Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 23. Juni 2016 - 7 K 7892/15

ECLI:ECLI:DE:VGD:2016:0623.7K7892.15.00
bei uns veröffentlicht am23.06.2016

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.


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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 11 Einreise- und Aufenthaltsverbot


(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen n

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 101


(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 42


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden. (2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 59 Androhung der Abschiebung


(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfal

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 43


(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungskla

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 5 Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen


(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass 1. der Lebensunterhalt gesichert ist,1a. die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt is

Zivilprozessordnung - ZPO | § 100 Kosten bei Streitgenossen


(1) Besteht der unterliegende Teil aus mehreren Personen, so haften sie für die Kostenerstattung nach Kopfteilen. (2) Bei einer erheblichen Verschiedenheit der Beteiligung am Rechtsstreit kann nach dem Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Ma

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 74


(1) Die Anfechtungsklage muß innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist nach § 68 ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muß die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erho

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 55 Bleibeinteresse


(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer 1. eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,2. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 54 Ausweisungsinteresse


(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer 1. wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 58 Abschiebung


(1) Der Ausländer ist abzuschieben, wenn die Ausreisepflicht vollziehbar ist, eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist, und die freiwillige Erfüllung der Ausreisepflicht nicht gesichert ist oder aus Gründen der öffentlichen Si

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 39 Grundsatz


(1) In demselben Verfahren und in demselben Rechtszug werden die Werte mehrerer Streitgegenstände zusammengerechnet, soweit nichts anderes bestimmt ist. (2) Der Streitwert beträgt höchstens 30 Millionen Euro, soweit kein niedrigerer Höchstwert be

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 50 Ausreisepflicht


(1) Ein Ausländer ist zur Ausreise verpflichtet, wenn er einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzt und ein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei nicht oder nicht mehr besteht. (2) Der Ausländer hat da

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 2 Begriffsbestimmungen


(1) Ausländer ist jeder, der nicht Deutscher im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 des Grundgesetzes ist. (2) Erwerbstätigkeit ist die selbständige Tätigkeit, die Beschäftigung im Sinne von § 7 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und die Tätigkeit als

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 30 Ehegattennachzug


(1) Dem Ehegatten eines Ausländers ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn1.beide Ehegatten das 18. Lebensjahr vollendet haben,2.der Ehegatte sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann und3.der Ausländera)eine Nied

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 51 Beendigung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts; Fortgeltung von Beschränkungen


(1) Der Aufenthaltstitel erlischt in folgenden Fällen: 1. Ablauf seiner Geltungsdauer,2. Eintritt einer auflösenden Bedingung,3. Rücknahme des Aufenthaltstitels,4. Widerruf des Aufenthaltstitels,5. Ausweisung des Ausländers,5a. Bekanntgabe einer Absc

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 14 Unerlaubte Einreise; Ausnahme-Visum


(1) Die Einreise eines Ausländers in das Bundesgebiet ist unerlaubt, wenn er 1. einen erforderlichen Pass oder Passersatz gemäß § 3 Abs. 1 nicht besitzt,2. den nach § 4 erforderlichen Aufenthaltstitel nicht besitzt,2a. zwar ein nach § 4 erforderliche

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 35 Eigenständiges, unbefristetes Aufenthaltsrecht der Kinder


(1) Einem minderjährigen Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach diesem Abschnitt besitzt, ist abweichend von § 9 Abs. 2 eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er im Zeitpunkt der Vollendung seines 16. Lebensjahres seit fünf Jahren im B

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Bundesverwaltungsgericht Urteil, 11. Dez. 2012 - 1 C 15/11

bei uns veröffentlicht am 11.12.2012

Tatbestand 1 Der Kläger, ein russischer Staatsangehöriger jüdischer Volkszugehörigkeit, begehrt die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis. Im August 2003 reiste er mit

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 15. Apr. 2011 - 11 S 189/11

bei uns veröffentlicht am 15.04.2011

Tenor Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist, wird das Verfahren eingestellt. In Übrigen wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 12.03.2008 - 8 K 3985/06 - zurückgewiese

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(1) Einem minderjährigen Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach diesem Abschnitt besitzt, ist abweichend von § 9 Abs. 2 eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er im Zeitpunkt der Vollendung seines 16. Lebensjahres seit fünf Jahren im Besitz der Aufenthaltserlaubnis ist. Das Gleiche gilt, wenn

1.
der Ausländer volljährig und seit fünf Jahren im Besitz der Aufenthaltserlaubnis ist,
2.
er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt und
3.
sein Lebensunterhalt gesichert ist oder er sich in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder einem Hochschulabschluss führt.

(2) Auf die nach Absatz 1 erforderliche Dauer des Besitzes der Aufenthaltserlaubnis werden in der Regel nicht die Zeiten angerechnet, in denen der Ausländer außerhalb des Bundesgebiets die Schule besucht hat.

(3) Ein Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach Absatz 1 besteht nicht, wenn

1.
ein auf dem persönlichen Verhalten des Ausländers beruhendes Ausweisungsinteresse besteht,
2.
der Ausländer in den letzten drei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Jugendstrafe von mindestens sechs oder einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten oder einer Geldstrafe von mindestens 90 Tagessätzen verurteilt worden oder wenn die Verhängung einer Jugendstrafe ausgesetzt ist oder
3.
der Lebensunterhalt nicht ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch oder Jugendhilfe nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch gesichert ist, es sei denn, der Ausländer befindet sich in einer Ausbildung, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss führt.
In den Fällen des Satzes 1 kann die Niederlassungserlaubnis erteilt oder die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden. Ist im Falle des Satzes 1 Nr. 2 die Jugend- oder Freiheitsstrafe zur Bewährung oder die Verhängung einer Jugendstrafe ausgesetzt, wird die Aufenthaltserlaubnis in der Regel bis zum Ablauf der Bewährungszeit verlängert.

(4) Von den in Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 und 3 und Absatz 3 Satz 1 Nr. 3 bezeichneten Voraussetzungen ist abzusehen, wenn sie von dem Ausländer wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht erfüllt werden können.

(1) Der Aufenthaltstitel erlischt in folgenden Fällen:

1.
Ablauf seiner Geltungsdauer,
2.
Eintritt einer auflösenden Bedingung,
3.
Rücknahme des Aufenthaltstitels,
4.
Widerruf des Aufenthaltstitels,
5.
Ausweisung des Ausländers,
5a.
Bekanntgabe einer Abschiebungsanordnung nach § 58a,
6.
wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grunde ausreist,
7.
wenn der Ausländer ausgereist und nicht innerhalb von sechs Monaten oder einer von der Ausländerbehörde bestimmten längeren Frist wieder eingereist ist,
8.
wenn ein Ausländer nach Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß der §§ 22, 23 oder § 25 Abs. 3 bis 5 einen Asylantrag stellt;
ein für mehrere Einreisen oder mit einer Geltungsdauer von mehr als 90 Tagen erteiltes Visum erlischt nicht nach den Nummern 6 und 7.

(1a) Die Gültigkeit einer nach § 19 erteilten ICT-Karte erlischt nicht nach Absatz 1 Nummer 6 und 7, wenn der Ausländer von der in der Richtlinie 2014/66/EU vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch macht, einen Teil des unternehmensinternen Transfers in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union durchzuführen. Die Gültigkeit einer nach § 16b oder § 18d erteilten Aufenthaltserlaubnis erlischt nicht nach Absatz 1 Nummer 6 und 7, wenn der Ausländer von der in der Richtlinie (EU) 2016/801 vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch macht, einen Teil des Studiums oder des Forschungsvorhabens in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union durchzuführen.

(2) Die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat sowie die Niederlassungserlaubnis seines mit ihm in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ehegatten erlöschen nicht nach Absatz 1 Nr. 6 und 7, wenn deren Lebensunterhalt gesichert ist und kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder Absatz 2 Nummer 5 bis 7 besteht. Die Niederlassungserlaubnis eines mit einem Deutschen in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ausländers erlischt nicht nach Absatz 1 Nr. 6 und 7, wenn kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder Absatz 2 Nummer 5 bis 7 besteht. Zum Nachweis des Fortbestandes der Niederlassungserlaubnis stellt die Ausländerbehörde am Ort des letzten gewöhnlichen Aufenthalts auf Antrag eine Bescheinigung aus.

(3) Der Aufenthaltstitel erlischt nicht nach Absatz 1 Nr. 7, wenn die Frist lediglich wegen Erfüllung der gesetzlichen Wehrpflicht im Heimatstaat überschritten wird und der Ausländer innerhalb von drei Monaten nach der Entlassung aus dem Wehrdienst wieder einreist.

(4) Nach Absatz 1 Nr. 7 wird in der Regel eine längere Frist bestimmt, wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach vorübergehenden Grunde ausreisen will und eine Niederlassungserlaubnis besitzt oder wenn der Aufenthalt außerhalb des Bundesgebiets Interessen der Bundesrepublik Deutschland dient. Abweichend von Absatz 1 Nummer 6 und 7 erlischt der Aufenthaltstitel eines Ausländers nicht, wenn er die Voraussetzungen des § 37 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 erfüllt, rechtswidrig mit Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Eingehung der Ehe genötigt und von der Rückkehr nach Deutschland abgehalten wurde und innerhalb von drei Monaten nach Wegfall der Zwangslage, spätestens jedoch innerhalb von zehn Jahren seit der Ausreise, wieder einreist.

(5) Die Befreiung vom Erfordernis des Aufenthaltstitels entfällt, wenn der Ausländer ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben wird; § 11 Absatz 2 bis 5 findet entsprechende Anwendung.

(6) Räumliche und sonstige Beschränkungen und Auflagen nach diesem und nach anderen Gesetzen bleiben auch nach Wegfall des Aufenthaltstitels oder der Aussetzung der Abschiebung in Kraft, bis sie aufgehoben werden oder der Ausländer seiner Ausreisepflicht nachgekommen ist.

(7) Im Falle der Ausreise eines Asylberechtigten oder eines Ausländers, dem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unanfechtbar die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat, erlischt der Aufenthaltstitel nicht, solange er im Besitz eines gültigen, von einer deutschen Behörde ausgestellten Reiseausweises für Flüchtlinge ist. Der Ausländer hat auf Grund seiner Anerkennung als Asylberechtigter oder der unanfechtbaren Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge keinen Anspruch auf erneute Erteilung eines Aufenthaltstitels, wenn er das Bundesgebiet verlassen hat und die Zuständigkeit für die Ausstellung eines Reiseausweises für Flüchtlinge auf einen anderen Staat übergegangen ist.

(8) Vor der Aufhebung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 38a Abs. 1, vor einer Ausweisung eines Ausländers, der eine solche Aufenthaltserlaubnis besitzt und vor dem Erlass einer gegen ihn gerichteten Abschiebungsanordnung nach § 58a gibt die zuständige Behörde in dem Verfahren nach § 91c Absatz 2 über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dem Mitgliedstaat der Europäischen Union, in dem der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten besitzt, Gelegenheit zur Stellungnahme, wenn die Abschiebung in ein Gebiet erwogen wird, in dem diese Rechtsstellung nicht erworben werden kann. Geht die Stellungnahme des anderen Mitgliedstaates rechtzeitig ein, wird sie von der zuständigen Behörde berücksichtigt.

(8a) Soweit die Behörden anderer Schengen-Staaten über Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009, die durch die Ausländerbehörden getroffen wurden, zu unterrichten sind, erfolgt dies über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden unterrichten die Behörden anderer Schengen-Staaten unmittelbar über ihre Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009.

(9) Die Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU erlischt nur, wenn

1.
ihre Erteilung wegen Täuschung, Drohung oder Bestechung zurückgenommen wird,
2.
der Ausländer ausgewiesen oder ihm eine Abschiebungsanordnung nach § 58a bekannt gegeben wird,
3.
sich der Ausländer für einen Zeitraum von zwölf aufeinander folgenden Monaten außerhalb des Gebiets aufhält, in dem die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten erworben werden kann; der Zeitraum beträgt 24 aufeinanderfolgende Monate bei einem Ausländer, der zuvor im Besitz einer Blauen Karte EU war, und bei seinen Familienangehörigen, die zuvor im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 30, 32, 33 oder 36 waren,
4.
sich der Ausländer für einen Zeitraum von sechs Jahren außerhalb des Bundesgebiets aufhält oder
5.
der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erwirbt.
Auf die in Satz 1 Nr. 3 und 4 genannten Fälle sind die Absätze 2 bis 4 entsprechend anzuwenden.

(10) Abweichend von Absatz 1 Nummer 7 beträgt die Frist für die Blaue Karte EU und die Aufenthaltserlaubnisse nach den §§ 30, 32, 33 oder 36, die den Familienangehörigen eines Inhabers einer Blauen Karte EU erteilt worden sind, zwölf Monate. Gleiches gilt für die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat sowie die Niederlassungserlaubnis eines mit ihm in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ehegatten, wenn sie das 60. Lebensjahr vollendet haben.

(1) Dem Ehegatten eines Ausländers ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn

1.
beide Ehegatten das 18. Lebensjahr vollendet haben,
2.
der Ehegatte sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann und
3.
der Ausländer
a)
eine Niederlassungserlaubnis besitzt,
b)
eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt,
c)
eine Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18d, 18f oder § 25 Absatz 1 oder Absatz 2 Satz 1 erste Alternative besitzt,
d)
seit zwei Jahren eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und die Aufenthaltserlaubnis nicht mit einer Nebenbestimmung nach § 8 Abs. 2 versehen oder die spätere Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nicht auf Grund einer Rechtsnorm ausgeschlossen ist; dies gilt nicht für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative,
e)
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 7 Absatz 1 Satz 3 oder nach den Abschnitten 3, 4, 5 oder 6 oder § 37 oder § 38 besitzt, die Ehe bei deren Erteilung bereits bestand und die Dauer seines Aufenthalts im Bundesgebiet voraussichtlich über ein Jahr betragen wird; dies gilt nicht für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative,
f)
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 38a besitzt und die eheliche Lebensgemeinschaft bereits in dem Mitgliedstaat der Europäischen Union bestand, in dem der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten innehat, oder
g)
eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte oder eine Mobiler-ICT-Karte besitzt.
Satz 1 Nummer 1 und 2 ist für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis unbeachtlich, wenn die Voraussetzungen des Satzes 1 Nummer 3 Buchstabe f vorliegen. Satz 1 Nummer 2 ist für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis unbeachtlich, wenn
1.
der Ausländer, der einen Aufenthaltstitel nach § 23 Absatz 4, § 25 Absatz 1 oder 2, § 26 Absatz 3 oder nach Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Absatz 4 besitzt und die Ehe bereits bestand, als der Ausländer seinen Lebensmittelpunkt in das Bundesgebiet verlegt hat,
2.
der Ehegatte wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht in der Lage ist, einfache Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen,
3.
bei dem Ehegatten ein erkennbar geringer Integrationsbedarf im Sinne einer nach § 43 Absatz 4 erlassenen Rechtsverordnung besteht oder dieser aus anderen Gründen nach der Einreise keinen Anspruch nach § 44 auf Teilnahme am Integrationskurs hätte,
4.
der Ausländer wegen seiner Staatsangehörigkeit auch für einen Aufenthalt, der kein Kurzaufenthalt ist, visumfrei in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten darf,
5.
der Ausländer im Besitz einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte oder eines Aufenthaltstitels nach den §§ 18a, 18b Absatz 1, § 18c Absatz 3, den §§ 18d, 18f, 19c Absatz 1 für eine Beschäftigung als leitender Angestellter, als Führungskraft, als Unternehmensspezialist, als Wissenschaftler, als Gastwissenschaftler, als Ingenieur oder Techniker im Forschungsteam eines Gastwissenschaftlers oder als Lehrkraft, § 19c Absatz 2 oder 4 Satz 1 oder § 21 ist,
6.
es dem Ehegatten auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalles nicht möglich oder nicht zumutbar ist, vor der Einreise Bemühungen zum Erwerb einfacher Kenntnisse der deutschen Sprache zu unternehmen, oder
7.
der Ausländer unmittelbar vor der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU Inhaber einer Blauen Karte EU oder einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18a, 18b Absatz 1, den §§ 18d, 19c Absatz 1 für eine Beschäftigung als leitender Angestellter, als Führungskraft, als Unternehmensspezialist, als Wissenschaftler, als Gastwissenschaftler, als Ingenieur oder Techniker im Forschungsteam eines Gastwissenschaftlers oder als Lehrkraft, § 19c Absatz 2 oder 4 Satz 1 oder § 21 war.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis kann zur Vermeidung einer besonderen Härte abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 erteilt werden. Besitzt der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis, kann von den anderen Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe e abgesehen werden; Gleiches gilt, wenn der Ausländer ein nationales Visum besitzt.

(3) Die Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 und § 29 Abs. 1 Nr. 2 verlängert werden, solange die eheliche Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(4) Ist ein Ausländer gleichzeitig mit mehreren Ehegatten verheiratet und lebt er gemeinsam mit einem Ehegatten im Bundesgebiet, wird keinem weiteren Ehegatten eine Aufenthaltserlaubnis nach Absatz 1 oder Absatz 3 erteilt.

(5) Hält sich der Ausländer gemäß § 18e berechtigt im Bundesgebiet auf, so bedarf der Ehegatte keines Aufenthaltstitels, wenn nachgewiesen wird, dass sich der Ehegatte in dem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union rechtmäßig als Angehöriger des Ausländers aufgehalten hat. Die Voraussetzungen nach § 18e Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 3 und 4 und Absatz 6 Satz 1 und die Ablehnungsgründe nach § 19f gelten für den Ehegatten entsprechend.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Der Aufenthaltstitel erlischt in folgenden Fällen:

1.
Ablauf seiner Geltungsdauer,
2.
Eintritt einer auflösenden Bedingung,
3.
Rücknahme des Aufenthaltstitels,
4.
Widerruf des Aufenthaltstitels,
5.
Ausweisung des Ausländers,
5a.
Bekanntgabe einer Abschiebungsanordnung nach § 58a,
6.
wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grunde ausreist,
7.
wenn der Ausländer ausgereist und nicht innerhalb von sechs Monaten oder einer von der Ausländerbehörde bestimmten längeren Frist wieder eingereist ist,
8.
wenn ein Ausländer nach Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß der §§ 22, 23 oder § 25 Abs. 3 bis 5 einen Asylantrag stellt;
ein für mehrere Einreisen oder mit einer Geltungsdauer von mehr als 90 Tagen erteiltes Visum erlischt nicht nach den Nummern 6 und 7.

(1a) Die Gültigkeit einer nach § 19 erteilten ICT-Karte erlischt nicht nach Absatz 1 Nummer 6 und 7, wenn der Ausländer von der in der Richtlinie 2014/66/EU vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch macht, einen Teil des unternehmensinternen Transfers in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union durchzuführen. Die Gültigkeit einer nach § 16b oder § 18d erteilten Aufenthaltserlaubnis erlischt nicht nach Absatz 1 Nummer 6 und 7, wenn der Ausländer von der in der Richtlinie (EU) 2016/801 vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch macht, einen Teil des Studiums oder des Forschungsvorhabens in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union durchzuführen.

(2) Die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat sowie die Niederlassungserlaubnis seines mit ihm in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ehegatten erlöschen nicht nach Absatz 1 Nr. 6 und 7, wenn deren Lebensunterhalt gesichert ist und kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder Absatz 2 Nummer 5 bis 7 besteht. Die Niederlassungserlaubnis eines mit einem Deutschen in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ausländers erlischt nicht nach Absatz 1 Nr. 6 und 7, wenn kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder Absatz 2 Nummer 5 bis 7 besteht. Zum Nachweis des Fortbestandes der Niederlassungserlaubnis stellt die Ausländerbehörde am Ort des letzten gewöhnlichen Aufenthalts auf Antrag eine Bescheinigung aus.

(3) Der Aufenthaltstitel erlischt nicht nach Absatz 1 Nr. 7, wenn die Frist lediglich wegen Erfüllung der gesetzlichen Wehrpflicht im Heimatstaat überschritten wird und der Ausländer innerhalb von drei Monaten nach der Entlassung aus dem Wehrdienst wieder einreist.

(4) Nach Absatz 1 Nr. 7 wird in der Regel eine längere Frist bestimmt, wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach vorübergehenden Grunde ausreisen will und eine Niederlassungserlaubnis besitzt oder wenn der Aufenthalt außerhalb des Bundesgebiets Interessen der Bundesrepublik Deutschland dient. Abweichend von Absatz 1 Nummer 6 und 7 erlischt der Aufenthaltstitel eines Ausländers nicht, wenn er die Voraussetzungen des § 37 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 erfüllt, rechtswidrig mit Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Eingehung der Ehe genötigt und von der Rückkehr nach Deutschland abgehalten wurde und innerhalb von drei Monaten nach Wegfall der Zwangslage, spätestens jedoch innerhalb von zehn Jahren seit der Ausreise, wieder einreist.

(5) Die Befreiung vom Erfordernis des Aufenthaltstitels entfällt, wenn der Ausländer ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben wird; § 11 Absatz 2 bis 5 findet entsprechende Anwendung.

(6) Räumliche und sonstige Beschränkungen und Auflagen nach diesem und nach anderen Gesetzen bleiben auch nach Wegfall des Aufenthaltstitels oder der Aussetzung der Abschiebung in Kraft, bis sie aufgehoben werden oder der Ausländer seiner Ausreisepflicht nachgekommen ist.

(7) Im Falle der Ausreise eines Asylberechtigten oder eines Ausländers, dem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unanfechtbar die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat, erlischt der Aufenthaltstitel nicht, solange er im Besitz eines gültigen, von einer deutschen Behörde ausgestellten Reiseausweises für Flüchtlinge ist. Der Ausländer hat auf Grund seiner Anerkennung als Asylberechtigter oder der unanfechtbaren Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge keinen Anspruch auf erneute Erteilung eines Aufenthaltstitels, wenn er das Bundesgebiet verlassen hat und die Zuständigkeit für die Ausstellung eines Reiseausweises für Flüchtlinge auf einen anderen Staat übergegangen ist.

(8) Vor der Aufhebung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 38a Abs. 1, vor einer Ausweisung eines Ausländers, der eine solche Aufenthaltserlaubnis besitzt und vor dem Erlass einer gegen ihn gerichteten Abschiebungsanordnung nach § 58a gibt die zuständige Behörde in dem Verfahren nach § 91c Absatz 2 über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dem Mitgliedstaat der Europäischen Union, in dem der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten besitzt, Gelegenheit zur Stellungnahme, wenn die Abschiebung in ein Gebiet erwogen wird, in dem diese Rechtsstellung nicht erworben werden kann. Geht die Stellungnahme des anderen Mitgliedstaates rechtzeitig ein, wird sie von der zuständigen Behörde berücksichtigt.

(8a) Soweit die Behörden anderer Schengen-Staaten über Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009, die durch die Ausländerbehörden getroffen wurden, zu unterrichten sind, erfolgt dies über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden unterrichten die Behörden anderer Schengen-Staaten unmittelbar über ihre Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009.

(9) Die Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU erlischt nur, wenn

1.
ihre Erteilung wegen Täuschung, Drohung oder Bestechung zurückgenommen wird,
2.
der Ausländer ausgewiesen oder ihm eine Abschiebungsanordnung nach § 58a bekannt gegeben wird,
3.
sich der Ausländer für einen Zeitraum von zwölf aufeinander folgenden Monaten außerhalb des Gebiets aufhält, in dem die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten erworben werden kann; der Zeitraum beträgt 24 aufeinanderfolgende Monate bei einem Ausländer, der zuvor im Besitz einer Blauen Karte EU war, und bei seinen Familienangehörigen, die zuvor im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 30, 32, 33 oder 36 waren,
4.
sich der Ausländer für einen Zeitraum von sechs Jahren außerhalb des Bundesgebiets aufhält oder
5.
der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erwirbt.
Auf die in Satz 1 Nr. 3 und 4 genannten Fälle sind die Absätze 2 bis 4 entsprechend anzuwenden.

(10) Abweichend von Absatz 1 Nummer 7 beträgt die Frist für die Blaue Karte EU und die Aufenthaltserlaubnisse nach den §§ 30, 32, 33 oder 36, die den Familienangehörigen eines Inhabers einer Blauen Karte EU erteilt worden sind, zwölf Monate. Gleiches gilt für die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat sowie die Niederlassungserlaubnis eines mit ihm in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ehegatten, wenn sie das 60. Lebensjahr vollendet haben.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

(1) Ein Ausländer ist zur Ausreise verpflichtet, wenn er einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzt und ein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei nicht oder nicht mehr besteht.

(2) Der Ausländer hat das Bundesgebiet unverzüglich oder, wenn ihm eine Ausreisefrist gesetzt ist, bis zum Ablauf der Frist zu verlassen.

(2a) (weggefallen)

(3) Durch die Einreise in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einen anderen Schengen-Staat genügt der Ausländer seiner Ausreisepflicht nur, wenn ihm Einreise und Aufenthalt dort erlaubt sind. Liegen diese Voraussetzungen vor, ist der ausreisepflichtige Ausländer aufzufordern, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben.

(4) Ein ausreisepflichtiger Ausländer, der seine Wohnung wechseln oder den Bezirk der Ausländerbehörde für mehr als drei Tage verlassen will, hat dies der Ausländerbehörde vorher anzuzeigen.

(5) Der Pass oder Passersatz eines ausreisepflichtigen Ausländers soll bis zu dessen Ausreise in Verwahrung genommen werden.

(6) Ein Ausländer kann zum Zweck der Aufenthaltsbeendigung in den Fahndungshilfsmitteln der Polizei zur Aufenthaltsermittlung und Festnahme ausgeschrieben werden, wenn sein Aufenthalt unbekannt ist. Ein Ausländer, gegen den ein Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 besteht, kann zum Zweck der Einreiseverweigerung zur Zurückweisung und für den Fall des Antreffens im Bundesgebiet zur Festnahme ausgeschrieben werden. Für Ausländer, die gemäß § 15a verteilt worden sind, gilt § 66 des Asylgesetzes entsprechend.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Einem minderjährigen Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach diesem Abschnitt besitzt, ist abweichend von § 9 Abs. 2 eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er im Zeitpunkt der Vollendung seines 16. Lebensjahres seit fünf Jahren im Besitz der Aufenthaltserlaubnis ist. Das Gleiche gilt, wenn

1.
der Ausländer volljährig und seit fünf Jahren im Besitz der Aufenthaltserlaubnis ist,
2.
er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt und
3.
sein Lebensunterhalt gesichert ist oder er sich in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder einem Hochschulabschluss führt.

(2) Auf die nach Absatz 1 erforderliche Dauer des Besitzes der Aufenthaltserlaubnis werden in der Regel nicht die Zeiten angerechnet, in denen der Ausländer außerhalb des Bundesgebiets die Schule besucht hat.

(3) Ein Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach Absatz 1 besteht nicht, wenn

1.
ein auf dem persönlichen Verhalten des Ausländers beruhendes Ausweisungsinteresse besteht,
2.
der Ausländer in den letzten drei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Jugendstrafe von mindestens sechs oder einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten oder einer Geldstrafe von mindestens 90 Tagessätzen verurteilt worden oder wenn die Verhängung einer Jugendstrafe ausgesetzt ist oder
3.
der Lebensunterhalt nicht ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch oder Jugendhilfe nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch gesichert ist, es sei denn, der Ausländer befindet sich in einer Ausbildung, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss führt.
In den Fällen des Satzes 1 kann die Niederlassungserlaubnis erteilt oder die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden. Ist im Falle des Satzes 1 Nr. 2 die Jugend- oder Freiheitsstrafe zur Bewährung oder die Verhängung einer Jugendstrafe ausgesetzt, wird die Aufenthaltserlaubnis in der Regel bis zum Ablauf der Bewährungszeit verlängert.

(4) Von den in Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 und 3 und Absatz 3 Satz 1 Nr. 3 bezeichneten Voraussetzungen ist abzusehen, wenn sie von dem Ausländer wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht erfüllt werden können.

(1) Der Aufenthaltstitel erlischt in folgenden Fällen:

1.
Ablauf seiner Geltungsdauer,
2.
Eintritt einer auflösenden Bedingung,
3.
Rücknahme des Aufenthaltstitels,
4.
Widerruf des Aufenthaltstitels,
5.
Ausweisung des Ausländers,
5a.
Bekanntgabe einer Abschiebungsanordnung nach § 58a,
6.
wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grunde ausreist,
7.
wenn der Ausländer ausgereist und nicht innerhalb von sechs Monaten oder einer von der Ausländerbehörde bestimmten längeren Frist wieder eingereist ist,
8.
wenn ein Ausländer nach Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß der §§ 22, 23 oder § 25 Abs. 3 bis 5 einen Asylantrag stellt;
ein für mehrere Einreisen oder mit einer Geltungsdauer von mehr als 90 Tagen erteiltes Visum erlischt nicht nach den Nummern 6 und 7.

(1a) Die Gültigkeit einer nach § 19 erteilten ICT-Karte erlischt nicht nach Absatz 1 Nummer 6 und 7, wenn der Ausländer von der in der Richtlinie 2014/66/EU vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch macht, einen Teil des unternehmensinternen Transfers in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union durchzuführen. Die Gültigkeit einer nach § 16b oder § 18d erteilten Aufenthaltserlaubnis erlischt nicht nach Absatz 1 Nummer 6 und 7, wenn der Ausländer von der in der Richtlinie (EU) 2016/801 vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch macht, einen Teil des Studiums oder des Forschungsvorhabens in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union durchzuführen.

(2) Die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat sowie die Niederlassungserlaubnis seines mit ihm in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ehegatten erlöschen nicht nach Absatz 1 Nr. 6 und 7, wenn deren Lebensunterhalt gesichert ist und kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder Absatz 2 Nummer 5 bis 7 besteht. Die Niederlassungserlaubnis eines mit einem Deutschen in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ausländers erlischt nicht nach Absatz 1 Nr. 6 und 7, wenn kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder Absatz 2 Nummer 5 bis 7 besteht. Zum Nachweis des Fortbestandes der Niederlassungserlaubnis stellt die Ausländerbehörde am Ort des letzten gewöhnlichen Aufenthalts auf Antrag eine Bescheinigung aus.

(3) Der Aufenthaltstitel erlischt nicht nach Absatz 1 Nr. 7, wenn die Frist lediglich wegen Erfüllung der gesetzlichen Wehrpflicht im Heimatstaat überschritten wird und der Ausländer innerhalb von drei Monaten nach der Entlassung aus dem Wehrdienst wieder einreist.

(4) Nach Absatz 1 Nr. 7 wird in der Regel eine längere Frist bestimmt, wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach vorübergehenden Grunde ausreisen will und eine Niederlassungserlaubnis besitzt oder wenn der Aufenthalt außerhalb des Bundesgebiets Interessen der Bundesrepublik Deutschland dient. Abweichend von Absatz 1 Nummer 6 und 7 erlischt der Aufenthaltstitel eines Ausländers nicht, wenn er die Voraussetzungen des § 37 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 erfüllt, rechtswidrig mit Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Eingehung der Ehe genötigt und von der Rückkehr nach Deutschland abgehalten wurde und innerhalb von drei Monaten nach Wegfall der Zwangslage, spätestens jedoch innerhalb von zehn Jahren seit der Ausreise, wieder einreist.

(5) Die Befreiung vom Erfordernis des Aufenthaltstitels entfällt, wenn der Ausländer ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben wird; § 11 Absatz 2 bis 5 findet entsprechende Anwendung.

(6) Räumliche und sonstige Beschränkungen und Auflagen nach diesem und nach anderen Gesetzen bleiben auch nach Wegfall des Aufenthaltstitels oder der Aussetzung der Abschiebung in Kraft, bis sie aufgehoben werden oder der Ausländer seiner Ausreisepflicht nachgekommen ist.

(7) Im Falle der Ausreise eines Asylberechtigten oder eines Ausländers, dem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unanfechtbar die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat, erlischt der Aufenthaltstitel nicht, solange er im Besitz eines gültigen, von einer deutschen Behörde ausgestellten Reiseausweises für Flüchtlinge ist. Der Ausländer hat auf Grund seiner Anerkennung als Asylberechtigter oder der unanfechtbaren Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge keinen Anspruch auf erneute Erteilung eines Aufenthaltstitels, wenn er das Bundesgebiet verlassen hat und die Zuständigkeit für die Ausstellung eines Reiseausweises für Flüchtlinge auf einen anderen Staat übergegangen ist.

(8) Vor der Aufhebung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 38a Abs. 1, vor einer Ausweisung eines Ausländers, der eine solche Aufenthaltserlaubnis besitzt und vor dem Erlass einer gegen ihn gerichteten Abschiebungsanordnung nach § 58a gibt die zuständige Behörde in dem Verfahren nach § 91c Absatz 2 über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dem Mitgliedstaat der Europäischen Union, in dem der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten besitzt, Gelegenheit zur Stellungnahme, wenn die Abschiebung in ein Gebiet erwogen wird, in dem diese Rechtsstellung nicht erworben werden kann. Geht die Stellungnahme des anderen Mitgliedstaates rechtzeitig ein, wird sie von der zuständigen Behörde berücksichtigt.

(8a) Soweit die Behörden anderer Schengen-Staaten über Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009, die durch die Ausländerbehörden getroffen wurden, zu unterrichten sind, erfolgt dies über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden unterrichten die Behörden anderer Schengen-Staaten unmittelbar über ihre Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009.

(9) Die Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU erlischt nur, wenn

1.
ihre Erteilung wegen Täuschung, Drohung oder Bestechung zurückgenommen wird,
2.
der Ausländer ausgewiesen oder ihm eine Abschiebungsanordnung nach § 58a bekannt gegeben wird,
3.
sich der Ausländer für einen Zeitraum von zwölf aufeinander folgenden Monaten außerhalb des Gebiets aufhält, in dem die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten erworben werden kann; der Zeitraum beträgt 24 aufeinanderfolgende Monate bei einem Ausländer, der zuvor im Besitz einer Blauen Karte EU war, und bei seinen Familienangehörigen, die zuvor im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 30, 32, 33 oder 36 waren,
4.
sich der Ausländer für einen Zeitraum von sechs Jahren außerhalb des Bundesgebiets aufhält oder
5.
der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erwirbt.
Auf die in Satz 1 Nr. 3 und 4 genannten Fälle sind die Absätze 2 bis 4 entsprechend anzuwenden.

(10) Abweichend von Absatz 1 Nummer 7 beträgt die Frist für die Blaue Karte EU und die Aufenthaltserlaubnisse nach den §§ 30, 32, 33 oder 36, die den Familienangehörigen eines Inhabers einer Blauen Karte EU erteilt worden sind, zwölf Monate. Gleiches gilt für die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat sowie die Niederlassungserlaubnis eines mit ihm in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ehegatten, wenn sie das 60. Lebensjahr vollendet haben.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein russischer Staatsangehöriger jüdischer Volkszugehörigkeit, begehrt die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis. Im August 2003 reiste er mit seinen Eltern in die Bundesrepublik Deutschland ein und erhielt auf seinen Antrag eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis sowie eine Bescheinigung, wonach er Flüchtling im Sinne des § 1 Abs. 1 des Gesetzes über Maßnahmen für im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommene Flüchtlinge (Kontingentflüchtlingsgesetz - HumHAG) sei.

2

Aus beruflichen Gründen hielt sich der Kläger in den Jahren 2004 und 2005 häufig im Ausland auf. Eine ihm eingeräumte Frist zur Wiedereinreise (§ 44 Abs. 1 Nr. 3 AuslG, jetzt § 51 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 4 AufenthG) hielt er nicht ein, so dass die Beklagte davon ausging, dass sein Aufenthaltstitel erloschen sei. Sie erteilte ihm am 26. September 2005 erneut eine Niederlassungserlaubnis in der Annahme, diese stehe ihm im Hinblick auf seine Aufnahme als Kontingentflüchtling zu. Zwischen August 2006 und Mai 2009 studierte der Kläger in Berkeley (USA) und erwarb dort einen Doppel-Magister-Grad in Business Administration und International Area Studies. Während dieses Zeitraums hielt er sich gelegentlich in Deutschland, aber auch in anderen Ländern auf. Im Juli 2007 heiratete er eine in Moskau lebende russische Staatsangehörige und veranlasste im April 2008 die Neuausstellung seines russischen Reisepasses durch das russische Generalkonsulat. Einen im Oktober 2009 gestellten Einbürgerungsantrag verfolgte er nicht weiter.

3

Durch Bescheid vom 26. Oktober 2010 stellte die Beklagte fest, dass die Niederlassungserlaubnis vom 26. September 2005 erloschen sei (Ziffer 1), lehnte die Erteilung eines Aufenthaltstitels ab, forderte den Kläger zur Ausreise bis zum 30. November 2010 auf und drohte ihm die Abschiebung nach Russland an (Ziffern 2 bis 4). Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, soweit sie auf die Aufhebung der Erlöschensfeststellung (Ziffer 1 des Bescheids) gerichtet war, und den Bescheid im Übrigen aufgehoben sowie die Beklagte zur Erteilung einer Niederlassungserlaubnis verpflichtet. Eine Entscheidung über den Hilfsantrag des Klägers, ihm für den Fall, dass er keinen Anspruch auf eine Niederlassungserlaubnis habe, einen anderen Aufenthaltstitel zu erteilen, wurde nicht getroffen.

4

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung der Beklagten durch Beschluss vom 30. August 2011 zurückgewiesen. Der Kläger genieße auf Grund seiner Aufnahme als jüdischer Emigrant zwar nicht den Status eines Kontingentflüchtlings, wohl aber eine Rechtsstellung sui generis in entsprechender Anwendung des Gesetzes über Maßnahmen für im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommene Flüchtlinge (HumHAG). Diese sei auch durch das Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes nicht erloschen; dem stehe bereits das Verbot rückwirkend belastender Vorschriften entgegen. Weder sei sein Status auf den einmaligen Erwerb eines unbefristeten Aufenthaltstitels beschränkt noch erlösche dieser Status, weil es hierfür an einer Rechtsgrundlage fehle. Der Kläger hat die von ihm zu Ziffer 1 des Bescheids eingelegte Anschlussberufung zurückgenommen, später jedoch erneut eingelegt. Dieses Verfahren ist bei dem Verwaltungsgerichtshof noch anhängig (19 B 12.265).

5

Mit ihrer Revision möchte die Beklagte die Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidungen erreichen, soweit die Ziffern 2 bis 4 des angegriffenen Bescheids betroffen sind, sowie die Abweisung der Klage insoweit. Der Kläger habe keinen Status als Kontingentflüchtling in direkter Anwendung des § 1 Abs. 1 HumHAG, weil er kein Flüchtlingsschicksal erlitten habe, sondern in einem geordneten Verfahren ausgewandert sei. Ziel der erleichterten Zuwanderung nach Deutschland sei die Stärkung der jüdischen Gemeinden gewesen. Der Status komme ihm auch in entsprechender Anwendung der Vorschrift nicht zu, weil jüdischen Einwanderern aus der ehemaligen Sowjetunion lediglich ausländerrechtliche Vergünstigungen gewährt werden sollten; dies ergebe sich auch aus den Übergangsvorschriften der §§ 101 ff. AufenthG. Selbst wenn der Kläger einen dem HumHAG entsprechenden Status erlangt haben sollte, wäre dieser nach Ausstellung des russischen Reisepasses 2008 erloschen, da die Privilegierung der jüdischen Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion sich nicht auf den Fall der erneuten Verlegung des Lebensmittelpunkts ins Ausland erstrecke. Ein Anspruch des Klägers scheitere im Übrigen auch an § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG, weil er vielfach ohne das erforderliche Visum nach Deutschland eingereist sei.

6

Während des Revisionsverfahrens hat der Kläger seinen Hauptwohnsitz in den Bezirk des Landratsamtes Ne. verlegt. Dieses hat der Stadt Nü. die Zustimmung zur Fortführung des Verfahrens erteilt.

7

Der Kläger verteidigt die angegriffene Entscheidung. Der ihm eingeräumte Status dürfe nicht nachträglich entzogen werden und erlaube ihm die jederzeitige erneute Einreise. Der Umstand, dass die Betroffenen aus außenpolitischen Rücksichten nicht ausnahmslos einen Flüchtlingsausweis erhalten hätten, ändere nichts daran, dass ihnen grundsätzlich alle aus der Genfer Konvention folgenden Rechte zustünden; dies ergebe sich schon aus der dem Kläger ausgestellten Statusbescheinigung.

8

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht und die Landesanwaltschaft Bayern beteiligen sich am Verfahren. Sie unterstützen die Beklagte als Revisionsklägerin.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist begründet. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten unter Verstoß gegen Bundesrecht zurückgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis oder eines anderen Aufenthaltstitels; auch die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung im Bescheid vom 26. Oktober 2010 sind nicht zu beanstanden.

10

1. Die Revision ist zulässig. Der Kläger hat im Laufe des Revisionsverfahrens seinen Hauptwohnsitz von Nü. nach T. verlegt. Für ihn zuständige Ausländerbehörde ist nunmehr das Landratsamt Ne., das der Stadt Nü. jedoch die Zustimmung zur Fortführung des Verfahrens in eigener Zuständigkeit nach Art. 3 Abs. 3 BayVwVfG erteilt hat. Eine solche Handhabung ist rechtlich nicht zu beanstanden und dient der einfachen und zweckmäßigen Durchführung des Verfahrens (vgl. Urteil vom 24. Mai 1995 - BVerwG 1 C 7.94 - BVerwGE 98, 313 <316>).

11

Der Gegenstand der Revision erstreckt sich nicht auf die mit der Klage zunächst auch angegriffene Feststellung, dass die dem Kläger erteilte Niederlassungserlaubnis vom 26. September 2005 erloschen ist (zu Ziffer 1 des Bescheids vom 26. Oktober 2010), sondern beschränkt sich auf die Ziffern 2 bis 4 dieses Bescheids. Auch das vom Kläger hilfsweise geltend gemachte Begehren auf Erteilung irgend eines Aufenthaltstitels für den Fall, dass ihm eine Niederlassungserlaubnis nicht zusteht, ist in der Revisionsinstanz angefallen.

12

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des geltend gemachten Anspruchs und der noch nicht vollzogenen Abschiebungsandrohung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts (30. August 2011). Änderungen der Rechtslage nach diesem Zeitpunkt sind zu berücksichtigen, wenn das Tatsachengericht sie - entschiede es anstelle des Revisionsgerichts - ebenfalls zu berücksichtigen hätte (vgl. Urteil vom 22. März 2012 - BVerwG 1 C 3.11 - InfAuslR 2012, 261, Rn. 13 - zur Veröffentlichung in der Sammlung BVerwGE vorgesehen). Maßgeblich für das vorliegende Verfahren ist danach das Aufenthaltsgesetz in der durch Gesetz vom 1. Juni 2012 geänderten Fassung (BGBl I S. 1224).

13

2. Die Revision ist begründet. Die Klage auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis ist zwar zulässig, jedoch entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts unbegründet. Auch die gegen die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung gerichtete Anfechtungsklage ist unbegründet.

14

2.1 Die Klage auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis ist zulässig; insbesondere fehlt dem Kläger nicht das Rechtsschutzinteresse an der gerichtlichen Geltendmachung seines Begehrens. Denn die ihm zuvor erteilten Aufenthaltstitel vom 13. Oktober 2003 und 26. September 2005 sind erloschen.

15

Die unbefristete Aufenthaltserlaubnis vom 13. Oktober 2003, die gemäß § 101 Abs. 1 Satz 2 AufenthG als Niederlassungserlaubnis fortgegolten hat, ist im Jahre 2005 gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG - zuvor § 44 Abs. 1 Nr. 3 AuslG - erloschen. Der Kläger hat die ihm von der Ausländerbehörde auf Antrag eingeräumte Rückkehrfrist (25. April 2005) nicht eingehalten, sondern um fünf Monate überschritten.

16

Auch die Niederlassungserlaubnis vom 26. September 2005 entfaltet keine Rechtswirkungen mehr. Nach § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG erlischt ein Aufenthaltstitel, wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grund ausreist. Unschädlich im Hinblick auf diese Vorschrift sind lediglich Auslandsaufenthalte, die nach ihrem Zweck typischerweise zeitlich begrenzt sind und die keine wesentliche Änderung der gewöhnlichen Lebensumstände in Deutschland mit sich bringen. Fehlt es an einem dieser Erfordernisse, liegt ein seiner Natur nach nicht vorübergehender Grund vor. Neben der Dauer und dem Zweck des Auslandsaufenthalts sind alle objektiven Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, während es auf den inneren Willen des Ausländers - insbesondere auf seine Planung der späteren Rückkehr nach Deutschland - nicht allein ankommen kann. Als ihrer Natur nach vorübergehende Gründe für Auslandsaufenthalte können danach etwa Urlaubsreisen oder beruflich veranlasste Aufenthalte von ähnlicher Dauer anzusehen sein, ebenso Aufenthalte zur vorübergehenden Pflege von Angehörigen, zur Ableistung der Wehrpflicht oder Aufenthalte während der Schul- oder Berufsausbildung, die nur zeitlich begrenzte Ausbildungsabschnitte, nicht aber die Ausbildung insgesamt ins Ausland verlagern ( Urteil vom 30. April 2009 - BVerwG 1 C 6.08 - BVerwGE 134, 27 Rn. 21; Beschluss vom 30. Dezember 1988 - BVerwG 1 B 135.88 - InfAuslR 1989, 114 m.w.N.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. September 2010 - 11 B 14.10 - OVGE BE 31, 156; abweichend zum Schulaufenthalt VGH München, Beschluss vom 2. November 2010 - 10 B 09.1771). Demgegenüber lässt sich eine feste Zeitspanne, bei deren Überschreitung stets von einem nicht mehr vorübergehenden Grund auszugehen wäre, nicht abstrakt benennen. Je weiter sich die Aufenthaltsdauer im Ausland über die Zeiten hinaus ausdehnt, die mit den o.g. begrenzten Aufenthaltszwecken typischerweise verbunden sind, desto eher liegt die Annahme eines nicht nur vorübergehenden Grundes im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG nahe. Jedenfalls erlischt der Aufenthaltstitel nach dieser Vorschrift, wenn sich aus den Gesamtumständen ergibt, dass der Betreffende seinen Lebensmittelpunkt ins Ausland verlagert hat.

17

Im vorliegenden Fall hat der Kläger in der Zeit von August 2006 bis Mai 2009, also während eines Zeitraums von drei akademischen Jahren, in den USA studiert. Dort hat er nicht lediglich einzelne Abschnitte einer in Deutschland begonnenen oder abgeschlossenen Ausbildung absolviert, sondern ein vollständiges Studium in zwei Fächern durchgeführt, während er in Deutschland lediglich ein kleines Büro für eine gewerbliche Tätigkeit geringen Umfangs vorgehalten hat. Zwar hat er sich während der vorlesungsfreien Zeit immer wieder auch in Deutschland aufgehalten, doch fand etwa seine in denselben Zeitraum fallende Eheschließung in Dänemark statt; seine Ehefrau lebt und arbeitet in Russland. Auch hat er sich während des dreijährigen Auslandsaufenthalts geschäftlich in weiteren Staaten aufgehalten. Diese Umstände bieten keine Grundlage mehr für die Annahme, sein Lebensmittelpunkt habe sich während der gesamten Zeit des Auslandsstudiums noch in Deutschland befunden. Auf die Frage, ob er stets eine dauerhafte Rückkehr nach Deutschland geplant hat - wofür der im Oktober 2009 gestellte Einbürgerungsantrag sprechen mag -, kommt es angesichts des Gewichts der geschilderten objektiven Umstände nicht an.

18

Das beim Berufungsgericht unter dem Aktenzeichen 19 B 12.265 anhängige Verfahren der - nach Abschluss der Berufungsinstanz erneut eingelegten - Anschlussberufung, mit der sich der Kläger gegen die behördliche Feststellung des Erlöschens der Niederlassungserlaubnis vom 25. September 2005 wendet, ist für den vorliegenden Revisionsrechtsstreit nicht vorgreiflich. Denn selbst wenn man unterstellt, dass dieses Berufungsverfahren zu einer rechtskräftigen Aufhebung von Ziffer 1 des angegriffenen Bescheids führen würde, wäre die Revision insoweit ebenfalls begründet, weil es in diesem Fall an der Zulässigkeit der zu Grunde liegenden Verpflichtungsklage fehlen würde.

19

2.2 Die Klage auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis ist jedoch unbegründet, da der Kläger keinen Anspruch auf diesen Aufenthaltstitel hat.

20

Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus § 1 Abs. 1 HumHAG in unmittelbarer Anwendung, weil der Kläger diesen Status nicht erworben hat. Denn jüdische Emigranten aus der ehemaligen Sowjetunion wurden auf Grund des Beschlusses der Ministerpräsidentenkonferenz (Besprechung des Bundeskanzlers mit den Regierungschefs der Länder) vom 9. Januar 1991 nicht als verfolgte oder durch ein Flüchtlingsschicksal gekennzeichnete Gruppe aufgenommen. Dies hat der Senat in seinen den Beteiligten bekannten Urteilen vom 22. März 2012 - BVerwG 1 C 3.11 - (a.a.O. Rn. 17 ff.) und vom 4. Oktober 2012 - BVerwG 1 C 12.11 (Rn. 12) - näher ausgeführt; hierauf wird Bezug genommen.

21

Ein Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis ergibt sich auch nicht aus einer Rechtsstellung in entsprechender Anwendung des § 1 Abs. 1 HumHAG. Diese Rechtsstellung hat der Kläger durch seine Einreise auf der Grundlage einer Aufnahmezusage zwar zunächst erworben, doch ist sie mit dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes am 1. Januar 2005 erloschen. Aus den Übergangsregelungen des Aufenthaltsgesetzes ergibt sich, dass der Gesetzgeber mit der Neuregelung des § 23 Abs. 2 AufenthG die Rechtsstellung auch der vor dem 1. Januar 2005 aufgenommenen jüdischen Immigranten aus der ehemaligen Sowjetunion abschließend neu ausgestalten und ausschließlich diesem Gesetz unterstellen wollte. Die in dieser Einwirkung auf einen noch fortdauernden und damit nicht abgeschlossenen Sachverhalt liegende unechte Rückwirkung ist nicht zu beanstanden, da sie u.a. der Beseitigung der aus der entsprechenden Anwendung des Kontingentflüchtlingsgesetzes sich ergebenden Rechtsunsicherheit diente (Urteile vom 22. März 2012 a.a.O. Rn. 17 ff., und vom 4. Oktober 2012 a.a.O. Rn. 13 f.). Ein schutzwürdiges Vertrauen in die Beibehaltung eines etwaigen Anspruchs auf jederzeitige Neuerteilung eines Aufenthaltstitels nach Wiedereinreise im Anschluss an Auslandsaufenthalte beliebiger Dauer oder Zweckrichtung wurde weder durch die entsprechende Anwendung des Kontingentflüchtlingsgesetzes vermittelt noch lässt es sich auf verfassungsrechtliche Gründe stützen. Denn den betroffenen Immigranten steht die aufenthaltsrechtliche Möglichkeit einer vorübergehenden Ausreise mit der Option der Verlängerung über sechs Monate hinaus (§ 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG) offen, so dass sie es selbst in der Hand haben, das ihnen eingeräumte Recht auf Daueraufenthalt zu erhalten. Zusätzlich besteht - was für den Kläger freilich ohne Bedeutung ist - die Möglichkeit, bei Furcht vor Verfolgung um Asyl nachzusuchen.

22

Schließlich kann der Kläger den geltend gemachten Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis auch nicht auf § 9 Abs. 2 AufenthG stützen. Denn weder besitzt er seit fünf Jahren eine Aufenthaltserlaubnis (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG), da - wie ausgeführt - die ihm erteilten Aufenthaltstitel erloschen sind, noch ist er nach dem Erlöschen dieser Titel mit dem erforderlichen Visum eingereist (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG), ohne dass Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ihm dies unzumutbar gewesen wäre.

23

2.3 Die Abschiebungsandrohung ist rechtmäßig. Der Kläger ist ausreisepflichtig (§ 50 Abs. 1 AufenthG), da die ihm erteilten Aufenthaltstitel erloschen sind. Die Ausreisepflicht ist auch vollziehbar (§ 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG). Der Kläger ist nach Abschluss seines Studiums in den USA unerlaubt eingereist, d.h. ohne den gemäß § 4 AufenthG erforderlichen Aufenthaltstitel zu besitzen (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG). Dafür ist unerheblich, ob er sich dieses Umstands bewusst war oder nicht. Auf das Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 1 Satz 2 AufenthG i.V.m. § 1 Abs. 1 HumHAG kann sich der Kläger nicht berufen, da er, wie ausgeführt, kein Flüchtling ist. Ob der Status entsprechend § 1 HumHAG dem Kläger das in Art. 33 Abs. 1 GFK enthaltene Refoulement-Verbot zunächst vermittelt hat, kann demgegenüber offenbleiben, weil sein Status mit dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes umfassend und abschließend neu geregelt worden ist (Urteil vom 22. März 2012 a.a.O. Rn. 26 ff.). Andere Abschiebungshindernisse sind nicht ersichtlich. Insbesondere steht Art. 8 EMRK einer Abschiebung des Klägers nicht entgegen. Dieser ist erst mit 21 Jahren nach Deutschland gekommen und beherrscht die russische Sprache. Zudem lebt seine Ehefrau in Moskau, und er ist in Russland regelmäßig geschäftlich tätig. Demgegenüber war seine Aufenthaltsdauer in Deutschland auf Grund zahlreicher geschäftlicher Auslandsaufenthalte und während der Dauer seines dreijährigen Auslandsstudiums in erheblichem Umfang reduziert.

24

Die Frage, ob die Abschiebungsandrohung an der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 - Rückführungsrichtlinie (ABl EU Nr. L 348 vom 24. Dezember 2008 S. 98) zu messen ist, kann offenbleiben (vgl. dazu Urteil vom 10. Juli 2012 - BVerwG 1 C 19.11 - juris Rn. 45 - zur Veröffentlichung in der Sammlung BVerwGE vorgesehen). Selbst wenn man unterstellt, dass die darin enthaltenen materiellrechtliche Vorgaben für eine Rückkehrentscheidung intertemporal auch für eine vor Ablauf der Umsetzungsfrist (24. Dezember 2010, vgl. Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie) erlassene Abschiebungsandrohung Geltung beanspruchen - im vorliegenden Fall ist die Abschiebungsandrohung am 26. Oktober 2010 ausgesprochen worden -, verhilft das der Revision nicht zum Erfolg. Denn eine Abschiebungsandrohung löst nach den Regelungen des Aufenthaltsgesetzes kein Einreiseverbot aus, so dass im Zeitpunkt ihres Erlasses kein Bedürfnis für eine Festsetzung der zeitlichen Dauer eines solchen Verbots besteht.

25

Die von der Beklagten festgesetzte Ausreisefrist ist nicht zu beanstanden. Nach § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und dreißig Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen; dem wird eine datumsmäßige Fixierung jedenfalls dann gerecht, wenn die Ausreisepflicht - wie hier - kraft Gesetzes vollziehbar ist.

26

3. Der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels für den Fall, dass ein Anspruch auf eine Niederlassungserlaubnis nicht bestehen sollte, ist aus den bereits ausgeführten Gründen ebenfalls unbegründet, da es an den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen fehlt. Die Berufungsentscheidung ist damit auch unter diesem Aspekt nicht aus anderen Gründen richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die Frage, ob dieses vor dem Verwaltungsgericht geltend gemachte Begehren hinreichend bestimmt formuliert worden ist, bedarf deshalb keiner Entscheidung.

(1) Der Aufenthaltstitel erlischt in folgenden Fällen:

1.
Ablauf seiner Geltungsdauer,
2.
Eintritt einer auflösenden Bedingung,
3.
Rücknahme des Aufenthaltstitels,
4.
Widerruf des Aufenthaltstitels,
5.
Ausweisung des Ausländers,
5a.
Bekanntgabe einer Abschiebungsanordnung nach § 58a,
6.
wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grunde ausreist,
7.
wenn der Ausländer ausgereist und nicht innerhalb von sechs Monaten oder einer von der Ausländerbehörde bestimmten längeren Frist wieder eingereist ist,
8.
wenn ein Ausländer nach Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß der §§ 22, 23 oder § 25 Abs. 3 bis 5 einen Asylantrag stellt;
ein für mehrere Einreisen oder mit einer Geltungsdauer von mehr als 90 Tagen erteiltes Visum erlischt nicht nach den Nummern 6 und 7.

(1a) Die Gültigkeit einer nach § 19 erteilten ICT-Karte erlischt nicht nach Absatz 1 Nummer 6 und 7, wenn der Ausländer von der in der Richtlinie 2014/66/EU vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch macht, einen Teil des unternehmensinternen Transfers in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union durchzuführen. Die Gültigkeit einer nach § 16b oder § 18d erteilten Aufenthaltserlaubnis erlischt nicht nach Absatz 1 Nummer 6 und 7, wenn der Ausländer von der in der Richtlinie (EU) 2016/801 vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch macht, einen Teil des Studiums oder des Forschungsvorhabens in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union durchzuführen.

(2) Die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat sowie die Niederlassungserlaubnis seines mit ihm in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ehegatten erlöschen nicht nach Absatz 1 Nr. 6 und 7, wenn deren Lebensunterhalt gesichert ist und kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder Absatz 2 Nummer 5 bis 7 besteht. Die Niederlassungserlaubnis eines mit einem Deutschen in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ausländers erlischt nicht nach Absatz 1 Nr. 6 und 7, wenn kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder Absatz 2 Nummer 5 bis 7 besteht. Zum Nachweis des Fortbestandes der Niederlassungserlaubnis stellt die Ausländerbehörde am Ort des letzten gewöhnlichen Aufenthalts auf Antrag eine Bescheinigung aus.

(3) Der Aufenthaltstitel erlischt nicht nach Absatz 1 Nr. 7, wenn die Frist lediglich wegen Erfüllung der gesetzlichen Wehrpflicht im Heimatstaat überschritten wird und der Ausländer innerhalb von drei Monaten nach der Entlassung aus dem Wehrdienst wieder einreist.

(4) Nach Absatz 1 Nr. 7 wird in der Regel eine längere Frist bestimmt, wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach vorübergehenden Grunde ausreisen will und eine Niederlassungserlaubnis besitzt oder wenn der Aufenthalt außerhalb des Bundesgebiets Interessen der Bundesrepublik Deutschland dient. Abweichend von Absatz 1 Nummer 6 und 7 erlischt der Aufenthaltstitel eines Ausländers nicht, wenn er die Voraussetzungen des § 37 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 erfüllt, rechtswidrig mit Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Eingehung der Ehe genötigt und von der Rückkehr nach Deutschland abgehalten wurde und innerhalb von drei Monaten nach Wegfall der Zwangslage, spätestens jedoch innerhalb von zehn Jahren seit der Ausreise, wieder einreist.

(5) Die Befreiung vom Erfordernis des Aufenthaltstitels entfällt, wenn der Ausländer ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben wird; § 11 Absatz 2 bis 5 findet entsprechende Anwendung.

(6) Räumliche und sonstige Beschränkungen und Auflagen nach diesem und nach anderen Gesetzen bleiben auch nach Wegfall des Aufenthaltstitels oder der Aussetzung der Abschiebung in Kraft, bis sie aufgehoben werden oder der Ausländer seiner Ausreisepflicht nachgekommen ist.

(7) Im Falle der Ausreise eines Asylberechtigten oder eines Ausländers, dem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unanfechtbar die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat, erlischt der Aufenthaltstitel nicht, solange er im Besitz eines gültigen, von einer deutschen Behörde ausgestellten Reiseausweises für Flüchtlinge ist. Der Ausländer hat auf Grund seiner Anerkennung als Asylberechtigter oder der unanfechtbaren Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge keinen Anspruch auf erneute Erteilung eines Aufenthaltstitels, wenn er das Bundesgebiet verlassen hat und die Zuständigkeit für die Ausstellung eines Reiseausweises für Flüchtlinge auf einen anderen Staat übergegangen ist.

(8) Vor der Aufhebung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 38a Abs. 1, vor einer Ausweisung eines Ausländers, der eine solche Aufenthaltserlaubnis besitzt und vor dem Erlass einer gegen ihn gerichteten Abschiebungsanordnung nach § 58a gibt die zuständige Behörde in dem Verfahren nach § 91c Absatz 2 über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dem Mitgliedstaat der Europäischen Union, in dem der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten besitzt, Gelegenheit zur Stellungnahme, wenn die Abschiebung in ein Gebiet erwogen wird, in dem diese Rechtsstellung nicht erworben werden kann. Geht die Stellungnahme des anderen Mitgliedstaates rechtzeitig ein, wird sie von der zuständigen Behörde berücksichtigt.

(8a) Soweit die Behörden anderer Schengen-Staaten über Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009, die durch die Ausländerbehörden getroffen wurden, zu unterrichten sind, erfolgt dies über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden unterrichten die Behörden anderer Schengen-Staaten unmittelbar über ihre Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009.

(9) Die Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU erlischt nur, wenn

1.
ihre Erteilung wegen Täuschung, Drohung oder Bestechung zurückgenommen wird,
2.
der Ausländer ausgewiesen oder ihm eine Abschiebungsanordnung nach § 58a bekannt gegeben wird,
3.
sich der Ausländer für einen Zeitraum von zwölf aufeinander folgenden Monaten außerhalb des Gebiets aufhält, in dem die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten erworben werden kann; der Zeitraum beträgt 24 aufeinanderfolgende Monate bei einem Ausländer, der zuvor im Besitz einer Blauen Karte EU war, und bei seinen Familienangehörigen, die zuvor im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 30, 32, 33 oder 36 waren,
4.
sich der Ausländer für einen Zeitraum von sechs Jahren außerhalb des Bundesgebiets aufhält oder
5.
der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erwirbt.
Auf die in Satz 1 Nr. 3 und 4 genannten Fälle sind die Absätze 2 bis 4 entsprechend anzuwenden.

(10) Abweichend von Absatz 1 Nummer 7 beträgt die Frist für die Blaue Karte EU und die Aufenthaltserlaubnisse nach den §§ 30, 32, 33 oder 36, die den Familienangehörigen eines Inhabers einer Blauen Karte EU erteilt worden sind, zwölf Monate. Gleiches gilt für die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat sowie die Niederlassungserlaubnis eines mit ihm in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ehegatten, wenn sie das 60. Lebensjahr vollendet haben.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Ausländer ist jeder, der nicht Deutscher im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 des Grundgesetzes ist.

(2) Erwerbstätigkeit ist die selbständige Tätigkeit, die Beschäftigung im Sinne von § 7 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und die Tätigkeit als Beamter.

(3) Der Lebensunterhalt eines Ausländers ist gesichert, wenn er ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann. Nicht als Inanspruchnahme öffentlicher Mittel gilt der Bezug von:

1.
Kindergeld,
2.
Kinderzuschlag,
3.
Erziehungsgeld,
4.
Elterngeld,
5.
Leistungen der Ausbildungsförderung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch, dem Bundesausbildungsförderungsgesetz und dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz,
6.
öffentlichen Mitteln, die auf Beitragsleistungen beruhen oder die gewährt werden, um den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen und
7.
Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz.
Ist der Ausländer in einer gesetzlichen Krankenversicherung krankenversichert, hat er ausreichenden Krankenversicherungsschutz. Bei der Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug werden Beiträge der Familienangehörigen zum Haushaltseinkommen berücksichtigt. Der Lebensunterhalt gilt für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 16a bis 16c, 16e sowie 16f mit Ausnahme der Teilnehmer an Sprachkursen, die nicht der Studienvorbereitung dienen, als gesichert, wenn der Ausländer über monatliche Mittel in Höhe des monatlichen Bedarfs, der nach den §§ 13 und 13a Abs. 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bestimmt wird, verfügt. Der Lebensunterhalt gilt für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 16d, 16f Absatz 1 für Teilnehmer an Sprachkursen, die nicht der Studienvorbereitung dienen, sowie § 17 als gesichert, wenn Mittel entsprechend Satz 5 zuzüglich eines Aufschlages um 10 Prozent zur Verfügung stehen. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat gibt die Mindestbeträge nach Satz 5 für jedes Kalenderjahr jeweils bis zum 31. August des Vorjahres im Bundesanzeiger bekannt.

(4) Als ausreichender Wohnraum wird nicht mehr gefordert, als für die Unterbringung eines Wohnungssuchenden in einer öffentlich geförderten Sozialmietwohnung genügt. Der Wohnraum ist nicht ausreichend, wenn er den auch für Deutsche geltenden Rechtsvorschriften hinsichtlich Beschaffenheit und Belegung nicht genügt. Kinder bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres werden bei der Berechnung des für die Familienunterbringung ausreichenden Wohnraumes nicht mitgezählt.

(5) Schengen-Staaten sind die Staaten, in denen folgende Rechtsakte in vollem Umfang Anwendung finden:

1.
Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen (ABl. L 239 vom 22.9.2000, S. 19),
2.
die Verordnung (EU) 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) (ABl. L 77 vom 23.3.2016, S. 1) und
3.
die Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft (ABl. L 243 vom 15.9.2009, S. 1).

(6) Vorübergehender Schutz im Sinne dieses Gesetzes ist die Aufenthaltsgewährung in Anwendung der Richtlinie 2001/55/EG des Rates vom 20. Juli 2001 über Mindestnormen für die Gewährung vorübergehenden Schutzes im Falle eines Massenzustroms von Vertriebenen und Maßnahmen zur Förderung einer ausgewogenen Verteilung der Belastungen, die mit der Aufnahme dieser Personen und den Folgen dieser Aufnahme verbunden sind, auf die Mitgliedstaaten (ABl. EG Nr. L 212 S. 12).

(7) Langfristig Aufenthaltsberechtigter ist ein Ausländer, dem in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union die Rechtsstellung nach Artikel 2 Buchstabe b der Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen (ABl. EU 2004 Nr. L 16 S. 44), die zuletzt durch die Richtlinie 2011/51/EU (ABl. L 132 vom 19.5.2011, S. 1) geändert worden ist, verliehen und nicht entzogen wurde.

(8) Langfristige Aufenthaltsberechtigung – EU ist der einem langfristig Aufenthaltsberechtigten durch einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ausgestellte Aufenthaltstitel nach Artikel 8 der Richtlinie 2003/109/EG.

(9) Einfache deutsche Sprachkenntnisse entsprechen dem Niveau A 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (Empfehlungen des Ministerkomitees des Europarates an die Mitgliedstaaten Nr. R (98) 6 vom 17. März 1998 zum Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen – GER).

(10) Hinreichende deutsche Sprachkenntnisse entsprechen dem Niveau A 2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen.

(11) Ausreichende deutsche Sprachkenntnisse entsprechen dem Niveau B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen.

(11a) Gute deutsche Sprachkenntnisse entsprechen dem Niveau B2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen.

(12) Die deutsche Sprache beherrscht ein Ausländer, wenn seine Sprachkenntnisse dem Niveau C 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen entsprechen.

(12a) Eine qualifizierte Berufsausbildung im Sinne dieses Gesetzes liegt vor, wenn es sich um eine Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf handelt, für den nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren festgelegt ist.

(12b) Eine qualifizierte Beschäftigung im Sinne dieses Gesetzes liegt vor, wenn zu ihrer Ausübung Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten erforderlich sind, die in einem Studium oder einer qualifizierten Berufsausbildung erworben werden.

(12c) Bildungseinrichtungen im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
Ausbildungsbetriebe bei einer betrieblichen Berufsaus- oder Weiterbildung,
2.
Schulen, Hochschulen sowie Einrichtungen der Berufsbildung oder der sonstigen Aus- und Weiterbildung.

(13) International Schutzberechtigter ist ein Ausländer, der internationalen Schutz genießt im Sinne der

1.
Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 304 vom 30.9.2004, S. 12) oder
2.
Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337 vom 20.12.2011, S. 9).

(14) Soweit Artikel 28 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31), der die Inhaftnahme zum Zwecke der Überstellung betrifft, maßgeblich ist, gelten § 62 Absatz 3a für die widerlegliche Vermutung einer Fluchtgefahr im Sinne von Artikel 2 Buchstabe n der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 und § 62 Absatz 3b Nummer 1 bis 5 als objektive Anhaltspunkte für die Annahme einer Fluchtgefahr im Sinne von Artikel 2 Buchstabe n der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 entsprechend; im Anwendungsbereich der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 bleibt Artikel 28 Absatz 2 im Übrigen maßgeblich. Ferner kann ein Anhaltspunkt für Fluchtgefahr vorliegen, wenn

1.
der Ausländer einen Mitgliedstaat vor Abschluss eines dort laufenden Verfahrens zur Zuständigkeitsbestimmung oder zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz verlassen hat und die Umstände der Feststellung im Bundesgebiet konkret darauf hindeuten, dass er den zuständigen Mitgliedstaat in absehbarer Zeit nicht aufsuchen will,
2.
der Ausländer zuvor mehrfach einen Asylantrag in anderen Mitgliedstaaten als der Bundesrepublik Deutschland im Geltungsbereich der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 gestellt und den jeweiligen anderen Mitgliedstaat der Asylantragstellung wieder verlassen hat, ohne den Ausgang des dort laufenden Verfahrens zur Zuständigkeitsbestimmung oder zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz abzuwarten.
Die für den Antrag auf Inhaftnahme zum Zwecke der Überstellung zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn
a)
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Satz 1 oder 2 besteht,
b)
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Überstellungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
c)
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Überstellungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Überstellungshaft vorzuführen. Auf das Verfahren auf Anordnung von Haft zur Überstellung nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 finden die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend Anwendung, soweit das Verfahren in der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 nicht abweichend geregelt ist.

Tenor

Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist, wird das Verfahren eingestellt. In Übrigen wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 12.03.2008 - 8 K 3985/06 - zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger und wendet sich gegen seine Ausweisung.
Er ist am 01.10.1981 in ... geboren und dort aufgewachsen. Sein 1947 geborener Vater war im Bundesgebiet seit 1973 erwerbstätig und verstarb 2009 an den Folgen einer 1999 diagnostizierten Krebserkrankung. Seine 1950 geborene Mutter lebt seit 1978 in Deutschland und ist nach einem Hirninfarkt mit Halbseitenlähmung und weiteren Erkrankungen hilfebedürftig. Sie wird durch Familienmitglieder unterstützt und gepflegt. Im Bundesgebiet leben die vier älteren, in den Jahren 1971, 1972, 1973 und 1979 geborenen Brüder des Klägers, die teilweise hier eigene Familien haben. Die drei ältesten Brüder wuchsen zunächst bei ihren Großeltern in der Türkei auf und kamen im Kindesalter nach Deutschland.
Am 02.10.1997 wurde dem Kläger eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt. Er erwarb 1998 den Hauptschulabschluss und schloss am 18.07.2001 eine Lehre als Verpackungsmittelmechaniker erfolgreich ab. Sein bisheriger Ausbildungsbetrieb setzte ihn in unmittelbarem Anschluss an das Ende seiner Ausbildung als Drucker ein. Nach eigenen Angaben arbeitete der Kläger wegen einer durch die andauernde Belastung mit Lösungsmitteln hervorgerufenen Erkrankung nur etwa zwei Jahre in seinem erlernten Beruf. Danach bezog er Arbeitslosengeld. Im Jahre 2003 war er kurzzeitig als Konzessionsinhaber des Pizza-Services „...“ in ... registriert, wobei die Pizzeria aufgrund einer „Verrechnung“ in einem Drogengeschäft erworben worden war.
Der Kläger wurde am 06.10.1999 in einem Zug einer verdachtsunabhängigen Kontrolle unterzogen, bei der ein Gramm Marihuana und eine Haschischpfeife gefunden wurden. Von der Verfolgung wurde nach § 45 Abs. 1 JGG abgesehen. Nach einem „Tipp aus der Szene“ wurde gegen ihn ab dem Sommer 2003 wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz ermittelt. Am 08.04.2004 erließ das Amtsgericht ... deswegen einen Haftbefehl, seit 09.05.2005 bestand ein europäischer Haftbefehl. Die Verhaftung des Klägers erfolgte am 02.06.2005 in den Niederlanden. Am 12.08.2005 wurde er an die deutschen Behörden überstellt; zuvor hatte er sich in den Niederlanden erfolglos um gerichtlichen Rechtsschutz gegen seine Auslieferung bemüht.
Das Landgericht Stuttgart verurteilte den Kläger mit Urteil vom 24.11.2005 - 5 KLs 221 Js 100500/04 -, das noch am gleichen Tag rechtskräftig wurde, wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwölf tatmehrheitlichen Fällen sowie unerlaubten bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechzehn tatmehrheitlichen Fällen zu einer Gesamtstrafe von neun Jahren Freiheitsstrafe. Der Verfall eines Wertersatzes in Höhe von 857.300 EUR, davon in Höhe von 848.700 EUR gesamtschuldnerisch mit dem gesondert verfolgten Mittäter ... Y., wurde angeordnet.
Das Landgericht traf ausweislich der nach § 267 Abs. 4 StPO abgekürzten Gründe im Wesentlichen folgende Feststellungen: Der Kläger beschloss spätestens Mitte des Jahres 2002, sich aus dem fortlaufenden gewinnbringenden Verkauf von Marihuana eine Einnahmequelle von einem gewissen Umfang und einer gewissen Dauer zu verschaffen. Er verkaufte im Sommer 2002 zweimal jeweils mindestens ein Kilo Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 10% gewinnbringend zum Grammpreis von 4,30 EUR an die gesondert verfolgten M.K. und A.Y. (Taten 1 und 2 gemäß des Strafurteils). Spätestens im Oktober 2002 beschlossen der Kläger und der gesondert verfolgte ... Y., sich in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken durch den fortlaufenden gewinnbringenden Verkauf von Marihuana in Stuttgart eine Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer zu verschaffen. Die Beschaffung und den Vertrieb organisierten sie arbeitsteilig, wobei ... Y. sich die Letztentscheidungskompetenz vorbehielt. Das Marihuana, dessen THC-Gehalt mindestens 15% betrug, verkauften sie an A.M. der es seinerseits an seine Abnehmer G.L. und F.M. weiterveräußerte. Gegenstand der im Strafurteil im Einzelnen aufgeführten und zwischen Oktober 2002 und April 2003 begangenen Taten 3 - 12 (UA S. 4 f.) waren insgesamt mindestens 24,5 kg Marihuana, wobei von den bei den Taten 9, 11 und 12 gehandelten Rauschgiftmengen etwa 12,8 kg sichergestellt werden konnten. Die Polizei verhaftete F.M. am 09.04.2003 und A.M. am 16.04.2003. Spätestens Anfang Dezember 2003 schlossen sich der Kläger, ... Y., M.Y. sowie die beiden Brüder des Klägers N. und M. zu einer Gruppierung zusammen mit dem Ziel, künftig in ... und Umgebung für eine gewisse Dauer erhebliche Mengen Marihuana sowie Kokain jeweils guter Qualität (Wirkstoffgehalt THC mindestens 10 % bzw. Kokainhydrochlorid mindestens 35 %) gewinnbringend weiterzuverkaufen, um sich daraus eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen. Entsprechend der gemeinsamen Abrede vereinbarten sie ein arbeitsteiliges Vorgehen, wobei es Aufgabe des Klägers und von ... Y. war, die Betäubungsmittelbeschaffung und deren Weiterverkauf zu organisieren. Insbesondere legten sie gemeinsam die jeweiligen Lieferzeitpunkte fest und kontrollierten den Zahlungsverkehr. Mittels sog. Palms glichen sie von Zeit zu Zeit die von ihnen arbeitsteilig erzielten Ergebnisse ab. Im Verhältnis untereinander konnte ... Y. dem Kläger Weisungen erteilen. Bei Bedarf teilten beide den anderen Bandenmitgliedern einzelne Aufgaben zur Erledigung zu. Als Umschlagplatz für die Betäubungsmittel diente die von beiden gemeinsam bewohnte Wohnung im Anwesen ..., nachdem die Kurierfahrzeuge zuvor von anderen Bandenmitgliedern in verschiedenen Tiefgaragen in ... entladen worden waren. Spätestens Ende Januar 2004 schloss sich ... F. der Gruppierung an. ... Y. bot diesem in Absprache mit dem Kläger zunächst an, als Security-Mann für ihn zu arbeiten. Nachdem F. dieses Angebot angenommen hatte, wurde ihm innerhalb kürzester Zeit klar, dass der Kläger und ... Y. ihren aufwändigen Lebensstil aus Rauschgiftgeschäften finanzierten. In der Folge erklärte er sich auf Nachfrage der beiden bereit, bei dem Rauschgifthandel mitzumachen. Da der Kläger und ... Y. aus ihrer seitherigen Lieferquelle den wachsenden Marihuana-Absatz nicht mehr vollständig bedienen konnten, beauftragte ... Y. in Absprache mit dem Kläger F., neue Lieferquellen zu erschließen. F. nahm Kontakt mit einem nicht näher identifizierten Russen namens „...“ auf und vereinbarte und organisierte mit diesem Lieferungen von Marihuana aus den Niederlanden, wobei man sich zur „Geschäftsabwicklung“ teilweise in Heinsberg traf. Im März 2004 stieß schließlich J.L. zu der Bande. Dieser hatte sich Anfang Januar 2004 vom Kläger Geld geliehen, was er jedoch nicht zurückzahlen konnte. Zur Abgeltung dieser Schulden erklärte sich L. bereit, an dem Rauschgifthandel mitzuwirken. Gegenstand der abgeurteilten 16 Taten, die im Zeitraum zwischen Dezember 2003 und 06.04.2004 begangen worden waren, waren insgesamt etwa 205 kg Marihuana sowie 500 g Kokain, wobei 15 kg Marihuana sichergestellt werden konnten. Hinsichtlich der Einzelheiten dieser Taten wird auf die Feststellungen des Landgerichts verwiesen (dort Taten Nrn. 13 bis 28, UA S. 7 - 15). Die Feststellungen zur Sache beruhten dem Strafurteil zufolge auf dem umfassenden, im Vorfeld der Hauptverhandlung abgelegten Geständnis des Klägers, das sich einerseits mit den vom Zeugen KHK K. glaubhaft berichteten Ermittlungsergebnissen aus dem umfassenden Gesamtermittlungskomplex und andererseits den Feststellungen in dem gegen die übrigen Bandenmitglieder ergangenen Strafurteil vom 15.03.2005 deckte.
Zur Strafzumessung führte das Landgericht unter anderem aus: Für eine Strafrahmenverschiebung nach § 31 BtMG sei kein Raum gewesen. Zwar habe der Kläger im Rahmen seiner polizeilichen Angaben - wie KHK K. berichtet habe -umfängliche, über seinen eigenen Tatbeitrag hinausgehende Aufklärungshilfe geleistet. Diese erschöpfe sich jedoch, von einem in seiner Erfolgsaussicht derzeit noch nicht abschließend zu beurteilenden Ermittlungsansatz abgesehen, maßgeblich in der Bestätigung des bereits durch die Angaben des ... Y. bekannten Ermittlungsstandes. Innerhalb des für die Taten 1 bis 12 geltenden Strafrahmens nach § 29a Abs. 1 BtMG und des für die Taten 13 bis 28 zur Anwendung kommenden Strafrahmens nach § 30a Abs. 1 BtMG sei zu Gunsten des nicht vorbestraften Klägers sein umfassendes Geständnis gewertet worden, welches zu einer nennenswerten Verfahrensabkürzung geführt habe. In diesem Zusammenhang habe die Strafkammer auch die geleistete Aufklärungshilfe strafmildernd gewertet. In gleicher Weise sei die Länge der erlittenen Auslieferungs- und Untersuchungshaft sowie der Umstand gewichtet worden, dass der Kläger als Erstverbüßer äußerst strafempfindlich sei. Auch die im Raume stehenden ausländerrechtlichen Folgen der vorliegenden Verurteilung seien strafmildernd gewertet worden. Zu Gunsten des Klägers sei bezüglich der Taten 9, 11, 12 und 28 strafmildernd berücksichtigt worden, dass Rauschgift habe sichergestellt werden können und nicht in den Verkehr gelangt sei. Zudem habe die Strafkammer strafmildernd gewertet, dass die Hemmschwelle des Klägers nicht ausschließbar durch seinen Eigenkonsum herabgesetzt gewesen sei. Zu seinen Lasten fielen strafschärfend die jeweils erheblichen Mengen an Rauschgift sowie das Handeltreiben mit Kokain als einem der gefährlichsten Rauschgifte ins Gewicht. Bei den Taten 13 bis 28 sei zu seinen Lasten berücksichtigt worden, dass die Tatinitiative jeweils von ihm - zusammen mit ... Y. - ausgegangen sei, zu seinen Gunsten sei jedoch seine Weisungsgebundenheit gegenüber diesem einzustellen. Schließlich sei seine extrem große kriminelle Energie strafschärfend gewichtet worden, welche insbesondere in der hohen Tatfrequenz zum Ausdruck gekommen sei.
Ausweislich des Protokolls des Landgerichts über die Hauptverhandlung gab es zwischen der Strafkammer, der Staatsanwaltschaft und dem Verteidiger Gespräche über eine einvernehmliche Verfahrensabkürzung. Die Strafkammer sagte dem Kläger für den Fall eines umfassenden Geständnisses und der Bereitschaft, in anderen Ermittlungsverfahren Angaben zu machen, zu, ihn zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als neun Jahren zu verurteilen. Die Staatsanwaltschaft sagte für diesen Fall zu, das weitere anhängige Ermittlungsverfahren im bisher bekannten Umfang einzustellen und erklärte, dass die Zusage nur für den Fall einer Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens neun Jahren gilt.
Die übrigen Bandenmitglieder waren bereits durch Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 15.03.2005 - 5 KLs 221 Js 95338/03 - zu Freiheitsstrafen verurteilt worden - unter anderem ... Y. zu 10 Jahren, M.Y. zu 6 Jahren, N.B. zu 6 Jahren und 2 Monaten sowie M.B. zu 6 Jahren und 6 Monaten. Nach den hinsichtlich aller Angeklagten gem. § 267 Abs. 4 StPO abgekürzten Gründen des Urteils beruhten die Feststellungen zur Sache auf den umfassenden sich wechselseitig bestätigenden und daher glaubhaften Geständnissen sämtlicher Angeklagter, die auch durch die vom Zeugen KHK K. nachvollziehbar berichteten Ermittlungsergebnisse aus den stattgefundenen Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen sowie Observationen gestützt wurden.
10 
Der Kläger selbst hatte ab dem 16.11.2005 in polizeilichen Vernehmungen Angaben gemacht. Nach seiner Verurteilung wurde der Kläger erneut in der Zeit zwischen Januar 2006 und Juni 2006 polizeilich vernommen. ... Y., der in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen wurde, hatte bereits vor den Angaben des Klägers zur Sache umfangreich über Hintermänner, Lieferanten und Abnehmer des Rauschgifthandels ausgesagt. Nach einem Schreiben von KHK K. an das Regierungspräsidium Stuttgart vom 17.03.2008 seien aufgrund der Aussagen des „Bandenkopfes“, dessen rechter Hand und weiterer Bandenmitglieder, welche zwischenzeitlich bei der Polizei Angaben gemacht hätten, etwa 90 Strafverfahren eingeleitet worden, die teilweise zu langjährigen Freiheitsstrafen geführt hätten. Das aufgrund der ab Januar 2006 erfolgten Angaben gegen den Kläger eröffnete Ermittlungsverfahren stellte die Staatsanwaltschaft Stuttgart mit Verfügung vom 16.03.2007 - 221 Js 26457/06 - nach § 154 StPO ein.
11 
Das Regierungspräsidium Stuttgart nahm die Verurteilung des Klägers zum Anlass, ihn mit Verfügung vom 04.10.2006 aus dem Bundesgebiet auszuweisen. Zugleich wurde ihm die Abschiebung in die Türkei ohne Setzung einer Frist zur freiwilligen Ausreise angedroht und die Abschiebung auf den Zeitpunkt der Haftentlassung angekündigt. Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt: Der Kläger besitze eine Rechtsposition aus Art. 7 Satz 1 und 2 ARB 1/80. Folglich könne er nur unter dem Vorbehalt der Beschränkungen aus Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 und nach Ermessen ausgewiesen werden. Die von ihm vorsätzlich und tatmehrheitlich begangenen Betäubungsmittelstraftaten wögen ausgesprochen schwer, da er sich unter anderem mit anderen Personen zu einer Bande zusammen geschlossen habe, die allein aus Gewinnstreben höchst umfangreich einen schwunghaften Handel mit Marihuana in höheren Kilogrammbereich betrieben habe. Dass es sich dabei „nur“ um Marihuana gehandelt habe, ändere an der Schwere der Tat nichts, denn über diese Einstiegsdroge führe oft der Weg in eine schwere Drogenabhängigkeit. Zudem habe er in einem Fall auch die harte Droge Kokain in einer Menge von ca. 500 Gramm verkauft. Eine konkrete Wiederholungsgefahr sei gegeben. Diese entfalle auch nicht im Hinblick auf das Geständnis im Strafverfahren. Eine echte Einsicht und Reue lasse sich daraus nicht ableiten, zumal die Beweislage wegen der Telekommunikationsüberwachung und der polizeilichen Observation erdrückend gewesen sei. Der Ausweisung stehe Art. 28 Abs. 3 lit. a der Richtlinie 2004/38/EG und der darin enthaltene besondere Ausweisungsschutz nicht entgegen. Diese gemeinschaftsrechtliche Vorschrift sei auf türkische Staatsangehörige, die sich auf Art. 7 ARB 1/80 berufen könnten, nicht anzuwenden. Der Kläger sei zwar im Bundesgebiet geboren und hier aufgewachsen, doch überwiege sein durchaus erhebliches Interesse, von der Ausweisung verschont zu bleiben, nicht das herausragende öffentliche Interesse an der wirksamen Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität. Die Wahrscheinlichkeit, dass er im Bundesgebiet erneut straffällig werde, sei ausgesprochen hoch. Es werde nicht übersehen, dass er Schwierigkeiten haben werde, sich in der Türkei einzugewöhnen. Er könne aufgrund seines Alters jedoch ohne weiteres allein klar kommen, zumal er zumindest Grundkenntnisse der türkischen Sprache besitze. Vor dem Hintergrund des höchst kriminellen Fehlverhaltens sei es ihm zumutbar, die mit einer Abschiebung in die Türkei verbundenen Schwierigkeiten in Kauf zu nehmen und dort zu überwinden - zumal die Straftaten auf eine nicht abgeschlossene Integration in die deutschen Lebensverhältnisse schließen ließen. Im Übrigen sei davon auszugehen, dass er noch Bindungen in der Türkei habe. Hierauf deute auch der Kauf einer Eigentumswohnung dort durch seinen Bruder M. hin. Die familiäre Verbundenheit mit den im Bundesgebiet lebenden Angehörigen den Eltern und Brüdern stehe der Ausweisung nicht entgegen. Diese stehe mit Art. 8 EMRK in Einklang.
12 
Zur Begründung seiner fristgerecht erhobenen Klage trug der Kläger vor: Die Ausweisungsverfügung verstoße gegen nationale und internationale Vorschriften. Er könne nach Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG nur aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit ausgewiesen werden. Diese Voraussetzungen lägen aber nicht vor. Abgesehen davon sei seine Ausweisung auch aus anderen Gründen fehlerhaft. Schon vor seiner Verurteilung habe er damit begonnen, mit seiner kriminogenen Vergangenheit abzuschließen. Seine Zeugenaussagen, die bewirkt hätten, dass er in ständiger Bedrohung lebe, hätten zu einer strafrechtlichen Verfolgung einer Vielzahl von Personen geführt. Seine Entwicklung nach der Tat und sein in jeder Hinsicht beanstandungsfreies Verhalten im Vollzug zeigten, dass von ihm keine Gefahr mehr ausgehe. Seine Integration in deutsche Lebensverhältnisse sei abgeschlossen; daran ändere seine Straffälligkeit nichts. Seine Bezugspersonen lebten alle in Deutschland. Hier habe er einen festen Freundeskreis. Verbindungen in die Türkei habe er keine mehr. Auch sei sein früherer Mittäter ... Y. in den Zeugenschutz aufgenommen worden, was wiederum für diesen zumindest ein Abschiebungshindernis bedeute. Er dürfe ausländerrechtlich nicht schlechter behandelt werden als dieser und als seine eigenen Brüder, die im Bundesgebiet bleiben könnten. Auch bilde er sich weiter. Er plane und betreibe seine Schuldenregulierung, die bei einer Abschiebung in die Türkei nicht mehr erfolgen könnte. Seine Ausweisung verstoße gegen Art. 8 EMRK.
13 
Das Verwaltungsgericht Stuttgart bestätigte mit Urteil vom 12.03.2008 - 8 K 3985/06 - die Ausweisungsverfügung des beklagten Landes, das der Klage entgegen getreten war.
14 
Da sowohl die angefochtene Verfügung als auch das Urteil des Verwaltungsgerichts davon ausgingen, die Ausweisung des Klägers richte sich aufgrund seiner Rechtstellung nach Art. 7 Satz 1 und 2 ARB 1/80 nach Art. 14 ARB 1/80 und offen sei, ob auch assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige sich auf den Ausweisungsschutz nach Art. 28 Abs. 3 lit. a RL 2004/38/EG berufen können, ließ der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg mit Beschluss vom 22.07.2008 - 13 S 1244/08 - die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zu. Die vom Kläger unter Stellung eines Antrags fristgerecht begründete Berufung wurde mit Blick auf das durch Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 22.07.2008 - 13 S 1917/07 - bei Europäischen Gerichtshof zu dieser Frage bereits anhängig gemachte Vorabentscheidungsersuchen (C-371/08) ausgesetzt.
15 
Der Kläger war zunächst in der JVA ... und sodann in der JVA ... in Haft. Dort teilte er sich mit seinen zwei Brüdern - aus Sicherheitsgründen - die Zelle. In der JVA ... arbeitete er seit dem 14.03.2006 in der Druckerei und eignete sich hier die Reprofilmmontage, die Druckplattenkopie und die Filmarchivierung an. Nach der Bescheinigung der JVA - Landesbetrieb Vollzugliches Arbeitswesen - vom 09.07.2009 habe er sich im Laufe seiner Tätigkeit in der Druckerei in seinem Verhalten gegenüber Vorgesetzten und auch Mitgefangenen sehr positiv entwickelt; er zeichne sich hauptsächlich durch Zuverlässigkeit, Qualitätsbewusstsein und Loyalität aus. Betäubungsmittelkontrollen während der Haft waren negativ. Mit Wirkung zum 26.08.2009 wurde der Kläger als Freigänger zugelassen, um ab dem 30.08.2009 einen zwei Jahre dauernden Umschulungslehrgang am ... Berufskolleg beginnen zu können. Die in Vollzeit stattfindende Ausbildung „Mediengestalter Digital und Print, Schwerpunkt: Gestaltung und Technik“ endet mit einer Abschlussprüfung vor der IHK. Nach den Bescheiden der Bundesagentur für Arbeit vom 07.09.2009 werden die Kosten des Lehrgangs von insgesamt 17.518,60 EUR als Leistungen für die Teilnahme an einer beruflichen Weiterbildungsmaßnahme von dieser getragen, darüber hinaus erhält der Kläger ein monatliches Arbeitslosengeld gemäß § 117 SGB III in Höhe von 797,40 EUR.
16 
Mit Schreiben vom 09.03.2010 beantragte der Kläger die Aussetzung der Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 24.11.2005 und führte hierin unter anderem aus: Er habe durch seine umfangreiche, wahrheitsgemäße Aufklärungshilfe glaubwürdig Abstand von seinen kriminellen Taten genommen. Im Strafvollzug habe er sich mit der Bedeutung und den Folgen der Rauschgiftkriminalität in Diskussionsrunden und mit dem Bewährungspersonal aktiv und kritisch auseinandergesetzt. Dabei habe er nicht nur die ihn selbst betreffenden negativen Folgen seiner Taten durch den Strafvollzug in aller Deutlichkeit an „Haut und Haaren“ durchleben müssen. Auch die Gefahren und negativen Folgen, die von Rauschgift gegenüber der Allgemeinheit ausgingen, habe er in zahlreichen Diskussionsrunden mit Mithäftlingen und Resozialisierungspersonal erstmals in seinem jungen Leben in aller Deutlichkeit aufgezeigt bekommen und bleibend aufgenommen. Aufgrund der während des Strafvollzugs gewonnenen Erkenntnisse über die vom Rauschgift ausgehende Gefährlichkeit für die Gesundheit des Einzelnen und der Allgemeinheit habe er, ohne dass dies naturgemäß in seinem eigenen Strafverfahren im Urteil des Landgerichts Stuttgart berücksichtigt worden sei, nach seiner Verurteilung weiterhin mit den Ermittlungsbehörden zusammengearbeitet und durch seine Aussage die Sprengung von zahlreichen, bandenmäßig organisierten Rauschgifthändlern herbeigeführt. Er habe Angaben zu Lieferanten und Abnehmern gemacht, von denen die Ermittlungsbehörden vor seiner Aussage keinerlei Kenntnis gehabt hätten.
17 
Die JVA ... erstellte am 10.05.2010 dem Kläger unter Hinweis auf den beanstandungsfreien Verlauf von Vollzug und Vollzugslockerungen eine positive Sozialprognose und befürwortete seine bewährungsweise Entlassung.
18 
Das Landgericht ... - Auswärtige Strafvollstreckungskammer ... - setzte nach Einholung eines kriminalprognostischen Gutachtens bei Dr. X. - Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, Forensische Psychiatrie - mit Beschluss vom 26.10.2010 die Vollstreckung des Strafrests zur Bewährung aus. Die Bewährungszeit wurde auf drei Jahre festgesetzt und der Kläger für die Dauer der ersten beiden Jahre der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung eines hauptamtlichen Bewährungshelfers unterstellt. Der Kläger wurde am 28.10.2010 - und damit etwa ein halbes Jahr vor der Verbüßung von zwei Dritteln der Freiheitsstrafe - aus dem Strafvollzug entlassen. Am 12.02.2011 heiratete er nach islamischem Ritus ... D., die über eine Niederlassungserlaubnis nach § 35 AufenthG verfügt. Mit ihr und den beiden vier und acht Jahre alten Kindern von Frau D. aus einer früheren Beziehung lebt er in familiärer Lebensgemeinschaft.
19 
Nachdem der Europäische Gerichtshof die Rechtssache Tsakouridis (C-145/09) mit Urteil vom 23.11.2010 entschieden und das beklagte Land mit Schriftsatz vom 12.01.2011 auf den Umstand hingewiesen hatte, der Kläger habe anlässlich seiner kriminalprognostischen Begutachtung angegeben, er habe sich vor seiner Verhaftung 14 Monate in den Niederlanden aufgehalten, hat der Senat mit Beschluss vom 21.01.2011 den Aussetzungsbeschluss aufgehoben.
20 
Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger nunmehr vor: Seine Rechte aus Art. 7 ARB 1/80 seien nicht erloschen. Dies folge schon aus Art. 16 Abs. 4 der Richtlinie 2004/38/EG. Die Vorschrift konkretisiere den Zeitraum, der für den Erhalt unionsrechtlich begründeter Aufenthaltsrechte bei Auslandsaufenthalten anzuwenden sei. Im Übrigen habe er sich nach seiner Flucht nicht durchgehend in den Niederlanden aufgehalten. Er habe die Aufenthalte zwischen Deutschland und den Niederladen gewechselt. In dieser Zeit habe er auch regelmäßig seine Familie getroffen. Treffpunkt sei jeweils Köln gewesen. Unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs im Urteil vom 23.11.2010 sei die Berufung begründet. Die Erstreckung der Kriterien für eine Aufenthaltsbeendigung nach dem Maßstab des Art. 45 Abs. 3 AEUV, der mit demjenigen des Art. 28 Abs. 3 lit. a der Richtlinie 2004/38/EG übereinstimme, auf Art. 14 ARB 1/80 sei ungeklärt. Der EuGH leite im Urteil Tsakouridis jedoch die Zulässigkeit der Ausweisung von Drogenhändlern aus der Gefahr her, die der Drogenhandel für die Gesellschaft darstelle. Um die Gesellschaft zu schützen und den Drogenhandel wirksam bekämpfen zu können, griffen heute die Mitgliedstaaten zu Mitteln wie der Kronzeugenregelung. Mittätern würden für den Fall der Aussage Vergünstigungen zugesagt, die von geringeren Strafen bis zur Verleihung einer anderen Identität reichen könnten. Er habe sich stets aussagebereit gezeigt und Aufklärungshilfe geleistet. Wegen seines Aussageverhaltens seien ihm Drohungen zugekommen. Von ihm gehe keine gegenwärtige Gefahr mehr aus. Seine Verfehlungen seien einmalig gewesen. Er sei Ersttäter und die Strafhaft habe ihn beeindruckt. Er habe in der JVA ... Gespräche zur Tataufbereitung mit dem Psychologen M. geführt. Eine Rückfallneigung sei zu verneinen. Das bestätige das Gutachten von Dr. X. vom 07.09.2010, das ihm einen nachhaltigen Gesinnungswandel attestiere. Er habe sich aus der Drogenszene gelöst und wolle das auch in Zukunft einhalten. Im Übrigen stünde eine Ausweisung im Widerspruch zur gezeigten Aussagebereitschaft und zur Kronzeugenregelung. Die Aussagebereitschaft würde nicht gefördert, wenn sie mit Ausweisung „belohnt“ würde. Eine Ausweisung würde ihn auch vollständig entwurzeln. Er sei im Bundesgebiet geboren, aufgewachsen und vollständig integriert. Deutsch sei seine Muttersprache. Würde er durch Ausweisung von seiner Familie und seiner Verlobten getrennt und in eine sprachfremde Umgebung verbracht, würde er in eine verzweifelte Lage gebracht werden. Allein und ohne Sprachkenntnisse käme er in der Türkei nicht zurecht. Im Übrigen seien sein Nachtatverhalten und seine Resozialisierung so außergewöhnlich, dass eine Wiederholungsgefahr unter jeder Betrachtung entfallen sei. Seine Haftverbüßung habe abschreckend gewirkt und eine starken Verhaltensänderung herbeigeführt. Er sei nicht drogenabhängig und habe jegliche Beziehungen und Strukturen zu ehemaligen kriminellen Personen für immer abgebrochen. Er habe Aussicht auf den Erlass des größten Teils der Schulden, sofern er sich weiterhin gut führe, sowie auf eine Festanstellung nach Ende seiner Ausbildung bei der Firma, bei der er derzeit sein Praktikum mache.
21 
Der Kläger beantragt zuletzt,
22 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 12.03.2008 - 8 K 3985/06 - zu ändern und Ziffer 1 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 04.10.2006 aufzuheben.
23 
Das beklagte Land beantragt,
24 
die Berufung zurückzuweisen.
25 
Es entgegnet: Die Rechtspositionen des Klägers aus Art. 7 ARB 1/80 seien erloschen. Mit seiner Flucht im April 2004 habe er seinen Lebensmittelpunkt in einen anderen Staat verlagert, weil er sich auf diese Weise dem Zugriff der deutschen Strafverfolgungsbehörden dauerhaft habe entziehen wollen. Insoweit seien Unionsrecht und damit die Frage der Anwendung des Art. 28 Abs. 3 lit. a Richtlinie 2004/38/EG nicht relevant und die Ausweisung richte sich nur nach nationalem Recht. Es bestehe ungeachtet des Nachtatverhaltens des Klägers und seiner bedingten Entlassung aus der Strafhaft weiterhin unter dem Gesichtspunkt der ordnungsrechtlichen Gefahrenabwehr ein Bedürfnis, den Kläger aus spezialpräventiven und daneben auch aus generalpräventiven Gründen auszuweisen. Art. 8 EMRK und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit stünden dem nicht entgegen. Der Kläger könne aufgrund seiner beruflichen Qualifikation in der Türkei ohne weiteres eine Arbeitsmöglichkeit finden. Wenn er nunmehr aus der Haft entlassen worden sei und an seiner beruflichen Bildung arbeite, so mindere dies das ausgesprochen schwere Gewicht des spezial- und generalpräventiven Grundes nicht. Nichts anderes gelte hinsichtlich der neuen Partnerin, mit der der Kläger allerdings nicht verheiratet sei.
26 
Der Vertreter des beklagten Landes hat in der Berufungsverhandlung die Abschiebungsandrohung (Ziffer 2 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 04.10.2006) aufgehoben.
27 
Der Senat hat Dr. X. zur Erläuterung ihres kriminalprognostischen Gutachtens vom 07.09.2010 angehört und KHK K. als Zeugen vernommen. Hinsichtlich ihrer Angaben wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
28 
Wegen des weiteren Vortrags und Sachverhalts wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der Akten verwiesen. Der Senat hat die Strafakten des Landgerichts Stuttgart (3 Bände) und die Ermittlungsakten (25 Leitzordner) im Verfahren 5 KLs 221 Js 100500/04, die Strafvollstreckungsakten der Staatsanwaltschaft Stuttgart (1 Band), das Bewährungsheft (1 Band) und die Gefangenenpersonalakten (5 Bände) sowie die Ermittlungsakten in den Verfahren 221 Js 26457/06 und 221 Js 45897/08 beigezogen. Diese sind ebenso wie die Akten des Verwaltungsgerichts Stuttgart, die Ausländerakten der Stadt Stuttgart (2 Bände) und die Akten des Regierungspräsidiums Stuttgart (1 Band), Grundlage der Entscheidung.

Entscheidungsgründe

 
29 
Es bestand für den Senat keine Veranlassung, dem unter Hinweis auf eine seit drei Tagen bekannte Schwangerschaft der Lebensgefährtin des Klägers mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 28.04.2011 gestellten Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung zu entsprechen. Dem steht schon entgegen, dass der unterschriebene Urteilstenor zum Zwecke der Bekanntgabe an die Beteiligten auf Nachfrage seit dem 15.04.2011 auf der Geschäftsstelle niedergelegt ist und zum Zeitpunkt des Eingangs des Schriftsatzes am 29.04.2011 damit die Entscheidung vom Senat nicht mehr geändert werden konnte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27.04.2005 - 5 B 107.04 - juris Rn. 7 und vom 24.06.1971 - I CB 4.69 - juris Rn. 52; Bader/Funke-Kaiser/ Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 5. Aufl. 2011, § 116 Rn. 10). Abgesehen davon wäre eine Wiedereröffnung auch in der Sache nicht erforderlich gewesen, denn dass der Kläger mit seiner jetzigen Lebensgefährtin in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und beide ein gemeinsames Kind haben wollen, war bereits Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 15.04.2011, insbesondere auch der Angaben des Klägers während seiner Anhörung vor dem Senat.
30 
Soweit die Beteiligten hinsichtlich der Abschiebungsandrohung den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 12.03.2008 - 8 K 3985/06 - ist damit insoweit unwirksam, als die Klage gegen Ziffer 2 der Ausweisungsverfügung abgewiesen worden ist (§ 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO entsprechend).
31 
Im Übrigen bleibt die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige, insbesondere fristgerecht und formell ordnungsgemäß begründete (§ 124a Abs. 3 VwGO) Berufung des Klägers ohne Erfolg. Die Ausweisung ist nach der maßgebenden Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (vgl. BVerwG, Urteil vom 03.12.2008 - 1 C 35.07 - NVwZ 2009, 326 und vom 15.11.2007 - 1 C 45.06 - AuAS 2008, 40) rechtmäßig und verletzt schon deshalb den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Kläger besitzt nicht mehr die Rechtsstellungen nach Art. 7 Satz 1 zweiter Spiegelstrich und Art. 7 Satz 2 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG - Türkei über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80); auch aus Art. 6 ARB 1/80 stehen ihm keine Rechte zu (I.). Nach nationalem Recht beruht die verfügte Ausweisung auf § 53 AufenthG; der Kläger genießt im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt keinen besonderen Ausweisungsschutz (II.). Seine Ausweisung als eines hier geborenen und aufgewachsenen Ausländers der 2. Generation ist wegen der von ihm nach wie vor ausgehenden Wiederholungsgefahr auch im Hinblick auf sein im Bundesgebiet geführtes Privat- und Familienleben nach Art. 8 EMRK und Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG verhältnismäßig (III.). Im Übrigen stehen einer Ausweisung aus generalpräventiven Gründen aufgrund der von ihm begangenen schwerwiegenden bandenmäßigen Betäubungsmittelkriminalität, die in erheblichem Maße die Interessen des Staates und der Gesellschaft gefährdet, Art. 8 EMRK sowie Art. 2 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 GG nicht entgegen (IV.).
I.)
32 
Das assoziationsrechtlich begründete Aufenthaltsrecht des Klägers ist erloschen, weil er seinen Aufnahmemitgliedstaat für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlassen hat, indem er Anfang April 2004 aus Deutschland geflohen ist, um sich auf Dauer seiner Strafverfolgung im Bundesgebiet zu entziehen.
1.)
33 
Der aufenthaltsrechtliche Status des Klägers beruhte bis April 2004 auf Art. 7 ARB 1/80. Sein Vater hatte ausweislich einer Arbeitsbescheinigung vom 29.09.1997 seit 1974 als Verzinkereihelfer bei S. ... Feuerverzinken GmbH gearbeitet. Der Kläger wurde als Sohn eines in der Vergangenheit dem regulären deutschen Arbeitsmarkt angehörenden türkischen Arbeitnehmers im Bundesgebiet geboren und lebte in der Folgezeit mehr als fünf Jahre ununterbrochen ordnungsgemäß mit seinen Eltern in familiärer Lebensgemeinschaft (vgl. zur Notwendigkeit des tatsächlichen Zusammenlebens während dieser Zeit EuGH, Urteil vom 17.04.1997 - C-351/97 - Rn. 35 ff. und vom 22.06.2000 - C-65/98 - Rn. 28 ff.), was zum Erwerb einer Rechtsstellung nach Art. 7 Satz 1 zweiter Spiegelstrich ARB 1/80 führte. Dass ihm selbst nach Aktenlage erst am 02.10.1997 ein Aufenthaltstitel in Gestalt einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis erteilt worden war, spielt insoweit keine Rolle. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 07.07.2005 - C-373/03 - Rn. 22) gelangen die Rechte aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80, auch ohne dass zuvor eine Genehmigung zum Zwecke der Familienzusammenführung erteilt worden ist, dann zur Entstehung, wenn der türkische Familienangehörige im Aufnahmemitgliedstaat geboren ist und stets dort gelebt hat. Aufgrund der nach dem Hauptschulabschluss erfolgreich am 18.07.2001 abgeschlossenen Lehre als Verpackungsmitteltechniker besaß der Kläger auch eine Rechtstellung nach Art. 7 Satz 2 ARB 1/80. Der Erwerb dieser Rechte ist allerdings nicht mit Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Gemeinschaft (heute: Europäische Union) verbunden; ein türkischer Staatsangehörige besitzt nur im Aufnahmemitgliedstaat bestimmte Rechte (EuGH, Urteil 21.01.2010 - C-462/08 - Rn. 37 und vom 18.07.2007 - C-325/05 - Rn. 66).
2.)
34 
Der Kläger hat die Rechte aus Art. 7 Satz 1 zweiter Spiegelstrich und Art. 7 Satz 2 ARB 1/80, die ein Aufenthaltsrecht implizieren (EuGH, Urteil vom 07.07.2005 -C-373/03 - Rn. 25, vom 11.11.2004 - C-467/02 - Rn. 31 und vom 16.03.2000 - C-329/97 - Rn. 40; BVerwG, Urteil vom 06.10.2005 - 1 C 5.04 - juris Rn. 11), durch seine Flucht aus dem Bundesgebiet vor der ihm hier drohenden Strafverfolgung verloren.
35 
Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 dient dem Zweck, günstige Voraussetzungen für die Familienzusammenführung im Aufnahmemitgliedstaat zu schaffen. Die Vorschrift will die Beschäftigung und den Aufenthalt des türkischen Arbeitnehmers, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehört, dadurch fördern, dass ihm in diesem Staat die Aufrechterhaltung familiärer Bande ermöglicht wird. Zur Förderung der dauerhaften Eingliederung der Familie des türkischen Arbeitnehmers gewährt die Vorschrift seinen Familienangehörigen nicht nur ein Aufenthaltsrecht, sondern nach einer bestimmten Zeit das Recht, im Aufnahmemitgliedstaat eine Beschäftigung auszuüben. Die fortschreitende persönliche Integration des türkischen Arbeitnehmers und seiner Familienangehörigen im Aufnahmemitgliedstat sollen erleichtert und gefördert werden (EuGH, Urteil vom 07.07.2005 - C-373/03 - Rn. 22 ff. und vom 17.04.1997 - C-351/95 - Rn. 34; Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl. 2011, § 4 AufenthG Rn. 162; GK-AufenthG, Art. 7 ARB 1/80 Rn. 33).
36 
Die Regelung in Art. 7 Satz 2 ARB 1/80 stellt gegenüber Satz 1 eine Privilegierung dar, die unter den Familienangehörigen der türkischen Arbeitnehmer die Kinder besonders behandeln will, indem sie ihnen den Eintritt in den Arbeitsmarkt nach Abschluss einer Berufsausbildung zu erleichtern sucht, damit die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gemäß dem Zweck dieses Beschlusses schrittweise verwirklicht wird (EuGH, Urteil vom 21.01.2010 - C-462/08 - Rn. 25 ff. und vom 16.02.2006 - C-502/04 - Rn. 23). Die unterschiedliche Ausgestaltung der Rechte aus Art. 7 Satz 1 und Satz 2 ARB 1/80 ist Ausdruck der fortgeschrittenen Integration der Kinder türkischer Arbeitnehmer. Das assoziationsrechtliche Aufenthaltsrecht aus Art. 7 Satz 2 ARB 1/80 hängt lediglich von der Voraussetzung ab, dass das Kind des betreffenden türkischen Arbeitnehmers während seines rechtmäßigen Aufenthalts eine Berufsausbildung abgeschlossen hat und ein Elternteil in diesem Staat seit mindestens drei Jahren ordnungsgemäß beschäftigt war (vgl. Renner, a.a.O. § 4 AufenthG Rn. 171 ff. und GK-AufenthG, Art. 7 ARB 1/80 Rn. 111 jew. m.w.N.).
37 
Nach der Rechtsprechung des EuGH gelten allerdings unabhängig davon, ob der konkrete Ausgangssachverhalt unter den ersten oder den zweiten Satz des Art. 7 ARB 1/80 fällt, für den Verlust der erworbenen Rechte dieselben Voraussetzungen (Urteil vom 18.07.2007 - C-325/05 - Rn. 45 und vom 16.02.2006 - C-502/04 - Rn. 24 f.). Sowohl die Rechtsposition nach Art. 7 Satz 2 ARB 1/80 als auch diejenige nach Art. 7 Satz 1 zweiter Spiegelstrich - und damit das Aufenthaltsrecht - erlöschen, wenn der türkische Staatsangehörige den Aufnahmemitgliedstaat für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlassen hat (st. Rspr. des EuGH; vgl. etwa Urteil vom 22.12.2010 - C-303/08 - Rn. 42, vom 04.02.2010 - C-14/09 - Rn. 42, vom 18.12.2008 - C-337/07 - Rn. 62, vom 25.09.2008 - C-453/07 - Rn. 30 f., vom 18.07.2007 - C-325/05 - Rn. 45, vom 16.02.2006 - C-502/04 - Rn. 25, vom 07.07.2005 -C-373/03 - Rn. 27, vom 11.11.2004 - C-467/02 - Rn.36 und vom 17.04.1997 - C-351/95 - Rn. 48). Unter welchen Voraussetzungen von einem Verlassen des Aufnahmemitgliedstaats für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe auszugehen ist, obliegt in erster Linie der Feststellung der nationalen Gerichte (vgl. auch EuGH, Urteil vom 18.07.2007 - C-325/05 - Rn. 43) und bestimmt sich anhand von Sinn und Zweck des Art. 7 ARB 1/80 (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.04.2009 - 1 C 6.08 - BVerwGE 134, 27 ff. Rn. 27; BayVGH, Beschluss vom 15.10.2009 - 19 CS 09.2194 - juris Rn. 4; NdsOVG, Beschluss vom 11.01.2008 - 11 ME 418/07 - juris Rn. 5 f.; VG Ansbach, Urteil vom 25.02.2010 - AN 5 K 09.01143 -juris Rn. 25 f.; Renner, a.a.O., § 4 Rn. 162; Kurzidem, Das assoziationsrechtliche Aufenthaltsrecht türkischer Staatsangehöriger im Spiegel der neueren Rechtsprechung, ZAR 2010, 121, 124 f.). Der Umstand, dass der Verlustgrund auf beide Sätze des Art. 7 ARB 1/80 Anwendung findet, schließt es indessen nicht aus, dass es, je nachdem wie verfestigt die Lebensverhältnisse des Ausländers im Bundesgebiet sind, im Einzelfall geboten sein kann, bei dessen Prüfung die innerhalb des Art. 7 ARB 1/80 erreichte „Stufe“ mit in den Blick zu nehmen. Wer als - insbesondere hier geborenes und aufgewachsenes - Kind eines Migranten den „Integrationsgrad“ des Satzes 2 erreicht hat, läuft bei gleich langem Auslandsaufenthalt weniger Gefahr, den Integrationszusammenhang mit dem Aufnahmemitgliedstaat zu verlieren als derjenige, der sich - z.B. als nachgezogener Ehepartner - nach dreijährigem ordnungsgemäßen Aufenthalt gerade erst auf Art. 7 Satz 1 erster Spiegelstrich ARB 1/80 berufen kann. Allerdings ist das Merkmal des „nicht unerheblichen Zeitraums“ nicht allein nach der tatsächlich außerhalb des Aufnahmemitgliedstaats verbrachten Zeit zu würdigen, sondern im Zusammenhang mit den Gründen und Absichten für die Abwesenheit vom Aufnahmemitgliedstaat, denn der Verlustgrund knüpft daran an, dass der rechtliche Besitzstand, den der türkische Staatsangehörige nach Art. 7 Satz 1 oder 2 ARB 1/80 erworben hat, deshalb verloren geht, weil er diesen freiwillig verlassen (vgl. auch EuGH, Urteil vom 16.03.2000 - C-329/97 - Rn. 51) und „die Bande, die ihn mit diesem Mitgliedstaat verbunden haben, selbst gelöst hat“ (so die Formulierung in den Schlussanträgen des Generalanwalts vom 11.01.2007 - C-325/05 - Rn. 33).
38 
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat der Kläger sein Aufenthaltsrecht aus Art. 7 Satz 2 ARB 1/80 und Art. 7 Satz 1 zweiter Spiegelstrich ARB 1/80 mit seiner Flucht in die Niederlande Anfang April 2004 verloren. Nach der Verhaftung von Mitgliedern der Bande am 07.04.2004, von der der Kläger noch am gleichen Tag erfuhr, und einem anschließenden dreitägigen Aufenthalt in Hotels in ... flüchtete er in die Niederlande, um sich auf unabsehbare Zeit außerhalb Deutschlands aufzuhalten und sich so seiner Festnahme zu entziehen. Dies ergibt sich sowohl aus seiner Aussage während seinen polizeilichen Vernehmungen als Beschuldigter (unter anderem am 17.11.2005) als auch aus seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat. Es sei ihm darum gegangen wegzukommen. Er habe damals Angst vor dem Gefängnis gehabt und sich auf keinen Fall stellen wollen. Für die ihm seinerzeit vorgeworfenen Straftaten beträgt die Verfolgungsverjährung nach § 78 Abs. 3 Nr. 2 StGB zwanzig Jahre, da die Taten nach §§ 29a Abs. 1 und 30a Abs. 1 BtMG i.V.m. § 38 Abs. 2 StGB im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als zehn Jahren bedroht sind. Auch wenn ihm dies möglicherweise nicht so dezidiert bekannt gewesen sein dürfte, war ihm aber aufgrund einer Parallelwertung in der Laiensphäre durchaus bewusst, für einen langen Zeitraum damit rechnen zu müssen, für die von ihm verübten gravierenden Straftaten belangt zu werden und bei einer Verurteilung eine langjährigen Gefängnisstrafe zu erhalten. Der späteren Anklage ist ein (auch bandenmäßiges) Handeltreiben mit Marihuana in einer Gesamtgrößenordnung von etwa 230 kg und von Kokain mit 0,5 kg zugrunde gelegt worden. Tatsächlich waren jedoch - was der Staatsanwaltschaft bei der Anklageerhebung so nicht bekannt gewesen ist - unter Beteiligung des Klägers bis zu seiner Flucht mehr als 1,5 t Marihuana und mehrere Kilogramm Kokain und Ecstasy-Tabletten umgesetzt worden. Unter diesem Eindruck traf er von sich aus die Entscheidung, seinen Wohnsitz im Bundesgebiet aufzugeben und sich für unabsehbare Zeit im Ausland aufzuhalten, um hier nicht strafrechtlich belangt zu werden. Dass der ihm persönlich bekannte Lieferant von Betäubungsmitteln ... E. sich in den Entscheidungsprozess des Klägers „eingeschalten“ und ihm gesagt habe, „er solle zusehen, dass er nach Amsterdam komme“ - so die Angaben des Klägers in seiner polizeilichen Vernehmung vom 17.11.2005 - stellt die Verantwortung des Klägers für seine Entscheidung, in das Ausland zu fliehen, nicht in Frage. Insbesondere sind auch keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass auf ihn - etwa durch seine Lieferanten - in einer Weise Zwang ausgeübt worden wäre, die seine freie Willensbetätigung beeinträchtigt hätte.
39 
Der Kläger hat auch durch sein Verhalten in den Niederlanden während der 14 Monate bis zu seiner dortigen Verhaftung unter Beweis gestellt, dass er Deutschland mit seiner Flucht Anfang April 2004 nicht nur vorübergehend verlassen, sondern für sich unter dem Eindruck der hier drohenden Strafverfolgung langfristig und zeitlich völlig unbestimmt ein Leben außerhalb des Bundesgebiets vorgesehen hat. Die Beschaffung eines fremden türkischen Reisepasses unter Nutzung von Verbindungen zur Stuttgarter Rauschgiftszene, vor allem aber die Fortsetzung seiner Betäubungsmittelkriminalität dort verdeutlichen, dass er sich nicht nur vorübergehend auf ein Leben in einem anderen Land eingestellt hatte.
40 
Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausgeführt hat, es sei ihm darum gegangen, mit dem Pass von einem der E.-Zwillinge in den Niederlanden durch Kontrollen zu kommen, weil er als gesuchte Person ja schlecht seinen eigenen Pass, den er in die Niederlande mitgenommen gehabt habe, habe vorlegen können, mag dies auch ein Motiv gewesen sein. Wie im polizeilichen Ermittlungsbericht vom 04.08.2005 im Einzelnen dargelegt ist, diente die Beschaffung des fremden Passes, der dem Kläger direkt nach Holland gebracht wurde und für den E. einen Abzug von 5.000 EUR auf seine Schulden aus Rauschgiftgeschäften erhielt (so die Angaben des Klägers in seiner Vernehmung vom 09.03.2006), aber vor allem dazu, sich mit diesem in die Türkei absetzen. Dies hat der Kläger in seiner polizeilichen Vernehmung vom 17.11.2005 ausdrücklich eingeräumt. Dass er von den Niederlanden aus in die Türkei gehen wollte, wird vor allem durch Protokolle aus der Überwachung der Telekommunikation belegt. In einem am 28.05.2005 zwischen dem Kläger und seinem Vater in türkischer Sprache geführten Telefonat äußerte sich der Kläger auf die Frage seines Vaters, ob er in die Türkei gehen werde: „Ja Vater, sprich nicht am Telefon, ich habe doch gesagt, wir werden uns sehen“. Ob die Absicht des Klägers, in die Türkei zu gehen, auf dem Vorschlag von ... T. beruhte, der die Bande Y. ebenfalls mit Rauschgift beliefert hatte und bei dem sich der Kläger zuletzt in den Niederlanden aufhielt (so seine Angaben in der polizeilichen Vernehmung vom 17.11.2005), oder ob die Initiative hierfür von seinem Vater ausging (so seine Einlassung in der Berufungsverhandlung), ist insoweit ohne Bedeutung. Vor allem aber organisierte der Kläger in den Niederlanden in zehn Fällen Marihuanalieferungen an die Zwillingsbrüder E., wobei in sechs Fällen 10 kg und in vier Fällen 10 - 15 kg nach Deutschland gebracht und von diesen an die ehemaligen Abnehmer der Bande Y. verteilt wurden. Dies ergibt sich aus dem Vermerk des die damaligen Ermittlungen des Gesamtkomplexes leitenden Polizeibeamten KHK K. vom 12.07.2006 im Ermittlungsverfahren 221 Js 26457/06, der auf den entsprechenden Angaben des Klägers beruht. Wie der Kläger später selbst einräumte, hätte das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln kein Ende genommen, wäre er nicht in Haft gekommen (so seine von Dr. X. in ihrem Gutachten vom 07.09.2010 festgehaltene Äußerung).
41 
Für die Frage des Verlustes des Aufenthaltsrechts spielt es keine Rolle, dass der Kläger nach seinen Angaben im Berufungsverfahren während der Zeit in den Niederlanden seine Familie in Köln getroffen haben will sowie ab und zu nach Heinsberg gefahren sei. Es spricht schon einiges dafür, dass dieser Vortrag nicht den Tatsachen entspricht. Der Kläger hat in seinen polizeilichen Vernehmungen, in denen er sehr ausführlich Angaben über seine Zeit in den Niederlanden gemacht hat, solche Treffen nicht erwähnt. Ausweislich des polizeilichen Vermerks vom 12.11.2004 und des Ermittlungsberichts vom 04.08.2005 äußerten sich die Eltern und die Brüder ... und ... in mehreren Befragungen dahingehend, es bestünde keinerlei Kontakt zu dem Kläger und ihnen sei unbekannt, wo er sich aufhalte, der letzte Kontakt sei Ostern 2004 gewesen. Auch ist wenig plausibel, weshalb der Kläger - bei fortgesetzten Drogengeschäften in den Niederlanden - das Risiko einer Entdeckung in Deutschland hätte eingehen sollen. Für die Einschätzung, dass es sich um ein taktisches Vorbringen im Rahmen des Ausweisungsverfahrens handelt, spricht auch der Umstand, dass angebliche Treffen in Köln erstmals mit Schriftsatz vom 26.01.2011 vorgetragen worden sind, nachdem zuvor auf die Möglichkeit des Erlöschens des assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts hingewiesen worden war. Die Einlassung, er sei auch mit ... T. nach Heinsberg gefahren, ist sogar erstmals in der Berufungsverhandlung erfolgt. Ob der Vortrag des Klägers zutrifft, kann jedoch dahingestellt bleiben. Mit seiner Flucht in die Niederlande im April 2004 in dem Willen, auf unbestimmte Zeit Deutschland „den Rücken zuzukehren“, hat er die mit dem Aufnahmemitgliedstaat geknüpfte Integrationsverbindung freiwillig durchtrennt und damit sein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht verloren; dieses lebt auch dann nicht wieder auf, wenn er -aus welchen Motiven auch immer -danach (immer wieder) zu Kurzaufenthalten in das Bundesgebiet eingereist ist.
42 
Die Beurteilung, dass das Verhalten des Klägers zum Verlust seiner Rechte aus Art. 7 ARB/80 geführt hat, steht auch mit dem allgemeinen Zweck der Assoziation und vor allem des ARB 1/80 in Einklang. Der Beschluss vom 19.09.1980 über die Entwicklung der Assoziation verfolgt auch das Ziel, die Rechtstellung türkischer Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen im sozialen Bereich zu verbessern (vgl. die dritte Begründungserwägung), indem ihr arbeits- und aufenthaltsrechtlicher Status gegenüber früheren Regelungen verbessert wird. Dies spricht dafür, für das Verlassen des Mitgliedstaats dann „berechtigte Gründe“ anzunehmen, wenn diese Ausdruck allgemein üblicher, sozialtypischer Verhaltensweisen sind, wie etwa Urlaub und Verwandtenbesuch (so zu diesen beiden Beispielen EuGH, Urteil vom 17.04.1997 - C-351/95 - Rn. 48), oder durch staatsangehörigkeitsbezogene Rechte oder Pflichten bedingt sind, etwa die Ableistung von Wehrdienst (Senatsbeschluss vom 31.07.2007 - 11 S 723/07 - juris Rn. 3 f.; BayVGH, Beschluss vom 15.10.2009 - 19 CS 09.2194 - juris Rn. 5 ff.). Vor dem Hintergrund dieser Intention des ARB 1/80 besteht aber keine Veranlassung, einmal erworbene Rechte auch dann unangetastet zu lassen, wenn das Verlassen des Aufnahmemitgliedstaates in der Absicht erfolgt, dessen Strafverfolgungsanspruch zu durchkreuzen; denn ein solches Verhalten ist weder schutzbedürftig noch schutzwürdig.
43 
Diesem Ergebnis steht schließlich Art. 16 Abs. 4 der Richtlinie 2004/38/EG (ABl. L 158 vom 30.04.2004) nicht entgegen. Nach dieser Regelung der Unionsbürgerrichtlinie führt nur die Abwesenheit vom Aufnahmemitgliedstaat, die zwei aufeinander folgende Jahre überschreitet, zum Verlust des erworbenen Daueraufenthaltsrechts, ohne dass es nach dem Wortlaut auf die Art der Gründe ankommt. Es kann dahin gestellt bleiben, ob diese Bestimmung direkt - oder jedenfalls als Orientierungsrahmen (so BVerwG, Urteil vom 30.04.2009 - 1 C 6.08 - BVerwGE 134, 27 - Rn. 27; OVG Berlin, Urteil vom 11.05.2010 - OVG 12 B 26.09 - juris Rn. 37 f.; BayVGH, Beschluss vom 15.10.2009 - 19 CS 09.2194 - juris Rn. 9 ff.) - auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige überhaupt Anwendung findet (die Übertragung der Unionsbürgerrichtlinie auf assoziationsrechtliche türkische Staatsangehörige generell ablehnend Schlussanträge des Generalanwalts vom 14.04.2011 - C-371/08 - Rn. 42 ff.) und welche inhaltliche Bedeutung ihr beizumessen wäre (vgl. zu dem letzten Aspekt auch EuGH, Urteil vom 23.11.2010 - C-145/09 - Rn. 30 ff.). Die Unionsbürgerrichtlinie vom 29.04.2004 ist am Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft getreten (Art. 41) und bis zum 30.04.2006 umzusetzen gewesen (Art. 40). Der Kläger hat jedoch seine Rechtsstellung nach Art. 7 ARB 1/80 bereits vor dem Inkrafttreten dieser Richtlinie dadurch verloren, indem er Anfang April 2004 in die Niederlande geflohen ist. Die Anwendung von Art. 16 Abs. 4 der Unionsbürgerrichtlinie würde damit im vorliegenden Fall ins Leere gehen, weil ein Aufenthaltsrecht, an das die Regelung anknüpfen könnte, schon erloschen gewesen ist.
3.)
44 
Die Rechtsstellung aus Art. 6 Satz 1 dritter Spiegelstrich ARB 1/80, die der Kläger aufgrund seiner dreijährigen Ausbildung und der unmittelbar daran anschließenden etwa zweijährigen Beschäftigung innehatte, und die neben der Rechtsposition aus Art. 7 ARB 1/80 bestand (zum Nebeneinander von Art. 6 und 7 ARB 1/80 EuGH, Urteil vom 05.10.1994 - C-355/93 - Rn. 16 ff.; GK-AufenthG, Art. 7 ARB 1/80 Rn. 129 f.), ist ebenfalls erloschen. Der Kläger bezog nach der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses Arbeitslosengeld. Spätestens Mitte 2003 traf er die Entscheidung, sein Einkommen durch Drogengeschäfte im „großen Stil“ zu bestreiten und setzte diese entsprechend um. Dass der Kläger den Rauschgifthandel „berufsmäßig“ betrieb, hat auch der Zeuge KHK K. in der mündlichen Verhandlung anschaulich bekundet. Bemühungen um Aufnahme einer regulären Erwerbstätigkeit sind offensichtlich nicht mehr entfaltet worden. Von einer nur vorübergehendenden Abwesenheit vom Arbeitsmarkt in dieser Zeit ist nicht mehr auszugehen (vgl. zu den Kriterien für die Beibehaltung der Arbeitnehmereigenschaft bei Arbeitslosigkeit Renner, a.a.O., § 4 Rn. 132 ff.). Damit hatte er seine Zugehörigkeit zum Arbeitsmarkt schon vor seiner Flucht in die Niederlande endgültig verloren gehabt. Selbst wenn man zugunsten des Klägers eine andere Sichtweise annehmen würde, ist jedenfalls - entsprechend den Ausführungen oben unter I. 2.) - mit der Aufgabe seines Lebensmittelpunktes im Bundesgebiet Anfang April 2004 seine Rechtsstellung erloschen.
4.)
45 
Die Rechte aus Art. 6 oder Art. 7 ARB 1/80 sind auch nicht erneut zur Entstehung gelangt.
46 
Der Kläger erhält seit dem 30.08.2009 eine von der Bundesagentur für Arbeit auf der Grundlage der §§ 77 ff. SGB III finanzierte berufliche Weiterbildungsmaßnahme zum Mediengestalter, die zum 31.08.2011 abgeschlossen sein soll, sowie nach § 117 Abs. 1 Nr. 2 SGB III Arbeitslosengeld. Teil dieser Weiterbildung ist auch eine praktische Tätigkeit in Firmen. Er absolviert sein Praktikum seit 02.11.2010 bis voraussichtlich Ende Juli 2011 bei einer Firma in ..., wo ihm nach Ende des Praktikums eine Festanstellung angeboten werden soll. Dies könnte dafür sprechen, dass der Kläger erneut dem Arbeitsmarkt der Bundesrepublik angehört. Rechte aus Art. 6 ARB 1/80 sind aber jedenfalls deshalb nicht begründet worden, weil es an einer ordnungsgemäßen Beschäftigung fehlt. Die ordnungsgemäße Beschäftigung setzt eine gesicherte und nicht nur vorläufige Rechtsposition des Betroffenen auf dem Arbeitsmarkt und damit das Bestehen eines nicht bestrittenen Aufenthaltsrechts voraus; außerdem muss die Beschäftigung im Einklang mit den aufenthaltsrechtlichen und arbeitserlaubnisrechtlichen Vorschriften des jeweiligen Mitgliedstaats stehen (EuGH, Urteil vom 06.06.1995 - C-434/93 - Rn. 26 ff. und vom 24.01.2008 - C-294/06 - Rn. 30 ff.; Renner, a.a.O., § 4 AufenthG Rn. 115). Der Kläger hält sich jedoch seit seiner ausschließlich in Vollstreckung des staatlichen Strafverfolgungsanspruchs zwangsweise durchgesetzten Rückkehr in das Bundesgebiet am 12.08.2005 ohne Aufenthaltserlaubnis hier auf. Die unbefristete Aufenthaltserlaubnis vom 02.10.1997 ist infolge seiner Flucht aus dem Bundesgebiet seit April 2004 erloschen (siehe dazu unten II.). In der Folgezeit wurde weder ein Aufenthaltstitel beantragt noch erteilt. Die dem Kläger seit seiner Haftentlassung fortlaufend verlängerten Duldungen sind aufgrund ihrer Rechtsnatur nicht geeignet, Ansprüche aus Art. 6 ARB 1/80 entstehen zu lassen, da sie nicht die Gewährung eines Aufenthaltsrechts beinhalten (GK-AufenthG, Art. 6 ARB 1/80 Rn. 132).
47 
Auch eine Rechtsposition nach Art. 7 ARB 1/80 ist nicht neu erworben worden. Hat ein Familienangehöriger die Rechtsstellung aus Art. 7 ARB 1/80 verloren und reist er später wieder in den früheren Aufnahmemitgliedstaat ein, so muss er erneut eine Aufenthaltserlaubnis beantragen, deren Erteilung sich allein nach den aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen des Mitgliedstaats richtet (EuGH, Urteil vom 18.07.2007 - C-325/05 - Rn. 67 und vom 16.03.2000 - C-329/97 - Rn. 49). Erst in Anknüpfung an einen dann rechtmäßigen Aufenthalt kann eine Berufung auf Art. 7 ARB 1/80 in Betracht kommen (vgl. näher EuGH, Urteil vom 21.01.2010 - C-462/08 - Rn. 39, 45). Eine erneute Legalisierung des Aufenthalts des Klägers ist aber bis heute nicht erfolgt.
II.)
48 
Rechtsgrundlage der verfügten Ausweisung ist § 53 AufenthG. Durch die rechtskräftige Verurteilung zu einer Gesamtstrafe von neun Jahren Freiheitsstrafe wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwölf tatmehrheitlichen Fällen sowie unerlaubten bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechzehn tatmehrheitlichen Fällen ist sowohl der Tatbestand der Ist-Ausweisung nach § 53 Nr. 1 AufenthG als auch derjenige nach § 53 Nr. 2 AufenthG verwirklicht.
1.)
49 
Der Kläger genießt keinen besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG, weil die unbefristete Aufenthaltserlaubnis vom 02.10.1997 im April 2004 nach § 44 Abs. 1 AuslG 1990 erloschen war und daher nicht gem. § 101 Abs. 1 Satz 1 AufenthG als Niederlassungserlaubnis fortgelten konnte.
50 
Nach § 44 Abs. 1 Nr. 2 AuslG 1990 erlischt die Aufenthaltsgenehmigung, wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grund ausreist. Eine entsprechende Regelung sah schon § 9 Abs. 1 Nr. 3 AuslG 1965 vor. Wie oben unter I 2.) bereits dargelegt, wollte sich der Kläger mit seiner Flucht in die Niederlande Anfang April 2004 einer Strafverfolgung im Bundesgebiet auf unabsehbarer Zeit entziehen. In einem solchen Fall erfolgt die Ausreise aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grund (Senatsbeschluss vom 22.01.2004 - 11 S 192/04 - juris Rn. 8 ff.; ebenso GK-AufenthG, § 51 Rn. 47 und Renner, a.a.O., § 51 Rn. 9 jew. zur wortgleichen Bestimmung in § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG). Dies führte kraft Gesetzes mit dem Verlassen des Bundesgebiets zum Erlöschen der Aufenthaltserlaubnis nach § 44 Abs. 1 Nr. 2 AuslG 1990, ohne dass es hierzu einer besonderen Feststellung bedurfte. Die Aufenthaltserlaubnis lebt auch nicht wieder auf, wenn der Betreffende später - und sei es nur kurze Zeit nach der Ausreise - "anderen Sinnes" wird und in die Bundesrepublik zurückkehrt (vgl. Senatsurteil vom 10.04.2002 - 11 S 2269/01).
51 
Ob die Aufenthaltserlaubnis ungeachtet des Umstands, dass das Ausländergesetz 1965 - anders als das Ausländergesetz 1990 - keinen Verlusttatbestand für eine Aufenthaltserlaubnis enthielt, der allein an den Ablauf einer zeitlich bestimmten Frist für die Wiedereinreise anknüpfte, auch nach § 44 Abs. 1 Nr. 3 AuslG 1990 erloschen ist, weil der Kläger nicht innerhalb von 6 Monaten nach seiner Ausreise (freiwillig) in das Bundesgebiet wieder eingereist ist, bedarf keiner Entscheidung mehr. Die Frage nach der Vereinbarkeit der Regelung in § 44 Abs. 1 Nr. 3 AuslG 1990 mit den Stillhalteklauseln (Art. 41 Abs. 1 ZP und Art. 13 ARB 1 /80) kann daher offen bleiben (dies bejahend BVerwG, Urteil vom 30.04.2009 - 1 C.6.08 - BVerwGE 134, 27 Rn 16 ff.).
52 
Soweit § 44 Abs. 1a und 1b AuslG in der bis 31.12.2004 geltenden Fassung Ausnahmen vom Erlöschen der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 44 Abs.1 Nr. 2 und 3 AuslG vorsahen, griff diese Privilegierung beim Kläger nicht ein, da er die Voraussetzungen dieser Bestimmungen nicht erfüllte. Die gegenüber der Vorgängernorm personell und inhaltlich günstigere Regelung des § 51 Abs. 2 Satz 1 AufenthG in der Fassung des Zuwanderungsgesetzes ist im vorliegenden Fall nicht anwendbar, da der Erlöschensgrund bereits vor dem 01.01.2005 eingetreten war. Im Übrigen hätte diese auch nicht zu einem für den Kläger besseren Ergebnis geführt. Nach § 52 Abs. 2 Satz 1 AufenthG 2005 erlischt die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat, nicht nach § 51 Abs. 1 Nr. 6 und 7, wenn sein Lebensunterhalt gesichert ist. Unabhängig davon, ob für die Prognose zur Sicherung des Lebensunterhalts auf den Zeitpunkt der Ausreise (VG München, Urteil vom 27.11.2007 - M 4 K 07.3681 - juris Rn. 42 ff.), des - mit der Ausreise nicht zwangsläufig identischen - mutmaßlichen Erlöschens (OVG NRW, Beschluss vom 30.03.2010 - 18 B 111/10 - juris Rn. 8) oder der Wiedereinreise (BayVGH, Beschluss vom 15.10.2009 - 19 CS 09.2194 - juris Rn. 14) abzustellen wäre, hätte eine positive Prognose nicht getroffen werden können. Der Kläger finanzierte jedenfalls ab 2003 sein Leben ausschließlich aus den Gewinnen der Drogenkriminalität und hatte im Zeitpunkt der „Wiedereinreise“ im Wege der Auslieferung einen langen Gefängnisaufenthalt zu erwarten, was der prognostischen Sicherung des Lebensunterhalts im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG entgegensteht.
2.)
53 
Auch sonstigen Umstände, die zu Gunsten des Klägers zu einer Veränderung des nationalrechtlichen Entscheidungsmaßstabs führen würden, liegen nicht vor.
a.)
54 
Die Voraussetzungen für einen besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 5 AufenthG sind ebenfalls nicht einschlägig, so dass die Ist-Ausweisung nicht zu einer Regelausweisung herabgestuft ist. Daher kann auch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht zur Anwendung gelangen, wonach ein Ausnahmefall von der Regelausweisung - und damit die Notwendigkeit einer behördlichen Ermessensentscheidung - bereits dann vorliegt, wenn durch höherrangiges Recht oder Vorschriften der Europäischen Menschenrechtskonvention geschützte Belange des Ausländers eine Einzelfallwürdigung unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Falles gebieten (Urteil vom 23.10.2007 - 1 C 10.07 - BVerwG 129, 367). § 53 AufenthG lässt gerade keinen Spielraum für eine individuelle Gefahrenprognose oder eine eigene Güter- und Interessenabwägung der Ausländerbehörde zu; mithin fehlt es an einer ausländerrechtlichen Grundlage für die Veränderung des Entscheidungsspielraums. Allerdings steht die § 53 AufenthG innewohnende Typisierung, dass die Ausweisung geboten und verhältnismäßig ist, um Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung entgegen zu wirken, unter dem verfassungsrechtlichen Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit im Einzelfall (vgl. schon BVerwG, Beschluss vom 10.12.1993 - 1 B 160/93 - juris Rn. 3 und vom 30.12.1993 - 1 B 185/93 - juris Rn 7; Renner, a.a.O., § 53 Rn. 3 ff.; GK-AufenthG § 53 Rn. 17 f., 59, 62 ff.). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Kammerbeschluss vom 10.05.2007- 2 BvR 304/07 - InfAuslR 2007, 275 und vom 10.08.2007 - 2 BvR 535/06 - InfAuslR 2007, 443) entbindet die normative Vertypung und Gewichtung der Ist-Ausweisung daher nicht davon, die konkreten Umstände des Einzelfalls individuell zu prüfen und zu würdigen, da nur so sichergestellt ist, dass die Verhältnismäßigkeit bezogen auf die Lebenssituation des Ausländers gewahrt bleibt (vgl. dazu auch Mayer, Systemwechsel im Ausweisungsrecht - der Schutz „faktischer Inländer“ mit und ohne familiäre Bindungen nach dem Grundgesetz und der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), VerwArch 2010, 482 ff.). Die Ausweisung erweist sich jedoch als verhältnismäßig (siehe nachfolgend III. und IV.).
b.)
55 
Eine Verschiebung des rechtlichen Prüfungsrahmens findet auch nicht im Hinblick auf die Standstill-Klauseln statt. Gemäß Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Abkommen vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei für die Übergangsphase der Assoziation - ZP - werden die Vertragsparteien untereinander keine neuen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs einführen. Nach Art. 13 ARB 1/80 dürfen die Vertragsparteien für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen. Die Stillhalteklausel unterstellt die nationale Regelungszuständigkeit dem Vorbehalt, dass neue Vorschriften die Niederlassungsfreiheit, den freien Dienstleistungsverkehr und den Zugang zur Beschäftigung sowie den damit verbundenen Aufenthalt eines türkischen Staatsangehörigen nicht strengeren Bedingungen als denjenigen unterwerfen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der jeweiligen Stillhalteklausel in dem betreffenden Mitgliedstaat galten und steht auch einer Rücknahme zwischenzeitlich eingeführter Vergünstigungen für diesen Personenkreis entgegen (vgl. näher EuGH Urteil vom 09.12.2010 - C-300/09 - und vom 21.10.2003 - C-317/01 - ). Art. 41 ZP ist im vorliegenden Fall jedoch schon deshalb nicht einschlägig sein, weil der Kläger weder Selbstständiger noch Dienstleistungsempfänger oder -erbringer im Sinne dieses Artikels ist (vgl. näher Renner, a.a.O., § 4 Rn. 203 ff. und 206 ff.). Auch Art. 13 ARB 1/80 gebietet nicht, die Ausweisung des Klägers am Maßstab der Ermessensausweisung nach § 10 AuslG 1965 zu prüfen. Art. 13 ARB 1/80 ist - speziell was die Aufenthaltsbeendigung eines türkischen Staatsangehörigen durch Ausweisung anbelangt - für den Personenkreis von Bedeutung, der kein Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 innehat. Begünstigt nach Art. 13 ARB 1/80 sind damit unter anderem die ordnungsgemäß beschäftigten Arbeitnehmer, die noch nicht in die Aufenthaltsverfestigung nach einer der Alternativen des Art. 6 ARB 1/80 hineingewachsen sind (vgl. zu den Einzelheiten des Anwendungsbereichs GK-AufenthG, Art. 13 ARB 1/80 Rn. 63 ff.). Zwar dürfte der Kläger durch die ihm erlaubte Weiterbildung wieder dem Arbeitsmarkt angehören. Allerdings können sich nur solche türkischen Staatsangehörige auf die Stillhalteklausel des Art 13 ARB 1/80 berufen, die sich ordnungsgemäß im Aufnahmemitgliedstaat aufhalten. Der Begriff „ordnungsgemäß“ in Art. 13 ARB 1/80 bedeutet, Aufenthalt und etwaige Beschäftigung müssen rechtmäßig sein (vgl. näher EuGH, Urteil vom 17.09.2009 - C-242/06 - Rn. 53 und vom 21.10.2003 - C-317/01 - Rn. 84; GK-AufenthG, Art. 13 ARB 1/80 Rn. 8; Farahat, Von der Stillhaltepflicht zur „zeitlichen Meistbegünstigung“ im Assoziationsrecht, NVwZ 2011, 343, 344). Dies entspricht dem Grundsatz, dass das Assoziationsrecht die Befugnis des Aufnahmestaats, über Einreise und Aufenthalt zu entscheiden, nicht tangiert. Auch dem - bezüglich der Folgen aus Art. 13 ARB 1/80 inhaltlich sehr weitgehenden - Urteil des EuGH in der Rechtssache Kommission gegen Niederlande (vom 29.04.2010 - C-92/07 - 44 ff., insb. Rn. 49) lässt sich nichts Gegenteiliges entnehmen. Der Kläger hält sich jedoch nicht legal im Bundesgebiet auf. Seinen rechtmäßigen Aufenthalt hat er schon vor seiner zwangsweisen Rückführung am 12.08.2005 verloren und in der Folgezeit nicht erneut begründet (vgl. dazu oben II 1. und I 2. bis 4.).
III.)
56 
Die spezialpräventive Ausweisung des Klägers als eines hier geborenen und aufgewachsenen Ausländers der 2. Generation ist aufgrund der von ihm nach wie vor ausgehenden Wiederholungsgefahr auch im Hinblick auf sein im Bundesgebiet geführtes Privat- und Familienleben nach Art. 8 EMRK und Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG verhältnismäßig.
57 
Ob die Ausweisung des Klägers - und damit der Eingriff in das Familien- und/oder Privatleben im Sinne des Art. 8 EMRK - im konkreten Einzelfall im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK in einer demokratischen Gesellschaft notwendig, insbesondere verhältnismäßig ist, bestimmt sich anhand einer Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Ausweisung eines straffällig gewordenen Ausländers mit seinem Interesse an der Aufrechterhaltung seiner faktisch gewachsenen und von Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützten privaten und familiären Bindungen im Bundesgebiet. Nach der mittlerweile hinreichend gefestigten Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist zur Beurteilung der Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs von einem bestimmten, nicht notwendigerweise abschließenden Kriterien- und Prüfkatalog auszugehen (vgl. etwa Urteil vom 02.08.2001 - Nr. 54273/00 -, InfAuslR 2001, 476, vom 18.10.2006 - Nr. 46410/99 -, <Üner> NVwZ 2007, 1279, vom 23.06.2008 - Nr. 1683/04 -, InfAuslR 2008, 333 und vom 25.03.2010 - Nr. 40601/05 -, InfAuslR 2010, 325). Dieser kann ohne weiteres auch Geltung für die Beantwortung der Frage beanspruchen, ob ein derartiger Eingriff verhältnismäßig im Sinne von Art. 6 GG, Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG ist. Es handelt sich dabei um folgende Kriterien: Die Anzahl, Art und Schwere der vom Ausländer begangenen Straftat; das Alter des Ausländers bei Begehung der Straftaten; der Charakter und die Dauer des Aufenthalts im Land, das der Ausländer verlassen soll; die seit Begehen der Straftaten vergangene Zeit und das Verhalten des Ausländers seit der Tat, insbesondere im Strafvollzug; die Staatsangehörigkeit aller Beteiligten; die familiäre Situation des Ausländers und gegebenenfalls die Dauer der Ehe sowie andere Umstände, die auf ein tatsächliches Familienleben eines Paares hinweisen; der Grund für die Schwierigkeiten, die der Partner in dem Land haben kann, in das ggfs. abgeschoben werden soll; ob der Partner bei Begründung der familiären Beziehung Kenntnis von der Straftat hatte; ob der Verbindung Kinder entstammen, und in diesem Fall deren Alter; das Interesse und das Wohl der Kinder, insbesondere der Umfang der Schwierigkeiten, auf die sie wahrscheinlich in dem Land treffen, in das der Betroffene ggfs. abgeschoben werden soll; die Intensität der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen zum Gastland einerseits und zum Herkunftsland andererseits.
1.)
58 
Was die in die Verhältnismäßigkeitsprüfung einzustellenden „straftatbezogenen“ Kriterien anbelangt, so ist festzustellen, dass die vom Kläger als junger Erwachsener bis zu seiner Festnahme im Alter von 23 Jahren verübten Straftaten ihn als einen Intensivtäter auf dem Gebiet der Rauschgiftkriminalität ausweisen. Er ist über einen Zeitraum von etwa drei Jahren in einer sich quantitativ und qualitativ steigernden Weise an führender Stelle in einer international verbundenen Bande von Rauschgifthändlern massiv durch Handeltreiben mit Betäubungsmitteln straffällig geworden. Die Menge der gehandelten Betäubungsmittel, die Art und Weise der Tatbegehung und die ihr zugrunde liegende Motivation belegen, dass er ohne durchgreifende Skrupel die Sucht anderer als Mittel für seine persönliche Bereicherung eingesetzt hat. Er ist der „Prototyp“ des international und national vernetzten, im großen Stile tätigen und seine kriminellen Ziele im Interesse der Gewinnmaximierung effizient verfolgenden Rauschgifttäters, dessen Handlungen in höchstem Maße gesellschaftsschädigend sind und unermessliches menschliches Leid verursachen. Unter Zugrundelegung der Feststellungen des strafgerichtlichen Urteils und der Erkenntnisse aus beigezogenen Straf- und Ermittlungsakten, wobei hier vor allem der vorläufige Ermittlungsbericht der Polizei vom 31.08.2004 und der endgültige vom 04.08.2005 und die Vermerke des die Ermittlung leitenden Polizeibeamten KHK KI. zu nennen sind, sowie aus den Angaben des Klägers vor und nach seiner Verurteilung ergibt sich folgendes Bild:
59 
Der Kläger veräußerte zunächst als Einzeltäter im Sommer 2002 Marihuana, sodann spätestens im Oktober 2002 als Mittäter von ... Y. und versorgte jedenfalls ab Dezember 2003 bandenmäßig den Großraum ... mit Marihuana von guter Qualität. In der kriminellen Hierarchie stieg er im Laufe der verübten Rauschgiftdelikte vom „Handlanger und Läufer“ des ... Y. zu dessen „rechter Hand“ auf und konnte bei Bedarf anderen Bandenmitgliedern einzelne Aufgaben zur Erledigung zuweisen. Das „letzte Wort“ in der Bande hatte allerdings ... Y., was auch die Strafkammer in ihrem Urteil vom 24.11.2005 zu Gunsten des Klägers berücksichtigt hat. Der Kläger war in die zeitliche Organisation der Rauschgiftlieferung jedoch ebenso eingebunden wie in deren Abwicklung einschließlich des Eintreibens ausstehender Verkaufserlöse. Auch das Treffen mit „Hintermännern“ und die Erschließung neuer Lieferanten, um den wachsenden Absatz von Rauschmittel bedienen zu können, ging unter Beteiligung des Klägers von sich. Die Bande bezog das Rauschgift von drei untereinander unabhängigen „Quellen“ aus Holland. Lieferungen erfolgten über ... E., die Bande des ... T. und aus einem über das Bandenmitglied ... F. eingefädelten Kontakt („...“). Das Rauschgift kam auf unterschiedlichen Transportwegen und unter Beteiligung verschiedener Personen nach ... und wurde von dort veräußert, wobei es die Organisationen verkraftet haben, dass auch einzelne Lieferungen „hoch gegangen“ sind. Für die Umladung, Aufbereitung und Verteilung des nach ... gebrachten Rauschgifts wurden neben der von ... Y. und dem Kläger bewohnten Wohnung konspirativ unauffällige Örtlichkeiten genutzt, wie etwa Tiefgaragen. Die Rauschgiftgeschäfte wurden - wie der Zeuge KHK. K in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat im Einzelnen nochmals erläutert hat - profimäßig abgewickelt. Mit der sehr effizienten Organisation wurden unter führender Beteiligung des Klägers in einem Zeitraum von Januar 2002 bis Juni 2005 insgesamt zwei Tonnen Marihuana sowie mehrere Kilogramm Kokain und Ecstasy-Tabletten im Großraum ... verteilt. Diese in der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 16.03.2007 enthaltenen Daten und Mengen entsprechen auch den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat sowie denjenigen des Zeugen KHK K. Letzterer hat überzeugend dargelegt, wie sich die genannten Mengen unter Berücksichtigung auch der Aussagen von anderen Mitgliedern der Bande und von Abnehmern errechnen und dass hinsichtlich Kokain von einer gehandelten Mindestmenge von fünf Kilogramm auszugehen ist. Zwar liegt dem - ausgehandelten - Strafurteil nur eine angeklagte Menge von etwa 230 kg Marihuana und 500 g Kokain zugrunde, auch hat die Staatsanwaltschaft in der oben genannten Einstellungsverfügung hinsichtlich der Straftaten, die nicht schon Gegenstand des „Deals“ vor der Strafkammer waren (vgl. dazu den Vermerk der Staatsanwaltschaft vom 25.11.2005 und die dem beigefügte Auflistung), von der Erhebung der Anklage gem. §154 StPO i.V.m. § 31 BtMG abgesehen. Dies spricht jedoch nicht dagegen, bei der Frage, ob im konkreten Einzelfall eine Ausweisung wegen Rauschgiftkriminalität verhältnismäßig ist, den tatsächlichen Umfang der Rauschgiftgeschäfte einzustellen und zu würdigen.
60 
In den überwiegend auf Kommissionsbasis abgewickelten Rauschgifthandel waren nach den Zeugenangaben von KHK K. etwa 20 bis 25 direkte Abnehmer der Bande Y. eingebunden, die die Betäubungsmittel ihrerseits weiter veräußerten. Nach den Darstellungen von KHK K. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat setzte die Bande Y. selbst bei konservativer Berechnung Drogen in einem Wert von weit über sechs Millionen EUR brutto um. Der Senat hat keinen Anlass, diesen wirtschaftlichen Wert in Zweifel zu ziehen. Im Übrigen veranschaulicht auch der im Urteil des Landgerichts Stuttgart bezüglich der abgeurteilten Straftaten gegenüber dem Kläger angeordnete Verfall eines Wertersatzes in Höhe von 857.300 EUR, davon in Höhe von 848.700 EUR gesamtschuldnerisch mit ... Y., in welcher wirtschaftlichen Größenordnung sich die Drogengeschäfte unter seiner Beteiligung abspielten. Die unter führendem Engagement des Klägers durch das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln angerichteten gravierenden gesellschaftlichen und menschlich-individuellen Schäden liegen bei den umgesetzten Mengen auf der Hand. Dass es sich bei dem hauptsächlich gehandelten Marihuana um eine eher „weiche“ Droge handelt, nimmt der Tat nicht ihre Gefährlichkeit - zumal dieses Rauschgift häufig der Einstieg für eine „Drogenkarriere“ ist.
61 
Bemerkenswert ist, dass den Kläger die Verhaftung von Abnehmern im April 2003 und die Sicherstellung von durch ihn gelieferten Rauschgifts nicht zu einem Umdenken veranlasste, vielmehr hielt ihn das nicht davon ab, sich danach bandenmäßig zu organisieren und die Rauschgiftgeschäfte zu intensivieren. Auch legte der Kläger seine anfängliche Ablehnung was Kokain anbelangt nach und nach ab. Zwar nahm er nicht selbst den Handel mit den insgesamt mindestens fünf Kilogramm Kokain „in die Hand“, jedoch unternahm er auch nichts mehr dagegen und gab sogar seiner damaligen Freundin ... V. Kokain in einer Menge von insgesamt 250 g auf Kommissionsbasis. Nach Einschätzung der Ermittlungsbehörden dürfte die Gruppierung um ... Y. ab Februar 2004 die Befürchtung gehabt haben, unter polizeilicher Beobachtung zu stehen; die Wohnung in der ... wurde gekündigt und eine neue geeignete Immobilie gesucht. Selbst dies war für die Bande kein Grund gewesen aufzuhören; vielmehr verließ man sich offensichtlich darauf, aufgrund der Organisationsstruktur ungefährdet weitermachen zu können. Auch die Verhaftung der Bandenmitglieder im April 2004 war für den Kläger kein Anlass, vom Rauschgifthandel Abstand zu nehmen. Er floh ganz bewusst nach Holland und kam dort bei seinen Lieferanten unter, zunächst bei ... E., später bei ... T. In der Zeit von Juni bis Dezember 2004 organisierte der Kläger in zehn Fällen Marihuanalieferungen an ... und ... E., wobei in sechs Fällen 10 kg und in vier Fällen 10 - 15 kg von den Niederlanden nach Deutschland gebracht und von diesen an die ehemaligen Abnehmer der Bande Y. verteilt wurden. Das Rauschgift stammte von ... T., bei dessen Bande die Bande des ... Y. Schulden aus Rauschgiftgeschäften hatte; die neuen Taten dienten insoweit zur Tilgung von Altschulden. Gerade auch in den Taten in den Niederlanden zeigt sich die besondere Gefährlichkeit des internationalen Rauschgifthandels. Dem Kläger war es auch nach der Verhaftung der Bandenmitglieder problemlos möglich, aufgrund des verzweigten Organisationssystems einfach weiterzumachen. Seine Einlassung in der mündlichen Verhandlung ließ nicht erkennen, dass er von dem „Gläubiger“ hierzu gezwungen worden wäre. Er konnte sich in den Niederlanden frei bewegen. Es war seine eigene Entscheidung, seine kriminellen Taten fortzusetzen.
62 
Die Rauschgiftgeschäfte wurden auch nicht aus einer wirtschaftlichen Notsituation, einer sozial problematischen Lage oder aus einer bestehenden Abhängigkeit heraus begonnen oder weitergeführt. Zwar ist der Kläger nach seinen Angaben in einem sozialen Brennpunktviertel und unter dem Eindruck sehr knapper finanzieller Mittel der Familie sowie familiärer Streitereien zwischen seinem Vater und seinen Brüdern aufgewachsen. Als er im Alter von etwa 21 Jahren in den Drogenhandel in großem Stil einstieg, lag diese Phase jedoch hinter ihm; damals hatte er erfolgreich seine Lehre abgeschlossen und war als Drucker berufstätig. Soweit das Landgericht in seinen Strafzumessungserwägungen strafmildernd gewertet hat, dass die Hemmschwelle des Klägers nicht ausschließbar durch seinen Eigenkonsum herabgesetzt war, ist damit keine Abhängigkeit umschrieben. Vielmehr war es in den Kreisen, in denen er verkehrte, nicht ungewöhnlich, gelegentlich Rauschgift, darunter auch Kokain, selbst zu konsumieren. Dies hat der Kläger in seinen polizeilichen Vernehmungen anschaulich geschildert. Die vom ihm selbst stets verneinte Abhängigkeit ist auch durch die regelmäßigen negativ verlaufenden Drogenkontrollen während der Haft bestätigt. Motiv für die Betäubungsmitteldelikte waren allein das Gewinnstreben, der Genuss des luxuriösen Lebens und das „Glücklichsein im Hier und Jetzt“. Diese Motivation ist in den polizeilichen Vernehmungen des Klägers und ... Y. übereinstimmend berichtet worden und vor allem auch aus ihrem tatsächlichen verschwenderischen Lebensstil ersichtlich, der im Urteil des Strafgericht angesprochen worden und der insbesondere in dem vorläufigen Ermittlungsbericht der Polizei vom 31.08.2004 dokumentiert ist. Dieser umfasste unter anderem die Anmietung einer luxuriösen Wohnung, die mit teuren Einrichtungsgegenständen ausgestattet war (z.B. Flachbildschirmfernseher mit einem Wert zw. 7.000 und 8.000 EUR), Flugreisen, Aufenthalte in teuren Hotels, die Nutzung von Autos der gehobenen Klassen (unter anderem Jaguar), Partys, aber auch Kontakte zu Prostituierten und extrem häufige Taxibestellungen (etwa um ein Baguette abholen zu lassen) sowie ein Auftreten als „Geschäftsmänner“ mit den entsprechenden Begleitutensilien wie Designer-Handy, Kugelschreiber im Wert von 1.000 EUR, Schmuck, Uhren.
2.)
63 
Was das ebenfalls in die Verhältnismäßigkeitsprüfung einzufließende Verhalten des Klägers nach der Tat und seine Entwicklung bis heute anbelangt, ist der Senat aufgrund der oben dargelegten konkreten Umstände der Tat und nach dem Eindruck, den er aus dem Inhalt der Akten und der Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung gewonnen hat, der Überzeugung, dass vom Kläger nach wie vor die in den Taten angelegte Wiederholungsgefahr ausgeht. Daher kann dahingestellt bleiben, ob bei der Verwirklichung eines Ausweisungstatbestands nach § 53 AuslG nach nationalrechtlichem Maßstab eine Unverhältnismäßigkeit einer spezialpräventiven Ausweisung nur dann eintreten könnte, wenn die Wiederholungsgefahr gänzlich entfallen oder jedenfalls extrem gemindert wäre (vgl. GK-AufenthG, § 53 Rn. 62 i.V.m. Vor §§ 53 ff. Rn. 418 ff.) und ob - solange dies nicht festgestellt werden kann - auch der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach Art. 8 EMRK das der nationalen Norm immanente schwerwiegende spezialpräventive Ausweisungsinteresse mit diesem Gewicht zugrunde zu legen wäre.
a.)
64 
Der Senat misst hinsichtlich der Feststellung der Wiederholungsgefahr dem kriminalprognostischen Gutachten von Dr. X. vom 07.09.2010, das aus forensisch psychiatrischer Sicht feststellt, dass die durch die Taten zutage tretende Gefährlichkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr fortbesteht, keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu. Das Gutachten beruht in wesentlichen Punkten auf unzutreffenden tatsächlichen Annahmen, die ihrerseits jedenfalls zum Teil auf falsche oder unvollständige Angaben des Klägers bei seiner Exploration zurückgehen (aa.). Darüber hinaus ist das schriftliche Gutachten in zentralen Punkten nicht schlüssig (bb.). Die dem Gutachten innewohnenden Mängel sind auch nicht durch die Erklärungen der Gutachterin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausgeräumt worden (cc.).
aa.)
65 
Die Gutachterin ging davon aus, der Kläger habe - entsprechend seiner Angaben während der Untersuchung - allenfalls als Jugendlicher zwischen dem 15. und 18. Lebensjahr Marihuana geraucht (S. 12 i.V.m. S. 16). Tatsächlich hat der Kläger jedoch nach früheren Angaben auch während der Phase seiner Betäubungsmittelkriminalität Drogen genommen; so hat er während seines Aufenthalts in den Niederlanden, damals war er 23 Jahre alt, Kokain konsumiert. Diesen Konsum hat der Kläger in der Berufungsverhandlung - allerdings erst auf intensive Nachfrage und unter Vorhalt seiner Angaben in seiner Vernehmung als Beschuldigter am 17.11.2005 - auch eingeräumt. Der Betäubungsmittelkonsum auch noch als junger Erwachsener findet im Gutachten ebenso wenig Beachtung wie der - vom Kläger anlässlich seiner Exploration ebenfalls nicht erwähnte - Umstand, dass er Ende Januar 2005 versucht hat, sich die Pulsadern aufzuschneiden. Von beidem hat die Gutachterin nach ihren eigenen Angaben in der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erstmals durch die hier erfolgte Anhörung des Klägers erfahren. Dies verdeutlicht im Übrigen, dass die Gutachterin, die ihr Gutachten ausdrücklich auch auf die drei Bände Strafakten stützt (S. 2 des Gutachtens), diese möglicherweise nicht genügend beachtet hat. Das entsprechende Vernehmungsprotokoll vom 17.11.2005, in dem der Kläger den Drogenkonsum und auch das Queraufschneiden der Pulsadern, weil er „nonstop drauf gewesen“ sei, ausdrücklich eingeräumt hat, befindet sich in Band III der Strafakten, die der Gutachterin vorlagen.
66 
Unrichtig oder jedenfalls „geschönt“ waren auch die Angaben des Klägers zu seiner angeblich intakten Beziehung. Das Gutachten hält unter anderem folgende Angaben des Klägers fest (S. 7): „Er verfolge jetzt andere Ziele im Leben. Er habe jetzt eine Freundin, werde sich verloben. Das wichtigste sei, dass er ihrer Mutter vor 2, 3 Monaten gesagt habe, was mit ihm los sei, nämlich dass er im Gefängnis sei. Das sei seine erste türkische Freundin überhaupt. Früher habe er keine türkischen Freundinnen gehabt. Es sei jetzt aber eine ganz tolle Erfahrung für ihn, diese Beziehung zu einer türkisch-stämmigen Freundin.“ Auf S. 11 des Gutachtens sind - auszugsweise - folgende weitere Angaben des Klägers festgehalten: „Letztes Jahr habe er über einen Freund in ... seine Freundin kennengelernt, die aus K. in Bayern stamme….Im Februar diesen Jahres habe er ihr erzählt, was mit ihm sei….Ende des Jahres werde man das Verlobungsfest feiern und „so Gott will“ im nächsten Jahr heiraten….. Man habe vor kurzem mit der Familie eine „kleine Verlobung“ bei ihren Eltern gefeiert….Das Fest sei sehr schön und sehr traditionell gewesen. Er hab sich nie vorstellen können, dass ihm so was passieren werde. Traditionell sei zum Beispiel gewesen, dass seine Verlobte ihm Salz statt Zucker in den Kaffee getan habe und er diesen dann entsprechend der Tradition trotzdem getrunken habe.“ Hinsichtlich früherer Beziehungen führte er aus (S. 12): „Er habe seitdem er 17 Jahre alt gewesen sei immer wieder Freundinnen gehabt. Die erste Beziehung habe vier Jahre gedauert. Dann habe er noch mal eine Beziehung zwischen 2000 und 2004 gehabt.“ Wie die Gutachterin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat mehrfach erklärt hat, sei ihr die Schilderung der Verlobungsfeier, die von ihm als wertvoll erlebte Tradition, sehr zu Herzen gegangen; es sei für sie sehr anrührig gewesen. Grundlage ihrer positiven Prognose ist ausweislich des Gutachtens auch die Annahme der Einbindung des Klägers in einer stabilen Beziehung zu seiner türkischen Staatsangehörigen. Tatsächlich kriselte es jedoch schon zu diesem Zeitpunkt in der Beziehung zwischen dem Kläger und seiner früheren Verlobten. Bereits im August 2010 - zu diesem Zeitpunkt war der Kläger nach seinen Angaben in der Berufungsverhandlung eigentlich noch verlobt - frischte er die Kontakte mit seiner jetzigen Partnerin auf. Im September habe er ihre Wohnung komplett renoviert, da seien sie sich näher gekommen, seit November 2010 seien sie ein Paar. Darüber hinaus verschwieg der Kläger bei der Exploration seine frühere Beziehung zu ... V. Mit ihr war er seit Januar 2004 „zusammen“. Diese erwartete wohl von ihm ein Kind; der Abbruch der Schwangerschaft wurde von ihm bezahlt. Bis einschließlich August 2007 wurde er regelmäßig von ... V., die zeitweise in der Wohnung seiner Eltern lebte und von ihm selbst als seine Verlobte bezeichnet wurde, besucht. Unter dem 21.08.2006 erkundigte er sich sogar nach der Möglichkeit des Heiratens im Gefängnis. Gerade mit Rücksicht auf diesen Umstand nimmt der Senat dem Kläger seine Versuche in der mündlichen Verhandlung, diese Beziehung als unbedeutend darzustellen und mit der Begründung schlecht zu machen, ... V. sei nur eine Prostituierte, nicht ab. Am 27.02.2008 teilte der Rechtsanwalt von ... V. gegenüber der JVA ... mit, nach Darstellung seiner Mandantin besitze ihr Ex-Freund in der JVA ein Handy sowie ihr Tagebuch und eine goldene Halskette. Eine deswegen angeordnete Durchsuchung des Klägers sowie seines Haftraums und seines Arbeitsplatzes verlief negativ. In Reaktion darauf gab der Kläger am 27.02.2008 telefonisch und am 04.03.2008 förmlich gegenüber den Ermittlungsbehörden an, im Zeitraum Februar/März 2004 in drei Taten insgesamt 250 g Kokain an seine damalige Freundin ... V. gewinnbringend auf Kommission verkauft zu haben. Diese Erkenntnisse ergeben sich aus den - von der Gutachterin nicht beigezogenen - Gefangenenpersonalakten und aus der Akte im Ermittlungsverfahren 221 Js 45897/08.
67 
Des Weiteren hat der Kläger bei der Gutachterin angegeben, zu seinen früheren Freunden habe er keinen Kontakt mehr, wolle auch keine Kontakte mehr haben. Tatsächlich ist jedoch der langjährige Freund des Klägers M.Y., der ebenfalls Mitglied der Bande Y. war und deswegen zu einer langjährigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde, ausweislich des Heiratsvertrags vom 12.02.2011 Zeuge der nach islamischem Recht eingegangenen Verbindung zwischen dem Kläger und ... D. gewesen. In der mündlichen Verhandlung begründete der Kläger die Wahl seines Zeugen damit, dass dieser aus dem Glauben heraus lebe und kein schlechter Mensch sei.
68 
Darüber hinaus hat der Kläger mit der Gutachterin über seine Umschulung als Mediengestalter gesprochen. Im Rahmen ihrer Beurteilung der Wiederholungsgefahr hat sie den vom Kläger stringent verfolgten Weg, sich beruflich weiter zu qualifizieren, positiv gewürdigt. Die Gutachterin hat jedoch in ihre Beurteilung nicht eingestellt, dass der Kläger nach wie mehr als 800.000 EUR Schulden aus dem im Strafurteil angeordneten Verfall des Wertersatzes hat.
69 
Schließlich ist der Gutachterin bei der Abfassung des Gutachtens das Ausmaß des kriminellen Verhaltens des Klägers nicht geläufig gewesen. Das Gutachten referiert zwar Teile aus dem Strafurteil (S. 2 ff.) und verweist zu Beginn der „Zusammenfassung und Beurteilung“ unter anderem darauf, dass sich der Kläger ab Dezember 2003 zusammen mit Mittätern zu einer Gruppierung zusammengeschlossen hat, „welche im Kilogrammbereich in ... und Umgebung“ mit Marihuana Handel betrieben hätten“. Die tatsächlich umgesetzten Mengen der verschiedenen gehandelten Betäubungsmittel, die Organisationsstrukturen sowie die Stellung des Klägers innerhalb des Systems sind ihr jedoch - wie sie selbst eingeräumt hat - erstmals im Laufe der Verhandlung vor dem Senat in aller Deutlichkeit bewusst geworden.
bb.)
70 
Darüber hinaus sind wesentliche Aussagen im Beurteilungsteil nicht schlüssig bzw. nachvollziehbar. So heißt es dort: „Herr X. soll nach seiner Inhaftnahme seine Kenntnisse über den organisierten Drogenhandel den Behörden gegenüber offenbart haben, so dass allein aus diesem Grund eine Rückkehr in solcherart kriminelle Aktivitäten ihm wohl künftig nicht mehr möglich sein dürfte“. Wieso die Gutachterin zu dieser Einschätzung gelangt, wird nicht transparent gemacht, möglicherweise knüpft sie allein an die entsprechenden Ausführungen im Antrag des Klägers vom 09.03.2010 auf Aussetzung des Rests der Freiheitsstrafe zur Bewährung an. Dieser Schluss ist jedoch nicht zwingend -schon gar nicht im vorliegenden Fall, bei dem etliche Leute der Organisation „ausgepackt“ haben. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart führt in ihrem Schreiben vom 28.03.2011 an den Senat auch aus, dass erfahrungsgemäß Aufklärungshilfe nicht unbedingt zwingend zur Folge habe, das eine Rückkehr ins Rauschgiftmilieu „verbaut“ werde - zumal dann nicht, wenn sie mit einem Ortswechsel des „Verräters“ verbunden sei.
71 
Die Gutachterin nimmt weiter an, die soziale Situation des Klägers sei (wieder) gesichert. Sie setzt sich aber nicht mit dem Umstand auseinander, dass die Drogendelikte aus einer intakten Existenz heraus begangen wurden. Der Kläger lebte zu Beginn der Taten in geordneten familiären Verhältnissen und verfügte nach abgeschlossener Lehre in seinem Ausbildungsberuf über regelmäßige Einkünfte. Trotzdem hat ihn das von den Straftaten nicht abgehalten. In diesem Zusammenhang fehlen auch Aussagen dazu, ob und wie sich die derzeit noch vorhandenen Schulden in Höhe von etwa 800.000 EUR auf die (soziale) Situation des Klägers auswirken könnten.
72 
Das positive Ergebnis des Gutachtens beruht auch auf der Auffassung der Gutachterin, die Tathandlungen seien situativ, d.h. lebensgeschichtlich begrenzt gewesen (Adoleszenz), die verurteilten Taten hätten in einer abgrenzbaren Lebenssituation, d.h. im frühen Erwachsenenalter stattgefunden. Abgesehen davon, dass Aussagen zur Einordnung von Tathandlungen schon nicht belastbar getroffen werden können, wenn ein Gutachter - wie hier - das Ausmaß des kriminellen Fehlverhaltens nicht zutreffend erkennt und würdigt, ist dem Senat aus zahlreichen weiteren Ausweisungsverfahren bekannt, dass Rauschgiftkriminalität jedenfalls in der oben unter III 1. dargestellten Art und Weise keine für die Adoleszenz typische Tat und auch nicht zwingend auf eine abgrenzbare Lebenssituation beschränkt ist.
73 
Schließlich bleibt auch unklar, weshalb die Gutachterin davon ausgeht, dass die Erfahrung der Inhaftierung beim Kläger offenkundig einen nachvollziehbaren Gesinnungswandel bedingt hat. Allein in einem ambulanten Termin mit dem Kläger, der lediglich 1 ½ Stunden gedauert hat, lässt sich dies in Anbetracht des Ausmaßes der kriminellen Vorgeschichte nach Überzeugung des Senats kaum verlässlich eruieren - zumal wenn der zu Beurteilende in einzelnen Punkten die Unwahrheit sagt oder die Lage beschönigt. Die Gefangenenpersonalakten, die hierüber näheren Aufschluss geben könnten, sind von der Gutachterin nicht beigezogen worden.
cc.)
74 
Die aufgezeigten Defizite im Gutachten, die ihre Ursache auch darin haben können, dass - wie die Gutachterin gegenüber dem Senat ausgeführt hat - die Beauftragung durch die Strafvollstreckungskammer „in sehr zeitknappem Zustand“ erfolgte und der Kläger sich schon im Freigang bewährte, sind durch ihre Angaben in der mündlichen Verhandlung nicht ausgeräumt worden. Ihre Erklärungen sind insgesamt vage, ausweichend und für den Senat nicht überzeugend gewesen.
75 
Aus der Antwort auf die Frage des Senats, welche Bedeutung die Schulden des Klägers aus dem Verfall des Wertersatzes für die Wiederholungsgefahr haben, wird deutlich, dass die Gutachterin an diesem Problem gänzlich vorbei geht. Sie führt nämlich hierzu aus, dass der Kläger im jungen Erwachsenenalter zu den Taten gekommen sei. Er sei gierig nach Geld gewesen. „Veränderungen seien möglich und insbesondere Hafterfahrung und Nachdenken klinge authentisch, so dass man sich vorstellen könne, dass hinsichtlich der Schulden, die aus den Taten stammen, weil eben das Geld nicht gespart worden sei, um es abzugeben, sondern es ausgegeben worden sei, Veränderungen in der Wertehaltung möglich seien.“
76 
Auch was die Frage der Einordnung der Tat als durch die Adoleszenz bzw. lebensgeschichtlich begrenzt anbelangt, sind nach Auffassung des Senats die Ausführungen der Gutachterin nicht überzeugend. Sie hat nach wie vor nur auf das damalige Alter des Klägers und die zwischenzeitliche Hafterfahrung abgestellt ohne sich jedoch mit der hohen Professionalität der Betäubungsmittelstraftaten und der Tatsache, dass ältere Bandenmitglieder eine vergleichbare Stellung innerhalb der Organisation nicht erreicht haben, auseinander zu setzen. Gleichzeitig bleibt sie eine Antwort auf die Frage schuldig, warum diesen Faktoren bei der Beurteilung insoweit keine entscheidende Bedeutung zukommen soll.
77 
Hinsichtlich der von der Gutachterin angenommenen verbauten Rückkehr in die früheren kriminellen Aktivitäten, hat sie zwar eingeräumt, dass es entsprechende andere Kreise geben könnte. Sie hat auch zur Kenntnis genommen, dass der Kläger entgegen seinen Bekundungen ihr gegenüber nach wie vor freundschaftlich mit einem früheren Mittäter verbunden ist. Welche Konsequenzen sie hieraus zieht, hat sie jedoch insoweit offen gelassen.
78 
Zwar ist etwa die Frage, ob der Kläger letztmalig als Jugendlicher oder schon im Erwachsenenalter Drogen und ggfs. welche genommen hat, für die Beurteilung der Wiederholungsgefahr als solche nicht relevant, weil Grund für die Straftaten keine eigene Abhängigkeit gewesen ist. Allerdings sind die unrichtigen Angaben durch den Kläger in diesem Punkt ebenso wie andere „Glättungen“ in der Darstellung, etwa was seine Beziehungen zu Frauen anbelangt, von Bedeutung für die Qualifizierung seiner Persönlichkeit - und vor allem für die Frage, ob dem Kläger vor diesem Hintergrund eine „innere Umkehr“ geglaubt werden kann. Hierzu direkt befragt hat die Gutachter gegenüber dem Senat lediglich angegeben, das sei schwierig.
79 
Im Verlaufe ihrer Anhörung hat die Gutachterin ungeachtet der von ihr selbst als kritisch angesehenen manipulativen Tendenzen des Klägers zunächst ausgeführt, dass sie dennoch an dem Ergebnis ihres Gutachtens festhalten will, am Ende ihrer Befragung hat sie dies dahingehend relativiert, „sie glaube, sie würde auch noch zu dem Schluss kommen ‚ mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr fortbesteht‘“. Abgesehen davon, dass eine solche lavierende Aussage nicht belastbar ist, sind auch die von der Gutachterin angeführten Gründe für ihre (möglicherweise) im Ergebnis gleichbleibende Einschätzung nicht zwingend, wenn nicht gar spekulativ. Sie hat hierzu ausgeführt, dass es sich nicht um eine Symptomtat gehandelt habe, der Kläger kein polytrop kriminell dissozialer Mensch sei und auch die harten negativen Fakten, wie sie z. B. bei Exhibitionismus vorhanden seien, fehlten. Das sei günstig. Positiv seien auch das Fehlen von Augenblicksverhaftetheit, das Lernen aus Erfahrungen, sein Ehrgeiz um berufliche Fortbildung. Allerdings hat die Gutachterin auf Nachfrage des Senats auch eingeräumt, dass die beim Kläger vorhandenen Eigenschaften ihn zu dieser sehr professionellen Betäubungsmittelkriminalität überhaupt erst befähigt haben. Letztlich sei es die Frage, ob man ihm die Änderung, künftig nicht mehr kriminell werden zu wollen, glaube.
80 
Im Hinblick auf die auch durch die mündliche Verhandlung nicht ausgeräumten Defizite des Gutachtens, misst der Senat diesem keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu. Für das Gericht besteht auch keine Notwendigkeit, zur Beurteilung der Wiederholungsgefahr als Entscheidungshilfe ein erneutes Sachverständigengutachten einzuholen. In Ausweisungsverfahren ist es die ureigene richterliche Aufgabe dies selbst festzustellen. Tat- oder täterpersönlichkeitsbezogenen Besonderheiten, die ausnahmsweise abweichend hiervon eine Begutachtung durch einen Sachverständigen nahe legen würden (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 22.10.2008 - 1 B 5.08 - juris Rn. 5), weist der vorliegende Fall nicht auf.
b.)
81 
Die Frage der Wiederholungsgefahr ist nicht deshalb in einem für den Kläger günstigen Licht zu sehen, weil aufgrund des Beschlusses der Strafvollstreckungskammer vom 26.10.2010 die Verbüßung des Restes der Freiheitsstrafe noch vor Ablauf von zwei Dritteln der Strafhaft zur Bewährung ausgesetzt worden ist.
82 
In Vorbereitung dieser Entscheidung ist das kriminalprognostische Gutachten vom 07.09.2010 eingeholt worden. Hierauf bezieht sich auch der Beschluss der Strafvollstreckungskammer. Schon aufgrund der oben dargelegten Mängel des Gutachtens misst der Senat diesem für das Ausweisungsverfahren ebenfalls keine relevante Bedeutung zu. Selbst wenn man im Übrigen der Auffassung wäre, für die Aussetzungsentscheidung sei das Gutachten letztlich nicht entscheidend gewesen, weil die Strafvollstreckungskammer aufgrund selbstständiger Prüfung zu dem Ergebnis gelangt sei, der Strafrest werde noch vor Verbüßung von zwei Dritteln der verhängten Strafe nach § 57 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 StGB zur Bewährung ausgesetzt, ist die strafvollstreckungsrechtliche Einschätzung für die Beurteilung der ordnungsrechtlichen Wiederholungsgefahr nicht maßgebend. Dies gilt schon deshalb, weil die im Ausweisungsverfahren nunmehr verfügbaren Erkenntnisse die dort getroffenen Annahmen und Einschätzungen nicht mehr ohne weiteres plausibel und nachvollziehbar erscheinen lassen. So hat der Kläger in seiner Anhörung bei der Strafvollstreckungskammer am 21.10.2010 ungeachtet dessen, dass die Beziehung mit seiner damaligen Verlobten jedenfalls schon erheblich in die Krise geraten war und er sich - wie aus der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Bestätigung des Vermieters von Frau D. vom 08.04.2011 ersichtlich - schon seit Oktober 2010 des Öfteren bei dieser aufgehalten hat, erneut den Eindruck erweckt, in einer stabil erscheinenden Beziehung mit einer türkischen Verlobten zu leben. Dies ist auch Grundlage des Beschlusses der Strafvollstreckungskammer geworden. Darüber hinaus ist der Senat aufgrund der ihm in dem für die Beurteilung der Ausweisung maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt vorliegenden Erkenntnisse, insbesondere des aufgrund der mehrstündigen mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindrucks vom Kläger, nicht davon überzeugt, dass sich der Kläger glaubhaft mit seiner kriminellen Vergangenheit auseinandergesetzt, sich von dieser distanziert und einen nachhaltigen Gesinnungswandel durchlaufen hat, an dessen Ende ein zukünftig straffreies Leben steht.
c.)
83 
Der Senat ist der Überzeugung, dass der Kläger ungeachtet dessen, dass seit der letzten Tat etwa 6 Jahre vergangen sind und er einen mehrjährigen auf Resozialisierung ausgerichteten Gefängnisaufenthalt hinter sich hat, keine solche Persönlichkeitswandlung und Verhaltensänderung durchlaufen hat, die in Anbetracht von Art und Ausmaß der von ihm begangenen Betäubungsmitteldelikte verlässlich den Schluss zulassen würde, er werde voraussichtlich in Zukunft nicht mehr (in vergleichbarer Weise) straffällig.
84 
Entgegen der Auffassung des Klägers ist aus seiner Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden nicht auf einen „Bruch“ mit vergangenen kriminellen Strukturen und entsprechender Reue zu schließen, die ein zukünftig rechtstreues Leben nahelegen. Zwar konnten aufgrund der Angaben des Klägers und des „Bandenchefs“ ... Y. etwa 90 Ermittlungsverfahren eingeleitet werden, die zu teilweise langen Freiheitsstrafen führten. Dies hat die Staatsanwaltschaft Stuttgart mit Schreiben vom 28.03.2011 gegenüber dem Senat ausdrücklich bestätigt. Hervorzuheben ist auch, dass der Kläger über eigene Straftaten in den Niederlanden berichtete, über die die Ermittler im Vorfeld seiner Angaben keinerlei Erkenntnisse hatten. Nach dem Vermerk des Zeugen KHK K. vom 13.03.2006 teilte der Kläger ihm erstmals am 08.03.2006 mit, dass er aus der Zeit in den Niederlanden noch etwas zu „beichten“ habe. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart führte in ihrer Einstellungsverfügung vom 16.03.2007 nach § 154 StPO unter anderem aus, dass die Feststellungen zum Gesamtumfang der Tat allein auf den Angaben des Klägers beruhten und ihm ohne sein Geständnis nicht hätten nachgewiesen werden können. Darüber hinaus habe er seine Lieferanten und Abnehmer namentlich benannt und durch seine Angabe - auch in den jeweiligen Hauptverhandlungen - dazu beigetragen, dass ein Großteil dieser Personen habe abgeurteilt werden können, so dass ihm in ganz erheblichem Maße die Strafmilderung des § 31 BtMG zu Gute komme.
85 
Allerdings führt eine Aufklärungshilfe, die zur Überführung anderer Rauschgifthändler beigetragen hat, nicht zwingend zu einer prognostisch günstigen Beurteilung der Wiederholungsgefahr bei einem wegen illegalen Rauschgifthandels Verurteilten (BVerwG, Urteil vom 06.04.1989 - 1 C 70.86 - BVerwGE 81, 356 und Beschluss vom 04.09.1992 - 1 B 155.92 - InfAuslR 1993, 11); maßgebend sind vielmehr die konkreten Umstände des Einzelfalls (vgl. auch GK-AufenthG, Vor §§ 53 ff. Rn. 1188 ff.). Aus der Existenz und der Anwendung von § 31 BtMG durch die Staatsanwaltschaft in ihren Einstellungsverfügungen ergibt sich nichts anderes. Das kriminalpolitische Ziel des § 31 BtMG besteht unter anderem darin, das Aufbrechen von Banden und kriminellen Vereinigungen zu ermöglichen, die strafrechtliche Verfolgung begangener Betäubungsmittelstraftaten zu verbessern und es dem einzelnen Täter zu erleichtern, sich von dem illegalen Rauschgifthandel abzusetzen. Auf die Motivation der Aufklärungshilfe kommt es nicht an (BGH, Urteil vom 19.05.2010 - 2 StR 102/10 - juris und Beschluss vom 20.06.1990 - 3 StR 74/90 - juris). Mit Moral hat § 31 BtMG nichts zu tun. Die Privilegierung knüpft allein daran an, dass aufgrund der Offenbarung des Täters tatsächlich ein Aufklärungserfolg über seinen Tatbeitrag hinaus eingetreten ist (vgl. näher Weber, BtMG, 3. Aufl. 2009, § 31 Rn. 7 f., 16 f). § 31 BtMG kommt daher auch dann in Betracht, wenn der Täter seine Tat nicht bereut und auch zu einer Lebensumkehr nicht bereit ist (Weber, a.a.O., Rn. 65). Ausgehend von ihren Zielen ist diese Vorschrift in ihrem Anwendungsbereich auf das Strafrecht beschränkt; sie enthält keinen darüber hinaus gehenden allgemeinen Rechtsgedanken, der auch im Ausweisungsrecht Beachtung finden müsste.
86 
Der Senat ist der Überzeugung, dass die ab 15.11.2005 gezeigte Aussagebereitschaft des Klägers, die zunächst zu seinem Geständnis kurz vor der Hauptverhandlung am 24.11.2005 führte sowie ab Januar 2006 zu umfangreichen Angaben über Lieferanten, Abnehmer und Hintermänner, nicht auf einem grundlegenden Gesinnungswandel beruhte, insbesondere aus der Erkenntnis heraus, welchen immensen gesellschaftlichen und menschlichen Schäden er durch seine Delikte angerichtet hatte, sondern deshalb erfolgte, um sich persönliche Vorteile zu verschaffen - vor allem mit Blick auf eine Strafmilderung und vorzeitige Beendigung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe. Der Kläger äußerte dem Aktenvermerk des Zeugen KHK K. vom 18.11.2005 zufolge vor seiner Vernehmung am 16.11.2005 unter anderem, dass er seine Strafe so niedrig wie möglich halten und schnellstmöglich aus der JVA herauskommen wolle. Aus den polizeilichen Protokollen sowie Vorgängen in den Gefangenenpersonalakten ergibt sich, dass der Kläger in den Jahren 2006 und 2007 immer wieder darauf hingewiesen habe, er wolle so schnell wie möglich aus dem Gefängnis kommen bzw. so schnell wie möglich abgeschoben werden. So heißt es in einem Protokoll der JVA ... vom 09.10.2006 anlässlich der Fortschreibung des Vollzugsplans, der Kläger strebe eine zügige Abschiebung an. Auch zwischen dem Verteidiger des Klägers und der Staatsanwaltschaft Stuttgart gab es im Juli 2007 Kontakte, ob im Hinblick auf die „Verdienste“ des Klägers bereits vor dem Halbstrafenzeitpunkt nach § 456a StPO verfahren werden könnte (vgl. näher die mit Schreiben vom 28.03.2011 vorgelegten Aktenvermerke der Staatsanwaltschaft vom 17., 30. und 31.07.2005). Vor dem Hintergrund dieser Abläufe stellt sich die Aussagebereitschaft des Klägers als eine „Leistung“ in der unterschwelligen Erwartung einer „Gegenleistung“ dar. Auch ... Y. äußerte sich im Übrigen in seiner Zeugenvernehmung vom 07.03.2008 dahingehend, der Kläger habe sich persönlich erhofft, nach seinen Aussagen entlassen zu werden.
87 
Hinzukommt, dass uneigennützige Motive hinsichtlich der weiteren Angaben des Klägers zu seinen „Hinterleuten“ bei KHK K. auch deshalb nicht auf der Hand liegen, weil die weitere Bereitschaft des Klägers, in anderen Ermittlungsverfahren Angaben zu machen, Teil der dem Urteil zugrunde liegenden Absprache zwischen den Beteiligten war. Dies ergibt sich aus dem Protokoll über die Hauptverhandlung des Landgerichts vom 24.11.2005 sowie aus dem Aktenvermerk der Staatsanwaltschaft Stuttgart ebenfalls vom 24.11.2005.
88 
Wären die umfangreichen Angaben des Klägers zu Beginn oder jedenfalls ab einem späteren Zeitpunkt von Reue und Einsicht in das immense Unrecht seiner Tat getragen gewesen, so hätte es nahe gelegen, dies im Zusammenhang mit den Vernehmungen zu offenbaren. Weder in den Straf- noch in den Ermittlungsakten in den Verfahren 221 Js 26457/06 und 221 Js 45897/08 finden sich entsprechende Hinweise auf solche die Angaben auslösende oder sie jedenfalls begleitende „Regungen“ beim Kläger. Auch der den Kläger immer wieder vernehmende Beamte KHK. K. hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat keine Anhaltspunkte für ein uneigennütziges Aussageverhalten nennen können. Bezeichnenderweise wertete die Strafkammer das Geständnis des Klägers ausschließlich unter dem Aspekt der „nennenswerten Verfahrensabkürzung“ zu seinen Gunsten, von „Reue“ oder „Umkehr“ ist in den Strafzumessungserwägungen des Strafgerichts nicht die Rede.
89 
Dass seinem Aussageverhalten eigennützige Motive - und nicht eine im Strafvollzug gewonnene Erkenntnis über die Gefährlichkeit des Rauschgifts für die Gesundheit des Einzelnen - zugrunde liegen, zeigt sich vor allem auch an der Belastung seiner früheren Freundin ... V. Diese schonte er in den guten Tagen der Beziehung. Erst als das Verhältnis zerbrochen war und sie ihn mit falschen Verdächtigungen konfrontierte, zeigte er sie unmittelbar darauf am 27.02.2008 telefonisch und am 04.03.2008 förmlich wegen eines Kokain-Geschäftes an. Als Grund, warum er „jetzt nach fast vier Jahren mit dieser Geschichte herauskomme“, nannte er in seiner Vernehmung vom 04.03.2008, dass „sie ihm jetzt das Leben mit ihren Lügen schwer mache, er nichts mehr von ihr wissen wolle und er zu seinem eigenen Schutz jetzt die Geschichte erzähle“. Mit Einsicht in das Unrecht seiner früheren Tat hat diese Aussage nichts zu tun. Mit Verfügung vom 13.02.2009 - 221 Js 45897/08 - sah die Staatsanwaltschaft Stuttgart ihm gegenüber nach § 154 StPO von der Erhebung der öffentlichen Klage ab. Das Amtsgericht Stuttgart verurteilte Frau V. am 24.06.2009 rechtkräftig zu einer Jugendstrafe von 18 Monate auf Bewährung.
90 
Auch im Übrigen sind keine greifbaren Anhaltspunkte dafür gegeben, dass sich der Kläger qualifiziert mit seiner schwerwiegenden Kriminalität und den dadurch angerichteten Schäden auseinandersetzt und hieraus Schlüsse für seine weitere Lebensführung abgeleitet hat. Eine solche einem Gesinnungs- und Persönlichkeitswandel regelmäßig vorausgehende „Bilanzierung“ ist im Regelfall ein längerer Prozess, der im Gefängnis auch üblicherweise durch den Psychologischen Dienst begleitet wird. Aus den beigezogenen und vollständigen Gefangenenpersonalakten ergeben sich aber keine Erkenntnisse dafür, dass eine Aufarbeitung des Fehlverhaltens betreffende qualifizierte psychologische Gespräche mit dem Kläger geführt worden wären. Wie dem Senat aus anderen Ausweisungsverfahren bekannt ist, wird die Tatsache, dass solche Gespräche erfolgen, in der Gefangenenpersonalakte festgehalten. Zwar hat der Kläger angegeben, mit dem Psychologen M. in der Justizvollzugsanstalt Gespräche geführt zu haben. Auf Nachfrage des Senats hat dieser in seinem Schreiben vom 30.03.2011 mitgeteilt, mit dem Kläger mehrere Gespräche (Einzelgespräche) geführt zu haben, könne aber mangels Aufzeichnungen nichts mehr über den Inhalt oder die Frequenz sagen. Dies sowie das Fehlen jeglicher Dokumentation über eine Tataufarbeitung in den Gefangenenpersonalakten lässt den Schluss zu, dass es sich hierbei nur um „Alltagsgespräche“ zur Unterstützung des Klägers im Strafvollzug gehandelt haben kann.
91 
Nach der Überzeugung des Senats ist die in der begangenen Rauschgiftkriminalität angelegte erhebliche Wiederholungsgefahr, die vor allem aus dem Ausmaß der Taten und der diesen zugrunde liegenden Motivation herrührt, nicht dadurch relativiert, dass sich der Kläger im Strafvollzug beanstandungsfrei geführt und diesen effizient zur Weiterbildung genutzt hat. Ein solches Verhalten lässt noch nicht auf einen dauerhaften Wandel schließen. Für den Umstand, dass der Kläger in seiner bisherigen kurzen Bewährungszeit nicht negativ aufgefallen ist, gilt entsprechendes. Auch die Lebensumstände des Klägers nach seiner Haftentlassung sind keine grundlegend anderen als diejenigen, die vor seinem Einstieg in die Drogenstraftaten vorlegen haben, wobei die immense Schuldenbelastung sogar ein zusätzlicher negativer Faktor ist. Der Kläger selbst gibt im Zusammenhang mit der Prüfung der Strafrestaussetzung und im Ausweisungsverfahren an, er habe erkannt, dass er sehr viel falsch gemacht habe. Er habe aus Geldgier andere Menschen vergiftet. Er habe sich vor allem durch die Hafterfahrung geändert und verfolge jetzt andere Ziele. Seine Familie sei ihm wichtig, er habe jetzt eine andere Weltanschauung. Diesen verbalen Bekundungen misst der Senat aber kein besonderes Gewicht zu, denn die Angaben des Klägers zeichnen sich in weiten Teilen dadurch aus, dass er für eine positive Veränderung der Lebensumstände und einen nachhaltigen Gesinnungswandel durchaus relevante Tatsachen schönt oder sogar bewusst unwahr angibt und Negatives bagatellisiert. Diese Tendenz hat sich insbesondere bei seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gezeigt. So ist es auffällig, dass der Kläger im August 2010 gegenüber der Gutachterin angegeben hat, zu früheren Freunden keinen Kontakt mehr zu haben und diesen auch nicht mehr haben zu wollen. Im Widerspruch dazu hat er ein früheres Bandenmitglied als „Trauzeugen“ anlässlich des Heiratsvertrags vom 12.02.2011 gewählt und dies in seiner Anhörung damit begründet, es handele sich bei diesem eben um einen vertrauten Freund seit seiner Kindheit, der kein schlechter Mensch sei. Auch bei der im Rahmen des „sozialen Empfangsraums“ relevanten Stabilität einer Beziehung hat der Kläger unzutreffende Angaben gemacht und eine frühere Beziehung, die ein ungünstiges Licht auf ihn werfen könnte, sogar ganz verschwiegen. Bemerkenswert ist ferner, dass er auf Frage nach Art und Umfang des gehandelten Rauschgifts dies von sich aus zunächst nicht zutreffend angegeben hat und auch auf Nachfrage hin in erster Linie auf die Aufzeichnungen des Zeugen KHK K. verwiesen hat. Den Ausgangspunkt seiner Straftaten sieht der Kläger darin, dass „er auf den gehört hat, auf den er nicht hören sollte“, und er „als der ... Y. ihn gefragt habe, ob er ihm helfen könne, da halt so reingerutscht sei“. Was das gegen ihn verhängte Strafmaß aufgrund des ausgehandelten Urteils anbelangt, so hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung von sich aus geäußert, „er könne wirklich nicht sagen, dass er durch seine Angaben eine Strafermäßigung bekommen habe; der Kopf der Bande habe zehn Jahre bekommen, er - angesehen als seine rechte Hand - neun Jahre; da sehe er keine Strafmaßminderung“. Diese beispielhaft aufgeführten Äußerungen deuten nicht nur darauf hin, dass er sich bis heute mit seinem kriminellen Verhalten nicht adäquat auseinandergesetzt hat, sondern zeigen auch, dass seine verbalen Bekundungen keine verlässliche Grundlage für die Annahme eines dauerhaften Wandels sind. Die Gefahr, dass der Kläger zukünftig in Verfolgung eigennütziger Ziele erneut der Versuchung des „schnellen Geldes“ unterliegen kann, besteht daher nach wie vor.
3.)
92 
Hinsichtlich der „Boultif/Üner-Kriterien“, die sich auf das Privat- und Familienleben beziehen, ist zunächst festzustellen, dass sich der Kläger - mit Ausnahme der Zeit von Anfang April 2004 bis 12.08.2005 - seit seiner Geburt im Oktober 1981 bis heute in Deutschland aufhält und damit - den Aufenthalt in den Niederlanden abgezogen - tatsächlich etwa 28 Jahre hier verbracht hat. Nahezu 23 Jahre, nämlich bis April 2004, ist der Aufenthalt rechtmäßig gewesen. Er beherrscht die deutsche Sprache in Wort und Schrift und hat seine gesamte Erziehung und Sozialisation im Bundesgebiet erfahren. Hier leben seine mittlerweile verwitwete Mutter und seine Geschwister sowie deren Familien. Er hat nach dem altersentsprechenden Erwerb des Hauptschulabschlusses eine Berufungsausbildung erfolgreich absolviert und in unmittelbarem Anschluss hieran ein Arbeitsverhältnis in dem erlernten Beruf aufgenommen. Die Verbindung zum Arbeitsmarkt hat er jedoch von sich aus gelöst, indem er im großen Stil in den Drogenhandel eingestiegen ist. Derzeit durchläuft er eine staatlich geförderte berufliche Weiterbildung zum Mediengestalter Digital und Print - Fachrichtung Gestaltung und Technik, die mit einem allgemein anerkannten Abschluss endet wird. Die dem Senat vorliegenden Zeugnisse deuten darauf hin, dass er seine Prüfungen im Sommer diesen Jahres voraussichtlich bestehen wird. Auf die Schulden in Höhe von nach wie vor weit über 800.000 EUR aufgrund des im Strafurteil angeordneten Verfalls des Wertersatzes, leistet der Kläger seit Anfang 2007 kontinuierlich monatliche Zahlungen, die regelmäßig an seine wirtschaftlichen Verhältnisse angepasst werden. Ob die sich aus dem Schreiben der Staatsanwaltschaft Stuttgart - Vermögensabschöpfung - vom 03.02.2011 ergebende Perspektive, möglicherweise nach Ablauf seiner Bewährungszeit die Vollstreckung aus der Verfallsanordnung erlassen zu bekommen, realisiert wird, ist offen.
93 
Die Kontakte zwischen dem Kläger und seinen Brüdern entsprechen dem unter Erwachsenen Üblichen. Der Kläger hat entsprechend der Auflage im Bewährungsbeschluss zunächst nach seiner Haftentlassung bei seiner Mutter gelebt, mittlerweile hält er sich jedoch tatsächlich bei seiner neuen Partnerin auf, die über eine Niederlassungserlaubnis nach § 35 AufenthG verfügt. Allerdings hilft er noch bei der Pflege seiner Mutter, indem er sie zum Arzt fährt oder die Einkäufe organisiert. Hilfe bei der eigentlichen Körperpflege leistet er keine, da er – wie er in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat – dies als Mann nicht gegenüber seiner Mutter erbringen könne. Mit seiner jetzigen Partnerin, die 1981 im Bundesgebiet geboren ist und einen serbischen Reisepass hat, sowie deren vier und acht Jahre alten Kindern aus einer früheren Beziehung lebt er seit November 2010 in familiärer Lebensgemeinschaft. Eine standesamtliche Heirat streben beide an, sobald die hierfür erforderlichen Unterlagen vollständig vorliegen, wobei nach den Angaben des Klägers nur noch Dokumente von Frau D. aus dem Kosovo fehlen. Der Senat geht davon aus, dass der Kläger insbesondere auch zu dem im Juni 2006 geborenen Sohn von Frau D. eine enge Beziehung aufgebaut hat und er - wie sich aus dem vorgelegten Schreiben des Kindergartens vom 12.04.2011 ergibt - einen positiven Einfluss auf diesen hat. Auch der Bewährungshelfer führt in seiner Stellungnahme vom 01.04.2011 aus, nach seiner eigenen Beobachtung fühlten sich die Kinder mit dem Kläger sehr wohl und pflegten einen vertrauten Umgang mit ihm. Aus den Erklärungen des Klägers und seiner Partnerin im Berufungsverfahren ergibt sich, dass ihre familiäre Lebensgemeinschaft fortgeführt und intensiviert werden soll; beide wollen nach einer Fehlgeburt weiterhin ein gemeinsames Kind.
4.)
94 
In dem Land seiner Staatsangehörigkeit hat der Kläger bislang noch keinen Lebensmittelpunkt gehabt. Er kennt die Türkei allerdings aus Besuchs- und Urlaubsreisen. Nach seinen Angaben sei seine früher in Kayseri lebende Großmutter mittlerweile verstorben, zuletzt sei er mit einer damaligen Freundin 2002 in Alanya gewesen. Der Kläger beherrscht alltagstauglich Türkisch in Wort und Schrift. Wie die Protokolle aus der Überwachung der Telekommunikation zeigen, ist innerhalb der Familie Türkisch benutzt worden. Teilweise gilt dies auch für die Abwicklung der Rauschgiftgeschäfte; sowohl unter den Bandenmitgliedern als auch unter den Lieferanten und Abnehmern haben sich türkischstämmige Personen befunden. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat letztlich auch eingeräumt, Türkisch in einer Weise zu sprechen und schreiben, die es ihm ermöglicht, sich dort zurecht zu finden. Aus der Beschreibung seiner Verlobungsfeier anlässlich des Untersuchungstermins bei der Gutachterin ergibt sich ferner, dass er türkische Bräuche und die dadurch vermittelte Tradition als wertvoll erlebt. Dass der Kläger in der Vergangenheit einem Leben in der Türkei nicht ablehnend gegenüber gestanden ist, verdeutlichen auch die Bemühungen seines damaligen Strafverteidigers um eine „Freigabe“ zur Abschiebung noch vor dem Halbstrafenzeitpunkt und auch die entsprechenden eigenen Äußerungen des Klägers, wonach er eine zügige Abschiebung in die Türkei anstrebe. Dies liegt „in einer Linie“ mit der jedenfalls im Mai 2005 auch nach außen verkündeten Absicht, in die Türkei zu gehen.
5.)
95 
Unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls erweist sich die unbefristet verfügte Ausweisung des Klägers auch in Ansehung der Tatsache, dass er die für sein Privat- und Familienleben konstitutiven Bindungen dauerhaft verlieren wird, aufgrund der besonderen Schwere des Ausweisungsanlasses und der nach wie vor von ihm ausgehenden Gefahr sowie der Zumutbarkeit der Verweisung auf ein Leben in der Türkei als verhältnismäßig. Zwar wird der Kläger nicht mehr in den Alltagsablauf seiner pflegebedürftigen Mutter eingebunden sein; eine Übernahme der bisher durch ihn erbrachten Hilfestellungen, bei denen es sich im Übrigen nicht um direkte pflegerische Leistungen handelt, durch andere Personen, insbesondere hier lebende Brüder, ist jedoch möglich. Dass eine Beendigung des Aufenthalts des Klägers im Bundesgebiet nicht nur für ihn, sondern für alle Familienangehörigen und auch für seine jetzige Partnerin und deren Kinder, die gerade erst eine Beziehung zu ihm aufgebaut haben, mit einer Härte verbunden ist, liegt auf der Hand. Allerdings kommt den neuen, ohnehin erst seit wenigen Monaten praktizierten, Bindungen zu Frau D. und deren Kindern ohnehin kein qualifizierter Schutz zu, weil sie in Kenntnis des laufenden Ausweisungsverfahrens eingegangen worden sind. Auch ist der Kläger weder der Vater der Kinder noch hat er mit seiner Partnerin eine nach deutschen Recht anerkannte Ehe geschlossen. Der Kläger wird auch seine beruflichen und sozialen Positionen und Kontakte und all das, was sein Privatleben letztlich ausmacht, durch eine Aufenthaltsbeendigung unwiederbringlich verlieren. Dies ist ihm jedoch aufgrund des öffentlichen Interesses an seiner Ausweisung und der Tatsache, dass ihm ein Einleben in die ihm nicht gänzlich unbekannten Verhältnisse in der Türkei möglich ist, zuzumuten - zumal er schon seit seiner Überstellung aus den Niederlanden im August 2005 nicht mehr über einen legalen Aufenthalt im Bundesgebiet verfügt und er im Übrigen damals von sich aus durch seine Flucht seine Bindungen an das Bundesgebiet gelöst hat.
96 
Der Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit gebietet es ebenfalls nicht, schon zum Zeitpunkt der Ausweisung deren Wirkungen zu befristen. Aufgrund des Ausmaßes der vom Kläger ausgehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung und ihrer derzeit nicht sicher zu prognostizierenden zukünftigen Entwicklung muss eine Befristung einem späteren Zeitpunkt vorbehalten bleiben. Das insoweit eher gering anzusiedelnde Gewicht der Interessen des Ausländers und seiner Angehörigen erfordert keine andere Entscheidung.
97 
Ob aufgrund der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. EU L 348/2008, S. 98 ff.), die nach Ablauf der Umsetzungsfrist am 24. Dezember 2010 inzwischen unmittelbar anwendbar ist, jedenfalls mit Blick auf die Tatsache, dass sich der Kläger schon seit August 2005 nicht mehr rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und die Legalität des Aufenthalts daher nicht unmittelbar durch die Ausweisung beendet wird, die Wirkungen des Einreiseverbots schon jetzt und von Amts wegen zu befristen wären, kann dahin gestellt bleiben. Denn eine „Rückkehrentscheidung“ im Sinne des Art. 6 und Art. 3 Nr. 4 der Richtlinie, die im Falle des gesetzlichen Erlöschens des Aufenthaltsrechts funktionell in der Abschiebungsandrohung liegt, ist nicht Gegenstand der Entscheidung im Berufungsverfahren.
IV.)
98 
Unabhängig hiervon erweist sich eine Ausweisung des Klägers nach § 53 AufenthG aus dem dieser Bestimmung selbstständig neben der Spezialprävention zugrunde liegenden Zweck der Generalprävention selbst mit Blick darauf, dass es sich beim ihm um einen hier geborenen und aufgewachsenen Ausländer der zweiten Generation handelt, als verhältnismäßig (Art. 8 EMRK sowie Art. 2 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 GG).
99 
Der Gesetzgeber hat in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Ist-Ausweisung nach § 47 Abs. 1 AuslG 1990, wonach diese auch zu einem generalpräventiven Einschreiten ermächtigt (BVerwG, Beschluss vom 30.12.1993 - 1 B 185.93 - juris Rn. 4 f. unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung zu §§ 45 ff. AuslG 1990 ), die Vorschrift inhaltlich in das Aufenthaltsgesetz übernommen und damit im Rahmen der ihm zustehenden Einschätzungs- und Wertungsprärogative zur Notwendigkeit und Wirksamkeit der Generalprävention § 53 AufenthG auch diesen Ausweisungszweck stillschweigend zugrunde gelegt (vgl. GK-AufenthG § 53 Rn. 22 f., Vor §§ 53 ff. Rn. 1300.2). Zwar hat der Senat mit Urteil vom 18.03.2011 (11 S 2/11 - juris) entschieden, dass seit Inkrafttreten des EU-Reformvertrags von Lissabon am 01.12.2009 eine Ausweisung bei in Deutschland nachhaltig „verwurzelten“ Ausländern in der Regel nicht mehr tragend generalpräventiv begründet werden kann. Er hat jedoch in den Urteilsgründen auch ausgeführt, dies könne allerdings ausnahmsweise dann zulässig sein, wenn eine ganz besonders schwerwiegende Straftat verwirklicht worden ist, die in erheblichem Maße die Interessen des Staates oder der Gesellschaft gefährdet. Gemessen hieran steht Art. 8 EMRK in Ansehung der Bindungen des Klägers im Bundesgebiet einer generalpräventiv motivierten Ausweisung nicht entgegen, weil die von ihm verwirklichte schwerwiegende bandenmäßige Betäubungsmittelkriminalität in einem erheblichen Maße die Interessen des Staates bzw. der Gesellschaft gefährdet und im konkreten Fall das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung zur Bekämpfung des illegalen Drogenhandels sein Privatinteresse an einem weiteren Verbleib überwiegt.
1.)
100 
Der der zwingenden Ausweisung nach § 53 AufenthG innewohnende Zweck, andere Ausländer von der Begehung vergleichbarer Straftaten abzuhalten, ist im vorliegenden Fall entgegen der Auffassung des Klägers nicht in einer die Verhältnismäßigkeit berührenden Weise schon dadurch entwertet oder gemindert, dass die Ausweisung bis heute nicht vollzogen ist, andere Bandenmitglieder nicht ausgewiesen worden sind bzw. eine generalpräventive Ausweisung im Kampf gegen die Betäubungsmittelkriminalität ein Fremdkörper in dem durch die strafrechtliche Anerkennung von Aufklärungshilfen geprägten System wäre.
101 
Unter dem zeitlichen Gesichtspunkt kommt es nur darauf an, dass die Ausländerbehörde im Rahmen der Erfordernisse des Verwaltungsverfahrens die Ausweisung zeitnah verfügt. (vgl. hierzu auch VGH Bad.-Württ. Urteil vom 26.07.2001 - 13 S 2401/99 - juris Rn. 29). Das Regierungspräsidium leitete bereits am 25.08.2005 das Ausweisungsverfahren ein, gab dem Prozessbevollmächtigten des Klägers nach Erhalt des Strafurteils am 02.03.2006 Gelegenheit zur Stellungnahme und erließ am 04.10.2006 und damit ohne zeitliche Verzögerung die Ausweisungsverfügung. Dass diese bis heute nicht vollzogen ist und die Generalprävention erst aufgrund der Erkenntnis, dass der Kläger seine Rechte aus dem ARB 1/80 verloren hat, „ins Spiel kommt“, ist Konsequenz des Rechtsschutzsystems und steht als solches der Eignung der generalpräventiven Wirkung nicht entgegen. Die Verhältnismäßigkeit wird im konkreten Fall auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass der „Bandenchef“ Hadi Y., der es im Gegensatz zum Kläger nicht abgelehnt hat, in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen zu werden, und auch die Brüder des Klägers N. und M., die Rechtsstellungen nach dem ARB 1/80 besitzen, nach wie vor in Deutschland leben. Die gegen die Brüder ergangenen Ausweisungsverfügungen des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 28.04.2005 bzw. 03.05.2005 sind vom Verwaltungsgericht Stuttgart mit Urteilen vom 22.02.2006 - 16 K 1744/05 - und vom 05.07.2006 - 16 K 1821/05 - wegen eines formellen Fehlers rechtskräftig aufgehoben worden. Die Fälle sind schon aufgrund der unterschiedlichen Sachverhalte und der jeweils einschlägigen Rechtsgrundlagen nicht mit der hier vorliegenden Konstellation vergleichbar. Was schließlich den Einwand der fehlenden „Systemkonformität“ von Ausweisung und Aufklärungshilfe nach § 31 BtMG anbelangt, so kommt dem schon deshalb keine Bedeutung zu, weil sich der Gesetzgeber in Kenntnis des im Prinzip seit 1982 geltenden § 31 BtMG (Weber, BtMG, a.a.O., § 31 Rn. 4) zu einer Verschärfung des Ausweisungsrechts gerade im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität entschlossen hat. Das Verbrechensbekämpfungsgesetz vom 28.10.1994 schuf in § 47 Abs. 1 Nr. 3 AuslG eine zwingende Ausweisung wegen einer vorsätzlichen Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz, um dem aus dem Interesse an konsequenter Bekämpfung der Drogenkriminalität hergeleiteten Grundsatz Rechnung zu tragen, dass ausländische Drogentäter ihr Aufenthaltsrecht verwirken und aus dem Bundesgebiet ausgewiesen werden (so die Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drs. 12/6853, S. 30). Der Gesetzgeber hat die Konsequenzen und die Anerkennung geleisteter Aufklärungshilfe nach Maßgabe des § 31 BtMG - wie in der Systematik angelegt - grundsätzlich auf das Strafrecht beschränkt.
2.)
102 
Auch Art. 8 EMRK hindert im vorliegenden Fall nicht daran, den Kläger aus generalpräventiven Gründen auszuweisen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte steht der Generalprävention als Ausweisungszweck zwar grundsätzlich kritisch gegenüber (Senatsurteil vom 18.03.2011 - 11 S 2/11 - juris Rn. 28), hat deren Zulässigkeit aber bisher nicht ausdrücklich verneint, sondern dies vielmehr als einen Aspekt der Einzelfallprüfung behandelt (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 06.12.2007 - Nr. 69735/01 - InfAuslR 2008, 111 und vom 28.06.2007 - Nr. 31753/02 - InfAuslR 2007, 325; näher Hoppe, Neuere Tendenzen in der Rechtsprechung zur Aufenthaltsbeendigung - gibt es eine gemeinsame Linie in den Entscheidungen von EGMR, EuGH und BVerfG?, ZAR 2008, 251, 253 m.w.N.). Der Gerichtshof betont in seiner Rechtsprechung die verheerenden Folgen von Drogen auf das Leben der Menschen und „hat Verständnis dafür, dass die Behörden mit großer Bestimmtheit gegen jene vorgehen, die aktiv zur Verbreitung dieser Plage beitragen“ (EGMR, Urteil vom 12.01.2010 - Nr. 47486/06 - ). Speziell was den bandenmäßigen Handel mit Betäubungsmittel anbelangt, hat der EuGH in dem zur Unionsbürgerrichtlinie ergangenen Urteil vom 23.11.2010 (C-145/09 - Rn. 46 ff.) darauf verwiesen, dass dieser eine diffuse Kriminalität darstelle, die mit beeindruckenden wirtschaftlichen und operativen Mitteln ausgestattet sei und sehr häufig über internationale Verbindungen verfüge. Angesichts seiner verheerenden Folgen sei mit dem illegalen Drogenhandel eine Bedrohung der Gesundheit, Sicherheit und Lebensqualität der Unionsbürger sowie der legalen Wirtschaftstätigkeit, der Stabilität und der Sicherheit der Mitgliedstaaten verbunden.
103 
Aufgrund der oben im Einzelnen dargelegten Intensität und des Umfangs des bandenmäßigen Drogenhandels, der im konkreten Fall auch mit den typischen Gefahren der Rauschgiftkriminalität tatsächlich verbunden gewesen ist, erweist sich die generalpräventive Ausweisung des Klägers, der in diesem illegalen „Geflecht“ eine führende Stellung eingenommen hat, unter Berücksichtigung seiner persönlichen Belange und dem Interesse an einer weiteren Lebensführung im Bundesgebiet (vgl. insoweit oben unter III.) als verhältnismäßig.
V.)
104 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 2 Satz 1, 155 Abs. 1 Satz 3 154 Abs. 2 VwGO.
105 
Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
106 
Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, ist das Urteil unanfechtbar.
107 
Beschluss vom 15. April 2011
108 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gem. § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
109 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
29 
Es bestand für den Senat keine Veranlassung, dem unter Hinweis auf eine seit drei Tagen bekannte Schwangerschaft der Lebensgefährtin des Klägers mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 28.04.2011 gestellten Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung zu entsprechen. Dem steht schon entgegen, dass der unterschriebene Urteilstenor zum Zwecke der Bekanntgabe an die Beteiligten auf Nachfrage seit dem 15.04.2011 auf der Geschäftsstelle niedergelegt ist und zum Zeitpunkt des Eingangs des Schriftsatzes am 29.04.2011 damit die Entscheidung vom Senat nicht mehr geändert werden konnte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27.04.2005 - 5 B 107.04 - juris Rn. 7 und vom 24.06.1971 - I CB 4.69 - juris Rn. 52; Bader/Funke-Kaiser/ Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 5. Aufl. 2011, § 116 Rn. 10). Abgesehen davon wäre eine Wiedereröffnung auch in der Sache nicht erforderlich gewesen, denn dass der Kläger mit seiner jetzigen Lebensgefährtin in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und beide ein gemeinsames Kind haben wollen, war bereits Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 15.04.2011, insbesondere auch der Angaben des Klägers während seiner Anhörung vor dem Senat.
30 
Soweit die Beteiligten hinsichtlich der Abschiebungsandrohung den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 12.03.2008 - 8 K 3985/06 - ist damit insoweit unwirksam, als die Klage gegen Ziffer 2 der Ausweisungsverfügung abgewiesen worden ist (§ 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO entsprechend).
31 
Im Übrigen bleibt die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige, insbesondere fristgerecht und formell ordnungsgemäß begründete (§ 124a Abs. 3 VwGO) Berufung des Klägers ohne Erfolg. Die Ausweisung ist nach der maßgebenden Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (vgl. BVerwG, Urteil vom 03.12.2008 - 1 C 35.07 - NVwZ 2009, 326 und vom 15.11.2007 - 1 C 45.06 - AuAS 2008, 40) rechtmäßig und verletzt schon deshalb den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Kläger besitzt nicht mehr die Rechtsstellungen nach Art. 7 Satz 1 zweiter Spiegelstrich und Art. 7 Satz 2 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG - Türkei über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80); auch aus Art. 6 ARB 1/80 stehen ihm keine Rechte zu (I.). Nach nationalem Recht beruht die verfügte Ausweisung auf § 53 AufenthG; der Kläger genießt im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt keinen besonderen Ausweisungsschutz (II.). Seine Ausweisung als eines hier geborenen und aufgewachsenen Ausländers der 2. Generation ist wegen der von ihm nach wie vor ausgehenden Wiederholungsgefahr auch im Hinblick auf sein im Bundesgebiet geführtes Privat- und Familienleben nach Art. 8 EMRK und Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG verhältnismäßig (III.). Im Übrigen stehen einer Ausweisung aus generalpräventiven Gründen aufgrund der von ihm begangenen schwerwiegenden bandenmäßigen Betäubungsmittelkriminalität, die in erheblichem Maße die Interessen des Staates und der Gesellschaft gefährdet, Art. 8 EMRK sowie Art. 2 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 GG nicht entgegen (IV.).
I.)
32 
Das assoziationsrechtlich begründete Aufenthaltsrecht des Klägers ist erloschen, weil er seinen Aufnahmemitgliedstaat für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlassen hat, indem er Anfang April 2004 aus Deutschland geflohen ist, um sich auf Dauer seiner Strafverfolgung im Bundesgebiet zu entziehen.
1.)
33 
Der aufenthaltsrechtliche Status des Klägers beruhte bis April 2004 auf Art. 7 ARB 1/80. Sein Vater hatte ausweislich einer Arbeitsbescheinigung vom 29.09.1997 seit 1974 als Verzinkereihelfer bei S. ... Feuerverzinken GmbH gearbeitet. Der Kläger wurde als Sohn eines in der Vergangenheit dem regulären deutschen Arbeitsmarkt angehörenden türkischen Arbeitnehmers im Bundesgebiet geboren und lebte in der Folgezeit mehr als fünf Jahre ununterbrochen ordnungsgemäß mit seinen Eltern in familiärer Lebensgemeinschaft (vgl. zur Notwendigkeit des tatsächlichen Zusammenlebens während dieser Zeit EuGH, Urteil vom 17.04.1997 - C-351/97 - Rn. 35 ff. und vom 22.06.2000 - C-65/98 - Rn. 28 ff.), was zum Erwerb einer Rechtsstellung nach Art. 7 Satz 1 zweiter Spiegelstrich ARB 1/80 führte. Dass ihm selbst nach Aktenlage erst am 02.10.1997 ein Aufenthaltstitel in Gestalt einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis erteilt worden war, spielt insoweit keine Rolle. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 07.07.2005 - C-373/03 - Rn. 22) gelangen die Rechte aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80, auch ohne dass zuvor eine Genehmigung zum Zwecke der Familienzusammenführung erteilt worden ist, dann zur Entstehung, wenn der türkische Familienangehörige im Aufnahmemitgliedstaat geboren ist und stets dort gelebt hat. Aufgrund der nach dem Hauptschulabschluss erfolgreich am 18.07.2001 abgeschlossenen Lehre als Verpackungsmitteltechniker besaß der Kläger auch eine Rechtstellung nach Art. 7 Satz 2 ARB 1/80. Der Erwerb dieser Rechte ist allerdings nicht mit Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Gemeinschaft (heute: Europäische Union) verbunden; ein türkischer Staatsangehörige besitzt nur im Aufnahmemitgliedstaat bestimmte Rechte (EuGH, Urteil 21.01.2010 - C-462/08 - Rn. 37 und vom 18.07.2007 - C-325/05 - Rn. 66).
2.)
34 
Der Kläger hat die Rechte aus Art. 7 Satz 1 zweiter Spiegelstrich und Art. 7 Satz 2 ARB 1/80, die ein Aufenthaltsrecht implizieren (EuGH, Urteil vom 07.07.2005 -C-373/03 - Rn. 25, vom 11.11.2004 - C-467/02 - Rn. 31 und vom 16.03.2000 - C-329/97 - Rn. 40; BVerwG, Urteil vom 06.10.2005 - 1 C 5.04 - juris Rn. 11), durch seine Flucht aus dem Bundesgebiet vor der ihm hier drohenden Strafverfolgung verloren.
35 
Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 dient dem Zweck, günstige Voraussetzungen für die Familienzusammenführung im Aufnahmemitgliedstaat zu schaffen. Die Vorschrift will die Beschäftigung und den Aufenthalt des türkischen Arbeitnehmers, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehört, dadurch fördern, dass ihm in diesem Staat die Aufrechterhaltung familiärer Bande ermöglicht wird. Zur Förderung der dauerhaften Eingliederung der Familie des türkischen Arbeitnehmers gewährt die Vorschrift seinen Familienangehörigen nicht nur ein Aufenthaltsrecht, sondern nach einer bestimmten Zeit das Recht, im Aufnahmemitgliedstaat eine Beschäftigung auszuüben. Die fortschreitende persönliche Integration des türkischen Arbeitnehmers und seiner Familienangehörigen im Aufnahmemitgliedstat sollen erleichtert und gefördert werden (EuGH, Urteil vom 07.07.2005 - C-373/03 - Rn. 22 ff. und vom 17.04.1997 - C-351/95 - Rn. 34; Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl. 2011, § 4 AufenthG Rn. 162; GK-AufenthG, Art. 7 ARB 1/80 Rn. 33).
36 
Die Regelung in Art. 7 Satz 2 ARB 1/80 stellt gegenüber Satz 1 eine Privilegierung dar, die unter den Familienangehörigen der türkischen Arbeitnehmer die Kinder besonders behandeln will, indem sie ihnen den Eintritt in den Arbeitsmarkt nach Abschluss einer Berufsausbildung zu erleichtern sucht, damit die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gemäß dem Zweck dieses Beschlusses schrittweise verwirklicht wird (EuGH, Urteil vom 21.01.2010 - C-462/08 - Rn. 25 ff. und vom 16.02.2006 - C-502/04 - Rn. 23). Die unterschiedliche Ausgestaltung der Rechte aus Art. 7 Satz 1 und Satz 2 ARB 1/80 ist Ausdruck der fortgeschrittenen Integration der Kinder türkischer Arbeitnehmer. Das assoziationsrechtliche Aufenthaltsrecht aus Art. 7 Satz 2 ARB 1/80 hängt lediglich von der Voraussetzung ab, dass das Kind des betreffenden türkischen Arbeitnehmers während seines rechtmäßigen Aufenthalts eine Berufsausbildung abgeschlossen hat und ein Elternteil in diesem Staat seit mindestens drei Jahren ordnungsgemäß beschäftigt war (vgl. Renner, a.a.O. § 4 AufenthG Rn. 171 ff. und GK-AufenthG, Art. 7 ARB 1/80 Rn. 111 jew. m.w.N.).
37 
Nach der Rechtsprechung des EuGH gelten allerdings unabhängig davon, ob der konkrete Ausgangssachverhalt unter den ersten oder den zweiten Satz des Art. 7 ARB 1/80 fällt, für den Verlust der erworbenen Rechte dieselben Voraussetzungen (Urteil vom 18.07.2007 - C-325/05 - Rn. 45 und vom 16.02.2006 - C-502/04 - Rn. 24 f.). Sowohl die Rechtsposition nach Art. 7 Satz 2 ARB 1/80 als auch diejenige nach Art. 7 Satz 1 zweiter Spiegelstrich - und damit das Aufenthaltsrecht - erlöschen, wenn der türkische Staatsangehörige den Aufnahmemitgliedstaat für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlassen hat (st. Rspr. des EuGH; vgl. etwa Urteil vom 22.12.2010 - C-303/08 - Rn. 42, vom 04.02.2010 - C-14/09 - Rn. 42, vom 18.12.2008 - C-337/07 - Rn. 62, vom 25.09.2008 - C-453/07 - Rn. 30 f., vom 18.07.2007 - C-325/05 - Rn. 45, vom 16.02.2006 - C-502/04 - Rn. 25, vom 07.07.2005 -C-373/03 - Rn. 27, vom 11.11.2004 - C-467/02 - Rn.36 und vom 17.04.1997 - C-351/95 - Rn. 48). Unter welchen Voraussetzungen von einem Verlassen des Aufnahmemitgliedstaats für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe auszugehen ist, obliegt in erster Linie der Feststellung der nationalen Gerichte (vgl. auch EuGH, Urteil vom 18.07.2007 - C-325/05 - Rn. 43) und bestimmt sich anhand von Sinn und Zweck des Art. 7 ARB 1/80 (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.04.2009 - 1 C 6.08 - BVerwGE 134, 27 ff. Rn. 27; BayVGH, Beschluss vom 15.10.2009 - 19 CS 09.2194 - juris Rn. 4; NdsOVG, Beschluss vom 11.01.2008 - 11 ME 418/07 - juris Rn. 5 f.; VG Ansbach, Urteil vom 25.02.2010 - AN 5 K 09.01143 -juris Rn. 25 f.; Renner, a.a.O., § 4 Rn. 162; Kurzidem, Das assoziationsrechtliche Aufenthaltsrecht türkischer Staatsangehöriger im Spiegel der neueren Rechtsprechung, ZAR 2010, 121, 124 f.). Der Umstand, dass der Verlustgrund auf beide Sätze des Art. 7 ARB 1/80 Anwendung findet, schließt es indessen nicht aus, dass es, je nachdem wie verfestigt die Lebensverhältnisse des Ausländers im Bundesgebiet sind, im Einzelfall geboten sein kann, bei dessen Prüfung die innerhalb des Art. 7 ARB 1/80 erreichte „Stufe“ mit in den Blick zu nehmen. Wer als - insbesondere hier geborenes und aufgewachsenes - Kind eines Migranten den „Integrationsgrad“ des Satzes 2 erreicht hat, läuft bei gleich langem Auslandsaufenthalt weniger Gefahr, den Integrationszusammenhang mit dem Aufnahmemitgliedstaat zu verlieren als derjenige, der sich - z.B. als nachgezogener Ehepartner - nach dreijährigem ordnungsgemäßen Aufenthalt gerade erst auf Art. 7 Satz 1 erster Spiegelstrich ARB 1/80 berufen kann. Allerdings ist das Merkmal des „nicht unerheblichen Zeitraums“ nicht allein nach der tatsächlich außerhalb des Aufnahmemitgliedstaats verbrachten Zeit zu würdigen, sondern im Zusammenhang mit den Gründen und Absichten für die Abwesenheit vom Aufnahmemitgliedstaat, denn der Verlustgrund knüpft daran an, dass der rechtliche Besitzstand, den der türkische Staatsangehörige nach Art. 7 Satz 1 oder 2 ARB 1/80 erworben hat, deshalb verloren geht, weil er diesen freiwillig verlassen (vgl. auch EuGH, Urteil vom 16.03.2000 - C-329/97 - Rn. 51) und „die Bande, die ihn mit diesem Mitgliedstaat verbunden haben, selbst gelöst hat“ (so die Formulierung in den Schlussanträgen des Generalanwalts vom 11.01.2007 - C-325/05 - Rn. 33).
38 
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat der Kläger sein Aufenthaltsrecht aus Art. 7 Satz 2 ARB 1/80 und Art. 7 Satz 1 zweiter Spiegelstrich ARB 1/80 mit seiner Flucht in die Niederlande Anfang April 2004 verloren. Nach der Verhaftung von Mitgliedern der Bande am 07.04.2004, von der der Kläger noch am gleichen Tag erfuhr, und einem anschließenden dreitägigen Aufenthalt in Hotels in ... flüchtete er in die Niederlande, um sich auf unabsehbare Zeit außerhalb Deutschlands aufzuhalten und sich so seiner Festnahme zu entziehen. Dies ergibt sich sowohl aus seiner Aussage während seinen polizeilichen Vernehmungen als Beschuldigter (unter anderem am 17.11.2005) als auch aus seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat. Es sei ihm darum gegangen wegzukommen. Er habe damals Angst vor dem Gefängnis gehabt und sich auf keinen Fall stellen wollen. Für die ihm seinerzeit vorgeworfenen Straftaten beträgt die Verfolgungsverjährung nach § 78 Abs. 3 Nr. 2 StGB zwanzig Jahre, da die Taten nach §§ 29a Abs. 1 und 30a Abs. 1 BtMG i.V.m. § 38 Abs. 2 StGB im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als zehn Jahren bedroht sind. Auch wenn ihm dies möglicherweise nicht so dezidiert bekannt gewesen sein dürfte, war ihm aber aufgrund einer Parallelwertung in der Laiensphäre durchaus bewusst, für einen langen Zeitraum damit rechnen zu müssen, für die von ihm verübten gravierenden Straftaten belangt zu werden und bei einer Verurteilung eine langjährigen Gefängnisstrafe zu erhalten. Der späteren Anklage ist ein (auch bandenmäßiges) Handeltreiben mit Marihuana in einer Gesamtgrößenordnung von etwa 230 kg und von Kokain mit 0,5 kg zugrunde gelegt worden. Tatsächlich waren jedoch - was der Staatsanwaltschaft bei der Anklageerhebung so nicht bekannt gewesen ist - unter Beteiligung des Klägers bis zu seiner Flucht mehr als 1,5 t Marihuana und mehrere Kilogramm Kokain und Ecstasy-Tabletten umgesetzt worden. Unter diesem Eindruck traf er von sich aus die Entscheidung, seinen Wohnsitz im Bundesgebiet aufzugeben und sich für unabsehbare Zeit im Ausland aufzuhalten, um hier nicht strafrechtlich belangt zu werden. Dass der ihm persönlich bekannte Lieferant von Betäubungsmitteln ... E. sich in den Entscheidungsprozess des Klägers „eingeschalten“ und ihm gesagt habe, „er solle zusehen, dass er nach Amsterdam komme“ - so die Angaben des Klägers in seiner polizeilichen Vernehmung vom 17.11.2005 - stellt die Verantwortung des Klägers für seine Entscheidung, in das Ausland zu fliehen, nicht in Frage. Insbesondere sind auch keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass auf ihn - etwa durch seine Lieferanten - in einer Weise Zwang ausgeübt worden wäre, die seine freie Willensbetätigung beeinträchtigt hätte.
39 
Der Kläger hat auch durch sein Verhalten in den Niederlanden während der 14 Monate bis zu seiner dortigen Verhaftung unter Beweis gestellt, dass er Deutschland mit seiner Flucht Anfang April 2004 nicht nur vorübergehend verlassen, sondern für sich unter dem Eindruck der hier drohenden Strafverfolgung langfristig und zeitlich völlig unbestimmt ein Leben außerhalb des Bundesgebiets vorgesehen hat. Die Beschaffung eines fremden türkischen Reisepasses unter Nutzung von Verbindungen zur Stuttgarter Rauschgiftszene, vor allem aber die Fortsetzung seiner Betäubungsmittelkriminalität dort verdeutlichen, dass er sich nicht nur vorübergehend auf ein Leben in einem anderen Land eingestellt hatte.
40 
Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausgeführt hat, es sei ihm darum gegangen, mit dem Pass von einem der E.-Zwillinge in den Niederlanden durch Kontrollen zu kommen, weil er als gesuchte Person ja schlecht seinen eigenen Pass, den er in die Niederlande mitgenommen gehabt habe, habe vorlegen können, mag dies auch ein Motiv gewesen sein. Wie im polizeilichen Ermittlungsbericht vom 04.08.2005 im Einzelnen dargelegt ist, diente die Beschaffung des fremden Passes, der dem Kläger direkt nach Holland gebracht wurde und für den E. einen Abzug von 5.000 EUR auf seine Schulden aus Rauschgiftgeschäften erhielt (so die Angaben des Klägers in seiner Vernehmung vom 09.03.2006), aber vor allem dazu, sich mit diesem in die Türkei absetzen. Dies hat der Kläger in seiner polizeilichen Vernehmung vom 17.11.2005 ausdrücklich eingeräumt. Dass er von den Niederlanden aus in die Türkei gehen wollte, wird vor allem durch Protokolle aus der Überwachung der Telekommunikation belegt. In einem am 28.05.2005 zwischen dem Kläger und seinem Vater in türkischer Sprache geführten Telefonat äußerte sich der Kläger auf die Frage seines Vaters, ob er in die Türkei gehen werde: „Ja Vater, sprich nicht am Telefon, ich habe doch gesagt, wir werden uns sehen“. Ob die Absicht des Klägers, in die Türkei zu gehen, auf dem Vorschlag von ... T. beruhte, der die Bande Y. ebenfalls mit Rauschgift beliefert hatte und bei dem sich der Kläger zuletzt in den Niederlanden aufhielt (so seine Angaben in der polizeilichen Vernehmung vom 17.11.2005), oder ob die Initiative hierfür von seinem Vater ausging (so seine Einlassung in der Berufungsverhandlung), ist insoweit ohne Bedeutung. Vor allem aber organisierte der Kläger in den Niederlanden in zehn Fällen Marihuanalieferungen an die Zwillingsbrüder E., wobei in sechs Fällen 10 kg und in vier Fällen 10 - 15 kg nach Deutschland gebracht und von diesen an die ehemaligen Abnehmer der Bande Y. verteilt wurden. Dies ergibt sich aus dem Vermerk des die damaligen Ermittlungen des Gesamtkomplexes leitenden Polizeibeamten KHK K. vom 12.07.2006 im Ermittlungsverfahren 221 Js 26457/06, der auf den entsprechenden Angaben des Klägers beruht. Wie der Kläger später selbst einräumte, hätte das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln kein Ende genommen, wäre er nicht in Haft gekommen (so seine von Dr. X. in ihrem Gutachten vom 07.09.2010 festgehaltene Äußerung).
41 
Für die Frage des Verlustes des Aufenthaltsrechts spielt es keine Rolle, dass der Kläger nach seinen Angaben im Berufungsverfahren während der Zeit in den Niederlanden seine Familie in Köln getroffen haben will sowie ab und zu nach Heinsberg gefahren sei. Es spricht schon einiges dafür, dass dieser Vortrag nicht den Tatsachen entspricht. Der Kläger hat in seinen polizeilichen Vernehmungen, in denen er sehr ausführlich Angaben über seine Zeit in den Niederlanden gemacht hat, solche Treffen nicht erwähnt. Ausweislich des polizeilichen Vermerks vom 12.11.2004 und des Ermittlungsberichts vom 04.08.2005 äußerten sich die Eltern und die Brüder ... und ... in mehreren Befragungen dahingehend, es bestünde keinerlei Kontakt zu dem Kläger und ihnen sei unbekannt, wo er sich aufhalte, der letzte Kontakt sei Ostern 2004 gewesen. Auch ist wenig plausibel, weshalb der Kläger - bei fortgesetzten Drogengeschäften in den Niederlanden - das Risiko einer Entdeckung in Deutschland hätte eingehen sollen. Für die Einschätzung, dass es sich um ein taktisches Vorbringen im Rahmen des Ausweisungsverfahrens handelt, spricht auch der Umstand, dass angebliche Treffen in Köln erstmals mit Schriftsatz vom 26.01.2011 vorgetragen worden sind, nachdem zuvor auf die Möglichkeit des Erlöschens des assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts hingewiesen worden war. Die Einlassung, er sei auch mit ... T. nach Heinsberg gefahren, ist sogar erstmals in der Berufungsverhandlung erfolgt. Ob der Vortrag des Klägers zutrifft, kann jedoch dahingestellt bleiben. Mit seiner Flucht in die Niederlande im April 2004 in dem Willen, auf unbestimmte Zeit Deutschland „den Rücken zuzukehren“, hat er die mit dem Aufnahmemitgliedstaat geknüpfte Integrationsverbindung freiwillig durchtrennt und damit sein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht verloren; dieses lebt auch dann nicht wieder auf, wenn er -aus welchen Motiven auch immer -danach (immer wieder) zu Kurzaufenthalten in das Bundesgebiet eingereist ist.
42 
Die Beurteilung, dass das Verhalten des Klägers zum Verlust seiner Rechte aus Art. 7 ARB/80 geführt hat, steht auch mit dem allgemeinen Zweck der Assoziation und vor allem des ARB 1/80 in Einklang. Der Beschluss vom 19.09.1980 über die Entwicklung der Assoziation verfolgt auch das Ziel, die Rechtstellung türkischer Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen im sozialen Bereich zu verbessern (vgl. die dritte Begründungserwägung), indem ihr arbeits- und aufenthaltsrechtlicher Status gegenüber früheren Regelungen verbessert wird. Dies spricht dafür, für das Verlassen des Mitgliedstaats dann „berechtigte Gründe“ anzunehmen, wenn diese Ausdruck allgemein üblicher, sozialtypischer Verhaltensweisen sind, wie etwa Urlaub und Verwandtenbesuch (so zu diesen beiden Beispielen EuGH, Urteil vom 17.04.1997 - C-351/95 - Rn. 48), oder durch staatsangehörigkeitsbezogene Rechte oder Pflichten bedingt sind, etwa die Ableistung von Wehrdienst (Senatsbeschluss vom 31.07.2007 - 11 S 723/07 - juris Rn. 3 f.; BayVGH, Beschluss vom 15.10.2009 - 19 CS 09.2194 - juris Rn. 5 ff.). Vor dem Hintergrund dieser Intention des ARB 1/80 besteht aber keine Veranlassung, einmal erworbene Rechte auch dann unangetastet zu lassen, wenn das Verlassen des Aufnahmemitgliedstaates in der Absicht erfolgt, dessen Strafverfolgungsanspruch zu durchkreuzen; denn ein solches Verhalten ist weder schutzbedürftig noch schutzwürdig.
43 
Diesem Ergebnis steht schließlich Art. 16 Abs. 4 der Richtlinie 2004/38/EG (ABl. L 158 vom 30.04.2004) nicht entgegen. Nach dieser Regelung der Unionsbürgerrichtlinie führt nur die Abwesenheit vom Aufnahmemitgliedstaat, die zwei aufeinander folgende Jahre überschreitet, zum Verlust des erworbenen Daueraufenthaltsrechts, ohne dass es nach dem Wortlaut auf die Art der Gründe ankommt. Es kann dahin gestellt bleiben, ob diese Bestimmung direkt - oder jedenfalls als Orientierungsrahmen (so BVerwG, Urteil vom 30.04.2009 - 1 C 6.08 - BVerwGE 134, 27 - Rn. 27; OVG Berlin, Urteil vom 11.05.2010 - OVG 12 B 26.09 - juris Rn. 37 f.; BayVGH, Beschluss vom 15.10.2009 - 19 CS 09.2194 - juris Rn. 9 ff.) - auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige überhaupt Anwendung findet (die Übertragung der Unionsbürgerrichtlinie auf assoziationsrechtliche türkische Staatsangehörige generell ablehnend Schlussanträge des Generalanwalts vom 14.04.2011 - C-371/08 - Rn. 42 ff.) und welche inhaltliche Bedeutung ihr beizumessen wäre (vgl. zu dem letzten Aspekt auch EuGH, Urteil vom 23.11.2010 - C-145/09 - Rn. 30 ff.). Die Unionsbürgerrichtlinie vom 29.04.2004 ist am Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft getreten (Art. 41) und bis zum 30.04.2006 umzusetzen gewesen (Art. 40). Der Kläger hat jedoch seine Rechtsstellung nach Art. 7 ARB 1/80 bereits vor dem Inkrafttreten dieser Richtlinie dadurch verloren, indem er Anfang April 2004 in die Niederlande geflohen ist. Die Anwendung von Art. 16 Abs. 4 der Unionsbürgerrichtlinie würde damit im vorliegenden Fall ins Leere gehen, weil ein Aufenthaltsrecht, an das die Regelung anknüpfen könnte, schon erloschen gewesen ist.
3.)
44 
Die Rechtsstellung aus Art. 6 Satz 1 dritter Spiegelstrich ARB 1/80, die der Kläger aufgrund seiner dreijährigen Ausbildung und der unmittelbar daran anschließenden etwa zweijährigen Beschäftigung innehatte, und die neben der Rechtsposition aus Art. 7 ARB 1/80 bestand (zum Nebeneinander von Art. 6 und 7 ARB 1/80 EuGH, Urteil vom 05.10.1994 - C-355/93 - Rn. 16 ff.; GK-AufenthG, Art. 7 ARB 1/80 Rn. 129 f.), ist ebenfalls erloschen. Der Kläger bezog nach der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses Arbeitslosengeld. Spätestens Mitte 2003 traf er die Entscheidung, sein Einkommen durch Drogengeschäfte im „großen Stil“ zu bestreiten und setzte diese entsprechend um. Dass der Kläger den Rauschgifthandel „berufsmäßig“ betrieb, hat auch der Zeuge KHK K. in der mündlichen Verhandlung anschaulich bekundet. Bemühungen um Aufnahme einer regulären Erwerbstätigkeit sind offensichtlich nicht mehr entfaltet worden. Von einer nur vorübergehendenden Abwesenheit vom Arbeitsmarkt in dieser Zeit ist nicht mehr auszugehen (vgl. zu den Kriterien für die Beibehaltung der Arbeitnehmereigenschaft bei Arbeitslosigkeit Renner, a.a.O., § 4 Rn. 132 ff.). Damit hatte er seine Zugehörigkeit zum Arbeitsmarkt schon vor seiner Flucht in die Niederlande endgültig verloren gehabt. Selbst wenn man zugunsten des Klägers eine andere Sichtweise annehmen würde, ist jedenfalls - entsprechend den Ausführungen oben unter I. 2.) - mit der Aufgabe seines Lebensmittelpunktes im Bundesgebiet Anfang April 2004 seine Rechtsstellung erloschen.
4.)
45 
Die Rechte aus Art. 6 oder Art. 7 ARB 1/80 sind auch nicht erneut zur Entstehung gelangt.
46 
Der Kläger erhält seit dem 30.08.2009 eine von der Bundesagentur für Arbeit auf der Grundlage der §§ 77 ff. SGB III finanzierte berufliche Weiterbildungsmaßnahme zum Mediengestalter, die zum 31.08.2011 abgeschlossen sein soll, sowie nach § 117 Abs. 1 Nr. 2 SGB III Arbeitslosengeld. Teil dieser Weiterbildung ist auch eine praktische Tätigkeit in Firmen. Er absolviert sein Praktikum seit 02.11.2010 bis voraussichtlich Ende Juli 2011 bei einer Firma in ..., wo ihm nach Ende des Praktikums eine Festanstellung angeboten werden soll. Dies könnte dafür sprechen, dass der Kläger erneut dem Arbeitsmarkt der Bundesrepublik angehört. Rechte aus Art. 6 ARB 1/80 sind aber jedenfalls deshalb nicht begründet worden, weil es an einer ordnungsgemäßen Beschäftigung fehlt. Die ordnungsgemäße Beschäftigung setzt eine gesicherte und nicht nur vorläufige Rechtsposition des Betroffenen auf dem Arbeitsmarkt und damit das Bestehen eines nicht bestrittenen Aufenthaltsrechts voraus; außerdem muss die Beschäftigung im Einklang mit den aufenthaltsrechtlichen und arbeitserlaubnisrechtlichen Vorschriften des jeweiligen Mitgliedstaats stehen (EuGH, Urteil vom 06.06.1995 - C-434/93 - Rn. 26 ff. und vom 24.01.2008 - C-294/06 - Rn. 30 ff.; Renner, a.a.O., § 4 AufenthG Rn. 115). Der Kläger hält sich jedoch seit seiner ausschließlich in Vollstreckung des staatlichen Strafverfolgungsanspruchs zwangsweise durchgesetzten Rückkehr in das Bundesgebiet am 12.08.2005 ohne Aufenthaltserlaubnis hier auf. Die unbefristete Aufenthaltserlaubnis vom 02.10.1997 ist infolge seiner Flucht aus dem Bundesgebiet seit April 2004 erloschen (siehe dazu unten II.). In der Folgezeit wurde weder ein Aufenthaltstitel beantragt noch erteilt. Die dem Kläger seit seiner Haftentlassung fortlaufend verlängerten Duldungen sind aufgrund ihrer Rechtsnatur nicht geeignet, Ansprüche aus Art. 6 ARB 1/80 entstehen zu lassen, da sie nicht die Gewährung eines Aufenthaltsrechts beinhalten (GK-AufenthG, Art. 6 ARB 1/80 Rn. 132).
47 
Auch eine Rechtsposition nach Art. 7 ARB 1/80 ist nicht neu erworben worden. Hat ein Familienangehöriger die Rechtsstellung aus Art. 7 ARB 1/80 verloren und reist er später wieder in den früheren Aufnahmemitgliedstaat ein, so muss er erneut eine Aufenthaltserlaubnis beantragen, deren Erteilung sich allein nach den aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen des Mitgliedstaats richtet (EuGH, Urteil vom 18.07.2007 - C-325/05 - Rn. 67 und vom 16.03.2000 - C-329/97 - Rn. 49). Erst in Anknüpfung an einen dann rechtmäßigen Aufenthalt kann eine Berufung auf Art. 7 ARB 1/80 in Betracht kommen (vgl. näher EuGH, Urteil vom 21.01.2010 - C-462/08 - Rn. 39, 45). Eine erneute Legalisierung des Aufenthalts des Klägers ist aber bis heute nicht erfolgt.
II.)
48 
Rechtsgrundlage der verfügten Ausweisung ist § 53 AufenthG. Durch die rechtskräftige Verurteilung zu einer Gesamtstrafe von neun Jahren Freiheitsstrafe wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwölf tatmehrheitlichen Fällen sowie unerlaubten bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechzehn tatmehrheitlichen Fällen ist sowohl der Tatbestand der Ist-Ausweisung nach § 53 Nr. 1 AufenthG als auch derjenige nach § 53 Nr. 2 AufenthG verwirklicht.
1.)
49 
Der Kläger genießt keinen besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG, weil die unbefristete Aufenthaltserlaubnis vom 02.10.1997 im April 2004 nach § 44 Abs. 1 AuslG 1990 erloschen war und daher nicht gem. § 101 Abs. 1 Satz 1 AufenthG als Niederlassungserlaubnis fortgelten konnte.
50 
Nach § 44 Abs. 1 Nr. 2 AuslG 1990 erlischt die Aufenthaltsgenehmigung, wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grund ausreist. Eine entsprechende Regelung sah schon § 9 Abs. 1 Nr. 3 AuslG 1965 vor. Wie oben unter I 2.) bereits dargelegt, wollte sich der Kläger mit seiner Flucht in die Niederlande Anfang April 2004 einer Strafverfolgung im Bundesgebiet auf unabsehbarer Zeit entziehen. In einem solchen Fall erfolgt die Ausreise aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grund (Senatsbeschluss vom 22.01.2004 - 11 S 192/04 - juris Rn. 8 ff.; ebenso GK-AufenthG, § 51 Rn. 47 und Renner, a.a.O., § 51 Rn. 9 jew. zur wortgleichen Bestimmung in § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG). Dies führte kraft Gesetzes mit dem Verlassen des Bundesgebiets zum Erlöschen der Aufenthaltserlaubnis nach § 44 Abs. 1 Nr. 2 AuslG 1990, ohne dass es hierzu einer besonderen Feststellung bedurfte. Die Aufenthaltserlaubnis lebt auch nicht wieder auf, wenn der Betreffende später - und sei es nur kurze Zeit nach der Ausreise - "anderen Sinnes" wird und in die Bundesrepublik zurückkehrt (vgl. Senatsurteil vom 10.04.2002 - 11 S 2269/01).
51 
Ob die Aufenthaltserlaubnis ungeachtet des Umstands, dass das Ausländergesetz 1965 - anders als das Ausländergesetz 1990 - keinen Verlusttatbestand für eine Aufenthaltserlaubnis enthielt, der allein an den Ablauf einer zeitlich bestimmten Frist für die Wiedereinreise anknüpfte, auch nach § 44 Abs. 1 Nr. 3 AuslG 1990 erloschen ist, weil der Kläger nicht innerhalb von 6 Monaten nach seiner Ausreise (freiwillig) in das Bundesgebiet wieder eingereist ist, bedarf keiner Entscheidung mehr. Die Frage nach der Vereinbarkeit der Regelung in § 44 Abs. 1 Nr. 3 AuslG 1990 mit den Stillhalteklauseln (Art. 41 Abs. 1 ZP und Art. 13 ARB 1 /80) kann daher offen bleiben (dies bejahend BVerwG, Urteil vom 30.04.2009 - 1 C.6.08 - BVerwGE 134, 27 Rn 16 ff.).
52 
Soweit § 44 Abs. 1a und 1b AuslG in der bis 31.12.2004 geltenden Fassung Ausnahmen vom Erlöschen der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 44 Abs.1 Nr. 2 und 3 AuslG vorsahen, griff diese Privilegierung beim Kläger nicht ein, da er die Voraussetzungen dieser Bestimmungen nicht erfüllte. Die gegenüber der Vorgängernorm personell und inhaltlich günstigere Regelung des § 51 Abs. 2 Satz 1 AufenthG in der Fassung des Zuwanderungsgesetzes ist im vorliegenden Fall nicht anwendbar, da der Erlöschensgrund bereits vor dem 01.01.2005 eingetreten war. Im Übrigen hätte diese auch nicht zu einem für den Kläger besseren Ergebnis geführt. Nach § 52 Abs. 2 Satz 1 AufenthG 2005 erlischt die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat, nicht nach § 51 Abs. 1 Nr. 6 und 7, wenn sein Lebensunterhalt gesichert ist. Unabhängig davon, ob für die Prognose zur Sicherung des Lebensunterhalts auf den Zeitpunkt der Ausreise (VG München, Urteil vom 27.11.2007 - M 4 K 07.3681 - juris Rn. 42 ff.), des - mit der Ausreise nicht zwangsläufig identischen - mutmaßlichen Erlöschens (OVG NRW, Beschluss vom 30.03.2010 - 18 B 111/10 - juris Rn. 8) oder der Wiedereinreise (BayVGH, Beschluss vom 15.10.2009 - 19 CS 09.2194 - juris Rn. 14) abzustellen wäre, hätte eine positive Prognose nicht getroffen werden können. Der Kläger finanzierte jedenfalls ab 2003 sein Leben ausschließlich aus den Gewinnen der Drogenkriminalität und hatte im Zeitpunkt der „Wiedereinreise“ im Wege der Auslieferung einen langen Gefängnisaufenthalt zu erwarten, was der prognostischen Sicherung des Lebensunterhalts im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG entgegensteht.
2.)
53 
Auch sonstigen Umstände, die zu Gunsten des Klägers zu einer Veränderung des nationalrechtlichen Entscheidungsmaßstabs führen würden, liegen nicht vor.
a.)
54 
Die Voraussetzungen für einen besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 5 AufenthG sind ebenfalls nicht einschlägig, so dass die Ist-Ausweisung nicht zu einer Regelausweisung herabgestuft ist. Daher kann auch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht zur Anwendung gelangen, wonach ein Ausnahmefall von der Regelausweisung - und damit die Notwendigkeit einer behördlichen Ermessensentscheidung - bereits dann vorliegt, wenn durch höherrangiges Recht oder Vorschriften der Europäischen Menschenrechtskonvention geschützte Belange des Ausländers eine Einzelfallwürdigung unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Falles gebieten (Urteil vom 23.10.2007 - 1 C 10.07 - BVerwG 129, 367). § 53 AufenthG lässt gerade keinen Spielraum für eine individuelle Gefahrenprognose oder eine eigene Güter- und Interessenabwägung der Ausländerbehörde zu; mithin fehlt es an einer ausländerrechtlichen Grundlage für die Veränderung des Entscheidungsspielraums. Allerdings steht die § 53 AufenthG innewohnende Typisierung, dass die Ausweisung geboten und verhältnismäßig ist, um Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung entgegen zu wirken, unter dem verfassungsrechtlichen Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit im Einzelfall (vgl. schon BVerwG, Beschluss vom 10.12.1993 - 1 B 160/93 - juris Rn. 3 und vom 30.12.1993 - 1 B 185/93 - juris Rn 7; Renner, a.a.O., § 53 Rn. 3 ff.; GK-AufenthG § 53 Rn. 17 f., 59, 62 ff.). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Kammerbeschluss vom 10.05.2007- 2 BvR 304/07 - InfAuslR 2007, 275 und vom 10.08.2007 - 2 BvR 535/06 - InfAuslR 2007, 443) entbindet die normative Vertypung und Gewichtung der Ist-Ausweisung daher nicht davon, die konkreten Umstände des Einzelfalls individuell zu prüfen und zu würdigen, da nur so sichergestellt ist, dass die Verhältnismäßigkeit bezogen auf die Lebenssituation des Ausländers gewahrt bleibt (vgl. dazu auch Mayer, Systemwechsel im Ausweisungsrecht - der Schutz „faktischer Inländer“ mit und ohne familiäre Bindungen nach dem Grundgesetz und der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), VerwArch 2010, 482 ff.). Die Ausweisung erweist sich jedoch als verhältnismäßig (siehe nachfolgend III. und IV.).
b.)
55 
Eine Verschiebung des rechtlichen Prüfungsrahmens findet auch nicht im Hinblick auf die Standstill-Klauseln statt. Gemäß Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Abkommen vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei für die Übergangsphase der Assoziation - ZP - werden die Vertragsparteien untereinander keine neuen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs einführen. Nach Art. 13 ARB 1/80 dürfen die Vertragsparteien für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen. Die Stillhalteklausel unterstellt die nationale Regelungszuständigkeit dem Vorbehalt, dass neue Vorschriften die Niederlassungsfreiheit, den freien Dienstleistungsverkehr und den Zugang zur Beschäftigung sowie den damit verbundenen Aufenthalt eines türkischen Staatsangehörigen nicht strengeren Bedingungen als denjenigen unterwerfen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der jeweiligen Stillhalteklausel in dem betreffenden Mitgliedstaat galten und steht auch einer Rücknahme zwischenzeitlich eingeführter Vergünstigungen für diesen Personenkreis entgegen (vgl. näher EuGH Urteil vom 09.12.2010 - C-300/09 - und vom 21.10.2003 - C-317/01 - ). Art. 41 ZP ist im vorliegenden Fall jedoch schon deshalb nicht einschlägig sein, weil der Kläger weder Selbstständiger noch Dienstleistungsempfänger oder -erbringer im Sinne dieses Artikels ist (vgl. näher Renner, a.a.O., § 4 Rn. 203 ff. und 206 ff.). Auch Art. 13 ARB 1/80 gebietet nicht, die Ausweisung des Klägers am Maßstab der Ermessensausweisung nach § 10 AuslG 1965 zu prüfen. Art. 13 ARB 1/80 ist - speziell was die Aufenthaltsbeendigung eines türkischen Staatsangehörigen durch Ausweisung anbelangt - für den Personenkreis von Bedeutung, der kein Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 innehat. Begünstigt nach Art. 13 ARB 1/80 sind damit unter anderem die ordnungsgemäß beschäftigten Arbeitnehmer, die noch nicht in die Aufenthaltsverfestigung nach einer der Alternativen des Art. 6 ARB 1/80 hineingewachsen sind (vgl. zu den Einzelheiten des Anwendungsbereichs GK-AufenthG, Art. 13 ARB 1/80 Rn. 63 ff.). Zwar dürfte der Kläger durch die ihm erlaubte Weiterbildung wieder dem Arbeitsmarkt angehören. Allerdings können sich nur solche türkischen Staatsangehörige auf die Stillhalteklausel des Art 13 ARB 1/80 berufen, die sich ordnungsgemäß im Aufnahmemitgliedstaat aufhalten. Der Begriff „ordnungsgemäß“ in Art. 13 ARB 1/80 bedeutet, Aufenthalt und etwaige Beschäftigung müssen rechtmäßig sein (vgl. näher EuGH, Urteil vom 17.09.2009 - C-242/06 - Rn. 53 und vom 21.10.2003 - C-317/01 - Rn. 84; GK-AufenthG, Art. 13 ARB 1/80 Rn. 8; Farahat, Von der Stillhaltepflicht zur „zeitlichen Meistbegünstigung“ im Assoziationsrecht, NVwZ 2011, 343, 344). Dies entspricht dem Grundsatz, dass das Assoziationsrecht die Befugnis des Aufnahmestaats, über Einreise und Aufenthalt zu entscheiden, nicht tangiert. Auch dem - bezüglich der Folgen aus Art. 13 ARB 1/80 inhaltlich sehr weitgehenden - Urteil des EuGH in der Rechtssache Kommission gegen Niederlande (vom 29.04.2010 - C-92/07 - 44 ff., insb. Rn. 49) lässt sich nichts Gegenteiliges entnehmen. Der Kläger hält sich jedoch nicht legal im Bundesgebiet auf. Seinen rechtmäßigen Aufenthalt hat er schon vor seiner zwangsweisen Rückführung am 12.08.2005 verloren und in der Folgezeit nicht erneut begründet (vgl. dazu oben II 1. und I 2. bis 4.).
III.)
56 
Die spezialpräventive Ausweisung des Klägers als eines hier geborenen und aufgewachsenen Ausländers der 2. Generation ist aufgrund der von ihm nach wie vor ausgehenden Wiederholungsgefahr auch im Hinblick auf sein im Bundesgebiet geführtes Privat- und Familienleben nach Art. 8 EMRK und Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG verhältnismäßig.
57 
Ob die Ausweisung des Klägers - und damit der Eingriff in das Familien- und/oder Privatleben im Sinne des Art. 8 EMRK - im konkreten Einzelfall im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK in einer demokratischen Gesellschaft notwendig, insbesondere verhältnismäßig ist, bestimmt sich anhand einer Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Ausweisung eines straffällig gewordenen Ausländers mit seinem Interesse an der Aufrechterhaltung seiner faktisch gewachsenen und von Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützten privaten und familiären Bindungen im Bundesgebiet. Nach der mittlerweile hinreichend gefestigten Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist zur Beurteilung der Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs von einem bestimmten, nicht notwendigerweise abschließenden Kriterien- und Prüfkatalog auszugehen (vgl. etwa Urteil vom 02.08.2001 - Nr. 54273/00 -, InfAuslR 2001, 476, vom 18.10.2006 - Nr. 46410/99 -, <Üner> NVwZ 2007, 1279, vom 23.06.2008 - Nr. 1683/04 -, InfAuslR 2008, 333 und vom 25.03.2010 - Nr. 40601/05 -, InfAuslR 2010, 325). Dieser kann ohne weiteres auch Geltung für die Beantwortung der Frage beanspruchen, ob ein derartiger Eingriff verhältnismäßig im Sinne von Art. 6 GG, Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG ist. Es handelt sich dabei um folgende Kriterien: Die Anzahl, Art und Schwere der vom Ausländer begangenen Straftat; das Alter des Ausländers bei Begehung der Straftaten; der Charakter und die Dauer des Aufenthalts im Land, das der Ausländer verlassen soll; die seit Begehen der Straftaten vergangene Zeit und das Verhalten des Ausländers seit der Tat, insbesondere im Strafvollzug; die Staatsangehörigkeit aller Beteiligten; die familiäre Situation des Ausländers und gegebenenfalls die Dauer der Ehe sowie andere Umstände, die auf ein tatsächliches Familienleben eines Paares hinweisen; der Grund für die Schwierigkeiten, die der Partner in dem Land haben kann, in das ggfs. abgeschoben werden soll; ob der Partner bei Begründung der familiären Beziehung Kenntnis von der Straftat hatte; ob der Verbindung Kinder entstammen, und in diesem Fall deren Alter; das Interesse und das Wohl der Kinder, insbesondere der Umfang der Schwierigkeiten, auf die sie wahrscheinlich in dem Land treffen, in das der Betroffene ggfs. abgeschoben werden soll; die Intensität der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen zum Gastland einerseits und zum Herkunftsland andererseits.
1.)
58 
Was die in die Verhältnismäßigkeitsprüfung einzustellenden „straftatbezogenen“ Kriterien anbelangt, so ist festzustellen, dass die vom Kläger als junger Erwachsener bis zu seiner Festnahme im Alter von 23 Jahren verübten Straftaten ihn als einen Intensivtäter auf dem Gebiet der Rauschgiftkriminalität ausweisen. Er ist über einen Zeitraum von etwa drei Jahren in einer sich quantitativ und qualitativ steigernden Weise an führender Stelle in einer international verbundenen Bande von Rauschgifthändlern massiv durch Handeltreiben mit Betäubungsmitteln straffällig geworden. Die Menge der gehandelten Betäubungsmittel, die Art und Weise der Tatbegehung und die ihr zugrunde liegende Motivation belegen, dass er ohne durchgreifende Skrupel die Sucht anderer als Mittel für seine persönliche Bereicherung eingesetzt hat. Er ist der „Prototyp“ des international und national vernetzten, im großen Stile tätigen und seine kriminellen Ziele im Interesse der Gewinnmaximierung effizient verfolgenden Rauschgifttäters, dessen Handlungen in höchstem Maße gesellschaftsschädigend sind und unermessliches menschliches Leid verursachen. Unter Zugrundelegung der Feststellungen des strafgerichtlichen Urteils und der Erkenntnisse aus beigezogenen Straf- und Ermittlungsakten, wobei hier vor allem der vorläufige Ermittlungsbericht der Polizei vom 31.08.2004 und der endgültige vom 04.08.2005 und die Vermerke des die Ermittlung leitenden Polizeibeamten KHK KI. zu nennen sind, sowie aus den Angaben des Klägers vor und nach seiner Verurteilung ergibt sich folgendes Bild:
59 
Der Kläger veräußerte zunächst als Einzeltäter im Sommer 2002 Marihuana, sodann spätestens im Oktober 2002 als Mittäter von ... Y. und versorgte jedenfalls ab Dezember 2003 bandenmäßig den Großraum ... mit Marihuana von guter Qualität. In der kriminellen Hierarchie stieg er im Laufe der verübten Rauschgiftdelikte vom „Handlanger und Läufer“ des ... Y. zu dessen „rechter Hand“ auf und konnte bei Bedarf anderen Bandenmitgliedern einzelne Aufgaben zur Erledigung zuweisen. Das „letzte Wort“ in der Bande hatte allerdings ... Y., was auch die Strafkammer in ihrem Urteil vom 24.11.2005 zu Gunsten des Klägers berücksichtigt hat. Der Kläger war in die zeitliche Organisation der Rauschgiftlieferung jedoch ebenso eingebunden wie in deren Abwicklung einschließlich des Eintreibens ausstehender Verkaufserlöse. Auch das Treffen mit „Hintermännern“ und die Erschließung neuer Lieferanten, um den wachsenden Absatz von Rauschmittel bedienen zu können, ging unter Beteiligung des Klägers von sich. Die Bande bezog das Rauschgift von drei untereinander unabhängigen „Quellen“ aus Holland. Lieferungen erfolgten über ... E., die Bande des ... T. und aus einem über das Bandenmitglied ... F. eingefädelten Kontakt („...“). Das Rauschgift kam auf unterschiedlichen Transportwegen und unter Beteiligung verschiedener Personen nach ... und wurde von dort veräußert, wobei es die Organisationen verkraftet haben, dass auch einzelne Lieferungen „hoch gegangen“ sind. Für die Umladung, Aufbereitung und Verteilung des nach ... gebrachten Rauschgifts wurden neben der von ... Y. und dem Kläger bewohnten Wohnung konspirativ unauffällige Örtlichkeiten genutzt, wie etwa Tiefgaragen. Die Rauschgiftgeschäfte wurden - wie der Zeuge KHK. K in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat im Einzelnen nochmals erläutert hat - profimäßig abgewickelt. Mit der sehr effizienten Organisation wurden unter führender Beteiligung des Klägers in einem Zeitraum von Januar 2002 bis Juni 2005 insgesamt zwei Tonnen Marihuana sowie mehrere Kilogramm Kokain und Ecstasy-Tabletten im Großraum ... verteilt. Diese in der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 16.03.2007 enthaltenen Daten und Mengen entsprechen auch den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat sowie denjenigen des Zeugen KHK K. Letzterer hat überzeugend dargelegt, wie sich die genannten Mengen unter Berücksichtigung auch der Aussagen von anderen Mitgliedern der Bande und von Abnehmern errechnen und dass hinsichtlich Kokain von einer gehandelten Mindestmenge von fünf Kilogramm auszugehen ist. Zwar liegt dem - ausgehandelten - Strafurteil nur eine angeklagte Menge von etwa 230 kg Marihuana und 500 g Kokain zugrunde, auch hat die Staatsanwaltschaft in der oben genannten Einstellungsverfügung hinsichtlich der Straftaten, die nicht schon Gegenstand des „Deals“ vor der Strafkammer waren (vgl. dazu den Vermerk der Staatsanwaltschaft vom 25.11.2005 und die dem beigefügte Auflistung), von der Erhebung der Anklage gem. §154 StPO i.V.m. § 31 BtMG abgesehen. Dies spricht jedoch nicht dagegen, bei der Frage, ob im konkreten Einzelfall eine Ausweisung wegen Rauschgiftkriminalität verhältnismäßig ist, den tatsächlichen Umfang der Rauschgiftgeschäfte einzustellen und zu würdigen.
60 
In den überwiegend auf Kommissionsbasis abgewickelten Rauschgifthandel waren nach den Zeugenangaben von KHK K. etwa 20 bis 25 direkte Abnehmer der Bande Y. eingebunden, die die Betäubungsmittel ihrerseits weiter veräußerten. Nach den Darstellungen von KHK K. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat setzte die Bande Y. selbst bei konservativer Berechnung Drogen in einem Wert von weit über sechs Millionen EUR brutto um. Der Senat hat keinen Anlass, diesen wirtschaftlichen Wert in Zweifel zu ziehen. Im Übrigen veranschaulicht auch der im Urteil des Landgerichts Stuttgart bezüglich der abgeurteilten Straftaten gegenüber dem Kläger angeordnete Verfall eines Wertersatzes in Höhe von 857.300 EUR, davon in Höhe von 848.700 EUR gesamtschuldnerisch mit ... Y., in welcher wirtschaftlichen Größenordnung sich die Drogengeschäfte unter seiner Beteiligung abspielten. Die unter führendem Engagement des Klägers durch das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln angerichteten gravierenden gesellschaftlichen und menschlich-individuellen Schäden liegen bei den umgesetzten Mengen auf der Hand. Dass es sich bei dem hauptsächlich gehandelten Marihuana um eine eher „weiche“ Droge handelt, nimmt der Tat nicht ihre Gefährlichkeit - zumal dieses Rauschgift häufig der Einstieg für eine „Drogenkarriere“ ist.
61 
Bemerkenswert ist, dass den Kläger die Verhaftung von Abnehmern im April 2003 und die Sicherstellung von durch ihn gelieferten Rauschgifts nicht zu einem Umdenken veranlasste, vielmehr hielt ihn das nicht davon ab, sich danach bandenmäßig zu organisieren und die Rauschgiftgeschäfte zu intensivieren. Auch legte der Kläger seine anfängliche Ablehnung was Kokain anbelangt nach und nach ab. Zwar nahm er nicht selbst den Handel mit den insgesamt mindestens fünf Kilogramm Kokain „in die Hand“, jedoch unternahm er auch nichts mehr dagegen und gab sogar seiner damaligen Freundin ... V. Kokain in einer Menge von insgesamt 250 g auf Kommissionsbasis. Nach Einschätzung der Ermittlungsbehörden dürfte die Gruppierung um ... Y. ab Februar 2004 die Befürchtung gehabt haben, unter polizeilicher Beobachtung zu stehen; die Wohnung in der ... wurde gekündigt und eine neue geeignete Immobilie gesucht. Selbst dies war für die Bande kein Grund gewesen aufzuhören; vielmehr verließ man sich offensichtlich darauf, aufgrund der Organisationsstruktur ungefährdet weitermachen zu können. Auch die Verhaftung der Bandenmitglieder im April 2004 war für den Kläger kein Anlass, vom Rauschgifthandel Abstand zu nehmen. Er floh ganz bewusst nach Holland und kam dort bei seinen Lieferanten unter, zunächst bei ... E., später bei ... T. In der Zeit von Juni bis Dezember 2004 organisierte der Kläger in zehn Fällen Marihuanalieferungen an ... und ... E., wobei in sechs Fällen 10 kg und in vier Fällen 10 - 15 kg von den Niederlanden nach Deutschland gebracht und von diesen an die ehemaligen Abnehmer der Bande Y. verteilt wurden. Das Rauschgift stammte von ... T., bei dessen Bande die Bande des ... Y. Schulden aus Rauschgiftgeschäften hatte; die neuen Taten dienten insoweit zur Tilgung von Altschulden. Gerade auch in den Taten in den Niederlanden zeigt sich die besondere Gefährlichkeit des internationalen Rauschgifthandels. Dem Kläger war es auch nach der Verhaftung der Bandenmitglieder problemlos möglich, aufgrund des verzweigten Organisationssystems einfach weiterzumachen. Seine Einlassung in der mündlichen Verhandlung ließ nicht erkennen, dass er von dem „Gläubiger“ hierzu gezwungen worden wäre. Er konnte sich in den Niederlanden frei bewegen. Es war seine eigene Entscheidung, seine kriminellen Taten fortzusetzen.
62 
Die Rauschgiftgeschäfte wurden auch nicht aus einer wirtschaftlichen Notsituation, einer sozial problematischen Lage oder aus einer bestehenden Abhängigkeit heraus begonnen oder weitergeführt. Zwar ist der Kläger nach seinen Angaben in einem sozialen Brennpunktviertel und unter dem Eindruck sehr knapper finanzieller Mittel der Familie sowie familiärer Streitereien zwischen seinem Vater und seinen Brüdern aufgewachsen. Als er im Alter von etwa 21 Jahren in den Drogenhandel in großem Stil einstieg, lag diese Phase jedoch hinter ihm; damals hatte er erfolgreich seine Lehre abgeschlossen und war als Drucker berufstätig. Soweit das Landgericht in seinen Strafzumessungserwägungen strafmildernd gewertet hat, dass die Hemmschwelle des Klägers nicht ausschließbar durch seinen Eigenkonsum herabgesetzt war, ist damit keine Abhängigkeit umschrieben. Vielmehr war es in den Kreisen, in denen er verkehrte, nicht ungewöhnlich, gelegentlich Rauschgift, darunter auch Kokain, selbst zu konsumieren. Dies hat der Kläger in seinen polizeilichen Vernehmungen anschaulich geschildert. Die vom ihm selbst stets verneinte Abhängigkeit ist auch durch die regelmäßigen negativ verlaufenden Drogenkontrollen während der Haft bestätigt. Motiv für die Betäubungsmitteldelikte waren allein das Gewinnstreben, der Genuss des luxuriösen Lebens und das „Glücklichsein im Hier und Jetzt“. Diese Motivation ist in den polizeilichen Vernehmungen des Klägers und ... Y. übereinstimmend berichtet worden und vor allem auch aus ihrem tatsächlichen verschwenderischen Lebensstil ersichtlich, der im Urteil des Strafgericht angesprochen worden und der insbesondere in dem vorläufigen Ermittlungsbericht der Polizei vom 31.08.2004 dokumentiert ist. Dieser umfasste unter anderem die Anmietung einer luxuriösen Wohnung, die mit teuren Einrichtungsgegenständen ausgestattet war (z.B. Flachbildschirmfernseher mit einem Wert zw. 7.000 und 8.000 EUR), Flugreisen, Aufenthalte in teuren Hotels, die Nutzung von Autos der gehobenen Klassen (unter anderem Jaguar), Partys, aber auch Kontakte zu Prostituierten und extrem häufige Taxibestellungen (etwa um ein Baguette abholen zu lassen) sowie ein Auftreten als „Geschäftsmänner“ mit den entsprechenden Begleitutensilien wie Designer-Handy, Kugelschreiber im Wert von 1.000 EUR, Schmuck, Uhren.
2.)
63 
Was das ebenfalls in die Verhältnismäßigkeitsprüfung einzufließende Verhalten des Klägers nach der Tat und seine Entwicklung bis heute anbelangt, ist der Senat aufgrund der oben dargelegten konkreten Umstände der Tat und nach dem Eindruck, den er aus dem Inhalt der Akten und der Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung gewonnen hat, der Überzeugung, dass vom Kläger nach wie vor die in den Taten angelegte Wiederholungsgefahr ausgeht. Daher kann dahingestellt bleiben, ob bei der Verwirklichung eines Ausweisungstatbestands nach § 53 AuslG nach nationalrechtlichem Maßstab eine Unverhältnismäßigkeit einer spezialpräventiven Ausweisung nur dann eintreten könnte, wenn die Wiederholungsgefahr gänzlich entfallen oder jedenfalls extrem gemindert wäre (vgl. GK-AufenthG, § 53 Rn. 62 i.V.m. Vor §§ 53 ff. Rn. 418 ff.) und ob - solange dies nicht festgestellt werden kann - auch der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach Art. 8 EMRK das der nationalen Norm immanente schwerwiegende spezialpräventive Ausweisungsinteresse mit diesem Gewicht zugrunde zu legen wäre.
a.)
64 
Der Senat misst hinsichtlich der Feststellung der Wiederholungsgefahr dem kriminalprognostischen Gutachten von Dr. X. vom 07.09.2010, das aus forensisch psychiatrischer Sicht feststellt, dass die durch die Taten zutage tretende Gefährlichkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr fortbesteht, keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu. Das Gutachten beruht in wesentlichen Punkten auf unzutreffenden tatsächlichen Annahmen, die ihrerseits jedenfalls zum Teil auf falsche oder unvollständige Angaben des Klägers bei seiner Exploration zurückgehen (aa.). Darüber hinaus ist das schriftliche Gutachten in zentralen Punkten nicht schlüssig (bb.). Die dem Gutachten innewohnenden Mängel sind auch nicht durch die Erklärungen der Gutachterin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausgeräumt worden (cc.).
aa.)
65 
Die Gutachterin ging davon aus, der Kläger habe - entsprechend seiner Angaben während der Untersuchung - allenfalls als Jugendlicher zwischen dem 15. und 18. Lebensjahr Marihuana geraucht (S. 12 i.V.m. S. 16). Tatsächlich hat der Kläger jedoch nach früheren Angaben auch während der Phase seiner Betäubungsmittelkriminalität Drogen genommen; so hat er während seines Aufenthalts in den Niederlanden, damals war er 23 Jahre alt, Kokain konsumiert. Diesen Konsum hat der Kläger in der Berufungsverhandlung - allerdings erst auf intensive Nachfrage und unter Vorhalt seiner Angaben in seiner Vernehmung als Beschuldigter am 17.11.2005 - auch eingeräumt. Der Betäubungsmittelkonsum auch noch als junger Erwachsener findet im Gutachten ebenso wenig Beachtung wie der - vom Kläger anlässlich seiner Exploration ebenfalls nicht erwähnte - Umstand, dass er Ende Januar 2005 versucht hat, sich die Pulsadern aufzuschneiden. Von beidem hat die Gutachterin nach ihren eigenen Angaben in der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erstmals durch die hier erfolgte Anhörung des Klägers erfahren. Dies verdeutlicht im Übrigen, dass die Gutachterin, die ihr Gutachten ausdrücklich auch auf die drei Bände Strafakten stützt (S. 2 des Gutachtens), diese möglicherweise nicht genügend beachtet hat. Das entsprechende Vernehmungsprotokoll vom 17.11.2005, in dem der Kläger den Drogenkonsum und auch das Queraufschneiden der Pulsadern, weil er „nonstop drauf gewesen“ sei, ausdrücklich eingeräumt hat, befindet sich in Band III der Strafakten, die der Gutachterin vorlagen.
66 
Unrichtig oder jedenfalls „geschönt“ waren auch die Angaben des Klägers zu seiner angeblich intakten Beziehung. Das Gutachten hält unter anderem folgende Angaben des Klägers fest (S. 7): „Er verfolge jetzt andere Ziele im Leben. Er habe jetzt eine Freundin, werde sich verloben. Das wichtigste sei, dass er ihrer Mutter vor 2, 3 Monaten gesagt habe, was mit ihm los sei, nämlich dass er im Gefängnis sei. Das sei seine erste türkische Freundin überhaupt. Früher habe er keine türkischen Freundinnen gehabt. Es sei jetzt aber eine ganz tolle Erfahrung für ihn, diese Beziehung zu einer türkisch-stämmigen Freundin.“ Auf S. 11 des Gutachtens sind - auszugsweise - folgende weitere Angaben des Klägers festgehalten: „Letztes Jahr habe er über einen Freund in ... seine Freundin kennengelernt, die aus K. in Bayern stamme….Im Februar diesen Jahres habe er ihr erzählt, was mit ihm sei….Ende des Jahres werde man das Verlobungsfest feiern und „so Gott will“ im nächsten Jahr heiraten….. Man habe vor kurzem mit der Familie eine „kleine Verlobung“ bei ihren Eltern gefeiert….Das Fest sei sehr schön und sehr traditionell gewesen. Er hab sich nie vorstellen können, dass ihm so was passieren werde. Traditionell sei zum Beispiel gewesen, dass seine Verlobte ihm Salz statt Zucker in den Kaffee getan habe und er diesen dann entsprechend der Tradition trotzdem getrunken habe.“ Hinsichtlich früherer Beziehungen führte er aus (S. 12): „Er habe seitdem er 17 Jahre alt gewesen sei immer wieder Freundinnen gehabt. Die erste Beziehung habe vier Jahre gedauert. Dann habe er noch mal eine Beziehung zwischen 2000 und 2004 gehabt.“ Wie die Gutachterin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat mehrfach erklärt hat, sei ihr die Schilderung der Verlobungsfeier, die von ihm als wertvoll erlebte Tradition, sehr zu Herzen gegangen; es sei für sie sehr anrührig gewesen. Grundlage ihrer positiven Prognose ist ausweislich des Gutachtens auch die Annahme der Einbindung des Klägers in einer stabilen Beziehung zu seiner türkischen Staatsangehörigen. Tatsächlich kriselte es jedoch schon zu diesem Zeitpunkt in der Beziehung zwischen dem Kläger und seiner früheren Verlobten. Bereits im August 2010 - zu diesem Zeitpunkt war der Kläger nach seinen Angaben in der Berufungsverhandlung eigentlich noch verlobt - frischte er die Kontakte mit seiner jetzigen Partnerin auf. Im September habe er ihre Wohnung komplett renoviert, da seien sie sich näher gekommen, seit November 2010 seien sie ein Paar. Darüber hinaus verschwieg der Kläger bei der Exploration seine frühere Beziehung zu ... V. Mit ihr war er seit Januar 2004 „zusammen“. Diese erwartete wohl von ihm ein Kind; der Abbruch der Schwangerschaft wurde von ihm bezahlt. Bis einschließlich August 2007 wurde er regelmäßig von ... V., die zeitweise in der Wohnung seiner Eltern lebte und von ihm selbst als seine Verlobte bezeichnet wurde, besucht. Unter dem 21.08.2006 erkundigte er sich sogar nach der Möglichkeit des Heiratens im Gefängnis. Gerade mit Rücksicht auf diesen Umstand nimmt der Senat dem Kläger seine Versuche in der mündlichen Verhandlung, diese Beziehung als unbedeutend darzustellen und mit der Begründung schlecht zu machen, ... V. sei nur eine Prostituierte, nicht ab. Am 27.02.2008 teilte der Rechtsanwalt von ... V. gegenüber der JVA ... mit, nach Darstellung seiner Mandantin besitze ihr Ex-Freund in der JVA ein Handy sowie ihr Tagebuch und eine goldene Halskette. Eine deswegen angeordnete Durchsuchung des Klägers sowie seines Haftraums und seines Arbeitsplatzes verlief negativ. In Reaktion darauf gab der Kläger am 27.02.2008 telefonisch und am 04.03.2008 förmlich gegenüber den Ermittlungsbehörden an, im Zeitraum Februar/März 2004 in drei Taten insgesamt 250 g Kokain an seine damalige Freundin ... V. gewinnbringend auf Kommission verkauft zu haben. Diese Erkenntnisse ergeben sich aus den - von der Gutachterin nicht beigezogenen - Gefangenenpersonalakten und aus der Akte im Ermittlungsverfahren 221 Js 45897/08.
67 
Des Weiteren hat der Kläger bei der Gutachterin angegeben, zu seinen früheren Freunden habe er keinen Kontakt mehr, wolle auch keine Kontakte mehr haben. Tatsächlich ist jedoch der langjährige Freund des Klägers M.Y., der ebenfalls Mitglied der Bande Y. war und deswegen zu einer langjährigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde, ausweislich des Heiratsvertrags vom 12.02.2011 Zeuge der nach islamischem Recht eingegangenen Verbindung zwischen dem Kläger und ... D. gewesen. In der mündlichen Verhandlung begründete der Kläger die Wahl seines Zeugen damit, dass dieser aus dem Glauben heraus lebe und kein schlechter Mensch sei.
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Darüber hinaus hat der Kläger mit der Gutachterin über seine Umschulung als Mediengestalter gesprochen. Im Rahmen ihrer Beurteilung der Wiederholungsgefahr hat sie den vom Kläger stringent verfolgten Weg, sich beruflich weiter zu qualifizieren, positiv gewürdigt. Die Gutachterin hat jedoch in ihre Beurteilung nicht eingestellt, dass der Kläger nach wie mehr als 800.000 EUR Schulden aus dem im Strafurteil angeordneten Verfall des Wertersatzes hat.
69 
Schließlich ist der Gutachterin bei der Abfassung des Gutachtens das Ausmaß des kriminellen Verhaltens des Klägers nicht geläufig gewesen. Das Gutachten referiert zwar Teile aus dem Strafurteil (S. 2 ff.) und verweist zu Beginn der „Zusammenfassung und Beurteilung“ unter anderem darauf, dass sich der Kläger ab Dezember 2003 zusammen mit Mittätern zu einer Gruppierung zusammengeschlossen hat, „welche im Kilogrammbereich in ... und Umgebung“ mit Marihuana Handel betrieben hätten“. Die tatsächlich umgesetzten Mengen der verschiedenen gehandelten Betäubungsmittel, die Organisationsstrukturen sowie die Stellung des Klägers innerhalb des Systems sind ihr jedoch - wie sie selbst eingeräumt hat - erstmals im Laufe der Verhandlung vor dem Senat in aller Deutlichkeit bewusst geworden.
bb.)
70 
Darüber hinaus sind wesentliche Aussagen im Beurteilungsteil nicht schlüssig bzw. nachvollziehbar. So heißt es dort: „Herr X. soll nach seiner Inhaftnahme seine Kenntnisse über den organisierten Drogenhandel den Behörden gegenüber offenbart haben, so dass allein aus diesem Grund eine Rückkehr in solcherart kriminelle Aktivitäten ihm wohl künftig nicht mehr möglich sein dürfte“. Wieso die Gutachterin zu dieser Einschätzung gelangt, wird nicht transparent gemacht, möglicherweise knüpft sie allein an die entsprechenden Ausführungen im Antrag des Klägers vom 09.03.2010 auf Aussetzung des Rests der Freiheitsstrafe zur Bewährung an. Dieser Schluss ist jedoch nicht zwingend -schon gar nicht im vorliegenden Fall, bei dem etliche Leute der Organisation „ausgepackt“ haben. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart führt in ihrem Schreiben vom 28.03.2011 an den Senat auch aus, dass erfahrungsgemäß Aufklärungshilfe nicht unbedingt zwingend zur Folge habe, das eine Rückkehr ins Rauschgiftmilieu „verbaut“ werde - zumal dann nicht, wenn sie mit einem Ortswechsel des „Verräters“ verbunden sei.
71 
Die Gutachterin nimmt weiter an, die soziale Situation des Klägers sei (wieder) gesichert. Sie setzt sich aber nicht mit dem Umstand auseinander, dass die Drogendelikte aus einer intakten Existenz heraus begangen wurden. Der Kläger lebte zu Beginn der Taten in geordneten familiären Verhältnissen und verfügte nach abgeschlossener Lehre in seinem Ausbildungsberuf über regelmäßige Einkünfte. Trotzdem hat ihn das von den Straftaten nicht abgehalten. In diesem Zusammenhang fehlen auch Aussagen dazu, ob und wie sich die derzeit noch vorhandenen Schulden in Höhe von etwa 800.000 EUR auf die (soziale) Situation des Klägers auswirken könnten.
72 
Das positive Ergebnis des Gutachtens beruht auch auf der Auffassung der Gutachterin, die Tathandlungen seien situativ, d.h. lebensgeschichtlich begrenzt gewesen (Adoleszenz), die verurteilten Taten hätten in einer abgrenzbaren Lebenssituation, d.h. im frühen Erwachsenenalter stattgefunden. Abgesehen davon, dass Aussagen zur Einordnung von Tathandlungen schon nicht belastbar getroffen werden können, wenn ein Gutachter - wie hier - das Ausmaß des kriminellen Fehlverhaltens nicht zutreffend erkennt und würdigt, ist dem Senat aus zahlreichen weiteren Ausweisungsverfahren bekannt, dass Rauschgiftkriminalität jedenfalls in der oben unter III 1. dargestellten Art und Weise keine für die Adoleszenz typische Tat und auch nicht zwingend auf eine abgrenzbare Lebenssituation beschränkt ist.
73 
Schließlich bleibt auch unklar, weshalb die Gutachterin davon ausgeht, dass die Erfahrung der Inhaftierung beim Kläger offenkundig einen nachvollziehbaren Gesinnungswandel bedingt hat. Allein in einem ambulanten Termin mit dem Kläger, der lediglich 1 ½ Stunden gedauert hat, lässt sich dies in Anbetracht des Ausmaßes der kriminellen Vorgeschichte nach Überzeugung des Senats kaum verlässlich eruieren - zumal wenn der zu Beurteilende in einzelnen Punkten die Unwahrheit sagt oder die Lage beschönigt. Die Gefangenenpersonalakten, die hierüber näheren Aufschluss geben könnten, sind von der Gutachterin nicht beigezogen worden.
cc.)
74 
Die aufgezeigten Defizite im Gutachten, die ihre Ursache auch darin haben können, dass - wie die Gutachterin gegenüber dem Senat ausgeführt hat - die Beauftragung durch die Strafvollstreckungskammer „in sehr zeitknappem Zustand“ erfolgte und der Kläger sich schon im Freigang bewährte, sind durch ihre Angaben in der mündlichen Verhandlung nicht ausgeräumt worden. Ihre Erklärungen sind insgesamt vage, ausweichend und für den Senat nicht überzeugend gewesen.
75 
Aus der Antwort auf die Frage des Senats, welche Bedeutung die Schulden des Klägers aus dem Verfall des Wertersatzes für die Wiederholungsgefahr haben, wird deutlich, dass die Gutachterin an diesem Problem gänzlich vorbei geht. Sie führt nämlich hierzu aus, dass der Kläger im jungen Erwachsenenalter zu den Taten gekommen sei. Er sei gierig nach Geld gewesen. „Veränderungen seien möglich und insbesondere Hafterfahrung und Nachdenken klinge authentisch, so dass man sich vorstellen könne, dass hinsichtlich der Schulden, die aus den Taten stammen, weil eben das Geld nicht gespart worden sei, um es abzugeben, sondern es ausgegeben worden sei, Veränderungen in der Wertehaltung möglich seien.“
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Auch was die Frage der Einordnung der Tat als durch die Adoleszenz bzw. lebensgeschichtlich begrenzt anbelangt, sind nach Auffassung des Senats die Ausführungen der Gutachterin nicht überzeugend. Sie hat nach wie vor nur auf das damalige Alter des Klägers und die zwischenzeitliche Hafterfahrung abgestellt ohne sich jedoch mit der hohen Professionalität der Betäubungsmittelstraftaten und der Tatsache, dass ältere Bandenmitglieder eine vergleichbare Stellung innerhalb der Organisation nicht erreicht haben, auseinander zu setzen. Gleichzeitig bleibt sie eine Antwort auf die Frage schuldig, warum diesen Faktoren bei der Beurteilung insoweit keine entscheidende Bedeutung zukommen soll.
77 
Hinsichtlich der von der Gutachterin angenommenen verbauten Rückkehr in die früheren kriminellen Aktivitäten, hat sie zwar eingeräumt, dass es entsprechende andere Kreise geben könnte. Sie hat auch zur Kenntnis genommen, dass der Kläger entgegen seinen Bekundungen ihr gegenüber nach wie vor freundschaftlich mit einem früheren Mittäter verbunden ist. Welche Konsequenzen sie hieraus zieht, hat sie jedoch insoweit offen gelassen.
78 
Zwar ist etwa die Frage, ob der Kläger letztmalig als Jugendlicher oder schon im Erwachsenenalter Drogen und ggfs. welche genommen hat, für die Beurteilung der Wiederholungsgefahr als solche nicht relevant, weil Grund für die Straftaten keine eigene Abhängigkeit gewesen ist. Allerdings sind die unrichtigen Angaben durch den Kläger in diesem Punkt ebenso wie andere „Glättungen“ in der Darstellung, etwa was seine Beziehungen zu Frauen anbelangt, von Bedeutung für die Qualifizierung seiner Persönlichkeit - und vor allem für die Frage, ob dem Kläger vor diesem Hintergrund eine „innere Umkehr“ geglaubt werden kann. Hierzu direkt befragt hat die Gutachter gegenüber dem Senat lediglich angegeben, das sei schwierig.
79 
Im Verlaufe ihrer Anhörung hat die Gutachterin ungeachtet der von ihr selbst als kritisch angesehenen manipulativen Tendenzen des Klägers zunächst ausgeführt, dass sie dennoch an dem Ergebnis ihres Gutachtens festhalten will, am Ende ihrer Befragung hat sie dies dahingehend relativiert, „sie glaube, sie würde auch noch zu dem Schluss kommen ‚ mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr fortbesteht‘“. Abgesehen davon, dass eine solche lavierende Aussage nicht belastbar ist, sind auch die von der Gutachterin angeführten Gründe für ihre (möglicherweise) im Ergebnis gleichbleibende Einschätzung nicht zwingend, wenn nicht gar spekulativ. Sie hat hierzu ausgeführt, dass es sich nicht um eine Symptomtat gehandelt habe, der Kläger kein polytrop kriminell dissozialer Mensch sei und auch die harten negativen Fakten, wie sie z. B. bei Exhibitionismus vorhanden seien, fehlten. Das sei günstig. Positiv seien auch das Fehlen von Augenblicksverhaftetheit, das Lernen aus Erfahrungen, sein Ehrgeiz um berufliche Fortbildung. Allerdings hat die Gutachterin auf Nachfrage des Senats auch eingeräumt, dass die beim Kläger vorhandenen Eigenschaften ihn zu dieser sehr professionellen Betäubungsmittelkriminalität überhaupt erst befähigt haben. Letztlich sei es die Frage, ob man ihm die Änderung, künftig nicht mehr kriminell werden zu wollen, glaube.
80 
Im Hinblick auf die auch durch die mündliche Verhandlung nicht ausgeräumten Defizite des Gutachtens, misst der Senat diesem keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu. Für das Gericht besteht auch keine Notwendigkeit, zur Beurteilung der Wiederholungsgefahr als Entscheidungshilfe ein erneutes Sachverständigengutachten einzuholen. In Ausweisungsverfahren ist es die ureigene richterliche Aufgabe dies selbst festzustellen. Tat- oder täterpersönlichkeitsbezogenen Besonderheiten, die ausnahmsweise abweichend hiervon eine Begutachtung durch einen Sachverständigen nahe legen würden (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 22.10.2008 - 1 B 5.08 - juris Rn. 5), weist der vorliegende Fall nicht auf.
b.)
81 
Die Frage der Wiederholungsgefahr ist nicht deshalb in einem für den Kläger günstigen Licht zu sehen, weil aufgrund des Beschlusses der Strafvollstreckungskammer vom 26.10.2010 die Verbüßung des Restes der Freiheitsstrafe noch vor Ablauf von zwei Dritteln der Strafhaft zur Bewährung ausgesetzt worden ist.
82 
In Vorbereitung dieser Entscheidung ist das kriminalprognostische Gutachten vom 07.09.2010 eingeholt worden. Hierauf bezieht sich auch der Beschluss der Strafvollstreckungskammer. Schon aufgrund der oben dargelegten Mängel des Gutachtens misst der Senat diesem für das Ausweisungsverfahren ebenfalls keine relevante Bedeutung zu. Selbst wenn man im Übrigen der Auffassung wäre, für die Aussetzungsentscheidung sei das Gutachten letztlich nicht entscheidend gewesen, weil die Strafvollstreckungskammer aufgrund selbstständiger Prüfung zu dem Ergebnis gelangt sei, der Strafrest werde noch vor Verbüßung von zwei Dritteln der verhängten Strafe nach § 57 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 StGB zur Bewährung ausgesetzt, ist die strafvollstreckungsrechtliche Einschätzung für die Beurteilung der ordnungsrechtlichen Wiederholungsgefahr nicht maßgebend. Dies gilt schon deshalb, weil die im Ausweisungsverfahren nunmehr verfügbaren Erkenntnisse die dort getroffenen Annahmen und Einschätzungen nicht mehr ohne weiteres plausibel und nachvollziehbar erscheinen lassen. So hat der Kläger in seiner Anhörung bei der Strafvollstreckungskammer am 21.10.2010 ungeachtet dessen, dass die Beziehung mit seiner damaligen Verlobten jedenfalls schon erheblich in die Krise geraten war und er sich - wie aus der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Bestätigung des Vermieters von Frau D. vom 08.04.2011 ersichtlich - schon seit Oktober 2010 des Öfteren bei dieser aufgehalten hat, erneut den Eindruck erweckt, in einer stabil erscheinenden Beziehung mit einer türkischen Verlobten zu leben. Dies ist auch Grundlage des Beschlusses der Strafvollstreckungskammer geworden. Darüber hinaus ist der Senat aufgrund der ihm in dem für die Beurteilung der Ausweisung maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt vorliegenden Erkenntnisse, insbesondere des aufgrund der mehrstündigen mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindrucks vom Kläger, nicht davon überzeugt, dass sich der Kläger glaubhaft mit seiner kriminellen Vergangenheit auseinandergesetzt, sich von dieser distanziert und einen nachhaltigen Gesinnungswandel durchlaufen hat, an dessen Ende ein zukünftig straffreies Leben steht.
c.)
83 
Der Senat ist der Überzeugung, dass der Kläger ungeachtet dessen, dass seit der letzten Tat etwa 6 Jahre vergangen sind und er einen mehrjährigen auf Resozialisierung ausgerichteten Gefängnisaufenthalt hinter sich hat, keine solche Persönlichkeitswandlung und Verhaltensänderung durchlaufen hat, die in Anbetracht von Art und Ausmaß der von ihm begangenen Betäubungsmitteldelikte verlässlich den Schluss zulassen würde, er werde voraussichtlich in Zukunft nicht mehr (in vergleichbarer Weise) straffällig.
84 
Entgegen der Auffassung des Klägers ist aus seiner Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden nicht auf einen „Bruch“ mit vergangenen kriminellen Strukturen und entsprechender Reue zu schließen, die ein zukünftig rechtstreues Leben nahelegen. Zwar konnten aufgrund der Angaben des Klägers und des „Bandenchefs“ ... Y. etwa 90 Ermittlungsverfahren eingeleitet werden, die zu teilweise langen Freiheitsstrafen führten. Dies hat die Staatsanwaltschaft Stuttgart mit Schreiben vom 28.03.2011 gegenüber dem Senat ausdrücklich bestätigt. Hervorzuheben ist auch, dass der Kläger über eigene Straftaten in den Niederlanden berichtete, über die die Ermittler im Vorfeld seiner Angaben keinerlei Erkenntnisse hatten. Nach dem Vermerk des Zeugen KHK K. vom 13.03.2006 teilte der Kläger ihm erstmals am 08.03.2006 mit, dass er aus der Zeit in den Niederlanden noch etwas zu „beichten“ habe. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart führte in ihrer Einstellungsverfügung vom 16.03.2007 nach § 154 StPO unter anderem aus, dass die Feststellungen zum Gesamtumfang der Tat allein auf den Angaben des Klägers beruhten und ihm ohne sein Geständnis nicht hätten nachgewiesen werden können. Darüber hinaus habe er seine Lieferanten und Abnehmer namentlich benannt und durch seine Angabe - auch in den jeweiligen Hauptverhandlungen - dazu beigetragen, dass ein Großteil dieser Personen habe abgeurteilt werden können, so dass ihm in ganz erheblichem Maße die Strafmilderung des § 31 BtMG zu Gute komme.
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Allerdings führt eine Aufklärungshilfe, die zur Überführung anderer Rauschgifthändler beigetragen hat, nicht zwingend zu einer prognostisch günstigen Beurteilung der Wiederholungsgefahr bei einem wegen illegalen Rauschgifthandels Verurteilten (BVerwG, Urteil vom 06.04.1989 - 1 C 70.86 - BVerwGE 81, 356 und Beschluss vom 04.09.1992 - 1 B 155.92 - InfAuslR 1993, 11); maßgebend sind vielmehr die konkreten Umstände des Einzelfalls (vgl. auch GK-AufenthG, Vor §§ 53 ff. Rn. 1188 ff.). Aus der Existenz und der Anwendung von § 31 BtMG durch die Staatsanwaltschaft in ihren Einstellungsverfügungen ergibt sich nichts anderes. Das kriminalpolitische Ziel des § 31 BtMG besteht unter anderem darin, das Aufbrechen von Banden und kriminellen Vereinigungen zu ermöglichen, die strafrechtliche Verfolgung begangener Betäubungsmittelstraftaten zu verbessern und es dem einzelnen Täter zu erleichtern, sich von dem illegalen Rauschgifthandel abzusetzen. Auf die Motivation der Aufklärungshilfe kommt es nicht an (BGH, Urteil vom 19.05.2010 - 2 StR 102/10 - juris und Beschluss vom 20.06.1990 - 3 StR 74/90 - juris). Mit Moral hat § 31 BtMG nichts zu tun. Die Privilegierung knüpft allein daran an, dass aufgrund der Offenbarung des Täters tatsächlich ein Aufklärungserfolg über seinen Tatbeitrag hinaus eingetreten ist (vgl. näher Weber, BtMG, 3. Aufl. 2009, § 31 Rn. 7 f., 16 f). § 31 BtMG kommt daher auch dann in Betracht, wenn der Täter seine Tat nicht bereut und auch zu einer Lebensumkehr nicht bereit ist (Weber, a.a.O., Rn. 65). Ausgehend von ihren Zielen ist diese Vorschrift in ihrem Anwendungsbereich auf das Strafrecht beschränkt; sie enthält keinen darüber hinaus gehenden allgemeinen Rechtsgedanken, der auch im Ausweisungsrecht Beachtung finden müsste.
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Der Senat ist der Überzeugung, dass die ab 15.11.2005 gezeigte Aussagebereitschaft des Klägers, die zunächst zu seinem Geständnis kurz vor der Hauptverhandlung am 24.11.2005 führte sowie ab Januar 2006 zu umfangreichen Angaben über Lieferanten, Abnehmer und Hintermänner, nicht auf einem grundlegenden Gesinnungswandel beruhte, insbesondere aus der Erkenntnis heraus, welchen immensen gesellschaftlichen und menschlichen Schäden er durch seine Delikte angerichtet hatte, sondern deshalb erfolgte, um sich persönliche Vorteile zu verschaffen - vor allem mit Blick auf eine Strafmilderung und vorzeitige Beendigung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe. Der Kläger äußerte dem Aktenvermerk des Zeugen KHK K. vom 18.11.2005 zufolge vor seiner Vernehmung am 16.11.2005 unter anderem, dass er seine Strafe so niedrig wie möglich halten und schnellstmöglich aus der JVA herauskommen wolle. Aus den polizeilichen Protokollen sowie Vorgängen in den Gefangenenpersonalakten ergibt sich, dass der Kläger in den Jahren 2006 und 2007 immer wieder darauf hingewiesen habe, er wolle so schnell wie möglich aus dem Gefängnis kommen bzw. so schnell wie möglich abgeschoben werden. So heißt es in einem Protokoll der JVA ... vom 09.10.2006 anlässlich der Fortschreibung des Vollzugsplans, der Kläger strebe eine zügige Abschiebung an. Auch zwischen dem Verteidiger des Klägers und der Staatsanwaltschaft Stuttgart gab es im Juli 2007 Kontakte, ob im Hinblick auf die „Verdienste“ des Klägers bereits vor dem Halbstrafenzeitpunkt nach § 456a StPO verfahren werden könnte (vgl. näher die mit Schreiben vom 28.03.2011 vorgelegten Aktenvermerke der Staatsanwaltschaft vom 17., 30. und 31.07.2005). Vor dem Hintergrund dieser Abläufe stellt sich die Aussagebereitschaft des Klägers als eine „Leistung“ in der unterschwelligen Erwartung einer „Gegenleistung“ dar. Auch ... Y. äußerte sich im Übrigen in seiner Zeugenvernehmung vom 07.03.2008 dahingehend, der Kläger habe sich persönlich erhofft, nach seinen Aussagen entlassen zu werden.
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Hinzukommt, dass uneigennützige Motive hinsichtlich der weiteren Angaben des Klägers zu seinen „Hinterleuten“ bei KHK K. auch deshalb nicht auf der Hand liegen, weil die weitere Bereitschaft des Klägers, in anderen Ermittlungsverfahren Angaben zu machen, Teil der dem Urteil zugrunde liegenden Absprache zwischen den Beteiligten war. Dies ergibt sich aus dem Protokoll über die Hauptverhandlung des Landgerichts vom 24.11.2005 sowie aus dem Aktenvermerk der Staatsanwaltschaft Stuttgart ebenfalls vom 24.11.2005.
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Wären die umfangreichen Angaben des Klägers zu Beginn oder jedenfalls ab einem späteren Zeitpunkt von Reue und Einsicht in das immense Unrecht seiner Tat getragen gewesen, so hätte es nahe gelegen, dies im Zusammenhang mit den Vernehmungen zu offenbaren. Weder in den Straf- noch in den Ermittlungsakten in den Verfahren 221 Js 26457/06 und 221 Js 45897/08 finden sich entsprechende Hinweise auf solche die Angaben auslösende oder sie jedenfalls begleitende „Regungen“ beim Kläger. Auch der den Kläger immer wieder vernehmende Beamte KHK. K. hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat keine Anhaltspunkte für ein uneigennütziges Aussageverhalten nennen können. Bezeichnenderweise wertete die Strafkammer das Geständnis des Klägers ausschließlich unter dem Aspekt der „nennenswerten Verfahrensabkürzung“ zu seinen Gunsten, von „Reue“ oder „Umkehr“ ist in den Strafzumessungserwägungen des Strafgerichts nicht die Rede.
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Dass seinem Aussageverhalten eigennützige Motive - und nicht eine im Strafvollzug gewonnene Erkenntnis über die Gefährlichkeit des Rauschgifts für die Gesundheit des Einzelnen - zugrunde liegen, zeigt sich vor allem auch an der Belastung seiner früheren Freundin ... V. Diese schonte er in den guten Tagen der Beziehung. Erst als das Verhältnis zerbrochen war und sie ihn mit falschen Verdächtigungen konfrontierte, zeigte er sie unmittelbar darauf am 27.02.2008 telefonisch und am 04.03.2008 förmlich wegen eines Kokain-Geschäftes an. Als Grund, warum er „jetzt nach fast vier Jahren mit dieser Geschichte herauskomme“, nannte er in seiner Vernehmung vom 04.03.2008, dass „sie ihm jetzt das Leben mit ihren Lügen schwer mache, er nichts mehr von ihr wissen wolle und er zu seinem eigenen Schutz jetzt die Geschichte erzähle“. Mit Einsicht in das Unrecht seiner früheren Tat hat diese Aussage nichts zu tun. Mit Verfügung vom 13.02.2009 - 221 Js 45897/08 - sah die Staatsanwaltschaft Stuttgart ihm gegenüber nach § 154 StPO von der Erhebung der öffentlichen Klage ab. Das Amtsgericht Stuttgart verurteilte Frau V. am 24.06.2009 rechtkräftig zu einer Jugendstrafe von 18 Monate auf Bewährung.
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Auch im Übrigen sind keine greifbaren Anhaltspunkte dafür gegeben, dass sich der Kläger qualifiziert mit seiner schwerwiegenden Kriminalität und den dadurch angerichteten Schäden auseinandersetzt und hieraus Schlüsse für seine weitere Lebensführung abgeleitet hat. Eine solche einem Gesinnungs- und Persönlichkeitswandel regelmäßig vorausgehende „Bilanzierung“ ist im Regelfall ein längerer Prozess, der im Gefängnis auch üblicherweise durch den Psychologischen Dienst begleitet wird. Aus den beigezogenen und vollständigen Gefangenenpersonalakten ergeben sich aber keine Erkenntnisse dafür, dass eine Aufarbeitung des Fehlverhaltens betreffende qualifizierte psychologische Gespräche mit dem Kläger geführt worden wären. Wie dem Senat aus anderen Ausweisungsverfahren bekannt ist, wird die Tatsache, dass solche Gespräche erfolgen, in der Gefangenenpersonalakte festgehalten. Zwar hat der Kläger angegeben, mit dem Psychologen M. in der Justizvollzugsanstalt Gespräche geführt zu haben. Auf Nachfrage des Senats hat dieser in seinem Schreiben vom 30.03.2011 mitgeteilt, mit dem Kläger mehrere Gespräche (Einzelgespräche) geführt zu haben, könne aber mangels Aufzeichnungen nichts mehr über den Inhalt oder die Frequenz sagen. Dies sowie das Fehlen jeglicher Dokumentation über eine Tataufarbeitung in den Gefangenenpersonalakten lässt den Schluss zu, dass es sich hierbei nur um „Alltagsgespräche“ zur Unterstützung des Klägers im Strafvollzug gehandelt haben kann.
91 
Nach der Überzeugung des Senats ist die in der begangenen Rauschgiftkriminalität angelegte erhebliche Wiederholungsgefahr, die vor allem aus dem Ausmaß der Taten und der diesen zugrunde liegenden Motivation herrührt, nicht dadurch relativiert, dass sich der Kläger im Strafvollzug beanstandungsfrei geführt und diesen effizient zur Weiterbildung genutzt hat. Ein solches Verhalten lässt noch nicht auf einen dauerhaften Wandel schließen. Für den Umstand, dass der Kläger in seiner bisherigen kurzen Bewährungszeit nicht negativ aufgefallen ist, gilt entsprechendes. Auch die Lebensumstände des Klägers nach seiner Haftentlassung sind keine grundlegend anderen als diejenigen, die vor seinem Einstieg in die Drogenstraftaten vorlegen haben, wobei die immense Schuldenbelastung sogar ein zusätzlicher negativer Faktor ist. Der Kläger selbst gibt im Zusammenhang mit der Prüfung der Strafrestaussetzung und im Ausweisungsverfahren an, er habe erkannt, dass er sehr viel falsch gemacht habe. Er habe aus Geldgier andere Menschen vergiftet. Er habe sich vor allem durch die Hafterfahrung geändert und verfolge jetzt andere Ziele. Seine Familie sei ihm wichtig, er habe jetzt eine andere Weltanschauung. Diesen verbalen Bekundungen misst der Senat aber kein besonderes Gewicht zu, denn die Angaben des Klägers zeichnen sich in weiten Teilen dadurch aus, dass er für eine positive Veränderung der Lebensumstände und einen nachhaltigen Gesinnungswandel durchaus relevante Tatsachen schönt oder sogar bewusst unwahr angibt und Negatives bagatellisiert. Diese Tendenz hat sich insbesondere bei seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gezeigt. So ist es auffällig, dass der Kläger im August 2010 gegenüber der Gutachterin angegeben hat, zu früheren Freunden keinen Kontakt mehr zu haben und diesen auch nicht mehr haben zu wollen. Im Widerspruch dazu hat er ein früheres Bandenmitglied als „Trauzeugen“ anlässlich des Heiratsvertrags vom 12.02.2011 gewählt und dies in seiner Anhörung damit begründet, es handele sich bei diesem eben um einen vertrauten Freund seit seiner Kindheit, der kein schlechter Mensch sei. Auch bei der im Rahmen des „sozialen Empfangsraums“ relevanten Stabilität einer Beziehung hat der Kläger unzutreffende Angaben gemacht und eine frühere Beziehung, die ein ungünstiges Licht auf ihn werfen könnte, sogar ganz verschwiegen. Bemerkenswert ist ferner, dass er auf Frage nach Art und Umfang des gehandelten Rauschgifts dies von sich aus zunächst nicht zutreffend angegeben hat und auch auf Nachfrage hin in erster Linie auf die Aufzeichnungen des Zeugen KHK K. verwiesen hat. Den Ausgangspunkt seiner Straftaten sieht der Kläger darin, dass „er auf den gehört hat, auf den er nicht hören sollte“, und er „als der ... Y. ihn gefragt habe, ob er ihm helfen könne, da halt so reingerutscht sei“. Was das gegen ihn verhängte Strafmaß aufgrund des ausgehandelten Urteils anbelangt, so hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung von sich aus geäußert, „er könne wirklich nicht sagen, dass er durch seine Angaben eine Strafermäßigung bekommen habe; der Kopf der Bande habe zehn Jahre bekommen, er - angesehen als seine rechte Hand - neun Jahre; da sehe er keine Strafmaßminderung“. Diese beispielhaft aufgeführten Äußerungen deuten nicht nur darauf hin, dass er sich bis heute mit seinem kriminellen Verhalten nicht adäquat auseinandergesetzt hat, sondern zeigen auch, dass seine verbalen Bekundungen keine verlässliche Grundlage für die Annahme eines dauerhaften Wandels sind. Die Gefahr, dass der Kläger zukünftig in Verfolgung eigennütziger Ziele erneut der Versuchung des „schnellen Geldes“ unterliegen kann, besteht daher nach wie vor.
3.)
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Hinsichtlich der „Boultif/Üner-Kriterien“, die sich auf das Privat- und Familienleben beziehen, ist zunächst festzustellen, dass sich der Kläger - mit Ausnahme der Zeit von Anfang April 2004 bis 12.08.2005 - seit seiner Geburt im Oktober 1981 bis heute in Deutschland aufhält und damit - den Aufenthalt in den Niederlanden abgezogen - tatsächlich etwa 28 Jahre hier verbracht hat. Nahezu 23 Jahre, nämlich bis April 2004, ist der Aufenthalt rechtmäßig gewesen. Er beherrscht die deutsche Sprache in Wort und Schrift und hat seine gesamte Erziehung und Sozialisation im Bundesgebiet erfahren. Hier leben seine mittlerweile verwitwete Mutter und seine Geschwister sowie deren Familien. Er hat nach dem altersentsprechenden Erwerb des Hauptschulabschlusses eine Berufungsausbildung erfolgreich absolviert und in unmittelbarem Anschluss hieran ein Arbeitsverhältnis in dem erlernten Beruf aufgenommen. Die Verbindung zum Arbeitsmarkt hat er jedoch von sich aus gelöst, indem er im großen Stil in den Drogenhandel eingestiegen ist. Derzeit durchläuft er eine staatlich geförderte berufliche Weiterbildung zum Mediengestalter Digital und Print - Fachrichtung Gestaltung und Technik, die mit einem allgemein anerkannten Abschluss endet wird. Die dem Senat vorliegenden Zeugnisse deuten darauf hin, dass er seine Prüfungen im Sommer diesen Jahres voraussichtlich bestehen wird. Auf die Schulden in Höhe von nach wie vor weit über 800.000 EUR aufgrund des im Strafurteil angeordneten Verfalls des Wertersatzes, leistet der Kläger seit Anfang 2007 kontinuierlich monatliche Zahlungen, die regelmäßig an seine wirtschaftlichen Verhältnisse angepasst werden. Ob die sich aus dem Schreiben der Staatsanwaltschaft Stuttgart - Vermögensabschöpfung - vom 03.02.2011 ergebende Perspektive, möglicherweise nach Ablauf seiner Bewährungszeit die Vollstreckung aus der Verfallsanordnung erlassen zu bekommen, realisiert wird, ist offen.
93 
Die Kontakte zwischen dem Kläger und seinen Brüdern entsprechen dem unter Erwachsenen Üblichen. Der Kläger hat entsprechend der Auflage im Bewährungsbeschluss zunächst nach seiner Haftentlassung bei seiner Mutter gelebt, mittlerweile hält er sich jedoch tatsächlich bei seiner neuen Partnerin auf, die über eine Niederlassungserlaubnis nach § 35 AufenthG verfügt. Allerdings hilft er noch bei der Pflege seiner Mutter, indem er sie zum Arzt fährt oder die Einkäufe organisiert. Hilfe bei der eigentlichen Körperpflege leistet er keine, da er – wie er in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat – dies als Mann nicht gegenüber seiner Mutter erbringen könne. Mit seiner jetzigen Partnerin, die 1981 im Bundesgebiet geboren ist und einen serbischen Reisepass hat, sowie deren vier und acht Jahre alten Kindern aus einer früheren Beziehung lebt er seit November 2010 in familiärer Lebensgemeinschaft. Eine standesamtliche Heirat streben beide an, sobald die hierfür erforderlichen Unterlagen vollständig vorliegen, wobei nach den Angaben des Klägers nur noch Dokumente von Frau D. aus dem Kosovo fehlen. Der Senat geht davon aus, dass der Kläger insbesondere auch zu dem im Juni 2006 geborenen Sohn von Frau D. eine enge Beziehung aufgebaut hat und er - wie sich aus dem vorgelegten Schreiben des Kindergartens vom 12.04.2011 ergibt - einen positiven Einfluss auf diesen hat. Auch der Bewährungshelfer führt in seiner Stellungnahme vom 01.04.2011 aus, nach seiner eigenen Beobachtung fühlten sich die Kinder mit dem Kläger sehr wohl und pflegten einen vertrauten Umgang mit ihm. Aus den Erklärungen des Klägers und seiner Partnerin im Berufungsverfahren ergibt sich, dass ihre familiäre Lebensgemeinschaft fortgeführt und intensiviert werden soll; beide wollen nach einer Fehlgeburt weiterhin ein gemeinsames Kind.
4.)
94 
In dem Land seiner Staatsangehörigkeit hat der Kläger bislang noch keinen Lebensmittelpunkt gehabt. Er kennt die Türkei allerdings aus Besuchs- und Urlaubsreisen. Nach seinen Angaben sei seine früher in Kayseri lebende Großmutter mittlerweile verstorben, zuletzt sei er mit einer damaligen Freundin 2002 in Alanya gewesen. Der Kläger beherrscht alltagstauglich Türkisch in Wort und Schrift. Wie die Protokolle aus der Überwachung der Telekommunikation zeigen, ist innerhalb der Familie Türkisch benutzt worden. Teilweise gilt dies auch für die Abwicklung der Rauschgiftgeschäfte; sowohl unter den Bandenmitgliedern als auch unter den Lieferanten und Abnehmern haben sich türkischstämmige Personen befunden. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat letztlich auch eingeräumt, Türkisch in einer Weise zu sprechen und schreiben, die es ihm ermöglicht, sich dort zurecht zu finden. Aus der Beschreibung seiner Verlobungsfeier anlässlich des Untersuchungstermins bei der Gutachterin ergibt sich ferner, dass er türkische Bräuche und die dadurch vermittelte Tradition als wertvoll erlebt. Dass der Kläger in der Vergangenheit einem Leben in der Türkei nicht ablehnend gegenüber gestanden ist, verdeutlichen auch die Bemühungen seines damaligen Strafverteidigers um eine „Freigabe“ zur Abschiebung noch vor dem Halbstrafenzeitpunkt und auch die entsprechenden eigenen Äußerungen des Klägers, wonach er eine zügige Abschiebung in die Türkei anstrebe. Dies liegt „in einer Linie“ mit der jedenfalls im Mai 2005 auch nach außen verkündeten Absicht, in die Türkei zu gehen.
5.)
95 
Unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls erweist sich die unbefristet verfügte Ausweisung des Klägers auch in Ansehung der Tatsache, dass er die für sein Privat- und Familienleben konstitutiven Bindungen dauerhaft verlieren wird, aufgrund der besonderen Schwere des Ausweisungsanlasses und der nach wie vor von ihm ausgehenden Gefahr sowie der Zumutbarkeit der Verweisung auf ein Leben in der Türkei als verhältnismäßig. Zwar wird der Kläger nicht mehr in den Alltagsablauf seiner pflegebedürftigen Mutter eingebunden sein; eine Übernahme der bisher durch ihn erbrachten Hilfestellungen, bei denen es sich im Übrigen nicht um direkte pflegerische Leistungen handelt, durch andere Personen, insbesondere hier lebende Brüder, ist jedoch möglich. Dass eine Beendigung des Aufenthalts des Klägers im Bundesgebiet nicht nur für ihn, sondern für alle Familienangehörigen und auch für seine jetzige Partnerin und deren Kinder, die gerade erst eine Beziehung zu ihm aufgebaut haben, mit einer Härte verbunden ist, liegt auf der Hand. Allerdings kommt den neuen, ohnehin erst seit wenigen Monaten praktizierten, Bindungen zu Frau D. und deren Kindern ohnehin kein qualifizierter Schutz zu, weil sie in Kenntnis des laufenden Ausweisungsverfahrens eingegangen worden sind. Auch ist der Kläger weder der Vater der Kinder noch hat er mit seiner Partnerin eine nach deutschen Recht anerkannte Ehe geschlossen. Der Kläger wird auch seine beruflichen und sozialen Positionen und Kontakte und all das, was sein Privatleben letztlich ausmacht, durch eine Aufenthaltsbeendigung unwiederbringlich verlieren. Dies ist ihm jedoch aufgrund des öffentlichen Interesses an seiner Ausweisung und der Tatsache, dass ihm ein Einleben in die ihm nicht gänzlich unbekannten Verhältnisse in der Türkei möglich ist, zuzumuten - zumal er schon seit seiner Überstellung aus den Niederlanden im August 2005 nicht mehr über einen legalen Aufenthalt im Bundesgebiet verfügt und er im Übrigen damals von sich aus durch seine Flucht seine Bindungen an das Bundesgebiet gelöst hat.
96 
Der Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit gebietet es ebenfalls nicht, schon zum Zeitpunkt der Ausweisung deren Wirkungen zu befristen. Aufgrund des Ausmaßes der vom Kläger ausgehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung und ihrer derzeit nicht sicher zu prognostizierenden zukünftigen Entwicklung muss eine Befristung einem späteren Zeitpunkt vorbehalten bleiben. Das insoweit eher gering anzusiedelnde Gewicht der Interessen des Ausländers und seiner Angehörigen erfordert keine andere Entscheidung.
97 
Ob aufgrund der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. EU L 348/2008, S. 98 ff.), die nach Ablauf der Umsetzungsfrist am 24. Dezember 2010 inzwischen unmittelbar anwendbar ist, jedenfalls mit Blick auf die Tatsache, dass sich der Kläger schon seit August 2005 nicht mehr rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und die Legalität des Aufenthalts daher nicht unmittelbar durch die Ausweisung beendet wird, die Wirkungen des Einreiseverbots schon jetzt und von Amts wegen zu befristen wären, kann dahin gestellt bleiben. Denn eine „Rückkehrentscheidung“ im Sinne des Art. 6 und Art. 3 Nr. 4 der Richtlinie, die im Falle des gesetzlichen Erlöschens des Aufenthaltsrechts funktionell in der Abschiebungsandrohung liegt, ist nicht Gegenstand der Entscheidung im Berufungsverfahren.
IV.)
98 
Unabhängig hiervon erweist sich eine Ausweisung des Klägers nach § 53 AufenthG aus dem dieser Bestimmung selbstständig neben der Spezialprävention zugrunde liegenden Zweck der Generalprävention selbst mit Blick darauf, dass es sich beim ihm um einen hier geborenen und aufgewachsenen Ausländer der zweiten Generation handelt, als verhältnismäßig (Art. 8 EMRK sowie Art. 2 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 GG).
99 
Der Gesetzgeber hat in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Ist-Ausweisung nach § 47 Abs. 1 AuslG 1990, wonach diese auch zu einem generalpräventiven Einschreiten ermächtigt (BVerwG, Beschluss vom 30.12.1993 - 1 B 185.93 - juris Rn. 4 f. unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung zu §§ 45 ff. AuslG 1990 ), die Vorschrift inhaltlich in das Aufenthaltsgesetz übernommen und damit im Rahmen der ihm zustehenden Einschätzungs- und Wertungsprärogative zur Notwendigkeit und Wirksamkeit der Generalprävention § 53 AufenthG auch diesen Ausweisungszweck stillschweigend zugrunde gelegt (vgl. GK-AufenthG § 53 Rn. 22 f., Vor §§ 53 ff. Rn. 1300.2). Zwar hat der Senat mit Urteil vom 18.03.2011 (11 S 2/11 - juris) entschieden, dass seit Inkrafttreten des EU-Reformvertrags von Lissabon am 01.12.2009 eine Ausweisung bei in Deutschland nachhaltig „verwurzelten“ Ausländern in der Regel nicht mehr tragend generalpräventiv begründet werden kann. Er hat jedoch in den Urteilsgründen auch ausgeführt, dies könne allerdings ausnahmsweise dann zulässig sein, wenn eine ganz besonders schwerwiegende Straftat verwirklicht worden ist, die in erheblichem Maße die Interessen des Staates oder der Gesellschaft gefährdet. Gemessen hieran steht Art. 8 EMRK in Ansehung der Bindungen des Klägers im Bundesgebiet einer generalpräventiv motivierten Ausweisung nicht entgegen, weil die von ihm verwirklichte schwerwiegende bandenmäßige Betäubungsmittelkriminalität in einem erheblichen Maße die Interessen des Staates bzw. der Gesellschaft gefährdet und im konkreten Fall das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung zur Bekämpfung des illegalen Drogenhandels sein Privatinteresse an einem weiteren Verbleib überwiegt.
1.)
100 
Der der zwingenden Ausweisung nach § 53 AufenthG innewohnende Zweck, andere Ausländer von der Begehung vergleichbarer Straftaten abzuhalten, ist im vorliegenden Fall entgegen der Auffassung des Klägers nicht in einer die Verhältnismäßigkeit berührenden Weise schon dadurch entwertet oder gemindert, dass die Ausweisung bis heute nicht vollzogen ist, andere Bandenmitglieder nicht ausgewiesen worden sind bzw. eine generalpräventive Ausweisung im Kampf gegen die Betäubungsmittelkriminalität ein Fremdkörper in dem durch die strafrechtliche Anerkennung von Aufklärungshilfen geprägten System wäre.
101 
Unter dem zeitlichen Gesichtspunkt kommt es nur darauf an, dass die Ausländerbehörde im Rahmen der Erfordernisse des Verwaltungsverfahrens die Ausweisung zeitnah verfügt. (vgl. hierzu auch VGH Bad.-Württ. Urteil vom 26.07.2001 - 13 S 2401/99 - juris Rn. 29). Das Regierungspräsidium leitete bereits am 25.08.2005 das Ausweisungsverfahren ein, gab dem Prozessbevollmächtigten des Klägers nach Erhalt des Strafurteils am 02.03.2006 Gelegenheit zur Stellungnahme und erließ am 04.10.2006 und damit ohne zeitliche Verzögerung die Ausweisungsverfügung. Dass diese bis heute nicht vollzogen ist und die Generalprävention erst aufgrund der Erkenntnis, dass der Kläger seine Rechte aus dem ARB 1/80 verloren hat, „ins Spiel kommt“, ist Konsequenz des Rechtsschutzsystems und steht als solches der Eignung der generalpräventiven Wirkung nicht entgegen. Die Verhältnismäßigkeit wird im konkreten Fall auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass der „Bandenchef“ Hadi Y., der es im Gegensatz zum Kläger nicht abgelehnt hat, in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen zu werden, und auch die Brüder des Klägers N. und M., die Rechtsstellungen nach dem ARB 1/80 besitzen, nach wie vor in Deutschland leben. Die gegen die Brüder ergangenen Ausweisungsverfügungen des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 28.04.2005 bzw. 03.05.2005 sind vom Verwaltungsgericht Stuttgart mit Urteilen vom 22.02.2006 - 16 K 1744/05 - und vom 05.07.2006 - 16 K 1821/05 - wegen eines formellen Fehlers rechtskräftig aufgehoben worden. Die Fälle sind schon aufgrund der unterschiedlichen Sachverhalte und der jeweils einschlägigen Rechtsgrundlagen nicht mit der hier vorliegenden Konstellation vergleichbar. Was schließlich den Einwand der fehlenden „Systemkonformität“ von Ausweisung und Aufklärungshilfe nach § 31 BtMG anbelangt, so kommt dem schon deshalb keine Bedeutung zu, weil sich der Gesetzgeber in Kenntnis des im Prinzip seit 1982 geltenden § 31 BtMG (Weber, BtMG, a.a.O., § 31 Rn. 4) zu einer Verschärfung des Ausweisungsrechts gerade im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität entschlossen hat. Das Verbrechensbekämpfungsgesetz vom 28.10.1994 schuf in § 47 Abs. 1 Nr. 3 AuslG eine zwingende Ausweisung wegen einer vorsätzlichen Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz, um dem aus dem Interesse an konsequenter Bekämpfung der Drogenkriminalität hergeleiteten Grundsatz Rechnung zu tragen, dass ausländische Drogentäter ihr Aufenthaltsrecht verwirken und aus dem Bundesgebiet ausgewiesen werden (so die Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drs. 12/6853, S. 30). Der Gesetzgeber hat die Konsequenzen und die Anerkennung geleisteter Aufklärungshilfe nach Maßgabe des § 31 BtMG - wie in der Systematik angelegt - grundsätzlich auf das Strafrecht beschränkt.
2.)
102 
Auch Art. 8 EMRK hindert im vorliegenden Fall nicht daran, den Kläger aus generalpräventiven Gründen auszuweisen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte steht der Generalprävention als Ausweisungszweck zwar grundsätzlich kritisch gegenüber (Senatsurteil vom 18.03.2011 - 11 S 2/11 - juris Rn. 28), hat deren Zulässigkeit aber bisher nicht ausdrücklich verneint, sondern dies vielmehr als einen Aspekt der Einzelfallprüfung behandelt (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 06.12.2007 - Nr. 69735/01 - InfAuslR 2008, 111 und vom 28.06.2007 - Nr. 31753/02 - InfAuslR 2007, 325; näher Hoppe, Neuere Tendenzen in der Rechtsprechung zur Aufenthaltsbeendigung - gibt es eine gemeinsame Linie in den Entscheidungen von EGMR, EuGH und BVerfG?, ZAR 2008, 251, 253 m.w.N.). Der Gerichtshof betont in seiner Rechtsprechung die verheerenden Folgen von Drogen auf das Leben der Menschen und „hat Verständnis dafür, dass die Behörden mit großer Bestimmtheit gegen jene vorgehen, die aktiv zur Verbreitung dieser Plage beitragen“ (EGMR, Urteil vom 12.01.2010 - Nr. 47486/06 - ). Speziell was den bandenmäßigen Handel mit Betäubungsmittel anbelangt, hat der EuGH in dem zur Unionsbürgerrichtlinie ergangenen Urteil vom 23.11.2010 (C-145/09 - Rn. 46 ff.) darauf verwiesen, dass dieser eine diffuse Kriminalität darstelle, die mit beeindruckenden wirtschaftlichen und operativen Mitteln ausgestattet sei und sehr häufig über internationale Verbindungen verfüge. Angesichts seiner verheerenden Folgen sei mit dem illegalen Drogenhandel eine Bedrohung der Gesundheit, Sicherheit und Lebensqualität der Unionsbürger sowie der legalen Wirtschaftstätigkeit, der Stabilität und der Sicherheit der Mitgliedstaaten verbunden.
103 
Aufgrund der oben im Einzelnen dargelegten Intensität und des Umfangs des bandenmäßigen Drogenhandels, der im konkreten Fall auch mit den typischen Gefahren der Rauschgiftkriminalität tatsächlich verbunden gewesen ist, erweist sich die generalpräventive Ausweisung des Klägers, der in diesem illegalen „Geflecht“ eine führende Stellung eingenommen hat, unter Berücksichtigung seiner persönlichen Belange und dem Interesse an einer weiteren Lebensführung im Bundesgebiet (vgl. insoweit oben unter III.) als verhältnismäßig.
V.)
104 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 2 Satz 1, 155 Abs. 1 Satz 3 154 Abs. 2 VwGO.
105 
Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
106 
Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, ist das Urteil unanfechtbar.
107 
Beschluss vom 15. April 2011
108 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gem. § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
109 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Ein Ausländer ist zur Ausreise verpflichtet, wenn er einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzt und ein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei nicht oder nicht mehr besteht.

(2) Der Ausländer hat das Bundesgebiet unverzüglich oder, wenn ihm eine Ausreisefrist gesetzt ist, bis zum Ablauf der Frist zu verlassen.

(2a) (weggefallen)

(3) Durch die Einreise in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einen anderen Schengen-Staat genügt der Ausländer seiner Ausreisepflicht nur, wenn ihm Einreise und Aufenthalt dort erlaubt sind. Liegen diese Voraussetzungen vor, ist der ausreisepflichtige Ausländer aufzufordern, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben.

(4) Ein ausreisepflichtiger Ausländer, der seine Wohnung wechseln oder den Bezirk der Ausländerbehörde für mehr als drei Tage verlassen will, hat dies der Ausländerbehörde vorher anzuzeigen.

(5) Der Pass oder Passersatz eines ausreisepflichtigen Ausländers soll bis zu dessen Ausreise in Verwahrung genommen werden.

(6) Ein Ausländer kann zum Zweck der Aufenthaltsbeendigung in den Fahndungshilfsmitteln der Polizei zur Aufenthaltsermittlung und Festnahme ausgeschrieben werden, wenn sein Aufenthalt unbekannt ist. Ein Ausländer, gegen den ein Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 besteht, kann zum Zweck der Einreiseverweigerung zur Zurückweisung und für den Fall des Antreffens im Bundesgebiet zur Festnahme ausgeschrieben werden. Für Ausländer, die gemäß § 15a verteilt worden sind, gilt § 66 des Asylgesetzes entsprechend.

(1) Die Einreise eines Ausländers in das Bundesgebiet ist unerlaubt, wenn er

1.
einen erforderlichen Pass oder Passersatz gemäß § 3 Abs. 1 nicht besitzt,
2.
den nach § 4 erforderlichen Aufenthaltstitel nicht besitzt,
2a.
zwar ein nach § 4 erforderliches Visum bei Einreise besitzt, dieses aber durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkt oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichen wurde und deshalb mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen oder annulliert wird, oder
3.
nach § 11 Absatz 1, 6 oder 7 nicht einreisen darf, es sei denn, er besitzt eine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8.

(2) Die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden können Ausnahme-Visa und Passersatzpapiere ausstellen.

(1) Der Ausländer ist abzuschieben, wenn die Ausreisepflicht vollziehbar ist, eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist, und die freiwillige Erfüllung der Ausreisepflicht nicht gesichert ist oder aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eine Überwachung der Ausreise erforderlich erscheint. Bei Eintritt einer der in § 59 Absatz 1 Satz 2 genannten Voraussetzungen innerhalb der Ausreisefrist soll der Ausländer vor deren Ablauf abgeschoben werden.

(1a) Vor der Abschiebung eines unbegleiteten minderjährigen Ausländers hat sich die Behörde zu vergewissern, dass dieser im Rückkehrstaat einem Mitglied seiner Familie, einer zur Personensorge berechtigten Person oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung übergeben wird.

(1b) Ein Ausländer, der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt oder eine entsprechende Rechtsstellung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union innehat und in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union international Schutzberechtigter ist, darf außer in den Fällen des § 60 Absatz 8 Satz 1 nur in den schutzgewährenden Mitgliedstaat abgeschoben werden. § 60 Absatz 2, 3, 5 und 7 bleibt unberührt.

(2) Die Ausreisepflicht ist vollziehbar, wenn der Ausländer

1.
unerlaubt eingereist ist,
2.
noch nicht die erstmalige Erteilung des erforderlichen Aufenthaltstitels oder noch nicht die Verlängerung beantragt hat oder trotz erfolgter Antragstellung der Aufenthalt nicht nach § 81 Abs. 3 als erlaubt oder der Aufenthaltstitel nach § 81 Abs. 4 nicht als fortbestehend gilt oder
3.
auf Grund einer Rückführungsentscheidung eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union gemäß Artikel 3 der Richtlinie 2001/40/EG des Rates vom 28. Mai 2001 über die gegenseitige Anerkennung von Entscheidungen über die Rückführung von Drittstaatsangehörigen (ABl. EG Nr. L 149 S. 34) ausreisepflichtig wird, sofern diese von der zuständigen Behörde anerkannt wird.
Im Übrigen ist die Ausreisepflicht erst vollziehbar, wenn die Versagung des Aufenthaltstitels oder der sonstige Verwaltungsakt, durch den der Ausländer nach § 50 Abs. 1 ausreisepflichtig wird, vollziehbar ist.

(3) Die Überwachung der Ausreise ist insbesondere erforderlich, wenn der Ausländer

1.
sich auf richterliche Anordnung in Haft oder in sonstigem öffentlichen Gewahrsam befindet,
2.
innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nicht ausgereist ist,
3.
auf Grund eines besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 in Verbindung mit § 53 ausgewiesen worden ist,
4.
mittellos ist,
5.
keinen Pass oder Passersatz besitzt,
6.
gegenüber der Ausländerbehörde zum Zweck der Täuschung unrichtige Angaben gemacht oder die Angaben verweigert hat oder
7.
zu erkennen gegeben hat, dass er seiner Ausreisepflicht nicht nachkommen wird.

(4) Die die Abschiebung durchführende Behörde ist befugt, zum Zweck der Abschiebung den Ausländer zum Flughafen oder Grenzübergang zu verbringen und ihn zu diesem Zweck kurzzeitig festzuhalten. Das Festhalten ist auf das zur Durchführung der Abschiebung unvermeidliche Maß zu beschränken.

(5) Soweit der Zweck der Durchführung der Abschiebung es erfordert, kann die die Abschiebung durchführende Behörde die Wohnung des abzuschiebenden Ausländers zu dem Zweck seiner Ergreifung betreten, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass sich der Ausländer dort befindet. Die Wohnung umfasst die Wohn- und Nebenräume, Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume sowie anderes befriedetes Besitztum.

(6) Soweit der Zweck der Durchführung der Abschiebung es erfordert, kann die die Abschiebung durchführende Behörde eine Durchsuchung der Wohnung des abzuschiebenden Ausländers zu dem Zweck seiner Ergreifung vornehmen. Bei anderen Personen sind Durchsuchungen nur zur Ergreifung des abzuschiebenden Ausländers zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass der Ausländer sich in den zu durchsuchenden Räumen befindet. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Zur Nachtzeit darf die Wohnung nur betreten oder durchsucht werden, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass die Ergreifung des Ausländers zum Zweck seiner Abschiebung andernfalls vereitelt wird. Die Organisation der Abschiebung ist keine Tatsache im Sinne von Satz 1.

(8) Durchsuchungen nach Absatz 6 dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die die Abschiebung durchführende Behörde angeordnet werden. Die Annahme von Gefahr im Verzug kann nach Betreten der Wohnung nach Absatz 5 nicht darauf gestützt werden, dass der Ausländer nicht angetroffen wurde.

(9) Der Inhaber der zu durchsuchenden Räume darf der Durchsuchung beiwohnen. Ist er abwesend, so ist, wenn möglich, sein Vertreter oder ein erwachsener Angehöriger, Hausgenosse oder Nachbar hinzuzuziehen. Dem Inhaber oder der in dessen Abwesenheit hinzugezogenen Person ist in den Fällen des Absatzes 6 Satz 2 der Zweck der Durchsuchung vor deren Beginn bekannt zu machen. Über die Durchsuchung ist eine Niederschrift zu fertigen. Sie muss die verantwortliche Dienststelle, Grund, Zeit und Ort der Durchsuchung und, falls keine gerichtliche Anordnung ergangen ist, auch Tatsachen, welche die Annahme einer Gefahr im Verzug begründet haben, enthalten. Dem Wohnungsinhaber oder seinem Vertreter ist auf Verlangen eine Abschrift der Niederschrift auszuhändigen. Ist die Anfertigung der Niederschrift oder die Aushändigung einer Abschrift nach den besonderen Umständen des Falles nicht möglich oder würde sie den Zweck der Durchsuchung gefährden, so sind dem Wohnungsinhaber oder der hinzugezogenen Person lediglich die Durchsuchung unter Angabe der verantwortlichen Dienststelle sowie Zeit und Ort der Durchsuchung schriftlich zu bestätigen.

(10) Weitergehende Regelungen der Länder, die den Regelungsgehalt der Absätze 5 bis 9 betreffen, bleiben unberührt.

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Die Anfechtungsklage muß innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist nach § 68 ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muß die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Dem Ehegatten eines Ausländers ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn

1.
beide Ehegatten das 18. Lebensjahr vollendet haben,
2.
der Ehegatte sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann und
3.
der Ausländer
a)
eine Niederlassungserlaubnis besitzt,
b)
eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt,
c)
eine Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18d, 18f oder § 25 Absatz 1 oder Absatz 2 Satz 1 erste Alternative besitzt,
d)
seit zwei Jahren eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und die Aufenthaltserlaubnis nicht mit einer Nebenbestimmung nach § 8 Abs. 2 versehen oder die spätere Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nicht auf Grund einer Rechtsnorm ausgeschlossen ist; dies gilt nicht für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative,
e)
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 7 Absatz 1 Satz 3 oder nach den Abschnitten 3, 4, 5 oder 6 oder § 37 oder § 38 besitzt, die Ehe bei deren Erteilung bereits bestand und die Dauer seines Aufenthalts im Bundesgebiet voraussichtlich über ein Jahr betragen wird; dies gilt nicht für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative,
f)
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 38a besitzt und die eheliche Lebensgemeinschaft bereits in dem Mitgliedstaat der Europäischen Union bestand, in dem der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten innehat, oder
g)
eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte oder eine Mobiler-ICT-Karte besitzt.
Satz 1 Nummer 1 und 2 ist für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis unbeachtlich, wenn die Voraussetzungen des Satzes 1 Nummer 3 Buchstabe f vorliegen. Satz 1 Nummer 2 ist für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis unbeachtlich, wenn
1.
der Ausländer, der einen Aufenthaltstitel nach § 23 Absatz 4, § 25 Absatz 1 oder 2, § 26 Absatz 3 oder nach Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Absatz 4 besitzt und die Ehe bereits bestand, als der Ausländer seinen Lebensmittelpunkt in das Bundesgebiet verlegt hat,
2.
der Ehegatte wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht in der Lage ist, einfache Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen,
3.
bei dem Ehegatten ein erkennbar geringer Integrationsbedarf im Sinne einer nach § 43 Absatz 4 erlassenen Rechtsverordnung besteht oder dieser aus anderen Gründen nach der Einreise keinen Anspruch nach § 44 auf Teilnahme am Integrationskurs hätte,
4.
der Ausländer wegen seiner Staatsangehörigkeit auch für einen Aufenthalt, der kein Kurzaufenthalt ist, visumfrei in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten darf,
5.
der Ausländer im Besitz einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte oder eines Aufenthaltstitels nach den §§ 18a, 18b Absatz 1, § 18c Absatz 3, den §§ 18d, 18f, 19c Absatz 1 für eine Beschäftigung als leitender Angestellter, als Führungskraft, als Unternehmensspezialist, als Wissenschaftler, als Gastwissenschaftler, als Ingenieur oder Techniker im Forschungsteam eines Gastwissenschaftlers oder als Lehrkraft, § 19c Absatz 2 oder 4 Satz 1 oder § 21 ist,
6.
es dem Ehegatten auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalles nicht möglich oder nicht zumutbar ist, vor der Einreise Bemühungen zum Erwerb einfacher Kenntnisse der deutschen Sprache zu unternehmen, oder
7.
der Ausländer unmittelbar vor der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU Inhaber einer Blauen Karte EU oder einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18a, 18b Absatz 1, den §§ 18d, 19c Absatz 1 für eine Beschäftigung als leitender Angestellter, als Führungskraft, als Unternehmensspezialist, als Wissenschaftler, als Gastwissenschaftler, als Ingenieur oder Techniker im Forschungsteam eines Gastwissenschaftlers oder als Lehrkraft, § 19c Absatz 2 oder 4 Satz 1 oder § 21 war.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis kann zur Vermeidung einer besonderen Härte abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 erteilt werden. Besitzt der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis, kann von den anderen Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe e abgesehen werden; Gleiches gilt, wenn der Ausländer ein nationales Visum besitzt.

(3) Die Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 und § 29 Abs. 1 Nr. 2 verlängert werden, solange die eheliche Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(4) Ist ein Ausländer gleichzeitig mit mehreren Ehegatten verheiratet und lebt er gemeinsam mit einem Ehegatten im Bundesgebiet, wird keinem weiteren Ehegatten eine Aufenthaltserlaubnis nach Absatz 1 oder Absatz 3 erteilt.

(5) Hält sich der Ausländer gemäß § 18e berechtigt im Bundesgebiet auf, so bedarf der Ehegatte keines Aufenthaltstitels, wenn nachgewiesen wird, dass sich der Ehegatte in dem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union rechtmäßig als Angehöriger des Ausländers aufgehalten hat. Die Voraussetzungen nach § 18e Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 3 und 4 und Absatz 6 Satz 1 und die Ablehnungsgründe nach § 19f gelten für den Ehegatten entsprechend.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Besteht der unterliegende Teil aus mehreren Personen, so haften sie für die Kostenerstattung nach Kopfteilen.

(2) Bei einer erheblichen Verschiedenheit der Beteiligung am Rechtsstreit kann nach dem Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(3) Hat ein Streitgenosse ein besonderes Angriffs- oder Verteidigungsmittel geltend gemacht, so haften die übrigen Streitgenossen nicht für die dadurch veranlassten Kosten.

(4) Werden mehrere Beklagte als Gesamtschuldner verurteilt, so haften sie auch für die Kostenerstattung, unbeschadet der Vorschrift des Absatzes 3, als Gesamtschuldner. Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, nach denen sich diese Haftung auf die im Absatz 3 bezeichneten Kosten erstreckt, bleiben unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) In demselben Verfahren und in demselben Rechtszug werden die Werte mehrerer Streitgegenstände zusammengerechnet, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Der Streitwert beträgt höchstens 30 Millionen Euro, soweit kein niedrigerer Höchstwert bestimmt ist.