Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 06. Juni 2014 - 1 K 6528/13
Tenor
Der Beklagte wird – unter teilweiser Aufhebung seines Bescheides vom 8. August 2013 – verpflichtet, dem Kläger für das Schuljahr 2013/2014 (unter Anrechnung der bereits zugesagten Wegstreckenentschädigung in Höhe von 0,13 Euro pro Kilometer) eine Wegstreckenentschädigung in Höhe der tatsächlich entstandenen bzw. entstehenden notwendigen Kosten für seine Beförderung mit einem Taxi oder Mietwagen von seiner Wohnung zur Förderschule des Kreises W. , Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung, Schulstandort W. , Am T. , und zurück zu bewilligen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beitreibbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheitsleistung in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Der 2003 geborene Kläger lebt seit etwa 10 Jahren bei seiner Pflegemutter, die zugleich als sein Vormund bestellt ist (Amtsgericht Duisburg, Beschluss vom 5. August 2010 - 55 F 123/10 -). Seit ihrem Umzug von E. nach W. ist der Kläger seit Juni 2013 Schüler der Förderschule des Kreises W. , Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung, Schulstandort W. , Am T. 18.
3Am 12. Juni 2013 wurde für ihn über seine Schule eine Ausnahme von der Beförderung mit dem Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) beantragt. Diesem Antrag entsprach der Beklagte mit Bescheid vom 28. Juni 2013 für die Zeit vom 1. bis 31. Juli 2013 unter Gewährung einer Wegstreckenentschädigung von 0,13 Euro pro gefahrenen Kilometer. Der daraufhin von der Pflegemutter gestellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, den Beklagten zur Übernahme der Kosten für den Transport des Klägers zu seiner Schule mittels Taxi oder Sammeltransport für die Zeit vom 4. bis 19. Juli 2013 zu verpflichten, wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 3. Juli 2013 abgelehnt (20 L 1186/13) abgelehnt unter Hinweis darauf, dass nicht zu besorgen sei, dass der Schulbesuch für die letzten beiden Wochen des Schuljahres ohne die begehrte Anordnung gefährdet wäre. Dem Kläger sei ohne weiteres zumutbar, während dieser zwei Wochen vom Vormund zur Schule gefahren zu werden, dessen Sache es grundsätzlich sei, für die Bewältigung des Schulwegs zu sorgen; eventuell anfallende Taxikosten seien überschaubar, da es sich um einen innerörtlichen Transport handele und wirtschaftliche Hinderungsgründe beim Kläger, für diesen kurzen Zeitraum mit den Taxikosten in Vorleistung zu treten, nicht ersichtlich seien.
4Durch Bescheid vom 25. Juli 2013 verlängerte der Beklagte die Ausnahme von der Beförderung mit dem Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) bis zum 31. Januar 2014.
5Den von der Pflegemutter am 4. Juli 2013 (per e-mail) gestellten Antrag auf Beförderung des Klägers zu seiner Schule „mit einem Schülersondertransport“ lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 8. August 2013 ab unter Hinweis darauf, dass eine Beförderung mit einem Taxi nicht in Betracht komme , sondern lediglich eine Wegstreckenentschädigung von 0,13 Euro pro gefahrenem Kilometer. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Pflegemutter sei zunächst selbst verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass der Schulbesuch im Rahmen der Schulpflicht ordnungsgemäß erfüllt werde. Dazu gehöre im weitesten Sinne auch die Beförderung des Kindes zur Schule und zurück. Selbst wenn die Pflegemutter seit kurzem kein auf sie zugelassenes Kraftfahrzeug mehr besitzen sollte, könne sie sich dadurch nicht ihrer Beförderungspflicht entziehen und eventuell anfallende Taxikosten auf den Staat abwälzen.
6Hiergegen hat der Kläger am 13. August 2013 Klage erhoben und zugleich den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt, den Beklagten zur Übernahme der Kosten für den Transport zu seiner Schule mittels Taxi oder Sammeltransport für das Schuljahr 2013/2014 zu verpflichten.
7Mit Beschluss vom 1. Oktober 2013 (20 L 1542/13) wurde der Beklagte vorläufig bis zur Entscheidung im Klageverfahren zur Tragung der für den Transport des Klägers zur Schule tatsächlich entstehenden Taxi-/Mietwagenkosten verpflichtet. Zur Begründung wurde im Wesentlichen darauf hingewiesen, aus der sorgerechtlichen Pflichtenstellung der Pflegemutter lasse sich keine (unterhaltsrechtliche) Verpflichtung ableiten, den Kläger kostenlos bzw. ohne ausreichenden Ersatz der entstehenden Sachkosten zur Schule zu fahren.
8Der Kläger macht im vorliegenden Verfahren geltend: Er könne die Kosten des Transports zur Schule selbst nicht tragen. Die Pflegemutter erhalte für ihn zwar - neben dem Kindergeld - vom Jugendamt E. bislang monatlich zwischen 673 und 854 Euro Pflegegeld für Unterhalt und Erziehungskosten. Diese Leistungen beinhalteten aber solche besonderen Belastungen wie die tägliche Beförderung zur Schule mit einem Privat-Pkw oder per Taxi nicht. Darüber hinaus sei seine Pflegemutter nicht verpflichtet, ihr eigenes Vermögen für seinen Schultransport einzusetzen, sei es in Form von Taxikosten oder eines Transports mit eigenem Kraftfahrzeug. Zudem besitze sie mittlerweile auch kein eigenes Kraftfahrzeug mehr. Das früher vorhandene Wohnmobil und den Pkw Renault Scenic habe sie im Juli 2013 an ihre Mutter abgegeben, auf die die Fahrzeuge nun zugelassen seien; ihre Mutter habe ihr die Fahrzeuge nur zur Nutzung für ihren persönlichen Bedarf überlassen. Darauf komme es aber auch nicht an, da seine Pflegemutter diese Fahrzeuge nicht für seinen Schultransport einsetzen müsse. Im Übrigen müsse sich die Pflegemutter, die bereits 66 Jahre alt sei und zudem an einer erheblichen eigenen Behinderung leide (GdB 80 sowie Merkmale GBH), um ein weiteres Pflegekind kümmern, das 15 Jahre alt und ebenfalls behindert sei. Außerdem brauche sie eine gewisse „kinderfreie Zeit“ u.a. für Haushaltstätigkeiten, und zudem müsse ihr auch ein gewisser Raum für eigene Bedürfnisse verbleiben. Sie sei nicht bereit, den Transport zu übernehmen, nur weil der Beklagte Geld sparen wolle. Soweit dieser davon ausgehe, das vom Jugendamt gezahlte Pflegegeld umfasse auch die Aufwendungen für jegliche Kraftfahrzeugbenutzung, sehe sie dies anders. Die allgemeine Wegstreckenentschädigung von 0,13 Euro pro Kilometer reiche nicht einmal für die Benzinkosten, geschweige denn für Reifen, Reparaturen und Rücklagen.
9Ergänzend hat der Kläger ein Schreiben der Tagesklinik X. – Psychiatrische Institutsambulanz – vom 10. Oktober 2013 vorgelegt zu der Frage, ob er in der Lage ist, seinen Schulweg in Begleitung (seiner Pflegemutter) mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu bewältigen, sowie eine ärztliche Bescheinigung des Nieren- und Diabeteszentrums W. dazu, dass die Pflegemutter auf Grund ihrer Erkrankungen nicht in der Lage sei, den Kläger mit dem ÖPNV zur Schule zu bringen.
10Der Kläger beantragt sinngemäß,
11den Beklagten – unter teilweiser Aufhebung seines Bescheides vom 8. August 2013 – zu verpflichten, ihm für das Schuljahr 2013/2014 (unter Anrechnung der bereits zugesagten Wegstreckenentschädigung in Höhe von 0,13 Euro pro Kilometer) eine Wegstreckenentschädigung in Höhe der tatsächlich entstandenen bzw. entstehenden notwendigen Kosten für seine Beförderung mit einem Taxi oder Mietwagen von seiner Wohnung zur Förderschule des Kreises W. , Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung, Schulstandort W. , Am T. , und zurück zu bewilligen.
12Der Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Er trägt vor: Schülerfahrkostenrechtlich habe der Schulträger über die wirtschaftlichste Art der Beförderung zu entscheiden. Dies sei die Beförderungsart, die für den Schulträger die geringsten Kosten zur Folge habe und für den Schüler zumutbar sei. Die Erziehungsberechtigten seien zunächst selbst verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass der Schulbesuch im Rahmen der Schulpflicht des Kindes ordnungsgemäß erfüllt werde. Dazu gehöre im weitesten Sinne auch die Beförderung zur Schule und zurück. Pflegeeltern hätten mit ihrer Bestellung für weite Bereiche des täglichen Lebens die Aufgaben und Verpflichtungen eines Erziehungsberechtigten übernommen. Dazu gehöre auch, dafür Sorge zu tragen, dass das ihnen anvertraute Kind regelmäßig am Schulunterricht teilnimmt. Zur Finanzierung dieser Aufgaben und Verpflichtungen erhielten Pflegeeltern ein bedarfsorientiertes Pflegegeld. Vorliegend seien die Möglichkeiten der Eigenbeförderung durch die Pflegemutter des Klägers zu prüfen gewesen. Sie habe zunächst eingeräumt, dass ihr ein Wohnmobil zur Verfügung stehe, das sie dafür aber nicht einsetzen wolle, und dann im Laufe des Verfahrens erklärt, das Wohnmobil sei nunmehr „haltermäßig“ umgemeldet worden. Angesichts dieser Umstände sei zu vermuten, dass die Pflegemutter sich bewusst ihrer Verpflichtung zur Beförderung ihres Pflegekindes entziehen wolle. Ungeachtet der Halterfrage sei aber nicht dargetan, dass die Pflegemutter das Wohnmobil nicht mehr nutzen könne. Selbst wenn sie nicht mehr Eigentümerin oder Halterin sein sollte, bestünden jedenfalls erhebliche Zweifel an dem Vortrag, ihr stehe für die Fahrten zur Schule derzeit kein Kraftfahrzeug tatsächlich zur Verfügung. Der Pflegemutter könne auch zugemutet werden, den Kläger mit einem ihr (tatsächlich) zur Verfügung stehenden Kraftfahrzeug zur Schule zu befördern. Bei Pflegepersonen, denen die elterliche Sorge übertragen sei, sei eine Beförderungs- bzw. Begleitpflicht grundsätzlich zu bejahen. Die Fahrzeit per Pkw betrage nur etwa 13 Minuten pro Fahrstrecke. Wenn die Pflegemutter meine, ihr stehe dann nicht mehr genügend Zeit für persönliche Angelegenheiten zur Verfügung, sei dies unerheblich.
15Im Übrigen sei auch in Erwägung zu ziehen, dass die Pflegemutter den Kläger per Bus ‑ mit einem vom Beklagten zur Verfügung gestellten Ticket ‑ zur Schule begleitet. Die Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Schule bzw. Wohnung des Klägers dauere, abhängig von der gewählten Buslinie, jeweils zwischen 27 und 38 Minuten, wobei jeweils noch ein fünfminütiger Fußweg zwischen Haltestelle und Wohnung bzw. Schule hinzukomme, so dass sich insgesamt ein täglicher Schulweg von maximal 1 Stunde 36 Minuten ergebe. Ein solcher Schulweg sei nach den Maßstäben des § 13 Abs. 3 S. 2 SchfkVO nicht unzumutbar, weil es sich nur um eine Soll-Vorschrift handele. Selbst unter Berücksichtigung eines besonderen Förderbedarfs sei hier die Schulwegdauer vertretbar, wenn der Kläger die Strecke nicht allein, sondern in Begleitung der Pflegemutter zurücklege; die Begleitung mindere die an das Kind gestellten Anforderungen in erheblichem Umfang, z.B. hinsichtlich der Aufmerksamkeit und der äußeren Reizeinflüsse.
16Für eine über die allgemeine Wegstreckenentschädigung von 0,13 Euro pro Kilometer hinausgehende Kostenerstattung sei hier kein Raum. Auch wenn Pflegeeltern nicht unterhaltspflichtig seien, so decke das vom Jugendamt an sie gezahlte Pflegegeld die gesamten regelmäßigen Kosten des alltäglichen Bedarfs, wozu auch der Schulbesuch zähle. Damit abgegolten sei auch die Mitbenutzung von Haushaltsgegenständen, einschließlich vorhandener Kraftfahrzeuge, durch das Pflegekind. Sofern Mehr- oder Sonderbedarfe anfielen, stehe es der Pflegemutter frei, diese beim Jugendamt geltend zu machen. Im Übrigen seien weder die vollen Sachkosten substantiiert nachgewiesen worden noch sei dargetan, inwieweit sich die ohnehin anfallenden Kostenfaktoren wie Versicherungsbeiträge oder Wartungskosten durch die hier fraglichen Schulfahrten verändern würden. Nach alledem sei eine unzumutbare zeitliche oder finanzielle Belastung der Pflegemutter des Klägers nicht zu erkennen.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (einschließlich des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens 20 L 1542/13) sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten ergänzend Bezug genommen.
18Entscheidungsgründe:
19Die Klage, über die das Gericht auf Grund des erklärten Verzichts der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist zulässig und begründet.
20Die Ablehnung der Bewilligung der beantragten Übernahme der Taxi-/Mietwagenkosten für die Beförderung des Klägers zu der von ihm besuchten Förderschule im Schuljahr 2013/2014 durch Bescheid des Beklagten vom 8. August 2013 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1, Abs. 5 VwGO).
21Der Kläger hat einen Anspruch auf Übernahme der im Schuljahr 2013/2014 entstandenen bzw. entstehenden notwendigen Kosten für seine Beförderung mit einem Taxi oder Mietwagen von seiner Wohnung zu der von ihm besuchten Förderschule in W. und zurück aus §§ 5, 9 Abs. 3, 15 Abs. 1, 16 Abs. 2 der Schülerfahrkostenverordnung (SchfkVO).
22Die Fahrkosten des Klägers sind notwendige Schülerfahrkosten i.S.v. §§ 5, 7, 9 Abs. 3 SchfkVO, weil der kürzeste Fußweg zwischen seiner Wohnung und der von der zuständigen Schulaufsichtsbehörde als Förderort für den Schüler bestimmten Förderschule des Kreises W. , Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung, in W. , Am T. 18, mehr als 3,5 Kilometer beträgt, nämlich ca. 6,3 Kilometer.
23Ein Anspruch auf eine Wegstreckenentschädigung in Höhe der tatsächlich entstehenden Kosten für die Beförderung mit einem Taxi oder Mietwagen kommt allerdings nur in Betracht, wenn die besonderen Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 SchfkVO vorliegen. Dies setzt voraus, (1) dass wegen Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder eines Schülerspezialverkehrs die Beförderung mit Privatfahrzeugen notwendig ist, d.h. nur durch diese Art der Beförderung der regelmäßige Schulbesuch gewährleistet ist (§ 15 Abs. 1 SchfkVO), (2) dass die Beförderung mit einem Privatfahrzeug der zur Beförderung verpflichteten Eltern oder eine andere Mitfahrgelegenheit ausscheidet (§ 16 Abs. 2, 1. Halbsatz SchfkVO) und - zudem - (3) dass ein besonders begründeter Ausnahmefall im Sinne von § 16 Abs. 2, 2. Halbsatz SchfkVO vorliegt.
24Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.
25Die – grundsätzlich vorrangige (vgl. §§ 12 Abs. 4 S. 2, 15 Abs. 1 SchfkVO) – Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel ist dem Kläger hinsichtlich der Beförderung zu der von ihm besuchten Förderschule nicht zumutbar. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob sich dies nicht schon aufgrund seiner gesundheitlichen Situation (Behinderung) aus § 13 Abs. 4 i.V.m. § 6 Abs. 1 S. 2, 3 SchfkVO ergibt, auf die die vom Beklagten erteilten Ausnahmegenehmigungen von der Benutzung des ÖPNV - zuletzt (soweit bekannt) vom 25. Juli 2013 für die Zeit bis zum 31. Januar 2014 - zurückgehen und für die im Übrigen auch das vom Kläger vorgelegte Schreiben der Tagesklinik X. – Psychiatrische Institutsambulanz – vom 10. Oktober 2013 spricht. Jedenfalls ergibt sich die Unzumutbarkeit der Benutzung des ÖPNV für den Kläger aus § 13 Abs. 3 SchfkVO. Gemäß Satz 1 dieser Vorschrift ist die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel (allgemein) nicht zumutbar, wenn der regelmäßige Schulweg auch bei Ausnutzung der günstigsten Verkehrsverbindungen für die Hin- und Rückfahrt zusammengerechnet mehr als drei Stunden in Anspruch nimmt oder die Schülerin oder der Schüler überwiegend vor sechs Uhr die Wohnung verlassen muss. Abweichend hiervon bestimmt § 13 Abs. 3 Satz 2 SchfkVO, dass für Schülerinnen und Schüler der Grundschule, der entsprechenden Klassen der Förderschule und des Förderschulkindergartens eine Schulwegdauer von insgesamt mehr als einer Stunde nicht überschritten werden soll; regelmäßige Wartezeiten in der Schule vor und nach dem Unterricht sollen für diese Schülerinnen und Schüler nicht mehr als 45 Minuten insgesamt betragen. Vorliegend beträgt die tägliche Wegezeit des Klägers zu seiner Schule mit öffentlichen Verkehrsmitteln deutlich mehr als eine Stunde. Sie beträgt morgens – je nach Unterrichtsbeginn und entsprechender Busverbindung – zwischen 32 und 41 Minuten (einschließlich Umsteigezeit sowie Fußweg von der Wohnung bis zur Abfahrthaltestelle bzw. von der Zielhaltestelle bis zur Schule); mittags dürften ähnliche Zeiten gelten. Auch der Beklagte geht davon aus (vgl. Schriftsatz vom 18. November 2013), dass die tägliche Wegezeit bis zu 1 Stunde und 36 Minuten beträgt. Mit dieser Wegezeit wird die in § 13 Abs. 3 S. 2 SchfkVO als regelmäßiger Höchstwert vorgesehene Schulwegdauer um mehr als 50 Prozent überschritten.
26Dass es sich bei der in § 13 Abs. 3 S. 2 SchfkVO getroffenen Regelung (nur) um eine „Soll“-Vorschrift handelt, bedeutet nicht etwa, dass von ihr aus beliebigen Gründen – etwa unter pauschalem Hinweis auf „Kostengründe“ – abgewichen werden könnte. „Soll-Vorschriften“ sind vielmehr nach den allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsätzen für den Regelfall strikt bindend. Abweichungen sind nur gestattet in atypisch gelagerten Fällen, in denen konkrete, überwiegende Gründe für ein Abgehen von der Norm sprechen und die für den Normalfall geltende Regelung von der ratio legis offenbar nicht mehr gefordert wird.
27Vgl. hierzu nur Kopp/Schenke, VwVfG, 14. Aufl. 2013, § 40 Rdnr. 64 m.w.N.
28Durch die zeitliche Begrenzung der Schulwegdauer in § 13 Abs. 3 SchfkVO hat der Verordnungsgeber zum Ausdruck gebracht, dass Schülern – nach Schulformen und damit verbunden nach dem regelmäßigen Lebensalter der Schüler differenziert – nur solche physischen und psychischen Belastungen bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel auferlegt werden sollen, die nach der in der zeitlichen Begrenzung des Schulwegs zum Ausdruck kommenden Wertung das Wohl der Kinder, ihre Gesundheit und ihre Aufnahmefähigkeit in der Schule nicht in Frage stellen.
29Vgl. VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 12. November 1993 (13 K 8761/93), S. 7.
30Soweit die diesbezüglichen Verwaltungsvorschriften (Ziffer 13.32) vorsehen, dass der Schulträger von der „Soll“-Regelung des § 13 Abs. 3 S. 2 SchfkVO „aus zwingenden schulorganisatorischen Gründen oder besonderen Kostengründen“ abweichen dürfe – mit dem Zusatz, dies gelte „insbesondere für einzelne Förderschwerpunkte“ –, entfaltet dies keine Bindungswirkung für das Verwaltungsgericht, kann allerdings von ihm ggf. als „Rechtsanwendungshilfe“ bei der Norminterpretation berücksichtigt werden.
31Vgl. dazu VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 12. November 1993 (13 K 8761/93), S. 8, das einen atypischen Fall, der ein Abweichen von der Regel des § 13 Abs. 3 S. 2 SchfkVO rechtfertigt, als gegeben ansah bei einer „besonderen Beschulungssituation“ im Falle einer einzigen Bekenntnisgrundschule unter neun örtlichen Grundschulen mit der Folge eines „ungewöhnlich großen Einzugsbereichs“ für die an dieser Schulform interessierten Eltern. – Allgemein zur Bedeutung norminterpretierender Verwaltungsvorschriften OVG NRW, Beschluss vom 30. September 2011 (19 A 2004/10), Juris Rdnr. 3-4 m.w.N.
32Dafür, dass hier hinreichend gewichtige Gründe gegeben wären, die ein Abweichen von der normativen Regel des § 13 Abs. 3 S. 2 SchfkVO rechtfertigen könnten, ist vorliegend nichts ersichtlich.
33Soweit der Beklagte geltend macht, eine Begleitung (durch die Pflegemutter) während der Fahrt im ÖPNV „mindere die an das Kind gestellten Anforderungen in erheblichem Umfang (z.B. Aufmerksamkeit/äußere Reizeinflüsse)“, handelt es sich lediglich um allgemeine Mutmaßungen – offenbar getreu dem Alltags-Motto “Geteiltes Leid ist halbes Leid“ – , die nicht durch medizinisch-fachliche Erkenntnisse gestützt werden. Selbst wenn solchermaßen durch die Anwesenheit einer Begleitperson die Belastungen „vermindert“ würden, änderte dies jedenfalls nichts an der bereits allein mit der langen Zeitdauer des Schulwegs verbundenen Belastung, die nach dem Willen des Normgebers schon bei „normal-gesunden“ Kindern regelmäßig nicht zumutbar ist. Zudem dürften die Mutmaßungen des Beklagten eher die allgemeine Frage der Fähigkeit des Klägers zur Nutzung des ÖPNV (und seine „Kompatibilität“ mit den übrigen Nutzern) betreffen. Für die Beurteilung der (individuellen) Zumutbarkeit der mit einer solchen - täglichen - Beförderung verbundenen physischen und psychischen Belastungen für das Kind – und deren Auswirkungen auf sein gesundheitliches Wohl und insbesondere auf seine Aufnahmefähigkeit in der Schule – lässt sich aus dem Umstand der Anwesenheit einer erwachsenen Begleitperson jedenfalls nicht ohne weiteres eine relevante Bedeutung ableiten. Gegen eine „normalisierende“ Belastungsminderung spricht im vorliegenden Fall insbesondere auch die im Schreiben der Tagesklinik X. – Psychiatrische Institutsambulanz – vom 10. Oktober 2013 (Bl. 55 der Gerichtakte) getroffene Feststellung der Leitenden Ärztin Dr. L. -N. und des Psychologischen Psychotherapeuten Dr. G. , dass der Kläger „aufgrund seiner starken Beeinträchtigung nicht in der Lage ist, selbst in pflegemütterlicher Begleitung täglich mit dem öffentlichen Nahverkehr zu fahren“ (Hervorhebung hinzugefügt). An der Richtigkeit dieser fachärztlichen Einschätzung zu zweifeln besteht kein Anlass. Auch der Beklagte hat insoweit nichts geltend gemacht.
34Soweit der Beklagte sich im Übrigen – ganz allgemein – auf „Kostengründe“ beruft und anführt, die in § 13 Abs. 3 S. 2 SchfkVO vorgesehene Regelhöchstdauer werde in seinem Zuständigkeitsgebiet wegen regionaler Besonderheiten („Flächenkreis“) derzeit „in Einzelfällen“ selbst bei Taxitransporten überschritten, ist dies für den vorliegenden Fall unerheblich. Vorliegend geht es nicht darum, dass angesichts besonderer örtlicher Verhältnisse eine Überschreitung der in § 13 Abs. 3 S. 2 SchfkVO vorgesehenen Regelhöchstdauer ‑ absolut - unvermeidlich wäre, sondern vielmehr um die Frage, ob dem betroffenen Schüler eine Überschreitung der in § 13 Abs. 3 S. 2 SchfkVO vorgesehenen Regelhöchstdauer in Anbetracht seiner individuellen (insbesondere gesundheitlichen) Verhältnisse die Benutzung des ÖPNV möglich und zumutbar ist. Dies ist, wie dargelegt, hier nicht der Fall. Insoweit bedarf es – worauf klarstellend hingewiesen sei – auch keines spezifischen Nachweises (des Klägers) im Sinne von § 13 Abs. 4 SchfkVO. Diese Norm betrifft nämlich nur die Fälle, in denen eine nach den allgemeinen Regeln des § 13 Abs. 3 SchfkVO zumutbare ÖPNV-Nutzung (also auch bei einer Schulwegdauer von weniger als einer Stunde) ausnahmsweise als im Einzelfall unzumutbar nachgewiesen werden soll (mit der Folge, dass dementsprechend die Beweislast beim Schüler liegt). Vorliegend geht es hingegen um die – umgekehrt gelagerte – Fragestellung, ob eine nach den allgemeinen Regeln des § 13 Abs. 3 SchfkVO unzumutbare ÖPNV-Nutzung im Einzelfall ausnahmsweise zumutbar ist; insoweit liegt die Beweislast für ein Abweichen von der normativen Regel bei der Behörde, die sich auf eine solche Ausnahme beruft, was zur Folge hat, dass diesbezügliche Zweifel zu ihren Lasten gehen.
35Im Übrigen sind die vom Beklagten geltend gemachten „Kostengründe“ nicht näher substantiiert und lassen nicht erkennen, dass und inwiefern es sich um – über generelle Sparerwägungen hinausgehende – „besondere Kostengründe“ (im Sinne der diesbezüglichen Verwaltungsvorschriften) handeln sollte. Zudem wären selbst plausibel begründete und belegte besondere Kostengründe nicht geeignet, gleichsam „automatisch“ die Unzumutbarkeitsregel des § 13 Abs. 3 S. 2 SchfkVO „außer Kraft zu setzen“; vielmehr könnten auch sie nur im Rahmen einer – in einem zweiten Schritt vorzunehmenden – Abwägung mit den individuellen Belastungen des betroffenen Schülers berücksichtigt werden. Im Rahmen einer solchen Abwägungsentscheidung erschiene es zudem kaum vorstellbar, dass die oben dargelegten medizinisch-fachlichen Feststellungen der Tagesklinik X. vom 10. Oktober 2013 zur individuellen Unmöglichkeit auch einer begleiteten Benutzung des ÖPNV zum täglichen Schulbesuch im Falle des Klägers allein aus (allgemeinen) Kostengründen „beiseitegeschoben“ werden könnten.
36Da im Übrigen auch kein Schülerspezialverkehr zur Verfügung steht, den der Kläger für seinen Schulbesuch nutzen könnte, ist eine Beförderung mit Privatfahrzeugen notwendig, weil nur durch diese Art der Beförderung der regelmäßige Schulbesuch gewährleistet ist (§ 15 Abs. 1 SchfkVO).
37Eine Beförderung mit einem Privatfahrzeug der zur Beförderung verpflichteten Eltern oder eine andere Mitfahrgelegenheit (§ 16 Abs. 2, 1. Halbsatz SchfkVO) steht hier ebenfalls nicht zur Verfügung. Dafür, dass der Kläger durch seine leiblichen Eltern zur Schule befördert werden könnte, ist nichts ersichtlich und auch vom Beklagten nichts dargetan. Im Übrigen besteht aktuell auch keine Pflicht seiner „Pflegemutter“, den Kläger täglich zu der von ihm besuchten Schule zu befördern, und zwar selbst dann, wenn – was hier nicht weiter geklärt zu werden braucht – ihr ein Privatfahrzeug (unabhängig von den diesbezüglichen Eigentumsverhältnissen jedenfalls) zur Nutzung zur Verfügung stünde. Dabei bedarf es auch keiner generellen Klärung der – vom Beklagten in den Vordergrund gerückten – Frage, inwieweit Pflegeeltern oder Vormünder eine schülerfahrkostenrechtliche Beförderungspflicht trifft. Der Wortlaut des § 16 Abs. 2 SchfkVO spricht ausdrücklich nur von den „zur Beförderung verpflichteten Eltern“. Eine diesbezügliche Gleichsetzung von „Pflegeeltern“ oder Vormündern kommt demgemäß – entgegen der Ausgangsposition des Beklagten – nicht ohne Weiteres in Betracht.
38Insoweit ist zunächst festzustellen, dass es einen rechtlich fixierten Begriff „Pflegeeltern“ insbesondere im Zivil- und im Sozialrecht überhaupt nicht gibt. In den diesbezüglichen Regelungen (vgl. §§ 33, 37 SGB VIII, § 1688 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1, 3, §§ 1630 Abs. 3, 1632 Abs. 4 BGB) ist lediglich von „Pflegepersonen“ die Rede. Diese sind grundsätzlich auch nicht etwa – generell und umfassend – personensorgeberechtigt. Sie üben nur dann bestimmte Teile davon aus, wenn und soweit diese ihnen vom Familiengericht übertragen sind (vgl. näher §§ 1630 Abs. 3, 1688 Abs. 2 BGB); ansonsten sind sie nur berechtigt, in bestimmten Angelegenheiten des täglichen Lebens zu entscheiden und den Inhaber der elterlichen Sorge in solchen Angelegenheiten zu vertreten sowie bei bestimmten finanziellen Fragen für das Pflegekind zu handeln (vgl. näher § 1688 Abs. 1, 3 BGB).
39Auch soweit Pflegeeltern nach § 1688 BGB bestimmte Entscheidungsbefugnisse hinsichtlich ihrer Pflegekinder übertragen sind, erlangen sie durch das Pflegeverhältnis nicht die Stellung eines Personensorgeberechtigten.
40Vgl. dazu nur VGH München, Beschluss vom 20. Januar 2014 (12 ZB 12.2766), NJW 2014, 715, Juris Rdnr. 18 m.w.N. (auch zur regelmäßig privatrechtlichen Ausgestaltung der Beziehung zwischen Pflegefamilie und Jugendamt, sog. jugendhilferechtliches Dreiecksverhältnis).
41Bei einem länger andauernden Pflegeverhältnis und der daraus erwachsenen Bindung zwischen Pflegeeltern und Pflegekind kann zwar auch die Pflegefamilie Schutz nach Art. 6 Abs. 1 GG genießen insoweit, dass Art. 6 Abs. 3 GG bei einer Entscheidung über die Herausnahme des Kindes aus seiner "sozialen" Familie nicht gänzlich außer Acht bleiben darf. Auf ein Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG können sich Pflegeeltern aber nicht berufen.
42Vgl. dazu insbesondere BVerfG, Beschluss vom 12. Oktober 1988 (1 BvR 818/88), BVerfGE 79, 51, Juris Rdnr. 28, 30; VGH München, Beschluss vom 20. Januar 2014, a.a.O., Rdnr. 20 m.w.N.
43Die Stellung eines Vormundes umfasst hingegen – weitergehend – das Recht und die Pflicht, für die Person und das Vermögen des Mündels zu sorgen, insbesondere den Mündel zu vertreten (§ 1793 Abs. 1 BGB), wobei sich die Personensorge nach §§ 1631 bis 1633 BGB bestimmt (§ 1800 S. 1 BGB). Die Vermögenssorge des Vormunds beinhaltet aber keine Unterhaltspflicht für den Mündel.
44Vor diesem Hintergrund kommt schülerfahrkostenrechtlich eine Gleichstellung von „Pflegeeltern“ bzw. Vormündern mit (leiblichen) Eltern allenfalls kraft der – erst seit 2005 geltenden – Sonderregelung in § 19 SchfkVO in Betracht, worin hinsichtlich des Elternbegriffs auf § 123 Abs. 1 SchulG verwiesen wird. Nach dieser allgemeinen schulrechtlichen Vorschrift werden die Rechte und Pflichten der Eltern (nach dem SchulG) wahrgenommen von den nach bürgerlichem Recht für die Person des Kindes Sorgeberechtigten (Nr. 1), dem Betreuer eines volljährigen Schülers für den schulischen Aufgabenkreis (Nr. 2), an Stelle der oder neben den Personensorgeberechtigten denjenigen, denen die Erziehung des Kindes mit Einverständnis der Personensorgeberechtigten anvertraut oder mitanvertraut ist (Nr. 3) sowie Lebenspartnern des allein sorgeberechtigten Elternteils im Rahmen des § 9 LebenspartnerschaftsG. Auf „Pflegepersonen“ bzw. Vormünder könnten insoweit – je nach konkreter Ausgestaltung des Pflegeverhältnisses – Nummer 1 oder Nummer 3 jener Norm anwendbar sein, was ggf. im Einzelfall einer genauen Prüfung bedürfte. Zu beachten ist in jedem Fall Folgendes: Diese schulrechtliche Vorschrift bestimmt nur, welche Person die elterlichen Rechte und Pflichten in schulrechtlicher Hinsicht wahrnehmen darf (und muss), also etwa an welcher Schule ein Kind angemeldet wird, welches Ausbildungsziel dort angestrebt wird, wer an Beratungsterminen/Elternabenden teilnimmt etc. Auf welche Weise diese (elterlichen) Rechte und Pflichten wahrgenommen werden und in welcher Intensität diese bestehen, lässt sich dieser schulrechtlichen Vorschrift indes nicht entnehmen. Welcher Art und Intensität die Rechte und Pflichten des „nach bürgerlichem Recht für die Person des Kindes Sorgeberechtigten“ sind, ist allein den insoweit maßgeblichen familienrechtlichen Bestimmungen zu entnehmen. Zudem betrifft § 123 Abs. 1 SchulG allein den innerschulischen Betrieb als solchen. Regelungen zur Tragung finanzieller Lasten werden durch diese rein schulrechtliche Vorschrift nicht getroffen; solche Regelungen können sich ebenfalls nur aus anderen Normen, insbesondere den familienrechtlichen Bestimmungen, ergeben.
45Ist somit die Stellung von „Pflegeeltern“ (und Vormündern) nach Bürgerlichem Recht nicht ohne Weiteres pauschal mit derjenigen von „Eltern“ gleichzusetzen – wie schon der dort allein verwendete (neutrale) Begriff „Pflegepersonen“ deutlich macht – , kommt auch in schülerfahrkostenrechtlicher Hinsicht eine schematische Gleichsetzung ebensowenig in Betracht. Nur wenn und soweit aus der zivilrechtlichen Stellung von Pflegepersonen konkrete Rechte und Pflichten abzuleiten sind, kann dies schülerfahrkostenrechtliche Folgen haben. Durch §§ 19 SchfkVO, 123 Abs. 1 SchulG werden nicht Rechte und Pflichten statuiert (d.h. begründet), sondern es wird dort (schul- bzw. schülerfahrkostenrechtlich) nur an anderweitig begründete Rechte und Pflichten angeknüpft, wenn und soweit diese bestehen.
46Selbst wenn im Einzelfall eine - sorgerechtlich abgeleitete – Beförderungspflicht von „Pflegepersonen“ (oder Vormündern) besteht,
47wobei die Pflicht, dafür „Sorge zu tragen“, dass das Kind seine Schule besucht und es dorthin sicher und zuverlässig gelangt, nicht – wie offenbar der Beklagte kurzerhand ohne tiefer gehende Problematisierung meint („im weitesten Sinne“) – notwendigerweise bedeuten muss, das Kind auch selbst zu befördern, sondern u.U. auch ausreichen könnte, durch entsprechende Vorkehrungen (z.B. den Einsatz von „Dritten“) dafür „zu sorgen“ und zu überwachen, dass die Umsetzung gewährleistet ist,
48so beinhaltet diese Pflicht – wie bereits in dem im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ergangenen Beschluss vom 1. Oktober 2013 (20 L 1542/13) ausgeführt wurde – jedenfalls nicht eine - vermögensrechtliche Folgen zeitigende - Pflicht der Pflegeperson oder des Vormunds, das Pflegekind – d.h. hier den Kläger – in einem ihm (eventuell) zur Verfügung stehenden Kraftfahrzeug (Pkw/Wohnmobil) ‑ ganz oder teilweise - unentgeltlich zur Schule zu fahren; denn weder Pflegeperson noch Vormund sind dem betroffenen Kind gegenüber zum Unterhalt verpflichtet. Nur wenn das Pflegekind/Mündel die gesamten (Sach-)kosten seiner Beförderung im Privatfahrzeug der Pflegemutter zur Schule, d.h. sämtliche diesbezüglichen anteiligen Fahrzeugkosten
49- also nicht etwa nur, wie der Beklagte ungeachtet der insoweit vollkommen klaren Ausführungen des vorgenannten Beschlusses (S. 4) weiterhin geltend macht (vgl. Schriftsatz vom 28. Februar 2014) die Benzinkosten, sondern auch die anteiligen Aufwendungen für Versicherung, Steuern, Wartung und Abnutzung etc. -
50im Sinne eines „Vollkostenansatzes“ pro Fahrtkilometer (etwa gemäß der standardisierten „ADAC-Tabelle“), aus seinem eigenen Einkommen und Vermögen aufbringen kann, kommt aktuell eine Pflicht der Pflegemutter (bzw. Vormunds) in Betracht, das Pflegekind/ Mündel mit einem ihr zur Verfügung stehenden Privatfahrzeug zur Schule zu befördern (im Sinne einer persönlichen „Dienstleistung“).
51Vorliegend ist der Kläger (bislang) offenbar nicht in der Lage, die Sachkosten seiner Beförderung zur Schule in einem seiner Pflegemutter (möglicherweise) zur Verfügung stehenden Kraftfahrzeug selbst zu tragen. Die für ihn an die Pflegemutter gezahlten jugendhilferechtlichen Leistungen nach dem Achten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB VIII) beinhalten – wie bereits im Beschluss vom 1. Oktober 2013 (20 L 1542/13) mit großer Klarheit ausgeführt wurde, und dies war konstitutiv für den Tenor jenes Beschlusses – nicht die Kosten für den täglichen Transport mit einem Privatfahrzeug zur Schule über eine Entfernung von über 6 Kilometern, da sie deutlich höher liegen als die vom Beklagten zugesagten 0,13 Euro je Kilometer Wegstrecke. Soweit der Beklagte dagegen – unter Bezugnahme auf eine Empfehlung des Bayerischen Landkreistages zum „Leistungskatalog nach § 39 SGB VIII“ – geltend macht, die „Kraftfahrzeugmitbenutzung“ durch das Pflegekind sei bereits von den vom Jugendamt gezahlten allgemeinen Pflegegeldleistungen abgedeckt,
52in diesem Sinne wohl auch – knapp, undifferenziert und ohne nähere Begründung und auch nicht entscheidungstragend – VG Schleswig, Urteil vom 5. April 2004 (15 A 42/03), Juris Rdnr. 44 (im Kontext der Frage, ob die Anschaffung eines größeren Autos zum Transport u.a. von Pflegekindern jugendhilferechtlich beansprucht werden kann),
53wird (ganz abgesehen davon, dass es sich bei jener „Empfehlung“ nicht um eine rechtlich bindende Regelung handelt) verkannt, dass eine „Kraftfahrzeugmitbenutzung“ nicht ‑ grenzenlos - jeglichen Einsatz eines Kfz der Pflegeeltern umfasst. Von bloß gelegentlichen „Mitfahrten“ des Pflegekindes, die von den allgemeinen Unterhaltsbedarfsleistungen des Jugendamts abgedeckt sein dürften (ebenso wie übliche Fahrten zu ärztlichen Behandlungen, Vereinsaktivitäten und dergleichen), kann jedoch keine Rede sein, wenn es - wie hier - um regelmäßig wiederkehrende, durch das Kind allein verursachte „Sondereinsatzfahrten“ geht. Insoweit ist auch zu bedenken, dass bei einer Schulwegstrecke von ca. 6,3 km insgesamt eine tägliche Fahrtstrecke von rund 25 km anfällt und damit fast 5.000 Kilometer pro Schuljahr. Dies bedingt offenkundig insbesondere zusätzliche (frühzeitigere) Fahrzeug-Inspektionen sowie erhöhte Abschreibungen/Wertverluste des eingesetzten Fahrzeugs. Ein derartiger Umfang geht über den Charakter einer bloßen „Mitbenutzung“ deutlich hinaus. Dies wird vom Beklagten – dessen Argumentation im Übrigen eine Grenzziehung nicht einmal ansatzweise erkennen lässt – geflissentlich übersehen. Er geht offenbar davon aus, dass selbst im Falle einer Schulweglänge von 20 oder 30 km – die dementsprechend zu einer jährlichen Fahrtstrecke von fast 25.000 Kilometern führen würde – die damit verbundenen Zusatzkosten ein „freiwillig übernommenes Schicksal“ der Pflegeeltern sei. Eine solche Auffassung wäre aber offensichtlich irrig und absurd.
54Ob hinsichtlich der (über den schülerfahrkostenrechtlichen Pauschalsatz von 0,13 Euro je Kilometer Wegstrecke hinausgehenden) vollen Transportkosten ein Anspruch auf jugendhilferechtliche Leistungen (unter dem Aspekt eines Mehr-/Sonderbedarfs) bestehen könnte, ist – da ein entsprechender Antrag offenbar weder seitens der Pflegemutter/Vormund noch des Beklagten gestellt worden ist – bislang ungeklärt, aber hier letztlich nicht entscheidungserheblich. Insoweit sei daher hier nur angemerkt, dass das Bestehen einer diesbezüglichen „Holpflicht“ der Pflegemutter, d.h. eine schülerfahrkostenrechtliche Obliegenheit zu einer Beantragung jugendhilferechtlicher Leistungen (etwa auf der Grundlage des § 1688 Abs. 1 S. 2 BGB), sich aus dem vorgenannten Beschluss vom 1. Oktober 2013 nicht entnehmen lässt und dafür auch vom Beklagten nichts nachvollziehbar dargetan worden ist.
55Vgl. im Übrigen dazu, dass „reine“ Pflegeeltern (d.h. solche, die nicht auch als Vormund bestellt sind), grundsätzlich nicht zur Antragstellung für jugendhilferechtliche Leistungen befugt sind, etwa VGH München, Beschlüsse vom 20. Januar 2014 (12 ZB 12.2766), NJW 2014, 715, Juris Rdnr. 18, und vom 23. April 2014 (12 ZB 13.2586), Juris Rdnr. 9 m.w.N.: „ … handelt es sich bei dem Pflegegeld nach § 39 SGB VIII … um einen Annex-Anspruch zu dem in § 27 Abs. 1 SGB VIII geregelten Anspruch auf Hilfe zur Erziehung. Da dieser Grundanspruch … nicht den Pflegeeltern, sondern dem Personensorgeberechtigten zusteht, hat auch (nur) dieser den Anspruch nach § 39 SGB VIII“.
56Vor dem Hintergrund der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ausgesprochenen Verpflichtung des Beklagten zur Übernahme der Taxikosten bis zur Entscheidung im Klageverfahren wäre es - jedenfalls auch - Sache des Beklagten gewesen, für die Zurverfügungstellung finanzieller (jugendhilferechtlicher) Mittel zu sorgen, wenn er eine „Transportpflicht“ der Pflegemutter/Vormund auslösen wollte. Im Übrigen spricht seine Argumentation, die Beförderung des Pflegekindes zur Schule sei bereits vom allgemeinen Unterhaltsbedarf nach § 39 Abs. 1 SGB VIII abgedeckt, dafür, dass ein Antrag der Pflegemutter/Vormund auf Gewährung zusätzlicher jugendhilferechtlicher Leistungen für den Schultransport per Pkw/Taxi zumindest nicht ohne Weiteres erfolgversprechend erscheinen musste, und dementsprechend sein Verweis auf eine Antragstellung durch die Pflegemutter/Vormund wenig zielführend erscheint.
57Letztlich kommt es auf die Frage, ob ein Anspruch auf jugendhilferechtliche Leistungen hinsichtlich der über den allgemeinen schülerfahrkostenrechtliche Wegstreckenentschädigung von 0,13 Euro/Kilometer hinausgehenden vollen Transportkosten tatsächlich besteht, im vorliegenden Verfahren aber nicht an, da die in Betracht kommenden jugendhilferechtlichen Leistungen gemäß § 10 Abs. 1 SGB VIIInachrangig sind,
58vgl. zum Grundsatz des Nachrangs jugendhilferechtlicher Leistungen eingehend jüngst VG Düsseldorf, Urteil vom 29. April 2014 (19 K 469/14), S. 11 ff. m.w.N., betr. Nachrang gegenüber den von der Schule zu erbringenden Leistungen (konkret: kein Anspruch auf Stellung eines Integrationshelfers durch das Jugendamt im Hinblick auf die - vorrangige - Aufgabe der Schulaufsicht und des Schulträgers, eine der Schulpflicht des Kindes entsprechende angemessene Beschulung [entweder durch die Wahl einer geeigneten Schule oder durch eine in pädagogischer Hinsicht angemessene personelle und bauliche Ausstattung der zugewiesenen Schule] zu gewährleisten); ferner etwa OVG NRW, Beschluss vom 16. Mai 2008 (12 B 547/08), Juris (betr. schulische Förderangebote ggü. Jugendhilfe) sowie BVerwG, Urteile vom 9. Februar 2012 (5 C 3.11), BVerwGE 142, 18, Juris Rdnr. 26 ff. (betr. sozialhilferechtliche Eingliederungshilfe ggü. Jugendhilfe) und vom 23. Januar 2014 (5 C 8.13), Juris (betr. sozialhilferechtliche Eingliederungshilfe ggü. BAföG-Leistungen), jeweils m.w.N.,
59weshalb in der Praxis auch nicht selten - wie dem Gericht aus anderen Verfahren bekannt ist - seitens des Jugendamtes im Falle der Gewährung entsprechender Leistungen Ersatzansprüche nach § 104 SGB X gegen die für Schülerfahrkosten zuständige Stelle geltend gemacht werden. Aus diesem Grunde ist der Verweis des Beklagten auf die Inanspruchnahme jugendhilferechtlicher Leistungen zugleich zirkelschlüssig.
60Da mithin - mangels finanzieller Mittel - die Beförderung des Klägers mit einem Privatfahrzeug der Pflegemutter/Vormund aktuell ausscheidet, ebenso wie (aus den gleichen Gründen) die Benutzung eines Taxis, und im Übrigen auch für das Bestehen einer anderweitigen geeigneten Mitfahrgelegenheit nichts ersichtlich ist, liegen die Voraussetzungen des § 16 Abs. 2, 1. Halbsatz SchfkVO vor.
61Ein besonders begründeter Ausnahmefall i.S.v. § 16 Abs. 2, 2. Halbsatz SchfkVO
62- vgl. dazu näher (mit Fallgruppen) OVG NRW, Urteile vom 26. September 1984 (8 A 2390/83), n.v., und vom 30. Januar 1997 (19 A 4243/95) sowie Beschluss vom 30. September 2011 (19 A 2004/10); VG Düsseldorf, Urteil vom 2. Dezember 2010 (12 K 4571/10), jeweils veröffentlicht in Juris -
63ist hier gegeben, weil der regelmäßige Schulbesuch des Klägers ohne die Übernahme von Taxi-/Mietwagenkosten durch den Beklagten - wie dargelegt - mangels eines zahlungsverpflichteten/-bereiten Kostenträgers nicht möglich wäre.
64Damit liegen die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 SchfkVO vollständig vor. Die Bewilligung einer Wegstreckenentschädigung für die Beförderung eines Schülers in Höhe der tatsächlich entstehenden notwendigen Kosten mit einem Taxi oder Mietwagen steht nach dem Wortlaut dieser Norm zwar im Ermessen der Behörde. Es sind aber keinerlei Umstände dargelegt oder ersichtlich, die eine andere Entscheidung als die ‑ zur Ermöglichung des regelmäßigen Schulbesuchs des Klägers notwendige - Bewilligung zulassen könnten, so dass das behördliche Ermessen hier – wie bereits im Beschluss vom 1. Oktober 2013 ausgeführt – „auf Null“ reduziert ist.
65Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 S. 1 ZPO.
66Beschluss:
67Der Streitwert wird auf 5.000,-- Euro festgesetzt.
68Gründe:
69Die Festsetzung des Streitwertes ist nach § 52 Abs. 1 GKG erfolgt und entspricht der geschätzten Höhe der geltend gemachten Fahrkosten (Taxikosten abzüglich zugesagter Wegstreckenentschädigung). Der entsprechenden, im vorläufigen Rechtsschutzverfahren zugrundegelegten Schätzung sind die Parteien nicht entgegengetreten.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 06. Juni 2014 - 1 K 6528/13
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Urteil einreichenVerwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 06. Juni 2014 - 1 K 6528/13 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).
(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.
(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege soll entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes oder des Jugendlichen und seinen persönlichen Bindungen sowie den Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie Kindern und Jugendlichen in einer anderen Familie eine zeitlich befristete Erziehungshilfe oder eine auf Dauer angelegte Lebensform bieten. Für besonders entwicklungsbeeinträchtigte Kinder und Jugendliche sind geeignete Formen der Familienpflege zu schaffen und auszubauen.
(1) Werden Hilfen nach den §§ 32 bis 34 und 35a Absatz 2 Nummer 3 und 4 gewährt, haben die Eltern einen Anspruch auf Beratung und Unterstützung sowie Förderung der Beziehung zu ihrem Kind. Durch Beratung und Unterstützung sollen die Entwicklungs-, Teilhabe- oder Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie innerhalb eines im Hinblick auf die Entwicklung des Kindes oder Jugendlichen vertretbaren Zeitraums so weit verbessert werden, dass sie das Kind oder den Jugendlichen wieder selbst erziehen kann. Ist eine nachhaltige Verbesserung der Entwicklungs-, Teilhabe- oder Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie innerhalb dieses Zeitraums nicht erreichbar, so dienen die Beratung und Unterstützung der Eltern sowie die Förderung ihrer Beziehung zum Kind der Erarbeitung und Sicherung einer anderen, dem Wohl des Kindes oder Jugendlichen förderlichen und auf Dauer angelegten Lebensperspektive.
(2) Bei den in Absatz 1 Satz 1 genannten Hilfen soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Zusammenarbeit der Pflegeperson oder der in der Einrichtung für die Erziehung verantwortlichen Person und der Eltern zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen durch geeignete Maßnahmen fördern. Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe stellt dies durch eine abgestimmte Wahrnehmung der Aufgaben nach Absatz 1 und § 37a sicher.
(3) Sofern der Inhaber der elterlichen Sorge durch eine Erklärung nach § 1688 Absatz 3 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Entscheidungsbefugnisse der Pflegeperson so weit einschränkt, dass die Einschränkung eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen förderliche Entwicklung nicht mehr ermöglicht, sollen die Beteiligten das Jugendamt einschalten. Auch bei sonstigen Meinungsverschiedenheiten zwischen ihnen sollen die Beteiligten das Jugendamt einschalten.
(1) Die elterliche Sorge erstreckt sich nicht auf Angelegenheiten des Kindes, für die ein Pfleger bestellt ist.
(2) Steht die Personensorge oder die Vermögenssorge einem Pfleger zu, so entscheidet das Familiengericht, falls sich die Eltern und der Pfleger in einer Angelegenheit nicht einigen können, die sowohl die Person als auch das Vermögen des Kindes betrifft.
(3) Geben die Eltern das Kind für längere Zeit in Familienpflege, so kann das Familiengericht auf Antrag der Eltern oder der Pflegeperson Angelegenheiten der elterlichen Sorge auf die Pflegeperson übertragen. Für die Übertragung auf Antrag der Pflegeperson ist die Zustimmung der Eltern erforderlich. Im Umfang der Übertragung hat die Pflegeperson die Rechte und Pflichten eines Pflegers.
(1) Lebt ein Kind für längere Zeit in Familienpflege, so ist die Pflegeperson berechtigt, in Angelegenheiten des täglichen Lebens zu entscheiden sowie den Inhaber der elterlichen Sorge in solchen Angelegenheiten zu vertreten. Sie ist befugt, den Arbeitsverdienst des Kindes zu verwalten sowie Unterhalts-, Versicherungs-, Versorgungs- und sonstige Sozialleistungen für das Kind geltend zu machen und zu verwalten. § 1629 Abs. 1 Satz 4 gilt entsprechend.
(2) Der Pflegeperson steht eine Person gleich, die im Rahmen der Hilfe nach den §§ 34, 35 und 35a Absatz 2 Nummer 3 und 4 des Achten Buches Sozialgesetzbuch die Erziehung und Betreuung eines Kindes übernommen hat.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht, wenn der Inhaber der elterlichen Sorge etwas anderes erklärt. Das Familiengericht kann die Befugnisse nach den Absätzen 1 und 2 einschränken oder ausschließen, wenn dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist.
(4) Für eine Person, bei der sich das Kind auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung nach § 1632 Abs. 4 oder § 1682 aufhält, gelten die Absätze 1 und 3 mit der Maßgabe, dass die genannten Befugnisse nur das Familiengericht einschränken oder ausschließen kann.
Tenor
I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
II.
(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.
(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.
(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.
(1) Lebt ein Kind für längere Zeit in Familienpflege, so ist die Pflegeperson berechtigt, in Angelegenheiten des täglichen Lebens zu entscheiden sowie den Inhaber der elterlichen Sorge in solchen Angelegenheiten zu vertreten. Sie ist befugt, den Arbeitsverdienst des Kindes zu verwalten sowie Unterhalts-, Versicherungs-, Versorgungs- und sonstige Sozialleistungen für das Kind geltend zu machen und zu verwalten. § 1629 Abs. 1 Satz 4 gilt entsprechend.
(2) Der Pflegeperson steht eine Person gleich, die im Rahmen der Hilfe nach den §§ 34, 35 und 35a Absatz 2 Nummer 3 und 4 des Achten Buches Sozialgesetzbuch die Erziehung und Betreuung eines Kindes übernommen hat.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht, wenn der Inhaber der elterlichen Sorge etwas anderes erklärt. Das Familiengericht kann die Befugnisse nach den Absätzen 1 und 2 einschränken oder ausschließen, wenn dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist.
(4) Für eine Person, bei der sich das Kind auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung nach § 1632 Abs. 4 oder § 1682 aufhält, gelten die Absätze 1 und 3 mit der Maßgabe, dass die genannten Befugnisse nur das Familiengericht einschränken oder ausschließen kann.
Tenor
I.
Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Die Kläger tragen die Kosten des Antragsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
(1) Wird Hilfe nach den §§ 32 bis 35 oder nach § 35a Absatz 2 Nummer 2 bis 4 gewährt, so ist auch der notwendige Unterhalt des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses sicherzustellen. Er umfasst die Kosten für den Sachaufwand sowie für die Pflege und Erziehung des Kindes oder Jugendlichen.
(2) Der gesamte regelmäßig wiederkehrende Bedarf soll durch laufende Leistungen gedeckt werden. Sie umfassen außer im Fall des § 32 und des § 35a Absatz 2 Nummer 2 auch einen angemessenen Barbetrag zur persönlichen Verfügung des Kindes oder des Jugendlichen. Die Höhe des Betrages wird in den Fällen der §§ 34, 35, 35a Absatz 2 Nummer 4 von der nach Landesrecht zuständigen Behörde festgesetzt; die Beträge sollen nach Altersgruppen gestaffelt sein. Die laufenden Leistungen im Rahmen der Hilfe in Vollzeitpflege (§ 33) oder bei einer geeigneten Pflegeperson (§ 35a Absatz 2 Nummer 3) sind nach den Absätzen 4 bis 6 zu bemessen.
(3) Einmalige Beihilfen oder Zuschüsse können insbesondere zur Erstausstattung einer Pflegestelle, bei wichtigen persönlichen Anlässen sowie für Urlaubs- und Ferienreisen des Kindes oder des Jugendlichen gewährt werden.
(4) Die laufenden Leistungen sollen auf der Grundlage der tatsächlichen Kosten gewährt werden, sofern sie einen angemessenen Umfang nicht übersteigen. Die laufenden Leistungen umfassen auch die Erstattung nachgewiesener Aufwendungen für Beiträge zu einer Unfallversicherung sowie die hälftige Erstattung nachgewiesener Aufwendungen zu einer angemessenen Alterssicherung der Pflegeperson. Sie sollen in einem monatlichen Pauschalbetrag gewährt werden, soweit nicht nach der Besonderheit des Einzelfalls abweichende Leistungen geboten sind. Ist die Pflegeperson in gerader Linie mit dem Kind oder Jugendlichen verwandt und kann sie diesem unter Berücksichtigung ihrer sonstigen Verpflichtungen und ohne Gefährdung ihres angemessenen Unterhalts Unterhalt gewähren, so kann der Teil des monatlichen Pauschalbetrages, der die Kosten für den Sachaufwand des Kindes oder Jugendlichen betrifft, angemessen gekürzt werden. Wird ein Kind oder ein Jugendlicher im Bereich eines anderen Jugendamts untergebracht, so soll sich die Höhe des zu gewährenden Pauschalbetrages nach den Verhältnissen richten, die am Ort der Pflegestelle gelten.
(5) Die Pauschalbeträge für laufende Leistungen zum Unterhalt sollen von den nach Landesrecht zuständigen Behörden festgesetzt werden. Dabei ist dem altersbedingt unterschiedlichen Unterhaltsbedarf von Kindern und Jugendlichen durch eine Staffelung der Beträge nach Altersgruppen Rechnung zu tragen. Das Nähere regelt Landesrecht.
(6) Wird das Kind oder der Jugendliche im Rahmen des Familienleistungsausgleichs nach § 31 des Einkommensteuergesetzes bei der Pflegeperson berücksichtigt, so ist ein Betrag in Höhe der Hälfte des Betrages, der nach § 66 des Einkommensteuergesetzes für ein erstes Kind zu zahlen ist, auf die laufenden Leistungen anzurechnen. Ist das Kind oder der Jugendliche nicht das älteste Kind in der Pflegefamilie, so ermäßigt sich der Anrechnungsbetrag für dieses Kind oder diesen Jugendlichen auf ein Viertel des Betrages, der für ein erstes Kind zu zahlen ist.
(7) Wird ein Kind oder eine Jugendliche während ihres Aufenthalts in einer Einrichtung oder einer Pflegefamilie selbst Mutter eines Kindes, so ist auch der notwendige Unterhalt dieses Kindes sicherzustellen.
(1) Ein Personensorgeberechtigter hat bei der Erziehung eines Kindes oder eines Jugendlichen Anspruch auf Hilfe (Hilfe zur Erziehung), wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist.
(2) Hilfe zur Erziehung wird insbesondere nach Maßgabe der §§ 28 bis 35 gewährt. Art und Umfang der Hilfe richten sich nach dem erzieherischen Bedarf im Einzelfall; dabei soll das engere soziale Umfeld des Kindes oder des Jugendlichen einbezogen werden. Unterschiedliche Hilfearten können miteinander kombiniert werden, sofern dies dem erzieherischen Bedarf des Kindes oder Jugendlichen im Einzelfall entspricht.
(2a) Ist eine Erziehung des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses erforderlich, so entfällt der Anspruch auf Hilfe zur Erziehung nicht dadurch, dass eine andere unterhaltspflichtige Person bereit ist, diese Aufgabe zu übernehmen; die Gewährung von Hilfe zur Erziehung setzt in diesem Fall voraus, dass diese Person bereit und geeignet ist, den Hilfebedarf in Zusammenarbeit mit dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach Maßgabe der §§ 36 und 37 zu decken.
(3) Hilfe zur Erziehung umfasst insbesondere die Gewährung pädagogischer und damit verbundener therapeutischer Leistungen. Bei Bedarf soll sie Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen im Sinne des § 13 Absatz 2 einschließen und kann mit anderen Leistungen nach diesem Buch kombiniert werden. Die in der Schule oder Hochschule wegen des erzieherischen Bedarfs erforderliche Anleitung und Begleitung können als Gruppenangebote an Kinder oder Jugendliche gemeinsam erbracht werden, soweit dies dem Bedarf des Kindes oder Jugendlichen im Einzelfall entspricht.
(4) Wird ein Kind oder eine Jugendliche während ihres Aufenthalts in einer Einrichtung oder einer Pflegefamilie selbst Mutter eines Kindes, so umfasst die Hilfe zur Erziehung auch die Unterstützung bei der Pflege und Erziehung dieses Kindes.
(1) Wird Hilfe nach den §§ 32 bis 35 oder nach § 35a Absatz 2 Nummer 2 bis 4 gewährt, so ist auch der notwendige Unterhalt des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses sicherzustellen. Er umfasst die Kosten für den Sachaufwand sowie für die Pflege und Erziehung des Kindes oder Jugendlichen.
(2) Der gesamte regelmäßig wiederkehrende Bedarf soll durch laufende Leistungen gedeckt werden. Sie umfassen außer im Fall des § 32 und des § 35a Absatz 2 Nummer 2 auch einen angemessenen Barbetrag zur persönlichen Verfügung des Kindes oder des Jugendlichen. Die Höhe des Betrages wird in den Fällen der §§ 34, 35, 35a Absatz 2 Nummer 4 von der nach Landesrecht zuständigen Behörde festgesetzt; die Beträge sollen nach Altersgruppen gestaffelt sein. Die laufenden Leistungen im Rahmen der Hilfe in Vollzeitpflege (§ 33) oder bei einer geeigneten Pflegeperson (§ 35a Absatz 2 Nummer 3) sind nach den Absätzen 4 bis 6 zu bemessen.
(3) Einmalige Beihilfen oder Zuschüsse können insbesondere zur Erstausstattung einer Pflegestelle, bei wichtigen persönlichen Anlässen sowie für Urlaubs- und Ferienreisen des Kindes oder des Jugendlichen gewährt werden.
(4) Die laufenden Leistungen sollen auf der Grundlage der tatsächlichen Kosten gewährt werden, sofern sie einen angemessenen Umfang nicht übersteigen. Die laufenden Leistungen umfassen auch die Erstattung nachgewiesener Aufwendungen für Beiträge zu einer Unfallversicherung sowie die hälftige Erstattung nachgewiesener Aufwendungen zu einer angemessenen Alterssicherung der Pflegeperson. Sie sollen in einem monatlichen Pauschalbetrag gewährt werden, soweit nicht nach der Besonderheit des Einzelfalls abweichende Leistungen geboten sind. Ist die Pflegeperson in gerader Linie mit dem Kind oder Jugendlichen verwandt und kann sie diesem unter Berücksichtigung ihrer sonstigen Verpflichtungen und ohne Gefährdung ihres angemessenen Unterhalts Unterhalt gewähren, so kann der Teil des monatlichen Pauschalbetrages, der die Kosten für den Sachaufwand des Kindes oder Jugendlichen betrifft, angemessen gekürzt werden. Wird ein Kind oder ein Jugendlicher im Bereich eines anderen Jugendamts untergebracht, so soll sich die Höhe des zu gewährenden Pauschalbetrages nach den Verhältnissen richten, die am Ort der Pflegestelle gelten.
(5) Die Pauschalbeträge für laufende Leistungen zum Unterhalt sollen von den nach Landesrecht zuständigen Behörden festgesetzt werden. Dabei ist dem altersbedingt unterschiedlichen Unterhaltsbedarf von Kindern und Jugendlichen durch eine Staffelung der Beträge nach Altersgruppen Rechnung zu tragen. Das Nähere regelt Landesrecht.
(6) Wird das Kind oder der Jugendliche im Rahmen des Familienleistungsausgleichs nach § 31 des Einkommensteuergesetzes bei der Pflegeperson berücksichtigt, so ist ein Betrag in Höhe der Hälfte des Betrages, der nach § 66 des Einkommensteuergesetzes für ein erstes Kind zu zahlen ist, auf die laufenden Leistungen anzurechnen. Ist das Kind oder der Jugendliche nicht das älteste Kind in der Pflegefamilie, so ermäßigt sich der Anrechnungsbetrag für dieses Kind oder diesen Jugendlichen auf ein Viertel des Betrages, der für ein erstes Kind zu zahlen ist.
(7) Wird ein Kind oder eine Jugendliche während ihres Aufenthalts in einer Einrichtung oder einer Pflegefamilie selbst Mutter eines Kindes, so ist auch der notwendige Unterhalt dieses Kindes sicherzustellen.
(1) Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen und der Schulen, werden durch dieses Buch nicht berührt. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach diesem Buch entsprechende Leistungen vorgesehen sind.
(2) Unterhaltspflichtige Personen werden nach Maßgabe der §§ 90 bis 97b an den Kosten für Leistungen und vorläufige Maßnahmen nach diesem Buch beteiligt. Soweit die Zahlung des Kostenbeitrags die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen mindert oder der Bedarf des jungen Menschen durch Leistungen und vorläufige Maßnahmen nach diesem Buch gedeckt ist, ist dies bei der Berechnung des Unterhalts zu berücksichtigen.
(3) Die Leistungen nach diesem Buch gehen Leistungen nach dem Zweiten Buch vor. Abweichend von Satz 1 gehen Leistungen nach § 3 Absatz 2, den §§ 14 bis 16g, 16k, § 19 Absatz 2 in Verbindung mit § 28 Absatz 6 des Zweiten Buches sowie Leistungen nach § 6b Absatz 2 des Bundeskindergeldgesetzes in Verbindung mit § 28 Absatz 6 des Zweiten Buches den Leistungen nach diesem Buch vor.
(4) Die Leistungen nach diesem Buch gehen Leistungen nach dem Neunten und Zwölften Buch vor. Abweichend von Satz 1 gehen Leistungen nach § 27a Absatz 1 in Verbindung mit § 34 Absatz 6 des Zwölften Buches und Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Neunten Buch für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, den Leistungen nach diesem Buch vor. Landesrecht kann regeln, dass Leistungen der Frühförderung für Kinder unabhängig von der Art der Behinderung vorrangig von anderen Leistungsträgern gewährt werden.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Der im Oktober 2002 geborene Kläger lebt mit seinen Eltern in N. und begehrt mit der vorliegenden Klage Eingliederungshilfe nach jugendhilferechtlichen Vorschriften in Form eines Integrationshelfers für den Besuch der Gesamtschule T. in N. .
3Bei dem Kläger ist eine einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung diagnostiziert. Bereits bei seiner Einschulung wurde im Rahmen eines AOSF-Verfahrens sonderpädagogischer Förderbedarf in den Bereichen emotionale und soziale Entwicklung sowie Lernen festgestellt. Während der Grundschulzeit wurde der Antragsteller integrativ an einer Regelgrundschule beschult. Der Förderbedarf im Bereich Lernen wurde nach dem ersten Schuljahr aufgehoben.
4Mit Bescheid vom 5. Februar 2013 legte das Schulamt für die Stadt N. fest, dass der Förderbedarf emotionale und soziale Entwicklung auch nach dem Wechsel auf eine weiterführende Schule bestehen bleibe. Da die Eltern die Fortsetzung des Gemeinsamen Unterrichts für den Kläger wünschten, wurde er der Gesamtschule T. zugewiesen und die Eltern aufgefordert, ihn dort anzumelden. Gegen diesen Bescheid wurde kein Rechtsmittel eingelegt.
5Mit Schreiben vom 17. Juni 2013 wandten sich die Eltern des Klägers an das Schulamt für die Stadt N. und beantragten, ihren Sohn im Gemeinsamen Unterricht an der Hauptschule „Im I. “ zu beschulen. Zur Begründung führten sie aus, die Klassenlehrerin ihres Sohnes habe sie Mitte Mai über eine dramatische Verschlechterung des Verhaltens und eine deutliche Verschlechterung seiner Leistungen informiert. Sie machten sich große Sorgen, dass bei dem Kläger in Zukunft erneut ein Förderbedarf mit dem Förderschwerpunkt Lernen festgestellt werde, und befürchteten, dass er zur Förderschule Lernen wechseln müsse, falls seine Schwierigkeiten im Lernen wieder größer würden. Bei einer Beschulung auf der Hauptschule „Im I. “ könne er dort, falls erforderlich, in die integrative Lerngruppe wechseln, ohne einen Schulwechsel vornehmen zu müssen. Auch könne die langjährige Erfahrung dieser Schule im Umgang mit behinderten Kindern womöglich ganz verhindern, dass es zur Feststellung des Förderschwerpunktes Lernen komme.
6Mit Bescheid vom 9. Juli 2013 lehnte das Schulamt für die Stadt N. den Antrag auf eine Beschulung des Klägers an der Hauptschule „Im I. “ ab und führte zur Begründung Folgendes aus:
7„In N. bestand in diesem Jahr die Problematik, eine Vielzahl von Schülern im Gemeinsamen Unterricht bzw. in integrativen Lerngruppen der Sekundarstufe 1 versorgen zu müssen. Um hier eine vor allem den Schülern gerecht werdende Lösung zu finden, haben wir in einer Regionalkonferenz mit Vertretern des Schulträgers und mit den Dezernenten aller Schulformen einige Grundsatzentscheidungen getroffen wie die von Ihnen zitierte Lösung, dass an Schulen, die eine zieldifferente Gruppe mit lernbehinderten Schülern aufmachen, nicht zusätzlich Kinder mit Förderbedarf im Bereich der emotionalen und sozialen Entwicklung zugewiesen werden. Besonders die Hauptschule im I. geht dabei an die Grenze der Belastbarkeit. Wir sind der Überzeugung, so für die bestmögliche Förderung der Kinder sorgen zu können.
8Ihren Sohn E. haben wir aus diesem Grund der Gesamtschule T. zugewiesen. Ich sehe momentan leider keine Möglichkeit, von dieser Entscheidung abzuweichen. Die Gruppe von Kindern mit Förderbedarf ist in der Gesamtschule T. relativ klein, so dass ich davon ausgehe, dass man dort auch auf eventuelle Lernschwierigkeiten Ihres Sohnes angemessen reagieren kann. Dagegen sind die Aufnahmekapazitäten der Hauptschule I. erschöpft.“
9Aufgrund der Information der Grundschullehrerin über die deutliche Zunahme von Schwierigkeiten in der Schule stellten die Eltern den Kläger außerdem erneut in der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters des M. -Klinikums F. vor. In dem Arztbericht vom 17. Mai 2013 heißt es u.a.:
10„Die Kindesmutter legt einen Brief der Q. -Schule vor mit der dringenden Bitte, die emotionale und soziale Entwicklung von E. fachärztlich abklären zu lassen und zu schauen, ob E. nicht einen weiteren Therapiebedarf habe. Es wurden auffällige Verhaltensweisen wie an den Haaren drehen, was von den Lehrern als Zwang beschrieben wurde, sowie eine geringe Frustrationstoleranz mit Weinanfällen und eine Piepsstimme beschrieben. Die Lehrer würden sich Sorgen ob des Schulwechsels im Herbst machen. E. sei auf einer Gesamtschule angemeldet. E. selber gab an, dass er häufiger geärgert bzw. provoziert werde und sich dann nicht zu wehren wisse.Es wurde die Teilnahme an dem sozialen Kompetenztraining in unserer Klinik empfohlen. E. wurde dazu auf die Warteliste aufgenommen.Zudem wurde ein Termin für eine weitergehende testpsychologische Diagnostik vereinbart. …“
11Im Bezug auf die Medikation wurde dargelegt, dass der Kläger die morgendliche Kapsel Ritalin LA 40mg gut helfen würde, ihm die mittags verabreichte Dosis Ritalin LA 20 mg aber häufig als zu wenig vorkomme. Trotz einer weiteren Gewichtszunahme von 46,0 kg auf 49,2 kg wurde eine Steigerung der mittäglichen Dosis von Ritalin LA 20 mg auf Ritalin LA 30 mg vorgenommen.
12In ihrem Arztbericht vom 29. August 2013 listet die Klinik die Diagnosen Einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung (ICD-10: F90.0, V.a. Störung des Sozialverhaltens mit depressiver Störung (ICD-10: F92.0), V.a. Vorwiegend Zwangsgedanken (ICD-10: F 42.0) auf. Unter „Beurteilungen und Empfehlungen“ heißt es u.a.:
13„Bei E. wurde neben der bekannten einfachen Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung der Verdacht auf eine Störung des Sozialverhaltens mit depressiver Störung und der Verdacht auf eine Zwangserkrankung, vorwiegend Zwangsgedanken, gestellt.Wir empfehlen vorrangig weiter eine ambulante Therapie, die Liste der niedergelassenen Therapeuten wurde nochmals ausgehändigt.Bereits zum jetzigen Zeitpunkt wurde kurz über die Möglichkeit einer tagesklinischen Behandlung gesprochen und ein Flyer für die Tagesklinik in N. mitgegeben. Der Schulwechsel zur Gesamtschule soll abgewartet werden und dann eine erneute Einschätzung bzgl. geeigneter therapeutischer Maßnahmen getroffen werden. …“
14Außerdem wurde die Medikation von Ritalin auf Concerta umgestellt.
15Nachdem am 3. September 2013 die Schule nach den Sommerferien begonnen hatte, wandten sich die Eltern des Klägers auf Anraten der Schule am 7. September 2013 an die Beklagte und stellten dann am 27. September 2013 einen formellen Antrag auf Bewilligung von Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII in Form eines Integrationshelfers für die Schule. Zur Begründung führten sie aus, der Kläger benötige aufgrund seiner ADHS-Erkrankung Hilfe und Unterstützung im Schulalltag. Es falle ihm schwer, sich in der Schule zu konzentrieren und zu organisieren. In manchen Situationen fühle er sich überfordert und stelle die Arbeit ein. Er versuche wiederholt, sich über festgesetzte Regeln hinwegzusetzen, die Einhaltung von Regeln falle ihm schwer. Von einer kontinuierlichen Begleitung im Unterricht versprächen sie sich eine Verbesserung des Verhalten sowie die Fähigkeit, die alltäglichen Aufgaben in der Schule mit der notwendigen Ruhe und Aufmerksamkeit erledigen zu können. Aktuell mache er eine Ergotherapie, außerdem werde er voraussichtlich im Dezember 2013 eine Verhaltenstherapie beginnen.
16In dem von der Beklagten daraufhin angeforderten Bericht der Gesamtschule T. vom 4. Oktober 2013 wird zunächst angegeben, dass die Leistungen des Klägers in den meisten Fächern schwach seien, auch wenn eine Bewertung zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vorgenommen werden könne. Die Zuverlässigkeit des Klägers bei den Hausaufgaben wird mit „mittel“ bewertet, die Konzentrationsfähigkeit, der Umgang mit Misserfolgen, das Zutrauen zur eigenen Leistungsfähigkeit, das Durchhaltevermögen, die Leistungsbereitschaft, die aktive Beteiligung am Unterricht, das Konfliktverhalten, der Umgang mit Regeln und die Integration in die Klasse wurden jedoch als „gering“ eingestuft.
17In dem Bericht der Schule wird weiter dargelegt, dass bereits die Grundschule im 2. Halbjahr der Klasse 4 einen deutlichen Leistungsabfall verbunden mit zunehmenden Verhaltensauffälligkeiten bei dem Kläger registriert habe und als Ursache die Angst vor der neuen Schulsituation gesehen worden sei. Zum Arbeits- und Sozialverhalten führt die Schule Folgendes aus:
18„E. hat erhebliche Schwierigkeiten, sich im großen System der Gesamtschule zu Recht zu finden. Er zeigt häufige Leistungsverweigerung in fast allen Fächern, arbeitet nur lustbetont und versucht regelmäßig, sich sämtlichen Anforderungen zu entziehen (‚Ich habe keine Lust‘, ‚Ich bin müde‘, ‚Ich hasse Mathe/Deutsch‘, ‚Ich habe Kopfschmerzen‘, etc.). E. verfügt nur über eine geringe Konzentrationsphase und baut im Laufe des Tages merklich ab. Hilfen nimmt er nur gelegentlich an und lässt sich trotz persönlicher Zuwendung häufig nicht zum Arbeiten motivieren. Eine Akzeptanz von Regeln im Schul- und Unterrichtsalltag, die seinen aktuellen Bedürfnissen widersprechen, zeigt E. nicht. Er diskutiert Regeln und deren Konsequenzen, ist wenig einsichtig und versucht, sich den Konsequenzen zu entziehen und eigene Maßstäbe zu setzen. Wenn andere Kinder etwas falsch machen, weist er energisch auf den Regelbruch hin. Seine Frustrationstoleranz ist sehr gering. E. kann seine Bedürfnisse nur schwer kontrollieren, ist sehr ungeduldig und schnell beleidigt, wenn er warten muss oder seinem Wunsch nicht nachgekommen wird. Werden ihm hier Grenzen gesetzt, reagiert er meistens mit Wutausbrüchen oder Weinkrämpfen. Oft ist er auch zutiefst verzweifelt, wenn er aufgrund eines kleineren Konflikts nicht nach Hause gehen darf. Häufig läuft er dann weg oder lässt sich nicht dazu bewegen, mit dem Lehrer zu kommen. An den Tagen, in denen keine Doppelbesetzung durch die Sonderpädagogin stattfindet, die sich in solchen Fällen um E. kümmert, können die Lehrer E. dann nicht mehr beaufsichtigen. Durch permanentes Reden, Rufen in die Klasse, häufiges Aufstehen, lautstarke Konflikte mit Mitschülern sowie Auseinandersetzungen mit Lehrern stört E. auch den Unterricht massiv. Für seine Mitschüler ist E.s Verhalten nur schwer zu ertragen. Dass er aufgrund seines besonderen Förderbedarfs eine Sonderrolle in der Klasse hat (hohe Lehreraufmerksamkeit, Auszeit-Regel, Aufgabenreduzierung, etc.) ist für sie nicht nachvollziehbar.
19Im Sozialgefüge der Klasse ist E. ebenfalls überfordert. Er findet schlecht Anschluss an die neuen Mitschüler, hat häufig Konflikte, fühlt sich sehr schnell provoziert und sieht sich selbst als Mobbingopfer. Eigenes Fehlverhalten erkennt E. nicht; er beharrt darauf, dass die anderen Schüler etwas falsch gemacht haben und eine Strafe bekommen sollen. Übungen des sozialen Lernens in der Gruppe ist er nicht gewachsen. In Situationen, in denen er emotional ausgeglichen ist, kann er sich Mitschülern jedoch auch sehr einfühlsam gegenüber zeigen und über einen begrenzten Zeitraum freundlichen Kontakt zu ihnen haben.“
20Abschließend kommt die Schule zu dem Ergebnis, dass es dem Kläger ohne intensive Hilfe nicht gelingen könne, die vielfältigen Anforderungen des Schulalltags an der Gesamtschule zu bewältigen, was sich nachteilig auf seine gesamte Entwicklung auswirke. Er benötige solch enge und strukturierte, individuelle Begleitung, dass sie sowohl von den Klassen- und Fachlehrern als auch von der Sonderpädagogin, die nur 8 Stunden pro Woche an der Schule tätig sei, nicht geleistet werden könne. Ohne einen Integrationshelfer sei E. unter den gegebenen Bedingungen an der Gesamtschule T. ansonsten nicht adäquat zu beschulen.
21Die an der Gesamtschule T. eingesetzte Sonderpädagogin, die Zeugin L. , wandte sich mit einer E-Mail am 17. November 2013 noch einmal an die Beklagte und legte dar, dass die schulische Situation für den Kläger nach wie vor extrem schwierig sei. Neben der Überforderung im Unterricht hinsichtlich Konzentration und Leistungsanforderungen, die regelmäßig zu Diskussionen mit den Lehrern führten, sei er vor allem ständig in massive Konflikte mit anderen Schülern verwickelt und erfordere ein Maß an Lehrerzuwendung, das nicht leistbar sei. Er habe aus diesem Grund vom Technikunterricht ausgeschlossen werden müssen, bis er eine Unterrichtsbegleitung habe. Da hier mit verschiedenen Werkzeugen gearbeitet werde, könne die Kollegin die Klasse nicht unbeaufsichtigt lassen, wenn der Kläger aufgrund von Konflikten mit anderen Schülern aneinander gerate oder den Raum verlasse. Ein Unterrichtsausschluss auch von anderen Fächern (z.B. Kunst) sei unter den Kollegen derzeit im Gespräch. Ebenso stelle sich die Frage, ob er täglich nur kurzbeschult werden könne, da durch sein Verhalten nicht nur die Klassensituation extrem beeinträchtigt werde, sondern auch er selbst sehr unter der Situation leide. Es gehe ihm derzeit an der Schule nicht gut, auch wenn es gute Stunden und Tage gebe. Es sei jedoch die Summe und Häufigkeit der verschiedenen Schwierigkeiten, die unter dem Strich weder für ihn noch für die Klasse tragbar sei.
22Bei einem Hausbesuch der Mitarbeiterin des Jugendamtes der Beklagten erklärten die Eltern, die Kläger habe seine Aktivität im Handballverein inzwischen eingestellt. Auch die Mitgliedschaft im Turnverein sowie im Leichtathletikverein sei aufgegeben worden. Insgesamt sei sein Kontakt zu anderen Kindern extrem schwierig, auch weil der Kläger ganz andere Interessen habe als andere Kinder in seinem Umfeld. Wenn er Gefallen an einem Thema gefunden habe, könne er sich sehr intensiv damit beschäftigen. Es falle ihm sehr schwer, sich einzufügen, insgesamt fordere er eine sehr hohe Aufmerksamkeit ein. Er benötige keine besondere Motivation, um zur Schule zu gehen. In der Klasse sei er jedoch nicht integriert, er habe das Gefühl, gemobbt zu werden. Der Kläger selbst gab an, er gehe nicht gern zur Schule und möge die Schule nicht. Dort werde er gemobbt, beleidigt und getreten. Zu ihm sei eigentlich keiner nett. Die Hausaufgaben seien ihm zu schwer, er brauche sehr lange dafür.
23Mit Bescheid vom 19. Dezember 2013, per Einschreiben zur Post gegeben am 20. Dezember 2014, zugestellt am 27. Dezember 2013, lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung von Eingliederungshilfe in Form eines Integrationshelfers für den Schulbesuch ab. In der Begründung wird dargelegt, bei dem Kläger lägen zwar die Voraussetzungen des § 35a SGB VIII vor, er sei von einer seelischen Behinderung bedroht. Dies beruhe auf seiner unrealistischen Beurteilung von Situationen, insbesondere in der Schule. Diesem Bedarf werde jedoch bereits außerschulisch mit therapeutischen Maßnahmen begegnet. Die Unterstützung durch einen Integrationshelfer sei jedoch abzulehnen, weil dieser keinen positiven Einfluss auf die soziale Integration des Klägers nehmen könne. Er werde bereits im Bereich emotionale und soziale Entwicklung integrativ beschult. Darüberhinaus wiesen seine schulischen Leistungen ein derart geringes Niveau auf, dass aus der Sicht der Fachkräfte die derzeitige Schulform eine Überforderung darstelle. Es werde ein zeitnaher Wechsel auf eine Förderschule empfohlen, um dem Bedarf des Klägers adäquat zu begegnen.
24Der Kläger hat am 27. Januar 2014 die vorliegende Klage erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt.
25Zur Begründung lässt er vortragen, dass sich im Schulalltag gezeigt habe, dass er an der Gesamtschule nicht ohne einen Integrationshelfer den Alltag meistern könne. Er könne zwar grundsätzlich den Schulstoff bewältigen, vermöge jedoch aufgrund seiner Erkrankung nicht lange genug stillzusitzen, sich auf Aufgabenstellungen zu konzentrieren, sich den Mobbingangriffen von Mitschülern während der Pausen zu widersetzen und entsprechend den Anforderungen im Klassenverband mitzuarbeiten.
26Außer beim Technikunterricht unterliege er auch Einschränkungen im Sportunterricht. Hier sei er immer wieder erheblichen Hänseleien und Mobbingangriffen ausgesetzt. So müsse er den Unterricht vorzeitig verlassen, damit er sich allein in der Umkleide umziehen könne. Er sei erheblichen Übergriffen ausgesetzt, wenn er mit anderen gemeinsam in der Umkleide sei. Da in dieser Zeit kein Lehrpersonal zugegen sei, könne der Sportlehrer sich nicht anders behelfen, als ihn, den Kläger, früher aus dem Unterricht zu schicken. Beim Wechsel zwischen Unterrichtsräumen oder Schulgebäuden habe er ebenfalls bereits sehr schlechte Erfahrungen mit Mitschülern gemacht. Er warte deshalb vor dem Schulgebäude, um mit dem jeweiligen Fachlehrer in das andere Gebäude zu gehen. Er habe große Angst davor, dass in der neuen Schule Gruppenarbeit oder Projektarbeiten angeordnet werden. Das habe schon in der Grundschule Ärger gegeben, obwohl der dortige Lehrer immer darauf geachtet habe, dass er eingebunden werde. Er habe immer Schwierigkeiten, Kinder zu finden, die bereit seien, überhaupt mit ihm zu arbeiten. Jetzt habe er außerdem Angst davor, dass kein Erwachsener ihn in eine Gruppe einteile und er ausgegrenzt werde.
27In der Klasse habe er bisher keinen Anschluss gefunden. In den Pausen werde er regelmäßig von anderen Schülern provoziert. Aufgrund eines zufälligen Besuchs in der Schule hätten die Eltern festgestellt, dass er seine Pausen im Büro neben dem Schulsozialarbeiterin verbringe, damit er in Ruhe frühstücken könne und nicht den Angriffen anderer ausgesetzt sei.
28Wegen sonderpädagogisches Förderbedarfs sei für zwei Tage in der Woche eine Sonderpädagogin an die Gesamtschule T. abgeordnet worden. Sie kümmere sich dann neben einem anderen Schüler um den Antragsteller. Seinen Eltern sei – auch aus den Erfahrungen in der Grundschule resultierend – durchaus bewusst, dass ein eingespieltes System der sonderpädagogischen Förderung in der Regelschule anders aussehen könne. Man habe seitens der Gesamtschule seinen Eltern sehr deutlich gemacht, dass man vor einer völlig neuen Situation stehe und den Kläger nicht freiwillig aufgenommen habe, aber sehr leicht auf dessen Teilnahme am Unterricht verzichten könne. Man müsse sich der Situation fügen, die die Politik vorgegeben habe, habe aber weder das Wissen noch die Mittel, die Anforderungen umzusetzen.
29Seine Eltern hätten sich für ihn deshalb ja auch eine andere Schule gewünscht. An der Gesamtschule habe man ihnen den Eindruck vermittelt, dass man Problemkinder wie ihn dort nicht schätze und daher alles in die Wege leite, damit er die Schule wechseln müsse. Vor diesem Hintergrund und mangels einer Alternative – zumindest im Regelschulbereich – hätten dann seine Eltern für ihn den Integrationshelfer beantragt, da es letztlich nicht an den Leistungen der Lehrkräfte, sondern an einer Ansprechperson für ihn fehle, die auf seine besonderen Bedürfnisse eingehe.
30Wegen der Hänseleien seiner Klassenkameraden habe er in der letzten Zeit sehr zugenommen, da er fast nur noch allein zu Hause sei und den Kummer regelrecht in sich hineinfresse. Er sei verzweifelt und habe immer mehr Angst, überhaupt in die Schule zu gehen. Mit einem Erwachsenen an seiner Seite könne er wieder ruhiger und selbstsicherer agieren. Es sei ein typisches Tätigkeitsfeld für einen Integrationshelfer, sich vermittelnd und begleitend neben den Betroffenen zu stellen und ihm so die Möglichkeit zu geben, den Kontakt zu anderen auf der Basis dieser Vermittlungen neu zu gestalten. Letztlich sähen sich die Mitschüler, die ihn immer wieder hänselten, ärgerten und mobbten, durch das Verhalten der Schule bzw. des Lehrpersonals bekräftigt, die ihn von vielen Bereichen ausschlössen, obwohl er über eine normale Intelligenz verfüge und durchaus in der Lage sei, den schulischen Anforderungen zu genügen. Er stehe wegen der Aktionen seiner Mitschüler aber inzwischen so unter Druck, dass er bzgl. seines Lernverhaltens nicht sein Potential ausschöpfen könne. Sein Hauptaugenmerk sei derzeit darauf gerichtet, nicht Opfer von Übergriffen anderer zu werden, nicht aus dem Unterricht ausgeschlossen zu sein und die Pausenzeit nicht auf einem Stuhl bei dem Sozialarbeiter der Schule zu verbringen.
31Zur Zeit nehme er Ritalin ein, wobei die Dosis von 50 mg auf 60 mg hochgesetzt worden sei.
32Soweit die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid die Empfehlung abgebe, dass er eine Förderschule besuchen solle, erschließe sich nicht, woraus dies abgeleitet werde. Die Lehrer der Grundschule, die ihn immerhin vier Jahre lang begleitet hätten, hätten ein anderes Urteil abgegeben. Der Kläger legt in diesem Zusammenhang eine IQ-Testung der Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie Dr. I1. und Dr. I2. aus N. vor, wonach er im HAWIK-IV Test einen Intelligenzquotienten von 95 erreichte.
33Der Kläger beantragt,
34die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 19. Dezember 2013 zu verpflichten, ihm entsprechend seinem Antrag Eingliederungshilfe gemäß § 35a SGB VIII für den Einsatz bzw. durch den Einsatz eines Integrationshelfers für das Schuljahr 2013/2014 zu bewilligen.
35Die Beklagte beantragt,
36die Klage abzuweisen.
37Sie legt dar, es stehe dem Kläger selbstverständlich frei, trotz der anderslautenden Empfehlung der Schule für eine Förderschule mit den Förderschwerpunkten „Lernen“ sowie „emotionale und soziale Entwicklung“ weiterhin eine integrative Schule zu besuchen. Entscheidend sei jedoch, dass die beantragte Unterstützung durch den Integrationshelfer im schulischen Kontext abzulehnen sei, weil ein Integrationshelfer keinen positiven Einfluss auf die soziale Integration des Klägers nehmen könne. Bei dem Antragsteller sei neben einer einfachen Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung vor allem eine Störung des Sozialverhaltens mit depressiver Störung vorwiegend in Form von Zwangsgedanken diagnostiziert. Im Verlauf der integrativen Beschulung habe sich gezeigt, dass der Kläger einen kleineren Klassenverband mit dem Förderschwerpunkt „emotionale und soziale Entwicklung“ benötige. Zudem wiesen die schulischen Leistungen des Klägers derart große Defizite auf, dass aus Sicht der Fachkräfte die derzeitige Schulform eine Überforderung darstelle. Beide Problembereiche könnten nicht durch einen Integrationshelfer gelöst werden. Weder könne dieser den Bedarf des Klägers nach einem kleineren Klassenverband noch könne es Aufgabe eines Integrationshelfers sein, das problematische Sozialverhalten des Klägers zu therapieren.
38Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
39In der mündlichen Verhandlung wurde Frau L. als Zeugin gehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll (Bl. 97-100 der Akte) verwiesen.
40Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Verfahrensakte und der Verfahrensakte 19 L 357/14 sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten ergänzend Bezug genommen.
41Entscheidungsgründe:
42Die zulässige Klage ist unbegründet.
43Der angefochtene Bescheid ist im Ergebnis rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII in Form eines Integrationshelfers für den Schulbesuch.
44Nach § 35a SGB VIII haben Kinder und Jugendliche Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn ihre seelische Gesundheit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist. Zwar liegen im vorliegenden Fall diese Voraussetzungen vor, der Anspruch scheitert jedoch an dem in § 10 Abs. 1 SGB VIII normierten Vorrang der Schule.
45Dabei ist unstreitig, dass die seelische Gesundheit des Klägers seit mehr als sechs Monaten von dem für sein Lebensalter typischen Zustand abweicht. Bereits seit der Grundschulzeit ist bei dem Kläger eine Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung diagnostiziert sowie sonderpädagogischer Förderbedarf im Bereich „emotionale und soziale Entwicklung“ festgestellt. Der Kläger wird durch sein unruhiges und abweichendes Verhalten sowie seine mangelnde Konzentrationsfähigkeit auch in der Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft beeinträchtigt. Zu beurteilen ist in diesem Zusammenhang die selbstbestimmte und altersgemäße Ausübung sozialer Funktionen und Rollen in den zentralen Lebensbereichen Familie, Schule und sozialem Umfeld wie etwa Freundeskreis und Sport. Wie sich aus den Schilderungen der Schule ergibt, hat der Kläger erhebliche Schwierigkeiten im Schulalltag. Außerdem ist der Kläger in seinem sozialen Umfeld nicht integriert, denn er verfügt weder in der Schule noch außerhalb über einen Freundeskreis, die Teilnahme am Vereinssport ist trotz der Bemühungen der Eltern bisher gescheitert. Auch die Beklagte geht deshalb davon aus, dass die Voraussetzungen des § 35a SGB VIII vorliegen.
46Soweit allerdings in der mündlichen Verhandlung von der Zeugin L. dargelegt wurde, der Kläger sei so schwer beeinträchtigt, dass die Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters des M. -Klinikums F. den Aufenthalt in einer Tagesklinik empfohlen habe, lässt sich dies anhand der vorliegenden Unterlagen nicht bestätigen. Vielmehr geht die Klinik davon aus, dass zunächst eine ambulante Therapie erfolgen solle, die die Eltern bereits eingeleitet haben. Nur für den Fall, dass sich dann nach der Umschulung auf die Gesamtschule eine erhöhter Therapiebedarf ergeben sollte, wurde diese Möglichkeit offenbar in Erwägung gezogen, wie sich daraus ergibt, dass zunächst der Schulwechsel abgewartet und dann erneut eine Einschätzung hinsichtlich geeigneter therapeutischer Maßnahmen getroffen werden sollte.
47Unbestritten bedarf jedoch der Kläger wegen seiner seelischen Erkrankung in besonderem Maß der Zuwendung und Betreuung im Unterricht, zumal er oft in Konflikte mit anderen Kindern verwickelt ist, in denen er sich nicht adäquat zu verhalten weiß. Er benötigt deshalb eine engere Führung und intensivere pädagogische Förderung, als sie in der Gesamtschule T. derzeit zur Verfügung gestellt wird. Wie die Zeugin L. in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich klargestellt hat, handelt es sich dabei um eine pädagogische Aufgabe, so dass ein Integrationshelfer ohne besondere pädagogische Ausbildung erst von ihr angeleitet werden müsste, um ein adäquates Ergebnis zu erreichen.
48Dem Anspruch auf Eingliederungshilfe in Form eines Integrationshelfers für den Schulbesuch steht hier jedoch §10 Abs. 1 SGB VIII entgegen. Diese Vorschrift bestimmt, dass Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen und der Schulen, durch das 8. Buch des Sozialgesetzbuchs nicht berührt werden und dass auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer nicht deshalb versagt werden dürfen, weil nach Kinder- und Jugendhilferecht entsprechende Leistungen vorgesehen sind. Daraus folgt ein Nachrang der Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe gegenüber den von der Schule zu erbringenden Leistungen. Erst wenn die Beschulung des Kindes oder Jugendlichen im öffentlichen Schulsystem scheitert oder unmöglich ist, sind die Voraussetzungen für den nachrangigen Anspruch auf Eingliederungshilfe gemäß § 35a SGB VIII gegeben.
49Vgl. OVG NW, Beschlüsse vom 18. Dezmber 2013 – 12 B 1190/13 – und vom 9. September 2010 ‑ 12 A 1326/10 -, www.nrwe.de; VG Aachen, Beschluss vom 3. September 2009 – 2 L 167/09 -, juris.
50Im vorliegenden Fall ist von einer vorrangigen Verpflichtung des öffentlichen Schulwesens für eine ordnungsgemäße Beschulung des Klägers auszugehen. Dabei ist zum einen maßgeblich, dass der Kläger – wie das Schulamt in dem Bescheid vom 9. Juli 2013 noch einmal klargestellt hat – der Gesamtschule T. wegen seines sonderpädagogischen Förderbedarfs zugewiesen wurde und deshalb nicht ohne weiteres auf eine andere Schule wechseln kann, ohne dass ein entsprechender Änderungsbescheid des Schulamtes vorläge. Zum anderen beruht die Feststellung des sonderpädagogischen Bedarfes gerade auf der beim Kläger diagnostizierten seelischen Behinderung. Das Jugendamt und in der Folge auch das Gericht sind daher an diese Entscheidung des Schulamtes gebunden.
51Vgl. OVG NW, Beschluss vom 8. September 2010 – 12 A 1326/10 -, www.nrwe.de.
52Der Kläger ist trotz der an dieser Schule auftretenden Probleme aber im vorliegenden Verfahren darauf zu verweisen, die erzieherischen Leistungen der Gesamtschule T. in Anspruch zu nehmen.
53Nach § 2 Abs. 4 des Schulgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (SchulG) vermittelt die Schule die zur Erfüllung ihres Bildungs- und Erziehungsauftrages erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Werthaltungen und berücksichtigt dabei die individuellen Voraussetzungen der Schülerinnen und Schüler. Dabei werden Schülerinnen und Schüler mit Entwicklungsverzögerungen und Behinderungen besonders gefördert, um ihnen durch individuelle Hilfen ein möglichst hohes Maß an schulischer und beruflicher Eingliederung, gesellschaftlicher Teilhabe und selbständiger Lebensgestaltung zu er ermöglichen (§ 2 Abs. 2 SchulG). Nach § 19 Abs. 1 SchulG werden Schülerinnen und Schüler, die wegen ihrer seelischen Behinderung nicht am Unterricht einer allgemeinen Schule teilnehmen können, nach ihrem individuellen Bedarf sonderpädagogisch gefördert. Dies gilt auch, wenn – wie im vorliegenden Fall - die Eltern einen gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf wünschen. Denn nach § 20 Abs. 7 SchulG kann die Schulaufsichtsbehörde -also der Beigeladene (vgl. § 88 SchulG)- gemeinsamen Unterricht für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf an einer allgemeinen Schule einrichten, wenn die Schule dafür personell und sächlich ausgestattet ist.
54Soweit die Schule nunmehr gegenüber den Eltern und der Beklagten darlegt, der Kläger sei gerade wegen seiner seelischen Behinderung, die Anlass für die Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs war, nur mit einer Integrationshilfe ordnungsgemäß zu beschulen, ist dem nicht zu folgen. Zwar hat auch die Zeugin L. in der mündlichen Verhandlung bekundet, die Struktur an der Gesamtschule T. sei nicht geeignet, für den Kläger eine ordnungsgemäße Beschulung bereit zu stellen. Eine den Behinderungen des Klägers angemessene Struktur an der Schule führt nach Auffassung der Zeugin dazu, dass er dort eine pädagogische 1:1-Betreuung benötigt.
55Allerdings resultiert daraus noch kein Anspruch auf die Stellung eines Integrationshelfers durch das Jugendamt der Beklagten. Denn es ist zu berücksichtigen, dass der Kläger vom Schulamt dieser Schule ausdrücklich wegen des Förderbedarfs zugewiesen wurde und die Eltern daran gehindert wurden, den Kläger an einer – ihrer Auffassung nach strukturell besser geeigneten – Schule anzumelden. Als das Schulamt für die Stadt N. den Kläger der Gesamtschule T. zuwies, erging diese Entscheidung in Kenntnis des sonderpädagogischen Bedarfs des Kindes und der Ausstattung der betreffenden Schule sowohl in struktureller als auch in pädagogischer Hinsicht. Sollte die Schule bzw. ihre Ausstattung mit pädagogischem Personal für den besonderen – wie von der Zeugin bekundete - pädagogischen Bedarf des Klägers unzureichend sein, stellt dies im Hinblick auf den Anspruch des Klägers auf eine seinen individuellen Voraussetzungen angepasste Schulbildung (vgl. § 2 Abs. 4 SchulG) keinen Grund dar, vom in § 10 Abs. 1 SGB VIII normierten Nachrang der Jugendhilfe abzurücken. Vielmehr ist es dann Aufgabe des Beigeladenen und des Schulträgers, eine der Schulpflicht des Klägers entsprechende angemessene Beschulung, die auch die Verpflichtungen aus der Behindertenrechtskonvention (vgl. § 24 BRK) berücksichtigt, entweder durch die Wahl einer geeigneten Schule oder durch eine in pädagogischer Hinsicht angemessene personelle und bauliche Ausstattung der zugewiesenen Schule zu gewährleisten.
56Hinzu kommt, dass die vom Schulamt gewählte Schule laut der Fahrplanauskunft des VRR für den Kläger nur durch einen relativ komplizierten Schulweg mit mehrmaligem Umsteigen erreichbar ist, während andere Schulen deutlich günstiger liegen, wie in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen von seinen Eltern dargelegt wurde. Dadurch erhöht sich aber für ihn der Anpassungsdruck und der Stress, was sich bei seiner Behinderung im Hinblick auf den Schulerfolg zusätzlich negativ auswirkt, zumal der Schulweg offenbar auch für die anderen Kinder eine gute Gelegenheit bietet, den Kläger zu hänseln und zu ärgern. Es erscheint aber weder pädagogisch noch rechtlich vertretbar, den Kläger durch die Zuweisung zu einer bestimmten Schule mit einem längeren Schulweg zu belasten, wenn diese Schule dann nicht in der Lage ist, seine behinderungsbedingten Ansprüche auf eine ordnungsgemäße Beschulung zu befriedigen.
57Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass § 8 der Verordnung zu § 93 Abs. 2 SchulG festlegt, die Lehrer-Schüler-Relation betrage an Schulen mit dem Förderschwerpunkt emotionale Entwicklung 1:7,83. Der Auffassung des Vertreters der Beigeladenen im der mündlichen Verhandlung, der Kläger habe nur in diesem Umfang einen Anspruch auf besondere Förderung, der im vorliegenden Fall durch die für den Kläger und einen weiteren Mitschüler mit acht Wochenstunden abgeordnete Sonderpädagogin erfüllt werde, kann nicht gefolgt werden. Dabei kann hier dahinstehen, ob die in der Verordnung genannten Durchschnittswerte für die Lehrer-Schüler-Relation von 1:7,83 überhaupt anspruchsgerecht sind und dies durch empirische Studien untermauert werden kann. Jedenfalls begrenzt ein festgelegter Durchschnittswert den individuellen Anspruch auf pädagogische Förderung nicht, sondern dieser Anspruch muss – wenn, wie im vorliegenden Fall, die Förderung nur über umfassende Betreuung sichergestellt werden kann – dem Gesetz entsprechend erfüllt werden. § 93 SchulG regelt nur die Personalkosten der Schulen, nicht aber die Ansprüche der einzelnen Schüler auf Unterricht. Ebenso wenig wie ein Schüler aufgrund von § 93 SchulG eine bestimmte Ausstattung einer Schule mit Personal einklagen kann,
58vgl. VG Köln, Beschluss vom 12. Januar 2006 – 10 L 11/06 -, juris,
59kann der Beigeladene den Anspruch eines Schülers auf individuelle Förderung durch die Verordnung auf den Durchschnittswert von 3,5 Stunden sonderpädagogischer Förderung pro Woche begrenzen, weil die von ihm für den Kläger ausgewählte Schule damit nicht ausreichend besetzt ist.
60Wenn die Durchschnittswerte der Verordnung zu § 93 SchulG zugrunde gelegt werden, führt dies bei einer Zuweisung von nur zwei Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf zu einer bestimmten Regelschule mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer nicht-bedarfsgerechten Ausstattung dieser Schule mit sonderpädagogischem Personal. Denn es liegt in der Natur von Durchschnittswerten, dass sie eine größere Bandbreite von Einzelwerten abdecken. Bei einer größeren Schülerzahl mit sonderpädagogischem Bedarf an einer Förderschule mag sich das ausgleichen, bei nur zwei Schülern ist dies eben nicht wahrscheinlich. Da §§ 2 Abs. 4, 19 Abs. 1 SchulG aber einen Anspruch auf individuelle Förderung gewährleisten, ist der Beigeladene bei der Zuweisung des Schülers zu einer bestimmten Schule verpflichtet, durch geeignete organisatorische Maßnahmen die Verteilung der Sonderpädagogen auf die Schulen so zu gestalten, dass dieser Bedarf auch befriedigt werden kann.
61Dabei ist im vorliegenden Fall auch zu berücksichtigen, dass die Eltern schon unmittelbar nach dem Wechsel zur Gesamtschule T. von der Schule aufgefordert wurden, bei der Beklagten einen Antrag auf einen Integrationshelfer zu stellen. Wie die Eltern in der mündlichen Verhandlung noch einmal bestätigt haben, sprachen sie am 7. September 2013 aufgrund von Gesprächen mit den Lehrern bei der Beklagten vor, um einen Integrationshelfer für die Schule zu beantragen. Wenn die Schule nach nur vier Unterrichtstagen die Eltern zu einem derartigen Antrag auffordert, lässt dies nur den Schluss zu, dass der Beigeladene offenbar von Anfang an beabsichtigte, die Beschulung des Klägers und den damit einhergehenden sonderpädagogischen Bedarf nicht mit eigenen Mitteln zu bewerkstelligen, sondern darauf setzte, dass das Jugendamt der Beklagten das notwendige pädagogische Personal dafür zur Verfügung stellte. Es ist aber nicht Aufgabe der Jugendhilfe, die von vornherein unzureichende Ausstattung der Schule und damit von dem Beigeladenen sehenden Auges in Kauf genommene Schwierigkeit bei der Beschulung des Klägers und mit pädagogischem Personal auszugleichen.
62Der gesetzlich festgelegte Nachrang der Jugendhilfe gegenüber den schulischen Verpflichtung der Beigeladenen würde so faktisch unterlaufen, denn der festgestellte sonderpädagogische Bedarf des Klägers beruht auf dem gleichen Umstand, nämlich seiner seelischen Behinderung, die auch Grundlage eines jugendhilferechtlichen Anspruchs wäre.
63Soweit die Eltern befürchten, dass so auch die integrative Beschulung des Klägers effektiv unmöglich gemacht werden soll, ergibt sich daraus ebenfalls noch kein Anspruch auf Jugendhilfe. Der Kläger ist vielmehr darauf zu verweisen, seine Rechte gegenüber der Schule bzw. dem Schulamt durchzusetzen. Da der Bescheid vom 9. Juli 2013 nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen ist, ist dies zur Zeit noch rechtlich möglich. Es ist zudem nicht rechtlich aussichtslos, einen solchen Anspruch auf eine bedarfsgerechte Ausstattung der Schule mit sonderpädagogischem Personal geltend zu machen.
64Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 VwGO in Verbindung mit § 188 VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, weil er keinen Antrag gestellt und sich damit selbst nicht am Kostenrisiko beteiligt hat (§§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).
(1) Hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 vorliegen, ist der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Nachrangig verpflichtet ist ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Ein Erstattungsanspruch besteht nicht, soweit der nachrangige Leistungsträger seine Leistungen auch bei Leistung des vorrangig verpflichteten Leistungsträgers hätte erbringen müssen. Satz 1 gilt entsprechend, wenn von den Trägern der Eingliederungshilfe, der Sozialhilfe, der Kriegsopferfürsorge und der Jugendhilfe Aufwendungsersatz geltend gemacht oder ein Kostenbeitrag erhoben werden kann; Satz 3 gilt in diesen Fällen nicht.
(2) Absatz 1 gilt auch dann, wenn von einem nachrangig verpflichteten Leistungsträger für einen Angehörigen Sozialleistungen erbracht worden sind und ein anderer mit Rücksicht auf diesen Angehörigen einen Anspruch auf Sozialleistungen, auch auf besonders bezeichnete Leistungsteile, gegenüber einem vorrangig verpflichteten Leistungsträger hat oder hatte.
(3) Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für den vorrangig verpflichteten Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften.
(4) Sind mehrere Leistungsträger vorrangig verpflichtet, kann der Leistungsträger, der die Sozialleistung erbracht hat, Erstattung nur von dem Leistungsträger verlangen, für den er nach § 107 Abs. 2 mit befreiender Wirkung geleistet hat.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.