Jahre 2010 habe sich der Kläger gegen die Nutzung des Grundstücks durch sie, die Beigeladene, zur Wehr gesetzt. Aufgrund der Tätigkeit einer Bürgerinitiative und der Berichterstattung in den Medien habe die Möglichkeit der Kenntnisnahme von der Erteilung der Genehmigungen bestanden. Die Klagefrist betrage wegen der fehlenden Rechtsmittelbelehrung ein Jahr. Danach seien der Vorbescheid und die Baugenehmigung aus dem Jahr 2009 für den Kläger bestandskräftig. Soweit die Bindungswirkung dieser Bescheide reiche, könne danach eine Verletzung von bauplanungsrechtlichen Vorschriften durch den Kläger nicht mehr geltend gemacht werden. Im Übrigen könne der Kläger eine Nachbarrechtsverletzung auch nicht geltend machen. In Betracht komme allenfalls eine Verletzung des Bestimmtheits- und Rücksichtnahmegebots. Im Falle der Nachbarklage könnten nur die Angaben als unbestimmt gerügt werden, die für die Beurteilung des Vorhabens unter Nachbarrechtsbelangen notwendig seien, hier im Hinblick auf die immissionsschutzrechtliche Bewertung. Die betrieblichen Tätigkeiten ergäben sich eindeutig aus der Betriebsbeschreibung und den Angaben in dem Gutachten. Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebotes liege ebenfalls nicht vor. Durch das Schallschutzgutachten sei hinreichend belegt, dass die Immissionsrichtwerte nicht überschritten würden. Die vorgenommene Bewertung des klägerischen Grundstücks als allgemeines Wohngebiet sei zu Gunsten des Klägers ausgefallen. Bei einem Aneinandergrenzen eines Industriegebiets an ein reines Wohngebiet seien die Richtwerte eines Mischgebietes anzunehmen. Hinsichtlich des Kriteriums der Priorität – eines von mehreren Kriterien – sei gebietsbezogen zu entscheiden, ob zuerst das Wohngebiet oder zuerst das Gewerbegebiet verwirklicht worden sei; es komme nicht darauf an, dass der Kläger vor ihr, der Beigeladenen, die auf den jeweiligen Grundstücken befindliche Nutzung verwirklicht habe. Weiter sei zu berücksichtigen, dass das gewerblich genutzte Gebiet und das Wohngebiet jeweils einen großen Umfang einnähmen. Aufgrund der in dem gewerblich genutzten Gebiet befindlichen Nutzungen sei dieses Gebiet als faktisches Industriegebiet zu qualifizieren. Schließlich grenze unmittelbar eine Bahntrasse an. Davon ausgehend sei es sachgerecht, für das Wohngebiet – zumindest im Randbereich – die Werte eines Mischgebietes anzusetzen. Die in den Genehmigungen festgesetzten Immissionsrichtwerte lägen deutlich unterhalb der Werte eines Mischgebietes. Im Übrigen verweist die Beigeladene zudem auf die Ausführungen des Instituts S. H. vom 11. Januar 2012.
49Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte einschließlich der zugehörigen Gerichtsakte 10 L 579/12 sowie der Verfahren 10 K 2848/12 und 10 K 1440/13 und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
50E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
51Das Verfahren war einzustellen, soweit der Kläger die Klage in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen hat, vgl. § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO.
52Im Übrigen hat die Klage keinen Erfolg.
53Nunmehr wendet sich der Kläger nur noch gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Beklagten vom 14. Februar 2011.
54Diese Anfechtungsklage, § 42 VwGO, ist zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht erhoben worden. Die Baugenehmigung vom 14. Februar 2011 ist dem Kläger nicht bekanntgegeben worden, so dass die einmonatige Klagefrist aus § 74 Abs. 1 VwGO nicht in Lauf gesetzt wurde. Hat der Nachbar jedoch trotz fehlender amtlicher Bekanntgabe sichere Kenntnis von der Baugenehmigung erlangt oder hätte er sie erlangen müssen, so kann ihm nach Treu und Glauben die Berufung darauf versagt sein, dass sie ihm nicht amtlich bekanntgegeben wurde. In diesen Fällen beginnt mit der Kenntniserlangung beziehungsweise mit dem „Kennenmüssen“ der Lauf der Rechtsmittelfrist, die in Anwendung des § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO regelmäßig ein Jahr beträgt.
55Vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. März 2010 – 4 B 5/10 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 18. August 2014 – 7 B 438/14 -, juris.
56Diese Jahresfrist war im Zeitpunkt der Klageerhebung am 15. Oktober 2011 noch nicht abgelaufen.
57Die Klage ist jedoch unbegründet.
58Die noch streitgegenständliche der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Beklagten vom 14. Februar 2011 verstößt nicht zu Lasten des Klägers gegen nachbarschützende Vorschriften des öffentlichen Baurechts und verletzt ihn nicht in seinen Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
59In Verfahren des baurechtlichen Nachbarstreits ist nicht Gegenstand der rechtlichen Prüfung, ob das genehmigte Vorhaben allen Vorschriften des öffentlichen Baurechts entspricht. Ein Nachbar kann vielmehr nur dann erfolgreich gegen die einem Dritten erteilte Baugenehmigung vorgehen, wenn sie gegen nachbarschützende Vorschriften des öffentlichen Rechts verstößt und eine Befreiung von diesen Vorschriften nicht vorliegt bzw. bei Berücksichtigung nachbarlicher Belange nicht hätte erteilt werden dürfen. Nachbarschützend in diesem Sinne sind Normen, wenn sie nicht nur die Interessen der Allgemeinheit und damit faktisch auch die Interessen des Einzelnen schützen, sondern nach ihrer Zweckbestimmung zumindest auch auf den Schutz gerade dieser Individualinteressen gerichtet sind.
60Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 09. März 2007 - 10 B 2675/06 -, BauR 2007, 1550 ff.
61Danach sind ausschließlich die Auswirkungen des Bauvorhabens auf das klägerische Grundstück, nicht aber die von dem Kläger vorgebrachten Einwendungen bezüglich anderer Grundstücke oder der Allgemeinheit zu untersuchen.
621.
63Die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Beklagten vom 14. Februar 2011 ist zunächst nicht in nachbarrechtsrelevanter Weise unbestimmt.
64Eine Baugenehmigung muss inhaltlich bestimmt sein, vgl. § 37 Abs. 1 VwVfG NRW. Sie muss Inhalt, Reichweite und Umfang der mit der Baugenehmigung getroffenen Regelungen und Feststellungen eindeutig erkennen lassen, damit der Bauherr die Bandbreite der für ihn legalen Nutzungen und Drittbetroffene das Maß der für sie aus der Baugenehmigung erwachsenden Betroffenheit zweifelsfrei feststellen können. Eine solche dem Bestimmtheitsgebot genügende Aussage muss dem Bauschein selbst - ggf. durch Auslegung - entnommen werden können, wobei die mit Zugehörigkeitsvermerk versehenen Bauvorlagen bei der Ermittlung des objektiven Erklärungsinhalts der Baugenehmigung herangezogen werden müssen. Andere Unterlagen oder sonstige Umstände sind angesichts der zwingend vorgeschriebenen Schriftform der Baugenehmigung (§ 75 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW) für den Inhalt der erteilten Baugenehmigung regelmäßig nicht relevant.
65Vgl. die ständige Rechtsprechung OVG NRW, Urteile vom 20. September 2007 - 10 A 4372/05 -, BRS 71 Nr. 152 und vom 15. Mai 2013 – 2 A 3009/11 – sowie Beschluss vom 23. März 2009 – 10 B 263/09 – , jeweils juris.
66Aus der Baugenehmigung und den genehmigten Bauvorlagen muss sich mit der erforderlichen Sicherheit entnehmen lassen, dass nur solche Nutzungen erlaubt sind, die Nachbarrechte nicht beeinträchtigen können. Bezieht sich die Unbestimmtheit einer Baugenehmigung auf solche Merkmale des Vorhabens, deren genaue Festlegung erforderlich ist, um eine Verletzung der Baurechtsvorschriften auszuschließen, die auch dem Schutz des Nachbarn zu dienen bestimmt sind, ist die Baugenehmigung rechtswidrig und auf die Klage des betroffenen Nachbarn aufzuheben.
67Vgl. OVG NRW, Urteile vom 12. September 2006 – 10 A 2980/05 -, BRS 70 Nr. 128, vom 15. Mai 2013 – 2 A 3009/11 –, juris und vom 12. Februar 2015 – 2 A 616/12 -, juris sowie Beschlüsse vom 23. März 2009 - 10 B 263/09 – , juris und vom 23. Juni 2014 – 2 A 104/12 -, juris.
68Der Einwand des Klägers der mangelnden Bestimmtheit, der im Übrigen sehr allgemein bleibt und wenig substantiiert ist, greift nicht durch.
69Zunächst ist die von dem Kläger angeführte Fülle der Nachtragsgenehmigungen kein Aspekt, der die Unbestimmtheit der hier streitgegenständlichen Baugenehmigung begründen könnte.
70Gegenstand der Baugenehmigung ist u.a. die Betriebsbeschreibung nebst Anhang, eine Übersicht über die Anzahl der Bewegungen auf dem Vorhabengrundstück und der Lärmschutzmaßnahmen sowie die Geräuschprognose vom 7. Februar 2011, die jeweils mit einem Grünstempel versehen sind. Davon ausgehend lässt sich mit der gebotenen Deutlichkeit der Umfang des genehmigten und in seinen Auswirkungen von dem Kläger hinzunehmenden Betriebes erkennen. Es handelt sich (weiterhin) um einen Betrieb der Warendistribution, d. h. einen Betrieb, der den Vertrieb und die Verteilung von Waren zum Gegenstand hat. Ausweislich der in der Betriebsbeschreibung vorgesehenen Rubrik Arbeitsabläufe gibt es einen Wareneingang, Warenausgang, Verwaltung und Kommissionierung. Eine weitergehende, d.h. kleinteiligere Betriebsbeschreibung – wie von dem Kläger gefordert - ist, insbesondere unter dem Aspekt der Nachbarklage, nicht erforderlich. Der Betriebsbeschreibung nebst Anlagen und der Prognose lassen sich die lärmrelevanten Anlagenteile, Aggregate, Fahrzeuge und Vorgänge hinreichend deutlich entnehmen. Hinzu kommen die weiteren entsprechenden Bauvorlagen.
71Die erstellte Geräuschprognose vom 7. Februar 2011 ist weiter wirksam, d.h. nicht undifferenziert, in die Baugenehmigung mit einbezogen worden.
72Eine bloße Bezugnahme auf den Inhalt von Gutachten führt zwar regelmäßig nicht zu einem eindeutig bestimmbaren und damit ggf. vollstreckungsfähigen Regelungsgehalt einer Baugenehmigung.
73Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. Februar 1996 – 10 B 248/96 -, BRS 58 Nr. 97 und vom 26. April 2002 – 10 B 43/02 -, BRS 65 Nr. 101; Boeddinghaus/Hahn/Schulte/Rad-eisen, BauO NRW – Kommentar, Stand: Mai 2015, § 75 Rdnr. 215.
74Unter (9000) der Nebenbestimmungen der streitgegenständlichen Baugenehmigung wird jedoch ausgeführt, dass die in der Prognose vom 7. Februar 2011 berücksichtigten und in der Betriebsbeschreibung dargestellten Lärmminderungsmaßnahmen für die Ausführung und den Betrieb des Vorhabens bindend sind. Zwar wird hier nicht formuliert, dass die der Prognose zugrunde liegenden baulichen und organisatorischen Annahmen Bestandteil der Baugenehmigung sind. Gleichwohl bestehen an der so erfolgten Einbeziehung der Geräuschprognose keine Bedenken. Dies gilt auch deshalb, weil die – grüngestempelte - Betriebsbeschreibung nebst Anhängen die in der Prognose angenommenen und ihr zugrundegelegten Grundlagen (Ziffer 5: Eingangsdaten der Prognose, Ziffer 7: Betriebszeiten, Einwirkzeiten, Ziffer 8: Beschreibung der Maßnahmen, Lärmschutzmaßnahmen) aufführt. Abweichungen sind hier nicht zu erkennen.
75Die sowohl in der Baugenehmigung und ihren Anlagen als auch in der Geräuschprognose gewählte Formulierung betreffend die Anzahl der Bewegungen in der Nachtzeit gibt schließlich keinen Anlass zu Zweifeln an der Bestimmtheit.
76Für die Nacht ist hinreichend deutlich der zulässige Betrieb definiert worden. Die entsprechende Formulierung in der Baugenehmigung lautet wie folgt: „Weiterhin wird sichergestellt, dass während der Nachtzeit die An- und Abfahrt sowie Be- und Entladung nur an den gemäß Anhang vom 19. Januar 2011 zur Betriebsbeschreibung für die jeweilige Lkw-Anzahl zulässigen Rampen erfolgt. Dabei sind je Nachtstunde folgende Varianten der Lkw Zu- und Abfahrten zulässig: 4 Lkw … oder 3 Lkw … oder 2 Lkw ….“ Daraus ergibt sich hinreichend deutlich, dass in der Nachtzeit in jeder Stunde eine dieser Varianten des Betriebes zulässig ist. Dass nicht eine bestimmte Variante festgesetzt worden ist, ist unschädlich, da hierdurch Rechte des Klägers als Nachbar nicht verletzt werden. In der Geräuschprognose wird hierzu ausgeführt, dass im Rahmen dieser Untersuchung für die lauteste volle Nachtstunde der für jeden Immissionsort jeweils ungünstigste Zustand zugrunde gelegt worden sei, den Tabellen in den Anlagen 4.1 bis 4.15 sei zu entnehmen, welche Variante bei den einzelnen Immissionsorten die jeweils lauteste und damit betrachtet worden sei. Danach werden bei der Berechnung der Belastungen durch Lärm in der Nachtzeit die für den Immissionsort jeweils ungünstigste Variante zugrundegelegt, so dass die Wahl einer anderen zugelassenen Variante durch die Beigeladene in einer Nachtstunde den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt, insbesondere nicht das Rücksichtnahmegebot.
77Die aus Lärmschutzgründen an den Betrieb der Beigeladenen gestellten Anforderungen sind mit der Baugenehmigung, der Betriebsbeschreibung und deren Anhängen sowie der Geräuschprognose vom 7. Februar 2011 hinreichend konkret bezeichnet. Damit sind die maßgeblichen Emissions- und Immissionsparameter des Betriebes der Beigeladenen, die für die Prüfung des Gebots der Rücksichtnahme zentral sind, verlässlich überprüfbar festgeschrieben.
78Im Übrigen sind Mängel bezogen auf die Bestimmtheit der angefochtenen Baugenehmigung nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen.
792.
80In bauplanungsrechtlicher Hinsicht verletzt das genehmigte Vorhaben weder den Gebietsgewährleistungsanspruch des Klägers (a) noch ist es diesem gegenüber mit dem vom Tatbestandsmerkmal des Einfügens im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB umfassten Gebot der Rücksichtnahme nicht vereinbar (b).
81Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des angegriffenen Vorhabens bemisst sich nach § 34 Abs. 1 BauGB, da es nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, aber in einem im Zusammenhang bebauten Gebiet gelegen ist.
82Soweit der Kläger darauf verweist, dass es allein sachgerecht gewesen wäre, für das hier fragliche Vorhabengrundstück bzw. für das gesamte Gewerbegebiet und ggf. auch für die angrenzenden Wohngebiete einen Bebauungsplan aufzustellen, um so einen Ausgleich zwischen den Interessen der aneinandergrenzenden Baugebiete mit ihren unterschiedlichen Nutzungen zu erreichen, so folgt daraus für das vorliegende Verfahren nichts. Denn ein Anspruch gegen eine Gemeinde auf Aufstellung eines Bebauungsplanes besteht nicht, § 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB.
83Vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 19. November 2005 – 10 B 2123/05 -.
84a)
85Gemäß § 34 Abs. 1 BauGB ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der zu überbauenden Grundstücksfläche in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Entspricht dabei die Eigenart der näheren Umgebung einem der in der Baunutzungsverordnung bezeichneten Baugebiete, richtet sich die Zulässigkeit der Art der Nutzung allein danach, ob das Vorhaben in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre. Dabei hat der Nachbar im Fall des § 34 Abs. 2 BauGB Anspruch auf Wahrung des Gebietscharakters, so dass er Nutzungen, die in dem betreffenden Gebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB in Verbindung mit §§ 2 ff BauNVO bauplanungsrechtlich unzulässig sind, abwehren kann. Andernfalls kann sich der Nachbar allein auf das im Begriff des „Einfügens“ im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB enthaltene nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme stützen.
86Gemessen daran, kann sich der Kläger vorliegend nicht auf den Gebietsgewährleistungsanspruch berufen.
87Die Kammer hat hierzu im Verfahren 10 L 579/12 im Beschluss vom 4. Oktober 2012 ausgeführt:
88„Der Gebietsgewährleistungsanspruch greift nur innerhalb eines Baugebiets. Das wechselseitige Austauschverhältnis, auf dem der Gebietsgewährleistungsanspruch letztlich beruht, beschränkt sich auf die Eigentümer der in demselben Baugebiet gelegenen Grundstücke.
89Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. November 2002 -10 B 1618/02-, BRS 66 Nr. 168; Beschluss vom 4. November 2005 - 7 B 1319/05 -.
90Davon kann vorliegend jedoch nicht ausgegangen werden. Das Baugebiet, in dem das Grundstück des Antragstellers liegt, ist von dem Antragsgrundstück durch eine deutliche städtebauliche Zäsur (Westfälische Straße und Bahntrasse) getrennt. Im Gegensatz zu der im Baugebiet des Antragstellers vorgegebenen - überwiegenden oder ausschließlichen - Wohnnutzung liegt das Bauvorhaben der Beigeladenen in einem faktischen Gewerbegebiet.“
91Hieran wird auch nach erneuter Überprüfung festgehalten.
92b)
93Weiter ist in bauplanungsrechtlicher Hinsicht das Vorhaben der Beigeladenen dem Kläger gegenüber mit dem vom Tatbestandsmerkmal des Einfügens im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB umfassten Gebot der Rücksichtnahme vereinbar.
94Das Gebot der Rücksichtnahme schützt den Nachbarn vor konkret unzumutbaren Beeinträchtigungen durch das Bauvorhaben. Ob ein Vorhaben in diesem Sinne rücksichtslos ist, muss unter Abwägung der im Einzelfall berührten Interessen festgestellt werden. Eine erfolgreiche Berufung auf das drittschützende Rücksichtnahmegebot setzt voraus, dass das Bauvorhaben bei der Abwägung zwischen dem Gewicht der mit ihm verfolgten Interessen auf der einen und der Empfindlichkeit und Schutzwürdigkeit der Belange des Nachbarn auf der anderen Seite für diesen die Schwelle der Zumutbarkeit überschreitet. Das bedeutet letztlich, dass der Nachbar keine Bebauung hinzunehmen braucht, deren nachteilige Auswirkungen ihm billigerweise nicht zugemutet werden können.
95So hat der Kläger gegenüber der Beklagten einen Anspruch darauf, vor ihm nicht zumutbaren Immissionen durch das Bauvorhaben geschützt zu werden. Eine derartige Rücksichtslosigkeit der streitgegenständlichen Baugenehmigung ist jedoch nicht festzustellen.
96Zunächst ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass dem Kläger die Berufung auf die Verletzung von drittschützenden planungsrechtlichen Vorschriften, wie die Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme, hier grundsätzlich nicht versagt werden kann. Bei der streitgegenständlichen Baugenehmigung vom 14. Februar 2011 handelt es sich im Vergleich zum planungsrechtlichen Vorbescheid der Beklagten vom 27. Oktober 2008 sowie zu den Baugenehmigungen der Beklagten vom 4. September 2009 und vom 8. Februar 2011, die der Kläger nicht angefochtenen bzw. die diesbezügliche Klage zurückgenommen hat, um ein aliud, so dass die planungsrechtlichen Aussagen der vorgenannten – bestandskräftigen – Genehmigungen dem Kläger nicht entgegengehalten werden können.
97Ein aliud ist anzunehmen, wenn sich das neue Vorhaben in Bezug auf baurechtlich relevante Kriterien von dem ursprünglich genehmigten Vorhaben unterscheidet. Ein baurechtlich relevanter Unterschied zwischen dem ursprünglich genehmigten und dem abgewandelten Bauvorhaben ist immer dann anzunehmen, wenn sich für das abgewandelte Bauvorhaben die Frage der Genehmigungsfähigkeit wegen geänderter tatsächlicher oder rechtlicher Voraussetzungen neu stellt.
98Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 4. Mai 2004 – 10 A 1476/04 -, juris; Boeddinghaus/Hahn/Schulte/Radeisen, BauO NRW – Kommentar, Stand Mai 2015, § 75 Rdnr. 306 ff.
99Gegenüber den vorgenannten bestandskräftigen Genehmigungen beinhaltet die streitgegenständliche Genehmigung wesentliche Änderungen mit der Folge, dass das abgewandelte Vorhaben – erneut - insgesamt auf seine materielle Zulässigkeit auch im Rahmen dieser Nachbarklage überprüft werden muss. So wurden bei den bestandskräftigen Genehmigungen beispielsweise die Gabelstaplerfahrten, die Containerwechsel und der Schrottabwurf sowie das Containerwechselfahrzeug nicht berücksichtigt, ebenso wenig wie das Rückwärtsfahrsignal der Lkw; darüber hinaus gibt es Unterschiede betreffend die Lärmschutzmaßnahmen (Lärmschutzwände, Tunnel). Gegenüber der Genehmigung vom 8. Februar 2011 sieht die hier streitgegenständliche Genehmigung zudem einen erweiterten Tag- sowie erstmals einen Nachtbetrieb vor. Die Frage der Genehmigungsfähigkeit wird damit wegen der geänderten tatsächlichen Voraussetzungen neu gestellt. Dies wird nicht zuletzt dadurch belegt, dass betreffend die streitgegenständliche Genehmigung auch eine neue Geräuschprognose erstellt und zum Gegenstand der Genehmigung gemacht worden ist.
100Hinsichtlich der mit dem Betrieb der Beigeladenen verbundenen Lärmemissionen ist festzustellen, dass der Kläger unzumutbaren Lärmbelästigungen nicht ausgesetzt ist und die angefochtene Baugenehmigung damit nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstößt.
101Die Unzumutbarkeit im Sinne des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots knüpft an den Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne von § 3 Abs. 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes an. Nach dieser Vorschrift handelt es sich bei schädlichen Umwelteinwirkungen um Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Das Bundes-Immissionsschutzgesetz hat die Grenze der Zumutbarkeit von Umwelteinwirkungen für Nachbarn und damit das Maß der gebotenen Rücksichtnahme auch für das Baurecht allgemein bestimmt.
102Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. September 1983– 4 C 74.78 -, BRS 40 Nr. 206; OVG NRW, Beschlussvom 26. Februar 2003 – 7 B 2434/02 -, BRS 66 Nr. 176.
103Für die Beurteilung, ob Lärmimmissionen, die von einer gewerblichen Anlage ausgehen, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen bewirken, ist die Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) einschlägig und zwar unabhängig davon, ob die Anlage einer Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz bedarf oder nicht.
104Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. November 2002 – 7 A 2127/00 -, BRS 65 Nr. 182 und Beschluss vom 26. Februar 2003 - 7 B 2434/02 -, a.a.O..
105Es ist im Genehmigungsverfahren Sache des Bauherrn, den Nachweis zu erbringen, dass sein Vorhaben den Vorgaben der TA Lärm entspricht. Vor Erteilung einer Baugenehmigung muss prognostisch ermittelt werden, ob die einzuhaltenden Werte an den maßgeblichen Immissionsorten voraussichtlich eingehalten werden können.
106An die insoweit im Genehmigungsverfahren vorzunehmende prognostische Einschätzung einer Einhaltung der Zumutbarkeitskriterien sind insoweit hohe Anforderungen zu stellen, als sie in jedem Fall „auf der sicheren Seite“ liegen muss. Anderenfalls würden die regelmäßig nicht zu vermeidenden Unsicherheiten bei der nachträglichen Kontrolle, ob der bei der Genehmigung vorausgesetzte Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen tatsächlich gewahrt ist, zu Lasten der zu schützenden Betroffenen gehen.
107Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 22. Januar 2015 – 8 B 1221/14 -, juris und vom 26. Februar 2003 – 7 B 2434/02 -, a.a.O..
108Die Nebenbestimmung (9000) zur Baugenehmigung vom 14. Februar 2011 schreibt u.a. fest, dass die Beurteilungspegel der Gesamtlärmbelastung durch den Betrieb der Beigeladenen an bestimmten, im Einzelnen benannten Immissionsorten einzuhalten sind, d.h. nicht überschritten werden dürfen. Insoweit ist an dem Immissionsort 3, X. Straße 231 - das an das Grundstück des Klägers östlich direkt angrenzende Grundstück - ein Beurteilungspegel von ≤ 54 dB(A) tagsüber und nachts von ≤ 43 dB(A) einzuhalten.
109Die Beklagte definiert auf diesem weg den für dieses Grundstück und damit auch den für das Grundstück des Klägers maßgeblichen Lärmschutzstandard in grundsätzlich zulässiger Weise, indem sie mit einem Immissionsrichtwert als Zielwert arbeitet. Diese Verwendung eines Zielwertes ist aus nachbarrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.
110Diese von der Beklagten festgesetzten Beurteilungspegel sind insbesondere im Zusammenspiel mit den vorhergehenden Ausführungen der Nebenbestimmung (9000) geeignet, den Nachbarschutz auch betreffend den Kläger sicherzustellen.
111Drohen die bei der Nutzung der genehmigten Anlage entstehenden Immissionen bei regelmäßigem Betrieb die für die Nachbarschaft maßgebliche Zumutbarkeitsgrenze mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu überschreiten, genügt es zur Sicherung der Nachbarrechte nicht, in der Baugenehmigung den maßgeblichen Immissionsrichtwert als Zielwert festzulegen. Vielmehr muss die genehmigte Nutzung in diesen Fällen schon in der Baugenehmigung durch konkrete immissionsmindernde Regelungen eingeschränkt werden.
112Vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 12. Februar 2013 – 2 B 1336/12 -, m.w.N., juris.
113Dies tut die angefochtene Baugenehmigung; sie belässt es nicht bei den angeführten Beurteilungspegeln der Gesamtbelastung an den einzelnen benannten Immissionsorten, sondern grenzt die Lärmauswirkungen des genehmigten Betriebs bereits genehmigungsseitig durch die weiteren Ausführungen zur Nebenbestimmung (9000) effektiv ein. So sind die in der Geräuschprognose vom 7. Februar 2011 und in der Betriebsbeschreibung nebst Anhang dargestellten Lärmminderungsmaßnahmen für die Ausführung und den Betrieb bindend; im Anschluss daran werden dann auch die betrieblichen und organisatorischen Maßnahmen, die einzuhalten sind, benannt ebenso wie die erforderlichen Lärmschutzmaßnahmen. Des Weiteren ergänzt diese Nebenbestimmung das Lärmschutzprogramm der Baugenehmigung dahingehend, dass die Einhaltung der angeführten Beurteilungspegel nach Durchführung der Maßnahme mittels örtlicher Schallmessung nachzuweisen ist.
114Das Gericht geht im vorliegenden Verfahren mit der Beklagten davon aus, dass zur Beurteilung der dem Kläger zumutbaren Lärmbelästigungen gemäß Nr. 6.7 TA Lärm ein Zwischenwert zu bilden ist, da hier in Bezug auf das Vorhabengrundstück und das klägerische Grundstück von einer Gemengelage auszugehen ist.
115Die TA Lärm sieht in Nr. 6.1 für verschiedene Baugebiete Immissionsrichtwerte für Immissionsorte außerhalb von Gebäuden vor, die Anhaltspunkte für das Maß der jeweils zumutbaren Lärmimmissionen liefern. Abweichend davon können gemäß Nr. 6.7 TA Lärm, wenn gewerblich, industriell oder hinsichtlich ihrer Geräuschauswirkungen vergleichbar genutzte und zum Wohnen dienende Gebiete aneinandergrenzen (Gemengelage), die für die zum Wohnen dienenden Gebiete geltenden Immissionsrichtwerte auf einen geeigneten Zwischenwert der für die aneinandergrenzenden Gebietskategorien geltenden Werte erhöht werden, soweit dies nach der gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme erforderlich ist.
116Nutzungskonflikte infolge Lärmimmissionen in sogenannten Gemengelagen sind dem Grundsatz der gegenseitigen Rücksichtnahme entsprechend auszugleichen. Dabei können situationsbedingte Umstände die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme mindern und zu einer erhöhten Hinnahme von sonst nicht (mehr) zumutbaren Beeinträchtigung führen.
117Gemäß Nr. 6.7 Satz 1 TA Lärm liegt eine Gemengelage vor, wenn gewerblich, industriell oder hinsichtlich ihrer Geräuscheinwirkungen vergleichbar genutzte und zum Wohnen dienende Gebiete – als vorhandenes Nebeneinander konfliktträchtiger Nutzungen - aneinandergrenzen. Das Aneinandergrenzen der Gebiete muss nicht unmittelbar sein. Unter Gebieten in diesem Sinne sind nicht nur Baugebiete zu verstehen, sondern je nach Lage des Einzelfalls auch einzelne Grundstücke. Von einer Gemengelage ist insgesamt bezogen auf denjenigen gesamten räumlichen Bereich zu sprechen, in dem die Nutzung des einen Gebiets noch prägend auf das andere Gebiet einwirkt.
118Vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. September 2007 – 7 B 24/07 -, juris.
119Die Beklagte ist vorliegend zutreffend von einer Gemengelage betreffend das Vorhabengrundstück und das klägerische Grundstück ausgegangen. Sie ergibt sich daraus, dass die Lärmemissionen des Betriebes der Beigeladenen auf die Wohnbebauung südlich davon einwirken, mit der Folge, dass die gewerbliche Nutzung einerseits und die Wohnnutzung andererseits mit einer gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme belastet sind. Unerheblich ist insofern, dass zwischen den vorgenannten Grundstücken hier noch die X. Straße und die Bahntrasse verläuft. Ein unmittelbares Aneinandergrenzen der unterschiedlichen Gebiete ist dabei nicht erforderlich.
120Vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 12. September 2007 – 7 B 24.07 -, juris und OVG NRW, Beschluss vom 23. November 2012 – 7 B 1193/12 -.
121Die von der Beklagten in der angefochtenen Baugenehmigung festgesetzten Beurteilungspegel für den Immissionsort 3 – X. Straße 231 -, der unmittelbar östlich an das klägerische Grundstück grenzt, von ≤ 54 dB(A) am Tag und von ≤ 43 dB(A) in der Nacht sind in der vorhandenen Gemengelage als Zwischenwerte nicht zu beanstanden.
122Bei der Ermittlung der für die aneinandergrenzenden Gebiete geltenden Immissionsrichtwerte ist hier zu berücksichtigen, dass sowohl die Betriebsanlagen der Beigeladenen als auch das Wohnhaus des Klägers nicht in bauplanungsrechtlich festgesetzten Baugebieten liegen und sich ihre Schutzwürdigkeit deshalb anhand der tatsächlichen Bebauung und ihrer Zuordnung zu den in Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. a) bis f) TA Lärm genannten Gebieten beurteilt, die wiederum den in §§ 3 ff. BauNVO aufgeführten Baugebieten entsprechen.
123Der Kläger geht – überwiegend - davon aus, dass sein Grundstück in einem reinen Wohngebiet liegt. Die Beklagte verweist demgegenüber hinsichtlich der Gebietseinstufung darauf, dass die Bebauung an der X1. Straße als allgemeines Wohngebiet einzustufen sei, da aufgrund der benachbarten Kleingartenanlage, des Gewerbebetriebes U. und des Bahndammes mit dem sich nördlich anschließenden Gewerbegebiet die Voraussetzungen für die Einstufung als reines Wohngebiet nicht gegeben seien. Die Beigeladene nimmt demgegenüber für sich in Anspruch, dass das Vorhabengrundstück in einem Industriegebiet liegt; die Beklagte geht jedoch diesbezüglich ausweislich ihrer planungsrechtlichen Vermerke durchgehend von einem Gewerbegebiet aus.
124Für die Einordnung von – faktischen – Baugebieten kommt es auf die tatsächlich vorhandene Bebauung an, die den bodenrechtlichen Charakter des Baugebiets prägt.
125Die insofern maßgebende nähere Umgebung im Sinne des § 34 BauGB wird im Einzelfall dadurch ermittelt, dass in zwei Richtungen, nämlich in Richtung vom Vorhaben auf die Umgebung sowie in Richtung von der Umgebung auf das Vorhaben geprüft wird, wie weit die jeweiligen Auswirkungen bezogen auf das jeweils subsumierte Tatbestandsmerkmal des § 34 Abs. 1 BauGB reichen. Dabei ist die Umgebung einmal insoweit zu berücksichtigen, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann, zum anderen insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst.
126Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. März 1996 – 4 A 11.95 -,BRS 58 Nr. 84; OVG NRW, Urteil vom 19. Juli 2010– 7 A 640/09 -, juris.
127Ein Baugebiet verliert den Charakter nach der Art seiner Bebauung nicht dadurch, dass es den Auswirkungen eines angrenzenden Baugebiets ausgesetzt ist.
128Vgl. OVG Niedersachsen, Urteil vom 14. Februar 2007 – 12 LC 37/07 -, m.w.N., juris.
129Davon ausgehend dürfte das Gebiet, in dem das Grundstück des Klägers liegt, als reines Wohngebiet einzustufen sein. Als nähere Umgebung kommt hier jedenfalls der Bereich in Betracht, der im Norden durch die X. Straße und im Westen, Süden sowie im Osten durch die U1.-----straße begrenzt wird zuzüglich der jeweils auf der gegenüberliegenden Seite der U1.-----straße gelegenen Bebauung. Das nördlich gelegene Gewerbegebiet, auf dem sich u.a. der Betrieb der Beigeladenen befindet, gehört insbesondere aufgrund der städtebaulichen Zäsur durch die X. Straße und die Bahntrasse sowie aufgrund der jeweiligen unterschiedlichen Art der baulichen Nutzungen nicht mehr zu diesem Baugebiet. Gleiches gilt für die östlich gelegene Kleingartenanlage sowie den davon östlich gelegenen Betrieb der Firma U. . Die Wohnbebauung östlich des östlich verlaufenden Arms der U1.-----straße stellt sich als Abschluss des Bebauungszusammenhangs dieses Straßengebildes dar. Die sich östlich anschließende Kleingartenanlage und das Gelände der Firma U. entfalten schon aufgrund der unterschiedlichen Art der jeweiligen baulichen Nutzungen keine prägende Wirkung in Bezug auf die westlich davon gelegene Wohnsiedlung mehr.
130Diese vorhandenen, an das Wohngebiet angrenzenden anderen Nutzungen führen nicht dazu, den Charakter des Baugebietes zu verändern. Eine andere Sichtweise würde bei der immissionsschutzrechtlichen Beurteilung von Gemengelagen zu unbefriedigenden Ergebnissen führen, nämlich zu einer doppelten Berücksichtigung von Immissionsbelastungen einerseits bei der Zuordnung zu einem Baugebiet gemäß Nr. 6.1 TA Lärm und dann nochmals bei der Zwischenwertbildung nach Nr. 6.7 TA Lärm.
131Vgl. OVG Niedersachsen, Urteil vom 14. Februar 2007 – 12 LC 37/07 -, juris.
132Die Vorbelastung des klägerischen Grundstücks wird dadurch nicht ausgeblendet, sondern bei der Bildung des Zwischenwertes berücksichtigt.
133Letztlich können jedoch die Fragen, ob es sich bei dem Vorhabengrundstück um ein Gewerbe- oder Industriegebiet handelt und ob das klägerische Grundstück einem reinen oder allgemeinen Wohngebiet zuzuordnen ist, dahingestellt bleiben. Denn bereits der Zwischenwert, der unter Zugrundelegung eines reinen Wohngebietes und eines Gewerbegebietes zu bilden ist, verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, d.h. eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots ist ausgeschlossen. Bei dieser Betrachtung handelt es sich um die für die Rechtsposition des Klägers günstigste Betrachtungsweise.
134Die durch die Baugenehmigung vom 14. Februar 2011 genehmigten oben genannten Beurteilungspegel stellen jedenfalls im Ergebnis einen geeigneten Zwischenwert gemäß Nr. 6.7 TA Lärm dar und sind deshalb nicht zu beanstanden.
135Ein Zwischenwert ist geeignet, wenn er ein zutreffender Maßstab dafür ist, dass in dem zum Wohnen dienenden Gebiet keine unzumutbaren Geräuschimmissionen und damit keine schädlichen Umwelteinwirkungen auftreten. Für die Festlegung der Höhe des Zwischenwertes kommt es maßgeblich auf die konkrete Schutzwürdigkeit des betroffenen Gebietes an.
136Zur Beurteilung der zumutbaren Lärmbelastung ist dabei ein Zwischenwert zwischen dem Richtwert für ein reines Wohngebiet und dem für gewerblich genutzte Gebiete zu bilden, der den Immissionswert für Kern-, Dorf- und Mischgebiete nicht überschreiten soll (Nr. 6.7 Satz 2 TA Lärm). Für die Höhe des Zwischenwerts ist die konkrete Schutzwürdigkeit des betroffenen Gebiets maßgeblich (Nr. 6.7 Satz 4 TA Lärm). Wesentliche Kriterien sind dabei die Prägung des Einwirkungsgebiets durch den Umfang der Wohnbebauung einerseits und durch Gewerbe- und Industriegebiete andererseits, die Ortsüblichkeit des Geräusches und die Frage, welche der unverträglichen Nutzungen zuerst verwirklicht wurde (Nr. 6.7 Satz 5 TA Lärm).
137Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 28. Januar 2008 - 7 B 1717/07 – und vom 12. Februar 2013 – 2 B 1336/12 -, jeweils juris.
138Daneben können weitere Gesichtspunkte, wie die Schutzbedürftigkeit der Wohnnutzung und der Abstand zwischen den unverträglichen Nutzungen von Einfluss auf die Höhe des geeigneten Zwischenwertes sein.
139Diese Regelung in der TA Lärm für Gemengelagen entspricht der vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten sog. „Mittelwertrechtsprechung“, die auf der Annahme beruht, dass das Zusammentreffen baulicher Nutzungen unterschiedlicher Qualität zwangsläufig zur Folge hat, dass sich das Zumutbarkeitsmaß für den einen Nutzer erhöht und für den anderen vermindert.
140Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. September 1993– 4 B 151/93 - und Beschluss vom 6. Februar 2003– 4 BN 5/03 -, jeweils juris.
141Der Zwischenwert ist der Sache nach nicht das arithmetische Mittel zweier Richtwerte (benachbarter Baugebiete), vielmehr handelt es sich um einen „Richtwert“ für die Bestimmung der Zumutbarkeit anhand der Umstände des Einzelfalles. Dabei ist insbesondere die zeitliche Priorität der entgegenstehenden Nutzungen von Bedeutung; ausschlaggebend kann sein, welchen rechtlichen Status die Nutzungen wann erlangt haben.
142Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. Februar 2013 – 2 B 1336/12 -, m.w.N., juris.
143Als Ausgangspunkt ist danach von Immissionsrichtwerten für den Tag von 50 dB(A) im reinen Wohngebiet und für ein Gewerbegebiet von 65 dB(A) sowie für die Nachtzeit von 35 dB(A) im reinen Wohngebiet und 50 dB(A) für ein Gewerbegebiet auszugehen. Für die Festlegung der Höhe des Zwischenwertes kommt es – wie bereits ausgeführt - maßgeblich auf die konkrete Schutzwürdigkeit des betroffenen Gebietes an; insofern stellt die TA Lärm lediglich beispielhalft Kriterien auf, ohne feste Vorgaben zu machen.
144Im vorliegenden Fall wird das Einwirkungsgebiet in besonderem Maße durch die Ausdehnung und Intensität der gewerblichen Nutzung der Beigeladenen geprägt. Dieser Komplex prägt die nähere Umgebung stark. Er drückt auch dem südlich angrenzenden Wohngebiet seinen Stempel auf. Die Schutzwürdigkeit der Wohnnutzung des Klägers nach den in Nr. 6.7 TA Lärm genannten Kriterien ist erheblich herabgesetzt, so dass dem Kläger trotz der Zuordnung seines Grundstücks zu einem reinen Wohngebiet eine gesteigerte Pflicht zur Rücksichtnahme abverlangt werden kann. Die in Rede stehende Konfliktsituation ist insbesondere dadurch gekennzeichnet, dass das Grundstück des Klägers am nordöstlichen Rand des Wohngebiets liegt. Der Abstand seines Wohnhauses vom Betriebsgelände der Beigeladenen beträgt lediglich ca. 50 m. Das betroffene Wohngrundstück ist demgemäß im Vergleich zu den übrigen dieses Wohngebiets in besonderem Maße den Emissionen des benachbarten Betriebsgeländes ausgesetzt und durch diesen immissionsschutzrechtlich geprägt.
145Auf das in Nr. 6.7 Satz 5 TA Lärm angeführte Kriterium der zeitlichen Priorität kann der Kläger sich nicht mit Erfolg berufen. Denn ausweislich der von der Beklagten übersandten Unterlagen wurde das heute durch die Beigeladene genutzte Gelände seit Ende der 1950er Jahre durch die L. -Genossenschaft E. -I. eGmbH, später durch die °°° L1. eG genutzt; in den 1970er Jahren waren hier – auf dem Gelände der Beigeladenen – 472 Menschen beschäftigt; einen Nachtbetrieb hatte es allerdings bisher nicht gegeben, allerdings durfte auch damals schon ab 5.00 Uhr das Gelände mit Lkw angefahren werden. Auch nach der Abwicklung der °°° L1. eG wurde das Betriebsgelände nicht aufgegeben; die Anlagen wurden – teilweise – von der Firma F. genutzt. Die von der Beklagten übersandten Luftbilder (1989, 2001 bis 2009) zeigen, dass auf dem Vorhabengrundstück der Beigeladenen trotz der Abwicklung der °°° L1. eG weiter eine gewerbliche Nutzung stattfand. Die Firma E1. war zudem nach den Angaben der Beklagten schon vor der Übernahme der Nutzung durch die Beigeladene 2007/2008 auf dem Vorhabengrundstück tätig. Dass die Beklagte ihren Flächennutzungsplan 2004 dahin geändert hat, dass das Vorhabengrundstück teilweise als Wohnbaufläche ausgewiesen wurde, rechtfertigt keine andere Bewertung: Tatsächlich hat weiterhin – durchgehend – gewerbliche Nutzung auf der Grundlage der bisherigen Genehmigungen auf dem Vorhabengrundstück stattgefunden, eine endgültige Nutzungsaufgabe lag nicht vor.
146Nach den Angaben der Beklagten wurden die der L. -Genossenschaft E. -I. eGmbH, später die der °°° L1. eG erteilten Genehmigungen mit Rechtsmitteln nicht angegriffen. Der Kläger dagegen hat sein Wohnhaus erst 2008 erworben; nach seinen Angaben bewohnt er das Haus seit 2007, also zu einer Zeit, als die gewerbliche Nutzung des Vorhabengrundstücks bereits seit Jahrzehnten bestanden hatte. Die Wohnnutzung durch den Kläger ist damit in erheblicher Weise durch die benachbarte gewerbliche Nutzung vorbelastet. Dass der nördlich gelegene Betrieb seine Kapazitäten erweitert und den baulichen Bestand geändert hat, ändert nichts daran, dass die Konfliktsituation bereits vorher bestanden hat.
147Aber auch unter Zugrundelegung eines zeitgleichen Entstehens der gewerblichen Nutzung auf dem Vorhabengrundstück einerseits und der davon südlich gelegenen Wohnnutzung andererseits Ende der 1950er Jahre – unabhängig von der konkreten Nutzung durch den Kläger - wird eine andere, d.h. höhere Schutzwürdigkeit der Wohnnutzung des Klägers nicht gerechtfertigt.
148Das Nebeneinander von Wohnnutzung und gewerblicher/industrieller Nutzung hat hier über einen Jahrzehnte andauernden Zeitraum funktioniert. Wohnnutzung und – legale - gewerbliche Nutzung haben jahrzehntelang nebeneinander bestanden, so dass sich keine der beiden Seiten strikt auf die alleinige Maßgeblichkeit der für ihre jeweilige Gebietskategorie einschlägigen Immissionsrichtwerte berufen kann. Das Grundstück des Klägers war und ist in erheblicher Weise durch die benachbarte gewerbliche (industrielle) Nutzung vorbelastet.
149Im Übrigen ist das Grundstück des Klägers nicht nur durch die vorhandene gewerbliche Nutzung auf dem Vorhabengrundstück, sondern vor allem auch durch die östlich von dem Vorhabengrundstück gelegene Firma S1. geprägt, die bereits seit den 1950er Jahren dort angesiedelt ist und über entsprechende Genehmigungen verfügt; gleiches gilt für die auf dem Vorhabengrundstück ansässige Firma E1. , für den östlich des klägerischen Grundstücks gelegenen Betrieb der Firma U. , die seit den 1960er Jahren Genehmigungen für ihren Betrieb erhalten hat, sowie für die nördlich gelegene Bahntrasse. Danach entspricht das Immissionsgeschehen, dem der Kläger bislang ausgesetzt war, jedenfalls nicht dem in einem reinen oder allgemeinen Wohngebiet zulässigen Immissionsgeschehen.
150Mit der streitgegenständlichen Genehmigung nimmt die Beigeladene zudem erhebliche Lärmminderungsmaßnahmen vor, insbesondere die Abgrabung des südlichen Geländes zwischen den Hallen und der Bahntrasse, Errichtung von Lärmschutzwände, befestigte und ebene Fahrbahnen etc..
151Ausgehend davon begegnet zunächst der für den Tag gewählte Zwischenwert von ≤ 54 dB(A) keinen Bedenken. Der Richtwert für ein allgemeines Wohngebiet wird damit nicht überschritten. Der Richtwert für eine reines Wohngebiet wird nur moderat erhöht; der Beurteilungspegel von < 54 dB(A) erreicht zudem nicht die Hälfte der Differenz zum Richtwert für Mischgebiete. Aufgrund der oben dargestellten Umstände ist ein Anspruch des Klägers auf Einhaltung der Richtwerte für ein reines Wohngebiet ausgeschlossen.
152Gleiches gilt aber auch für den für die Nacht festgesetzten Zwischenwert von ≤ 43 dB(A). Der Kläger kann auch für die Nacht nicht die Einhaltung des entsprechenden Richtwertes für reine bzw. allgemeine Wohngebiete beanspruchen. Hier gilt es zunächst darauf hinzuweisen, dass der Kläger keinen Anspruch darauf hat, dass auf dem Vorhabengrundstück der Beigeladenen kein Nachtbetrieb stattfindet – auch wenn dies in der Vergangenheit so war; der Kläger hat kein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass ausschließlich der Tagbetrieb in Zukunft beibehalten wird. Das Vertrauen des Eigentümers eines Wohngrundstücks ist lediglich insoweit schützenswert, als dieser im Zusammenhang mit einer anders gearteten Nutzung benachbarter Grundstücke nicht mit einer Lärmbelastung rechnen muss, die über das Maß hinausgeht, das in einem ebenso dem Wohnen dienenden Misch- und Dorfgebiet zulässig ist.
153Vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. September 2007 – 7 B 24/07 -, juris.
154Der Zwischenwertbildung für die Nacht steht nicht entgegen, dass der für ein reines Wohngebiet geltende Immissionsrichtwert von 35 dB(A) nachts um mehr als 5 dB(A) erhöht und insoweit die Gebietskategorie gemäß Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. d) TA Lärm übersprungen wird. Die TA Lärm liefert für eine dem entgegen stehende Beschränkung keine Grundlage. Aus den Regelungen zur Gemengelage in Nr. 6.7 TA Lärm geht vielmehr hervor, dass der Zwischenwert maßgeblich anhand der konkreten Schutzwürdigkeit des betroffenen Gebiets zu bestimmen ist. Dies schließt es nicht aus, in Fällen besonders ausgeprägter Nutzungskonflikte den Immissionsrichtwert für ein betroffenes Wohngebiet auch um deutlich mehr als 5 dB(A) heraufzusetzen.
155Vgl. hierzu OVG Lüneburg, Urteil vom 14. Februar 2007 – 12 LC 37/07 -, juris und BVerwG, Beschluss vom 12. September 2007 – 7 B 24/07 -, juris.
156Dem Schutz der Wohnnutzung kommt – wie hier - im Falle eines unmittelbaren Nebeneinanders von Wohnen und gewerblicher Betätigung situationsbedingt ein geringerer Stellenwert zu als in einem gegen gewerbliche Nutzungen gänzlich oder weitgehend abgeschirmten Gebiet. Dies schlägt sich darin nieder, dass Beeinträchtigungen in einem weitergehenden Maße zumutbar sind als in einer Umgebung, die in dieser Richtung nicht oder weniger vorbelastet ist. Die äußerste Grenze für die Herabsetzung des Lärmschutzniveaus ist bei der Schwelle der Gesundheitsgefährdung zu ziehen.
157Vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 29. Oktober 2002 – 4 B 60/02 -, juris.
158Unter Berücksichtigung dieser – deutlich herabgesetzten – Schutzwürdigkeit der Wohnnutzung des Klägers hat die Beklagte nach allem einen geeigneten und dem Kläger zumutbaren Zwischenwert von ≤ 43 dB(A) für die Nachtzeit mit der streitgegenständlichen Genehmigung vom 14. Februar 2011 festgesetzt. Dieser Zwischenwert für die Nacht liegt noch unter dem für Kern-, Dorf- und Mischgebiete gemäß Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. c) TA Lärm geltenden Immissionsrichtwert von 45 dB(A) und gewährleistet am Wohnhaus des Klägers gesunde Wohnverhältnisse auch ohne besonderen passiven Lärmschutz.
159Diese vorgenannten, in der Baugenehmigung festgesetzten Werte können – aller Voraussicht nach – auch eingehalten werden. Die von der Baugenehmigung vom 14. Februar 2011 angeführten Werte basieren auf der gutachterlichen Geräuschprognose des Instituts S. H. vom 7. Februar 2011. Nach diesem Gutachten ergeben sich an dem vorgenannten Immissionsort 3 – X. Straße 231 - Beurteilungspegel von 54,3 dB(A) tagsüber und 42,8 dB(A) nachts; damit werden die dargelegten Zwischenwerte vor allem nachts nicht erreicht bzw. der für den Tag angesetzte Wert nur unwesentlich überschritten.
160Bezüglich des Beurteilungspegels tagsüber ist auch darauf hinzuweisen, dass die Beigeladene mitgeteilt hat, dass die Firma E1. bereits seit Ende 2013 aus dem Objekt auf dem Vorhabengrundstück ausgezogen sei und die südliche Anlieferung betreffend dieses westlich auf dem Vorhabengrundstück gelegenen Gebäudes nicht mehr genutzt werde. Damit entfällt eine – ausweislich der Geräuschprognose vom 7. Februar 2011 -maßgebliche Geräuschquelle am Tag.
161Ob eine Baugenehmigung den Nachbarn in seinen Rechten verletzt, bestimmt sich zwar grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung. Spätere Änderungen zu Lasten des Bauherrn haben außer Betracht zu bleiben, jedoch müssen nachträgliche Änderungen zu seinen Gunsten berücksichtigt werden.
162Vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. April 1998 – 4 B 40.98 -, BRS 60 Nr. 178, OVG NRW, Urteil vom 19. Juli 2010 – 7 A 640/09 -, juris.
163Da damit eine maßgebliche Geräuschquelle des Vorhabengrundstücks am Tag entfallen ist und auch unter Einbeziehung des Vorbescheides der Beklagten vom 7. Februar 2013 voraussichtlich auch in der Zukunft nicht mehr entstehen wird, ist der Kläger auch deshalb – am Tag - keiner unzumutbaren Lärmbelästigung ausgesetzt.
164Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der objektiven Aussagekraft der Geräuschprognose vom 7. Februar 2011 sind nicht ersichtlich. Insbesondere hinsichtlich der Methodik des Gutachtens, der verwendeten Emissionsansätze und der ermittelten Beurteilungspegel sind erhebliche Mängel nicht festzustellen.
165Dieses Gutachten bildet die voraussichtlichen Immissionsauswirkungen des Betriebs des genehmigten Vorhabens realistisch ab. Wesentlich für die Validität einer Immissionsprognose ist, dass sie ein realistisches, d.h. repräsentatives bzw. typisches Betriebsgeschehen widerspiegelt. Dazu kann der Lärmgutachter grundsätzlich auch auf Betreiberangaben zurückgreifen.
166Für das Gericht besteht allein aufgrund nicht weiter substantiierten Bestreitens oder anderweitigen Vorbringens des Klägers regelmäßig kein Anlass, im Ausgangspunkt plausible und erläuterte gutachterliche Emissionsansätze eines fachlich anerkannten Gutachterbüros ohne substantiellen Grund anzuzweifeln und eigens nachzuprüfen.
167Vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 24. Februar 2015 – 2 B 99/15 –, m.w.N., juris.
168Die Tatsache, dass die der streitgegenständlichen Baugenehmigung zugrundeliegende Geräuschprognose vom 7. Februar 2011 von der Wirtschaftsförderung E. in Auftrag gegeben worden ist, lässt nicht allein und per se den Schluss zu, dass das Gutachten nicht hinreichend aussagekräftig ist bzw. in fachlicher Hinsicht nicht ordnungsgemäß erstellt worden ist.
169Von den oben genannten Voraussetzungen ausgehend ist die Geräuschprognose vom 7. Februar 2011 unter Berücksichtigung der Erläuterungen des Instituts S. H. vom 11. Januar 2012 nicht zu beanstanden.
170So werden unter Ziffer 3. des Gutachtens die Immissionsorte mit den entsprechenden Gebietseinstufungen und ihren Immissionsrichtwerten, die sich aus der TA Lärm ergeben, benannt. Soweit der Kläger anführt, die Einstufungen der verschiedenen Gebiete und Immissionsorte seien an vielen Stellen nicht korrekt vorgenommen worden, bleibt dieser Vortrag unsubstantiiert und die Frage offen, inwieweit dies in diesem Nachbarstreit bezogen auf den Kläger eine Rolle spielt. Unter Ziffer 3. werden weiter die zu berücksichtigenden Vor- und Zusatzbelastungen (Nr. 2.4 TA Lärm) angeführt: Als Vorbelastung sind danach das Warendistributionszentrum der Firma S1. und das Kommissionierungslager der Firma E1. lärmrelevant; für die Firma S1. wurde der Zustand zugrunde gelegt, der sich aus dem sie betreffenden Geräuschprognosebericht vom 10. August 2010 ergibt, vgl. auch insoweit die von der Beklagten vorgelegte Genehmigung der Stadt I1. als gemeinsame Untere Umweltschutzbehörde der Städte C. , E. und I1. vom 11. November 2011 betreffend die Firma S1. zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen Fleischerei, die unter V. 5.3 die vorgenannte Prognose vom 10. August 2010 des Instituts S. H. zum Bestandteil der Genehmigung vom 11. November 2011 erklärt.
171Soweit der Kläger moniert, dass Vorbelastungen von anderen Betrieben (Firma U. ) nicht berücksichtigt worden seien ebenso wie die Vorbelastungen aus dem DB- und Straßenbahnverkehr, führt dies nicht zu einer Beanstandung des Gutachtens. Hierzu führen die Gutachter unter Punkt 9 ihrer Stellungnahme vom 11. Januar 2012 aus, dass bei Ortsbesichtigungen bzw. Messungen Geräusche der Firma U. an den Immissionsorten nicht nachgewiesen werden konnten. Dem ist der Kläger nicht entgegen getreten.
172Der Gutachter hat weiter ausgeführt, dass die Genehmigungssituation der weiteren, auf dem Gelände der Beigeladenen ansässigen Firmen von der Stadt E. noch überprüft werde. In einem Schreiben der Stadt an die Beigeladene vom 12. Januar 2012 stellte die Beklagte in diesem Zusammenhang klar, dass die genehmigten Bauvorlagen einschließlich der Geräuschimmissionsprognose nicht mit den tatsächlichen Gegebenheiten übereinstimmten, u.a. seien in dem mehrgeschossigen Gebäude an der Westseite des Betriebsgeländes mehrere baurechtlich illegale Nutzungen untergebracht (Computerclub, Gebäudereinigung, Sanitär und Heizung, Warenhandel). Die aus diesen Nutzungen entstehenden Geräuschquellen seien in der Geräuschimmissionsprognose nicht berücksichtigt. Insofern sei die Prognose, die Betriebsbeschreibung und Zeichnungen zu konkretisieren. In der mündlichen Verhandlung teilte der Vertreter der Beigeladenen schließlich mit, dass sich in dem mehrgeschossigen Gebäude an der Westseites des Vorhabengrundstücks heute keine Fremdfirmen mehr befinden.
173In diesem Zusammenhang ist auf Folgendes hinzuweisen: Sollte sich im Hinblick auf die baurechtlich illegalen Nutzungen auf dem Gelände der Beigeladenen die Lärmsituation für den Kläger negativer darstellen, führt dies nicht zur Annahme eines Verstoßes gegen das Rücksichtnahmegebot. Streitgegenstand ist – lediglich – die angefochtene Baugenehmigung und nicht die Frage, ob die tatsächliche Nutzung entsprechend der Baugenehmigung vorgenommen wird. Eine von der Baugenehmigung abweichende Nutzung hat auf deren Rechtmäßigkeit keinen Einfluss. Die Beigeladene muss sicherstellen, dass die in der Genehmigung angeführten Vorgaben hinsichtlich ihrer Tätigkeiten eingehalten werden; gegebenenfalls müsste der Kläger bei der Beklagten ein bauordnungsrechtliches Einschreiten beantragen.
174Geräusche durch eventuelle Fahrzeugbewegungen der Firma U. auf der X1. Straße oder sonstigen Straßen gelten ebenso wie die Geräusche aus DB- und Straßenbahnverkehr nicht als Vorbelastung, vgl. Nr. 2.4 TA Lärm, und sind damit auch zu Recht nicht im Gutachten berücksichtigt worden.
175Weiter werden unter Ziffer 4 des Gutachtens insbesondere die lärmrelevanten Anlagenteile, Aggregate, Fahrzeuge und Vorgänge, einschließlich der Betriebszeit beschrieben. Unter Ziffer 5 werden sodann die Eingangsdaten der Prognose, d.h. die Anzahl der verschiedenen Bewegungen, die Schallleistungspegel der einzelnen Bewegungen – Lkw Fahrten, Lkw Rangieren, Lkw Rückwärtsfahrsignal und Lkw Parkplatzbewegungen, Lkw Be- und Entladung (Innen- und Außenrampe, Handentladung), Gabelstaplerfahrten, Containerwechsel/Schrottabwurf Container, Containerwechselfahrzeug, Pkw-Parkplätze, Papierpresse – und Maximalpegel angeführt. Diese Daten sind identisch mit den Angaben der Beigeladenen in ihrer grüngestempelten Betriebsbeschreibung einschließlich des Anhangs.
176Dieses Betriebsgeschehen, das sich so in der Baugenehmigung wiederfindet und der Prognose zugrunde liegt, ist als ein realistisches Betriebsgeschehen zu bewerten, das erwarten lässt, dass die genehmigungsbedingte Lärmbelastung am Wohnhaus des Klägers realistisch dargestellt wird. Dies gilt entgegen des Vortrags des Klägers auch für die nächtlichen Betriebsabläufe.
177Insofern führen die Gutachter in ihrer Stellungnahme vom 11. Januar 2012 aus, dass ein anderer Betrieb in der Nacht, z.B. die Nutzung aller Rampen, ggfs. zu höheren Geräuschimmissionen führen könnte. Mit dem Gutachter ist auch das Gericht der Auffassung, dass die Überwachung der Tätigkeiten an den Rampen während der Nachtzeit durch eine Person bei maximal vier Lkw auf der Südseite und einem auf der Nordseite, der lediglich abfahre, innerhalb einer Stunde nicht unrealistisch erscheint. Es ist nicht ersichtlich, warum die in der Genehmigung beschriebenen und zulässigen nächtlichen Betriebsabläufe nicht einhaltbar und durchsetzbar sein sollen.
178Die Geräuschprognose hat damit die lärmrelevanten Anlagenteile, Aggregate, Fahrzeuge und Vorgänge entsprechend den Vorgaben aus der Baugenehmigung angeführt, unter Ziffer 5 im Einzelnen näher beschrieben und die entsprechenden Schallleistungspegel der einzelnen Quellen der Schallausbreitungsrechnung zugrundegelegt. Danach hat die Prognose die lärmrelevanten Vorgänge auf dem Gelände dargestellt und davon ausgehend den Lärm untersucht.
179Die Prognose verhält sich auch zu den Verkehrsgeräuschen im Sinne von Nr. 7.4 TA Lärm, vgl. Ziffer 6. Nach Nr. 7.4 TA Lärm werden Fahrzeuggeräusche auf dem Betriebsgrundstück und bei der Ein- und Ausfahrt der zu beurteilenden Anlage zugerechnet. Dies ist geschehen. Für Verkehrsgeräusche auf öffentlichen Verkehrsflächen gelten jedoch die Absätze 2 bis 4 der Nr. 7.4 TA Lärm. Danach sollen Maßnahmen organisatorischer Art zur Minderung der Geräusche des An- und Abfahrtverkehrs auf öffentlichen Verkehrsflächen in einem Abstand von bis zu 500 m von dem Betriebsgrundstück getroffen werden, wenn die Geräusche des An- und Abfahrtsverkehrs den Beurteilungspegel der Verkehrsgeräusche rechnerisch um mindestens 3 dB(A) erhöhen, keine Vermischung mit dem übrigen Verkehr erfolgt und die Immissionsgrenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung erstmals oder weitergehend überschritten werden. Diesbezüglich geht die Geräuschprognose davon aus, dass eine Verdopplung des Lkw- und Pkw-Verkehrs durch den geplanten Betrieb unter Volllast auf dem C1. I2.---weg nicht auftrete und damit keine Verdopplung des Beurteilungspegels der Verkehrsgeräusche. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass hier keine Vermischung mit dem übrigen Verkehr erfolgt. Sobald die Fahrzeuge von dem Betriebsgelände der Beigeladenen auf den C1. I2.---weg abbiegen bzw. bevor sie von dieser öffentlichen Straße auf das Betriebsgelände fahren, findet eine Vermischung mit dem übrigen Verkehr statt.
180Unter Ziffer 8 werden sodann die Lärmschutzmaßnahmen beschrieben, die auch in der Baugenehmigung vom 14. Februar 2011 aufgeführt sind und in die Berechnungen eingeflossen sind.
181Das Gutachten enthält schließlich die nach der TA Lärm im Anhang A.2.6 angeführten Angaben, die in einem Prognosebericht enthalten sein sollen.
182Mit seinen umfangreichen Einwendungen gegen die Geräuschprognose dringt der Kläger auch im Übrigen nicht durch. Zum einen bleibt sein Vortrag an vielen Stellen unsubstantiiert, so dass davon ausgehend bereits für das Gericht kein Anlass bestand, die Geräuschprognose anzuzweifeln. Darüber hinaus wird auf die substantiierten Ausführungen des Instituts S. H. vom 11. Januar 2012 zu den von dem Kläger angeführten einzelnen Beanstandungen verwiesen, denen der Kläger bis zum Abschluss dieses Verfahrens nicht mehr entgegengetreten ist.
183Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung noch einmal darauf hinweist, dass Lärmquellen unvollständig erfasst seien – hier nennt er Entladevorgänge von Stahlcontainern, Werfen von Paletten, Lkw-Fahrten zur Südseite des Vorhabengrundstücks zum Abstellen von Containern - führt auch dieser Vortrag nicht zu durchgreifenden Zweifeln an der Geräuschprognose vom 7. Februar 2011. In der bereits angeführten Stellungnahme des Instituts S. H. vom 11. Januar 2012 wird zur Frage der Berücksichtigung des Werfens von Paletten ausgeführt, dass das Abwerfen von Paletten auf Lkw auf der Südseite der Hallen in den Berechnungen nicht berücksichtigt worden sei und zur Begründung darauf verwiesen, dass dieses Vorgehen in üblichen schalltechnischen Betrachtungen von Speditionsbetrieben nicht vorkomme und auch bei eigenen Untersuchungen nicht aufgetreten sei; sollten derartige Geräusche wiederholt festgestellt werden, wäre auf Veranlassung der Beklagten eine Ausbreitungsrechnung durchzuführen. Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, dass das Werfen von Paletten Bestandteil der angefochtenen Baugenehmigung ist.
184Darüber hinaus setzt die Geräuschprognose einzelne Schallleistungspegel für das Be- und Entladen von Lkw sowohl an der Innen- als auch an der Außenrampe pro Vorgang fest; im Übrigen wurde auch für die Lkw-Handentladung ein Schallleistungspegel angesetzt und der Schallausbreitungsrechnung zugrundegelegt. Schließlich legt die Prognose ihrer Schallausbreitungsrechnung auch einen Schallleistungspegel für das Füllen des Abfallcontainers (Schrottabwurf Container) zugrunde, gleiches gilt für Lkw-Fahrten zur Südseite des Vorhabengrundstücks.
185Im Übrigen ist auch in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass vorliegend Streitgegenstand lediglich die angefochtene Baugenehmigung vom 14. Februar 2011 ist; eine von der Baugenehmigung abweichende Nutzung hat auf deren Rechtmäßigkeit keinen Einfluss. Dies gilt auch für die von dem Kläger in der mündlichen Verhandlung erneut problematisierte Frage, ob die Abgrabung auf der südlichen Seite des Vorhabengrundstücks von der Beigeladenen umgesetzt ist.
186Die Geräuschprognose trifft schließlich am Ende ihrer Ausführungen zu Ziffer 9 eine Aussage zur Genauigkeit der Prognose; es handele sich um konservative Abschätzungen, so dass davon ausgegangen werden könne, dass die Prognose in der Gesamtheit auf der sicheren Seite liege und tatsächlich Abweichungen nur nach unten aufträten.
187Zusammenfassend ist damit die der angefochtenen Baugenehmigung zugrundeliegende schalltechnische Untersuchung vom 7. Februar 2011 insgesamt aussagekräftig und damit auch die für das Genehmigungsverfahren vorzunehmende Prognose gerechtfertigt, dass der Kläger durch den mit dieser Baugenehmigung genehmigten Betrieb der Beigeladenen nicht unzumutbar beeinträchtigt ist. Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot ist damit nicht festzustellen.
188Eine Verletzung von nachbarschützenden Vorschriften des Bauplanungsrechts ist darüber hinaus nicht festzustellen.
189Ein Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauordnungsrechts ist weder vom Kläger geltend gemacht noch ersichtlich.
190Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 2, 154 Abs. 1 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, da sie sich aufgrund des gestellten Antrags auf Klageabweisung auch einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat, vgl. §§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO,
191Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 VwGO.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Anerkenntnisurteil, 05. Aug. 2015 - 10K 4329/11
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Urteil einreichenVerwaltungsgericht Gelsenkirchen Anerkenntnisurteil, 05. Aug. 2015 - 10K 4329/11 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).
(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.
(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.
(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.
(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung
- 1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient: - a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs, - b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder - c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
- 2.
städtebaulich vertretbar ist und - 3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
(4) Die Gemeinde kann durch Satzung
- 1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, - 2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind, - 3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass
- 1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind, - 2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und - 3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.
(1) Gewerbegebiete dienen vorwiegend der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben.
(2) Zulässig sind
- 1.
Gewerbebetriebe aller Art einschließlich Anlagen zur Erzeugung von Strom oder Wärme aus solarer Strahlungsenergie oder Windenergie, Lagerhäuser, Lagerplätze und öffentliche Betriebe, - 2.
Geschäfts- , Büro- und Verwaltungsgebäude, - 3.
Tankstellen, - 4.
Anlagen für sportliche Zwecke.
(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden
(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.
(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.
(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.
(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung
- 1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient: - a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs, - b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder - c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
- 2.
städtebaulich vertretbar ist und - 3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
(4) Die Gemeinde kann durch Satzung
- 1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, - 2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind, - 3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass
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sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind, - 2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und - 3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.
(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.
(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.
(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.
(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
(1) Die Anfechtungsklage muß innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist nach § 68 ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muß die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden.
(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.
(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.
(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. § 60 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt entsprechend.
Gründe
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I.
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Der Kläger wendet sich gegen die baurechtliche Genehmigung der Errichtung einer Basisstation für das UMTS-Netz, bestehend aus einem etwa 9,60 m hohen Antennenträger und drei bis zu 2,50 m hohen Technikschränken, auf dem Dach eines während des zweiten Weltkriegs errichteten Zivilschutzbunkers. Im Erdgeschoss des Bunkers üben mit Baugenehmigung aus dem Jahr 1983 Musikgruppen. Die beiden Obergeschosse werden mit Genehmigung aus dem Jahr 1991 als Verwaltungs- und Röntgenarchiv eines Krankenhauses genutzt.
- 2
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Das Verwaltungsgericht gab der Klage statt, weil die streitige Anlage gegen nachbarschützende Grenzabstandsvorschriften verstoße. Gegenstand der Beurteilung sei nicht die genehmigte Anlage allein, sondern der Bunker mit Technikraum und Antennenmast. Auf die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die abstandsrechtliche Zulässigkeit der Antenne beurteile sich isoliert und nicht als Gesamtheit mit dem darunter stehenden Bunkergebäude (UA S. 9). Der Hinweis des Klägers, der Bunker habe seine Funktion und damit seinen Bestandsschutz verloren, ändere daran nichts. Mit Genehmigungen aus den Jahren 1983 und 1991 seien Nutzungen aufgenommen worden, die seine Substanz vollständig umfassten. Diese Genehmigungen seien (auch vom Kläger) nicht angegriffen worden und damit bestandskräftig (UA S. 15). Auch der Gebietserhaltungsanspruch berechtige den Kläger nicht zur Abwehr des streitigen Vorhabens (UA S. 21 ff.). Selbst wenn die maßgebliche Umgebung als reines Wohngebiet einzustufen wäre, könnten fernmeldetechnische Nebenanlagen dort gemäß § 14 Abs. 2 BauNVO 1990 als Ausnahme zugelassen werden. Nur ergänzend sei daher auszuführen, dass die Schutzwürdigkeit des klägerischen Grundstücks nach neuerlicher Überlegung geringer ausfalle, als von den Beteiligten und dem Senat im Eilverfahren angenommen. Die Situation des klägerischen Grundstücks werde ganz wesentlich von einer Grundschule mitbestimmt. Diese habe eine Funktion und eine Größe, die in einem reinen Wohngebiet nicht erfüllt werden dürfte. Dies habe zur Folge, dass die nach § 34 BauGB maßgebliche Umgebung als allgemeines Wohngebiet einzustufen und der Schutzanspruch des Klägers dementsprechend herabgesetzt sei.
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II.
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Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
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1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst.
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1.1 Als rechtsgrundsätzlich bezeichnet der Kläger folgende Frage:
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Wie ist ein funktionslos gewordener Zivilschutzbunker des Zweiten Weltkriegs, der für seinen besonderen Zweck und seine Funktion im Rahmen seiner Landesverteidigung nur mittels Dispens genehmigt werden konnte, bezüglich wesentlicher Änderungen oder Erweiterungen der Bausubstanz baurechtlich zu bewerten?
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Mit dieser Frage möchte der Kläger geklärt wissen, ob die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts, dass die Antenne abstandsrechtlich isoliert und nicht als Gesamtheit mit dem Zivilschutzbunker zu beurteilen sei, zutrifft. Maßgebend hierfür ist das dem irrevisiblen Landesrecht angehörende niedersächsische Grenzabstandsrecht. Fragen zur Auslegung und Anwendung von Landesrecht sind in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).
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1.2 Die Frage,
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ob eine Baugenehmigung, die nachbarliche Belange berührt und dennoch ohne Kenntnis der Nachbarn erteilt wurde und deren Ausnutzung für die Nachbarn vollkommen unmerklich geschieht, diesen Nachbarn bei einem Änderungsvorhaben zu deren Nachteil mit Erfolg vorgehalten werden kann,
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würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Denn das Oberverwaltungsgericht hat nicht festgestellt, dass die Nutzung des Bunkers durch Musikgruppen und als Verwaltungs- und Röntgenarchiv eines Krankenhauses für die Nachbarn unmerklich geschehen ist. Dass ihm die Nutzung des Bunkers durch Musikgruppen bekannt gewesen sei, hat der Kläger in der Beschwerdebegründung selbst nicht bestritten.
- 8
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Im Übrigen ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz und aus der bisherigen Rechtsprechung des Senats, dass, wenn eine Baugenehmigung dem Nachbarn nicht bekanntgegeben worden ist, gemäß § 70 i.V.m. § 58 VwGO auch die Frist zur Einlegung eines Widerspruchs nicht zu laufen beginnt; auch in derartigen Fällen kann die Anfechtungsbefugnis des Nachbarn aber nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verwirkt sein (Urteil vom 25. Januar 1974 - BVerwG 4 C 2.72 - BVerwGE 44, 294 und Beschluss vom 28. August 1987 - BVerwG 4 N 3.86 - BVerwGE 78, 85). Ob letzteres der Fall ist, hängt maßgebend von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab (Beschluss vom 28. August 1987 a.a.O. S. 90).
- 9
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1.3 Aus den bereits dargelegten Gründen (1.2) rechtfertigt auch die Frage,
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wie weit die Pflichten eines Bürgers zum anlasslosen und präventiven Angriff auf "heimliche" Baugenehmigungen in seiner Nachbarschaft reichen, wenn er von den Genehmigungen und ihrer Ausnutzung keine Kenntnis erhält, die Existenz dieser Genehmigungen ihm jedoch zu einem späteren Zeitpunkt zu seinem Nachteil vorgehalten werden könnten,
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nicht die Zulassung der Revision. Im Übrigen hatte der Kläger spätestens aufgrund der entsprechenden Feststellungen im Urteil des Verwaltungsgerichts vom 27. September 2005 Kenntnis von den Genehmigungen der zivilen Nutzungen des Bunkers. Widerspruch gegen die Genehmigungen hat er nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts auch danach nicht erhoben.
- 10
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2. Die Zulassungsgründe im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, die der Kläger geltend macht, liegen ebenfalls nicht vor. Eine Divergenz im Sinne dieser Vorschrift ist nur gegeben, wenn die Vorinstanz mit einem die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328).
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2.1 Der Kläger macht geltend, das Oberverwaltungsgericht widerspreche mit seiner Auffassung, die ohne Prüfung der Kubatur des Bunkers erteilten Genehmigungen aus den Jahren 1983 und 1991 hätten eine "vollständige Legalisierung" bewirkt, mehreren Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zur baurechtlichen Beurteilung von Nutzungsänderungen nach § 34 BauGB. Insoweit verkennt der Kläger, dass sich die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zur Legalisierungswirkung der Genehmigungen nicht auf § 34 BauGB, sondern auf das niedersächsische Grenzabstandsrecht und damit auf irrevisibles Landesrecht beziehen (vgl. UA S. 14). Schon deshalb liegt eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht vor. Unabhängig davon bezeichnet der Kläger keinen abstrakten Rechtssatz, mit dem das Oberverwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abgewichen sein könnte; er wendet sich vielmehr gegen Ausführungen zu Inhalt und Reichweite der im vorliegenden Streitfall erteilten Genehmigungen.
- 12
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2.2 Eine Divergenz zum Vorhabenbegriff im Sinne des § 29 BauGB liegt ebenfalls nicht vor. Einen Rechtssatz zur Auslegung des § 29 BauGB hat das Oberverwaltungsgericht nicht aufgestellt. Wie bereits dargelegt, hat es die baurechtliche Beurteilung lediglich im Hinblick auf die landesrechtlichen Grenzabstandsvorschriften auf die neu hinzutretende Sendeanlage beschränkt.
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Die im Rahmen der Divergenzrüge als rechtsgrundsätzlich bezeichnete Frage,
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ob ein materiell-illegales Gebäude ohne erneute baurechtliche Prüfung einem neuen Nutzungszweck zugeführt werden darf,
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würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Denn das Oberverwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Baugenehmigungen aus den Jahren 1983 und 1991 bestandskräftig geworden seien (UA S. 15).
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3. Schließlich greifen auch die Verfahrensrügen nicht durch.
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3.1 Der Kläger macht geltend, das Oberverwaltungsgericht habe seine Hinweispflicht nach § 86 Abs. 3 VwGO sowie den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt, weil es die Beteiligten nicht vor der mündlichen Verhandlung auf seine Auffassung hingewiesen habe, dass die maßgebliche Umgebung nicht - wie bisher von den Beteiligten und im Eilverfahren auch dem Oberverwaltungsgericht selbst angenommen - als reines, sondern als allgemeines Wohngebiet einzustufen sei. Zu einem solchen Hinweis war das Oberverwaltungsgericht schon deshalb nicht verpflichtet, weil die Abweisung der Klage auf der Einstufung als allgemeines Wohngebiet nicht beruht. Das Oberverwaltungsgericht hat einen Gebietserhaltungsanspruch auch für den Fall verneint, dass die maßgebliche Umgebung als reines Wohngebiet einzustufen wäre; dann wäre das streitige Vorhaben nach § 14 Abs. 2 BauNVO 1990 im Wege der Ausnahme zu Recht zugelassen worden; auf die Befreiung komme es nicht an (UA S. 28). "Nur ergänzend" (UA S. 33), d.h. als weitere selbstständig tragende Erwägung, hat es dargelegt, dass die Schutzwürdigkeit des klägerischen Grundstücks nach neuerlicher Überlegung geringer ausfalle, weil die maßgebliche Umgebung wegen einer dort vorhandenen Grundschule nur als allgemeines Wohngebiet einzustufen sei (UA S. 33 f.). Da diese ergänzende Erwägung hinweggedacht werden kann, wäre auch die auf S. 39 der Beschwerdebegründung als rechtsgrundsätzlich bezeichnete Frage in einem Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich.
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3.2 Einen Verfahrensfehler sieht die Beschwerde schließlich darin, dass das Oberverwaltungsgericht auf der Grundlage einer von der Beigeladenen während des Berufungsverfahrens vorgelegten "Standortanalyse" den Einwand des Klägers zurückgewiesen hat, dass ein anderer Standort nördlich der Autobahn zur Versorgung des Gebiets mit UMTS-Diensten besser geeignet sei (vgl. UA S. 30). Die Analyse leide unter erheblichen und offenkundigen Mängeln.
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Ein Aufklärungsmangel (§ 86 Abs. 1 VwGO) ergibt sich aus diesem Vortrag nicht. Die Beschwerde legt nicht - wie dies erforderlich wäre (Beschluss vom 19. August 1997 a.a.O.) - dar, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung getroffen worden wären. Der Sache nach rügt sie, dass das Oberverwaltungsgericht ihren Einwänden gegen die Verwertbarkeit der Standortanalyse nicht gefolgt ist. Mit Angriffen gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Berufungsgerichts kann ein Verfahrensmangel im Sinne § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht begründet werden, da derartige Fehler in der Regel - und so auch hier - revisionsrechtlich nicht dem Verfahrensrecht, sondern der materiellen Rechtsanwendung zuzurechnen wären.
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Auch soweit der Kläger eine Verletzung des fairen Verfahrens rügt, weil das Oberverwaltungsgericht zwar die von der Beigeladenen erst nach Bauantragstellung und Erlass der Baugenehmigung vorgelegte Standortanalyse, nicht aber das ihm günstige Inkrafttreten der Richtlinie 2009/114/EG berücksichtigt habe, ist ein Verfahrensfehler nicht schlüssig dargelegt. Bei der Prüfung, ob der Vorinstanz ein Verfahrensfehler unterlaufen ist, ist von deren materiellrechtlicher Rechtsauffassung auszugehen, selbst wenn diese verfehlt sein sollte (Urteil vom 25. März 1987 - BVerwG 6 C 10.84 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 183 S. 4, stRspr). Das Oberverwaltungsgericht war der Rechtsauffassung, dass dem Bauherrn nachteilige Veränderungen der Sach- und Rechtslage während eines Nachbarstreitverfahrens nicht zu berücksichtigen sind (UA S. 31). Ausgehend hiervon war die Richtlinie 2009/114/EG nicht berücksichtigungsfähig. Begründete Einwände gegen die Verwertbarkeit der Standortanalyse bestanden demgegenüber nach seiner Rechtsauffassung nicht.
Tenor
Der Antrag der Beigeladenen auf Beiladung des Landes Nordrhein-Westfalen, vertreten durch die Bezirksregierung L. , A.-------straße 2 - 10, 50667 L. , wird abgelehnt.
Die Beschwerden werden zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin und die Beigeladene tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens jeweils zur Hälfte mit Ausnahme ihrer außergerichtlichen Kosten, die sie jeweils selbst tragen.
Der Streitwert wird für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes beider Rechtszüge auf 25.000,- Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag auf Beiladung hat keinen Erfolg. Ein Fall notwendiger Beiladung im Sinne von § 65 Abs. 2 VwGO liegt nicht vor. Das Gericht lehnt den Antrag in Ausübung des ihm durch § 65 Abs. 1 VwGO eingeräumten Ermessens ab, wobei offen bleiben kann, ob die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm erfüllt sind. Es ist nicht zu erkennen, dass eine Beiladung der Bezirksregierung in der die Einräumung einer Beteiligtenstellung rechtfertigenden Weise prozessförderlich wäre, zumal es - wie die nachstehenden Ausführungen zeigen - für die Entscheidung im vorliegenden Verfahren auf die Frage eines angemessenen Abstandes im Sinne von Art. 12 Abs. 1 Richtlinie 96/82/EG (Seveso II-Richtlinie) und die in diesem Zusammenhang möglicherweise relevanten betrieblichen Verhältnisse der Antragstellerin nicht ankommt.
3Die zulässigen Beschwerden haben keinen Erfolg.
4Die in den Beschwerdebegründungen dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat grundsätzlich gem. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine Änderung des angefochtenen Beschlusses. Gründe für eine Änderung sind im Übrigen auch sonst nicht ersichtlich.
5Der Antragstellerin fehlt nicht das Rechtsschutzbedürfnis für den gestellten Eilantrag, weil nach dem Beschwerdevorbringen der Beigeladenen die Bezirksregierung L. als zuständige Immissionsschutzbehörde nicht beabsichtige, gegen die Antragstellerin nachträgliche Anordnungen i. S. d. § 17 Abs. 1 BImSchG zu erlassen. Ein Rechtsschutzbedürfnis fehlt nur dann, wenn der bei Gericht um Rechtsschutz Nachsuchende seine Rechtsstellung mit der begehrten gerichtlichen Entscheidung in keiner Hinsicht verbessern kann und die Inanspruchnahme des Gerichts deshalb als für ihn nutzlos erscheinen muss.
6Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. Oktober 2000
7- 10 B 1053/00 -, BRS 63 Nr. 198.
8Danach reicht es für die Verneinung eines Rechtsschutzbedürfnisses der Antragstellerin nicht aus, dass die Immissionsschutzbehörde nach den Erkundigungen der Prozessbevollmächtigen der Beigeladenen derzeit Anordnungen nach § 17 Abs. 1 BImSchG nicht beabsichtigt. Mit Blick auf das von der Antragstellerin verfolgte Rechtsschutzziel wäre es vielmehr erforderlich, dass die Immissionsschutzbehörde eine entsprechende uneingeschränkte und unbefristete (schriftliche) Zusicherung,
9§ 38 VwVfG NRW, abgibt. Die Beigeladene hat indes schon nicht dargelegt und es ist auch ansonsten nicht ersichtlich, dass ein solcher Sachverhalt vorliegt.
10Das Verwaltungsgericht hat zu Recht das Vorliegen einer prozessualen Verwirkung verneint. Hat der Nachbar trotz fehlender amtlicher Bekanntgabe sichere Kenntnis von der Baugenehmigung erlangt oder hätte er sie erlangen müssen, so kann ihm nach Treu und Glauben die Berufung darauf versagt sein, dass sie ihm nicht amtlich bekanntgegeben wurde. Dann läuft für ihn die Klagefrist nach § 58 Abs. 2 VwGO so, als sei ihm die Baugenehmigung in dem Zeitpunkt amtlich bekannt gegeben geworden, in dem er von ihr sichere Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen (prozessuale Verwirkung).
11Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 16. April 2012
12- 7 A 1984/10 -, juris, m. w. N., und vom 22. Juni 2010 - 7 B 479/10 -, juris.
13Auch bei Kenntniserlangung der Beigeladenen von der Teilbaugenehmigung bzw. einem „Kennenmüssen“ bereits im September 2013 wäre mithin die Jahresfrist i. S. d. § 58 Abs. 2 VwGO zum Zeitpunkt der Klage- und Antragserhebung am 26. Februar 2014 noch nicht verstrichen gewesen.
14Die nach §§ 80 Abs. 5, 80a VwGO gebotene Interessenabwägung fällt zu Gunsten der Antragstellerin aus, denn nach der im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Beurteilung der Erfolgsaussichten hat die Abwehrklage der Antragstellerin gegen die Genehmigung für die jugendpsychiatrische Einrichtung der Beigeladenen voraussichtlich Erfolg.
15Der Einwand der Beigeladenen, die Antragstellerin habe zum Zeitpunkt der Klage- und Antragserhebung etwaige (materiellen) Abwehrrechte verwirkt, greift nicht durch.
16Nach den Grundsätzen zur Geltung von Treu und Glauben im nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis können auch materielle Abwehrrechte eines Nachbarn verwirkt werden. Nach Treu und Glauben ist vom Nachbarn zu verlangen, durch zumutbares aktives Handeln dazu beizutragen, wirtschaftlichen Schaden vom Bauherrn abzuwenden oder möglichst gering zu halten. Grundsätzlich gehört dazu, dass der Nachbar nach Erkennen einer Beeinträchtigung durch Baumaßnahmen seine nachbarlichen Einwendungen "ungesäumt" geltend macht. Die Verwirkung eines Rechts setzt außer der Untätigkeit des Nachbarn während eines längeren Zeitraums ferner voraus, dass der Bauherr infolge der Untätigkeit darauf vertrauen durfte, dass der Nachbar das ihm eigentlich zustehende Abwehrrecht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Bauherr hierauf auch tatsächlich vertraut hat (Vertrauenstatbestand) und er sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde.
17Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2012
18- 7 A 1984/10 -, juris, m. w. N.
19Ein Nachbar, der sichere Kenntnis von der Erteilung einer Baugenehmigung erhalten hat oder diese Kenntnis hätte haben müssen, muss sich dabei so behandeln lassen, als sei ihm die Baugenehmigung im Zeitpunkt der zuverlässigen Kenntniserlangung oder in dem Zeitpunkt, in dem er diese Kenntnis hätte erlangen müssen, amtlich bekannt gegeben worden.
20Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Januar 1974
21- IV C 2.72 -, BRS 28 Nr. 285.
22Dies gilt nicht nur für die Fälle unmittelbarer Grenznachbarschaft, sondern auch dann, wenn die betroffenen Grundstücke räumlich durch weitere Flächen getrennt sind. Jedoch kann die jeweilige örtliche Situation wesentlich dafür sein, ob im Einzelfall davon ausgegangen werden darf, dass der Nachbar von der Baugenehmigung zuverlässig Kenntnis hätte haben müssen.
23Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. August 1987
24- 4 N 3.86 -, BRS 47 Nr. 185.
25Die Kenntnis bzw. Möglichkeit der Kenntnisnahme muss sich dabei nicht lediglich auf die Erteilung einer Baugenehmigung beziehen, sondern es kommt auf die Erkennbarkeit bzw. das „Kennenmüssen“ der spezifischen Risiken und Beeinträchtigungen für den Nachbarn an.
26Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Januar 1974
27- IV C 2.72 -, BRS 28 Nr. 285; VGH Bad.-Württ.,
28Urteil vom 14. Mai 2012 - 10 S 2693/09 -, BRS 79 Nr. 183, m. w. N.
29Unabhängig von der Frage, ob die Zeit ab Beginn der Erdarbeiten Ende September 2013 bis zur Klage- und Antragserhebung für die Annahme eines längeren Zeitraums schon ausreichend wäre, kann hier von einem den Beginn der Verwirkungsfrist auslösenden „Kennenmüssen“ der Antragstellerin frühestens ab Januar 2014 ausgegangen werden.
30Entgegen der Auffassung der Beigeladenen waren die von ihr in der Zeit von September 2013 bis Dezember 2013 durchgeführten Vorbereitungsarbeiten (Baustraße herstellen; Bäume fällen; Mutterboden abschieben; vorhandenen Zaun entfernen und Metallgitterzaun erstellen; Strauchwerk entfernen; Bodenflächen ebnen; Pflaster aufnehmen; Garage abreißen; Ausschachtung eines Entwässerungsgrabens) nicht geeignet, der Antragstellerin in hinreichender Weise Kenntnis bzw. die Möglichkeit der Kenntnisnahme von einer ggf. in ihre Rechte eingreifenden Baugenehmigung zu verschaffen. Jedenfalls aufgrund der Entfernung des Vorhabengrundstücks von dem Betriebsgelände der Antragstellerin und dessen Außenbereichslage hatten diese Arbeiten keinen genügenden „Vorwarneffekt“ für die Antragstellerin und musste sie die durchgeführten Vorbereitungsarbeiten noch nicht zum Anlass für Nachfragen bei der Antragsgegnerin nehmen. Es war für sie nicht mit der erforderlichen Klarheit ersichtlich, welchem konkreten Zweck diese Arbeiten dienten. So hätten diese Vorbereitungsarbeiten etwa auch der Errichtung einer landwirtschaftlich genutzten Lagerhalle mit den entsprechenden Zuwegungen dienen können. Mit der Errichtung einer Klinik im Außenbereich brauchte die Antragstellerin aufgrund der Vorbereitungsarbeiten jedenfalls nicht zu rechnen. Frühestens mit dem Beginn der umfangreichen Arbeiten ab Januar 2014 bestand für sie Veranlassung, sich nach dem konkreten Vorhaben zu erkundigen. Für die Annahme einer Verwirkung fehlt es mithin schon am Zeitmoment.
31Die angefochtene Baugenehmigung vom 27. November 2013 verstößt voraussichtlich zu Lasten der Antragstellerin gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme.
32Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass dem Eigentümer eines emittierenden Betriebsgrundstücks gegenüber heranrückenden Bauvorhaben wegen der in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB enthaltenen speziellen Ausprägung des Gebots der Rücksichtnahme ein Abwehranspruch zusteht, wenn das heranrückende Vorhaben erheblichen Immissionen durch den emittierenden Betrieb ausgesetzt wäre und für diesen deshalb die Gefahr von Betriebseinschränkungen begründet.
33Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. Dezember 2011 - 2 A 2645/08 -, BRS 78 Nr. 181, m. w. N.
34Ein derartiger Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme liegt summarischer Prüfung zufolge zu Lasten der Antragstellerin wegen des nachts vom Betrieb der Antragstellerin auf das Vorhaben einwirkenden Lärms vor.
35Entgegen dem Beschwerdevorbringen bestimmen sich die Immissionsrichtwerte für das Vorhaben der Beigeladenen nach Nr. 6.1 Buchst. f) TA Lärm. Nach Nr. 6.1 Buchst. f) TA Lärm betragen die Immissionsrichtwerte für den Beurteilungspegel für Immissionsorte außerhalb von Gebäuden in Kurgebieten, für Krankenhäuser und Pflegeanstalten tags 45 dB(A) und nachts 35 dB(A). Ausweislich der jeweils durch Grünstempel zum Gegenstand der Baugenehmigung gewordenen Bau- und Betriebsbeschreibung und des medizinischen Konzepts handelt es sich bei dem Vorhaben um ein psychiatrisches Krankenhaus mit vollstationärer und tagesklinischer Behandlung. Für die Anwendbarkeit von Nr. 6.1 Buchst. f) TA Lärm auf ein streitgegenständliches Vorhaben bedarf es keiner an ein „Gebiet“ heranreichenden Größe oder einer besonderen prägenden Wirkung, so dass es den betroffenen Bereich dominiert und ihm „den Stempel aufdrückt“.
36So aber Nds. OVG, Urteil vom 31. Mai 2007
37- 1 KN 265/05 -, BRS 71 Nr. 40.
38Denn der Schutzanspruch aus Nr. 6.1 Buchst. f) TA Lärm wird - unabhängig von dem umgebenden Gebiet - einrichtungsbezogen gewährt.
39Vgl. Feldhaus/Tegeder, in: Feldhaus/Hansel, BImSchG, Nr. 6 TA Lärm, Rn. 22.
40Er knüpft an die besondere Schutzbedürftigkeit der Einrichtung an und nicht an eine
41- wie auch immer geartete - städtebaulich dominierende Wirkung der Einrichtung.
42Ausweislich des von der Beigeladenen vorgelegten Berichts des TÜV Nord Systems GmbH & Co.KG zu den Geräuschimmissionen im Plangebiet „Zum L1. 5“ in I. -G. vom 8. Mai 2014 liegen die nach Osten ausgerichteten Fassaden des Vorhabens im Lärmpegelbereich von 35 dB(A) bis 42 dB(A) und damit über dem zulässigen Immissionsrichtwert von nachts 35 dB(A).
43Soweit die Beigeladene geltend macht, maßgeblich sei wegen einer anzunehmenden Gemengelage i. S. d. Nr. 6.7 TA Lärm ein nach dieser Regelung zu bildender und hier eingehaltener Zwischenwert, rechtfertigt dies keine andere Bewertung.
44Gemäß Nr. 6.7 Abs. 1 Satz 1 TA Lärm liegt eine Gemengelage nur vor, wenn gewerblich, industriell oder hinsichtlich ihrer Geräuschauswirkungen vergleichbar genutzte und zum Wohnen dienende Gebiete - als vorhandenes Nebeneinander konfliktträchtiger Nutzungen - aneinandergrenzen, wobei das Aneinandergrenzen nicht unmittelbar sein muss.
45Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. Februar 2013
46- 2 B 1336/12 - BauR 2013, 1078, m. w. N.
47Dies ist hier gleichfalls deshalb nicht der Fall, weil ein Klinikvorhaben erstmalig an den Betrieb der Antragstellerin heranrückt.
48Nr. 6.7 Abs. 1 Satz 1 TA Lärm findet - unabhängig von der hier offen gelassenen Frage der Anwendbarkeit dieser Regelung auf Krankenhäuser i. S. d. Nr. 6.1 Buchst. f) TA Lärm - jedenfalls bei der erstmaligen Entstehung einer Gemengelage zwischen dem schutzbedürftigen Vorhaben und dem emittierenden Betrieb keine Anwendung. Dies entspricht der vor Inkrafttreten der TA-Lärm in der hier maßgeblichen Fassung gefestigten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts,
49vgl. etwa zu § 34 BauGB: BVerwG, Beschluss vom 2. Dezember 1985 - 4 B 189.85 -, juris,
50an die Nr. 6.7 TA Lärm anknüpft.
51Vgl. Landmann/Rohmer/Hansmann,
52Umweltrecht Band IV, Stand: 1. Januar 2014,
53TA Lärm Nr. 6, Rn. 25.
54Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist es der Antragstellerin auch nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben wegen von ihrem Betrieb auf den Gebäudekomplex S. Straße 27 - 31 (L2. Hof) ausgehender Lärmimmissionen verwehrt, sich im Verhältnis zum Vorhaben der Beigeladenen auf die Verletzung des Gebotes der Rücksichtnahme zu berufen.
55Unabhängig von dem Ausmaß der Lärmbelastung des L2. Hofes durch den Betrieb der Antragstellerin und der Frage, ob der Gebäudekomplex gewerblich oder zumindest auch zu Wohnzwecken genutzt wird, ist die Annahme eines treuwidrigen Verhaltens der Antragstellerin schon deshalb ausgeschlossen, weil der westlich ihres Betriebsgrundstücks und nördlich der S. Straße liegende Gebäudekomplex nicht die Umgebung des Vorhabengrundstücks prägt bzw. beeinflusst. Es fehlt somit an einer entsprechenden „Vorbelastung“ des Vorhabengrundstücks.
56Vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. März 1984 - 4 B 171.83 -, BRS 42 Nr. 66.
57Der Bereich des Vorhabengrundstücks ist nach den vorliegenden Akten im Wesentlichen von landwirtschaftlich genutzten unbebauten Flächen umgeben. Auch die von der Antragsgegnerin eingeforderte Berücksichtigung der Vorgängernutzung auf dem Baugrundstück führt zu keinem für die Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis. Mit der Verwirklichung des streitgegenständlichen Vorhabens würde die Antragstellerin vielmehr gezwungen, erstmalig auf die besonderen für diese Nutzung geltenden Immissionsrichtwerte Rücksicht zu nehmen.
58Nach alledem kann im vorliegenden Verfahren offen bleiben, ob das angefochtene Vorhaben den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 Richtlinie 96/82/EG (Seveso II-Richtlinie) unterfällt und daran gemessen unzulässig ist.
59Vgl. zur Anwendung der Richtlinie auf Krankenhäuser: Uechtritz, BauR 2014, 1098 sowie zu den maßgeblichen Anforderungen BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2012 - 4 C 11.11 -, BRS 79 Nr. 97.
60Aus obigen Gründen ist auch die auf § 80a Abs. 3, Abs. 1 Nr. 2 2. Halbsatz VwGO gestützte Anordnung, dass die Antragsgegnerin die Fortführung der Bauarbeiten auf dem Grundstück der Beigeladenen mit für sofort vollziehbar erklärter Ordnungsverfügung zu untersagen hat, nicht zu beanstanden.
61Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und Abs. 3, § 159 Satz 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 63 Abs. 3 GKG.
62Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein.
(2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich oder elektronisch zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und der Betroffene dies unverzüglich verlangt. Ein elektronischer Verwaltungsakt ist unter denselben Voraussetzungen schriftlich zu bestätigen; § 3a Abs. 2 findet insoweit keine Anwendung.
(3) Ein schriftlicher oder elektronischer Verwaltungsakt muss die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten. Wird für einen Verwaltungsakt, für den durch Rechtsvorschrift die Schriftform angeordnet ist, die elektronische Form verwendet, muss auch das der Signatur zugrunde liegende qualifizierte Zertifikat oder ein zugehöriges qualifiziertes Attributzertifikat die erlassende Behörde erkennen lassen. Im Fall des § 3a Absatz 2 Satz 4 Nummer 3 muss die Bestätigung nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes die erlassende Behörde als Nutzer des De-Mail-Kontos erkennen lassen.
(4) Für einen Verwaltungsakt kann für die nach § 3a Abs. 2 erforderliche Signatur durch Rechtsvorschrift die dauerhafte Überprüfbarkeit vorgeschrieben werden.
(5) Bei einem schriftlichen Verwaltungsakt, der mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird, können abweichend von Absatz 3 Unterschrift und Namenswiedergabe fehlen. Zur Inhaltsangabe können Schlüsselzeichen verwendet werden, wenn derjenige, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, auf Grund der dazu gegebenen Erläuterungen den Inhalt des Verwaltungsaktes eindeutig erkennen kann.
(6) Einem schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakt, der der Anfechtung unterliegt, ist eine Erklärung beizufügen, durch die der Beteiligte über den Rechtsbehelf, der gegen den Verwaltungsakt gegeben ist, über die Behörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf einzulegen ist, den Sitz und über die einzuhaltende Frist belehrt wird (Rechtsbehelfsbelehrung). Die Rechtsbehelfsbelehrung ist auch der schriftlichen oder elektronischen Bestätigung eines Verwaltungsaktes und der Bescheinigung nach § 42a Absatz 3 beizufügen.
Tenor
Das Verfahren wird, soweit es aufgrund der Berufungen der Kläger zu 1. und 4. noch anhängig ist, eingestellt.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 24. November 2011 ist gegenüber den Klägern zu 1. und 4. wirkungslos.
Die Kläger zu 1. bis 4. tragen die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens jeweils zu einem Viertel einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen. Die Kläger zu 1. und 4. tragen die Kosten des Berufungsverfahrens jeweils zur Hälfte. Die im Berufungsverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind erstattungsfähig.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 30.000,- € festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Das Verfahren ist aus Gründen der Klarstellung in entsprechender Anwendung der §§ 125 Abs. 1 Satz 1, 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, nachdem die Hauptbeteiligten des Berufungsverfahrens den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben. Ebenfalls zur Klarstellung ist das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts im Verhältnis zu den (Berufungs-)Klägern zu 1. und 4. für wirkungslos zu erklären (§ 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 269 Abs. 3 Satz 1 Hs. 2 ZPO). Auf die Kläger zu 2. und 3. bezieht sich diese Rechtsfolge nicht. Ihnen gegenüber ist das Urteil rechtskräftig geworden, nachdem sie kein Rechtsmittel eingelegt haben. Nach Eintritt der Rechtskraft kann eine Erledigungserklärung nicht mehr wirksam abgegeben werden.
3Die Kostenentscheidung beruht auf § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO.
4Nach dieser Vorschrift hat das Gericht bei Erledigung der Hauptsache nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Dieser Maßstab führt zu der tenorierten Kostenentscheidung. Diese ergeht in Bezug auf das erstinstanzliche Verfahren als Gesamtkostentscheidung, welche die (rechtskräftige) Kostentragungspflicht der Kläger zu 2. und 3. einbezieht.
5Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand hätten die im Berufungsverfahren noch anhängigen Klagen der Kläger zu 1. und 4. voraussichtlich keinen Erfolg gehabt (dazu 1.). Anlass, diesen Kostenverteilungsmaßstab etwa mit Blick auf die Wertung des § 155 Abs. 4 VwGO oder aus anderen Billigkeitsgründen ganz oder teilweise zugunsten der Kläger zu 1. und 4. zu korrigieren, besteht nicht (dazu 2.).
61. Die noch anhängigen Klagen wären voraussichtlich unbegründet gewesen.
7Die materielle Rechtslage stellt sich nach dem bisherigen Sach- und Streitstand wie folgt dar:
8Die dem Beigeladenen von der Beklagten erteilten streitgegenständlichen (Teil-)Baugenehmigungen zur Errichtung namentlich eines Legehennenstalls für maximal 14.612 Hennen mit Kotübergabehalle und Futtermittelsilos auf dem Vorhabengrundstück verletzen die Kläger zu 1. und 4. nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
9Die angefochtenen Baugenehmigungen sind nachbarrechtlich hinreichend bestimmt (dazu 1.). Die Kläger haben gegen die genehmigte Legehennenanlage keinen Aufhebungsanspruch aus § 4 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1 UmwRG (dazu 2.).
10Das genehmigte Vorhaben verstößt nicht zum Nachteil der Kläger gegen § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB i. V. m. dem Gebot der Rücksichtnahme (dazu 3.). Soweit die Kläger außerdem die Verletzung etwa von Vorschriften des Wasserrechts oder des Naturschutzrechts rügen, kann daraus keine subjektive Rechtsverletzung folgen. Diese Normkomplexe sind nicht nachbarschützend. Eine zwar objektiv rechtswidrige, aber konkrete Nachbarrechte nicht verletzende Baugenehmigung vermittelt dem Bauherrn eine durch den Nachbarn nicht mit Erfolg angreifbare Rechtsposition.
11Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Juni 1980 - IV C 31.77 - , BRS 36 Nr. 185 = juris Rn. 17; OVG NRW, Beschluss vom 29. August 2011 - 2 A 547/11 -, BauR 2012, 81 = juris Rn. 15.
121. Die im Streit stehenden Baugenehmigungen sind nachbarrechtlich hinreichend bestimmt.
13Das Bestimmtheitsgebot des § 37 Abs. 1 VwVfG NRW in seiner nachbarrechtlichen Ausprägung verlangt, dass sich der Baugenehmigung und den genehmigten Bauvorlagen mit der erforderlichen Sicherheit entnehmen lassen muss, dass nur solche Nutzungen erlaubt sind, die Nachbarrechte nicht beeinträchtigen können. Ist eine Baugenehmigung in dieser Hinsicht inhaltlich nicht hinreichend bestimmt, führt dies zu einem Abwehrrecht des Nachbarn, wenn sich die Unbestimmtheit gerade auf solche Merkmale des Vorhabens bezieht, deren genaue Festlegung erforderlich ist, um eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften auszuschließen und - zusätzlich - wenn die insoweit mangelhafte Baugenehmigung aufgrund dessen ein Vorhaben zulässt, von dem der Nachbar konkret unzumutbare Auswirkungen zu befürchten hat. Wie weit das nachbarrechtliche Bestimmtheitserfordernis im Einzelnen reicht, beurteilt sich nach dem jeweils anzuwendenden materiellen Recht.
14Vgl. etwa OVG NRW, Urteile vom 15. Mai 2013 - 2 A 3009/11 -, BauR 2013, 1640 = juris Rn. 41, und vom 29. Oktober 2012 - 2 A 723/11 -, juris Rn. 35.
15Diesen Anforderungen werden die angegriffenen Baugenehmigungen gerecht. Sie legen die wesentlichen nachbarrechtsrelevanten Merkmale des Legehennenstahls des Beigeladenen hinreichend klar fest. Auf dieser Grundlage ist die Überprüfung der Nachbarrechtskonformität der Anlage sowohl für das Gericht als auch für die Nachbarn möglich. Aus den Genehmigungen und den zugehörigen Genehmigungsunterlagen geht hervor, dass der Beigeladene auf dem Vorhabengrundstück - gemäß der 2. Nachtragsbaugenehmigung vom 2. September 2010 - einen Legehennenstall mit maximal 14.612 Hennen betreiben darf. Die maßgeblichen Emissions- und Immissionsparameter des Betriebs, die für die Prüfung des Gebots der Rücksichtnahme zentral sind, schreibt bereits die (Haupt-)Baugenehmigung vom 17. Dezember 2009 fest. Die Auflage BGX11a inkorporiert die Stellungnahme des Umweltressorts vom 18. August 2009, die u. a. für die im Außenbereich belegenen Grundstücke der Kläger einen (äußeren) Geruchsimmissionszielwert von 0,25 und Geräuschimmissionszielwerte von 60 dB(A) am Tag und 45 dB(A) in der Nacht aufstellt. Außerdem macht die Baugenehmigung auf diesem Weg die Immissionsprognosen vom 6. Juli 2009 (hinsichtlich der Geräuschimmissionen) und vom 20. Juli 2009 (hinsichtlich Gerüchen sowie Ammoniak und Stickstoffdepositionen) zum Bestandteil der Baugenehmigung. Damit sind gleichzeitig die betrieblichen Rahmenbedingungen für die Legehennenanlage verlässlich überprüfbar festgelegt. Die Abluftmengen müssen über Abluftschächte abgeleitet werden, deren Austrittsöffnungen sich mindestens 10 m über Erdgleiche befinden müssen. Die Austrittsgeschwindigkeit der Abluft darf eine Geschwindigkeit von 7 m/s nicht unterschreiten. Dass diese Auflagen, von deren Einhaltung die Geruchsimmissionsbelastung wesentlich abhängt, unverändert fortgelten, stellt der 2. Nachtrag vom 2. September 2010 ausdrücklich klar.
16Alle weiteren Gesichtspunkte des Anlagenbetriebs im Einzelnen, welche die Kläger mit Blick auf die Bestimmtheit aufgreifen, betreffen dann nicht mehr deren Regelungsbereich, sondern sind materiell im Zusammenhang mit dem Rücksichtnahme-gebot zu behandeln.
17Sollte sich der Beigeladene in der Vergangenheit bei der Errichtung und dem Betrieb der Legehennenanlage verschiedentlich baurechtswidrig verhalten haben oder der Anlagenbetrieb auch gegenwärtig womöglich in Teilbereichen formell illegal sein, wie die Kläger etwa mit Blick auf den Umfang der Einstallung der Hennen innerhalb der Anlage geltend machen, ist dies keine Frage der Bestimmtheit auf Genehmigungsebene, sondern der Anlagenüberwachung.
18Vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 4. Februar 2000- 4 B 106.99 -, BRS 63 Nr. 172 = juris Rn. 2; OVG NRW, Beschluss vom 23. April 2013 - 2 B 141/13 - BauR 2013, 1251 = juris Rn. 29.
19Abgesehen davon begründet ein formell illegales Verhalten des Betreibers aus sich heraus noch keinen Abwehranspruch des Nachbarn.
20Vgl. z. B. OVG NRW, Beschluss vom 26. November 2013 - 2 A 1227/13 -, juris Rn. 8.
212. Die Kläger haben gegen die genehmigte Legehennenanlage keinen Aufhebungsanspruch aus § 4 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1 UmwRG
22Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG in der Neufassung vom 8. April 2013 (BGBl. I S. 753) kann die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG verlangt werden, wenn eine nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung (Nr. 1) oder erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit nicht durchgeführt worden und nicht nachgeholt worden ist (Nr. 2). § 4 Abs. 1 UmwRG gilt gemäß § 4 Abs. 3 UmwRG auch für Rechtsbehelfe von Beteiligten nach § 61 Nr. 1 und Nr. 2 VwGO, mithin auch für natürliche Personen wie die Kläger. Dies bestimmte im Wesentlichen bereits die am 15. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2816) in Kraft getretene Ausgangsfassung des § 4 UmwRG, die im Zeitpunkt der Erteilung der (Teil-) im Streit stehenden Baugenehmigungen an den Beigeladenen Gültigkeit hatte.
23Vgl. zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt bei Nachbarklagen: BVerwG, Urteil vom 20. August 2008 - 4 C 11.07 -, BVerwGE 131, 352 = BRS 73 Nr. 173 = juris Rn. 21, Beschlüsse vom 23. April 1998 - 4 B 40.98 -, BRS 60 Nr. 178 = juris Rn. 3, und vom 22. April 1996 - 4 B 54.96 -, BRS 58 Nr. 157 = juris Rn. 4.
24§ 4 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1 UmwRG verändert gegenüber der allgemeinen Regelung des § 46 VwVfG die Begründetheitsprüfung. Hat die Behörde eine Umweltverträglichkeitsprüfung fehlerhaft unterlassen, ist dieser Fehler erheblich, ohne dass es darauf ankommt, ob die verletzten Verfahrensvorschriften der Gewährleistung eines materiellen subjektiven Rechts dienen und ob dieser Fehler die Sachentscheidung beeinflusst haben könnte. Der Verfahrensfehler führt zur Begründetheit der Klage, unabhängig von den sonst durch § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO geltenden einschränkenden Maßgaben. Insoweit wird auch dem einzelnen Individualkläger eine selbständig durchsetzbare Verfahrensposition eingeräumt.
25Vgl. BVerwG, Urteile vom 17. Dezember 2013- 4 A 1.13 -, juris Rn. 41, und vom 2. Oktober 2013- 9 A 23.12 -, NVwZ 2014, 367 = juris Rn. 21, Beschluss vom 27. Juni 2013 - 4 B 37.12 -, BauR 2013, 2014 = juris Rn. 10, Urteil vom 21. Dezember 2011- 9 A 30.10 -, DVBl. 2012, 501 = juris Rn. 20.
26Gleichwohl haben die Kläger gegenüber dem genehmigten Vorhaben des Beigeladenen keinen Aufhebungsanspruch aus § 4 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1 UmwRG. Für dieses besteht weder eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung noch eine Pflicht zur Durchführung einer UVP-Vorprüfung des Einzelfalls.
27Gemäß § 3 b Abs. 1 Satz 1 UVPG in der hier maßgeblichen Fassung vom 24. Februar 2010 (BGBl. I S. 94), die im Zeitpunkt der Erteilung des 2. Nachtrags vom 2. September 2010 gültig war, als die genehmigte Legehennenzahl mit maximal 14.612 Tieren endgültig festgeschrieben wurde, besteht die Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung für ein in der Anlage 1 aufgeführtes Vorhaben, wenn die zur Bestimmung seiner Art genannten Merkmale vorliegen. Sofern Größen- oder Leistungswerte angegeben sind, ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, wenn die Werte erreicht oder überschritten werden (§ 3 b Abs. 1 Satz 2 UVPG). Gemäß § 3 b Abs. 2 Satz 1 UVPG besteht die Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung auch, wenn mehrere Vorhaben derselben Art, die gleichzeitig von demselben oder mehreren Trägern verwirklicht werden sollen und in einem engen Zusammenhang stehen (kumulierende Vorhaben), zusammen die maßgeblichen Größen- oder Leistungswerte erreichen oder überschreiten. Ein enger Zusammenhang ist nach § 3 b Abs. 2 Satz 2 UVPG gegeben, wenn diese Vorhaben als technische oder sonstige Anlagen auf demselben Betriebs- oder Baugelände liegen und mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden sind (Nr. 1) oder als sonstige in Natur und Landschaft eingreifende Maßnahmen in einem engen räumlichen Zusammenhang stehen (Nr. 2) und wenn sie einem vergleichbaren Zweck dienen. Die Sätze 1 und 2 gelten nur für Vorhaben, die für sich jeweils die Werte für die standortbezogene Vorprüfung oder, soweit eine solche nicht vorgesehen ist, die Werte für die allgemeine Vorprüfung nach Anlage 1 Spalte 2 erreichen oder überschreiten (§ 3 b Abs. 2 Satz 3 UVPG).
28Wird der maßgebende Größen- oder Leistungswert durch die Änderung oder Erweiterung eines bestehenden bisher nicht UVP-pflichtigen Vorhabens erstmals erreicht oder überschritten, ist für die Änderung oder Erweiterung eine Umweltverträglichkeitsprüfung unter Berücksichtigung der Umweltauswirkungen des bestehenden, bisher nicht UVP-pflichtigen Vorhabens durchzuführen (§ 3 b Abs. 3 Satz 1 UVPG). Bestehende Vorhaben sind auch kumulierende Vorhaben i. S. d. § 3 b Abs. 2 Satz 1 UVPG (§ 3 b Abs. 3 Satz 2 UVPG).
29Gemäß § 3 c UVPG gilt hinsichtlich der Pflicht zur Vorprüfung des Einzelfalls Folgendes: Sofern in der Anlage 1 des UVPG für ein Vorhaben eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls vorgesehen ist, ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, wenn das Vorhaben nach Einschätzung der zuständigen Behörde aufgrund überschlägiger Prüfung unter Berücksichtigung der in der Anlage 2 aufgeführten Kriterien erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann, die nach § 12 UVPG zu berücksichtigen wären (Satz 1). Sofern für ein Vorhaben mit geringer Größe oder Leistung eine standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls vorgesehen ist, gilt Gleiches, wenn trotz der geringen Größe oder Leistung des Vorhabens nur aufgrund besonderer örtlicher Gegebenheiten gemäß den in der Anlage 2 Nr. 2 aufgeführten Schutzkriterien erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen zu erwarten sind (Satz 2). Bei den Vorprüfungen ist zu berücksichtigen, inwieweit Umweltauswirkungen durch die vom Träger des Vorhabens vorgesehenen Vermeidungs- und Verminderungsmaßnahmen offensichtlich ausgeschlossen werden (Satz 3). Bei der allgemeinen Vorprüfung ist auch zu berücksichtigen, inwieweit Prüfwerte für Größe oder Leistung, die die Vorprüfung eröffnen, überschritten werden (Satz 4). Für das erstmalige Erreichen oder Überschreiten und jedes weitere Überschreiten der Prüfwerte für Größe oder Leistung gilt § 3 b Abs. 2 Satz 1 und 2 und Abs. 3 UVPG entsprechend (Satz 5). Die Durchführung und das Ergebnis der Vorprüfung sind zu dokumentieren (Satz 6).
30Gemessen an diesen Maßstäben besteht für das genehmigte Vorhaben des Beigeladenen keine strikte UVP-Pflicht gemäß § 3 b Abs. 1, Abs. 2 UVPG und auch keine Vorprüfungspflicht nach § 3 c Satz 5 UVPG i. V. m. § 3 b Abs. 2 Satz 1 und 2, Abs. 3 Satz 1 UVPG. Die genehmigte Legehennenanlage allein erreicht die einschlägigen Größenwerte nicht. Die Voraussetzungen für eine kumulierende Betrachtung mit den anderen Legehennenanlagen des Beigeladenen nach § 3 b Abs. 2 Satz 1 und 2, Abs. 3 Satz 1 UVPG, die zu einem Erreichen oder einer Überschreitung der Größenwerte führen würde, liegen nicht vor.
31Die UVP-Pflichtigkeit der Errichtung und des Betriebs einer Anlage zur Intensivhaltung von Hennen ist in Nr. 7.1 der Anlage 1 zum UVPG geregelt. Nr. 7.1.1 der Anlage 1 sieht vor, dass eine obligatorische Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung bei 60.000 oder mehr Plätzen besteht. Eine Pflicht zur allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls besteht bei 40.000 bis weniger als 60.000 Plätzen (Nr. 7.1.2 der Anlage 1). Eine Pflicht zur standortbezogenen Vorprüfung greift ab 15.000 Plätzen bis weniger als 40.000 Plätzen (Nr. 7.1.3 der Anlage 1).
32Diese Schwellenwerte unterschreitet die genehmigte Legehennenanlage mit der genehmigten Höchstzahl von 14.612 Hennen. Eine kumulierende Betrachtung mit den zwei anderen Legehennenbetrieben des Beigeladenen O. Str. 130 mit über 30.000 Legehennen und O. Str. 37 mit mehr als 20.000 Legehennen gemäß § 3 b Abs. 2 Satz 1 und 2, Abs. 3 Satz 1 UVPG (i. V. m. § 3 c Satz 5 UVPG) scheidet aus mehreren Gründen aus.
33§ 3 b Abs. 2 Satz 1 UVPG greift schon deswegen nicht, weil die Verwirklichung der Vorhaben nicht gleichzeitig ist. Zudem mangelt es für eine kumulierende Betrachtung an den Anwendungsvoraussetzungen des § 3 b Abs. 2 Satz 3 UVPG, da die Legehennenanlage auf dem Vorhabengrundstück G. Weg 150 - wie gesagt - unterhalb des Schwellenwerts für eine standortbezogene Vorprüfung angesiedelt ist. Darüber hinaus ist zwischen den Legehennenanlagen des Beigeladenen kein enger Zusammenhang i. S. v. § 3 b Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 oder Nr. 2 UVPG und damit auch keine Änderung oder Erweiterung einer bestehenden Anlage nach§ 3 b Abs. 3 Satz 1 UVPG (i. V .m. § 3 c Satz 5 UVPG) gegeben.
34Da Änderungen - und als Unterfall Erweiterungen - nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UVPG rechtlich eigenständige Vorhaben sind, bilden sie strukturell einen Sonderfall der (nachträglichen) Kumulation. Änderungen und Erweiterungen sind im Verhältnis zum bestehenden Vorhaben von derselben Art. Sie müssen i. S. d. § 3 b Abs. 2 Satz 2 UVPG räumlich eng mit diesem Grundvorhaben wie bei einer Kumulation von Vorhaben zusammenhängen und solchermaßen eine gemeinsame Anlage bilden.
35Vgl. zu alledem BVerwG, Urteil vom 20. August 2008 - 4 C 11.07 -, BVerwGE 131, 352 = BRS 73 Nr. 173 = juris Rn. 22; OVG S.-H., Urteil vom 8. März 2013- 1 LB 5/12 -, juris Rn. 51 f.; Hess. VGH, Beschluss vom 14. Mai 2012 - 9 B 1918/11 -, NuR 2012, 493 = juris Rn. 25; Sangenstedt, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band I, Loseblatt, Stand August 2013, § 3 b UVPG Rn. 43 f.
36Das ist hier nicht der Fall.
37Ein enger Zusammenhang i. S. d. § 3 b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 UVPG ist nicht gegeben, weil die Legehennenanlagen des Beigeladenen nicht auf demselben Betriebsgelände liegen.
38Der in § 3 b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 UVPG legaldefinierte „enge Zusammenhang“ kumulierender Vorhaben in Gestalt einer gemeinsamen Anlage knüpft in Anlehnung an § 1 Abs. 3 der 4. BImSchV entscheidend an räumliche, nachrangig - gewissermaßen als Hilfskriterium - an betrieblich-technische Zusammenhänge an. Gemeinsame Betriebseinrichtungen sind Anlagenteile, Maschinen, Geräte und sonstige technische Vorkehrungen, die für den technischen Betrieb der Anlage Bedeutung haben. Sie müssen einem vergleichbaren Zweck dienen, weil sie nur dann kumulieren. Entscheidungserheblich für den „engen Zusammenhang“ ist bei kumulierenden Umweltauswirkungen der Vorhaben aber der räumliche Zusammenhang „desselben Betriebsgeländes“. Dem(selben) Betriebsgelände wird nach der Verkehrsanschauung noch das tatsächlich angrenzende Gelände wie z. B. Zufahrtswege, Begrünung, Abstellflächen etc. zugerechnet. Im Weiteren kommt es auf eine wertende Gesamtbetrachtung aller Umstände an. Wegen der gemäß § 3 b Abs. 2 Satz 1 UVPG nicht notwendigen Trägeridentität ist das Betriebsgelände im UVP-rechtlichen Verständnis von vornherein weiter zu fassen, als bei der gemeinsamen Anlage nach § 1 Abs. 3 der 4. BImSchV, wobei sich dieser im Normwortlaut angelegte Unterschied bei der gebotenen umfassenden Anwendung eines materiellen UVP- wie immissionsschutzrechtlichen Betreiberbegriffs nivellieren wird. Von einer gemeinsamen Anlage i. S. v. § 3 b Abs. 2 Satz 2 UVPG kann bei gegebenem räumlichem Zusammenhang und vergleichbarem Zweck daher UVP- wie immissionsschutzrechtlich auch dann gesprochen werden, wenn die mehreren Teilanlagen denselben Betreiber haben. Unter Umweltgesichtspunkten ist es ohne Belang - und dies begründet die nur nachrangige Bedeutung der gemeinsamen Betriebseinrichtungen -, ob Vorhaben, die an einem Standort in engem räumlichen Zusammenhang durchgeführt werden sollen, mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden sind oder sich ohne technische Verbindung nur nebeneinander befinden. § 3 b Abs. 2 UVPG bezieht sogar unterschiedliche Träger in den Kumulationstatbestand ein. Dies alles führt dazu, dass unter „dasselbe Betriebsgelände“ erst recht ein Sachverhalt subsumiert werden kann, in dem Flächen zugleich Betriebsgelände einer anderen - möglicherweise technisch getrennten - Anlage sind und diese Anlage denselben Betreiber hat. Das für sich allein ausreichende räumliche Näheverhältnis ist auch dann zu bejahen, wenn formal selbständige Anlagen sich als einheitlicher Komplex darstellen.
39Vgl. OVG S.-H., Urteil vom 8. März 2013 - 1 LB 5/12 -, juris Rn. 56 f.; Dienes, in: Hoppe/Beckmann, UVPG, 4. Aufl. 2012, § 3 b Rn. 27 ff.; Sangenstedt, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band I, Loseblatt, Stand August 2013, § 3 b UVPG Rn. 29 ff.
40Diese teleologische Auslegung des § 3 b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 UVPG ist Ausdruck des UVP-rechtlichen Leitgedankens, dass die (europarechtswidrige, weil dem Sinn und Zweck von Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 UVP-Änderungsrichtlinie 97/11/EG vom 14. März 1997 - Abl. Nr. L 073, S. 5 - i. V. m. deren Anhängen I und II widersprechende) künstliche Aufspaltung von an sich UVP-pflichtigen Vorhaben durch sukzessive Vorhabenerweiterungen vermieden und eine Gesamtbewertung der Umweltauswirkungen kumulierender Vorhaben unabhängig davon erreicht werden soll, ob sie einem oder mehreren Vorhabenträgern zugeordnet und wie sie im Einzelnen technisch ausgestaltet sind.
41Vgl. OVG S.-H., Urteil vom 8. März 2013 - 1 LB 5/12 -, juris Rn. 52 unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 21. September 1999 - C-392/96 -, ZUR 2000, 284 = juris; Dienes, in: Hoppe/Beckmann, UVPG, 4. Aufl. 2012, § 3 b Rn. 10 und 38 jeweils mit Hinweis auf die Begründung des Entwurfs des Gesetzes u. a. zur Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie, BT-Drs. 14/5750, S. 127.
42Danach haben die Legehennenanlagen G. Weg 150, O. Str. 130 und O. Str. 37 nicht den notwendigen räumlichen Zusammenhang „desselben Betriebsgeländes“ i. S. d. § 3 b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 UVPG, der die Anlagen dem Betrachter nach der Verkehrsanschauung als UVP-rechtlich einheitlich zu bewertende Gesamtanlage erscheinen lassen würde. Die Entfernung des Betriebs O. Str. 130 zum Vorhabengrundstück beträgt ca. 1.000 m, diejenige des Betriebs O. Str. 37 etwa 1.600 m. Wie der Ortstermin am 19. März 2014 bestätigt hat, steht die streitgegenständliche Legehennenanlage auf dem Vorhabengrundstück G. Weg 150 für sich allein. Die anderen Legehennenbetriebe sind von dort aus nicht zu sehen, so dass sich auch kein optischer Zusammenhang bietet. Ohne den im Ausgangspunkt im Rahmen des § 3 b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 UVPG unverzichtbaren räumlichen Zusammenhang kann die Betreiberidentität den engen Zusammenhang für sich genommen nicht herstellen. Die verschiedenen Legehennenanlagen bilden keinen einheitlichen Komplex.
43Die Legehennenanlagen des Beigeladenen stehen auch nicht als sonstige in Natur und Landschaft eingreifende Maßnahmen in einem engen räumlichen Zusammenhang i. S. v. § 3 b Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 UVPG.
44Diese „Maßnahmen“ bilden innerhalb der Systematik des § 2 Abs. 2 Nr. 1 c) UVPG eine Auffangkategorie für Vorhaben, die nicht zweifelsfrei als (bauliche) „Anlagen“ betrachtet werden können. Beispiele sind bestimmte wasserwirtschaftliche Vorhaben oder forstliche Vorhaben.
45Vgl. Sangenstedt, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band I, Loseblatt, Stand August 2013, § 3 b UVPG Rn. 33.
46Demzufolge fehlt es an einem engen Zusammenhang zwischen den Legehennenanlagen des Beigeladenen i. S. v. § 3 b Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 UVPG schon deshalb, weil die Bestimmung wegen ihres Auffangcharakters diese baulichen Anlagen, die bereits vorrangig anhand von § 3 b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 UVPG zu beurteilen sind, nicht erfasst.
473. Das genehmigte Vorhaben verstößt nicht zum Nachteil der Kläger gegen § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB i. V. m. dem Gebot der Rücksichtnahme. Die streitige Legehennenanlage wird in ihrem genehmigten Umfang die Grundstücke der Kläger zu 1. und 4. G. Weg 189 und G. Weg 210 aller Voraussicht nach keinen schädlichen Umwelteinwirkungen in Gestalt von Geruchsimmissionen (dazu a), von Ammoniak (dazu b), von Stickstoffdepositionen (dazu c) und von Bioaerosolen (dazu d) aussetzen. Aller Voraussicht nach wird es infolge der angefochtenen Baugenehmigungen in Bezug auf die Grundstücke G. Weg 189 und G. Weg 210 auch nicht zu unzumutbaren Geräuschimmissionen (dazu e) oder zu unzumutbaren Verkehrs- und Erschließungsverhältnissen (dazu f) kommen.
48a) Die streitbefangene Legehennenanlage wird in Bezug auf die Grundstücke G. Weg 189 und G. Weg 210 aller Voraussicht nach keine schädlichen Umwelteinwirkungen in Gestalt von Geruchsimmissionen verursachen.
49aa) Der für die Außenbereichsgrundstücke der Kläger materiell anzusetzende Geruchsimmissionswert beträgt jedenfalls 0,20/20 % Jahresgeruchsstundenhäufigkeit.
50Die Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) entfaltet für das Gericht keine Bindungswirkung. Sie darf aber im Einzelfall im Rahmen der tatrichterlichen Bewertung der Zumutbarkeit von Geruchsimmissionen als Orientierungshilfe herangezogen werden. Dabei ist zu beachten, dass zur Frage der Zumutbarkeit von Geruchsimmissionen jeweils eine umfassende Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu erfolgen hat. Demgemäß legt Nr. 3.1 Abs. 1 GIRL in Tabelle 1 für verschiedene Nutzungsgebiete Immissionswerte für die Beurteilung von Geruchsimmissionen fest und bestimmt Nr. 3.1 Abs. 4 GIRL, dass Geruchsimmissionen in der Regel durch die Geruchsqualität, das Ausmaß durch die Feststellung von Gerüchen ab ihrer Erkennbarkeit und über die Definition der Geruchsstunde sowie die Dauer durch die Ermittlung der Geruchshäufigkeit hinreichend berücksichtigt werden. Regelmäßiger Bestandteil dieser Beurteilung ist gemäß Nr. 3.1 Abs. 5 GIRL aber auch die Prüfung, ob Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer Prüfung nach Nr. 5 GIRL für den jeweiligen Einzelfall bestehen.
51Vgl. zum Ganzen BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 2010 - 4 B 29.10 -, BRS 76 Nr. 191 = juris Rn. 3; OVG NRW, Urteile vom 2. Dezember 2013 - 2 A 2652/11 -, DVBl. 2014, 722 = juris Rn. 72, und vom 30. November 2012 - 2 D 95/11.NE -, juris Rn. 39, Beschluss vom 29. Oktober 2010 - 2 A 1475/09 -, BRS 76 Nr. 193 = juris Rn. 12 ff.
52Diesen Ansatz weiterverfolgend sieht Nr. 5 b) GIRL vor, dass für die Beurteilung, ob schädliche Umwelteinwirkungen durch Geruchsimmissionen hervorgerufen werden, ein Vergleich der nach dieser Richtlinie zu ermittelnden Kenngrößen mit den in Tabelle 1 festgelegten Immissionswerten u. a. nicht ausreichend ist, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass wegen der außergewöhnlichen Verhältnisse hinsichtlich Hedonik und Intensität der Geruchswirkung, der ungewöhnlichen Nutzungen in dem betroffenen Gebiet oder sonstiger atypischer Verhältnisse trotz Einhaltung der Immissionswerte schädliche Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden (z. B. Ekel und Übelkeit auslösende Gerüche) oder trotz Überschreitung der Immissionswerte eine erhebliche Belästigung der Nachbarschaft oder der Allgemeinheit durch Geruchsimmissionen nicht zu erwarten ist (z. B. bei Vorliegen eindeutig angenehmer Gerüche). In derartigen Fällen ist zu ermitteln, welche Geruchsimmissionen insgesamt auftreten können und welchen Anteil daran der Betrieb von Anlagen verursacht, die nach Nr. 3.1 Abs. 1 GIRL zu betrachten sind. Anschließend ist zu beurteilen, ob die Geruchsimmissionen als erheblich anzusehen sind und ob die Anlagen hierzu relevant beitragen. Die Erheblichkeit - stellt Nr. 5 GIRL klar - ist keine absolut festliegende Größe. Sie kann in Einzelfällen nur durch Abwägung der dann bedeutsamen Umstände festgestellt werden. Dabei sind - unter Berücksichtigung der eventuell bisherigen Prägung eines Gebietes durch eine bereits vorhandene Geruchsbelastung (Ortsüblichkeit) - insbesondere folgende Beurteilungskriterien heranzuziehen: der Charakter der Umgebung, insbesondere die in Bebauungsplänen festgelegte Nutzung der Grundstücke, landes- oder fachplanerische Ausweisungen und vereinbarte oder angeordnete Nutzungsbeschränkungen, besondere Verhältnisse in der tages- und jahreszeitlichen Verteilung der Geruchseinwirkung sowie Art und Intensität der Geruchseinwirkung. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Grundstücksnutzung mit einer gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme belastet sein kann, die u. a. dazu führen kann, dass der Belästigte - etwa wegen Bestandsschutzes des Emittenten - in höherem Maß Geruchseinwirkungen hinnehmen muss.
53Der Sache nach sind diese - der Geruchsimmissionsbeurteilung angemessen flexiblen - Erwägungen zugleich Elemente der Zwischenwertbildung in Gemengelagen (Ortsüblichkeit, Priorität, Einzelfallumstände), fließen also bereits in die Findung des dort nach Lage der Dinge jeweils einschlägigen Immissionswerts ein.
54Vgl. zur Zwischenwertbildung bei Geruchsimmissionen: BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2010- 7 B 4.10 -, BauR 2011, 1304 = juris Rn. 32; OVG NRW, Urteil vom 2. Dezember 2013 - 2 A 2652/11 -, DVBl. 2014, 722 = juris Rn. 75, und vom 30. November 2012 - 2 D 95/11.NE -, juris Rn. 43 ff.
55Nach den Auslegungshinweisen zu Nr. 3.1 und zu Nr. 1 GIRL kann unter Prüfung der speziellen Randbedingungen des Einzelfalls bei der Geruchsbeurteilung im Außenbereich ein Wert bis zu 0,25/25 % Jahresgeruchsstunden für landwirtschaftliche Gerüche gegenüber Wohnnutzungen herangezogen werden. Im Zusammenhang mit der Ortsüblichkeit von landwirtschaftlichen Gerüchen ist zu beachten, dass der ländliche Raum historisch gewachsen ist. Landwirtschaftliche Aktivitäten mit entsprechend häufigen Geruchsemissionen können in einer unvermeidlichen Gemengelage bei gebotener gegenseitiger Akzeptanz und Rücksichtnahme der unterschiedlichen Nutzungen im ländlichen Bereich als ortsüblich hingenommen werden.
56Vgl. dazu OVG NRW, Urteile vom 2. Dezember 2013 - 2 A 2652/11 -, DVBl. 2014, 722 = juris Rn. 83, und vom 30. November 2012 - 2 D 95/11.NE -, juris Rn. 45 ff.
57Ausgehend von diesen Maßgaben beläuft sich der für die Außenbereichsgrundstücke der Kläger zu 1. und 4. G. Weg 189 und G. Weg 210 anzusetzende Geruchsimmissionswert unter Berücksichtigung der konkreten Einzelfallumstände materiell jedenfalls auf 0,20/20 % Jahresgeruchsstundenhäufigkeit.
58In diese Zwischenwertbildung ist einerseits einzustellen, dass die Grundstücke der Kläger - wie sie selbst vortragen - traditionell von landwirtschaftlichen Betrieben bzw. von landwirtschaftlichen Nutzungen umgeben sind. Der Berichterstatter des Senats konnte sich im Rahmen des Ortstermins am 19. März 2014 davon überzeugen, dass landwirtschaftliche Nutzung - sei sie nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB oder nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB privilegiert - die nähere Umgebung der Grundstücke der Kläger auch aktuell noch maßgeblich prägt. Dieses Nebeneinander mit einem starken Übergewicht landwirtschaftlicher Nutzungen im Verhältnis zu den vereinzelten Wohnhäusern im Bereich östlich der O. Str. entlang des G. Wegs rechtfertigt es, die Einzellagen der klägerischen Grundstücke nicht einem Dorfgebiet mit dem dort geltenden Immissionswert der Nr. 3.1 GIRL von 0,15/15 % anzugleichen. Eine§ 5 BauNVO auch nur annähernd vergleichbare Nutzungsstruktur findet sich hier nicht. Andererseits trifft es zu, dass die Grundstücke der Kläger sich im Deilbachtal in einem geschützten Landschaftsraum mit Naherholungsfunktion befinden. Dieser Umstand legt es zumindest nahe, das Geruchsschutzniveau im vorliegenden Fall nicht zugunsten der landschaftlichen Nutzung auf das regelmäßige Maximum von 0,25/25 % der Jahresstunden zu verschieben, wie es die Hauptbaugenehmigung vom 17. Dezember 2009 in der Auflage BGX11a i. V. m. der Stellungnahme des Umweltressorts vom 18. August 2009 als (äußere) Zielwertbestimmung formuliert.
59Ob dieser Zielwert korrekt ist, bedarf indes in der vorliegenden Fallgestaltung keiner abschließenden Entscheidung. Auch wenn er zu hoch angesetzt wäre, ergäbe sich daraus allein nach Lage der Einzelfallumstände noch kein Abwehranspruch der Kläger wegen eines Verstoßes gegen das Rücksichtnahmegebot.
60Genehmigungsrechtlicher Immissionsschutz kann grundsätzlich auch durch die Festlegung von Immissionsrichtwerten als Zielwert gewährt werden. Der Zielwert muss dazu in der konkreten Genehmigungssituation sowohl hinreichend bestimmt als auch grundsätzlich geeignet sein, Nachbarschutz sicherzustellen. Drohen die bei der Nutzung der genehmigten Anlage entstehenden Immissionen bei regelmäßigem Betrieb die für die Nachbarschaft maßgebliche Zumutbarkeitsgrenze mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu überschreiten, genügt es zur Sicherung der Nachbarrechte nicht, in der Baugenehmigung den maßgeblichen Immissionsrichtwert als Zielwert festzulegen und weitere Nebenbestimmungen vorzubehalten. Vielmehr muss die genehmigte Nutzung in diesen Fällen schon in der Baugenehmigung durch konkrete immissionsmindernde Regelungen eingeschränkt werden.
61Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. Februar 2013- 2 B 1336/12 -, BauR 2013, 1078 = juris Rn. 17 ff., m. w. N.
62Im Immissionsschutzauflagenprogramm der (Haupt-)Baugenehmigung vom 17. Dezember 2009 ist der Zielwert von 0,25/25 % in diesem regulativen Kontext nur ein eher formaler Randaspekt ohne absolute Verbindlichkeit für die Nachbarrechtskonformität. Die Einhaltung der nachbarrechtlichen Anforderungen gewährleisten die Auflage BGX11a und die Stellungnahme vom 18. August 2009 in erster Linie über die Festschreibung technischer Betriebsparameter für die Abluftführung und die Abluftgeschwindigkeit sowie die Deckelung der höchstzulässigen Tierzahl als immissionsmindernde Maßnahmen. Folglich sprechen Beklagte, Beigeladene, das Büro Richters und Hüls sowie das LANUV NRW im Klage- und Berufungsverfahren auch nicht durchgängig von einem „fixen Grenzwert“ 0,25/25 %, sondern von einem Richtwertfenster zwischen 0,20/20 % und 0,25/25 %, das nicht zuungunsten der Nachbarn verlassen werden darf. Entsprechend hat sich das LANUV NRW in seiner Stellungnahme vom 12. August 2009 eingelassen. Aufgrund dessen wären die angegriffenen Baugenehmigungen erst dann zu Lasten der Kläger wegen unzumutbarer Geruchsimmissionen nachbarrechtswidrig, wenn der materiell in Betracht zu ziehende Immissionszwischenwert von 0,20/20% bei dem genehmigten Anlagenbetrieb nicht hinreichend sicher eingehalten werden kann.
63bb) Das ist jedoch nach dem bisherigen Sach- und Streitstand nicht der Fall. Der Beigeladene hat danach nachgewiesen, dass die vorhabenbedingte Geruchsgesamtbelastung insbesondere auch der Grundstücke G. Weg 189 und G. Weg 210 deutlich unterhalb von 0,20/20 % Jahresgeruchsstunden bleibt.
64Ausweislich der zuletzt von Beigeladenenseite vorgelegten Geruchsimmissionsprognosen des Büros S. und I. vom 19. September 2013 und der Firma B. vom 16. September 2013 wird sich die Gesamtgeruchsbelastung am Grundstück des Klägers zu 1. G. Weg 189 unter Berücksichtigung von Kaltluftabflüssen und ohne Abluftfahnenüberhöhung genehmigungsbedingt lediglich auf rund 0,05/5 % (genau 0,53/5,3 %) Jahresgeruchsstunden belaufen. Unter denselben Prämissen summiere sich die Geruchsgesamtbelastung am Grundstück der Klägerin zu 4. G. Weg 210 voraussichtlich auf rund 0,04/4 % (genau 0,037/3,7 %).
65Vgl. zur Berücksichtigungsfähigkeit nach Genehmigungserteilung gewonnener sachverständiger Erkenntnisse: OVG NRW, Urteil vom 2. Dezember 2013 - 2 A 2652/11 -, DVBl. 2014, 722 = juris, Beschlüsse vom 23. April 2013 - 2 B 141/13 -, BauR 2013, 1251 = juris Rn. 9 f., und vom 3. August 2012 - 8 B 290/12 -, juris Rn. 9.
66Dass diese Prognose methodisch in ergebnisrelevanter Weise fehlerhaft ist, zeigen die Kläger nicht auf. Dies ist auch sonst ersichtlich.
67Den Nachberechnungen vom 19. September 2013 und vom 16. September 2013, die auf zuvor erstellte etliche Nachberechnungen von S. und I. aufsatteln, liegt zugunsten der Kläger ein pessimaler Ansatz zugrunde, der die im Verlauf des Verfahrens von den Klägern an der Geruchsimmissionsprognostik vorgebrachte Kritik teilweise aufgreift. So ist nunmehr der von den Klägern vorgelegten Stellungnahme des Deutschen Wetterdienstes vom 16. Januar 2012 Rechnung getragen und mit den Wetterdaten der Station M. -Schule gerechnet worden. Diese sind nach Auffassung des Deutschen Wetterdienstes für die Windausbeutungsverhältnisse am Vorhabenstandort am repräsentativsten. Darüber hinaus haben die Geruchsgutachter der Beigeladenen zuletzt ohne Abluftfahnenüberhöhung gearbeitet sowie im Rahmen der Ausbreitungsrechnung Kaltluftabflüsse modelliert. Auch haben sie eine Auslauffläche für die Legenhennen als bodennahe diffuse Emissionsquelle einbezogen.
68Soweit die Kläger vortragen, es sei nicht nachgewiesen, dass tatsächlich die Wetterdaten der Station M. -Schule herangezogen worden seien, ist dies ohne Substanz. Es besteht kein begründeter Zweifel daran, dass die diesbezügliche Aussage von S. und I. der Wahrheit entspricht.
69Der Angriff der Kläger, die „Immissionsberechnung unter Berücksichtigung von Kaltlufteinflüssen“ der Firma B1. vom 16. September 2013 sei nicht plausibel, weil das dabei verwendete Rechenprogramm KALAS nicht in einer VDI-Richtlinie validiert sei, und sie sei auch sonst für Außenstehende nicht nachvollziehbar, greift nicht durch.
70Das insoweit um Stellungnahme gebetene LANUV NRW hat unter den 22. Mai 2014 überzeugend erläutert, dass das Kaltluftmodell KALAS fachlich nicht zu beanstanden ist und belastbare Rechenergebnisse liefert. Dem LANUV NRW zufolge ist die Verwendung von KALAS eine Möglichkeit zur Berücksichtigung des Einflusses von Kaltluftflüssen in der Immissionsprognose. Die Darstellungen des Programms zeigten, dass das mit KALAS berechnete Strömungsverhalten für diese Fälle durchaus den Erwartungen entspreche. Die Einstufung einer Kaltluftflüsse erzeugenden Strahlungsnacht erfolge auf Basis der in der AKTerm enthaltenen Informationen über Windgeschwindigkeit und Stabilitätsklasse. Dieses Vorgehen sei nicht spezifisch für KALAS, sondern die gebräuchliche Herangehensweise im Bereich Immissionsschutz. Da meteorologisch ein gewisser Zusammenhang zwischen Ausbreitungsklasse und Bedeckungsgrad bestehe, ist diese Vorgehensweise aus Sicht des LANUV NRW sachgerecht. Der formale Umstand, dass KALAS bislang nicht in eine VDI-Richtlinie Eingang gefunden hat, sage über seine Heranziehbarkeit nichts Entscheidendes aus, zumal die einschlägige VDI-Richtlinie derzeit überarbeitet wird, um den aktuellen Stand der Technik aufzunehmen.
71Im Weiteren hebt das LANUV NRW zu Recht hervor, dass - solange es bindende normativen Vorgaben nicht gibt - nicht nur ein einziges Rechenmodell zur Berücksichtigung von Kaltluftabflüssen zu akzeptieren ist. Es ist ebenso denkbar, dass mehrere schlüssige Rechenwege - wie möglicherweise auch der von den Klägern angesprochene des TÜV Rheinland - nebeneinander existieren. Der Vorzug von KALAS liegt laut LANUV NRW in der Stellungnahme vom 22. Mai 2014 jedenfalls darin, dass das Programm in größerem Maß die komplexen Vorgänge von Kaltluftflüssen, ihre zeitliche Entwicklung sowie die Strahlungsverläufe berücksichtige. Dann kann aber gegen dessen Einsatz zur Erstellung einer möglichst realitätsnahen Prognose, welche die Geruchsausbreitung am Vorhabenstandort möglichst genau abbildet, nichts zu erinnern sein.
72Da das LANUV NRW in seiner Stellungnahme vom 22. Mai 2014 zudem darauf hinweist, dass die Berechnungen vom 16. September 2013 und vom 19. September 2013 Geruchszusatzbelastungen für das ganze Jahr darstellten, Kaltluftsituationen jedoch nur in einem vergleichsweise geringen Teil der Jahresstunden auftreten könnten, was bei der Betrachtung der Ergebnisse zu beachten sei, ist davon auszugehen, dass die letzten Geruchsimmissionsprognosen die Geruchsgesamtbelastung an den Grundstücken der Kläger sogar überschätzen, sich diese also in Wahrheit wohl in der Nähe der Irrelevanzschwelle der GIRL von 0,02/2 % bewegt, wie ursprünglich und in den diversen Nachberechnungen von S. und I. auch prognostiziert worden ist.
73Diese Einschätzung deckt sich mit dem tatrichterlichen Eindruck, den der Berichterstatter des Senats bei dem Ortstermin am 19. März 2014 gewonnen hat. Im Zeitpunkt der Begehung war an den Grundstücken G. Weg 189 und G. Weg 210 keinerlei Geruchsbelästigung wahrnehmbar. Angesichts der räumlichen Abschirmung der Grundstücke der Kläger gegen das Vorhabengrundstück durch Hügel und Wald sowie in Anbetracht des Umstands, dass der E. als einzig in Betracht kommender Transporteur von Kaltluftflüssen in einiger Entfernung von den Grundstücken der Kläger verläuft, besteht mit Blick auf die konkrete Örtlichkeit kein Anlass, die errechnete Geruchsimmissionsprognose im Wege der Einzelfallprüfung nach Nr. 5 GIRL zugunsten der Kläger zu korrigieren. Auch das LANUV NRW hat in seiner Stellungnahme vom 18. November 2011 betont, dass nichts dafür spricht, dass die rechnerischen Geruchsprognosen derart fehlerhaft sein könnten, dass die Geruchsbelastung an den klägerischen Grundstücken auch nur in die Nähe eines kritischen Immissionswerts gelangt.
74Für das Grundstück der Klägerin zu 4. G. Weg 210 gilt dies in besonderer Weise. Dieses deutlich oberhalb des E1. gelegene Grundstück ist mit ca. 8.000 m² Größe sehr weitläufig. Es verfügt nach dem Klägervorbringen über mehrere Terrassen. Das Wohnhaus ist von dichtem Bewuchs umgeben. Diese Gesamtsituation lässt nicht erkennen, inwieweit die Klägerin zu 4. durch den Betrieb der genehmigten Legehennenanlage von unzumutbaren Geruchsimmissionen betroffen sein könnte. Eine Intensivierung der Geruchsbelastung durch über das E2. geleitete Kaltluftpakete ist nach Lage der Dinge von der Hand zu weisen.
75Auch im Übrigen weist die genehmigungsgegenständliche Geruchsimmissionprognostik keine erheblichen methodischen Fehler auf.
76Namentlich verstößt die Prognose nicht gegen Anhang 3 Nr. 11 TA Luft .
77Nach dieser Bestimmung können Geländeunebenheiten in der Regel mit Hilfe eines mesoskalischen diagnostischen Windfeldmodells berücksichtigt werden, wenn die Steigung des Geländes den Wert 1:5 nicht überschreitet und wesentliche Einflüsse von lokalen Windsystemen oder anderen meteorologischen Besonderheiten ausgeschlossen werden können.
78Diese Vorgabe haben die Geruchsgutachter des Beigeladenen beachtet. Das Büro S. und I. hat im Verlauf des Verfahrens - und auch schon in seinem genehmigungsgegenständlichen Ausgangsgutachten vom 20. Juli 2009 - mehrfach erläutert, dass die Anwendung des diagnostischen Windfeldmodells des Programms AUSTAL2000 auch vorliegend sachgerecht sei, weil Steigungen von mehr als 1:5 im Rechengebiet nur in kleinen Bereichen und an dessen Rand aufträten. Das LANUV NRW hat diese Sichtweise etwa in seiner Stellungnahme vom 15. Dezember 2010 fachlich akzeptiert. Die Kläger tragen nicht substantiiert vor und es ist auch sonst nicht zu erkennen, warum diese fachbehördlich unterstützte Auffassung entscheidungsrelevant unzutreffend sein sollte. Dass das von den Klägern eingeforderte prognostische Windfeldmodell Überschreitungen des maßgebenden Geruchsimmissionswerts an den klägerischen Grundstücken zeitigen könnte, legen die Kläger nicht schlüssig dar.
79Schließlich ist die Geruchsvorbelastung durch andere Tierhaltungsbetriebe in der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks und der Grundstücke der Kläger nicht unterschätzt worden.
80Gemäß Nr. 4.4.2 GIRL ist das Beurteilungsgebiet die Summe der Beurteilungsflächen nach Nr. 4.4.3 GIRL, die sich vollständig innerhalb eines Kreises um den Emissionsschwerpunkt einer Radius befinden, der dem 30fachen der nach Nr. 2 GIRL ermittelten Schornsteinhöhe entspricht. Als kleinster Radius ist 600 m zu wählen. Die Auslegungshinweise zu Nr. 4.4.2 erläutern dazu, das Beurteilungsgebiet ist stets so zu legen bzw. von der Größe her so zu wählen, dass eine sachgerechte Beurteilung des jeweiligen Problems ermöglicht wird. In der Begründung und den Auslegungshinweisen zu Nr. 4.6 GIRL wird ebenfalls hervorgehoben, dass bei der Ermittlung der Gesamtbelastung durch Ausbreitungsrechnung die Geruchsemissionen der vorhandenen Quellen (Vorbelastung) und die der neuen Quellen (Zusatzbelastung) in einer gemeinsamen Rechnung Eingang finden und in diesem Fall alle das Beurteilungsgebiet beaufschlagenden Geruchsquellen in der Ausbreitungsrechnung erfasst werden müssen.
81Daran hat sich die Immissionsprognose des Büros S. und I. ausgerichtet. Es hat in seiner Nachberechnung vom 19. September 2013 auch die Ermittlung der Geruchsvorbelastung erklärt. Danach ist nach den aktuellen Vorgaben des LANUV NRW in seiner Stellungnahme vom 21. September 2012 für den Planzustand der beantragten Anlage eine Ausbreitungsberechnung zur Feststellung des relevanten Einwirkungsbereichs durchzuführen. Dies sei - so S. und I. - die Irrelevanzschwelle nach der GIRL mit einem maximalen Immissionswert von 0,02, im Gutachten dargestellt als Isolinie. Für alle immissionsbetroffenen Wohnhäuser innerhalb dieses Einwirkungsbereichs seien die Geruchswerte unter Berücksichtigung weiterer Geruchsquellen im zusätzlichen 600-m-Radius um jeden einzelnen Immissionspunkt zu berechnen. In Anwendung dessen seien die Hofstellen K. , C. und S1. (bzw. T. ) als Vorbelastung in den Blick zu nehmen.
82Das LANUV NRW hat diesen Ansatz zur Bestimmung der Geruchsvorbelastung in seiner Stellungnahme vom 21. September 2012 - bestätigt in der letzten Stellungnahme vom 22. Mai 2014 - für akzeptabel befunden. In der Tat erschließt sich auch nach der Ortsbesichtigung vom 19. März 2014 nicht, welche weiteren Tierhaltungsbetriebe außerdem als relevante Vorbelastung angesehen werden müssten, weil sie von außen relevant auf das Beurteilungsgebiet einwirken.
83Vgl. zu dieser Möglichkeit OVG NRW, Beschluss vom 9. Dezember 2013 - 8 A 1451/12 -, juris Rn. 32.
84Dies hat auch der Prozessbevollmächtigte der Kläger vor Ort nicht plausibel machen können. Die Legehennenanlagen des Beigeladenen an der O. Straße sind jedenfalls zu weit entfernt, um noch relevant auf die klägerischen Grundstücke mit Geruchsimmissionen einwirken zu können.
85Das Büro S. und I. hat bei der Ermittlung der Vorbelastung auch nicht mit zu geringen Tierplatzzahlen der Betriebe K. , C. und S1. (bzw. T. ) operiert.
86Die Immissionsprognostik hat an die legale Vorbelastung zu denken, d. h. daran, in welchem genehmigten Umfang die vorbelastende emittierende Anlage betrieben werden dürfte. Lässt sich den Genehmigungsakten indessen keine genehmigte Höchstzahl an Tierhaltungsplätzen entnehmen, darf der Gutachter von abgefragten tatsächlichen Tierzahlen in Verbindung mit bekundeten (realistischen) landwirtschaftlichen Betriebs- und etwaigen konkreten Erweiterungsinteressen ausgehen.
87Vgl. OVG NRW, Urteil vom 2. Dezember 2013 - 2 A 2652/11 -, DVBl. 2014, 722 = juris Rn. 102 ff., Beschluss vom 23. April 2013 - 2 B 141/13 -, BauR 2013, 1251 = juris Rn. 26 ff.
88Ausgehend hiervon sind die von S. und I. nach der Stellungnahme vom 19. September 2013 angesetzten Tierplatzzahlen die Betriebe K. , C. und S1. (T. ) nicht zu beanstanden. In den beigezogenen Bauakten für diese Hofstellen finden sich insoweit keine präzisen genehmigten Höchstwerte und damit auch kein Anknüpfungspunkt für die von den Klägern angeführten Großvieheinheiten. Von daher mögen die von S. und I. angegebenen jeweiligen Tierzahlen den tatsächlichen Bestand nach der derzeitigen Betriebsweise realistisch und für die Geruchsimmissionsprognose, die auf der sicheren Seite liegen muss, ausreichend wiedergeben. Verbleibende Unsicherheiten fängt die Berechnung vom 19. September 2013 durch möglichst pessimale Annahmen hinreichend auf. Die Berechnung der Vorbelastung ist ohne Berücksichtigung einer Abluftfahnenüberhöhung mit 100 % Turbulenz vorgenommen worden. Ferner ist für die Geruchsemissionen der Stallungen der Betriebe K. , C. und S1. eine Fenster-Tür-Lüftung mit bodennaher Emission unterstellt worden. Berücksichtigt man den erheblichen Abstand der für die Grundstücke G. Weg 189 und G. Weg 210 vorausgesagten Geruchsgesamtbelastung auch zu einem Immissionswert etwa von 0,20/20 % Jahresgeruchsstunden, spricht für eine entscheidungsrelevante Unterschätzung der Vorbelastung nichts.
89c) Die streitige Legehennenanlage wird namentlich auch an den Grundstücken G. Weg 189 und G. Weg 210 aller Voraussicht nach keine schädlichen Umwelteinwirkungen in Gestalt von Ammoniakeinträgen hervorrufen.
90Nach Nr. 4.8 TA Luft ist bei luftverunreinigenden Stoffen, für die in der TA Luft keine Immissionswerte festgelegt sind - wie u. a. für Ammoniak - eine (Sonderfall-)Prüfung, ob schädliche Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden, erforderlich, wenn hierfür hinreichende Anhaltspunkte bestehen. Bei der Prüfung, ob der Schutz vor erheblichen Nachteilen durch Schädigung empfindlicher Pflanzen und Ökosysteme durch die Einwirkung von Ammoniak gewährleistet ist, ist Anhang 1 Abbildung 4 heranzuziehen. Dabei gibt die Unterschreitung der Mindestabstände einen Anhaltspunkt für das Vorliegen erheblicher Nachteile. Anhang 1 zur TA Luft bestimmt u. a.: Wenn über eine Ausbreitungsrechnung nach Anhang 3 TA Luft unter Berücksichtigung der Haltungsbedingungen nachgewiesen wird, dass bei einem geringeren als nach Abbildung 4 zu ermittelnden Abstand eine Zusatzbelastung für Ammoniak von 3 µg/m³ an keinem maßgeblichen Beurteilungspunkt überschritten wird, gibt erst das Unterschreiten dieses neu ermittelten geringeren Abstands einen Anhaltspunkt auf das Vorliegen erheblicher Nachteile durch Schädigung empfindlicher Pflanzen und Ökosysteme aufgrund der Einwirkung von Ammoniak. Anhaltspunkte für das Vorliegen erheblicher Nachteile sind außerdem dann nicht gegeben, wenn die Gesamtbelastung an Ammoniak an keinem Beurteilungspunkt 10 µg/m³ überschreitet.
91Zieht man diese Maßstäbe heran, gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die genehmigte Anlage die Grundstücke der Kläger unzumutbar mit Ammoniak beaufschlagen könnte und eine Sonderfallprüfung erforderlich ist. Im Gutachten von S. und I. vom 20. Juli 2009 wird zur voraussichtlichen Ammoniakbelastung dargelegt, in welchem Bereich das Maximum einer Ammoniakzusatzbelastung von 3 µg/m³ erreicht wird. Diese Isoplethe endet in ihrer im Gutachten verzeichneten Ausdehnung weit vor den Grundstücken der Kläger. Auch im Hinblick auf diese Prognose hat das LANUV NRW keine durchgreifenden Einwände erhoben. Was die Plausibilität der Ausbreitungsberechnung für Ammoniak anbelangt, gilt das hinsichtlich der Geruchsimmissionen Ausgeführte entsprechend.
92d) Im Anschluss daran ist auch nicht zu erwarten, dass die in Rede stehende Legehennenanlage die Grundstücke der Kläger in schädlicher Weise durch Stickstoffdepositionen betrifft.
93Gemäß Nr. 4.8 TA Luft soll der Einzelfall geprüft werden, wenn sich Anhaltspunkte für das Vorliegen erheblicher Nachteile durch Schädigung empfindlicher Pflanzen und Ökosysteme wegen Stickstoffdepositionen ergeben. Dabei ist unter Berücksichtigung der Belastungsstruktur abzuschätzen, ob die Anlage maßgeblich zur Stickstoffdeposition beiträgt. Bei dieser Prüfung sind insbesondere die Art des Bodens, die Art der vorhandenen Vegetation und der Grad der Versorgung mit Stickstoff zu berücksichtigen.
94Auch anhand dieses Maßstabs ist das Erfordernis einer Sonderfallprüfung mit Blick auf Stickstoffdepositionen zu verneinen. Insoweit hat das Büro S. und I. in seinem Gutachten vom 20. Juli 2009 auf den „Leitfaden zur Ermittlung und Bewertung von Stickstoffeinträgen“ der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz abgestellt. Diesem zufolge sind erhebliche Nachteile durch Stickstoffdepositionen nicht zu erwarten, wenn 30 % des Beurteilungswerts für den betroffenen Naturraum nicht überschritten werden. Bei der Unterschreitung des Wertes von 4 kg N/(ha x a) muss keine Betrachtung der Stickstoffdeposition erfolgen.
95Der letztgenannte Wert wird nach der vorgelegten Prognose an keinem der Grundstücke der Kläger erreicht. Im Gutachten vom 20. Juli 2009 wird ausgeführt, im Bereich E. liege die höchste Belastung bei Immissionspunkt 9 mit einem Wert von 2,20 kg N/(ha x a). Auch diese Annahme hat das LANUV NRW nicht beanstandet.
96e) Im Hinblick auf die Grundstücke der Kläger ist nicht mit schädlichen Umwelteinwirkungen in Form von Bioaerosolen zu rechnen.
97Unter Bioaerosolen sind nach der Definition in dem Entwurf der VDI-Richtlinie 4250 alle im Luftraum befindlichen Ansammlungen von Partikeln zu verstehen, denen Pilze (Sporen, Konidien, Hyphenbruchstücke), Bakterien, Viren und/oder Pollen sowie deren Zellwandbestandteile und Stoffwechselprodukte (z. B. Endotoxine, Mykotoxine) anhaften bzw. die diese beinhalten oder bilden. Immissionswerte oder Emissionswerte sieht die TA Luft hierfür nicht vor. Insbesondere enthält sie in Bezug auf Bioaerosole kein Emissionsminderungsgebot. Es gibt bislang auch keine sonstigen Grenzwerte oder Orientierungswerte, die die Schädlichkeitsschwelle für Bioaerosole beschreiben. In Betracht kommt daher auch hier allenfalls eine Sonderfallprüfung nach Nr. 4.8 TA Luft, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Vorhaben schädliche Umwelteinwirkungen hervorruft.
98Vgl. OVG NRW, Urteil vom 30. Januar 2014 - 7 A 2555/11 -, juris Rn. 88, Beschluss vom 10. Mai 2010 - 8 B 992/09 -, juris Rn. 53.
99Dabei ist einzustellen, dass von Tierhaltungsbetrieben ausgehende luftgetragene Schadstoffe wie insbesondere Stäube-, Mikroorganismen, z. B. Pilzsporen und Endotoxine, grundsätzlich geeignet sein können, nachteilig auf die Gesundheit zu wirken. Wissenschaftliche Untersuchungen und Erkenntnisse darüber, von welcher Wirkschwelle an diese allgemeine Gefährdung in konkrete Gesundheitsgefahren für bestimmte Personengruppen umschlägt, sind indessen nicht bekannt. Es gibt weder ein anerkanntes Ermittlungsverfahren noch verallgemeinerungsfähige Untersuchungsergebnisse über die gesundheitliche Gefährdung der Nachbarschaft durch eine landwirtschaftliche oder gewerbliche Tierhaltung. Messtechnische Untersuchungen, die das LANUV NRW seit dem Jahr 2007 an Schweineställen und Legehennenställen betreibt, haben ergeben, dass sich eine Erhöhung bestimmter Parameter - insbesondere von Staphylokokken - an der in Windrichtung gelegenen Seite eines Legehennenstalls gegenüber der windabgewandten Seite, die der jeweiligen örtlichen Hintergrundbelastung entspricht, noch in einer Entfernung von bis zu 500 m nachweisen lässt. Daraus folgt aber nicht ohne Weiteres, dass bei derartigen Entfernungen auch mit gesundheitsgefährdenden Konzentrationen zu rechnen ist. Die ermittelten Immissionskonzentrationen lagen nach Einschätzung des LANUV NRW auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau und erreichten bei Weitem nicht die Konzentrationen, wie sie an Arbeitsplätzen gemessen werden.
100Vgl. wiederum OVG NRW, Urteil vom 30. Januar 2014 - 7 A 2555/11 -, juris Rn. 91 ff., Beschluss vom 10. Mai 2010 - 8 B 992/09 -, juris Rn. 55 ff.
101Ausgehend von diesem Erkenntnisstand greifen die immissionsschutzrechtliche Schutzpflicht und das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot als Instrumente der Gefahrenabwehr nicht ein, weil ungewiss ist, ob mit einem Schadenseintritt durch Bioaerosole zu rechnen ist. Potentiell schädliche Umwelteinwirkungen, ein nur möglicher Zusammenhang zwischen Emissionen und Schadenseintritt oder ein generelles Besorgnispotential können allerdings Anlass für Vorsorgemaßnahmen sein.
102Vgl. OVG NRW, Urteil vom 30. Januar 2014 - 7 A 2555/11 -, juris Rn. 95, Beschluss vom 10. Mai 2010 - 8 B 992/09 -, juris Rn. 62, m. w. N.
103Geht man davon aus, lässt sich ein Abwehranspruch der Kläger wegen einer Gesundheitsgefährdung durch Bioaerosole nicht begründen. Es gibt - zumal mit Blick auf die vorliegenden Ausbreitungsrechnungen für Geruchsimmissionen - keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass ihre Grundstücke in schädlicher Weise von Bioaerosolen, die von der Legehennenanlage des Beigeladenen ausgehen, unzumutbar beeinträchtigt werden könnten.
104e) Schädliche Umwelteinwirkungen in der Gestalt von Geräuschimmissionen durch die genehmigte Legehennenanlage sind für die Grundstücke der Kläger zu verneinen.
105Als Außenbereichsgrundstücke genießen die Grundstücke G. Weg 189 und G. Weg 210 das Lärmschutzniveau entsprechend der Nr. 6.1 c) TA Lärm von 60 dB(A) am Tag und 45 dB(A) in der Nacht.
106Vgl. zuletzt OVG NRW, Beschluss vom 8. April 2014 - 2 A 2761/13 -, juris Rn. 10.
107Diese Richtwerte werden ausweislich des Schallgutachtens vom 6. Juli 2009 an den klägerischen Grundstücken bei Weitem nicht erreicht. Laut dem Gutachten tritt die höchste vorhabenbedingte Lärmbelastung außerhalb des Vorhabengrundstücks selbst am Immissionspunkt 6 (G. Weg 129) mit prognostizierten 43,6 dB(A) tags und 38,9 dB(A) nachts auf. Dieser Immissionspunkt liegt dem Vorhabengrundstück nördlich des G. Wegs unmittelbar gegenüber. Mit Blick darauf ist nicht damit zu rechnen, dass der genehmigte Anlagenbetrieb an den viel weiter entfernten Grundstücken der Kläger zu einer relevanten Lärmzusatzbelastung führen könnte. Dies gilt umso mehr, als eine wesentliche Lärmquelle der betriebsbezogene Zu- und Abfahrtverkehr ist, der nach der Betriebsbeschreibung jedoch nicht an den Grundstücken der Kläger vorbeiführt. Er soll meistenteils über Anfahrten von der O. Str. aus erfolgen. Nach dem Eindruck aus dem Ortstermin vom 19. März 2014 gilt für die Geräuschimmissionen in ähnlicher Weise wie für die Geruchsimmissionen, dass die Lärmzusatzbelastung nach den faktischen Gegebenheiten in der konkreten Örtlichkeit als irrelevant erscheint. Dass die Lärmprognose in Anbetracht dessen entscheidungserhebliche, d. h. im Verhältnis zu den Klägern nachbarrechtsrelevante Fehler beinhalten könnte, ist auszuschließen.
108e) Zuletzt verstoßen die angefochtenen Baugenehmigungen auch nicht deswegen zum Nachteil der Kläger gegen das Gebot der Rücksichtnahme, weil sie in Bezug auf deren Grundstücke zu unzumutbaren Verkehrs- und Erschließungsverhältnissen führen würden.
Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot kann ausnahmsweise auch dann zu bejahen sein, wenn sich die Erschließungssituation eines Grundstücks durch eine vorhabenbedingte Überlastung einer das Grundstück des Betroffenen erschließenden Straße oder durch unkontrollierten Parksuchverkehr erheblich verschlechtert und die entstehende Gesamtbelastung infolgedessen bei Abwägung aller Belange unzumutbar ist.
109Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. Mai 2013 - 2 A 3009/11 -, BauR 2013, 1640 = juris Rn. 47, m. w. N.
110Eine derartige Ausnahmesituation ist nicht gegeben. Zum einen hat die Stadt Velbert in ihren Stellungnahmen vom 7. April 2009, vom 17. Juli 2009 und vom 27. Juli 2010 überzeugend begründet, dass und warum der G. Weg von seinem Querschnitt und seinem Ausbauzustand her grundsätzlich dazu in der Lage ist, den betriebsbedingten Zu- und Abfahrtverkehr zu der Legehennenanlage auf dem Vorhabengrundstück objektiv-rechtlich aufzunehmen. Die Erschließung ist insoweit gesichert. Nach der Ortsbegehung vom 19. März 2014 teilt der Berichterstatter des Senats diese Einschätzung. Der von den Klägern monierte schlechte Zustand des G. Wegs betrifft allenfalls den Abschnitt östlich bzw. nördlich des Vorhabengrundstücks, der von dem vorhabenbedingten Verkehr voraussichtlich in der Regel nicht in Anspruch genommen werden wird. Daraus folgt - zum anderen -, dass der durch die Genehmigung hervorgerufene Erschließungsverkehr die Grundstücke G. Weg 189 und G. Weg 210 nicht tangieren wird, die an jenem Abschnitt anliegen. Subjektive Rechte der Kläger werden durch die genehmigungsbedingten Erschließungsverhältnisse nicht verletzt.
1112. Anlass, den Kostenverteilungsmaßstab des voraussichtlichen Ausgangs des Rechtsstreits etwa mit Blick auf die Wertung des § 155 Abs. 4 VwGO oder aus anderen Billigkeitsgründen ganz oder teilweise zugunsten der Kläger zu 1. und 4. zu korrigieren, besteht nicht.
112§ 155 Abs. 4 VwGO, dessen Haftungsregelung in dem Prozessrechtsverhältnis zu den anderen Verfahrensbeteiligten wurzelt, knüpft die Kostentragung an ein Verschulden des Beteiligten. Er muss unter Außerachtlassung der erforderlichen und ihm zumutbaren Sorgfalt durch sein Verhalten einen anderen Beteiligten oder das Gericht zu Prozesshandlungen oder Entscheidungen veranlasst haben, die an sich nicht erforderliche Kosten verursacht haben.
113Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. Juli 2010 - 2 A 1263/09 -, juris Rn. 40, m. w. N.
114Dieser Gedanke greift hier nicht. Anders als von dem Prozessbevollmächtigten der Kläger im Schriftsatz vom 16. Juni 2014 vorgetragen, hat sich der Rechtsstreit nicht im Nachgang zu der Stellungnahme des LANUV NRW vom 22. Mai 2014, durch die klarstellende Neuzusammenstellung der Genehmigungsunterlagen durch die Beklagte vom 26. Mai 2014 oder durch anderweitige nachträgliche Korrekturen der Immissionsprognostik seitens des Beigeladenen erledigt. Beklagte und Beigeladener haben die Klageerhebung nicht vorwerfbar durch eine unterbliebene oder ganz unzureichende Beurteilung der genehmigten Immissionen im Vorfeld der Genehmigungserteilung veranlasst. Wie unter 1. dargelegt, hat sich im Verlauf des gesamten Verfahrens vielmehr bestätigt, dass auch unter der Annahme möglichst pessimaler Rahmenbedingungen insbesondere die Geruchsbelastung der Kläger unverändert deutlich unterhalb des einschlägigen Immissionsrichtwerts bleibt. Es ist damit nicht so, dass ein anfänglich gegebener Aufhebungsanspruch der Kläger erst infolge von Nachbesserungen der angegriffenen Genehmigungen durch die Beklagte und den Beigeladenen entfallen wäre. Im Gegenteil hat das Berufungsverfahren nach dem bisherigen Sach- und Streitstand erwiesen, dass ein solcher Aufhebungsanspruch der Kläger ersichtlich zu keinem Zeitpunkt bestanden hat.
115Die dem Beigeladenen entstandenen außergerichtlichen Kosten sind gemäß § 162 Abs. 3 VwGO für beide Instanzen erstattungsfähig. Dies entspricht der Billigkeit. Der Beigeladene hat auch das Berufungsverfahren durch eigenen Sachvortrag wesentlich gefördert.
116Die Streitwertfestsetzung für das Berufungsverfahren folgt aus §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG.
117Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.
(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.
(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.
(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung
- 1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient: - a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs, - b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder - c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
- 2.
städtebaulich vertretbar ist und - 3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
(4) Die Gemeinde kann durch Satzung
- 1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, - 2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind, - 3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass
- 1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind, - 2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und - 3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.
(1) Aufgabe der Bauleitplanung ist es, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde nach Maßgabe dieses Gesetzbuchs vorzubereiten und zu leiten.
(2) Bauleitpläne sind der Flächennutzungsplan (vorbereitender Bauleitplan) und der Bebauungsplan (verbindlicher Bauleitplan).
(3) Die Gemeinden haben die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist; die Aufstellung kann insbesondere bei der Ausweisung von Flächen für den Wohnungsbau in Betracht kommen. Auf die Aufstellung von Bauleitplänen und städtebaulichen Satzungen besteht kein Anspruch; ein Anspruch kann auch nicht durch Vertrag begründet werden.
(4) Die Bauleitpläne sind den Zielen der Raumordnung anzupassen.
(5) Die Bauleitpläne sollen eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt, und eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung gewährleisten. Sie sollen dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln sowie den Klimaschutz und die Klimaanpassung, insbesondere auch in der Stadtentwicklung, zu fördern, sowie die städtebauliche Gestalt und das Orts- und Landschaftsbild baukulturell zu erhalten und zu entwickeln. Hierzu soll die städtebauliche Entwicklung vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen.
(6) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind insbesondere zu berücksichtigen:
- 1.
die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung, - 2.
die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere auch von Familien mit mehreren Kindern, die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen, die Eigentumsbildung weiter Kreise der Bevölkerung und die Anforderungen kostensparenden Bauens sowie die Bevölkerungsentwicklung, - 3.
die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere die Bedürfnisse der Familien, der jungen, alten und behinderten Menschen, unterschiedliche Auswirkungen auf Frauen und Männer sowie die Belange des Bildungswesens und von Sport, Freizeit und Erholung, - 4.
die Erhaltung, Erneuerung, Fortentwicklung, Anpassung und der Umbau vorhandener Ortsteile sowie die Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche, - 5.
die Belange der Baukultur, des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege, die erhaltenswerten Ortsteile, Straßen und Plätze von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung und die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes, - 6.
die von den Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts festgestellten Erfordernisse für Gottesdienst und Seelsorge, - 7.
die Belange des Umweltschutzes, einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege, insbesondere - a)
die Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen, Fläche, Boden, Wasser, Luft, Klima und das Wirkungsgefüge zwischen ihnen sowie die Landschaft und die biologische Vielfalt, - b)
die Erhaltungsziele und der Schutzzweck der Natura 2000-Gebiete im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes, - c)
umweltbezogene Auswirkungen auf den Menschen und seine Gesundheit sowie die Bevölkerung insgesamt, - d)
umweltbezogene Auswirkungen auf Kulturgüter und sonstige Sachgüter, - e)
die Vermeidung von Emissionen sowie der sachgerechte Umgang mit Abfällen und Abwässern, - f)
die Nutzung erneuerbarer Energien sowie die sparsame und effiziente Nutzung von Energie, - g)
die Darstellungen von Landschaftsplänen sowie von sonstigen Plänen, insbesondere des Wasser-, Abfall- und Immissionsschutzrechts, - h)
die Erhaltung der bestmöglichen Luftqualität in Gebieten, in denen die durch Rechtsverordnung zur Erfüllung von Rechtsakten der Europäischen Union festgelegten Immissionsgrenzwerte nicht überschritten werden, - i)
die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Belangen des Umweltschutzes nach den Buchstaben a bis d, - j)
unbeschadet des § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, die Auswirkungen, die aufgrund der Anfälligkeit der nach dem Bebauungsplan zulässigen Vorhaben für schwere Unfälle oder Katastrophen zu erwarten sind, auf die Belange nach den Buchstaben a bis d und i,
- 8.
die Belange - a)
der Wirtschaft, auch ihrer mittelständischen Struktur im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung, - b)
der Land- und Forstwirtschaft, - c)
der Erhaltung, Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen, - d)
des Post- und Telekommunikationswesens, insbesondere des Mobilfunkausbaus, - e)
der Versorgung, insbesondere mit Energie und Wasser, einschließlich der Versorgungssicherheit, - f)
der Sicherung von Rohstoffvorkommen,
- 9.
die Belange des Personen- und Güterverkehrs und der Mobilität der Bevölkerung, auch im Hinblick auf die Entwicklungen beim Betrieb von Kraftfahrzeugen, etwa der Elektromobilität, einschließlich des öffentlichen Personennahverkehrs und des nicht motorisierten Verkehrs, unter besonderer Berücksichtigung einer auf Vermeidung und Verringerung von Verkehr ausgerichteten städtebaulichen Entwicklung, - 10.
die Belange der Verteidigung und des Zivilschutzes sowie der zivilen Anschlussnutzung von Militärliegenschaften, - 11.
die Ergebnisse eines von der Gemeinde beschlossenen städtebaulichen Entwicklungskonzeptes oder einer von ihr beschlossenen sonstigen städtebaulichen Planung, - 12.
die Belange des Küsten- oder Hochwasserschutzes und der Hochwasservorsorge, insbesondere die Vermeidung und Verringerung von Hochwasserschäden, - 13.
die Belange von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden und ihrer Unterbringung, - 14.
die ausreichende Versorgung mit Grün- und Freiflächen.
(7) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.
(8) Die Vorschriften dieses Gesetzbuchs über die Aufstellung von Bauleitplänen gelten auch für ihre Änderung, Ergänzung und Aufhebung.
(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.
(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.
(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.
(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung
- 1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient: - a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs, - b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder - c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
- 2.
städtebaulich vertretbar ist und - 3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
(4) Die Gemeinde kann durch Satzung
- 1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, - 2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind, - 3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass
- 1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind, - 2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und - 3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.
(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.
(2) Immissionen im Sinne dieses Gesetzes sind auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.
(3) Emissionen im Sinne dieses Gesetzes sind die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnlichen Erscheinungen.
(4) Luftverunreinigungen im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft, insbesondere durch Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole, Dämpfe oder Geruchsstoffe.
(5) Anlagen im Sinne dieses Gesetzes sind
- 1.
Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen, - 2.
Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge, soweit sie nicht der Vorschrift des § 38 unterliegen, und - 3.
Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können, ausgenommen öffentliche Verkehrswege.
(5a) Ein Betriebsbereich ist der gesamte unter der Aufsicht eines Betreibers stehende Bereich, in dem gefährliche Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (ABl. L 197 vom 24.7.2012, S. 1) in einer oder mehreren Anlagen einschließlich gemeinsamer oder verbundener Infrastrukturen oder Tätigkeiten auch bei Lagerung im Sinne des Artikels 3 Nummer 16 der Richtlinie in den in Artikel 3 Nummer 2 oder Nummer 3 der Richtlinie bezeichneten Mengen tatsächlich vorhanden oder vorgesehen sind oder vorhanden sein werden, soweit vernünftigerweise vorhersehbar ist, dass die genannten gefährlichen Stoffe bei außer Kontrolle geratenen Prozessen anfallen; ausgenommen sind die in Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU angeführten Einrichtungen, Gefahren und Tätigkeiten, es sei denn, es handelt sich um eine in Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU genannte Einrichtung, Gefahr oder Tätigkeit.
(5b) Eine störfallrelevante Errichtung und ein Betrieb oder eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs ist eine Errichtung und ein Betrieb einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, oder eine Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs einschließlich der Änderung eines Lagers, eines Verfahrens oder der Art oder physikalischen Form oder der Mengen der gefährlichen Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU, aus der sich erhebliche Auswirkungen auf die Gefahren schwerer Unfälle ergeben können. Eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs liegt zudem vor, wenn eine Änderung dazu führen könnte, dass ein Betriebsbereich der unteren Klasse zu einem Betriebsbereich der oberen Klasse wird oder umgekehrt.
(5c) Der angemessene Sicherheitsabstand im Sinne dieses Gesetzes ist der Abstand zwischen einem Betriebsbereich oder einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und einem benachbarten Schutzobjekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen auf das benachbarte Schutzobjekt, welche durch schwere Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU hervorgerufen werden können, beiträgt. Der angemessene Sicherheitsabstand ist anhand störfallspezifischer Faktoren zu ermitteln.
(5d) Benachbarte Schutzobjekte im Sinne dieses Gesetzes sind ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete, öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete, Freizeitgebiete, wichtige Verkehrswege und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete.
(6) Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen.
(6a) BVT-Merkblatt im Sinne dieses Gesetzes ist ein Dokument, das auf Grund des Informationsaustausches nach Artikel 13 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17) für bestimmte Tätigkeiten erstellt wird und insbesondere die angewandten Techniken, die derzeitigen Emissions- und Verbrauchswerte, alle Zukunftstechniken sowie die Techniken beschreibt, die für die Festlegung der besten verfügbaren Techniken sowie der BVT-Schlussfolgerungen berücksichtigt wurden.
(6b) BVT-Schlussfolgerungen im Sinne dieses Gesetzes sind ein nach Artikel 13 Absatz 5 der Richtlinie 2010/75/EU von der Europäischen Kommission erlassenes Dokument, das die Teile eines BVT-Merkblatts mit den Schlussfolgerungen in Bezug auf Folgendes enthält:
- 1.
die besten verfügbaren Techniken, ihrer Beschreibung und Informationen zur Bewertung ihrer Anwendbarkeit, - 2.
die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte, - 3.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Überwachungsmaßnahmen, - 4.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Verbrauchswerte sowie - 5.
die gegebenenfalls einschlägigen Standortsanierungsmaßnahmen.
(6c) Emissionsbandbreiten im Sinne dieses Gesetzes sind die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte.
(6d) Die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte im Sinne dieses Gesetzes sind der Bereich von Emissionswerten, die unter normalen Betriebsbedingungen unter Verwendung einer besten verfügbaren Technik oder einer Kombination von besten verfügbaren Techniken entsprechend der Beschreibung in den BVT-Schlussfolgerungen erzielt werden, ausgedrückt als Mittelwert für einen vorgegebenen Zeitraum unter spezifischen Referenzbedingungen.
(6e) Zukunftstechniken im Sinne dieses Gesetzes sind neue Techniken für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie, die bei gewerblicher Nutzung entweder ein höheres allgemeines Umweltschutzniveau oder zumindest das gleiche Umweltschutzniveau und größere Kostenersparnisse bieten könnten als der bestehende Stand der Technik.
(7) Dem Herstellen im Sinne dieses Gesetzes steht das Verarbeiten, Bearbeiten oder sonstige Behandeln, dem Einführen im Sinne dieses Gesetzes das sonstige Verbringen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich.
(8) Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie im Sinne dieses Gesetzes sind die in der Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 4 gekennzeichneten Anlagen.
(9) Gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe oder Gemische gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien
(10) Relevante gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind gefährliche Stoffe, die in erheblichem Umfang in der Anlage verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden und die ihrer Art nach eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück verursachen können.
Tenor
Auf die Beschwerde der Beigeladenen wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Minden vom 8. Oktober 2014 wie folgt abgeändert:
Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin VG Minden 11 K 1203/14 gegen den Genehmigungsbescheid des Antragsgegners vom 8. April 2014 wird wiederhergestellt, soweit der Beigeladenen der Betrieb der Anlage in dem Betriebszustandes A 2 gestattet wird.
Im Übrigen wird der Antrag der Antragstellerin mit der Maßgabe abgelehnt, dass der Antragsgegner den Bescheid vom 8. April 2014 bis zum 28. Februar 2015 um die Nebenbestimmung ergänzt, dass jedenfalls
im Betriebszustand D in der Betriebseinheit 2 a
ausschließlich der Bagger Liebherr LH 50 M eingesetzt wird.
Für den Fall, dass der Antragsgegner dieser Verpflichtung nicht nachkommt, wird die aufschiebende Wirkung der Klage VG Minden 11 K 1203/14 ab dem 1. März 2015 auch insoweit wiederhergestellt, als der Beigeladenen der Betrieb der Anlage in dem Betriebszustand D gestattet wird. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens beider Instanzen je zu 1/5, die Antragstellerin zu 3/5. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 7.500,00 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e:
2Die zulässige Beschwerde der Beigeladenen hat teilweise Erfolg.
3Die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO erforderliche Interessenabwägung fällt überwiegend zu Gunsten der Beigeladenen aus. Der angefochtene immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbescheid vom 8. April 2014 ist unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO beschränkt ist, mit hoher Wahrscheinlichkeit insoweit im Wesentlichen rechtmäßig, als der Betrieb der Anlage für die Betriebszustände A 1, B, C und D genehmigt wurde. Es spricht nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand Überwiegendes für die Annahme, dass insoweit Vorschriften, die die Antragstellerin als Nachbarin schützen, nicht verletzt werden, wenn der Bescheid um die im Tenor erwähnte Nebenbestimmung ergänzt wird. Nur hinsichtlich des genehmigten Betriebszustandes A 2 dürfte wegen der Überschreitung des Lärmgrenzwerts etwas anderes gelten.
4Bei einem Einsatz des Baggers Liebherr LH 50 M gehen von dem Betrieb der Anlage in den alternativ genehmigten Betriebszuständen A 1, B, C und D keine die Antragstellerin erheblich belästigende Lärmauswirkungen aus. Die voraussichtliche Gesamtbelastung in diesen Betriebszuständen liegt unter dem maßgeblichen Immissionswert von 60 dB(A), während im Betriebszustand A 2 die prognostizierte Zusatzbelastung mit einem Wert von 60.61 dB(A) diesen Immissionswert überschreitet (a).
5Wird nicht der Bagger Liebherr LH 50 M eingesetzt, überschreitet die von dem Betrieb der Beigeladenen verursachte Zusatzbelastung dagegen sowohl in dem Betriebszustand A 2 als auch in dem Betriebszustand D voraussichtlich den maßgeblichen Immissionswert von 60 dB(A). Diese Lärmwertüberschreitung ist weder irrelevant noch kommt eine Rundung in Betracht. In den übrigen Betriebszuständen kommt es dagegen auch bei einem Einsatz eines alten Baggers nicht zu Immissionswertüberschreitungen (b).
6Die gerichtliche Abwägung zwischen dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin und dem Vollzugsinteresse des Antragsgegners und der Beigeladenen führt vor diesem Hintergrund zu der modifizierten teilweisen Ablehnung des Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang (c).
7Rechtsgrundlage der immissionsschutzrechtlichen Teilgenehmigung ist § 8 Satz 1 i. V. m. §§ 5, 6 BImSchG. Nach diesen Vorschriften soll die hier nach § 4 BImSchG i. V. m. Nr. 10.17 - Spalte 1 - des Anhangs der 4. BImSchV erforderliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb eines Teils einer Anlage dann erteilt werden, wenn - neben anderen Voraussetzungen - die Genehmigungsvoraussetzungen für den beantragten Gegenstand der Teilgenehmigung vorliegen. Hierzu gehört unter anderem, dass sichergestellt ist, dass - bezogen auf den beantragten Teil - die sich aus § 5 BImSchG ergebenden Pflichten erfüllt werden. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen (§ 3 Abs. 1 BImSchG) und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können.
8Unter welchen Voraussetzungen Geräuschimmissionen schädlich i. S. v. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG sind, wird durch die Sechste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm - TA Lärm -) vom 26. August 1998 (GVBl. S. 503) bestimmt. Gemäß Nr. 3.2.1 Abs. 1 TA Lärm ist der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen sichergestellt, wenn die Gesamtbelastung am maßgeblichen Immissionsort die Immissionsrichtwerte nach Nr. 6 TA Lärm nicht überschreitet.
9Ob der Schutz der Nachbarn gewährleistet ist, ist am genehmigten Nutzungsumfang zu messen. Dabei ist nicht von einer rein fiktiven Belastung auszugehen, sondern eine realistische (Lärm-)Prognose anzustellen.
10Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 1992 ‑ 4 C 50.89 -, NJW 1992, 2170, juris Rn. 20; OVG NRW, Beschluss vom 3. Mai 2012 – 8 B 1458/11-, NVwZ-RR 2012, 841 (Leitsatz), juris Rn. 36; HessVGH,Beschluss vom 30. Januar 2012 - 4 B 2379/11 -,juris Rn. 9.
11Es ist Sache des Anlagenbetreibers, im Genehmigungsverfahren den Nachweis zu erbringen, dass die zur Genehmigung gestellte Anlage die einschlägigen Anforderungen der TA Lärm einhält. An die insoweit im Genehmigungsverfahren vorzunehmende prognostische Einschätzung einer Einhaltung der Immissionsrichtwerte sind insoweit hohe Anforderungen zu stellen, als sie in jedem Fall "auf der sicheren Seite" liegen muss.
12Vgl. zur Problematik hinsichtlich der Überwachung von Windenergieanlagen OVG NRW, Beschluss vom 13. Juli 2006 - 8 B 39/06 -, NVwZ 2007, 967, juris Rn. 23 f., m. w. N.
13Der Prognose des maßgeblichen Schallleistungspegels kommt herausragende Bedeutung zu, weil der Schallleistungspegel Grundlage für eine auf die maßgeblichen Immissionsorte bezogene Ausbreitungsrechnung ist, die ihrerseits "auf der sicheren Seite" liegen muss.
14Vgl. grundlegend OVG NRW, Urteil vom 18. November 2002 - 7 A 2127/00 -, BauR 2003, 517, juris Rn. 61, und Beschluss vom 2. April 2003 ‑ 10 B 1572/02 -, BauR 2004, 475, juris Rn. 6.
15Anderenfalls würden die regelmäßig nicht zu vermeidenden Unsicherheiten bei der nachträglichen Kontrolle, ob der bei der Genehmigung vorausgesetzte Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen tatsächlich gewahrt ist, zu Lasten der zu schützenden Betroffenen gehen. Diese Sichtweise ist angesichts des hohen Werts der Güter, die mit der Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen geschützt werden sollen, auch mit Blick auf die - in erster Linie wirtschaftlichen - Interessen des Vorhabenträgers gerechtfertigt.
16Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. Februar 2003 ‑ 7 B 2434/02 -, BRS 66 Nr. 176, juris Rn. 12.
17Es ist in der Regel nicht ausreichend, dem Anlagenbetreiber (lediglich) vorzugeben, dass er mit seiner Anlage bestimmte Immissionsrichtwerte nicht überschreiten darf. Eine solche Regelung würde den Nachbarn unangemessen benachteiligen, da er im Regelfall die Einhaltung der Immissionsrichtwerte nicht selbst überprüfen kann. Aus diesem Grund genügt die Festlegung des maßgeblichen Immissionsrichtwerts zur Sicherung der Nachbarrechte grundsätzlich nur dann, wenn feststeht, dass die bei der Nutzung der Anlage entstehenden Immissionen die für die Nachbarschaft maßgebliche Zumutbarkeitsgrenze nicht überschreiten.
18Vgl. OVG Berlin-Brdb., Beschluss vom 15. Januar 2009 - OVG 10 S 17.08 -, BauR 2009, 1112, juris Rn. 24.
19Ist dies nicht der Fall, muss sich grundsätzlich aus der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung ergeben, welche konkreten betrieblichen Tätigkeiten und Nutzungen zugelassen sind um zu gewährleisten, dass die Begrenzung der Immissionen nicht nur auf dem Papier steht.
20Vgl. BayVGH, Urteil vom 18. Juli 2002 - 1 B 98.2945 -, UPR 2003, 78, juris Rn. 58; OVG NRW, Beschluss vom 13. Juli 1998 - 7 B 956/98 -, NVwZ 1998, 980, juris Rn. 14; OVG LSA, Beschluss vom 4. Mai 2006 - 2 M 132/06 -, juris Rn. 4.
21a) Hiervon ausgehend ist bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein zulässigen und gebotenen summarischen Prüfung hinreichend sicher, dass der Betrieb der Anlage bei einem Einsatz des Baggers Liebherr LH 50 M in den genehmigten Betriebszuständen A 1, B, C und D keine der Antragstellerin unzumutbaren Lärmimmissionen mehr hervorrufen wird. Nach dem Sach- und Streitstand im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung wird der in der Genehmigung vom 8. April 2014 in Abschnitt III C 3 festgelegte Immissionswert von tagsüber 60 dB(A) an dem maßgeblichen Immissionsort IP 8, der in unmittelbarer Umgebung des Wohnhauses der Antragstellerin liegt, voraussichtlich eingehalten. Lediglich im Betriebszustand A 2 kommt es zu einer relevanten Überschreitung des Immissionswerts.
22Die Annahme des Verwaltungsgerichts, aufgrund des Vorliegens einer Gemengelagesituation im Sinne von Nr. 6.7 TA Lärm sei die Bestimmung eines Zwischenwerts in dieser Höhe nicht zu beanstanden, ist im Beschwerdeverfahren nicht durchgreifend in Frage gestellt worden. Ihr steht nicht der Hinweis der Antragstellerin entgegen, der vom Verwaltungsgericht für die Einordnung der näheren Umgebung als allgemeines Wohngebiet im Sinne des § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 BauNVO angeführte Sanitärbetrieb liege zwar ebenfalls südlich der Drabertstraße, aber - anders als das Wohnhaus der Antragstellerin - nicht im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 864. Der Bebauungsplan Nr. 864 enthält nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts keine Festsetzungen hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung und ist damit als einfacher Bebauungsplan im Sinne des § 30 Abs. 3 BauGB zu qualifizieren. Die daher für die Beurteilung des Einfügens nach § 34 Absatz 1 Satz 1, Abs. 2 BauGB erforderliche Bestimmung der näheren Umgebung erfolgt für jedes der dort genannten Merkmale im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung unter Berücksichtigung der wechselseitigen Auswirkungen des Vorhabens auf die Umgebung und der Umgebung auf den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks.
23Vgl. z.B. OVG NRW, Urteil vom 28. August 2014 ‑ 7 A 2666/12 -, juris Rn. 71 ff., m.w.N.
24Dafür, dass diese Einzelfallbetrachtung von vorneherein auf das Gebiet eines - keine entsprechenden Festsetzungen enthaltenden - einfachen Bebauungsplans zu begrenzen wäre, ist nichts ersichtlich.
25Unter Berücksichtigung der ergänzenden Angaben und Berechnungen des TÜV Nord vom 29. Oktober 2014 sowie des Ergebnisses der am 5. Dezember 2014 im Betrieb der Beigeladenen durchgeführten Lärmmessung ist zunächst davon auszugehen, dass die Zusatzbelastung in den Betriebszuständen A 1, B, C und D den Immissionswert von 60 dB(A) - anders als im Betriebszustand A 2 - nicht (mehr) überschreitet, wenn anstelle der bislang genutzten und im Genehmigungsverfahren berücksichtigten Bagger der von der Beigeladenen erworbene Bagger Liebherr LH 50 M eingesetzt wird.
26Nach der schalltechnischen Untersuchung vom 20. März 2014 (2. Fortschreibung) des TÜV Nord sind für die Baggertätigkeiten im Betrieb der Beigeladenen beim Umschlag von Splitt und Glas - bei einem Einsatz der damals vorhandenen Bagger Liebherr 932, 912 und O&K RH 5 - Schallleistungspegel ohne Impulshaltigkeit (LWAeq) von 103 bzw. 105 dB(A) gemessen worden (Seite 13 und 14). Bei der Lärmprognose ist für sämtliche Baggertätigkeiten beim Umschlag von Stahl, Splitt und Glas einheitlich ein Schallleistungspegel inklusive Impulshaltigkeit (LWATeq) von 108 dB(A) berücksichtigt worden (Seiten 17 ff.) Auf der Grundlage der am 5. Dezember 2014 vom TÜV Nord durchgeführten Vorort-Messungen verursacht der Einsatz des Baggers Liebherr LH 50 M tatsächlich einen Schallleistungspegel LWAeq von 95 dB(A), was nach den Berechnungen des TÜV Nord zu Schallleistungspegeln LWATeq von 102 dB(A) beim Umschlag von Stahl, von 105 dB(A) beim Umschlag von Splitt und von 107 dB(A) beim Umschlag von Glas führt. Die Verringerung des Teilemissionswerts LWATeq für die Baggertätigkeit um 3 bzw. 6 dB(A) beim Umschlag von Stahl und von Split dürfte den Gesamtemissionswert der jeweiligen Betriebseinheit jedenfalls um 1 dB(A) vermindern. Nach Aussage des TÜV Nord in dem Schreiben vom 29. Oktober 2014, an deren Richtigkeit zu zweifeln der Senat im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes keinen Anlass hat, wird der Gesamtemissionswert für die jeweilige Betriebseinheit um mindestens 1 dB(A) verringert, wenn sich der Teilemissionswert für den Baggereinsatz um 3 dB(A) vermindert. Hinsichtlich der Betriebseinheit BE 5 (Glas) vermindert sich der Schallleistungspegel LWATeq dagegen nur um 1 dB(A); für eine maßgebliche Verringerung des Gesamtemissionswerts ist auch unter Berücksichtigung der neu gewonnenen Erkenntnisse insoweit nichts ersichtlich.
27Dies vorausgesetzt ergibt sich nach der ergänzenden Berechnung des TÜV Nord vom 29. Oktober 2014 bei Einsatz des Baggers LH 50 M am Immissionsort IP 8 für die Betriebseinheit BE 4 a in den Betriebszuständen A 1 und B ein Teilbeurteilungspegel von 48.8 dB(A) und für die Betriebseinheit 2 a in den Betriebszuständen A 2 und D von 59.1 dB(A). Der Teilbeurteilungspegel für die Betriebseinheit BE 5 liegt sowohl im Betriebszustand C (keine maßgebliche Verringerung der Geräuschemissionen bei einem Einsatz des neuen Baggers) als auch im Betriebszustand D (gleichzeitiger Einsatz des neuen Baggers in BE 2 a) weiter bei 36.3 dB(A). Die neuen Teilbeurteilungspegel sind in die ansonsten unveränderten Tabellen 8.1. (Variante A 1) auf Seite 25, 8.2 (Variante A 2) auf Seite 28, 8.3. (Variante B) auf Seite 27 und 8.5 (Variante D) auf Seite 29 der schalltechnischen Untersuchung vom 20. März 2014 einzustellen. Soweit der TÜV Nord in der ergänzenden Berechnung vom 29. Oktober 2014 über die Veränderung der Baggertätigkeiten hinaus noch die - keine Baggertätigkeit beinhaltende - Betriebseinheit BE 2 b hinsichtlich ihrer Nutzungshäufigkeit und die Betriebszustände A1 und B sowie BE 9 (Verkehr) hinsichtlich der - ebenfalls keine Baggertätigkeit beinhaltenden - Zusammensetzung der Vorgänge abweichend von der Genehmigung vom 8. April 2014 auf ihre Lärmauswirkungen hin untersucht hat, ist dies vorliegend ohne Belang. Für die Lärmprognose maßgeblich ist - wie oben ausgeführt -, der genehmigte Betrieb.
28Ausgehend von diesen Teilbeurteilungspegeln beträgt die Zusatzbelastung im Betriebszustand A 1 55.55 dB(A), im Betriebszustand A 2 60.61 dB(A), im Betriebszustand B 53.09 dB(A) und im Betriebszustand D 59.19 dB(A) an dem hier entscheidungserheblichen Immissionsort IP 8 - Rechner: www.senpielaudio.com -. Im Betriebszustand C ergeben sich hinsichtlich der in der schalltechnischen Untersuchung (2.Fortschreibung) des TÜV Nord vom 20. März 2014 ausgewiesenen Teilwerte keine Veränderungen; die Zusatzbelastung ist allerdings auf einen Summenwert von 55.85 dB(A) zu korrigieren. Diese Korrektur ist erforderlich, weil die Summenpegel in der schalltechnischen Untersuchung - anders als die Summenpegel der ergänzenden Berechnung vom 29. Oktober 2014 - einer rechnerischen Überprüfung nicht standhalten; Anhaltspunkte dafür, dass die in die Berechnung der Summe eingestellten Teilbeurteilungspegel fehlerhaft ermittelt wurden, liegen dagegen nicht vor.
29Eine für die Antragstellerin günstigere Beurteilung hinsichtlich der Betriebszustände A 1, B, C und D ist auch nicht bei der nach Nr. 3.2.1 Absatz 1 und Absatz 6 TA Lärm notwendigen und in der erstinstanzlichen Entscheidung als unzureichend bemängelten Einbeziehung der Vorbelastung in die Lärmprognose geboten. Die Beigeladene hat die - berechtigten - Zweifel des Verwaltungsgerichts jedenfalls in einer für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ausreichenden Weise im Beschwerdeverfahren ausräumen können. In der ergänzenden Berechnung vom 29. Oktober 2014 hat der TÜV Nord bei einer „worst-case“-Betrachtung - nämlich Ausschöpfung des zulässigen Immissionswerts von 60 dB(A) an den in unmittelbarer Nähe zu den Nachbarbetrieben gelegenen Immissionsorten - für den weiter entfernt liegenden Immissionspunkt IP 8 eine Vorbelastung von 37.4 dB(A) ermittelt. Diese Vorbelastung zugrundegelegt beträgt die Gesamtbelastung in den Betriebszuständen A 1, B, C und D 55.61 dB(A), 53.2 dB(A), 57.07 bzw. 59.21 dB(A), in dem Betriebszustand A 2 60.63 dB(A). Das von der Beigeladenen aufgeworfene Problem der Zulässigkeit einer Rundung dieses Immissionswerts auf die Vorkommazahlen stellt sich hier nicht; der Wert 60.63 dB(A) würde nämlich nicht auf 60 dB(A) ab-, sondern in gleicher Weise wie der isolierte Wert der Zusatzbelastung von 60.61 dB(A) auf 61 dB(A) aufgerundet.
30Die Überschreitung des maßgeblichen Immissionswerts um 0.63 dB(A) ist auch nicht in Anwendung der Nr. 3. 2.1 Absatz 3 TA Lärm irrelevant. Danach soll die Genehmigung wegen einer Überschreitung der Immissionsrichtwerte nach Nummer 6 aufgrund der Vorbelastung dann nicht versagt werden, wenn dauerhaft sichergestellt ist, dass diese Überschreitung nicht mehr als 1 dB(A) beträgt. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Denn der Immissionswert wird bereits allein durch die Zusatzbelastung überschritten. Eine Regelung des Inhalts allerdings, dass eine den maßgeblichen Immissionswert um weniger als 1 dB(A) überschreitende Zusatzbelastung grundsätzlich oder in der Regel genehmigungsfähig wäre, sofern die Vorbelastung die Immissionsrichtwerte um mindestens 6 dB(A) unterschreitet, enthält die TA Lärm - anders als vom Gutachter des TÜV Nord angenommen - nicht. Nr. 3.2.1 Absatz 2 TA Lärm regelt nur den umgekehrten Fall, wonach eine Überschreitung der Immissionsrichtwerte aufgrund der Vorbelastung in der Regel irrelevant ist, wenn die von der zu beurteilenden Anlage ausgehende Zusatzbelastung die Immissionsrichtwerte am maßgeblichen Immissionsort um mindestens 6 dB(A) unterschreitet.
31Vgl. hierzu Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band 4, Stand 1. August 2014, TA Lärm, Nr.3, Rn. 16.
32(Nur) in diesem - hier nicht vorliegenden Fall - kann auch die Bestimmung der Vorbelastung entfallen, Nr. 3.2.1 Absatz 6 Satz 2 TA Lärm. Dass Anlass für eine Sonderfallprüfung im Sinne der Nr. 3.2.2 bestünde, ist nicht ersichtlich.
33b) Die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass die Prognose in der schalltechnischen Untersuchung des TÜV Nord (2. Fortschreibung) vom 20. März 2014 bezogen auf den Immissionsort IP 8 wegen der Immissionswertüberschreitung nicht „auf der sicheren Seite“ liegt und die Antragstellerin insoweit bei einem weiteren Einsatz der alten Bagger voraussichtlich in ihren Rechten verletzt wird, ist hinsichtlich der Betriebszustände A 2 und D nicht zu beanstanden. Die von der Beigeladenen gewünschte Abrundung der aufgrund der Zusatzbelastung ursprünglich prognostizierten Immissionswerte von 60.3 dB(A) - richtig 61.34 dB(A) - bzw. 60.1 dB(A) auf 60 dB(A) kommt nicht in Betracht. Der korrigierte Immissionswert beträgt für den Betriebszustand A 2 sogar 61.34 dB(A) und liegt damit selbst bei einer Rundungsmöglichkeit ersichtlich über dem maßgeblichen Immissionswert. Im Übrigen enthält die TA Lärm kein ausdrückliches Rundungsverbot. Ein nach unten gerundeter Wert dürfte nicht „auf der sicheren Seite“ liegen.
34Vgl. OVG NRW Beschlüsse vom 20. Oktober 2005 ‑ 8 B 158/05 -, ZNER 2005, 342, juris Rn. 54 ff., und vom 11. Oktober 2005 - 8 B 110/05 -, juris Rn. 30 und 31.
35In den Betriebszuständen A 1, B und C hat bereits die schalltechnische Untersuchung vom 20. März 2014 am Immissionsort IP 8 mit Summenpegeln der Zusatzbelastung von 53.6 dB(A), 53.6 dB(A) und 57.1 dB(A) eine Einhaltung des Lärmwerts prognostiziert. Der Immissionswert wird auch nach den Berechnungen des Senats eingehalten. Im Betriebszustand A 1 ergibt sich am Immissionspunkt IP 8 eine Zusatzbelastung von 56.34 dB(A), im Betriebszustand B von 53,36 und im Betriebszustand C von 55.85 dB(A). Der maßgebliche Immissionswert wird auch bei Einbeziehung der oben angeführten Vorbelastung von 37.4 dB(A) am Immissionsort IP 8 nicht überschritten. Die Gesamtbelastung in dem Betriebszustand A 1 beträgt 56.39 dB(A), in dem Betriebszustand B 53.46 dB(A) und in dem Betriebszustand C 55.92 dB(A).
36c) Vor diesem Hintergrund geht die Interessenabwägung hinsichtlich der Betriebszustände A 1, B, C und D im Wesentlichen zulasten der Antragstellerin aus. Der Antrag bleibt insoweit unter der Voraussetzung ohne Erfolg, dass zeitnah - hier bis zum 28. Februar 2015 - durch Hinzufügen einer Nebenstimmung in den Genehmigungsbescheid vom 8. April 2014 rechtlich sichergestellt wird, dass - abweichend von den Prämissen in der Lärmprognose der schalltechnischen Untersuchung des TÜV Nord vom 20. März 2014 - jedenfalls in dem Betriebszustand D in der BE 2 a ausschließlich der Bagger LH 50 M eingesetzt wird. Für diesen Fall tritt insoweit das private Lärmschutzinteresse der Antragstellerin hinter das Vollzuginteresse insbesondere der Beigeladenen zurück. Auf der einen Seite wird die Antragstellerin aller Voraussicht nach durch den vorläufigen Vollzug der so geänderten Genehmigung nicht in ihren Rechten verletzt. Auf der anderen Seite dürfte die mit einer vorläufigen Einstellung des gesamten genehmigten Betriebes einhergehende Gefährdung von Arbeitsplätzen für die Dauer des Hauptsacheverfahrens jedenfalls maßgeblich vermindert sein. Demgegenüber überwiegt das Interesse der Antragstellerin, von unzumutbaren Lärmbeeinträchtigungen verschont zu bleiben, hinsichtlich des Betriebszustandes A 2 und für den Fall nicht fristgerechter Ergänzung des Genehmigungsbescheides auch hinsichtlich des Betriebszustandes D.
373. Ergänzend weist der Senat auf folgendes hin: Die Betriebszustände beschreiben nach dem Genehmigungsbescheid (Seite 3) die „zulässigen täglichen alternativen Betriebstätigkeiten“ (Hervorhebung durch den Senat). Hiermit übereinstimmend betrachten die Lärmprognosen jeweils nur einen bestimmten Betriebszustand pro Tag, berücksichtigen aber keine Kombinationen von Betriebszuständen; untersucht worden sind lediglich Kombinationen von Vorgängen, die innerhalb eines Betriebszustands an demselben Arbeitstag stattfinden. Das bedeutet, dass pro Tag auch nur in einem Betriebszustand gearbeitet und nicht von einem Betriebszustand zu einem anderen gewechselt werden darf. Es könnte zweifelhaft sein, ob die Formulierung im Genehmigungsbescheid, die Betriebszustände seien nur alternativ, nicht gleichzeitig zulässig, dies hinreichend zum Ausdruck bringt. Der Senat regt eine entsprechende Klarstellung an.
38Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 154 Abs. 3 und 162 Abs. 3 VwGO.
39Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG und orientiert sich am Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Der danach im Hauptsacheverfahren auf 15.000,- Euro festzusetzende Streitwert ist mit Blick auf die Vorläufigkeit des vorliegenden Verfahrens auf die Hälfte zu reduzieren.
40Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5 und 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.
(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.
(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.
(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung
- 1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient: - a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs, - b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder - c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
- 2.
städtebaulich vertretbar ist und - 3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
(4) Die Gemeinde kann durch Satzung
- 1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, - 2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind, - 3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass
- 1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind, - 2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und - 3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,- € festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
3Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, führen nicht zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung.
4Das Verwaltungsgericht hat den mit der Beschwerde weiterverfolgten Antrag des Antragstellers,
5die aufschiebende Wirkung der von ihm erhobenen Klage 4 K 3105/14 gegen die der Beigeladenen von der Antragsgegnerin erteilte Baugenehmigung vom 26. September 2014 zur Errichtung einer Paintballanlage auf dem Grundstück Gemarkung F. , Flur 23, Flurstück 326, anzuordnen,
6im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, die vorzunehmende Interessenabwägung falle zu Lasten des Antragstellers aus. Die angefochtene Baugenehmigung sei nicht schon aus formellen Gründen nachbarrechtswidrig. Sie verstoße bei summarischer Prüfung voraussichtlich nicht zum Nachteil des Antragstellers gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts. Auf das Grundrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG oder auf Verstöße gegen Kinder- und Jugendschutzbestimmungen könne der Antragsteller sich nicht mit Erfolg berufen.
7Die dagegen von der Beschwerde erhobenen Einwände bleiben ohne Erfolg.
8Die Beschwerde legt nicht dar, dass der Antragsteller für sein Grundstück B. der C. 14 ein höheres Lärmschutzniveau als dasjenige des Außenbereichs bzw. eines Mischgebiets in Anspruch nehmen könnte. Weder stellt die Beschwerde die anhand der verfügbaren Karten und Luftbilder ohne Weiteres nachzuvollziehende Annahme des Verwaltungsgerichts durchgreifend in Frage, das antragstellerische Grundstück liege im Außenbereich,
9vgl. zu den im Außenbereich maßgebenden Immissionsrichtwerten, die Misch- bzw. Dorfgebietswerten entsprechen, etwa OVG NRW, Urteil vom 27. Mai 2013 - 2 D 37/12.NE -, BauR 2013, 1966 = juris Rn. 122,
10noch bringt sie überzeugende Argumente gegen die von dem Verwaltungsgericht alternativ unternommene Zwischenwertbildung vor, die auf der für den Antragsteller günstigen Hypothese beruht, sein Grundstück sei in einem faktischen allgemeinen Wohngebiet situiert. Auch davon ausgehend hält das Verwaltungsgericht die Vergabe eines Mischgebietswerts für gerechtfertigt, weil der Schutzanspruch des Antragstellers aufgrund des Aneinandergrenzens an den Außenbereich und an ein Gewerbegebiet gemindert sei.
11Vgl. zu den Grundsätzen der Zwischenwertbildung: BVerwG, Beschluss vom 12. September 2007 - 7 B 24.07 -, juris Rn. 4 f.; OVG NRW, Beschluss vom 12. Februar 2013 - 2 B 1336/12 -, BauR 2013, 1078 = juris Rn. 33 ff.
12Mit diesen Erwägungen setzt sich die Beschwerde nicht hinreichend auseinander. Sie belässt es bei den pauschalen Einwendungen, die Lösung des Verwaltungsgerichts sei „nicht einzusehen“ und die derzeitige Grundstückssituation des Antragstellers sei eine „ungestörte“. Dies allein lenkt die von dem Verwaltungsgericht im Einzelnen begründete immissionsschutzrechtliche Einstufung des Grundstücks nicht in eine andere Richtung.
13Die Beschwerde zeigt ferner nicht auf, dass das genehmigungsgegenständliche Geräuschimmissionsschutzgutachten des Ing.-Büros C1. vom 20. Juni 2014 entscheidungserheblich fehlerhaft ist.
14Dem Verwaltungsgericht ist darin zuzustimmen, dass das Gutachten die voraussichtlichen Immissionsauswirkungen des Spielbetriebs die genehmigte Paintballanlage realistisch abbildet.
15Wesentlich für die Validität einer Immissionsprognose ist, dass sie ein realistisches, d. h. repräsentatives bzw. typisches Betriebsgeschehen widerspiegelt. Dazu kann der Lärmgutachter grundsätzlich auch auf Betreiberangaben zurückgreifen.
16Vgl. dazu etwa OVG NRW, Beschlüsse vom 14. November 2014 - 2 A 767/14 -, juris Rn. 25, und vom 8. April 2014 - 2 A 2761/13 -, BauR 2014, 1765 = juris Rn. 22, Urteil vom 15. Mai 2013 - 2 A 3010/11 -, DVBl 2013, 1327 = juris Rn. 85, Beschlüsse vom 26. November 2013 - 2 A 1226/13 -, BauR 2014, 975 = juris Rn. 19, und vom 12. Februar 2013 - 2 B 1336/12 -, BauR 2013, 1078 = juris Rn. 51 und 54.
17Davon ausgehend begegnet die Aussagekraft des Geräuschimmissionsschutzgutachtens vom 20. Juni 2014 entgegen der Auffassung der Beschwerde keinen durchgreifenden Bedenken. Die „Kurzgefasste Situationsbeschreibung“ auf S. 4 umreisst das geplante Betriebsgeschehen in nachvollziehbarer Weise. Es skizziert Inhalt und Ablauf eines Paintballspiels. Dabei hat der Gutachtenersteller in den Blick genommen, dass Geräusche beim Spiel durch den Aufprall der Farbkugeln auf die sportarttypischen Hindernisse/Deckungen (aufblasbare Zylinder, Kegel und Kästen) sowie durch das eigentliche Abfeuern der Farbkugeln und durch die Kommunikationsgeräusche der Teams untereinander entstünden. Damit - und mit dem auf S. 15 und in der Anlage 2 des Gutachtens pessimal („auf der sicheren Seite“) durchgehend für das gesamte Paintball-Spielfeld zugrunde gelegten „Spitzenschallpegel Aufprallgeräusch“ von (nach Richtwirkungskorrektur) 113 dB(A) - erscheint das genehmigte Lärmgeschehen als hinreichend prognostisch erfasst.
18Weitergehender Darlegungen dazu, unter welchen Bedingungen das Gutachten konkret angefertigt worden ist, bedurfte es angesichts dieses spezifizierten Emissionsansatzes genauso wenig wie der Darstellung der schallschutztechnischen Ergebnisse einer Spielsituation oder der Heranziehung von Erfahrungswerten aus anderen Paintballanlagen. Allein aufgrund nicht weiter substantiierten Bestreitens oder anderweitigen Vorbringens des Antragstellers besteht für das Gericht regelmäßig kein Anlass, im Ausgangspunkt plausible und erläuterte gutachterliche Emissionsansätze eines fachlich anerkannten Gutachterbüros ohne substantiellen Grund anzuzweifeln und eigens nachzuprüfen.
19Vgl. insoweit wiederum OVG NRW, Beschluss vom 8. April 2014 - 2 A 2761/13 -, BauR 2014, 1765 = juris Rn. 22.
20Diese Maßgabe gilt bei summarischer Prüfung auch im vorliegenden Fall. Das Ing.-Büro C1. hat nicht nur seinen Emissionsansatz als solchen offengelegt, sondern auch dessen Zustandekommen auf S. 15 der Lärmprognose erklärt. Demzufolge sind zur Ermittlung der anlagentypischen Geräusche schallmesstechnische Untersuchungen durchgeführt worden, bei denen Farbkugel-Salven mit der in Deutschland maximal zulässigen Schussgeschwindigkeit aus 4 m, 15 m und 25 m auf ein Hindernis abgefeuert würden. In Ausbreitungsrichtung zum Immissionsort - dem Wohnhaus des Antragstellers B. der C. 14 - seien in rund 135 m Abstand Spitzenschallpegel von 60 bis 62 dB(A) gemessen worden. Durch Rückrechnung habe sich dann der besagte Schallleistungspegel ergeben. Immissionsseitiges Endergebnis ist ein - ohne Weiteres mischgebiets- bzw. außenbereichsverträglicher - Beurteilungspegel von 57,9 dB(A). Dass diese Vorgehensweise zu einer maßgeblichen Unterschätzung der genehmigungsinduzierten Lärmbelastung seines Grundstücks führt, legt der Antragsteller nicht konkret dar und ist auch sonst nicht ersichtlich.
21Auch hinsichtlich der Ansetzung der durchschnittlichen Besucherzahl in dem Lärmgutachten ist die Einschätzung des Verwaltungsgerichts nicht zu beanstanden. Die Zahl von durchgehend 40 Personen auf der Aufenthaltsfläche, von der der Gutachter ausgeht, ist in der Nebenbestimmung Nr. 18 zur Baugenehmigung als Höchstwert festgeschrieben und solchermaßen genehmigungsrechtlich abgesichert. Es ist in der Konsequenz für die Nachbarrechtskonformität der Baugenehmigung unerheblich, ob bei überregionalen Ligaspielen mit einem größeren Publikumszuspruch und einem entsprechend gesteigerten Zu- und Abfahrtverkehr zu rechnen sein könnte. Die Baugenehmigung schließt ein dadurch intensiviertes Lärmgeschehen aus.
22Schließlich kann der Antragsteller einen Nachbarrechtsverstoß nicht aus dem Elternrecht des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG oder aus jugendschutzrechtlichen Bestimmungen wie §§ 7, 8 JuSchG herleiten.
23Integriert man das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG in der vorliegenden Fallgestaltung wegen seiner verfassungsrechtlichen Ausstrahlungswirkung in die Prüfung des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots, spricht gleichwohl nichts für eine Kollisionslage mit der genehmigten Paintballanlage, die zu einem Aufhebungsanspruch des Antragstellers führen könnte.
24Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder. Der Schutz des Elternrechts erstreckt sich auf die wesentlichen Elemente des Sorgerechts, ohne die die Elternverantwortung nicht ausgeübt werden kann. Es umfasst die freie Entscheidung über die Pflege, d. h. die Sorge für das körperliche Wohl, um Ernährung, Gesundheit und Vermögen, und die Erziehung, d. h. die Sorge für die seelische und geistige Entwicklung, um die Vermittlung von Wissen und Wertorientierung. Geschützt wird umfassend die Verantwortung der Eltern für die Lebens- und Entwicklungsbedingungen ihrer Kinder.
25Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. November 2014 - 1 BvR 1178/14 -, NJW 2015, 223 = juris Rn. 22, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 -, BVerfGE 108, 282 = NJW 2003, 3111 = juris Rn. 45, Beschluss vom 16. Oktober 1979 - 1 BvR 647/70, 1 BvR 7/74 -, BVerfGE 52, 223 = NJW 1980, 575 = juris Rn. 39; BVerwG, Urteil vom 4. Juli 2002 - 2 C 21/01 -, BVerwGE 116, 359 = NJW 2002, 3344 = juris Rn. 14; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 6 Rn. 42.
26Eingriffe in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG sind staatliche Maßnahmen, die das Elternrecht im Verhältnis zum Kind beschränken sowie Beschränkungen im Verhältnis der Eltern untereinander.
27Vgl. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 6 Rn. 49, m.w.N.
28Nach diesen Grundsätzen ist bereits fraglich, ob die Erteilung einer Baugenehmigung für eine Paintballanlage in einer Entfernung von offenbar rund 135 m zum Grundstück des Antragstellers überhaupt den Schutzbereich von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG tangiert bzw. tangieren kann. Jedenfalls stellt die Baugenehmigung evident keinen Grundrechtseingriff in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG dar. Die Ausübung des Elternrechts des Antragstellers bleibt auch dann unberührt, wenn seine Kinder den Paintballbetrieb der Beigeladenen einsehen und hören können. Dem Antragsteller bleibt losgelöst davon unbenommen, seinen Kindern im Rahmen seiner Elternverantwortung eine (Wert-)Einstellung zu diesem Spielbetrieb zu vermitteln. Einen darüber hinaus gehenden Schutzgehalt weist Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG nicht auf.
29Vgl. im Übrigen zur Vereinbarkeit des Paintballspiels mit der Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG: Bay. VGH, Urteil vom 27. November 2012 - 15 BV 09.2719 -, DVBl. 2013, 525 = juris Rn. 30 ff.; Nds. OVG, Urteil vom 18. Februar 2010 - 1 LC 244/07 -, BauR 2010, 1060 = juris Rn. 66 ff.
30Der Antragsteller kann einen Aufhebungsanspruch auch nicht an §§ 7, 8 JuSchG festmachen. Beide Bestimmungen sind schon offensichtlich nicht zu seinen Gunsten drittschützend. § 7 Satz 1 JuSchG verleiht der zuständigen Behörde eine Anordnungsbefugnis dahingehend, dass der Veranstalter oder Gewerbetreibende Kindern und Jugendlichen die Anwesenheit nicht gestatten darf, wenn von einer öffentlichen Veranstaltung oder einem Gewerbebetrieb eine Gefährdung für das körperliche, geistige oder seelische Wohl von Kindern oder Jugendlichen ausgeht. § 8 Satz 1 JuSchG regelt daneben, dass die zuständige Behörde die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßnahmen zu treffen hat, wenn sich ein Kind oder eine jugendliche Person an einem Ort aufhält, an dem ihm oder ihr eine unmittelbare Gefahr für das körperliche, geistige oder seelische Wohl droht. Beide Vorschriften dienen dem Jugendschutz, liegen also im öffentlichen Interesse, nicht im subjektiv-rechtlich fundierten Interesse des Antragstellers. Aus diesem Grund sei lediglich der Vollständigkeit halber ergänzend darauf hingewiesen, dass §§ 7, 8 JuSchG von ihrer Rechtsfolge her zudem nicht als Abwehrrechte konstruiert sind, mit denen erfolgreich gegen eine Baugenehmigung vorgegangen werden kann.
31Soweit der Antragsteller im Übrigen pauschal auf sein erstinstanzliches Vorbringen verweist, genügt dies den Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO nicht.
32Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.
33Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
34Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.
(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.
(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.
(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.
(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.
(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.
(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.