Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 11. Okt. 2016 - 2 K 9062/16.A
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Die Kläger begehren die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
3Sie sind syrische Staatsangehörige, arabischer Volks- und islamischer Religionszugehörigkeit. Die Kläger beantragten am 20. Juli 2016 ihre Anerkennung als Asylberechtigte. Sie gaben an, am 28. Februar 2014 ihr Heimatland verlassen zu haben. Zuletzt hätten sie in A. gelebt. Nach ihrer Ausreise hätten sie sich sieben Monate im Libanon aufgehalten. Am 24. Oktober 2015 seien sie in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Bei ihrer am 21. Juli 2016 erfolgten persönlichen Anhörung führte die Klägerin zu 1 aus, ihre Heimatstadt sei bombardiert und völlig zerstört worden. Es habe weder Schulen noch Arbeit gegeben. Sie hätten innerhalb Syriens zunächst umziehen müssen. Anschließend hätten sie sich entschlossen, Syrien zu verlassen, insbesondere weil ihr Sohn - der Kläger zu 4 - große Angst gehabt habe.
4Mit Bescheid vom 25. Juli 2016 erkannte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) den Klägern den subsidiären Schutzstatus zu. Im Übrigen lehnte es den Asylantrag ab. Zur Begründung führte es unter anderem aus, für die Feststellung des Flüchtlingsstatus müsse zwischen den als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen und den in § 3 Abs. 1 AsylG genannten Verfolgungsgründen eine Verknüpfung bestehen. Die Verfolgung müsse den Asylsuchenden gerade wegen mindestens einem dieser Verfolgungsgründe drohen. Dies sei hier nicht der Fall.
5Dagegen haben die Kläger am 5. August 2016 Klage erhoben. Zur Begründung tragen sie vor, sie seien aufgrund ihrer illegalen Ausreise aus Syrien, der Asylantragstellung und ihrem Auslandsaufenthalt bei einer Rückkehr nach Syrien von Verfolgung bedroht, weil der syrische Staat dies als Ausdruck einer regimekritischen Gesinnung auffasse. Bei einer Rückkehr hätten sie mit Verfolgungsmaßnahmen des Regimes, der Rebellen oder des IS zu rechnen.
6Die Kläger beantragen,
7die Beklagte unter Aufhebung von Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 25. Juli 2016 zu verpflichten, ihnen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
8Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.
9Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte, den Verwaltungsvorgang der Beklagten und die Erkenntnisliste verwiesen.
10Entscheidungsgründe:
11Die Kammer konnte durch den Einzelrichter (§ 76 Abs. 1 AsylG) entscheiden, weil sie ihm den Rechtsstreit zur Entscheidung mit Beschluss vom 14. September 2016 übertragen hat.
12Die Klage ist unbegründet. Das Gericht folgt den Feststellungen in dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes, mit dem die Zuerkennung des Flüchtlingsschutzes im Sinne der §§ 3 bis 3e Asylgesetz (AsylG) abgelehnt worden ist, macht sie sich zu eigen und sieht deshalb – mit Ausnahme der folgenden ergänzenden Hinweise – von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
13Ergänzend weist die Kammer auf Folgendes hin:
14Soweit die Kläger sich pauschal darauf berufen, dass ihnen allein wegen ihrer (illegalen) Ausreise aus Syrien, der Asylantragstellung und des Aufenthaltes im Ausland bei einer Rückkehr nach Syrien eine politische Verfolgung im Sinne der §§ 3 ff. AsylG drohe, weil allein dieses Verhalten vom syrischen Staat als Ausdruck regimefeindlicher Gesinnung aufgefasst und verfolgt werde, vermag das Gericht in Anknüpfung an die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) nicht festzustellen, dass diese Gefahr mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit bestünde.
15Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 5. September 2016 - 14 A 1802/16.A -, juris, vorangegangen: VG Düsseldorf, Urteil vom 12. Juli 2016 - 5 K 5853/16.A -; so auch VG Trier, Urteil vom 10. Mai 2016 – 1 K 771/16.TR -.
16Nach der angeführten obergerichtlichen Rechtsprechung belegt der Hinweis darauf, dass rückkehrende regimenahe Geheimdienstmitarbeiter oder Asylbewerber, die bereits während ihres Auslandsaufenthalts Informationen an syrische Dienststellen weitergeleitet haben, nicht mit einer informatorischen Befragung unter Folter zu rechnen hätten, nicht, dass andere Rückkehrer vom syrischen Staat unterschiedslos der Gegenseite oder einer anderen Person, die ihrerseits Objekt politischer Verfolgung ist, zugerechnet werden. Dies anzunehmen ist – so hat das OVG NRW weiter festgestellt – lebensfremd, da auch dem syrischen Staat bekannt sein dürfte, dass die übergroße Zahl der Asylbewerber vor dem Bürgerkrieg und nicht vor politischer Verfolgung flieht.
17Vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 16. September 2016 - 1 A 10786/16.OVG -, wonach angesichts der massenhaften Ausreise seit Beginn des Bürgerkrieges in Syrien einiges dafür spricht, dass für die Annahme einer beachtlichen Verfolgungswahrscheinlichkeit neben der illegalen Ausreise, der Asylantragstellung und dem längerem Auslandsaufenthalt noch „individuelle Gründe“ für die begehrte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft hinzutreten müssen.
18Hinreichende Erkenntnisse, die eine abweichende rechtliche Bewertung stützen, liegen nicht vor. Der letzte Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Arabischen Republik Syrien stammt vom 27. September 2010. Dort wird auf Blatt 21 ausgeführt, dass die Asylantragstellung oder ein längerfristiger Auslandsaufenthalt für sich allein kein Grund für Verhaftungen oder Repressalien sind. Danach ist den syrischen Behörden bekannt, dass der Aufenthalt in der Bundesrepublik oft (lediglich) auf der Basis behaupteter politischer Verfolgung erfolgt. Nur vereinzelt gab es Fälle, in denen aus Deutschland abgeschobene abgelehnte Asylbewerber bei der Einreise wegen politischer Aktivitäten (Hervorhebung durch die Kammer) verhaftet wurden. In der Regel erfolgt nach der Einreise zurückgeführter Personen eine Befragung durch die syrische Einwanderungsbehörde und die Sicherheitsdienste. In Einzelfällen werden Personen dabei für die Dauer einer Identitätsüberprüfung durch die Einreisebehörden festgehalten.
19Vgl. Ad-hoc Ergänzungsbericht zum Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Arabischen Republik Syrien vom 7. April 2010.
20Noch am 3. Februar 2016 hat die Deutsche Botschaft Beirut mitgeteilt, dass zwar Fälle bekannt seien, bei denen Rückkehrer nach Syrien befragt, zeitweilig inhaftiert oder dauerhaft verschwunden seien. Dies stünde aber überwiegend in Zusammenhang mit „oppositionsnahen Aktivitäten“.
21Die gegenteilige Einschätzung, dass der syrische Staat gegenwärtig das Stellen eines Asylantrages im Zusammenhang mit der (illegalen) Ausreise und dem entsprechenden Aufenthalt im Ausland als Ausdruck einer politisch missliebigen Gesinnung und damit als Kritik am herrschenden System ansieht, die das Gebot der Loyalität gegenüber diesem mit der Folge verletzt, dass Rückkehrer aus dem westlichen Ausland – ungeachtet einer tatsächlichen oppositionellen Haltung des Einzelnen – in der Regel mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungsmaßnahmen zu rechnen haben, teilt die Kammer nicht.
22Vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 19. Juni 2013 - A 11 S 927/13 -, juris; Hessischer VGH, Beschluss vom 27. Januar 2014 - 3 A 917/13.Z.A -, juris; VG Regensburg, Urteil vom 29. Juni 2016 - RO 11 K 16.30707 -, juris, Rn. 30.
23Die vorangestellte Auffassung beruht mangels Referenzfällen, die es wegen ausgesetzter Abschiebungen nicht gibt, notwendigerweise auf einer wertenden Gesamtschau aller Umstände. Dieser Wertung schließt sich die Kammer nicht an. Denn es liegt fern anzunehmen, der syrische Staat, dessen Machthaber gegen Aufständische um das politische und physische Überleben kämpfen und dabei die Kontrolle über erhebliche Landesteile verloren haben, hätte Veranlassung und Ressourcen, alle zurückgeführten unpolitischen Asylbewerber ohne erkennbaren individuellen Grund aus den in § 3b AsylG genannten Gründen zu verfolgen. Für die Annahme, dass die syrischen Sicherheitsorgane eine solche auf jeden Asylbewerber bezogene, an asylerhebliche Merkmale anknüpfende Verfolgungstätigkeit entfalten, gibt es keinen hinreichenden Anhalt.
24Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. Februar 2014 - 14 A 215/14.A - (zu § 60 Abs. 1 AufenthG); VG Düsseldorf, Urteil vom 7. Januar 2014 - 17 K 804/13.A -, juris, wonach sich belastbare Erkenntnisse, die die Annahme rechtfertigen, der syrische Staat erkenne in unpolitischen erfolglosen Asylbewerbern grundsätzlich eine erhöhte Gefahr und habe anders als vor Ausbruch des Konflikts eine entsprechende Handlungsmotivation dieser Personengruppe gegenüber entwickelt, so dass nunmehr die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer politischen Verfolgung bestehe, derzeit nicht ausmachen lassen.
25Angesichts des weit verbreiteten und wahllosen Einsatzes der Folter durch den syrischen Staat besteht zwar für jeden rückgeführten Asylbewerber die beachtliche Wahrscheinlichkeit, auch ohne individuellen Bezug zu Gruppen oder Personen der Exilszene über sein Wissen darüber während seines Aufenthaltes etwa in der Bundesrepublik Deutschland unter Einsatz der Folter abgeschöpft zu werden.
26Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. Februar 2014 - 14 A 215/14.A -, Urteil vom 14. Februar 2012 - 14 A 2708/10.A -; VG Düsseldorf, Urteil vom 12. Juli 2016 - 5 K 5853/16.A -.
27Die allgemeine Gefahr informatorischer Befragung unter Folter ohne erkennbaren individuellen – und sei es auch nur gruppenabgeleiteten – Grund knüpft aber nicht an asylerhebliche Merkmale an. Folter kann ein Indiz für eine asylrechtsrelevante Gerichtetheit der Verfolgung sein, führt aber nicht als solche zur Annahme einer politischen Verfolgung, sondern auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes. Zur Annahme der politischen Verfolgung eines durch Folter Bedrohten ist, wenn nicht in seiner Person an asylerhebliche Merkmale angeknüpft wird, jedenfalls dessen Zurechnung zur Gegenseite des Verfolgungsstaates oder zu einer anderen Person, die ihrerseits Objekt politischer Verfolgung ist, erforderlich.
28Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. Februar 2014 - 14 A 215/14.A -, mit weiteren Nachweisen.
29Daran fehlt es, wenn (lediglich) die beachtliche Wahrscheinlichkeit für jeden Asylbewerber besteht, bei seiner Rückkehr routinemäßig auch unter Einsatz der Folter befragt zu werden.
30Im Streitfall ist hervorzuheben, dass die Klägerin zu 1 - die Mutter der Kläger zu 2 bis 4 - noch im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt am 21. Juli 2016 angegeben hat, bei einer Rückkehr nach Syrien persönlich „nichts“ zu befürchten. Die Kläger haben im Übrigen im Termin zur mündlichen Verhandlung keinerlei Anknüpfungspunkte für eine politisch motivierte Verfolgung dargetan. Im Gegenteil haben sie angegeben, sich zwecks Beschaffung von Reisepässen nach Damaskus begeben und auf dem Weg dorthin nahezu 100 Kontrollpunkte der syrischen Armee passiert zu haben. Auf der Hinfahrt habe es keinerlei Schwierigkeiten gegeben. Zwar sei der Ehemann der Klägerin zu 1 bei der Rückfahrt für die Dauer von fünf Tagen festgenommen worden. Dies sei aber auf eine Personenverwechselung zurückzuführen, weil Angehörige der syrischen Armee ihn aufgrund einer Namensähnlichkeit für einen syrischen Rebellen gehalten hätten. Anhaltspunkte dafür, dass die Kläger konkreten Verfolgungshandlungen ausgesetzt waren, die an asylrechtsrelevante Merkmale anknüpfen und über die Beeinträchtigungen hinausgehen, denen die Bevölkerung aufgrund der Lage in Syrien allgemein ausgesetzt ist, sind nicht erkennbar. Nichts anderes gilt im Ergebnis im Falle einer Rückkehr in ihr Heimatland.
31Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO und § 83 b AsylG und die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 167 Abs. 2 und 1 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.
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(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) Die Kammer soll in der Regel in Streitigkeiten nach diesem Gesetz den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn nicht die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
(2) Der Rechtsstreit darf dem Einzelrichter nicht übertragen werden, wenn bereits vor der Kammer mündlich verhandelt worden ist, es sei denn, dass inzwischen ein Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist.
(3) Der Einzelrichter kann nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsstreit auf die Kammer zurückübertragen, wenn sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozesslage ergibt, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Eine erneute Übertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen.
(4) In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entscheidet ein Mitglied der Kammer als Einzelrichter. Der Einzelrichter überträgt den Rechtsstreit auf die Kammer, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn er von der Rechtsprechung der Kammer abweichen will.
(5) Ein Richter auf Probe darf in den ersten sechs Monaten nach seiner Ernennung nicht Einzelrichter sein.
(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.
(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.
(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.
Tenor
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ist mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg des Zulassungsantrags (§ 166 der Verwaltungsgerichtsordnung ‑ VwGO - i.V.m. § 114 Satz 1 der Zivilprozessordnung) abzulehnen, wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt.
3Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 des Asylgesetzes ‑ AsylG ‑) nicht vorliegt. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die sich in dem erstrebten Berufungsverfahren stellen würde und die im Interesse der einheitlichen Auslegung und Anwendung oder der Fortentwicklung des Rechts der Klärung bedarf, oder wenn sie eine tatsächliche Frage aufwirft, deren in der Berufungsentscheidung zu erwartende Klärung verallgemeinerungsfähige Auswirkungen hat. Verallgemeinerungsfähige Auswirkungen hat die Klärung einer Tatsachenfrage, wenn sich diese Frage nicht nur in dem zu entscheidenden Fall, sondern darüber hinaus auch noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft stellt.
4Danach kommt der aufgeworfenen Frage
5„Knüpfen die durch die syrischen Machthaber durchgeführten informatorischen Befragungen bei Asylrückkehrern an die vermutete politische Überzeugung des jeweiligen Rückkehrers an?“
6keine grundsätzliche Bedeutung zu, denn sie ist in der Rechtsprechung des beschließenden Gerichts im verneinenden Sinne geklärt.
7Vgl. zuletzt OVG NRW, Beschluss vom 27.3.2014 ‑ 14 A 557/14.A ‑, S. 2 des amtl. Umdrucks; Beschluss vom 13.2.2014 ‑ 14 A 214/14.A ‑, S. 2 f. des amtl. Umdrucks; Beschluss vom 9.12.2013 ‑ 14 A 2663/13.A ‑, NRWE, Rn. 7 ff.; Beschluss vom 21.8.2013 - 14 A 1863/13.A ‑, NRWE, Rn. 6 ff.
8Der Umstand, dass die tatsächliche Situation in Syrien hinsichtlich des genannten Personenkreises in Deutschland unterschiedlich gewürdigt wird, kann nicht zur grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache unter dem Gesichtspunkt führen, dass zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts herbeizuführen ist. Das ist nämlich nicht möglich, da dieses Gericht an die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts gebunden ist (§ 137 Abs. 2 VwGO).
9Somit könnte eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nur damit begründet werden, dass neue Gesichtspunkte vorgebracht werden, die die genannte Frage als klärungsbedürftig geblieben oder wieder geworden erscheinen lassen.
10Vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., § 124 Rn. 144.
11Dazu legt die Klägerin nichts Relevantes dar. Der Verweis auf die abweichende Wertung der tatsächlichen Verhältnisse durch andere Oberverwaltungsgerichte oder Verwaltungsgerichtshöfe genügt dafür nicht.
12Der Hinweis darauf, dass rückkehrende regimenahe Geheimdienstmitarbeiter oder Asylbewerber, die bereits während ihres Auslandsaufenthalts Informationen an syrische Dienststellen weitergeleitet haben, nicht mit einer informatorischen Befragung unter Folter zu rechnen hätten,
13vgl. dazu schon OVG NRW, Beschluss vom 2.7.2014 ‑ 14 A 1286/14.A ‑, S. 3 des amtl. Umdrucks,
14belegt nicht, dass andere Rückkehrer vom syrischen Staat unterschiedslos der Gegenseite oder einer anderen Person, die ihrerseits Objekt politischer Verfolgung ist, zugerechnet werden.
15Vgl. zu diesem Gesichtspunkt BVerfG (1. Kammer des Zweiten Senats), Beschluss vom 22.11.1996 ‑ 2 BvR 1753/96 ‑, juris, Rn. 5.
16Das anzunehmen ist lebensfremd, da auch dem syrischen Staat bekannt sein dürfte, dass die übergroße Zahl der Asylbewerber vor dem Bürgerkrieg und nicht vor politischer Verfolgung flieht. Aus dem angenommenen Umstand folgt lediglich, dass es für den syrischen Staat keine Veranlassung gibt, gegenüber eigenen Sympathisanten zur vollständigen Informationsabschöpfung Folter einzusetzen.
17Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die Gerichtskosten ergibt sich aus § 83b AsylG.
18Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Tatbestand und Entscheidungsgründe:
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Tatbestand und Entscheidungsgründe:
3Die zulässige Klage mit dem Antrag der Klägerin,
4die Beklagte unter Aufhebung von Ziffer 2. des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 6. April 2016 zu verpflichten, ihr auch Flüchtlingsschutz im Sinne der §§ 3 bis 3e AsylG zuzuerkennen,
5ist unbegründet.
6Das Gericht folgt den Feststellungen und im Hinblick auf die ihm vorliegenden Auskünfte und Erkenntnisse auch der Begründung in dem angefochtenen Bescheid, mit der die (hier begehrte zusätzliche) Zuerkennung des Flüchtlingsschutzes im Sinne der §§ 3 bis 3e Asylgesetz (AsylG) abgelehnt worden ist, macht sie sich zu eigen und sieht deshalb – mit Ausnahme der folgenden ergänzenden Hinweise – von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
7Ergänzend wird lediglich auf Folgendes hingewiesen.
8Soweit die Klägerin sich im Laufe des Klageverfahrens darauf berufen hat, dass ihr allein wegen ihrer (illegalen) Ausreise aus Syrien, der Asylantragstellung und des Aufenthaltes in Deutschland bei einer Rückkehr nach Syrien auch eine politische Verfolgung im Sinne der §§ 3 ff. Asylgesetz (AsylG) drohe, weil allein dieses Verhalten vom syrischen Staat als Ausdruck regimefeindlicher Gesinnung aufgefasst und verfolgt werde, vermag das Gericht in Anknüpfung an die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen nicht festzustellen, dass diese Gefahr mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit bestünde.
9Eine Rückkehr nach Syrien wird der Klägerin aufgrund des zuerkannten Schutzstatus zwar nicht tatsächlich abverlangt. Zwecks Prüfung des weitergehenden Schutzbegehrens ist eine solche Rückkehr aber zu unterstellen und das Schutzbedürfnis nach Maßgabe der im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung herrschenden Verhältnisse zu beurteilen (vgl. § 77 Abs. 1 AsylG).
10Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen geht in ständiger Rechtsprechung, die sich die Kammer zu eigen macht, davon aus, dass unverfolgt, aber illegal ausgereiste Rückkehrer nach Syrien, die sich im europäischen Ausland aufgehalten und einen Asylantrag gestellt haben, selbst in Ansehung der Repressionen des syrischen Staates in Bezug auf Oppositionelle nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politisch verfolgt werden.
11Rückkehrer nach Syrien unterliegen – angesichts des ihnen gegenüber weit verbreiteten und wahllosen Einsatzes der Folter durch den syrischen Staat – zwar allgemein der Gefahr, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung ausgesetzt zu werden, die zum Ziel hat, etwaiges Wissen über die hiesige Exilszene „abzuschöpfen“.
12Vgl. z.B. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) Beschluss vom 14. Februar 2012 – 14 A 2708/10.A –, juris, dort insbesondere Rn. 28 ff. unter Auswertung der auch dem erkennenden Gericht vorliegenden Quellen: „Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage des Auswärtigen Amtes vom 27. September 2010“ (S.16) und Berichte von Amnesty International: „Deadly Detention …“ von August 2011 und „Syria: End Human Rights Violations in Syria“ von Oktober 2011 (s. Erkenntnisliste); s.a. neuerlich Beschluss vom 13. Februar 2014 – 14 A 215/14.A –, juris, dort insbesondere Rn. 13 ff..
13Diese Gefahr begründet einen Anspruch auf subsidiären Schutz nach § 4 AsylG, dem der angefochtene Bescheid in Ziff. 1. seines Tenors im Ergebnis Rechnung trägt; sie begründet aber keinen Anspruch darauf, als politisch Verfolgter – d.h. als Asylberechtigter im Sinne des Art. 16a GG bzw. als Flüchtling im Sinne der §§ 3 bis 3e AsylG (Flüchtlingsschutz) – anerkannt zu werden.
14Vgl. z.B. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) Beschluss vom 9. Juli 2012 – 14 A 2485/11.A –, NRWE, Beschluss vom 7. Mai 2013 – 14 A 1008/13.A –, juris; Beschluss vom 27. Juni 2013 – 14 1517/13.A –, juris; Beschluss vom 9. Dezember 2013 – 14 A 2663/13. A –, NRWE Rn. 5 ff.; Beschluss vom 13. Februar 2014 – 14 A 215/14.A –; s. in diesem Sinne auch VG Düsseldorf, Urteil vom 14. Mai 2013 – 17 K 9165/12.A –, juris Rn. 38 ff.
15Die Gefahr, als potentieller/vermeintlicher Informant über die hiesige Exilszene bei einer Rückkehr nach Syrien unter Einsatz der Folter abgeschöpft zu werden, trifft mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit jeden rückgeführten Asylbewerber, auch ohne dass dem ein individueller Bezug zu Gruppen oder Personen der Exilszene zugrunde läge.
16Vgl. z.B. OVG NRW, Beschluss vom 13. Februar 2014 – 14 A 215/14.A –, juris, dort insbesondere Rn. 13 ff. mit weiteren Nachweisen.
17Diese allgemeine Gefahr informatorischer Befragung unter Folter ohne erkennbaren individuellen – und sei es auch nur gruppenabgeleiteten – Grund knüpft jedoch nicht an (vorhandene oder vom Verfolger unterstellte) asylerhebliche Merkmale (im Sinne des Art. 16a GG bzw. des § 3b AsylG) an. Daran fehlt es hier, weil „lediglich“ die beachtliche Wahrscheinlichkeit für jeden Asylbewerber besteht, bei seiner Rückkehr (wahllos-)routinemäßig – und damit nach gleichsam zufälligen, im Sinne einer Schutzberechtigung nach Art. 16a GG bzw. nach § 3 bis 3e AsylG jedenfalls unerheblichen Kriterien – unter Einsatz der Folter befragt zu werden.
18Vgl. in diesem Sinne z.B. OVG NRW, Beschluss vom 13. Februar 2014 – 14 A 215/14.A –, juris, dort insbesondere Rn. 13 ff. mit weiteren Nachweisen.
19Belastbare Erkenntnisse, die die Annahme nahelegten, der syrische Staat erkenne in unpolitischen, erfolglosen Asylbewerbern nicht nur potentielle Informationsquellen zur Exilszene, auf die bei Rückkehr wahllos-routinemäßig zugegriffen wird, sondern grundsätzlich (auch) Regimegegner und habe – anders als vor Ausbruch des Bürgerkriegs – eine entsprechende Verfolgungsmotivation gerade auch unpolitischen, erfolglosen Asylbewerbern gegenüber entwickelt, so dass nunmehr die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer politischen Verfolgung bestehe, lassen sich derzeit nicht hinreichend ausmachen.
20Vgl. in diesem Sinne auch Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 7. Januar 2014 – 17 K 804/13.A –, Bl 7 des Urteilsabdruckes
21An dieser Einschätzung ändert es nichts, dass einige andere Obergerichte die oben beschriebene Behandlung von Rückkehrern, die illegal ausgereist sind, sich länger im europäischen Ausland aufgehalten und einen Asylantrag gestellt haben, bei allen solchen Rückkehrern mit der Begründung als eine politische Verfolgung bewerten, dass die Verfolgung an eine unterstellte politische Gegnerschaft – oder ggf. eine besondere Nähe zu politischen Gegnern – anknüpfe.
22Vgl. in diesem Sinne: Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 18. Juli 2012 – 3 L 147/11 –, Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 19. Juni 2013 – A 11 S 927/13 –, Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 27. Januar 2014 – 3 A 917/13. Z. A –, Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 24 April 2014 – 2 L 16/13 –, jeweils veröffentlicht in juris.
23Diese Auffassung beruht mangels nötiger Referenzfälle, die es wegen ausgesetzter Abschiebungen bzw. umfassender Gewährung subsidiären Schutzes nicht gibt, notwendigerweise auf einer wertenden Gesamtschau aller Umstände, die das erkennende Gericht im Ergebnis nicht teilt.
24Der Umstand, dass die Befragungen selbst ohne Kenntnisse des Betroffenen von der hiesigen Exilszene und auf die bloße Möglichkeit solcher Kenntnisse hin (wahllos-) routinemäßig erfolgen und damit gleichsam zufällig treffen, spricht gerade dagegen, dass dem jeweils Betroffenen, bei dem nach Kenntnissen über die Exilszene „auf den Busch geklopft“ wird, stets ohne weiteres eine Regimegegnerschaft – oder eine besondere Nähe zu politischen Gegnern – unterstellt würde.
25Den syrischen Machthabern wird zudem aufgrund der derzeitig stattfindenden militärischen Auseinandersetzungen und des dadurch verursachten Exodus von Millionen von Syrern vor Augen stehen, dass Flüchtlinge ihr Heimatland in der Regel nicht wegen einer regimefeindlichen Gesinnung, sondern wegen der allgemeinen kriegsähnlichen Lage und den damit verbundenen Gefahren verlassen.
26Vgl. so auch Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 7. Januar 2014 – 17 K 804/13.A –, Bl 8 des Urteilsabdruckes.
27Die Klägerin ist auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer politischen Verfolgung wegen ihres christlichen Glaubens ausgesetzt. Bei ihrer Anhörung durch das Bundesamt hat sie sich nämlich zur Begründung ihres Schutzbegehrens – trotz der ausdrücklich gestellten Frage, was ihr persönlich vor der Ausreise aus Syrien passiert sei – lediglich auf die allgemeine Kriegssituation in ihrem Heimatland und die daraus resultierende allgemeine Unsicherheit in Syrien bezogen. Von Übergriffen seitens des Regimes oder seitens von Regimegegnern auf sie wegen ihrer Religion wusste sie als Fluchtmotiv nichts zu berichten.
28Sie ist demnach nicht aus Furcht vor Verfolgung als Christ ausgereist. Daran ändert auch ihr Vortrag aus der mündlichen Verhandlung nichts, in der sie sinngemäß im Wesentlichen Folgendes berichtet hat:
29Im Zuge des Bürgerkrieges seien immer mehr Muslime, die unruhigere Gegenden verlassen hätten, in ihren ursprünglich rein christlichen Heimatort N. bei I. gekommen. Dieser Ort wäre friedlich gewesen. Die Muslime in den umgebenden Dörfern hätten ihnen übel genommen, dass sie nicht bereit gewesen seien, die Waffen in die Hand zu nehmen. Die Christen seien im Ort zwar nach wie vor in der Mehrheit gewesen, es seien aber immer mehr fremde Menschen zugezogen. Sie habe daher Angst gehabt, als Frau allein auf die Straße zu gehen oder sich freier zu kleiden. Es seien fremde Leute in ihren Laden gekommen und hätten Waren mitgenommen, ohne zu bezahlen; sie hätten gesagt, sie solle die Rechnung in ihr Buch eintragen; es wäre aber nicht zu erwarten gewesen, dass die Leute das „Angeschriebene“ später bezahlen würden. Sie hätte die Leute zwar anzeigen können, aber davor hätte sie Angst gehabt. Wenn sie sie angezeigt hätte, hätten sie sich an ihrem Sohn oder ihrer Familie rächen können. Einmal sei sie von einem Auto aus an den Haaren gerissen worden. An Kontrollpunkten sei sie beschimpft worden. Die Kontrollpunkte wären in der Hand der Regierung gewesen; dort sei man „mal so, mal so“ behandelt worden. Als sie einmal mit ihrem Mann im Auto unterwegs gewesen sei, habe ein Kontrollposten sie aufgefordert, das Handschuhfach zu öffnen. Das habe sie wohl zu schnell gemacht; der Posten habe sie beschimpft. Ihr sei sinngemäß gesagt worden, sie solle den Mund halten, und ob sie meine, die (Kontroll-)Arbeit besser machen zu können. Sie sei bei den Kontrollen schon mal so abgetastet worden, wie Frauen nicht abgetastet werden sollten. Sie seien auch nicht mehr zur Kirche gegangen, weil sie auf dem Weg dorthin von Bombardierung bedroht gewesen seien.
30Diese Ereignisse vermitteln der Klägerin keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 bis § 3e AsylG wegen einer (Vor-)Verfolgung, die an ihren christlichen Glauben anknüpft.
31Da nach § 3a Abs. 1 AsylG als flüchtlingsschutzrelevante Verfolgung Handlungen gelten, die
32- 33
1. aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten keine Abweichung zulässig ist,
oder die
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2. in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist,
ist das Schutzbedürfnis am Maßstab der Intensität des Eingriffs in die Menschenrechte zu messen.
38Bezüglich der Frage der Eingriffsintensität ist des Näheren zu berücksichtigen, dass (rechtswidrig drohende) Eingriffe in das Leben stets als hinreichend intensive Verfolgungsmaßnahmen zu bewerten sein dürften. Bei (drohenden) Verletzungen der körperlichen Unversehrtheit oder die physische Freiheit ist von einer beachtlichen Verfolgung nur auszugehen, wenn der Eingriff erheblich, d.h. schwerwiegend ist.
39Vgl. in diesem Sinne: BVerwG, Urteil vom 05. März 2009 – 10 C 51/07 –, BVerwGE, 133, 221 -231, veröffentlicht auch in juris, dort insbesondere Rn. 11, sowie Hailbronner, Kommentar zum Ausländerrecht, Band 3, B 2, zu § 3a AsylG Rn. 3 ff, insbesonere 7 f. (Stand Juni 2014).
40Auch für Eingriffe in andere grundlegende Rechte und Rechtsgüter gilt, dass sie schwerwiegend sein müssen, um flüchtlingsschutzrelevant werden zu können.
41Vgl. Hailbronner, Kommentar zum Ausländerrecht, Band 3, B 2, zu § 3a AsylG Rn. 9 f. (Stand Juni 2014).
42Für einen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist neben der hinreichenden Intensität der Verfolgungshandlung zudem erforderlich, dass die Verfolgung an einen der Verfolgungsgründe im Sinne des § 3b AsylG anknüpft.
43Vgl. in diesem Sinne: BVerwG, Urteil vom 05. März 2009 – 10 C 51/07 –, BVerwGE, 133, 221 -231, veröffentlicht auch in juris, dort insbesondere Rn. 11.
44Bei Anlegung dieser Maßstäbe steht der Klägerin kein Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wegen einer Verfolgung, die an ihre Zugehörigkeit zur christlichen Bevölkerungsgruppe anknüpfte, zu.
45Die Religionsfreiheit der Klägerin als solche zählt zwar auch zu den im Sinne des § 3a Abs. 1 AsylG geschützten grundlegenden Menschenrechten. Die Klägerin hat aber nicht glaubhaft machen können, dass sie in Syrien ihre Religion nicht hätte ausüben können, weil sie Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen wäre, die gegen ihre Religionszugehörigkeit gerichtet waren. Dies gilt auch, soweit sie berichtet hat, dass sie nicht mehr zur Kirche gegangen seien, weil sie auf dem Weg dorthin von Bombardierung bedroht gewesen seien. Denn die Gefahr, in umkämpften Gebieten Opfer von Kampfhandlungen zu werden, besteht für die Zivilbevölkerung in ganz Syrien ungeachtet ihrer ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit. Aufgrund des Bürgerkriegskonfliktes hat nämlich in der Zeit von 2011 bis November 2015 schätzungsweise die Hälfte der syrischen Bevölkerung ihren Wohnsitz verlassen müssen, darunter ca. 6,5 Million Personen, die innerhalb Syriens vertrieben worden sind, und mehr als 4,2 Millionen Personen, die außerhalb Syriens als Flüchtlinge registriert worden sind. Hauptgrund für das Verlassen des Wohnsitzes ist die vorsätzliche Wahl der Zivilbevölkerung als Ziel von Angriffen und das Versagen der Konfliktparteien beim Schutz der Zivilbevölkerung.
46Vgl. UNHCR, International Protection Considerations with Regard to People Fleeing the Syrian Arab Republic – Update IV von November 2015, s. dort Rn. 8.
47Vor diesem Hintergrund konnte das Gericht nicht zu der Überzeugung gelangen, dass die Gefahren für Leib und Leben auf dem „Kirchweg“ nicht den allgemeinen Bürgerkriegsverhältnissen geschuldet gewesen wären, die bereits zur Zuerkennung subsidiären Schutzes an die Klägerin führten, sondern einer spezifisch auf den christlichen Glauben der örtlichen Bevölkerung gerichteten Verfolgung entsprangen. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin bei ihrer Anhörung in der mündlichen Verhandlung selbst keinen näheren Bezug zwischen der Bombardierung und der überwiegenden Zugehörigkeit der Ortsbewohner zum christlichen Bevölkerungsteil herstellte, sondern die Erwähnung der Bombardierungsgefahr eher im beiläufigen Zusammenhang mit der Erläuterung der allgemeinen Bürgerkriegsfolgen stand, vor denen sie geflohen ist.
48Soweit die Klägerin des Weiteren sinngemäß vorgetragen hat, dass sie sich wegen der vielen zugezogenen muslimischen Bürgerkriegsflüchtlinge nicht mehr getraut hätten, in die Kirche zu gehen, ist dies nicht nachvollziehbar, da die Klägerin selbst vorgetragen hat, dass trotz des Zuzugs die Christen im Ort immer noch in der Mehrheit waren.
49Auch die übrigen zur Begründung des Klagebegehrens geschilderten Erlebnisse sind nach Überzeugung des Gerichts nicht geeignet, einen über den bereits gewährten (subsidiären) Schutz vor den Bürgerkriegsgefahren hinausgehenden Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu vermitteln.
50Zum einen Teil sind die geltend gemachten Übergriffe nicht intensiv genug, um das Begehren zu tragen. Dies gilt etwa für das Unbehagen an der „Überfremdung“ des Heimatortes und die damit verbundenen Veränderungen im Sicherheitsgefühl, die sich auch auf das Kleidungs- und Ausgehverhalten der Klägerin ausgewirkt haben, oder für die gelegentliche unangenehme Behandlung an Kontrollpunkten. Auch der einmalige Vorfall, bei dem die Klägerin an den Haaren gerissen worden ist, ermangelt der erforderlichen Eingriffsintensität. Nichts anderes gilt bzgl. der wirtschaftlichen Beeinträchtigung durch nichtzahlende Kunden.
51Zum anderen Teil fehlt es an der erkennbaren Anknüpfung der geschilderten Übergriffe an den christlichen Glauben der Klägerin bzw. an deren Zugehörigkeit zur christlichen Volksgruppe. Dies gilt insbesondere für die wirtschaftliche Beeinträchtigung durch nichtzahlende Kunden. Es spricht nichts dafür, dass bedürftig gewordene Bürgerkriegsflüchtlinge nicht auch an anderen, nichtchristlichen Orten in Syrien und bei nichtchristlichen Händlern versuchen, sich die notwendigsten Lebensmittel durch aggressives „anschreiben lassen“ zu beschaffen. Denn in den mehr als fünf Jahren Bürgerkrieg hat sich die humanitäre Situation in Syrien so sehr verschlechtert, dass dort ca. 13,5 Millionen Menschen auf humanitäre Unterstützung angewiesen sind. Ende 2014 lebten schätzungsweise vier von fünf Syrern in Armut, davon fast 65 % in extremer Armut, lediglich fähig, sich die allernotwendigsten Lebensmittel und sonstigen Dinge zur Haushaltsführung zu beschaffen.
52Vgl. UNHCR, International Protection Considerations with Regard to People Fleeing the Syrian Arab Republic – Update IV von November 2015, s. dort Rn. 27.
53Nach Verlassen des Heimatlandes eingetretene Gründe, die es rechtfertigten, im Falle einer Rückkehr der Klägerin nach Syrien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von einer Bedrohung wegen ihres christlichen Glaubens auszugehen, sind nicht ersichtlich.
54Der Klägerin wäre eine Rückkehr in die vom Baath-Assad-Regime beherrschten Gebiete zumutbar; ihre Heimatregion I. wie auch ihr Heimatort befinden sich – auch nach den Angaben der Klägerin – in der Hand des Regimes. Eine Verfolgung von Christen wegen ihres Glaubens findet durch das antiislamistisch-säkulare, gegenüber religiösen Minderheiten tolerante „Assad-Regime“, das von den syrischen Christen mehrheitlich als Protektor angesehen wird,
55vgl. Deutsche Orient Stiftung – Deutsches Orient-Institut, Kurzanalyse August 2014: „Die orthodoxen Christen in Syrien und Libanon: Zwischen Assad und Islamisten“,
56nicht statt.
57Vor spezifisch bürgerkriegsbedingten Bedrohungen und Beeinträchtigungen ist die Klägerin durch den gewährten subsidiären Schutz ausreichend geschützt.
58Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylG. Der Gegenstandswert folgt aus § 30 Abs. 1 RVG.
Tenor
I.
Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen. Der Bescheid vom
II.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
Der nach seinen Angaben am ...1991 geborene Kläger gibt an, syrischer Staatsangehöriger arabischer Volks- und sunnitischer Religionszugehörigkeit zu sein. Er brachte in der Anhörung gemäß § 25 AsylG am 1. April 2016 vor, in Syrien zuletzt in Damaskus, Stadtteil D., ... gelebt zu haben. Er verließ sein Heimatland am 15. September 2015, reiste ca. am 3. Oktober 2015 auf dem Landweg in Deutschland ein und stellte nach den Angaben im Behördenakt am 14. März 2016 einen Asylantrag.
In der Anhörung brachte er u. a. vor, dass es zwei Armeen gebe. Die eine sei für Assad. Ein freies Militär sei gegen Assad. Das freie Militär habe seinen Stadtteil besetzt gehabt. Dieses habe gegen das Assad-Militär gekämpft. Deswegen habe man nicht mehr rausgehen können. Alle Geschäfte seien geschlossen gewesen. Man habe nicht mehr einkaufen können. Dieses freie Militär sei zu ihm gekommen und hätte gewollt, dass er ihnen beitrete. Diese seien auch untereinander getrennt. Es gebe viele verschiedene Anführer und alle wollten, dass er mitkämpfe. Jeder Anführer wolle viele Soldaten. Alle zwei, drei Tage seien diese zu ihm gekommen und hätten ihn gefragt, ob er ihnen beitrete. Diese zerstrittenen Gruppen würden „Loak Alislam“ und „Tahreer Alscham“ heißen. Wenn er in einen anderen Stadtteil gehe, werde er vom Baschar Militär entführt, damit er in dieses eintrete. Normalerweise müsse man zwei Jahre Wehrdienst machen. Da er eine Ausbildung gemacht habe, sei er nicht mit 18 Jahren eingezogen worden. Aber 2013 sei ihm gesagt worden, dass er eingezogen werden solle. Aber er sei geflohen. Er habe in D. gewohnt. Dort herrsche nicht das Assad-Militär. Also hätten sie ihn dort nicht entführen können. Normalerweise habe man ein Wehrbuch. Dort stehe das Datum und wenn dieses erreicht sei, müsse man sich melden.
Im September 2015 sei er zum ersten Mal von diesen zerstrittenen Gruppen gefragt worden. Auf Nachfrage erklärte der Kläger, dass sie nicht alle zwei bis drei Tage gekommen seien. Aber er habe sich entscheiden müssen. Er sei lieber geflohen. Die Leute kämen nicht direkt zu einem. Man müsse sich entscheiden. Er hätte sich bald entscheiden müssen. Die Leute in seinem Viertel hätten gewusst, dass er sich noch nicht entschieden habe. Er sei davon ausgegangen, dass er bald gefragt werde und sei deshalb vorsichtshalber geflohen. Wenn er sich geweigert hätte, wäre er mit Gewalt dazu gezwungen oder entführt worden. Einer seiner Brüder sei 18 Jahre alt und studiere in Damaskus. Seine Einberufung sei immer wieder verschoben worden. Sein anderer Bruder sei 27 Jahre alt und verheiratet. Er sei nicht so interessant wie der Kläger. Irgendwann werde es ihnen gehen wie ihm. Dann müssten sie auch fliehen. Bei einer Rückkehr nach Syrien befürchte er, entführt zu werden. Oder er müsse zum Militär gehen oder werde getötet. Die allgemeine Situation in Syrien sei schlecht. Man könne dort nicht leben. Auch wenn er allein geflohen sei, heiße das nicht, dass seine Familie dort glücklich sei.
Das Bundesamt erkannte dem Kläger mit Bescheid vom
Mit Schriftsatz vom 21. April 2016, eingegangen beim Verwaltungsgericht Regensburg
Zur Begründung der Klage wird im Wesentlichen vorgebracht, dass der Kläger Syrien verlassen habe, um sich dem Militärdienst und der Rekrutierung durch kämpferische Gruppen zu entziehen. Er sei mit dem Schiff über das Mittelmeer nach Europa gekommen. Er habe sein Land aber auch wegen der Kriegsführung verlassen. Insoweit werde er noch Fotos der Situation seiner Heimatstadt nachreichen. Er habe vorgetragen, dass er Angst gehabt habe, in die Kriegsführung mit einbezogen zu werden. Näheres hierzu werde noch vorgetragen.
Der Kläger sei seit 2011 Mitglied der syrischen Armee gewesen. Er sei allerdings desertiert und habe sich drei Jahre innerhalb Syriens versteckt. Stationiert sei er in der Stadt D2. gewesen. Seine Eltern hätten in der Stadt A. gewohnt. Dort sei er dann auch gesucht worden und die Eltern hätten Nachteile erlitten, weil es in Fällen dieser Art üblich sei, das Eigentum zu beschlagnahmen. Die Eltern hätten ihr Haus verloren. Der Kläger habe Zuflucht bei seinem Großvater gesucht. Dies sei in der Stadt A2... gewesen, die mittlerweile in Schutt und Asche liege. Bis zu dem Termin werde der Kläger den Pass erhalten, der ihn als Mitglied der syrischen Armee ausweise.
Der Kläger lässt beantragen,
die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen und den Bescheid vom 6. April 2015 (richtig: 2016) in Nr. 2 insoweit aufzuheben, als er dieser Verpflichtung entgegensteht.
Die Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf die angefochtene Entscheidung,
die Klage abzuweisen.
Im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze, den Inhalt der Asylakten und die Sitzungsniederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen. Der Gerichtsakt im Verfahren RO 1 K 16.30671 wurde beigezogen.
Gründe
Die zulässige Klage ist begründet. Der streitgegenständliche Bescheid ist in Nr. 2 hinsichtlich der Ablehnung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Dieser hat im gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung einen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG.
Diese ist ihm zuzuerkennen, da er sich nach der Überzeugung des Gerichts aus begründeter Furcht vor Verfolgung durch den syrischen Staat wegen seiner vermuteten politischen Überzeugung außerhalb Syriens befindet, § 3 Abs. 1, 4 AsylG. Er hat Syrien zwar nicht wegen Verfolgung im Sinne dieser Vorschrift verlassen, es droht ihm jedoch bei einer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine solche.
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Die Verfolgung kann gemäß § 3c AsylG ausgehen von
1. dem Staat,
2. Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen oder
3. nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
Die Flüchtlingseigenschaft wird nicht zuerkannt, wenn eine interne Schutzmöglichkeit besteht, vgl. § 3e AsylG.
Unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist gemäß § 3b Abs. 1 Nr. 5 AsylG insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c AsylG genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er aufgrund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist. Es kommt auch nicht darauf an, ob er diese Merkmale tatsächlich aufweist. Vielmehr reicht es aus, wenn ihm diese von seinem Verfolger zugeschrieben werden, § 3b Abs. 2 AsylG. Für die Beurteilung der Frage, ob die Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG begründet ist, gilt auch bei einer erlittenen Vorverfolgung der einheitliche Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG
Die begründete Furcht vor Verfolgung kann gemäß § 28 Abs. 1a AsylG auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Ausländer das Herkunftsland verlassen hat, insbesondere auch auf einem Verhalten, das Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung ist. Für subjektive Nachfluchttatbestände, die bereits während eines Erstverfahrens verwirklicht worden sind, greift damit keine Einschränkung. Für die Flüchtlingsanerkennung müssen diese - anders als bei der Asylanerkennung - nicht einmal auf einer festen, bereits im Herkunftsland erkennbar betätigten Überzeugung beruhen (vgl. OVG Sachsen-Anhalt
Schutz nach § 3 Abs. 1 AsylG kann nur derjenige beanspruchen, der politische Verfolgung bei einer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat. Eine Verfolgungsgefahr für einen nicht verfolgt Ausgereisten und damit dessen begründete Furcht vor Verfolgung liegt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unter folgenden Voraussetzungen vor (BVerwG
„Ist der Asylsuchende unverfolgt ausgereist, liegt eine Verfolgungsgefahr und damit eine begründete Furcht vor Verfolgung vor, wenn ihm bei verständiger, nämlich objektiver, Würdigung der gesamten Umstände seines Falles mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung droht, so dass ihm nicht zuzumuten ist, im Heimatstaat zu bleiben oder dorthin zurückzukehren. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Antragstellers Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann. Eine in diesem Sinne wohlbegründete Furcht vor einem Ereignis kann auch dann vorliegen, wenn aufgrund einer „quantitativen“ oder mathematischen Betrachtungsweise weniger als 50% Wahrscheinlichkeit für dessen Eintritt besteht. Beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung ist deshalb anzunehmen, wenn bei der vorzunehmenden „zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts“ die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Maßgebend ist damit letztlich der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit. Die Zumutbarkeit bildet das vorrangige qualitative Kriterium, das bei der Beurteilung anzulegen ist, ob die Wahrscheinlichkeit einer Gefahr „beachtlich“ ist. Entscheidend ist, ob aus der Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn nur ein mathematischer Wahrscheinlichkeitsgrad von weniger als 50% für eine politische Verfolgung gegeben ist. In einem solchen Fall reicht zwar die bloße theoretische Möglichkeit einer Verfolgung nicht aus. Ein vernünftig denkender Mensch wird sie außer Betracht lassen. Ergeben jedoch die Gesamtumstände des Falles die „reale Möglichkeit“ (real risk) einer Verfolgung, wird auch ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen. Ein verständiger Betrachter wird bei der Abwägung aller Umstände daneben auch die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs in einem gewissen Umfang in seine Betrachtung einbeziehen. Wenn nämlich bei quantitativer Betrachtungsweise nur eine geringe mathematische Wahrscheinlichkeit für eine Verfolgung besteht, macht es auch aus der Sicht eines besonnen und vernünftig denkenden Menschen bei der Überlegung, ob er in seinen Heimatstaat zurückkehren kann, einen erheblichen Unterschied, ob er z. B. lediglich eine Gefängnisstrafe von einem Monat oder aber die Todesstrafe riskiert
1. Der Kläger ist nicht vorverfolgt aus Syrien ausgereist.
Eine Verfolgung durch den syrischen Staat und/oder durch nichtstaatliche Akteure im Sinne des § 3c Nr. 3 AsylG wegen eines der oben genannten Gründe hat er weder beim Bundesamt noch im Klageverfahren substantiiert und glaubhaft geltend gemacht. Es ist jedoch Sache des Schutzsuchenden, die Umstände, aus denen sich eine politische Verfolgung ergibt, in schlüssiger Form von sich aus vorzutragen, vgl. § 15 Abs. 1, § 25 Abs. 1 und 2 AsylG. Das Gericht muss dabei die volle Überzeugung von der Wahrheit des behaupteten individuellen Schicksals und der Richtigkeit der Prognose drohender politischer Verfolgung gewinnen. Dem persönlichen Vorbringen des Schutzsuchenden kommt dabei besondere Bedeutung zu. Ihm selbst obliegt es, seine Gründe für das Vorliegen politischer Verfolgung folgerichtig, substantiiert, widerspruchsfrei und mit genauen Einzelheiten vorzutragen (vgl. BVerwG
Das Vorbringen des Klägers ist zu unsubstantiiert, oberflächlich und widersprüchlich, um eine Vorverfolgung glaubhaft machen zu können. Er vermochte nicht widerspruchsfrei darzulegen, wann und unter welchen Umständen er sich zu einer Mitwirkung bei dem „freien Militär“ entschließen hätte müssen. Zunächst behauptete er, dass diese alle zwei, drei Tage zu ihm gekommen seien. Auf Nachfrage erklärte er dagegen, dass sie nicht zu ihm gekommen seien, er sich aber bald hätte entscheiden müssen. Letztlich brachte er vor, dass die allgemeine Situation in Syrien schlecht sei und man dort nicht leben könne. Relevante Verfolgungshandlungen im Sinne des § 3a AsylG legte er damit jedoch nicht dar.
Das Vorbringen des Klägers weist außerdem unglaubwürdige Steigerungen auf. Erst in der zweiten Klagebegründung ließ er vorbringen, dass er seit 2011 Mitglied der syrischen Armee gewesen und desertiert sei. Er habe sich drei Jahre innerhalb Syriens versteckt. Nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung soll er sogar in Dunkelhaft gefangen gehalten und gefoltert worden sein. Es wäre zu erwarten gewesen, dass er dieses Geschehen bereits in seiner Anhörung beim Bundesamt von sich aus schildert. Warum dies nicht geschah, konnte er nicht nachvollziehbar erklären. Sein Hinweis auf eine mögliche Kenntniserlangung durch den syrischen Geheimdienst ist weder glaubwürdig noch nachvollziehbar.
2. Dem Kläger droht jedoch bei einer Rückkehr in seine Heimat mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit staatliche Verfolgung.
a. Das Gericht geht auf der Grundlage der in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen davon aus, dass der syrische Staat gegenwärtig das Stellen eines Asylantrages im Zusammenhang mit einer (illegalen) Ausreise und dem entsprechenden Aufenthalt im westlichen Ausland als Anknüpfung und Ausdruck einer politischen missliebigen Gesinnung und damit als Kritik am herrschenden System ansieht, die das Gebot der Loyalität gegenüber diesem verletzt (so auch z. B. VG Köln
Diese Beurteilung rechtfertigt sich nach wie vor aus der Behandlung von Personen, die bis zum Erlass des generellen Abschiebestopps im April 2011 aus Deutschland und anderen europäischen Staaten nach Syrien abgeschoben wurden, der umfassenden Beobachtung syrischer Staatsangehöriger im Ausland durch die syrischen Geheimdienste, der Eskalation der innenpolitischen Situation seit dem März 2011 und dem Umgang der syrischen Behörden insbesondere seit Beginn 2012 mit Personen, die aus ihrer Sicht verdächtig sind, die Opposition zu unterstützen (vgl. VG Augsburg
Hinsichtlich der Behandlung der aus westlichen Ländern abgeschobenen Personen fehlt es zwar für die letzten Jahre an belastbaren Zahlen der Rückkehrer. Dies ist darauf zurückzuführen, dass mit der Verschärfung des inneren Konfliktes in Syrien in den Jahren 2011/2012 wegen verschiedener Abschiebestopps keine abgelehnten Flüchtlinge abgeschoben wurden. Bis vor kurzer Zeit entsprach es der Praxis der Beklagten syrischen Flüchtlingen grundsätzlich den Flüchtlingsstatus zuzuerkennen, so dass keine Abschiebungen erfolgten. Dies gilt auch im Hinblick auf die mittlerweile stärker verbreitete Entscheidungspraxis der Beklagten, Syrern nur noch den subsidiären Schutzstatus zu gewähren. Die Beurteilung der im Falle einer Rückkehr drohenden Verfolgung und ihres Charakters kann daher nach wie vor nur im Wege einer Prognose aufgrund der zur Verfügung stehenden verifizierbaren Tatsachenberichte zu Verfolgungshandlungen gegenüber politischen Gegnern im Inland erfolgen (vgl. VG Meiningen
b. Es sind keine Anhaltspunkte erkennbar, dass sich an dieser Einschätzung etwas entscheidend zum Besseren geändert hat. Die Beklagte ist weder in dem streitgegenständlichen Bescheid noch im gerichtlichen Verfahren auf eine - mögliche - Gefährdung des Klägers bei einer Rückkehr nach Syrien eingegangen. Eine (vertiefte) Auseinandersetzung mit der aktuellen Situation in Syrien fehlt. Stichhaltige Argumente, die zur Überzeugung des Gerichts eine - teilweise - Abkehr von der bisherigen Entscheidungspraxis der grundsätzlichen Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und den in den vergangenen Monaten zunehmenden Übergang auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus rechtfertigen könnten, wurden nicht vorgebracht.
Die immer stärker eskalierende Situation in Syrien mit der steigenden Zahl an Flüchtlingen hat nicht zur Folge, dass der einzelne sich im westlichen Ausland aufhaltende Flüchtling wegen dieses Massenphänomens nicht mehr als potenzieller politischer Gegner angesehen wird. Nach der Auffassung der syrischen Regierung handelt es sich bei dem sich zu einem Bürgerkrieg entwickelten Aufstand um eine von außen organisierte und finanzierte Verschwörung gegen das Land, der mit allen Mitteln zu begegnen ist. Daher muss mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer politischen Verfolgung von zurückkehrenden Asylbewerbern gerechnet werden (vgl. VG Stuttgart
Hinzu kommt, dass die Situation der Flüchtlinge, die in die Nachbarländer Syriens geflohen sind, nicht mit der von aus dem westlichen Ausland und Deutschland zurückgeführten Syrern vergleichbar ist, die bereits zahlenmäßig deutlich in der Minderzahl sind. Bei einer Rückführung letzterer über den von den syrischen Regierungskräften kontrollierten Flughafen in Damaskus bedarf es für eine Befragung mit der Gefahr anschließender Folterung durch Mitarbeiter der verschiedenen Geheimdienste keiner großen Ressourcen (vgl. VG Hannover
Diese Einschätzung wird durch die aktuellen Erkenntnisquellen bestätigt. Dem Auswärtigen Amt war es wegen der Lage in Syrien nicht möglich, seine Lageberichte, wie üblich, in regelmäßigen Zeitabständen zu aktualisieren. Der letzte reguläre Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Arabischen Republik Syrien datiert vom 27. September 2010, also vor den im Frühjahr 2011 aufgeflammten Unruhen. Seitdem hat das Auswärtige Amt nur einen einzigen „Ad hoc-Bericht“ veröffentlicht. Die Deutsche Botschaft Damaskus hat den operativen Dienstbetrieb auf unbestimmte Zeit eingestellt (vgl. Auskunft AA an BAMF vom 8.3.2012).
Zwar lägen dem Auswärtigen Amt keine Erkenntnisse dazu vor, dass ausschließlich aufgrund des vorausgegangenen Auslandsaufenthalts Rückkehrer nach Syrien Übergriffe/Sanktionen zu erleiden hätten. Allerdings seien Fälle bekannt, bei denen Rückkehrer nach Syrien befragt, zeitweilig inhaftiert oder dauerhaft verschwunden seien (vgl. Auskunft der Botschaft Beirut vom 3.2.2016). Dies stehe überwiegend im Zusammenhang mit oppositionsnahen Aktivitäten oder mit einem nicht abgeleisteten Militärdienst. Nach einer nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes verlässlichen Studie des „Danish Immigration Service“ vom September 2015 würden desertierten Syrern Militärtribunale, Folter, lebenslange Haft oder Hinrichtung drohen. Werde der Deserteur mit Oppositionsgruppierungen in Verbindung gebracht, bestehe laut dieser Studie für die Familie das Risiko von Sippenhaft. Bezüglich der Motivation zur vermehrten Ausstellung syrischer Pässe durch Stellen innerhalb Syriens, aber auch durch die syrischen Auslandsvertretungen, weist das Auswärtige Amt darauf hin, dass sich die wirtschaftliche Lage des syrischen Regimes im ersten Quartal 2015 vermutlich weiter verschlechtert habe. Hierauf würden damalige intensive Verhandlungen über neue Kreditlinien mit Russland und dem Iran, die steigende Inflation, der Verfall der Infrastruktur, sowie der Verlust von Wirtschaftsräumen hindeuten. Es sei zu vermuten, dass speziell Einnahmen aus Passgebühren dem allgemeinen syrischen Staatshaushalt zugute kämen.
Wie sich den „UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen“ (3. aktualisierte Fassung) vom Oktober 2014 entnehmen lässt, hat sich die Lage in Syrien seit der zweiten aktualisierten Fassung vom Oktober 2013 im Hinblick auf Sicherheit, Menschenrechte, Vertreibung und Bedarf an humanitärer Hilfe weiter verschlechtert. Fast alle Teile des Landes seien zum jetzigen Zeitpunkt in Gewalt verstrickt, wobei die Gewalthandlungen zwischen verschiedenen Akteuren mit teilweise überlappenden Konflikten ausgetragen und durch die Beteiligung ausländischer Kämpfer auf allen Seiten verschärft würden. Kampfhandlungen zwischen den syrischen Regierungstruppen und einer Vielzahl bewaffneter oppositioneller Gruppen würden unvermindert fortgesetzt.
Die aktuellen UNHCR-Erwägungen vom November 2015 (4. aktualisierte Fassung) führen aus, dass der Konflikt mit unverminderter Intensität fortgesetzt werde. Er sei mit verheerenden Konsequenzen für die syrische Bevölkerung, einschließlich einer steigenden Zahl ziviler Opfer, interner und externer Vertreibung in großem Maßstab und einer humanitären Krise von bislang unbekanntem Ausmaß verbunden. Die meisten Hauptstädte der Gouvernements (ausgenommen Raqqa und Idlib) einschließlich der Hauptstadt Damaskus sowie die Küstengebiete der Gouvernements Latakia und Tartus stünden weiterhin unter der teilweisen oder vollständigen Kontrolle der syrischen Streitkräfte. Diese hätten jedoch Berichten zufolge im Laufe des vergangenen Jahres strategisch wichtige Standorte und militärische Stellungen in einigen Gouvernements verloren. In jüngerer Zeit hätten Berichten zufolge Regierungskräfte mit zunehmender Unterstützung von Verbündeten aus dem Ausland eine größere Militäroffensive an mehreren Fronten gestartet, um verlorene Gebiete zurückzuerobern.
Nach Einschätzung des UNHCR sei es wahrscheinlich, dass die meisten asylsuchenden Syrer die Kriterien für die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach der Genfer Flüchtlingskonvention erfüllten, da sie eine begründete Furcht vor Verfolgung wegen eines oder mehrerer Gründe der GFK hätten. Syrischen Staatsangehörigen und Personen mit gewöhnlichen Aufenthaltsort in Syrien, die aus dem Land geflohen seien, könne beispielsweise Verfolgung aufgrund einer politischen Überzeugung drohen, die ihnen gemäß einer vermeintlichen Verbindung mit einer Konfliktpartei unterstellt werde, oder aufgrund ihrer religiösen Überzeugung, ihrer ethnischen Identität oder abhängig davon, welche Konfliktpartei die Nachbarschaft oder das Dorf kontrolliere, aus dem die Betroffenen stammen. Im Lichte der immer schwierigeren Sicherheits- und Menschenrechtslage und humanitären Situation in Syrien und einer fehlenden politischen Lösung zum jetzigen Zeitpunkt begrüße UNHCR die Tatsache, dass viele Regierungen Maßnahmen ergriffen hätten, um die zwangsweise Rückführung von syrischen Staatsangehörigen oder Personen mit gewöhnlichen Aufenthaltsort in Syrien auszusetzen, einschließlich solcher Personen, deren Asylanträge abgelehnt worden seien. Derartige Maßnahmen sollten bis auf weiteres aufrechterhalten werden.
Das Gericht teilt die Einschätzung des UNHCR, dass sich die Lage in Syrien im Vergleich zu den Jahren 2012/2013 verschlechtert hat. Die vom Amt des UNHCR herausgegebenen Dokumente sind angesichts der Rolle, die dem UNHCR durch die Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden sind, besonders relevant (vgl. EuGH vom 30.5.2013 Az. C-528/11), auch wenn das Gericht an die rechtliche Beurteilung des UNHCR nicht gebunden ist.
Nach den Erkenntnissen von Amnesty International halten die staatlichen Sicherheitskräfte nach wie vor Tausende Menschen ohne Anklageerhebung über lange Zeit in Untersuchungshaft (vgl. Amnesty Report 2016). Zehntausende Menschen, die seit Ausbruch des Konflikts im Jahr 2011 inhaftiert worden waren, seien „verschwunden“ geblieben. Unter ihnen hätten sich friedliche Regierungskritiker und -gegner sowie Familienangehörige, die anstelle ihrer von den Behörden gesuchten Angehörigen inhaftiert worden seien, befunden. Folter und andere Misshandlungen von Inhaftierten in Gefängnissen sowie durch den staatlichen Sicherheitsdienst und die Geheimdienste seien auch im Jahr 2015 weit verbreitet gewesen und würden systematisch angewendet, was erneut zu vielen Todesfällen im Gewahrsam geführt habe. Zehntausende Zivilpersonen, darunter auch friedliche Aktivisten, seien von Sicherheitskräften der Regierung festgenommen worden. Viele von ihnen hätten lange Zeiträume in Untersuchungshaft verbracht, wo sie gefoltert oder anderweitig misshandelt worden seien. Nach der Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 14. April 2015 wurden die von Baschar al Assad erlassenen Amnestien nur mangelhaft und willkürlich umgesetzt.
c. Das Gericht teilt nicht die Auffassung, dass unverfolgt ausgereiste Rückkehrer nach Syrien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr politisch verfolgt werden (so aber z. B. VG Düsseldorf
d. Eine innerstaatliche Fluchtalternative steht dem Kläger nicht zur Verfügung, da er bei einer Einreise über den Flughafen in Damaskus keinen sicheren Landesteil sicher und legal erreichen kann, vgl. § 3e Abs. 1 Nr. 2 AsylG.
e. Schließlich scheidet die Flüchtlingsanerkennung auch nicht aus anderen Gründen, wie z. B. dem Alter des Klägers, aus. Dieser ist ein junger sunnitischer Mann im wehrfähigen Alter. Es besteht die beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass er bei einer Rückkehr nach Syrien staatliche Verfolgung erleiden wird, weil er die vermutete Systemfeindlichkeit bei einer Befragung durch die syrischen Sicherheitsbehörden nicht wird widerlegen können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), die Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.
Das Verfahren ist gerichtskostenfrei, § 83b AsylG.
Die Höhe des Gegenstandswertes ergibt sich aus § 30 RVG.
(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 ist Folgendes zu berücksichtigen:
- 1.
der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe; - 2.
der Begriff der Religion umfasst insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind; - 3.
der Begriff der Nationalität beschränkt sich nicht auf die Staatsangehörigkeit oder das Fehlen einer solchen, sondern bezeichnet insbesondere auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch ihre kulturelle, ethnische oder sprachliche Identität, gemeinsame geografische oder politische Herkunft oder ihre Verwandtschaft mit der Bevölkerung eines anderen Staates bestimmt wird; - 4.
eine Gruppe gilt insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn - a)
die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und - b)
die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird;
- 5.
unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist.
(2) Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.
Tenor
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
G r ü n d e :
2Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.
3Der Rechtssache kommt die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 des Asylverfahrensgesetzes ‑ AsylVfG ‑) nicht zu.
4Grundsätzliche Bedeutung im Sinne der genannten Vorschrift hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die sich in dem erstrebten Berufungsverfahren stellen würde und die im Interesse der einheitlichen Auslegung und Anwendung oder der Fortentwicklung des Rechts der Klärung bedarf, oder wenn sie eine tatsächliche Frage aufwirft, deren in der Berufungsentscheidung zu erwartende Klärung verallgemeinerungsfähige Auswirkungen hat. Verallgemeinerungsfähige Auswirkungen hat die Klärung einer Tatsachenfrage, wenn sich diese Frage nicht nur in dem zu entscheidenden Fall, sondern darüber hinaus auch noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft stellt.
5Nach diesen Maßstäben kommt der aufgeworfenen Frage,
6"ob unverfolgt, illegal ausgereiste Rückkehrer nach Syrien, die sich im europäischen Ausland aufgehalten und einen Asylantrag gestellt haben, angesichts der Repression des syrischen Staates in Bezug auf Oppositionelle mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politisch verfolgt werden im Sinne einer Einzelverfolgung aufgrund Gruppenzugehörigkeit",
7keine grundsätzliche Bedeutung zu. Sie ist nicht klärungsbedürftig, da sie in Nordrhein-Westfalen im verneinenden Sinne geklärt ist.
8Vgl. zuletzt OVG NRW, Beschluss vom 9.12.2013 ‑ 14 A 2663/13.A ‑, NRWE Rn. 5 ff.
9Der Umstand, dass die tatsächliche Situation in Syrien hinsichtlich dieser Frage unterschiedlich gewürdigt wird, kann nicht zur grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache unter dem Gesichtspunkt führen, dass zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts herbeizuführen ist. Das ist nämlich nicht möglich, da dieses Gericht an die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts gebunden ist (§ 137 Abs. 2 VwGO).
10Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21.8.2013 ‑ 14 A 1863/13.A ‑, NRWE Rn. 9.
11Somit könnte eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nur damit begründet werden, dass neue Gesichtspunkte vorgebracht werden, die die genannte Frage als klärungsbedürftig geblieben oder wieder geworden erscheinen lassen.
12Vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 124 Rn. 144.
13Das ist nicht der Fall. Der Verweis auf die abweichende Wertung der tatsächlichen Verhältnisse durch andere Gerichte genügt dafür nicht. Die vom Kläger insoweit genannten tatsächlichen Gesichtspunkte hat auch der Senat in seiner Rechtsprechung berücksichtigt. Sie können die mit dieser Rechtsprechung übereinstimmende Beurteilung des Verwaltungsgerichts im angegriffenen Urteil nicht in Frage stellen. Belastbare Erkenntnisse, die die asylrechtlich erhebliche Gefahr einer politischen Verfolgung belegen, benennt der Kläger in den abweichenden Entscheidungen anderer Gerichte nicht. Deren Auffassung beruht mangels Referenzfällen, die es wegen ausgesetzter Abschiebungen nicht gibt, notwendigerweise auf einer wertenden Gesamtschau aller Umstände. Diese Wertung teilt der beschließende Senat in seiner Rechtsprechung nicht, weil es lebensfremd ist anzunehmen, der syrische Staat, dessen Machthaber gegen Aufständische um das politische und physische Überleben kämpfen und dabei die Kontrolle über erhebliche Landesteile verloren haben, hätte Veranlassung und Ressourcen, alle zurückgeführten unpolitischen Asylbewerber ohne erkennbaren individuellen Grund aus den in § 60 Abs. 1 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) genannten Gründen zu verfolgen. Für die Annahme, dass die syrischen Sicherheitsorgane eine solche auf jeden Asylbewerber bezogene, an asylerhebliche Merkmale anknüpfende Verfolgungstätigkeit entfalteten, gibt es keinerlei Anhalt.
14Damit setzt sich der Senat keineswegs, wie der Kläger glaubt, in Widerspruch zu seiner Rechtsprechung hinsichtlich der Gewährung von Abschiebungsschutz für alle syrischen Asylbewerber. Der Senat hat entschieden, dass angesichts des weitverbreiteten und wahllosen Einsatzes der Folter durch den syrischen Staat für jeden rückgeführten Asylbewerber die beachtliche Wahrscheinlichkeit besteht, auch ohne individuellen Bezug zu Gruppen oder Personen der Exilszene über sein Wissen darüber während seines Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland unter Einsatz der Folter abgeschöpft zu werden.
15Vgl. OVG NRW, Urteil vom 14.2.2012 ‑ 14 A 2708/10.A ‑, NRWE Rn. 43 ff.
16Die allgemeine Gefahr informatorischer Befragung unter Folter ohne erkennbaren individuellen ‑ und sei es auch nur gruppenabgeleiteten ‑ Grund knüpft jedoch nicht an asylerhebliche Merkmale an. Folter kann ein Indiz für eine asylrechtsrelevante Gerichtetheit der Verfolgung sein,
17Vgl. BVerfG (1. Kammer des Zweiten Senats), Beschluss vom 21. August 1995 ‑ 2 BvR 1675/95 ‑, juris Rn. 4; BVerwG, Urteil vom 17. Mai 1983 ‑ 9 C 36.83 ‑, BVerwGE 67, 184 (194); OVG NRW, Beschluss vom 18.9.2013 ‑ 14 A 2130/13.A ‑, S. 3 des amtlichen Umdrucks,
18führt aber nicht als solche zur Annahme einer politischen Verfolgung, sondern zu Abschiebungsschutz gemäß § 60 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes. Zur Annahme der politischen Verfolgung eines durch Folter Bedrohten ist, wenn nicht in seiner Person an asylerhebliche Merkmale angeknüpft wird, jedenfalls dessen Zurechnung zur Gegenseite des Verfolgerstaates oder zu einer anderen Person, die ihrerseits Objekt politischer Verfolgung ist, erforderlich.
19Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9.7.2012 ‑ 14 A 2485/11.A ‑, NRWE Rn. 16 f.; Funke-Kaiser in GK-AsylVfG, Loseblattsammlung (Stand: Dezember 2013), vor II-1 Rn. 69.
20Daran fehlt es, wenn lediglich die beachtliche Wahrscheinlichkeit für jeden Asylbewerber besteht, bei seiner Rückkehr routinemäßig auch unter Einsatz der Folter befragt zu werden.
21Das angegriffene Urteil weicht auch nicht von den von den Klägern zitierten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts ab i.S.v. § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG. Eine die Berufung eröffnende Divergenz liegt nur vor, wenn die Vorinstanz mit einem die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechts- oder verallgemeinerungsfähigen Tatsachensatz einem in der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten entscheidungstragenden Rechts- oder Tatsachensatz widerspricht.
22Das Bundesverwaltungsgericht hat in den vom Kläger zitierten Entscheidungen,
23Urteil vom 1.6.2011 ‑ 10 C 25.10 ‑, NVwZ 2011, 1463, und Urteil vom 27.4.2010 ‑ 10 C 5.09 ‑, NVwZ 2011, 51,
24entschieden, dass in Abweichung von der früheren, auf nationales Recht gestützten Rechtsprechung ein einheitlicher Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit anzuwenden ist, dass aber bei Vorverfolgten bzw. Geschädigten die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 Platz greife. Das Verwaltungsgericht hat ‑ unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des beschließenden Senats ‑ keine dem widersprechenden Rechtssätze aufgestellt, wie es der Kläger aus Entscheidungen des beschließenden Senats herauslesen zu können glaubt. Wie oben bereits ausgeführt, ergibt sich aus dem vom Senat und vom Verwaltungsgericht für jedweden Rückkehrer nach Syrien angenommenen Umstand der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung im Sinne des § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 2 AsylVfG unterworfen zu werden, mitnichten die beachtliche Wahrscheinlichkeit, unter Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG verfolgt zu werden.
25Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die Gerichtskosten ergibt sich aus § 83b AsylVfG.
26Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
Tenor
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
G r ü n d e :
2Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.
3Der Rechtssache kommt die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 des Asylverfahrensgesetzes ‑ AsylVfG ‑) nicht zu.
4Grundsätzliche Bedeutung im Sinne der genannten Vorschrift hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die sich in dem erstrebten Berufungsverfahren stellen würde und die im Interesse der einheitlichen Auslegung und Anwendung oder der Fortentwicklung des Rechts der Klärung bedarf, oder wenn sie eine tatsächliche Frage aufwirft, deren in der Berufungsentscheidung zu erwartende Klärung verallgemeinerungsfähige Auswirkungen hat. Verallgemeinerungsfähige Auswirkungen hat die Klärung einer Tatsachenfrage, wenn sich diese Frage nicht nur in dem zu entscheidenden Fall, sondern darüber hinaus auch noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft stellt.
5Nach diesen Maßstäben kommt der aufgeworfenen Frage,
6"ob unverfolgt, illegal ausgereiste Rückkehrer nach Syrien, die sich im europäischen Ausland aufgehalten und einen Asylantrag gestellt haben, angesichts der Repression des syrischen Staates in Bezug auf Oppositionelle mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politisch verfolgt werden im Sinne einer Einzelverfolgung aufgrund Gruppenzugehörigkeit",
7keine grundsätzliche Bedeutung zu. Sie ist nicht klärungsbedürftig, da sie in Nordrhein-Westfalen im verneinenden Sinne geklärt ist.
8Vgl. zuletzt OVG NRW, Beschluss vom 9.12.2013 ‑ 14 A 2663/13.A ‑, NRWE Rn. 5 ff.
9Der Umstand, dass die tatsächliche Situation in Syrien hinsichtlich dieser Frage unterschiedlich gewürdigt wird, kann nicht zur grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache unter dem Gesichtspunkt führen, dass zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts herbeizuführen ist. Das ist nämlich nicht möglich, da dieses Gericht an die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts gebunden ist (§ 137 Abs. 2 VwGO).
10Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21.8.2013 ‑ 14 A 1863/13.A ‑, NRWE Rn. 9.
11Somit könnte eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nur damit begründet werden, dass neue Gesichtspunkte vorgebracht werden, die die genannte Frage als klärungsbedürftig geblieben oder wieder geworden erscheinen lassen.
12Vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 124 Rn. 144.
13Das ist nicht der Fall. Der Verweis auf die abweichende Wertung der tatsächlichen Verhältnisse durch andere Gerichte genügt dafür nicht. Die vom Kläger insoweit genannten tatsächlichen Gesichtspunkte hat auch der Senat in seiner Rechtsprechung berücksichtigt. Sie können die mit dieser Rechtsprechung übereinstimmende Beurteilung des Verwaltungsgerichts im angegriffenen Urteil nicht in Frage stellen. Belastbare Erkenntnisse, die die asylrechtlich erhebliche Gefahr einer politischen Verfolgung belegen, benennt der Kläger in den abweichenden Entscheidungen anderer Gerichte nicht. Deren Auffassung beruht mangels Referenzfällen, die es wegen ausgesetzter Abschiebungen nicht gibt, notwendigerweise auf einer wertenden Gesamtschau aller Umstände. Diese Wertung teilt der beschließende Senat in seiner Rechtsprechung nicht, weil es lebensfremd ist anzunehmen, der syrische Staat, dessen Machthaber gegen Aufständische um das politische und physische Überleben kämpfen und dabei die Kontrolle über erhebliche Landesteile verloren haben, hätte Veranlassung und Ressourcen, alle zurückgeführten unpolitischen Asylbewerber ohne erkennbaren individuellen Grund aus den in § 60 Abs. 1 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) genannten Gründen zu verfolgen. Für die Annahme, dass die syrischen Sicherheitsorgane eine solche auf jeden Asylbewerber bezogene, an asylerhebliche Merkmale anknüpfende Verfolgungstätigkeit entfalteten, gibt es keinerlei Anhalt.
14Damit setzt sich der Senat keineswegs, wie der Kläger glaubt, in Widerspruch zu seiner Rechtsprechung hinsichtlich der Gewährung von Abschiebungsschutz für alle syrischen Asylbewerber. Der Senat hat entschieden, dass angesichts des weitverbreiteten und wahllosen Einsatzes der Folter durch den syrischen Staat für jeden rückgeführten Asylbewerber die beachtliche Wahrscheinlichkeit besteht, auch ohne individuellen Bezug zu Gruppen oder Personen der Exilszene über sein Wissen darüber während seines Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland unter Einsatz der Folter abgeschöpft zu werden.
15Vgl. OVG NRW, Urteil vom 14.2.2012 ‑ 14 A 2708/10.A ‑, NRWE Rn. 43 ff.
16Die allgemeine Gefahr informatorischer Befragung unter Folter ohne erkennbaren individuellen ‑ und sei es auch nur gruppenabgeleiteten ‑ Grund knüpft jedoch nicht an asylerhebliche Merkmale an. Folter kann ein Indiz für eine asylrechtsrelevante Gerichtetheit der Verfolgung sein,
17Vgl. BVerfG (1. Kammer des Zweiten Senats), Beschluss vom 21. August 1995 ‑ 2 BvR 1675/95 ‑, juris Rn. 4; BVerwG, Urteil vom 17. Mai 1983 ‑ 9 C 36.83 ‑, BVerwGE 67, 184 (194); OVG NRW, Beschluss vom 18.9.2013 ‑ 14 A 2130/13.A ‑, S. 3 des amtlichen Umdrucks,
18führt aber nicht als solche zur Annahme einer politischen Verfolgung, sondern zu Abschiebungsschutz gemäß § 60 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes. Zur Annahme der politischen Verfolgung eines durch Folter Bedrohten ist, wenn nicht in seiner Person an asylerhebliche Merkmale angeknüpft wird, jedenfalls dessen Zurechnung zur Gegenseite des Verfolgerstaates oder zu einer anderen Person, die ihrerseits Objekt politischer Verfolgung ist, erforderlich.
19Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9.7.2012 ‑ 14 A 2485/11.A ‑, NRWE Rn. 16 f.; Funke-Kaiser in GK-AsylVfG, Loseblattsammlung (Stand: Dezember 2013), vor II-1 Rn. 69.
20Daran fehlt es, wenn lediglich die beachtliche Wahrscheinlichkeit für jeden Asylbewerber besteht, bei seiner Rückkehr routinemäßig auch unter Einsatz der Folter befragt zu werden.
21Das angegriffene Urteil weicht auch nicht von den von den Klägern zitierten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts ab i.S.v. § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG. Eine die Berufung eröffnende Divergenz liegt nur vor, wenn die Vorinstanz mit einem die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechts- oder verallgemeinerungsfähigen Tatsachensatz einem in der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten entscheidungstragenden Rechts- oder Tatsachensatz widerspricht.
22Das Bundesverwaltungsgericht hat in den vom Kläger zitierten Entscheidungen,
23Urteil vom 1.6.2011 ‑ 10 C 25.10 ‑, NVwZ 2011, 1463, und Urteil vom 27.4.2010 ‑ 10 C 5.09 ‑, NVwZ 2011, 51,
24entschieden, dass in Abweichung von der früheren, auf nationales Recht gestützten Rechtsprechung ein einheitlicher Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit anzuwenden ist, dass aber bei Vorverfolgten bzw. Geschädigten die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 Platz greife. Das Verwaltungsgericht hat ‑ unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des beschließenden Senats ‑ keine dem widersprechenden Rechtssätze aufgestellt, wie es der Kläger aus Entscheidungen des beschließenden Senats herauslesen zu können glaubt. Wie oben bereits ausgeführt, ergibt sich aus dem vom Senat und vom Verwaltungsgericht für jedweden Rückkehrer nach Syrien angenommenen Umstand der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung im Sinne des § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 2 AsylVfG unterworfen zu werden, mitnichten die beachtliche Wahrscheinlichkeit, unter Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG verfolgt zu werden.
25Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die Gerichtskosten ergibt sich aus § 83b AsylVfG.
26Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Tatbestand und Entscheidungsgründe:
1
Tatbestand und Entscheidungsgründe:
3Die zulässige Klage mit dem Antrag der Klägerin,
4die Beklagte unter Aufhebung von Ziffer 2. des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 6. April 2016 zu verpflichten, ihr auch Flüchtlingsschutz im Sinne der §§ 3 bis 3e AsylG zuzuerkennen,
5ist unbegründet.
6Das Gericht folgt den Feststellungen und im Hinblick auf die ihm vorliegenden Auskünfte und Erkenntnisse auch der Begründung in dem angefochtenen Bescheid, mit der die (hier begehrte zusätzliche) Zuerkennung des Flüchtlingsschutzes im Sinne der §§ 3 bis 3e Asylgesetz (AsylG) abgelehnt worden ist, macht sie sich zu eigen und sieht deshalb – mit Ausnahme der folgenden ergänzenden Hinweise – von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
7Ergänzend wird lediglich auf Folgendes hingewiesen.
8Soweit die Klägerin sich im Laufe des Klageverfahrens darauf berufen hat, dass ihr allein wegen ihrer (illegalen) Ausreise aus Syrien, der Asylantragstellung und des Aufenthaltes in Deutschland bei einer Rückkehr nach Syrien auch eine politische Verfolgung im Sinne der §§ 3 ff. Asylgesetz (AsylG) drohe, weil allein dieses Verhalten vom syrischen Staat als Ausdruck regimefeindlicher Gesinnung aufgefasst und verfolgt werde, vermag das Gericht in Anknüpfung an die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen nicht festzustellen, dass diese Gefahr mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit bestünde.
9Eine Rückkehr nach Syrien wird der Klägerin aufgrund des zuerkannten Schutzstatus zwar nicht tatsächlich abverlangt. Zwecks Prüfung des weitergehenden Schutzbegehrens ist eine solche Rückkehr aber zu unterstellen und das Schutzbedürfnis nach Maßgabe der im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung herrschenden Verhältnisse zu beurteilen (vgl. § 77 Abs. 1 AsylG).
10Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen geht in ständiger Rechtsprechung, die sich die Kammer zu eigen macht, davon aus, dass unverfolgt, aber illegal ausgereiste Rückkehrer nach Syrien, die sich im europäischen Ausland aufgehalten und einen Asylantrag gestellt haben, selbst in Ansehung der Repressionen des syrischen Staates in Bezug auf Oppositionelle nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politisch verfolgt werden.
11Rückkehrer nach Syrien unterliegen – angesichts des ihnen gegenüber weit verbreiteten und wahllosen Einsatzes der Folter durch den syrischen Staat – zwar allgemein der Gefahr, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung ausgesetzt zu werden, die zum Ziel hat, etwaiges Wissen über die hiesige Exilszene „abzuschöpfen“.
12Vgl. z.B. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) Beschluss vom 14. Februar 2012 – 14 A 2708/10.A –, juris, dort insbesondere Rn. 28 ff. unter Auswertung der auch dem erkennenden Gericht vorliegenden Quellen: „Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage des Auswärtigen Amtes vom 27. September 2010“ (S.16) und Berichte von Amnesty International: „Deadly Detention …“ von August 2011 und „Syria: End Human Rights Violations in Syria“ von Oktober 2011 (s. Erkenntnisliste); s.a. neuerlich Beschluss vom 13. Februar 2014 – 14 A 215/14.A –, juris, dort insbesondere Rn. 13 ff..
13Diese Gefahr begründet einen Anspruch auf subsidiären Schutz nach § 4 AsylG, dem der angefochtene Bescheid in Ziff. 1. seines Tenors im Ergebnis Rechnung trägt; sie begründet aber keinen Anspruch darauf, als politisch Verfolgter – d.h. als Asylberechtigter im Sinne des Art. 16a GG bzw. als Flüchtling im Sinne der §§ 3 bis 3e AsylG (Flüchtlingsschutz) – anerkannt zu werden.
14Vgl. z.B. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) Beschluss vom 9. Juli 2012 – 14 A 2485/11.A –, NRWE, Beschluss vom 7. Mai 2013 – 14 A 1008/13.A –, juris; Beschluss vom 27. Juni 2013 – 14 1517/13.A –, juris; Beschluss vom 9. Dezember 2013 – 14 A 2663/13. A –, NRWE Rn. 5 ff.; Beschluss vom 13. Februar 2014 – 14 A 215/14.A –; s. in diesem Sinne auch VG Düsseldorf, Urteil vom 14. Mai 2013 – 17 K 9165/12.A –, juris Rn. 38 ff.
15Die Gefahr, als potentieller/vermeintlicher Informant über die hiesige Exilszene bei einer Rückkehr nach Syrien unter Einsatz der Folter abgeschöpft zu werden, trifft mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit jeden rückgeführten Asylbewerber, auch ohne dass dem ein individueller Bezug zu Gruppen oder Personen der Exilszene zugrunde läge.
16Vgl. z.B. OVG NRW, Beschluss vom 13. Februar 2014 – 14 A 215/14.A –, juris, dort insbesondere Rn. 13 ff. mit weiteren Nachweisen.
17Diese allgemeine Gefahr informatorischer Befragung unter Folter ohne erkennbaren individuellen – und sei es auch nur gruppenabgeleiteten – Grund knüpft jedoch nicht an (vorhandene oder vom Verfolger unterstellte) asylerhebliche Merkmale (im Sinne des Art. 16a GG bzw. des § 3b AsylG) an. Daran fehlt es hier, weil „lediglich“ die beachtliche Wahrscheinlichkeit für jeden Asylbewerber besteht, bei seiner Rückkehr (wahllos-)routinemäßig – und damit nach gleichsam zufälligen, im Sinne einer Schutzberechtigung nach Art. 16a GG bzw. nach § 3 bis 3e AsylG jedenfalls unerheblichen Kriterien – unter Einsatz der Folter befragt zu werden.
18Vgl. in diesem Sinne z.B. OVG NRW, Beschluss vom 13. Februar 2014 – 14 A 215/14.A –, juris, dort insbesondere Rn. 13 ff. mit weiteren Nachweisen.
19Belastbare Erkenntnisse, die die Annahme nahelegten, der syrische Staat erkenne in unpolitischen, erfolglosen Asylbewerbern nicht nur potentielle Informationsquellen zur Exilszene, auf die bei Rückkehr wahllos-routinemäßig zugegriffen wird, sondern grundsätzlich (auch) Regimegegner und habe – anders als vor Ausbruch des Bürgerkriegs – eine entsprechende Verfolgungsmotivation gerade auch unpolitischen, erfolglosen Asylbewerbern gegenüber entwickelt, so dass nunmehr die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer politischen Verfolgung bestehe, lassen sich derzeit nicht hinreichend ausmachen.
20Vgl. in diesem Sinne auch Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 7. Januar 2014 – 17 K 804/13.A –, Bl 7 des Urteilsabdruckes
21An dieser Einschätzung ändert es nichts, dass einige andere Obergerichte die oben beschriebene Behandlung von Rückkehrern, die illegal ausgereist sind, sich länger im europäischen Ausland aufgehalten und einen Asylantrag gestellt haben, bei allen solchen Rückkehrern mit der Begründung als eine politische Verfolgung bewerten, dass die Verfolgung an eine unterstellte politische Gegnerschaft – oder ggf. eine besondere Nähe zu politischen Gegnern – anknüpfe.
22Vgl. in diesem Sinne: Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 18. Juli 2012 – 3 L 147/11 –, Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 19. Juni 2013 – A 11 S 927/13 –, Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 27. Januar 2014 – 3 A 917/13. Z. A –, Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 24 April 2014 – 2 L 16/13 –, jeweils veröffentlicht in juris.
23Diese Auffassung beruht mangels nötiger Referenzfälle, die es wegen ausgesetzter Abschiebungen bzw. umfassender Gewährung subsidiären Schutzes nicht gibt, notwendigerweise auf einer wertenden Gesamtschau aller Umstände, die das erkennende Gericht im Ergebnis nicht teilt.
24Der Umstand, dass die Befragungen selbst ohne Kenntnisse des Betroffenen von der hiesigen Exilszene und auf die bloße Möglichkeit solcher Kenntnisse hin (wahllos-) routinemäßig erfolgen und damit gleichsam zufällig treffen, spricht gerade dagegen, dass dem jeweils Betroffenen, bei dem nach Kenntnissen über die Exilszene „auf den Busch geklopft“ wird, stets ohne weiteres eine Regimegegnerschaft – oder eine besondere Nähe zu politischen Gegnern – unterstellt würde.
25Den syrischen Machthabern wird zudem aufgrund der derzeitig stattfindenden militärischen Auseinandersetzungen und des dadurch verursachten Exodus von Millionen von Syrern vor Augen stehen, dass Flüchtlinge ihr Heimatland in der Regel nicht wegen einer regimefeindlichen Gesinnung, sondern wegen der allgemeinen kriegsähnlichen Lage und den damit verbundenen Gefahren verlassen.
26Vgl. so auch Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 7. Januar 2014 – 17 K 804/13.A –, Bl 8 des Urteilsabdruckes.
27Die Klägerin ist auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer politischen Verfolgung wegen ihres christlichen Glaubens ausgesetzt. Bei ihrer Anhörung durch das Bundesamt hat sie sich nämlich zur Begründung ihres Schutzbegehrens – trotz der ausdrücklich gestellten Frage, was ihr persönlich vor der Ausreise aus Syrien passiert sei – lediglich auf die allgemeine Kriegssituation in ihrem Heimatland und die daraus resultierende allgemeine Unsicherheit in Syrien bezogen. Von Übergriffen seitens des Regimes oder seitens von Regimegegnern auf sie wegen ihrer Religion wusste sie als Fluchtmotiv nichts zu berichten.
28Sie ist demnach nicht aus Furcht vor Verfolgung als Christ ausgereist. Daran ändert auch ihr Vortrag aus der mündlichen Verhandlung nichts, in der sie sinngemäß im Wesentlichen Folgendes berichtet hat:
29Im Zuge des Bürgerkrieges seien immer mehr Muslime, die unruhigere Gegenden verlassen hätten, in ihren ursprünglich rein christlichen Heimatort N. bei I. gekommen. Dieser Ort wäre friedlich gewesen. Die Muslime in den umgebenden Dörfern hätten ihnen übel genommen, dass sie nicht bereit gewesen seien, die Waffen in die Hand zu nehmen. Die Christen seien im Ort zwar nach wie vor in der Mehrheit gewesen, es seien aber immer mehr fremde Menschen zugezogen. Sie habe daher Angst gehabt, als Frau allein auf die Straße zu gehen oder sich freier zu kleiden. Es seien fremde Leute in ihren Laden gekommen und hätten Waren mitgenommen, ohne zu bezahlen; sie hätten gesagt, sie solle die Rechnung in ihr Buch eintragen; es wäre aber nicht zu erwarten gewesen, dass die Leute das „Angeschriebene“ später bezahlen würden. Sie hätte die Leute zwar anzeigen können, aber davor hätte sie Angst gehabt. Wenn sie sie angezeigt hätte, hätten sie sich an ihrem Sohn oder ihrer Familie rächen können. Einmal sei sie von einem Auto aus an den Haaren gerissen worden. An Kontrollpunkten sei sie beschimpft worden. Die Kontrollpunkte wären in der Hand der Regierung gewesen; dort sei man „mal so, mal so“ behandelt worden. Als sie einmal mit ihrem Mann im Auto unterwegs gewesen sei, habe ein Kontrollposten sie aufgefordert, das Handschuhfach zu öffnen. Das habe sie wohl zu schnell gemacht; der Posten habe sie beschimpft. Ihr sei sinngemäß gesagt worden, sie solle den Mund halten, und ob sie meine, die (Kontroll-)Arbeit besser machen zu können. Sie sei bei den Kontrollen schon mal so abgetastet worden, wie Frauen nicht abgetastet werden sollten. Sie seien auch nicht mehr zur Kirche gegangen, weil sie auf dem Weg dorthin von Bombardierung bedroht gewesen seien.
30Diese Ereignisse vermitteln der Klägerin keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 bis § 3e AsylG wegen einer (Vor-)Verfolgung, die an ihren christlichen Glauben anknüpft.
31Da nach § 3a Abs. 1 AsylG als flüchtlingsschutzrelevante Verfolgung Handlungen gelten, die
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1. aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten keine Abweichung zulässig ist,
oder die
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2. in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist,
ist das Schutzbedürfnis am Maßstab der Intensität des Eingriffs in die Menschenrechte zu messen.
38Bezüglich der Frage der Eingriffsintensität ist des Näheren zu berücksichtigen, dass (rechtswidrig drohende) Eingriffe in das Leben stets als hinreichend intensive Verfolgungsmaßnahmen zu bewerten sein dürften. Bei (drohenden) Verletzungen der körperlichen Unversehrtheit oder die physische Freiheit ist von einer beachtlichen Verfolgung nur auszugehen, wenn der Eingriff erheblich, d.h. schwerwiegend ist.
39Vgl. in diesem Sinne: BVerwG, Urteil vom 05. März 2009 – 10 C 51/07 –, BVerwGE, 133, 221 -231, veröffentlicht auch in juris, dort insbesondere Rn. 11, sowie Hailbronner, Kommentar zum Ausländerrecht, Band 3, B 2, zu § 3a AsylG Rn. 3 ff, insbesonere 7 f. (Stand Juni 2014).
40Auch für Eingriffe in andere grundlegende Rechte und Rechtsgüter gilt, dass sie schwerwiegend sein müssen, um flüchtlingsschutzrelevant werden zu können.
41Vgl. Hailbronner, Kommentar zum Ausländerrecht, Band 3, B 2, zu § 3a AsylG Rn. 9 f. (Stand Juni 2014).
42Für einen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist neben der hinreichenden Intensität der Verfolgungshandlung zudem erforderlich, dass die Verfolgung an einen der Verfolgungsgründe im Sinne des § 3b AsylG anknüpft.
43Vgl. in diesem Sinne: BVerwG, Urteil vom 05. März 2009 – 10 C 51/07 –, BVerwGE, 133, 221 -231, veröffentlicht auch in juris, dort insbesondere Rn. 11.
44Bei Anlegung dieser Maßstäbe steht der Klägerin kein Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wegen einer Verfolgung, die an ihre Zugehörigkeit zur christlichen Bevölkerungsgruppe anknüpfte, zu.
45Die Religionsfreiheit der Klägerin als solche zählt zwar auch zu den im Sinne des § 3a Abs. 1 AsylG geschützten grundlegenden Menschenrechten. Die Klägerin hat aber nicht glaubhaft machen können, dass sie in Syrien ihre Religion nicht hätte ausüben können, weil sie Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen wäre, die gegen ihre Religionszugehörigkeit gerichtet waren. Dies gilt auch, soweit sie berichtet hat, dass sie nicht mehr zur Kirche gegangen seien, weil sie auf dem Weg dorthin von Bombardierung bedroht gewesen seien. Denn die Gefahr, in umkämpften Gebieten Opfer von Kampfhandlungen zu werden, besteht für die Zivilbevölkerung in ganz Syrien ungeachtet ihrer ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit. Aufgrund des Bürgerkriegskonfliktes hat nämlich in der Zeit von 2011 bis November 2015 schätzungsweise die Hälfte der syrischen Bevölkerung ihren Wohnsitz verlassen müssen, darunter ca. 6,5 Million Personen, die innerhalb Syriens vertrieben worden sind, und mehr als 4,2 Millionen Personen, die außerhalb Syriens als Flüchtlinge registriert worden sind. Hauptgrund für das Verlassen des Wohnsitzes ist die vorsätzliche Wahl der Zivilbevölkerung als Ziel von Angriffen und das Versagen der Konfliktparteien beim Schutz der Zivilbevölkerung.
46Vgl. UNHCR, International Protection Considerations with Regard to People Fleeing the Syrian Arab Republic – Update IV von November 2015, s. dort Rn. 8.
47Vor diesem Hintergrund konnte das Gericht nicht zu der Überzeugung gelangen, dass die Gefahren für Leib und Leben auf dem „Kirchweg“ nicht den allgemeinen Bürgerkriegsverhältnissen geschuldet gewesen wären, die bereits zur Zuerkennung subsidiären Schutzes an die Klägerin führten, sondern einer spezifisch auf den christlichen Glauben der örtlichen Bevölkerung gerichteten Verfolgung entsprangen. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin bei ihrer Anhörung in der mündlichen Verhandlung selbst keinen näheren Bezug zwischen der Bombardierung und der überwiegenden Zugehörigkeit der Ortsbewohner zum christlichen Bevölkerungsteil herstellte, sondern die Erwähnung der Bombardierungsgefahr eher im beiläufigen Zusammenhang mit der Erläuterung der allgemeinen Bürgerkriegsfolgen stand, vor denen sie geflohen ist.
48Soweit die Klägerin des Weiteren sinngemäß vorgetragen hat, dass sie sich wegen der vielen zugezogenen muslimischen Bürgerkriegsflüchtlinge nicht mehr getraut hätten, in die Kirche zu gehen, ist dies nicht nachvollziehbar, da die Klägerin selbst vorgetragen hat, dass trotz des Zuzugs die Christen im Ort immer noch in der Mehrheit waren.
49Auch die übrigen zur Begründung des Klagebegehrens geschilderten Erlebnisse sind nach Überzeugung des Gerichts nicht geeignet, einen über den bereits gewährten (subsidiären) Schutz vor den Bürgerkriegsgefahren hinausgehenden Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu vermitteln.
50Zum einen Teil sind die geltend gemachten Übergriffe nicht intensiv genug, um das Begehren zu tragen. Dies gilt etwa für das Unbehagen an der „Überfremdung“ des Heimatortes und die damit verbundenen Veränderungen im Sicherheitsgefühl, die sich auch auf das Kleidungs- und Ausgehverhalten der Klägerin ausgewirkt haben, oder für die gelegentliche unangenehme Behandlung an Kontrollpunkten. Auch der einmalige Vorfall, bei dem die Klägerin an den Haaren gerissen worden ist, ermangelt der erforderlichen Eingriffsintensität. Nichts anderes gilt bzgl. der wirtschaftlichen Beeinträchtigung durch nichtzahlende Kunden.
51Zum anderen Teil fehlt es an der erkennbaren Anknüpfung der geschilderten Übergriffe an den christlichen Glauben der Klägerin bzw. an deren Zugehörigkeit zur christlichen Volksgruppe. Dies gilt insbesondere für die wirtschaftliche Beeinträchtigung durch nichtzahlende Kunden. Es spricht nichts dafür, dass bedürftig gewordene Bürgerkriegsflüchtlinge nicht auch an anderen, nichtchristlichen Orten in Syrien und bei nichtchristlichen Händlern versuchen, sich die notwendigsten Lebensmittel durch aggressives „anschreiben lassen“ zu beschaffen. Denn in den mehr als fünf Jahren Bürgerkrieg hat sich die humanitäre Situation in Syrien so sehr verschlechtert, dass dort ca. 13,5 Millionen Menschen auf humanitäre Unterstützung angewiesen sind. Ende 2014 lebten schätzungsweise vier von fünf Syrern in Armut, davon fast 65 % in extremer Armut, lediglich fähig, sich die allernotwendigsten Lebensmittel und sonstigen Dinge zur Haushaltsführung zu beschaffen.
52Vgl. UNHCR, International Protection Considerations with Regard to People Fleeing the Syrian Arab Republic – Update IV von November 2015, s. dort Rn. 27.
53Nach Verlassen des Heimatlandes eingetretene Gründe, die es rechtfertigten, im Falle einer Rückkehr der Klägerin nach Syrien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von einer Bedrohung wegen ihres christlichen Glaubens auszugehen, sind nicht ersichtlich.
54Der Klägerin wäre eine Rückkehr in die vom Baath-Assad-Regime beherrschten Gebiete zumutbar; ihre Heimatregion I. wie auch ihr Heimatort befinden sich – auch nach den Angaben der Klägerin – in der Hand des Regimes. Eine Verfolgung von Christen wegen ihres Glaubens findet durch das antiislamistisch-säkulare, gegenüber religiösen Minderheiten tolerante „Assad-Regime“, das von den syrischen Christen mehrheitlich als Protektor angesehen wird,
55vgl. Deutsche Orient Stiftung – Deutsches Orient-Institut, Kurzanalyse August 2014: „Die orthodoxen Christen in Syrien und Libanon: Zwischen Assad und Islamisten“,
56nicht statt.
57Vor spezifisch bürgerkriegsbedingten Bedrohungen und Beeinträchtigungen ist die Klägerin durch den gewährten subsidiären Schutz ausreichend geschützt.
58Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylG. Der Gegenstandswert folgt aus § 30 Abs. 1 RVG.
Tenor
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
G r ü n d e :
2Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.
3Der Rechtssache kommt die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 des Asylverfahrensgesetzes ‑ AsylVfG ‑) nicht zu.
4Grundsätzliche Bedeutung im Sinne der genannten Vorschrift hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die sich in dem erstrebten Berufungsverfahren stellen würde und die im Interesse der einheitlichen Auslegung und Anwendung oder der Fortentwicklung des Rechts der Klärung bedarf, oder wenn sie eine tatsächliche Frage aufwirft, deren in der Berufungsentscheidung zu erwartende Klärung verallgemeinerungsfähige Auswirkungen hat. Verallgemeinerungsfähige Auswirkungen hat die Klärung einer Tatsachenfrage, wenn sich diese Frage nicht nur in dem zu entscheidenden Fall, sondern darüber hinaus auch noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft stellt.
5Nach diesen Maßstäben kommt der aufgeworfenen Frage,
6"ob unverfolgt, illegal ausgereiste Rückkehrer nach Syrien, die sich im europäischen Ausland aufgehalten und einen Asylantrag gestellt haben, angesichts der Repression des syrischen Staates in Bezug auf Oppositionelle mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politisch verfolgt werden im Sinne einer Einzelverfolgung aufgrund Gruppenzugehörigkeit",
7keine grundsätzliche Bedeutung zu. Sie ist nicht klärungsbedürftig, da sie in Nordrhein-Westfalen im verneinenden Sinne geklärt ist.
8Vgl. zuletzt OVG NRW, Beschluss vom 9.12.2013 ‑ 14 A 2663/13.A ‑, NRWE Rn. 5 ff.
9Der Umstand, dass die tatsächliche Situation in Syrien hinsichtlich dieser Frage unterschiedlich gewürdigt wird, kann nicht zur grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache unter dem Gesichtspunkt führen, dass zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts herbeizuführen ist. Das ist nämlich nicht möglich, da dieses Gericht an die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts gebunden ist (§ 137 Abs. 2 VwGO).
10Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21.8.2013 ‑ 14 A 1863/13.A ‑, NRWE Rn. 9.
11Somit könnte eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nur damit begründet werden, dass neue Gesichtspunkte vorgebracht werden, die die genannte Frage als klärungsbedürftig geblieben oder wieder geworden erscheinen lassen.
12Vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 124 Rn. 144.
13Das ist nicht der Fall. Der Verweis auf die abweichende Wertung der tatsächlichen Verhältnisse durch andere Gerichte genügt dafür nicht. Die vom Kläger insoweit genannten tatsächlichen Gesichtspunkte hat auch der Senat in seiner Rechtsprechung berücksichtigt. Sie können die mit dieser Rechtsprechung übereinstimmende Beurteilung des Verwaltungsgerichts im angegriffenen Urteil nicht in Frage stellen. Belastbare Erkenntnisse, die die asylrechtlich erhebliche Gefahr einer politischen Verfolgung belegen, benennt der Kläger in den abweichenden Entscheidungen anderer Gerichte nicht. Deren Auffassung beruht mangels Referenzfällen, die es wegen ausgesetzter Abschiebungen nicht gibt, notwendigerweise auf einer wertenden Gesamtschau aller Umstände. Diese Wertung teilt der beschließende Senat in seiner Rechtsprechung nicht, weil es lebensfremd ist anzunehmen, der syrische Staat, dessen Machthaber gegen Aufständische um das politische und physische Überleben kämpfen und dabei die Kontrolle über erhebliche Landesteile verloren haben, hätte Veranlassung und Ressourcen, alle zurückgeführten unpolitischen Asylbewerber ohne erkennbaren individuellen Grund aus den in § 60 Abs. 1 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) genannten Gründen zu verfolgen. Für die Annahme, dass die syrischen Sicherheitsorgane eine solche auf jeden Asylbewerber bezogene, an asylerhebliche Merkmale anknüpfende Verfolgungstätigkeit entfalteten, gibt es keinerlei Anhalt.
14Damit setzt sich der Senat keineswegs, wie der Kläger glaubt, in Widerspruch zu seiner Rechtsprechung hinsichtlich der Gewährung von Abschiebungsschutz für alle syrischen Asylbewerber. Der Senat hat entschieden, dass angesichts des weitverbreiteten und wahllosen Einsatzes der Folter durch den syrischen Staat für jeden rückgeführten Asylbewerber die beachtliche Wahrscheinlichkeit besteht, auch ohne individuellen Bezug zu Gruppen oder Personen der Exilszene über sein Wissen darüber während seines Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland unter Einsatz der Folter abgeschöpft zu werden.
15Vgl. OVG NRW, Urteil vom 14.2.2012 ‑ 14 A 2708/10.A ‑, NRWE Rn. 43 ff.
16Die allgemeine Gefahr informatorischer Befragung unter Folter ohne erkennbaren individuellen ‑ und sei es auch nur gruppenabgeleiteten ‑ Grund knüpft jedoch nicht an asylerhebliche Merkmale an. Folter kann ein Indiz für eine asylrechtsrelevante Gerichtetheit der Verfolgung sein,
17Vgl. BVerfG (1. Kammer des Zweiten Senats), Beschluss vom 21. August 1995 ‑ 2 BvR 1675/95 ‑, juris Rn. 4; BVerwG, Urteil vom 17. Mai 1983 ‑ 9 C 36.83 ‑, BVerwGE 67, 184 (194); OVG NRW, Beschluss vom 18.9.2013 ‑ 14 A 2130/13.A ‑, S. 3 des amtlichen Umdrucks,
18führt aber nicht als solche zur Annahme einer politischen Verfolgung, sondern zu Abschiebungsschutz gemäß § 60 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes. Zur Annahme der politischen Verfolgung eines durch Folter Bedrohten ist, wenn nicht in seiner Person an asylerhebliche Merkmale angeknüpft wird, jedenfalls dessen Zurechnung zur Gegenseite des Verfolgerstaates oder zu einer anderen Person, die ihrerseits Objekt politischer Verfolgung ist, erforderlich.
19Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9.7.2012 ‑ 14 A 2485/11.A ‑, NRWE Rn. 16 f.; Funke-Kaiser in GK-AsylVfG, Loseblattsammlung (Stand: Dezember 2013), vor II-1 Rn. 69.
20Daran fehlt es, wenn lediglich die beachtliche Wahrscheinlichkeit für jeden Asylbewerber besteht, bei seiner Rückkehr routinemäßig auch unter Einsatz der Folter befragt zu werden.
21Das angegriffene Urteil weicht auch nicht von den von den Klägern zitierten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts ab i.S.v. § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG. Eine die Berufung eröffnende Divergenz liegt nur vor, wenn die Vorinstanz mit einem die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechts- oder verallgemeinerungsfähigen Tatsachensatz einem in der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten entscheidungstragenden Rechts- oder Tatsachensatz widerspricht.
22Das Bundesverwaltungsgericht hat in den vom Kläger zitierten Entscheidungen,
23Urteil vom 1.6.2011 ‑ 10 C 25.10 ‑, NVwZ 2011, 1463, und Urteil vom 27.4.2010 ‑ 10 C 5.09 ‑, NVwZ 2011, 51,
24entschieden, dass in Abweichung von der früheren, auf nationales Recht gestützten Rechtsprechung ein einheitlicher Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit anzuwenden ist, dass aber bei Vorverfolgten bzw. Geschädigten die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 Platz greife. Das Verwaltungsgericht hat ‑ unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des beschließenden Senats ‑ keine dem widersprechenden Rechtssätze aufgestellt, wie es der Kläger aus Entscheidungen des beschließenden Senats herauslesen zu können glaubt. Wie oben bereits ausgeführt, ergibt sich aus dem vom Senat und vom Verwaltungsgericht für jedweden Rückkehrer nach Syrien angenommenen Umstand der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung im Sinne des § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 2 AsylVfG unterworfen zu werden, mitnichten die beachtliche Wahrscheinlichkeit, unter Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG verfolgt zu werden.
25Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die Gerichtskosten ergibt sich aus § 83b AsylVfG.
26Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
Für die sachliche und örtliche Zuständigkeit gelten die §§ 17 bis 17b des Gerichtsverfassungsgesetzes entsprechend. Beschlüsse entsprechend § 17a Abs. 2 und 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes sind unanfechtbar.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
(1) In Klageverfahren nach dem Asylgesetz beträgt der Gegenstandswert 5 000 Euro, in den Fällen des § 77 Absatz 4 Satz 1 des Asylgesetzes 10 000 Euro, in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes 2 500 Euro. Sind mehrere natürliche Personen an demselben Verfahren beteiligt, erhöht sich der Wert für jede weitere Person in Klageverfahren um 1 000 Euro und in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes um 500 Euro.
(2) Ist der nach Absatz 1 bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig, kann das Gericht einen höheren oder einen niedrigeren Wert festsetzen.