Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 03. Juli 2017 - Au 7 K 16.327

bei uns veröffentlicht am03.07.2017

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten über das Bestehen eines Anspruchs auf Unterlassung und Widerruf zum Zeitpunkt des Austritts des Beklagten aus dem Gemeinderat der Gemeinde ...

I.

Der Kläger ist Erster Bürgermeister der Gemeinde ... Der Beklagte war bis 10. Oktober 2016 Mitglied des Gemeinderats.

In Streit steht die Aussage des Beklagten im Zusammenhang mit einem Bürgerbegehren, dass der Erste Bürgermeister die Gemeinderatsmitglieder in Sachen Bahnunterführung ... vorsätzlich immer wieder falsch informiert und dreist belogen habe und dass er Gemeinderatsmitglieder selbstherrlich übergangen, deren Mitarbeit nachweislich missachtet und dieselben belogen habe.

Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

In der Gemeinderatssitzung vom 7. Oktober 2013 wurde unter dem Tagesordnungspunkt 2 „Erneuerung der Eisenbahnunterführung ... und ... Straße“ der Planungsstand besprochen. Das diesbezügliche Protokoll wurde am 11. Oktober 2013 durch den Kläger unterzeichnet und durch die Gemeinderatsmitglieder in der nachfolgenden Sitzung mit deren Unterschrift genehmigt.

In der Gemeinderatssitzung vom 20. Januar 2014 wurden unter dem Tagesordnungspunkt 1 „Neubau Teilabschnitt ... Straße im Zuge der Erneuerung der Eisenbahnunterführung (EÜ). Vorstellung der verschiedenen Ausbauvarianten durch Herrn ... von .... – Beratung und Beschlussfassung –“ vier Varianten des Ausbaus besprochen. Der Gemeinderat entschied sich mit einem Abstimmungsergebnis von 13:1 für die Ausbauvariante Nr. 4. Das entsprechende Protokoll wurde von den Gemeinderatsmitgliedern in der nachfolgenden Sitzung durch deren Unterschrift genehmigt.

In der Folgezeit wurde ein Bürgerbegehren initiiert, das vom Gemeinderat zu einem Bürgerentscheid zugelassen wurde. Strittig war zwischen dem Gemeinderat und den Vertretern des Bürgerbegehrens – worunter sich auch der Beklagte befand –, ob für die Bahnunterführung „...“ einer so genannten „kleinen Lösung“, die von den Vertretern des Bürgerbegehrens bevorzugt wurde oder einer sogenannten „großen Lösung“, die von der Mehrheit des Gemeinderats und dem Bürgermeister bevorzugt wurde, der Vorzug gegeben werden sollte.

In diesem Zusammenhang behauptete der Beklagte, dass ein ortsansässiger Gewerbetreibender, vom Kläger eine Zusage für den Bau der großen Lösung erhalten habe, obwohl der Kläger gegenüber dem Beklagten mehrfach behauptete, dass dies nicht stimme.

In einer E-Mail an alle Gemeinderatsmitglieder vom 26. Oktober 2015 traf der Beklagte folgende Aussagen:

1. „Wir sind in Sachen Bahnunterführung ... von unserem Bürgermeister vorsätzlich immer wieder falsch informiert, man kann auch sagen, dreist belogen worden.“

2. „Fest steht ebenso, dass der Bürgermeister uns Gemeinderäte (mal wieder?) selbstherrlich übergangen, unsere Mitarbeit nachweislich missachtet und – ja, man kann auch sagen – uns belogen hat.“

In einem Flugblatt, das der Beklagte verfasste und am 5. und 6. November 2015, kurz vor dem Bürgerentscheid am 8. November 2015, an alle Haushalte verteilen ließ, verwies der Beklagte auf diese E-Mail und zitierte das Folgende:

3. „Wir sind in Sachen Bahnunterführung ... von unserem Bürgermeister vorsätzlich immer wieder falsch informiert, man kann auch sagen, dreist belogen worden.“ (vgl. 1.)

4. „Fest steht, dass uns der Bürgermeister durch Absprachen, die er am Gemeinderat vorbei getroffen hat, in eine ziemlich prekäre Situation manövriert hat… Klar ist aber, dass unsere Mitarbeit – wie meist – missachtet wurde.“

Mit Schreiben vom 9. Dezember 2015 wurde der Beklagte vom Bevollmächtigten des Klägers aufgefordert, bis zum 28. Dezember 2015 diesbezüglich eine Unterlassungserklärung abzugeben. Mit Schreiben vom 21. Dezember 2015 antwortete der Beklagte hierauf. Seine Behauptungen seien grundsätzlich belegbar.

III.

Am 10. Oktober 2016 hat der Beklagte sein Amt als Mitglied des Gemeinderats in ... niedergelegt.

IV.

Mit Schriftsatz vom 17. Februar 2016, ließ der Kläger durch seinen Bevollmächtigten Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erheben.

In der mündlichen Verhandlung wurde beantragt,

Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet war, es zu unterlassen, wörtlich oder sinngemäß in der Öffentlichkeit die Behauptung aufzustellen oder zu verbreiten, dass

1. der Erste Bürgermeister die Gemeinderatsmitglieder in Sachen Bahnunterführung ... immer wieder falsch informiert und dreist belogen hat

und

2. der Erste Bürgermeister die Gemeinderatsmitglieder selbstherrlich übergangen, die Mitarbeit der Gemeinderatsmitglieder nachweislich missachtet und die Gemeinderatsmitglieder belogen hat.

Es wird festgestellt, dass der Beklagte die Behauptung, dass

1. der Erste Bürgermeister die Gemeinderatsmitglieder in Sachen Bahnunterführung ... immer wieder falsch informiert und dreist belogen hat

und

2. der Erste Bürgermeister die Gemeinderatsmitglieder selbstherrlich übergangen, die Mitarbeit der Gemeinderatsmitglieder nachweislich missachtet und die Gemeinderatsmitglieder belogen hat,

hätte widerrufen müssen und den Widerruf in der nächsten öffentlichen Gemeinderatssitzung hätte erklären müssen, wenn er sein Amt als Gemeinderatsmitglied nicht niedergelegt hätte.

Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die Aussagen des Beklagten in der E-Mail vom 26. Oktober 2015 und im streitgegenständlichen Flugblatt unrichtig seien. Der Kläger habe niemals seine Zustimmung zur „großen Lösung“ gegeben. Hierfür wird bereits bei Klageerhebung als Anlage K8 eine Bestätigung der Eheleute ... vorgelegt, dass keine entsprechende Zusage erteilt wurde.

Die Äußerung des Beklagten sei daher als unwahre Tatsachenbehauptung anzusehen, die geeignet sei, das Ansehen des Klägers in den Augen anderer herabzusetzen und damit in sein Recht auf Ehre einzugreifen. Es stehe dem Kläger ein Unterlassungsanspruch zur Seite, da der Beklagte durch die Nichtabgabe der ihm zugestellten Unterlassungserklärung Grund für die Annahme einer Wiederholungsgefahr gegeben habe.

Daneben stehe dem Kläger ein Anspruch auf Widerruf zu, da von einer fortwirkenden Beeinträchtigung seiner Persönlichkeit auszugehen sei.

V.

In der mündlichen Verhandlung beantragte der Prozessbevollmächtigte für den Beklagten:

Die Klage wird abgewiesen.

Die streitgegenständlichen Äußerungen habe der Kläger bereits der Staatsanwaltschaft ... angezeigt. Das betreffende Ermittlungsverfahren wegen übler Nachrede wurde gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Zur Begründung der Klageerwiderung bezieht sich der Beklagte in Gänze auf die Ausführungen in dieser Verfügung.

VI.

Die Kammer entschied mit Beschluss vom 20. Juni 2017 durch Vernehmung des Zeugen ... Beweis zu erheben, über die Frage, ob der Kläger dem Zeugen eine Zusage zum Bau der großen Lösung „Bahnunterführung ...“ erteilt hat und über die Frage, ob der Zeuge bei der Informationsveranstaltung der Bürgerinitiative behauptet hat, eine Zusage zum Bau der großen Lösung „Bahnunterführung ...“ erhalten zu haben und ob er behauptet hat, diese Zusage vom Kläger erhalten zu haben.

Die Verwaltungsstreitsache wurde am 3. Juli 2017 mündlich verhandelt. Mit Beschluss vom selben Tag wurde sie zur gemeinsamen Verhandlung mit der Verwaltungsstreitsache Au 7 K 16.242 verbunden.

Ebenfalls mit Beschluss vom 3. Juli 2017 entschied die Kammer durch Vernehmung des Zeugen ... Beweis zu erheben, über die Frage ob Herr ... bei der Infoveranstaltung der Bürgerinitiative behauptet hat, eine Zusage zum Bau der großen Lösung „Bahnunterführung ...“ erhalten zu haben.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts, des Vortrags der Beteiligten im Übrigen und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte sowie die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

I.

Für die vorliegende Klage ist der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) eröffnet.

Streitgegenständlich ist ein öffentlich-rechtlicher Folgenbeseitigungsanspruch in Form eines Anspruchs auf Unterlassung und Widerruf von Äußerungen. Dieser Anspruch ergibt sich aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB analog. Die bürgerlich-rechtliche Vorschrift ist auch bei ehrverletzenden Äußerungen, die ein öffentlich-rechtliches Verhältnis betreffen, heranzuziehen (vgl. BayVGH, B.v. 13.10.2009 – 4 C 09.2144 – juris Rn. 10). Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen sind öffentlich-rechtlicher Natur nur solche Klagen entsprechend § 1004 BGB auf Unterlassung und Widerruf ehrverletzender Äußerungen, die von einem Träger öffentlicher Verwaltung bei Erfüllung öffentlicher Aufgaben, gestützt auf vorhandene oder vermeintliche öffentlich-rechtliche Befugnisse, abgegeben werden. Dagegen ist der Rechtsweg zu den Zivilgerichten eröffnet, wenn die beanstandeten Äußerungen nicht in amtlicher Eigenschaft, sondern nur gelegentlich einer nach öffentlichem Recht zu beurteilenden Tätigkeit gemacht werden, wenn sie allein Ausdruck einer persönlichen Meinung oder Einstellung sind (s. auch VGHBW, B.v. 12.12.2001, VBlBW 2002, 251 = FSt. 18/2002 Nr. 273).

Danach sind die beanstandeten Äußerungen über den Kläger nicht nach privatem, sondern nach öffentlichem Recht zu beurteilen (VG Würzburg, U.v. 27.11.2002 – W 2 K 02.828 – juris Rn. 44). Dieser beruft sich vorliegend lediglich auf seine organschaftlichen Rechten als Bürgermeister und nicht auf Rechtspositionen, die ihm als Privatperson zustehen. Der Kläger hat als Bürgermeister die in den Art. 34 ff. Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (Gemeindeordnung/GO) geregelten Aufgaben zu erfüllen und insbesondere den Vorsitz im Gemeinderat zu führen und dessen Beschlüsse zu vollziehen (Art. 36 Satz 1 GO). Bei der Erfüllung dieser Aufgaben kann er durch ehrverletzende Äußerungen in subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt sein.

Der Beklagte hat die streitgegenständliche Äußerung ebenfalls nicht als Privatmann, sondern ausschließlich in seiner Eigenschaft als Mitglied des Gemeinderats also als Mitglied eines Gemeindeorgans (s. Art. 29, 30 GO) erhoben. Dass der Beklagte allein – ohne die Unterstützung des restlichen Gemeinderats auftrat – nimmt ihm nicht seine in seiner Mitgliedschaft im Gemeinderat wurzelnde Stellung als vorliegend „abgespaltenes Teilstück“ dieses Organs, macht ihn nicht gleichsam automatisch zu einem Privatmann, der sich in einer zivilrechtlich zu beurteilenden Auseinandersetzung mit einem anderen Organ befindet (vgl. VG Würzburg, U.v. 27.11.2002 – W 2 K 02.828 – juris Rn. 47).

II.

Die Klage ist zulässig, führt in der Sache jedoch nicht zum Erfolg.

Bei der vorliegenden Verwaltungsstreitsache handelt es sich um einen Kommunalverfassungsstreit, da die Parteien des Rechtsstreites zum Zeitpunkt der Klageerhebung Organe bzw. Organteil einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft, nämlich der Gemeinde, waren.

1. Die vom Kläger umgestellte Klage ist statthaft.

Zunächst wurde durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers eine allgemeine Leistungsklage erhoben. In der Niederlegung des Amtes des Beklagten ist allerdings ein für die Hauptsache erledigendes Ereignis zu sehen. Dies ist insbesondere deswegen der Fall, weil der durch den Kläger geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung und Widerruf nach dem Ausscheiden des Beklagten aus dem Gemeinderat nicht mehr bestehen kann. Eine für einen Unterlassungsanspruch notwendige Widerholungsgefahr kann vom Beklagten nicht mehr ausgehen, da er in der Funktion als Gemeinderat keine Äußerungen mehr tätigen kann. Ein Anspruch auf Widerruf – den der Beklagte als Mitglied des Gemeinderats und gemäß Klageantrag im Rahmen einer Gemeinderatssitzung erfüllen sollte – kann aus eben diesem Grund nicht mehr erfüllt werden.

Dementsprechend war die Klage richtigerweise umzustellen auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage, § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO.

Diese ist grundsätzlich zwar nur für die Konstellationen einer ursprünglichen Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage statthaft. Von der Obergerichtlichen Rechtsprechung ist sie aber aufgrund der besonderen zeitlichen Konstellation ebenso für den Fall der Erledigung einer allgemeinen Leistungsklage anerkannt (vgl. VG Magdeburg, U.v. 25.10.2012, Az.: 9 A 164/11, VG München, U.v. 22.12.2011, Az.: M 17 K 11.3337, BayVGH, U.v. 14.1.1991, Az.: 2 B 90.1756 alle nach juris).

2. Neben der auch für eine Fortsetzungsfeststellungsklage erforderlichen Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO muss für die Zulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ein besonderes Feststellungsinteresse gegeben sein.

Zur Begründung eines besonderen Feststellungsinteresses kommt hier ein Rehabilitationsinteresse des Klägers in Betracht. Ein berechtigtes ideelles Interesse an einer Rehabilitierung besteht immer dann, wenn sich aus der angegriffenen Äußerung eine für Außenstehende erkennbare und fortdauernde Stigmatisierung des Betroffenen ergibt, die geeignet ist, sein Ansehen in der Öffentlichkeit oder im sozialen Umfeld herabzusetzen (vgl. BayVGH, B.v. 28.11.2016 – 4 ZB 16.1610 – juris Rn. 17).

So stellt sich der Fall hier dar.

Die durch den Beklagten in der E-Mail an alle Gemeinderatsmitglieder vom 26. Oktober 2015 und dem sich darauf beziehenden Flugblatt getätigten Äußerungen – der Bürgermeister habe die Gemeinderatsmitglieder in Sachen Bahnunterführung „...“ immer wieder falsch informiert und dreist belogen, die Gemeinderatsmitglieder selbstherrlich übergangen, die Mitarbeit der Gemeinderatsmitglieder nachweislich missachtet und diese belogen – sind geeignet das Ansehen des Klägers in der Öffentlichkeit herabzusetzen und seinen Ruf als Bürgermeister dauerhaft zu schädigen.

III.

Die Klage ist jedoch nicht begründet.

Zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses – dies war die Amtsniederlegung des Beklagten am 10. Oktober 2016 – stand dem Kläger kein Anspruch auf Widerruf bzw. Unterlassung gegen den Beklagten zu.

Voraussetzung für das Bestehen eines solchen Anspruchs ist das Vorliegen eines rechtswidrigen hoheitlichen Eingriffs in ein subjektiv-öffentliches Recht des Klägers. Als subjektiv-öffentliches Recht kann sich der Kläger auf sein Allgemeines Persönlichkeitsrecht aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. 2 Abs. 2 Grundgesetz (GG) berufen, das auch den Ehrschutz einer Person umfasst. Vorliegend hat der Beklagte jedoch nicht rechtswidrig in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers eingegriffen.

1. Um einen Eingriff festzustellen, ist zwischen wahren und unwahren Tatsachenbehauptungen, sowie Meinungsäußerungen zu unterscheiden.

a) Während für Werturteile die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage kennzeichnend ist, werden Tatsachenbehauptungen durch die objektive Beziehung zwischen Äußerung und Wirklichkeit charakterisiert (vgl. BVerfGE 90, 241 (247) = NJW 1994, 1779). Gerade unabhängig von den subjektiven Auffassungen des sich Äußernden soll etwas als objektiv gegeben hingestellt werden. Anders als Werturteile sind Tatsachenbehauptungen daher grundsätzlich dem Beweis zugänglich (vgl. BVerfGE 90, 241 (247) = NJW 1994, 1779). Das gilt auch für Äußerungen, in denen tatsächliche und wertende Elemente einander durchdringen. Bei der Abwägung fällt dann die Richtigkeit des tatsächlichen Äußerungsgehalts, der dem Werturteil zugrunde liegt, ins Gewicht (vgl. BVerfGE 90, 241 (248f.) = NJW 1994, 1779; BVerfG NJW 1996, 1529, beck-online).

Für die Bewertung einer Äußerung als Tatsachenbehauptung oder Werturteil kommt es also entscheidend auf die Beziehung des Äußernden zum Inhalt der Aussage an. Weist diese ein überwiegend subjektives Gepräge auf, liegt ein Werturteil und damit eine Meinungsäußerung vor, steht hingegen die objektive Beziehung des Äußernden zur Wirklichkeit im Vordergrund, liegt eine Tatsachenbehauptung vor.

b) Voraussetzung jeder rechtlichen Würdigung von Äußerungen ist zunächst, dass ihr Sinn zutreffend erfasst wird (vgl. BVerfGE 43, 130 (136) = NJW 1977, 799).

Bei der streitgegenständlichen Äußerung handelt es sich – entsprechend den Ausführungen in der staatsanwaltschaftlichen Einstellungsverfügung – nicht um eine Tatsachenbehauptung, sondern um ein Werturteil. Die Äußerung ist vor allem durch die subjektive Beziehung des Beklagten zu deren Inhalt geprägt. Sowohl aus der E-Mail vom 26. Oktober 2015, als auch aus dem Flugblatt geht hervor, dass der Beklagte nicht die Wirklichkeit abbilden will, sondern vielmehr persönliche und subjektive Schlussfolgerungen zieht.

Der Beklagte verwendet hierfür Phrasen wie „Für mich läuft diese ganze Entwicklung auf eine entscheidende Frage hinaus“, „wir müssen glaube ich, nicht lange mutmaßen, was genau damit gemeint ist“ oder „Aber so viel weiß ich“. Dies zeigt, dass gerade nicht die wirklichen Geschehnisse, sondern der subjektive Standpunkt des Beklagten zu den Geschehnissen im Fokus steht. Das wird auch besonders verdeutlicht durch die von „starken“ Adjektiven dominierten Ausdrucksweise des Beklagten wie z.B. „vorsätzlich falsch informiert“, „dreist belogen“, „selbstherrlich übergangen“, „selbstgerechter Alleingang“ und „ungeheuerlicher Vertrauensbruch“. Diese enthalten bereits eine eindeutige (negative) Wertung.

Es handelt sich bei der Äußerung also gerade nicht um eine zusammenfassende Darstellung eines Tatsachenkomplexes, sondern um eine Bewertung der Geschehnisse rund um die politische Frage des geplanten Umbaus bzw. Neubaus der Bahnunterführung.

Daran ändert es auch nichts, dass einzelne Teile der Aussage einem Beweis zugänglich sind. Jede beanstandete Äußerung ist in dem Gesamtzusammenhang zu beurteilen, in dem sie gefallen ist (BGH NJW 2002, 1192, beck-online). Sofern eine Äußerung, in der sich Tatsachen und Meinungen vermengen, durch den Charakter einer Stellungnahme oder des Dafürhaltens oder Meinens geprägt wird, handelt es sich insgesamt um eine Meinungsäußerung (BVerfG vom 11.11.1992 NJW 1993,1845, BayVGH U.v. 25.10.1995 – 4 B 94.4010, BeckRS 1995, 14114, beck-online). Es kommt also auf den Kern bzw. das Gesamtgepräge der Äußerung an. Letztendlich muss daher die streitgegenständliche Äußerung als Werturteil qualifiziert werden, da wesentlicher Kern der Äußerung keine auf ihre Richtigkeit überprüfbare substantiierte Aussage, sondern lediglich eine subjektive Bewertung des Verhaltens des Klägers in seiner Funktion als Bürgermeister in Sachen „Bahnunterführung ...“ ist (vgl. BGH NJW 2002, 1192, beck-online).

2. Handelt es sich wie hier um eine Meinungsäußerung, sind daran mehrere Folgen geknüpft.

a) Zum einen muss der geltend gemachte Widerrufsanspruch allein deswegen scheitern. Es entspricht festen Rechtsprechungsgrundsätzen, dass mit Widerrufsklagen allein Tatsachenbehauptungen bekämpft werden können, nicht jedoch subjektive Wertungen, die nur falsch oder richtig, nicht aber wahr oder unwahr sein können. Werturteilen kann lediglich mit der Unterlassungsklage begegnet werden (BayVGH NVwZ 1986, 327, beck-online m.w.N.; BayVGH U.v. 25.10.1995 – 4 B 94.4010, BeckRS 1995, 14114, beck-online).

b) Zum anderen gilt für den ebenso geltend gemachten Unterlassungsanspruch, dass Werturteile grundsätzlich vom Schutzbereich der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG umfasst sind.

Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit ist indes nicht vorbehaltlos gewährt. Es findet seine Schranken in den allgemeinen Gesetzen bzw. in den Grundrechten anderer. Erweist sich die Äußerung als Werturteil, geht die Meinungsfreiheit grundsätzlich dem Persönlichkeitsschutz vor, ohne dass es darauf ankommt, ob die Äußerung begründet oder grundlos, emotional oder rational, scharf oder verletzend formuliert ist, als wertvoll oder wertlos, gefährlich oder harmlos eingestuft wird (BVerfG NJW 1994, 1779). Im „Kampf um das Recht“ darf ein Verfahrensbeteiligter auch starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfällige Schlagworte benutzen, um seine Rechtsposition zu unterstreichen, selbst wenn er seine Kritik anders hätte formulieren können (BVerfG StV 1991, 458). Zurücktreten muss die Meinungsfreiheit im Bereich des Ehrschutzes allerdings immer dann, wenn sich die Äußerung als Angriff auf die Menschenwürde oder als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellt (BVerfG NJW 1999, 2262/2263).

Bei der hier streitgegenständlichen Äußerung handelt es sich um eine durchaus provozierende, polemisch und überspitzt formulierte Kritik an der Arbeit des Klägers als Bürgermeister seiner Gemeinde insbesondere im Zusammenhang mit dem Um- bzw. Neubau der Bahnunterführung „...“. Nichtsdestotrotz sind die vorliegend streitgegenständlichen Äußerungen noch von der Meinungsfreiheit gedeckt. Wenn eine Äußerung – wie hier – herabsetzende Wirkung gegenüber Dritten entfaltet, so wird sie erst dann zu einer von Art. 5 GG nicht mehr gedeckten Schmähung, wenn in ihr nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (BVerfG, B.v. 12.12.1990 – 1 BvR 839/90 – juris).

Das Bundesverfassungsgericht macht hierzu in einem Kammerbschluss vom 8. Februar 2017 (Az.: 1 BvR 2973/14, juris) folgende Ausführungen:

Zu beachten ist, dass Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht nur sachlich-differenzierte Äußerungen schützt, sondern gerade Kritik auch pointiert, polemisch und überspitzt erfolgen darf; insoweit liegt die Grenze zulässiger Meinungsäußerungen nicht schon da, wo eine polemische Zuspitzung für die Äußerung sachlicher Kritik nicht erforderlich ist. Einen Sonderfall bilden hingegen herabsetzende Äußerungen, die sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen. Dann ist ausnahmsweise keine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht notwendig, weil die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Ehrenschutz zurücktreten wird. Diese für die Meinungsfreiheit einschneidende Folge gebietet es aber, hinsichtlich des Vorliegens von Formalbeleidigungen und Schmähkritik strenge Maßstäbe anzuwenden. Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts ist der Begriff der Schmähkritik von Verfassungswegen eng zu verstehen. Auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Eine Äußerung nimmt diesen Charakter erst dann an, wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern - jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik - die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Sie liegt bei einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage nur ausnahmsweise vor und ist eher auf die Privatfehde beschränkt. Die Annahme einer Schmähung hat ein eng zu handhabender Sonderfall zu bleiben (BVerfG, B.v. 8.2.2017 – 1 BvR 2973/14 – juris Rn. 14 m.w.N.).

Der Beklagte überschritt hier mit der streitgegenständlichen Äußerung diese Schwelle nicht und das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers muss vorliegend hinter der Meinungsfreiheit des Beklagten zurückstehen.

Sowohl aus dem Kontext der E-Mail vom 26. Oktober 2015 und dem sich darauf beziehenden Flugblatt sowie aus dem Parteivortrag und den Zeugenaussagen in der mündlichen Verhandlung geht hervor, dass es dem Beklagten mit seiner Äußerung nicht lediglich darum ging, den Kläger zu diffamieren, sondern dass der Äußerung immer noch eine Auseinandersetzung mit der Sache „Bahnunterführung ...“ zugrunde liegt. Vor dem Hintergrund, dass der Kläger und der Beklagte zwei sich ausschließende Varianten des Aus- bzw. Neubaus der betroffenen Bahnunterführung favorisieren und es sich um ein kommunalpolitisch seit über einem Jahrzehnt stark umstrittenes Thema in dieser Gemeinde handelt, dabei Investitionen der Gemeinde im Bereich von mehreren 100.000 EUR im Raum stehen, hierüber insbesondere im Gemeinderat häufig diskutiert wurde und sogar ein Bürgerbegehren initiiert wurde, das in einem Bürgerentscheid endete, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Beklagte mit seinen gleichwohl scharfen Äußerungen lediglich die Diffamierung des Klägers im Sinn hatte. Eine Schmähung muss daher im Ergebnis ausscheiden.

Gerade im Hinblick auf den der Äußerung zugrunde liegenden Sachverhalt, der öffentlichkeitswirksam über mehrere Jahre diskutiert wurde und es sich nicht zuletzt wegen der enormen Kosten, um ein hoch umstrittenes Thema handelt, muss das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers vorliegend zurücktreten. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Bürgermeister als besonders in der Öffentlichkeit stehendes Organ der Gemeinde – er vertritt diese insbesondere in der Öffentlichkeit (Art. 38 Abs. 1) – im Rahmen des Schutzes durch das Allgemeine Persönlichkeitsrecht mehr in Kauf nehmen muss, als etwa ein Gemeinderatsmitglied. Dies muss insbesondere für eine Wahlkampfsituation oder in Bezug auf einen – wie hier – politisch hoch umstrittenen Themenkomplex gelten.

Auch die Tatsache, dass die durch den Zeugen ... bestätigte Aussage, wonach diesem vom Gemeinderat und dem Kläger im Vorfeld des Erwerbs eines Grundstückes die Durchführung „einer großen Lösung“ – gemeint war zumindest der Um-/Aus-/ oder Neubau der Bahnunterführung in einer Weise, dass diese mit den Lkws des Zeugen befahrbar ist – mit Hinweis auf die Beschlusslage aus dem Jahre 2001 zugesagt wurde und die schriftliche Aussage des Klägers vom 18. August 2015, in der er ausdrücklich klarstellt, es habe keine Zusage zu „einer großen Lösung“ gegeben – gemeint war wohl die aktuell in der Diskussion stehende große Lösung –, als durchaus nicht miteinander vereinbar oder sogar in Widerspruch stehend ausgelegt werden können, führt dazu, dass auch eine schärfere Kritik („vorsätzlich falsch informiert“, „dreist belogen“) als möglicherweise auf kommunalpolitischer Ebene allgemein üblich, als noch vertretbar zu werten ist.

IV.

Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

V.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

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(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden. (2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 5


(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Fi

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1004 Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch


(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der

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(1) Der Verwaltungsrechtsweg ist in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten auf dem Gebiet des Landesrechts können einem anderen Gericht auch durch Landesgesetz zugewiesen werden.

(2) Für vermögensrechtliche Ansprüche aus Aufopferung für das gemeine Wohl und aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung sowie für Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die nicht auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag beruhen, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben; dies gilt nicht für Streitigkeiten über das Bestehen und die Höhe eines Ausgleichsanspruchs im Rahmen des Artikels 14 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Die besonderen Vorschriften des Beamtenrechts sowie über den Rechtsweg bei Ausgleich von Vermögensnachteilen wegen Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte bleiben unberührt.

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tatbestand

1

Der Kläger ist Mitglied des Gemeinderates der Gemeinde A-Stadt und begehrt nunmehr die gerichtliche Feststellung, dass der Beklagte verpflichtet war, ehrverletzende Äußerungen in dem vom Beklagten herausgegebenen Informationsblatt zu unterlassen.

2

Diesbezüglich hat der Kläger das einstweilige Rechtsschutzverfahren (9 B 27/11 MD) beim erkennenden Gericht geführt. Mit Beschluss vom 18.05.2011 (n. v.) hat das Gericht dem Antrag des Klägers mit dem Tenor stattgegeben:

3

„Dem Antragsgegner wird aufgegeben, dafür Sorge zu tragen, dass in dem von ihm herausgegebenen „… Rathausanzeiger“ inhaltlich wertende Urteile über das Verhalten bzw. über Aussagen des Antragstellers im Gemeinderat zukünftig nicht erscheinen.

4

Dem Antragsteller wird aufgegeben, bis zum 30.06.2011 beim Verwaltungsgericht Magdeburg Klage bezogen auf den hier geltend gemachten Unterlassungsanspruch zu erheben (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 926 Abs. 1 ZPO).“

5

Das Gericht führt in dem Beschluss aus:

6

„Der Antragsgegner gibt seit einem Beschluss aus dem Jahre 1999 ein Informationsblatt, jeweils nach der monatlichen Gemeinderatssitzung, aus. Dieses Informationsblatt „… Rathausanzeiger“ wird nach der Fertigstellung an die Haushalte in den Gemeinden A-Stadt und B-Stadt verteilt. Die Redaktion besteht aus zwei Gemeinderatsmitgliedern und einer Verwaltungsangestellten der Gemeinde A-Stadt. Als Herausgeber wird in dem Blatt ausdrücklich der Gemeinderat bezeichnet.

7

Nach seiner eigenen Einschätzung ist der Antragsteller seit Jahren in der Gemeinde dafür bekannt, dass er sehr kritisch die Aktivitäten des Gemeinderates und des Bürgermeisters hinterfragt. Zuletzt kritisierte der Antragsteller, dass die Gemeinde A-Stadt ein Schullandheim betreibe, in welchem an den örtlichen Hotels vorbei „schulfremde“ Gäste untergebracht würden, die dann auch noch auf Empfehlung des Bürgermeisters die im Schullandheim befindliche Gaststätte besuchten. Insoweit kritisierte er auch die dem Bürgermeister für die Leitung des Schullandheims gewährte Entschädigung von 100,00 € im Monat und erklärte schriftlich, er halte die von der Gemeinde A-Stadt dem Schullandheim gewährten jährlichen Zuschüsse für Luxus, der gesamtwirtschaftlich nicht vertretbar sei. Insoweit bat er auch beim Ministerium des Landes und beim Rechnungsprüfungsamt um Überprüfung. Die von ihm angeregte Einleitung eines Ermittlungsverfahrens bei der Staatsanwaltschaft Stendal wurde von derselben abgelehnt, da kein Anfangsverdacht bestehe.

8

Unter dem 08.11.2010 lud der Bürgermeister der Gemeinde A-Stadt die Mitglieder des Gemeinderates zu einer „außerordentlichen Ratssitzung“ am 16.11.2010 ein, einziger Tagesordnungspunkt sollte die, so wörtlich: „Öffentliche Debatte um die Beschwerde des Ratsmitgliedes Herr Dr. A.“ sein.

9

Auf Intervention der Kommunalaufsichtsbehörde wurde diese Einladung verworfen. Es erfolgte eine Änderung der Tagesordnung und unter dem 12.11.2010 lud der Bürgermeister mit einer veränderten Tagesordnung die Mitglieder des Gemeinderates zu der am 16.11.2010 stattfindenden Sitzung ein. Im nicht öffentlichen Teil sollte es danach unter Tagesordnungspunkt 7., „Personalangelegenheiten“, um die Beschwerde des Antragstellers gehen. Der Antragsteller erklärte unter dem 16.11.2010, er werde an dieser Sitzung nicht teilnehmen, da keine ordnungsgemäße Ladung erfolgt sei. Die Gemeinderatssitzung fand schließlich ohne den Antragsteller statt.

10

Unter dem 20.11.2010 erschien die 69. Ausgabe des „… Rathausanzeigers“. Auf dem ersten Blatt heißt es in fettgedruckten Buchstaben: „Das Maß ist voll! Treten Sie endlich zurück Herr Dr. A.!“.

11

Unter dieser Überschrift wird ausgeführt:

12

„Ratsmitglieder und Einwohner sind empört über die Attacken gegen den Bürgermeister, den Gemeinderat und das Schullandheim/Ratsdebatte fand ohne Dr. A. statt, der unentschuldigt fernblieb“.

13

Es folgt ein langer Artikel, an dessen Beginn es heißt:

14

„Nahezu ungeheuerlich, was die Mitglieder des Gemeinderates und ungewöhnlich zahlreich erschienene Einwohner da am vergangenen Dienstag in einer öffentlichen Ratssitzung zu hören bekamen. Der für die CDU tätige Abgeordnete Dr. A. hatte sich in einem Schreiben an das Landesverwaltungsamt gewandt und darin sowohl eine Reihe von Anschuldigungen gegen den Bürgermeister J. erhoben als auch das Recht der Gemeinde zum Betreiben des Schullandheims angezweifelt und eine Überprüfung verlangt. Das Amt hat diese Beschwerde zur Weiterbearbeitung an den Gemeinderat weitergeleitet. (…) Das Ergebnis der Untersuchung lag dem Gemeinderat am 04.11.2010 zur Bestätigung vor und lautete: Nicht eine einzige der von A. aufgelisteten Anfeindungen und Unterstellungen ist zutreffend! Alle Anschuldigungen sind frei erfunden. Der Angriff gegen das Schullandheim ist infam“.

15

Im Text ist von einer „neuerlichen Störattacke von A.“, die „keinesfalls überraschend sei“, die Rede. Es wird ausgeführt, dass so nun auch der Öffentlichkeit habe gezeigt werden können, „dass A. mit seiner böswilligen Wühltätigkeit“ die Arbeit des Gemeinderates beeinträchtige. Ferner ist die Rede davon, dass „A. in vielem, was er tut, nur seinen eigenen Vorteil sieht oder darauf bedacht ist, seine eigene Person in den Vordergrund zu stellen“. Es bewege den Antragsteller offensichtlich nur wenig, dass die Öffentlichkeit nun umsonst zu der Ratssitzung erschienen sei. Der Antragsteller „missachte die Arbeit der übrigen Ratsmitglieder auf eine besonders schäbige Art und Weise“, indem er in seiner Presseerklärung behaupte, im Gemeinderat werde aus dem Bauch heraus entschieden. Der Abend sei indessen am Ende doch ein Erfolg gewesen, „weil einigen Bürgerinnen und Bürgern klar geworden ist, wer hier der Störenfried ist“.

16

In einer Sonderbeilage zur Ausgabe des „… Rathausanzeigers“ vom 09.12.2010, die anlässlich des Streits mit dem Antragsteller erstellt wurde, heißt es in einem Artikel, der sich mit dem Nichterscheinen des Antragstellers auf einer Ratssitzung vom 02.12.2010 beschäftigt, unter der Überschrift „Bockig wie ein Rumpelstilzchen“:

17

„Der Dauerbeschwerdeschreiber gebärdet sich hier wie ein bockiges, mit dem Fuß aufstampfendes kleines Rumpelstilzchen, das schreit: „Nein, eure Suppe esse ich nicht!“

18

In einer Glosse in derselben Ausgabe des „… Rathausanzeigers“ wird unter der Überschrift „Dick und Doof auf dem Holzweg, Empfehlung an die Laienspielgruppe“, ausgeführt:

19

„Hauptakteure dieser zum Teil infamen Attacken gegen den Bürgermeister und Gemeinderat sind ein Herr Dr. B. und dessen Berater/Koordinator Herr D. aus K. Wenn nun all das, was sich dieses Pärchen da so ausdenkt, nicht so furchtbar schäbig daher käme, könnte man solche Art Geschreibsel ja als Ulk verbuchen. Nun gibt es aber … mit Ideen und Mutterwitz, die das ganz anders sehen. Da startete Herr M. in der Einwohnerfragestunde am 02. Dezember 2010 einen Aufruf. Es möge sich doch bitte jemand finden, der aus dem „Drama Dr. B. & Co.“ ein richtiges Schauspiel macht, also einen Text schreibt, der danach von unserer hervorragenden Laienspielgruppe aufgeführt werden könnte. Sagen wir, als eine Art Schmierseifenoper in Fortsetzungen. Also, ich fand die Idee toll …

20

(…)

21

Am besten gefiel mir allerdings ein Vergleich mit dem berühmten Komikerduo Oliver Hardy und Stan Laurel, so dass man einen Titel wählen könnte wie etwa „Dick und Doof auf dem Holzweg“ oder so ähnlich. Falls sich nun jemand finden sollte, der ein Libretto schreibt, dann müssten unsere Laienspieler nicht mehr solch langweilige Stücke wie Hänsel und Gretel vorführen, sondern sie könnten aus dem prallen Leben des Dorfes schöpfen, allerdings nicht als Komödie, sondern doch wohl eher als ein Trauerspiel, meint Ihr Kiekebusch.“

22

Mit am 04.01.2011 beim Verwaltungsgericht Magdeburg eingegangenem Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten hat der Antragsteller um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Er ist der Ansicht, er sei antragsbefugt, da sein allgemeines Persönlichkeitsrecht, zu dem auch der Ehrschutz gehöre, verletzt werde. Der Antragsgegner könne sich angesichts seiner Wortwahl nicht auf die Pressefreiheit berufen. In dem Rathausanzeiger finde eine neutrale Berichterstattung über Tatsachen nicht statt. Der Antragsgegner verletze das sachliche Neutralitätsgebot.

23

Der Antragsteller beantragt,

24

dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO aufzugeben, es zu unterlassen, in einer weiteren für Anfang Januar 2011 zu erwartenden Ausgabe des „… Rathausanzeigers“, der vom Gemeinderat der Antragsgegnerin herausgegeben wird, die Person des Antragstellers und seine Aktivitäten als Mitglied des Gemeinderates zum Gegenstand gemeindlicher Pressearbeit zu machen, indem erneut unrichtige Tatsachen behauptet und kritische sowie ehrverletzende Äußerungen getroffen werden.

25

Der Antragsgegner beantragt,

26

den Antrag abzulehnen,

27

sowie den Antragsteller gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 926 Abs. 1 ZPO aufzugeben, Hauptsacheklage zu erheben.

28

Der Antrag sei bereits unzulässig, da er eine Vorwegnahme der Hauptsache wolle und der Antragsteller den Antrag erst sechs Wochen nach der behaupteten Ehrverletzung gestellt habe. Da zwischenzeitlich der nächste Rathausanzeiger erschienen sei und, entgegen der Befürchtung des Antragstellers, weder der Antragsteller noch sein Beauftragter/Koordinator Herr N. erwähnt wurden, habe der Antragsteller auch nichts weiter zu befürchten. Zudem sei der Antragsteller darauf zu verweisen, dass er sich an den Gemeinderat wenden müsse mit seinem Begehren. Auch sei der gestellte Antrag zu unbestimmt, es hätte wenigstens angegeben werden müssen, Aussagen welchen Inhalts unterlassen werden sollten. Auch müsse der Antragsteller um eine Gegendarstellung nachsuchen. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb der Antragsteller in seinem Recht auf Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit verletzt sein solle, er begehre tatsächlich die Richtigstellung angeblich unrichtiger Tatsachenbehauptungen. Es sei auch klarzustellen, dass der Antragsteller nicht selbst als „Rumpelstilzchen“ bezeichnet, sondern als „bockig“ charakterisiert worden sei. Er sei bockig wie ein Rumpelstilzchen. Die Bezeichnung „Dick und Doof“ sei ausdrücklich als Glosse kenntlich gemacht worden. Für das Betreiben eines Publikationsorgans, das im Wesentlichen über Inhalt und Verlauf der Gemeinderatssitzungen berichte, sei der Gemeinderat zuständig, weil es sich um eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft handele. Mit der im Untertitel des Blattes genannten Komponente „Hintergründe“ wolle der Gemeinderat sich die Möglichkeit offen halten, auch Kommentare zum Zustandekommen von Beschlüssen und Entscheidungen abzugeben und unterschiedliche Ansichten von Ratmitgliedern darzustellen. Es gebe kein Verbot, nicht über einzelne Gemeinderatsmitglieder zu berichten, dies habe lediglich in sachlicher Form und unter Beachtung des Neutralitätsgebotes zu erfolgen. Bezogen auf die streitgegenständlichen Berichte in den Ausgaben 69 und 70 gibt der Antragsgegner an, eine übergroße Mehrheit der Mitglieder des Gemeinderates könnten die Inhalte und die getroffenen Wertungen ebenso bezeugen wie die im Protokoll über die Ratssitzung vom 16.11.2011 aufgelisteten Einwohner, die an der Sitzung teilgenommen hätten. Auch legten der Antragsgegner und die Redaktion des Rathausanzeigers großen Wert darauf, dass man sich nur zur Person des Antragstellers geäußert habe, wenn es einen berichtswürdigen Anlass gegeben habe. Die Vermutung, es komme erneut zu „schmählichen Kritiken oder Diffamierung“ sei unbegründet. Der Antragsteller müsse nicht befürchten, dass es eine weitere Berichterstattung zu diesem Thema gebe. Auch habe sich die Redaktion vorgenommen, künftig - generell - „präziser darauf zu achten, wertende Aussagen den jeweiligen Diskussionsteilnehmern zuzuordnen und auf die strikte Trennung von Nachricht und Meinung zu achten“. Dies sei der Anspruch von Redaktion und Antragsgegner, dem man auch in den letzten 12 Jahren Folge geleistet habe.

29

Auf Hinweis des Gerichts hat der Antragsteller im Laufe des Verfahrens seinen Antrag dahingehend umgestellt, dass er sich nicht mehr gegen die Gemeinde A-Stadt richtet, sondern gegen den Gemeinderat der Gemeinde A-Stadt als Herausgeber des Rathausanzeigers. Der Antragsgegner willigt ausdrücklich in diese Änderung nicht ein und hält sie auch nicht für sachdienlich.

30

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte verwiesen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung war.

II.

31

1. Der Antrag ist zulässig.

32

Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet, da es sich entsprechend § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art handelt. Streitgegenstand ist vorliegend die Forderung des Antragstellers, wertende und ehrverletzende Äußerungen zu unterlassen. Dieser Anspruch ergibt sich aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB analog. Diese Vorschrift ist auch bei ehrverletzenden Äußerungen, die ein öffentlich-rechtliches Verhältnis betreffen, heranzuziehen (vgl. Bay. VGH, B. v. 13.10.2009, 4 C 09.2144, Rn. 10 m. w. N., zitiert nach juris). Die vom Antragsteller behaupteten ehrverletzenden Äußerungen betreffen ein öffentlich-rechtliches Verhältnis. Denn die vorliegend angegriffenen Äußerungen im „… Rathausanzeiger“ sind dem amtlichen Bereich zuzuordnen, da Herausgeber des Rathausanzeigers ausweislich des Impressums desselben der Gemeinderat ist. Der Rathausanzeiger dient ausdrücklich dazu, über Ratssitzungen zu informieren und zwar durch den Gemeinderat. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass es sich bei dem „Rathausanzeiger“ nicht um ein Amtsblatt des Antragsgegners bzw. der Gemeinde A-Stadt handelt. Da der Gemeinderat indes Herausgeber dieses Blattes ist und im Wesentlichen Gemeinderatsmitglieder die Redaktion des Blattes stellen, das Blatt zudem ausdrücklich der Information der Bürger durch den Gemeinderat dient, ist die Kammer der Auffassung, dass die Herausgabe des „Rathausanzeigers“ im unmittelbaren Zusammenhang mit der amtlichen Tätigkeit des Gemeinderates besteht und damit eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorliegt (vgl. zu diesem Erfordernis: Bay. VGH, a. a. O., Rn. 9 ff.; VG Stuttgart, B. v. 13.04.2011, 7 K 702/11, Rn. 25).

33

Die erfolgte Änderung des Antragsgegners ist zulässig, denn sie ist offensichtlich sachdienlich (§ 91 Abs. 1, 2. Alt. VwGO).

34

Dem Antragsteller fehlt auch nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Er ist insbesondere nicht darauf zu verweisen, dass er zunächst einen Anspruch auf Gegendarstellung geltend machen müsse. Der Antragsteller begehrt nämlich nicht den presserechtlichen Widerruf der getätigten Äußerungen, sondern macht einen Unterlassungsanspruch für die Zukunft geltend.

35

Er kann nicht darauf verwiesen werden, dass er zunächst einen Gemeinderatsbeschluss zu der Frage des Unterlassens einzuholen habe, denn es ist dem Antragsteller aufgrund des Verhaltens des Antragsgegners bzw. der Mehrheit des Antragsgegners nicht zuzumuten, einen solchen Gemeinderatsbeschluss herbeizuführen. Möglichkeiten eines innerorganschaftlichen Interessenausgleichs haben nach Auffassung des Gerichts nicht bestanden. Dies gilt umso mehr, als jedenfalls dem Verfasser der „Glosse“ offensichtlich bewusst war, dass er eine „einstweilige Verfügung“ provoziert, wie sich aus der Anmerkung zu derselben ergibt.

36

Der Antrag ist bestimmt genug, insoweit als jedenfalls bestimmbar ist, was eine ehrverletzende Äußerung ist. Dabei ist weder von Bedeutung, was der Äußernde für ehrverletzend hält, noch was derjenige, der von der Äußerung betroffen ist, für ehrverletzend erachtet. Die Ehrverletzung lässt sich objektiv bestimmen. Im Übrigen hat der Antragsteller im Einzelnen ausgeführt, durch welche der getätigten Äußerungen er seines Erachtens in seiner Ehre verletzt wurde. In diesem Sinne hat die Kammer den Antrag ausgelegt und entsprechend tenoriert.

37

2. Der Antragsteller hat gegenüber dem Antragsgegner einen Anordnungsanspruch. Wie oben bereits dargetan, findet sich die Anspruchsgrundlage in § 1004 Abs. 1 BGB analog. Dieser ist über seinen Wortlaut hinaus bei der Verletzung anderer absoluter Rechte wie der Ehre entsprechend anzuwenden (vgl. Bay. VGH, B. v. 24.05.2006, 4 CE 06.1217, Rn. 20, zitiert nach juris m. w. N.).

38

Passiv legitimiert ist vorliegend der Gemeinderat, denn er ist Herausgeber des „Rathausanzeigers“.

39

Dem Antragsteller steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu. Der Antragsgegner ist - ungeachtet der Frage, ob sich ein Gemeinderat mit der Herausgabe eines solchen Informationsblattes nicht bereits außerhalb seines Kompetenzrahmens bewegt (§ 44 GO) bzw. ob er sich überhaupt zur Tätigkeit von Gemeinderäten i. S. v. diese kommentieren oder bewerten, äußern darf - jedenfalls dem Gebot der Sachdienlichkeit verpflichtet. Dies hat er hier nicht getan. Bei dem im Rathausanzeiger Nr. 69 und Nr. 70 erfolgten Meinungsäußerungen ist das zur Zurückhaltung und Mäßigung verpflichtende Sachlichkeitsgebot verletzt worden (vgl. hierzu Bay. VGH, a. a. O., Rn. 28 ff.).

40

Tatsachenbehauptungen sind dann anzunehmen, wenn der Aussage beweisbare Vorgänge zugrunde liegen, die Richtigkeit der Äußerung durch eine Beweiserhebung, also objektiv, festgestellt werden kann. Meinungsäußerungen sind hingegen durch Elemente des Meinens, Dafürhaltens oder Wertens gekennzeichnet und deshalb einem objektiven Richtigkeitsbeweis nicht zugänglich. Vermischen sich beide Elemente in einer Äußerung und lassen sie sich nicht ohne Veränderung des Aussagegehaltes voneinander trennen, ist nach dem Schwerpunkt der Äußerung/Überwiegen der Wertung oder der Information über Tatsächliches abzugrenzen (vgl. Bay. VGH, a. a. O., Rn. 25 m. w. N.). So kann vorliegend etwa die Überschrift „Das Maß ist voll!“ einerseits objektiv betrachtet eine Tatsachenbehauptung sein, andererseits ist es eindeutig eine Meinungsäußerung. Ebenso kann es eine objektive Tatsache sein, dass der Antragsteller der Ratsdebatte „unentschuldigt fernblieb“, oder aber eine subjektive Einschätzung. Gleiches gilt etwa von der Aussage „Für die Mehrzahl der Ratsmitglieder kam diese neuerliche Störattacke von A. keinesfalls überraschend“. Denn dies ist zum einen eine Tatsachenäußerung darüber, dass die Ratsmitglieder nicht überrascht waren, andererseits eine Meinungsäußerung dahingehend, dass es sich beim Fernbleiben des Antragstellers um eine „neuerliche Störattacke“ handele. Dies zieht sich in gleicher Weise durch den gesamten „Leitartikel“ des Rathausanzeigers vom 20.11.2010 (Nr. 69, S. 1 und 2) hinweg. Gleiches gilt für den Artikel in der Sonderbeilage zur 70. Ausgabe des Rathausanzeigers vom 09.12.2010 (Nr. 70). Eindeutig eine Meinungsäußerung ist die Überschrift „Bockig wie ein Rumpelstilzchen“ und der in der Anmerkung als „Glosse“ bezeichnete Artikel, der überschrieben ist mit „Dick und Doof auf dem Holzweg, Empfehlung an die Laienspielgruppe“. Auch bei Meinungsäußerungen hat der Antragsgegner das zur Zurückhaltung und Mäßigung verpflichtende Sachlichkeitsgebot einzuhalten.

41

Es ist bereits mehr als fraglich, ob sich der Gemeinderat auf „seine“ Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) berufen kann. Dies kann womöglich das einzelne Gemeinderatsmitglied (VGH Baden-Württemberg, U. v. 11.10.2000, 1 S 2624/99; juris), aber nicht der Gemeinderat als Herausgeber des Rathausanzeigers. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass die getätigten Äußerungen nicht etwa durch einzelne Gemeinderatsbeschlüsse gedeckt sind, sondern auf dem freien Entschluss der für die Redaktion ausgewählten Gemeinderatsmitglieder beruht. Diese haben indes nach Ansicht der Kammer zu beachten, dass es sich bei dem „Rathausanzeiger“ um ein Informationsblatt des Gemeinderates handelt. Die Redakteure müssen daher den gemeindlichen Kompetenzrahmen wahren und das Sachlichkeitsgebot als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips beachten (vgl. ausführlich: Bay. VGH, a. a. O., Rn. 29 m. w. N.). Nach Auffassung des Senats hat der politische Meinungsaustausch zwischen Gemeinderatsmitgliedern generell im Gemeinderat selbst stattzufinden, d. h. in der dortigen öffentlichen Diskussion. Die Existenz eines Informationsblattes des Gemeinderates und die Tatsache, dass die sich im Recht fühlende Mehrheit im Gemeinderat auch ein Redaktionsmitglied stellt, kann nicht dazu führen, dass dieses Informationsblatt, welches über die gesamte Tätigkeit des Gemeinderates berichten soll, dazu benutzt wird, in der einen oder anderen Weise Stimmung gegen einzelne Ratsmitglieder zu machen. Insoweit wird vorliegend ein Publikationsorgan missbraucht, um den politischen Meinungskampf (weiter-) zu führen, der an sich Aufgabe der Parteien und Wählergruppen innerhalb des Gemeinderates ist. Vorliegend ist der „Rathausanzeiger“ aber gerade nicht mehr wie 1994 noch das Publikationsorgan der PDS/Die Linke und auch nicht einer einzelnen Partei/Wählergruppe, sondern das Publikationsorgan des Gemeinderates. Dementsprechend wird sich die Redaktion auf die bloße Berichterstattung von Fakten und Tatsachen zu beschränken haben.

42

Es ist auch nicht so, dass sich aus dem Amt des Antragstellers, nämlich dem Ehrenamt des Gemeinderatsmitgliedes, eine erhöhte Duldungspflicht für die Hinnahme von geäußerten Werturteilen, die seine Person betreffen, ergibt. Denn die Äußerungen schlagen auf den Antragsteller als natürliche Person durch (vgl. Bay. VGH, a. a. O.).

43

Der Antragsteller hat die konkrete Wiederholungsgefahr glaubhaft gemacht. Zwar erklärt der Antragsgegner nunmehr, er werde solche Äußerungen nicht mehr im Rathausanzeiger tätigen, auch ist in der bereits erschienen 71. Ausgabe des „Rathausanzeigers“ eine solche Ehrverletzung nicht mehr vorgekommen, vielmehr ist der Antragsteller in dieser Ausgabe überhaupt nicht erwähnt worden. Dennoch ist nicht zu verkennen, dass es sich bei der Auseinandersetzung zwischen Antragsteller und Mitgliedern des Antragsgegners um eine sehr scharfe, sich bereits über einen längeren Zeitraum hinweg ziehende und andauernde Auseinandersetzung handelt. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass tatsächlich wieder der Rathausanzeiger für entsprechende Äußerungen herhalten muss. Dies gilt umso mehr, als der Antragsgegner selbst vorträgt, es gehe auch um Berichte zu „Hintergründen“ und erklärt, berichtet worden sei erst, als der Antragsteller einen „berichtswürdigen Anlass“ geliefert habe. Auch führt der Rathausanzeiger ausdrücklich die Rubrik „Hintergründe“ auf.

44

Es ist auch ein die Eilbedürftigkeit rechtfertigender Anordnungsgrund glaubhaft gemacht worden. Denn dem Antragsteller ist es nicht zuzumuten, sein allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzende Äußerungen bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren hinzunehmen. Gleichwohl war dem Antrag des Antragsgegners entsprechend die Erhebung der Hauptsacheklage auszusprechen.“

45

Mit der sodann am 08.06.2011 erhobenen Hauptsacheklage kommt der Kläger der gerichtlichen Aufforderung nach und beantragt zunächst,

46

den Beklagten zu verurteilen, dafür Sorge zu tragen, dass in dem von ihm herausgegebenen „Rathausanzeiger“, inhaltlich wertende Urteile über das Verhalten bzw. über Aussagen des Klägers im Gemeinderat zukünftig nicht erscheinen.

47

Nachdem im gerichtlichen Verfahren die zukunftsbezogene Unterlassung diskutiert wurde und auch der Kläger einräumte, dass nach der einstweiligen Verfügung keine weiteren ehrverletzenden Äußerungen im „Rathausanzeiger“ veröffentlicht worden seien, beantragt der Kläger,

48

festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet war, dafür Sorge zu tragen, dass in dem von ihm herausgegebenen „Rathausanzeiger“ inhaltlich wertende Urteile über das Verhalten bzw. über Aussagen des Klägers im Gemeinderat zukünftig nicht erscheinen, so oder sinngemäß.

49

Der Beklagte beantragt,

50

die Klage abzuweisen

51

und hält die Klage bereits für unzulässig. Insbesondere seien die prozessualen Voraussetzungen für eine Klageänderung nicht gegeben und der Antrag sei zu unbestimmt.

52

Das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt hat mit Beschluss vom 16.08.2011 (4 M 92/11 – n. v.) auf die Beschwerde des Beklagten und damaligen Antragsgegners den Beschluss der Kammer vom 18.05.2011 in dem Eilrechtsschutzverfahren aufgehoben, weil der Kläger und damaliger Antragsteller die Frist des § 929 Abs. 2 ZPO hat verstreichen lassen. Danach ist die Vollziehung eines Arrestbefehls unstatthaft, wenn seit dem Tage, an dem der Befehl verkündet oder der Partei, auf deren Gesuch er erging, zugestellt ist, ein Monat verstrichen ist. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts ist dem Antragsteller am 23.05.2011 zugestellt worden, so dass die Vollzugsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO mit Ablauf des 23. Juni 2011 abgelaufen war.

53

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte des Gerichtsverfahrens sowie des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens 9 B 27/11 MD und des vor dem OVG LSA geführten Verfahrens 4 M 92/11 und den beigezogenen Verwaltungsvorgang verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

54

1.) Die Klage ist nach Umstellung des ursprünglichen Begehrens nunmehr mit dem zuletzt gestellten Antrag in Form der Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig. Der ursprüngliche Antrag war als allgemeine Leistungsklage auf Unterlassung von Äußerungen gerichtet. Unstreitig sind seit Erlass der einstweiligen Anordnung durch das Gericht - auch ohne Vollstreckungsvoraussetzungen - die ehrverletzenden Äußerungen eingestellt worden. Damit hat sich die Unterlassungsklage mit dem zukunftsbezogenen Antrag erledigt. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ist auch auf Unterlassungsklagen analog anzuwenden (vgl. nur: VG München, Urteil v. 22.12.2011, M 17 K 11.3337 mit Verweis auf BayVGH, Urteil v. 14.01.1991, 2 B 90.1756; beide juris und Schmidt in Eyermann, VwGO, 13. Aufl., § 113 Rz. 106). Dafür spricht der spezielle Zuschnitt der Forstsetzungsfeststellungsklage auf den Fall der Erledigung. Schließlich ist auch zu bedenken, dass der Kläger die damalige Klage aufgrund der ausdrücklichen Aufforderung durch das Gericht im Tenor des Beschlusses vom 18.05.2011 erhoben hat. Dem Kläger steht auch das sogenannte besondere Fortsetzungsfeststellungsinteresse bezüglich der nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der Äußerungen bzw. der Rechtmäßigkeit des Unterlassungsanspruchs zur Seite. Dieses besondere Fortsetzungsfeststellungsinteresse besteht nach herrschender Meinung in den Fällen einer Wiederholungsgefahr, eines Rehabilitationsinteresses und soweit ein Präjudiz, d. h. die Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses besteht (vgl. dazu ausführlich: VG Magdeburg, Urt. v. 16.10.2008, 5 A 318/07 MD; juris mit Verweis auf Kopp/Schenke, VwGO, 15. Auflage, § 113 Rz. 129 ff).

55

Vorliegend kann das besondere Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Sinne eines Rehabilitationsinteresses angenommen werden. Ein Rehabilitationsinteresse im Sinne einer „Genugtuung“ setzt dabei voraus, dass es bei vernünftiger Würdigung der Verhältnisse des Einzelfalls als schutzwürdig anzusehen ist, weil eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen vorgelegen hatte (vgl. ausführlich: Kopp/Schenke, VwGO, 15. Auflage, § 113 Rz. 142 ff). Diese stets im Einzelfall zu treffende Entscheidung führt vorliegend dazu, dass zur Überzeugung des Gerichts ein dementsprechendes Fortsetzungsfeststellungsinteresse für den im Tenor bezeichneten Ausspruch besteht.

56

Darüber hinaus ist nicht auszuschließen, dass der Ausspruch Präjudizialität für Schadensersatz oder Entschädigungsansprüche aufweist.

57

2.) Zum Zeitpunkt des Erlasses der einstweiligen Verfügung durch das erkennende Gericht stand dem Kläger der diesbezügliche Unterlassungsanspruch bezüglich der ehrverletzenden Äußerungen zur Seite. Das Gericht darf diesbezüglich auf die umfassenden Ausführungen in dem im Tatbestand wiedergegebenen Beschluss der Kammer vom 18.05.2011 verweisen (§ 117 Abs. 5 VwGO analog). An der Beurteilung dieser Sach- und Rechtslage hat sich auch zum Zeitpunkt der hiesigen Entscheidungsfindung nichts geändert. Das die Entscheidung durch das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt mit Beschluss vom 16.08.2011 (4 M 92/11; n. v.) aufgehoben wurde, ändert nichts an den zur Überzeugung des Gerichts auch im Hauptsacheverfahren zutreffenden rechtlichen Ausführungen der Kammer. Denn die Entscheidung ist nur wegen des damals eingetretenen Vollstreckungshindernisses nach § 929 Abs. 2 ZPO aufgrund Fristablaufs aufgehoben worden. Eine inhaltlich rechtliche Überprüfung nahm die Beschwerdeinstanz ausdrücklich nicht vor. Zudem gelingt es dem Beklagten nicht, die damaligen und jetzigen vom Gericht zugrunde gelegten rechtlichen Ausführungen zu erschüttern. Nach wie vor ist das Gericht der Auffassung, dass bereits durch die Veröffentlichungen und die Wort- und Begriffswahl („Dick und Doof auf dem Holzweg, Empfehlung an die Laienspielgruppe“; „Bockig wie ein Rumpelstilzchen“) das publizistische Gebot der Sachlichkeit verletzt wurde. Dabei ist auch auf den Gesamtzusammenhang der Ereignisse abzustellen. Von einer „satirischen Tendenz“, wie es der Beklagte ausdrückt, kann keine Rede sein. Denn der Kläger soll aufgrund seines Verhaltens im Gemeinderat unsachlich kritisiert werden. Dabei schlagen diese Äußerungen auf den Antragsteller als natürliche Person durch (vgl. Beschluss der Kammer mit Verweis auf BayVGH, Beschluss v. 24.05.2006, 4 CE 06.1217; juris).

58

3.) Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Der Streitwert ist wie in dem Beschluss der Kammer vom 18.05.2011 (9 B 27/11 MD) und dem Beschluss des OVG LSA vom 16.08.2011 (4 M 92/11) und dem Beschluss zur vorläufigen Festsetzung ausgeführt, wegen des nichtwirtschaftlich veranlassten Unterlassungsanspruchs in Höhe des Auffangwertes nach § 52 Abs. 2 GKG anzusetzen.


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

I.

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

III.

Der Streitwert wird unter Aufhebung des Streitwertbeschlusses des Verwaltungsgerichts für beide Instanzen auf jeweils 15.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung eines mittlerweile erledigten Bürgerbegehrens.

Das Bürgerbegehren, für das neben dem Kläger zwei weitere Personen als Vertreter benannt waren, richtete sich gegen den Beschluss des Gemeinderats der Beklagten, ein bestehendes Regenrückhaltebecken (RRB Grasweg) zu verfüllen und die Fläche als Bauland auszuweisen. Die mit Schreiben vom 14. November 2013 bei der Beklagten eingereichten Unterschriftenlisten enthielten die Frage: „Sind Sie dafür, dass das Biotop (Ökologische Fläche) am Grasweg erhalten bleibt?“.

Nach Rücksprache mit der Rechtsaufsichtsbehörde wies die Beklagte das Bürgerbegehren mit Bescheid vom 17. Dezember 2013 als unzulässig zurück, da die Begründung aus naturschutzfachlicher Sicht unzutreffende Aussagen enthalte.

Hiergegen ließen die „Vertreter des Bürgerbegehrens…, vertreten durch Herrn F...“ am 16. Januar 2014 Klage zum Verwaltungsgericht erheben. Mit Schriftsatz vom 28. Juli 2014 erklärte die jetzige Klägerbevollmächtigte, dass die Klage durch alle drei vertretungsberechtigten Personen erhoben worden sei; dazu wurde eine gemeinsam unterzeichnete Prozessvollmacht vorgelegt.

Mit Schriftsatz vom 22. März 2016 ließen die Kläger vortragen, schon vor dem Beschluss über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens sei bis zum 6. Dezember 2013 das Biotop an der Nordseite komplett gerodet und teilweise mit der Verfüllung begonnen worden; insoweit seien vollendete Tatsachen geschaffen worden. Die Klage sei aber zumindest als Feststellungsklage weiterhin zulässig, da die Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hätten. Das Feststellungsinteresse ergebe sich aus einer Wiederholungsgefahr, einem Rehabilitationsinteresse und der beabsichtigten Geltendmachung von Amtshaftungs- oder Schadensersatzansprüchen.

Mit Urteil vom 6. Juli 2016, das im Rubrum nur den Kläger aufführt, wies das Verwaltungsgericht Ansbach die Klage ab. Vorab sei darauf hinzuweisen, dass Klagepartei nicht „das Bürgerbegehren“ als solches sei, sondern die vertretungsberechtigte Person selbst, d. h. hier der Kläger. Seit der Neufassung von Art. 18a Abs. 4 Satz 1 GO reiche es aus, dass eine einzige vertretungsberechtigte Person für das Bürgerbegehren die Vertretung übernehme. Das ursprünglich verwendete Rubrum werde dementsprechend von Amts wegen korrigiert. Die nach der unstreitigen Erledigung der Hauptsache als Feststellungs- bzw. Fortsetzungsfeststellungsklage fortgeführte Klage sei mangels Feststellungsinteresses bereits unzulässig. Eine Wiederholungsgefahr bestehe nicht, da weder dargetan noch ersichtlich sei, dass sich im Gemeindegebiet vergleichbare Regenrückhaltebecken befänden, deren Wegfall im Zusammenhang mit der Ausweisung von Baugebieten konkret anstünde. Die Klägerseite habe auch nicht konkret und substantiiert dargetan, worin ein eventuell ersatzfähiger Schaden liege. Im Übrigen begründe die Möglichkeit eines Schadensersatzanspruchs nur dann ein Feststellungsinteresse, wenn eine Schadensersatzklage bereits anhängig oder ihre alsbaldige Erhebung mit Sicherheit zu erwarten sei. Angesichts der eingetretenen vollständigen Erledigung sei auch kein schützenswertes Rehabilitationsinteresse erkennbar. Im Hinblick auf den Wegfall des Gegenstands des beantragten Bürgerbegehrens sei die Klage auch unbegründet.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung. Die Beklagte tritt dem Antrag entgegen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

II.

1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

a) In seiner gegenwärtigen Form dürfte das Rechtsschutzbegehren bereits daran scheitern, dass der - im Unterschied zum erstinstanzlichen Verfahren - als alleiniger Rechtsmittelführer auftretende Kläger nur einer von drei (Gesamt-)Vertretern des Bürgerbegehrens ist, so dass er - mangels einer entsprechenden Ermächtigung in den Unterschriftenlisten - nicht als Einzelner gegen die Unzulässigerklärung gerichtlich vorgehen kann (vgl. BayVGH, U. v. 10.3.1999 - 4 B 98.1349 - NVwZ 2000, 219/220; Thum, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid in Bayern, Stand September 2016, Art. 18 Abs. 4 GO Anm. 12a m. w. N.). Die gegenteilige Auffassung, von der offenbar das Verwaltungsgericht bei der „Korrektur“ des erstinstanzlichen Rubrums ausgegangen ist, kann sich nicht auf die im Jahr 2006 erfolgte Änderung des Art. 18a Abs. 4 Satz 1 GO stützen, wonach ein Bürgerbegehren nunmehr auch durch eine Einzelperson („bis zu drei Personen“) vertreten werden kann. Denn aus der damit eröffneten Wahlfreiheit hinsichtlich der Anzahl der zu benennenden Vertreter folgt nicht, dass nach der erfolgten Benennung von zwei oder drei vertretungsberechtigten Personen eine Einzelvertretung des Bürgerbegehrens in einem Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren auch ohne ausdrückliche Ermächtigung zulässig wäre (Thum, a. a. O.; VG Würzburg, U. v. 9.2.2011 - W 2 K 10.1215 - KommPr BY 2011, 405).

Ob hiernach der vorliegende Zulassungsantrag schon wegen der fehlenden Prozessführungsbefugnis des Klägers zwingend abzulehnen ist oder ob der Klägerseite wegen der unzutreffenden Rechtsbelehrung im erstinstanzlichen Urteil Gelegenheit zur Äußerung und zur Nachholung eines ordnungsgemäßen Antrags unter Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 60 VwGO) gegeben werden muss, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Selbst wenn dem Erfordernis einer gemeinschaftlichen Antragstellung durch alle drei benannten Vertreter Rechnung getragen wäre, könnte das Zulassungsbegehren keinen Erfolg haben, da der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht vorliegt. Das Verwaltungsgericht hat die zuletzt in eine (Fortsetzungs-)Feststellungsklage geänderte Klage zu Recht wegen fehlenden Feststellungsinteresses als unzulässig abgewiesen.

b) Die Fortsetzungsfeststellungsklage, die in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO auch dann statthaft ist, wenn die Erledigung des ursprünglichen Verpflichtungsantrags auf Zulassung des Bürgerbegehrens (Art. 18a Abs. 8 Satz 2 GO) bereits vor Klageerhebung eingetreten ist (vgl. BVerwG, U. v. 26.2.2014 - 6 C 1/13 - NVwZ 2014, 883 Rn. 10 m. w. N.), setzt voraus, dass der Kläger im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ein berechtigtes Interesse daran hat, die Rechtswidrigkeit der erfolgten Zurückweisung durch Urteil förmlich feststellen zu lassen. Das Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur sein; entscheidend ist, dass die gerichtliche Entscheidung geeignet ist, die Position des Klägers in den genannten Bereichen zu verbessern (vgl. BVerwG, U. v. 16.5.2013 - 8 C 14/12 - BVerwGE 146, 303 Rn. 20 m. w. N.). Eine solche Wirkung lässt sich aus den vom Kläger angeführten Gesichtspunkten der Wiederholungsgefahr, des Rehabilitationsinteresses und der Präjudizwirkung für künftige Prozesse aber nicht ableiten.

aa) Zur Wiederholungsgefahr wird im Zulassungsantrag ausgeführt, dass die Bürgerschaft der Beklagten unverändert bestrebt sei, eine Biotopfläche im Gemeindegebiet zu erhalten oder jedenfalls erneut anzusiedeln, nachdem das bestehende Biotop verfüllt worden sei. Zur Realisierung dieser Bestrebungen könne es wiederum ein Bürgerbegehren geben. Zudem sei eine nicht bezifferbare Anzahl von Sachverhalten denkbar, die zur Einleitung eines Bürgerbegehrens führen könnten, etwa im Zusammenhang mit der Ausweisung von Baugebieten oder kommunalen Baumaßnahmen. Ein vollständig gleicher Sachverhalt sei für die Wiederholungsgefahr nicht gefordert. Es sei konkret zu befürchten, dass der Gemeinderat der Beklagten auch ein weiteres Bürgerbegehren mit einer unzutreffenden Begründung zurückweisen und erneut vollendete Tatsachen schaffen werde, bevor er über dessen Zulässigkeit entscheide.

Mit diesem Vorbringen werden keine konkreten Umstände aufgezeigt, die eine Wiederholungsgefahr begründen könnten. Denn diese kann nur angenommen werden, wenn eine hinreichend bestimmte Gefahr besteht, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen erneut ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird (BVerwG, B. v. 16.10.1989 - 7 B 108/89 - NVwZ 1990, 360 m. w. N.). Ist dagegen ungewiss, ob in Zukunft noch einmal die gleichen tatsächlichen Verhältnisse eintreten wie im Zeitpunkt des Erlasses des erledigten Verwaltungsaktes, kann das Fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht aus einer Wiederholungsgefahr hergeleitet werden (BVerwG, U. v. 12.10.2006 - 4 C 12/04 - juris Rn. 8 m. w. N.). Von einer solchen Ungewissheit hinsichtlich der künftigen Entwicklung ist hier schon deshalb auszugehen, weil keine nachprüfbaren Anhaltspunkte dafür sprechen, dass in absehbarer Zeit ein mit dem streitgegenständlichen Begehren im Wesentlichen vergleichbares Bürgerbegehren von denselben Personen betrieben werden könnte. Es spricht auch nichts dafür, dass die einem solchen künftigen Begehren beigefügte Begründung vom Gemeinderat der Beklagten wegen derselben Aussagen wie bei dem „Biotop am Grasweg“ als inhaltlich unzutreffend beanstandet werden könnte. Da sich die naturschutzfachliche Bewertung einer Fläche nach den jeweiligen örtlichen Verhältnissen bestimmt, wäre die Aussagekraft einer im vorliegenden Verfahren getroffenen gerichtlichen Feststellung von vornherein auf das hier streitige Bürgerbegehren beschränkt; eine Verbesserung der klägerischen Rechtsposition für den Fall künftiger Auseinandersetzungen um andere Standorte ergäbe sich daraus nicht. Die in der Fortsetzungsfeststellungsklage zum Ausdruck kommende Absicht, der Beklagten ein (mögliches) früheres Fehlverhalten nachzuweisen und sie damit für die Zukunft zu einer rechtmäßigen Behandlung von Anträgen auf Zulassung von Bürgerbegehren anzuhalten, vermag die Darlegung einer konkreten Wiederholungsgefahr nicht zu ersetzen.

bb) Die Zulässigkeit der Klage lässt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Rehabilitationsinteresses begründen.

Im Zulassungsantrag wird dazu vorgetragen, durch die Ablehnung des Bürgerbegehrens sei signalisiert worden, die Vertreter des Bürgerbegehrens hätten kein zulässiges Begehren formuliert und damit ihrem Anliegen nicht die erforderliche Umsetzungsmöglichkeit eröffnet. Für die Vertreter sei es auch aufgrund ihrer persönlichen Stellung von erheblicher Bedeutung, nachweisen zu können, dass ein solcher Fehler nicht gemacht worden sei und dass sie das Bürgerbegehren mit der erforderlichen Sorgfalt vorbereitet und betreut hätten. Dass sich die Umsetzung des beantragten Bürgerbegehrens durch Schaffung vollendeter Tatsachen bereits erledigt habe, stehe dem nicht entgegen. Im Übrigen seien zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gemeinderats zwar Teile des Biotops bereits verfüllt gewesen, andere Teile hätten aber fortbestanden und daher durch ein für zulässig erklärtes Bürgerbegehren noch „gerettet“ werden können. Das Begehren habe sich damit zum damaligen Zeitpunkt noch nicht vollständig erledigt gehabt.

Diese Ausführungen sind nicht geeignet, ein Rehabilitationsinteresse darzutun. Ein berechtigtes ideelles Interesse an einer Rehabilitierung besteht nur, wenn sich aus der angegriffenen Maßnahme eine für Außenstehende erkennbare und fortdauernde Stigmatisierung des Betroffenen ergibt, die geeignet ist, sein Ansehen in der Öffentlichkeit oder im sozialen Umfeld herabzusetzen (vgl. BVerwG, U. v. 16.5.2013, a. a. O., Rn. 25 m. w. N.). An dieser Voraussetzung fehlt es hier. Die in dem Zurückweisungsbescheid der Beklagten vom 17. Dezember 2013 getroffene Aussage, die Begründung des Bürgerbegehrens sei in naturschutzfachlicher Hinsicht unzutreffend, betrifft nur die ökologische Bewertung des Grundstücks und enthält kein ethisches Unwerturteil in Bezug auf die Person oder das Verhalten der Initiatoren und Vertreter des Bürgerbegehrens. Wird in Ausübung des materiellen Prüfungsrechts nach Art. 18a Abs. 8 Satz 1 GO festgestellt, dass die den Unterschriftenlisten beigefügte Begründung in entscheidungsrelevanter Weise unrichtige Tatsachenbehauptungen enthalte oder die maßgebende Rechtslage unzutreffend bzw. unvollständig darstelle (dazu zuletzt BayVGH, U. v. 4.7.2016 - 4 BV 16.105 - juris Rn. 27 f.), so lässt dies den sozialen Geltungsanspruch der Textverfasser jedenfalls solange unberührt, als damit nicht der Vorwurf einer gezielten Täuschung der Unterzeichner des Bürgerbegehrens verbunden ist. Eine solche moralische Bewertung lässt sich den Ausführungen im Bescheid vom 17. Dezember 2013 aber nicht einmal ansatzweise entnehmen. Dass die Sach- und Rechtslage auch aus Sicht der Beklagten keineswegs eindeutig war, folgt im Übrigen aus dem Umstand, dass deren Gemeinderat erst nach Einholung einer Auskunft der Rechtsaufsichtsbehörde zu dem Entschluss gelangt ist, die Begründung des Bürgerbegehren zu beanstanden.

cc) Das nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erforderliche Feststellungsinteresse lässt sich auch nicht mit dem Hinweis auf eine Präjudizwirkung für künftige gerichtliche Verfahren begründen.

Im Zulassungsantrag wird zwar vorgetragen, die beantragte Feststellung diene der Vorbereitung eines Amtshaftungs- oder Schadensersatzprozesses im Hinblick auf Ansprüche wegen der Verfüllung des Biotops vor der Entscheidung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens. Die Klage richtet sich aber nicht gegen diese faktische Vereitelung des geltend gemachten Zulassungsanspruchs, sondern gegen die förmliche Zurückweisung des Bürgerbegehrens. Dass dadurch den Vertretern ein irgendwie gearteter (materieller oder immaterieller) Schaden entstanden sein könnte, ist nicht ersichtlich. Die gerichtliche Verfolgung von Ersatzansprüchen erscheint daher von vornherein als aussichtslos, so dass daraus auch kein Feststellungsinteresse abgeleitet werden kann (vgl. BVerwG, B. v. 21.1.2015 - 4 B 42/14 - juris Rn. 17).

Zu Recht weist die Beklagte zudem darauf hin, dass die Absicht, eine Amtshaftungsklage oder sonstige zivilgerichtliche Leistungsklage zu erheben, dann kein schutzwürdiges Interesse an der verwaltungsgerichtlichen Feststellung der Rechtswidrigkeit eines erledigten Verwaltungsaktes begründet, wenn die Erledigung vor Klageerhebung eingetreten ist (vgl. BVerwG, B. v. 18.5.2004 - 3 B 117/03 - juris Rn. 4 m. w. N.). Unter diesen Umständen muss wegen des erstrebten Schadensersatzes sogleich das zuständige Zivilgericht angerufen werden, das auch für die Klärung öffentlich-rechtlicher Vorfragen zuständig ist; ein Anspruch auf den jeweils „sachnäheren“ (Verwaltungs-)Richter besteht nicht. Die Prozesssituation stellt sich insoweit grundlegend anders dar als bei einer erst nach Klageerhebung eingetretenen Erledigung, bei der die Schutzwürdigkeit des Interesses an einer verwaltungsgerichtlichen Feststellung daraus folgt, dass eine Partei nicht ohne Not um die Früchte ihres bisherigen Prozesses gebracht werden darf (BVerwG, a. a. O.).

Im vorliegenden Fall hatte sich der mit der Einreichung der Unterschriftenlisten verfolgte Anspruch auf Zulassung des Bürgerbegehrens vor Klageerhebung nicht etwa bloß teilweise, sondern bereits vollständig erledigt. Denn das im Umfeld des ehemaligen Regenrückhaltebeckens entstandene „Biotop“, um dessen Bewahrung es in dem Bürgerbegehren ging, war unstreitig noch vor der Entscheidung des Gemeinderats an seiner Nordseite komplett gerodet und teilweise verfüllt worden. Damit war eine Erhaltung der auf der Gesamtfläche entstandenen „Naturlandschaft“, wie sie in der Begründung des Bürgerbegehrens als Ziel genannt worden war, objektiv unmöglich geworden.

Dass Teile des Geländes sich auch bei Klageerhebung noch in einem unversehrten (naturnahen) Zustand befanden, führte nicht zu einer bloß partiellen Erledigung etwa dergestalt, dass eine nur auf diese Restfläche beschränkte Zulassung des Bürgerbegehrens in Betracht gekommen wäre. Zwar enthielten die Unterschriftenlisten den Zusatz, dass die Unterschriften im Falle einer Erledigung von Teilen des Begehrens „weiterhin für die verbleibenden Teile“ gelten sollten. Diese salvatorische Klausel rechtfertigt jedoch nicht die Annahme, dass das Bürgerbegehren selbst bei einer nicht vorhersehbaren erheblichen Verkleinerung der zu schützenden Fläche noch von der erklärten Zustimmung der Unterzeichner gedeckt war. Da jedes Begehren nur „eine“ Fragestellung zum Gegenstand haben kann (Art. 18a Abs. 4 Satz 1 GO), darf auch schon in der Phase der Unterschriftensammlung nicht offenbleiben, auf welchen räumlichen Umgriff sich die künftige kommunale Abstimmung beziehen soll; plebiszitäre Hilfsanträge sieht das Gesetz nicht vor. Eine nachträgliche Anpassung der Fragestellung an die teilweise geänderten tatsächlichen Umstände würde auch in dem hier vorliegenden Fall den Willen der Unterzeichner verfälschen, da ihnen zum Zeitpunkt der Unterschriftsleistung das Gelände nur in seinem noch weitgehend unberührten Zustand vor Augen stand (vgl. BayVGH, U. v. 28.5.2008 - 4 BV 07.1981 - BayVBl 2009, 245 Rn. 34). Dass sie das Bürgerbegehren auch nach der Teilrodung und -auffüllung noch in ausreichender Zahl unterstützt, also dem ökologischen Schutzinteresse trotz des verringerten Umfangs der zu bewahrenden Fläche den Vorrang gegenüber einem unverändert fortbestehenden Bebauungsinteresse eingeräumt hätten, kann jedenfalls nicht mit der gebotenen Sicherheit angenommen werden.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1, § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG i. V. m. Nr. 22.6 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Tenor

1. Das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 17. September 2012 - 523 Ds 86/12, 121 Js 769/11 -, das Urteil des Landgerichts Köln vom 29. April 2014 - 155 Ns 155/12, 121 Js 769/11 - und der Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 26. September 2014 - III-1 RVs 171/14, 85 Ss 1/14 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes.

2. Die Entscheidungen des Landgerichts und des Oberlandesgerichts werden aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Köln zurückverwiesen.

3. Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Beschwerdeführer die ihm im Verfassungsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

4. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 25.000 € (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

1. Im November 2011 demonstrierten Mitglieder einer im rechten Spektrum einzuordnenden Gruppierung in einem Stadtteil von Köln. Der Beschwerdeführer war Versammlungsleiter der ordnungsgemäß angemeldeten Demonstration und bediente sich zur Weitergabe seiner Anordnungen und Informationen eines Lautsprechers. Diese Demonstration war ihrerseits Anlass für zahlreiche Gegendemonstranten, ihre Empörung gegen den Aufzug zu äußern. Zu diesem Zweck war unter anderem auch ein Bundestagsabgeordneter der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vor Ort. Die Gegendemonstranten blockierten den Demonstrationszug und brüllten Parolen wie "Nazis raus", zeigten den Demonstrationsteilnehmern den sogenannten "Stinkefinger" und setzten auch zeitweise Sirenen ein, um die - über den Lautsprecher verbreiteten - Wortbeiträge der Demonstrationsteilnehmer zu stören. Das Landgericht hat als wahr unterstellt, dass der Bundestagsabgeordnete an der Gegendemonstration teilgenommen hatte, um die Durchführung des Aufzuges aktiv zu verhindern, er sich bei den vor Ort tätigen Polizeibeamten informiert und den Teilnehmern der Gegendemonstration geraten hatte, die Blockade fortzusetzen, sowie die Teilnehmer der vom Beschwerdeführer durchgeführten Veranstaltung mehrfach wörtlich und sinngemäß als "braune Truppe" und "rechtsextreme Idioten" bezeichnet hatte. Der Demonstrationszug konnte wegen der Gegendemonstration die geplante Route nicht einschlagen. Es kam zu Gesprächen zwischen dem Beschwerdeführer und den Polizeibeamten. Als der Beschwerdeführer die Versammlungsteilnehmer unter anderem über die Gespräche mit der Polizeiführung informierte, erkannte er den Bundestagsabgeordneten und äußerte sich über diesen wie folgt:

"Ich sehe hier einen aufgeregten grünen Bundestagsabgeordneten, der Kommandos gibt, der sich hier als Obergauleiter der SA-Horden, die er hier auffordert. Das sind die Kinder von Adolf Hitler. Das ist dieselbe Ideologie, die haben genauso angefangen."

2

Der Bundestagsabgeordnete stellte Strafantrag wegen Beleidigung.

3

2. Das Amtsgericht verurteilte den Beschwerdeführer wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 80 €. Der Vergleich mit Funktionären des nationalsozialistischen Unrechtsstaates durch den Begriff "Obergauleiter der SA-Horden" stelle die Kundgabe der Missachtung eines demokratisch gewählten Bundestagsabgeordneten dar. Den Funktionsbegriff "Obergauleiter" habe es zwar im Nationalsozialismus nicht gegeben. Der Begriff stelle jedoch eine Erhöhung eines tatsächlichen Funktionsbegriffes, nämlich "Gauleiter", dar und sei dergestalt zu verstehen, dass sich der Betroffene der Äußerung schlimmer als ein Gauleiter aufgeführt habe. Die Äußerungen seien weder durch eine Wahrnehmung berechtigter Interessen noch durch die Meinungsäußerungsfreiheit, Art. 5 GG, gerechtfertigt. Bei Angelegenheiten von öffentlichem Interesse und dem politischen Meinungskampf gelte dabei eine Vermutung zu Gunsten der Meinungsfreiheit. Bei herabsetzenden Äußerungen, die sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellten, habe die Meinungsfreiheit aber regelmäßig hinter dem Ehrenschutz zurückzutreten. Nach der engen Definition des Bundesverfassungsgerichts für das Vorliegen einer Schmähung liege eine solche Schmähkritik vor. Die Äußerungen des Beschwerdeführers von einem "Obergauleiter der SA-Horden" dienten ersichtlich der bloßen Diffamierung des politischen Gegners, hier des Bundestagsabgeordneten. Ein Sachbezug dieser Äußerung sei nicht mehr erkennbar. Der Bundestagsabgeordnete habe sich für die Gegendemonstranten in das Demonstrationsgeschehen eingemischt. Hier hätte eine sachliche, den Bundestagsabgeordneten nicht schonende Kritik ansetzen können. Der Beschwerdeführer habe stattdessen auf bloße persönliche Attacken zurückgegriffen. Der Bundestagsabgeordnete werde somit als nationalsozialistischer "Superfunktionär", mithin als ein gewichtiger Teil eines verbrecherischen Unrechtsregimes bezeichnet. In diesem Zusammenhang seien der Meinungsfreiheit engere Grenzen gesetzt. An der Bewertung der Äußerung als Schmähkritik ändere auch die aufgeheizte Atmosphäre, in der sie gefallen sei, nichts.

4

3. Auf die Berufung des Beschwerdeführers änderte das Landgericht das amtsgerichtliche Urteil mit Urteil vom 29. April 2014 hinsichtlich des Strafmaßes ab. Es verwarnte den Beschwerdeführer und behielt sich die Verurteilung zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 60 € vor. Bei der Auslegung des Begriffes "Obergauleiter der SA-Horden" verweist das Landgericht im Wesentlichen auf die Ausführungen des Amtsgerichts und ergänzt diese um Ausführungen zur Sturmabteilung (SA). Der Vergleich mit den Funktionären und Organisationen des nationalsozialistischen Unrechtsstaates zeige, dass es dem Beschwerdeführer nicht primär um die öffentliche Kritik an dem Verhalten des Bundestagsabgeordneten gegangen sei, der aus Sicht des Beschwerdeführers seine Kompetenzen überschritten habe, indem er versucht habe, Einfluss auf den Verlauf der genehmigten Demonstration zu nehmen, sondern vorrangig um das Aufstellen eines ehrverletzenden Werturteils über den Geschädigten. Durch die verwendeten Begriffe dränge sich auf, dass der Beschwerdeführer den Geschädigten "in die rechte Ecke" stellen und damit verächtlich machen und herabwürdigen wollte. Dies werde noch verstärkt durch die weitere Formulierung "Das sind die Kinder von Adolf Hitler. Das ist dieselbe Ideologie, die haben genauso angefangen." Damit stelle der Beschwerdeführer einen weiteren eindeutigen Bezug zum nationalsozialistischen Unrechtsstaat und die diesen repräsentierende Person her.

5

Dem Beschwerdeführer komme nicht der Rechtfertigungsgrund des § 193 StGB zugute. Denn die insoweit vorzunehmende Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen des Ehrschutzes einerseits und des Grundrechts der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG andererseits führe nicht zu einem Überwiegen der Meinungsfreiheit. Die Kammer verkenne nicht, dass die Äußerungen des Beschwerdeführers im Rahmen öffentlicher und politischer Meinungsbildung erfolgt seien und an das Verhalten des Geschädigten anknüpften. Angesichts des zugrunde liegenden Sachverhaltes erschienen sie aber nicht mehr angemessen. Der Beschwerdeführer habe sich aber nicht darauf beschränkt, das Verhalten des Geschädigten zu kritisieren. Die Äußerungen dienten ersichtlich der bloßen Diffamierung des politischen Gegners. Ein Sachbezug sei nicht mehr erkennbar, außer dass der Beschwerdeführer davon spreche, dass ein grüner Bundestagsabgeordneter Kommandos gebe. Dies hätte der Beschwerdeführer auch in scharfer Form kritisieren dürfen. Der Beschwerdeführer greife aber stattdessen auf persönliche Attacken zurück.

6

Der Beschwerdeführer habe auch kein "Recht zum Gegenschlag". Wer dadurch Kritik auf sich lenke, dass er in der Öffentlichkeit zu Fragen der Politik betont Stellung beziehe, müsse unter Umständen eine scharfe übersteigerte Reaktion durch seine Gegner hinnehmen. Herabsetzende Äußerungen seien danach im Rahmen einer öffentlichen, der allgemeinen Meinungsbildung dienenden Auseinandersetzung dann gerechtfertigt, wenn sie gemessen an den von der Gegenseite geäußerten Auffassungen oder ihrem Verhalten nicht unverhältnismäßig erschienen und noch als adäquate Reaktion auf den vorangegangenen Vorgang verstanden werden könnten. Selbst wenn man als wahr unterstelle, dass der Geschädigte die Teilnehmer der vom Beschwerdeführer durchgeführten Veranstaltung als "braune Truppe" und "rechtsextreme Idioten" bezeichnet habe, könne sich der Beschwerdeführer nicht erfolgreich auf das "Recht zum Gegenschlag" berufen. Der persönliche Angriff des Beschwerdeführers stelle keine adäquate Reaktion dar, zumal eine vorausgegangene Beleidigung nicht thematisiert worden sei. Es fehle also jeglicher Bezug zu der - unterstellt - getätigten Äußerung des Geschädigten.

7

4. Das Oberlandesgericht verwarf die Revision des Beschwerdeführers als unbegründet.

8

5. Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Urteile des Amtsgerichts und des Landgerichts und den Beschluss des Oberlandesgerichts und rügt die Verletzung seiner Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG und des Willkürverbots, Art. 3 Abs. 1 GG.

9

6. Dem Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Von einer Stellungnahme wurde abgesehen. Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen dem Bundesverfassungsgericht vor.

II.

10

Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).

11

1. Das Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden (vgl. BVerfGE 61, 1 <7 ff.>; 90, 241 <246 ff.>; 93, 266 <292 ff.>). Dies gilt namentlich für den Einfluss des Grundrechts auf Meinungsfreiheit bei Auslegung und Anwendung der grundrechtsbeschränkenden Vorschriften der §§ 185 ff. StGB (vgl. BVerfGE 82, 43 <50 ff.>; 85, 23 <30 ff.>; 93, 266 <292 ff.>).

12

2. Die Verfassungsbeschwerde ist danach zulässig und im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG offensichtlich begründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.

13

a) Unter den Schutz der Meinungsfreiheit fallen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Werturteile und Tatsachenbehauptungen, wenn und soweit sie zur Bildung von Meinungen beitragen (vgl. BVerfGE 85, 1 <15>). Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit ist allerdings nicht vorbehaltlos gewährt. Es findet seine Schranken in den allgemeinen Gesetzen, zu denen die hier von den Gerichten angewandten Vorschriften der §§ 185, 193 StGB gehören. Auslegung und Anwendung dieser Vorschriften sind Sache der Fachgerichte, die hierbei das eingeschränkte Grundrecht interpretationsleitend berücksichtigen müssen, damit dessen wertsetzender Gehalt auch bei der Rechtsanwendung gewahrt bleibt (vgl. BVerfGE 7, 198 <205 ff.>; 120, 180 <199 f.>; stRspr). Dies verlangt grundsätzlich eine Abwägung zwischen der Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung durch die Äußerung einerseits und der Einbuße an Meinungsfreiheit durch ihr Verbot andererseits (vgl. BVerfGE 99, 185 <196 f.>; 114, 339 <348>). Das Ergebnis der Abwägung ist verfassungsrechtlich nicht vorgegeben und hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. BVerfGE 85, 1 <16>; 99, 185 <196 f.>).

14

Zu beachten ist hierbei indes, dass Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht nur sachlich-differenzierte Äußerungen schützt, sondern gerade Kritik auch pointiert, polemisch und überspitzt erfolgen darf; insoweit liegt die Grenze zulässiger Meinungsäußerungen nicht schon da, wo eine polemische Zuspitzung für die Äußerung sachlicher Kritik nicht erforderlich ist (vgl. BVerfGE 82, 272 <283 f.>; 85, 1 <16>). Einen Sonderfall bilden hingegen herabsetzende Äußerungen, die sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen. Dann ist ausnahmsweise keine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht notwendig, weil die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Ehrenschutz zurücktreten wird (vgl. BVerfGE 82, 43 <51>; 90, 241 <248>; 93, 266 <294>). Diese für die Meinungsfreiheit einschneidende Folge gebietet es aber, hinsichtlich des Vorliegens von Formalbeleidigungen und Schmähkritik strenge Maßstäbe anzuwenden (vgl. BVerfGE 93, 266 <294>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 29. Juni 2016 - 1 BvR 2646/15 -, juris). Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts ist der Begriff der Schmähkritik von Verfassungs wegen eng zu verstehen. Auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Eine Äußerung nimmt diesen Charakter erst dann an, wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern - jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik - die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (vgl. BVerfGE 82, 272 <283 f.>; 85, 1 <16>; 93, 266 <294>). Sie liegt bei einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage nur ausnahmsweise vor und ist eher auf die Privatfehde beschränkt (vgl. BVerfGE 93, 266 <294>). Die Annahme einer Schmähung hat wegen des mit ihr typischerweise verbundenen Unterbleibens einer Abwägung gerade in Bezug auf Äußerungen, die als Beleidigung und damit als strafwürdig beurteilt werden, ein eng zu handhabender Sonderfall zu bleiben.

15

Das Bundesverfassungsgericht ist auf eine Nachprüfung begrenzt, ob die Fachgerichte die Grundrechte ausreichend beachtet haben (vgl. BVerfGE 93, 266 <296 f.>; 101, 361 <388>). Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit sind auch dann verkannt, wenn eine Äußerung unzutreffend als Tatsachenbehauptung, Formalbeleidigung oder Schmähkritik eingestuft wird mit der Folge, dass sie dann nicht im selben Maß am Schutz des Grundrechts teilnimmt wie Äußerungen, die als Werturteil ohne beleidigenden oder schmähenden Charakter anzusehen sind (vgl. BVerfGE 85, 1 <14>; 93, 266 <294>).

16

b) Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen die angegriffenen Entscheidungen nicht.

17

aa) Amtsgericht und Landgericht ordnen - vom Oberlandesgericht nicht beanstandet - die Äußerung des Beschwerdeführers in verfassungsrechtlich nicht mehr tragbarer Weise als Schmähkritik ein und unterlassen die verfassungsrechtlich gebotene Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des von der Äußerung Betroffenen. Die angegriffenen Entscheidungen verkennen, dass der Beschwerdeführer mit seiner Äußerung auch das Handeln des Geschädigten kommentierte, der sich maßgeblich an der Blockade der vom Beschwerdeführer als Versammlungsleiter angemeldeten Versammlung beteiligte und die Teilnehmenden auch seinerseits - wie die Gerichte als wahr unterstellt haben - als "braune Truppe" und "rechtsextreme Idioten" beschimpft hatte. Es ging dem Beschwerdeführer nicht ausschließlich um die persönliche Herabsetzung des Geschädigten. Bereits die unzutreffende Einordnung verkennt Bedeutung und Tragweite der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Meinungsfreiheit.

18

bb) Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf diesem Fehler, da es an einer Abwägung fehlt. Wie diese Abwägung ausgeht und ob sie zu einem Freispruch oder erneut zu einer Verurteilung des Beschwerdeführers führt, ist verfassungsrechtlich nicht vorgegeben. Bei erneuter Befassung wird auf der einen Seite das Vorverhalten des Geschädigten, der aktiv eine Demonstration verhindern wollte, wie auf der anderen Seite das schwere Gewicht einer Ehrverletzung zu berücksichtigen sein, das in einem individuell adressierten Vergleich mit Funktionsträgern des nationalsozialistischen Unrechtsregimes liegt.

19

c) Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Fehlern. Es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht bei erneuter Befassung zu einer anderen Entscheidung in der Sache kommen wird.

20

3. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Tenor

1. Das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 17. September 2012 - 523 Ds 86/12, 121 Js 769/11 -, das Urteil des Landgerichts Köln vom 29. April 2014 - 155 Ns 155/12, 121 Js 769/11 - und der Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 26. September 2014 - III-1 RVs 171/14, 85 Ss 1/14 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes.

2. Die Entscheidungen des Landgerichts und des Oberlandesgerichts werden aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Köln zurückverwiesen.

3. Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Beschwerdeführer die ihm im Verfassungsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

4. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 25.000 € (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

1. Im November 2011 demonstrierten Mitglieder einer im rechten Spektrum einzuordnenden Gruppierung in einem Stadtteil von Köln. Der Beschwerdeführer war Versammlungsleiter der ordnungsgemäß angemeldeten Demonstration und bediente sich zur Weitergabe seiner Anordnungen und Informationen eines Lautsprechers. Diese Demonstration war ihrerseits Anlass für zahlreiche Gegendemonstranten, ihre Empörung gegen den Aufzug zu äußern. Zu diesem Zweck war unter anderem auch ein Bundestagsabgeordneter der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vor Ort. Die Gegendemonstranten blockierten den Demonstrationszug und brüllten Parolen wie "Nazis raus", zeigten den Demonstrationsteilnehmern den sogenannten "Stinkefinger" und setzten auch zeitweise Sirenen ein, um die - über den Lautsprecher verbreiteten - Wortbeiträge der Demonstrationsteilnehmer zu stören. Das Landgericht hat als wahr unterstellt, dass der Bundestagsabgeordnete an der Gegendemonstration teilgenommen hatte, um die Durchführung des Aufzuges aktiv zu verhindern, er sich bei den vor Ort tätigen Polizeibeamten informiert und den Teilnehmern der Gegendemonstration geraten hatte, die Blockade fortzusetzen, sowie die Teilnehmer der vom Beschwerdeführer durchgeführten Veranstaltung mehrfach wörtlich und sinngemäß als "braune Truppe" und "rechtsextreme Idioten" bezeichnet hatte. Der Demonstrationszug konnte wegen der Gegendemonstration die geplante Route nicht einschlagen. Es kam zu Gesprächen zwischen dem Beschwerdeführer und den Polizeibeamten. Als der Beschwerdeführer die Versammlungsteilnehmer unter anderem über die Gespräche mit der Polizeiführung informierte, erkannte er den Bundestagsabgeordneten und äußerte sich über diesen wie folgt:

"Ich sehe hier einen aufgeregten grünen Bundestagsabgeordneten, der Kommandos gibt, der sich hier als Obergauleiter der SA-Horden, die er hier auffordert. Das sind die Kinder von Adolf Hitler. Das ist dieselbe Ideologie, die haben genauso angefangen."

2

Der Bundestagsabgeordnete stellte Strafantrag wegen Beleidigung.

3

2. Das Amtsgericht verurteilte den Beschwerdeführer wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 80 €. Der Vergleich mit Funktionären des nationalsozialistischen Unrechtsstaates durch den Begriff "Obergauleiter der SA-Horden" stelle die Kundgabe der Missachtung eines demokratisch gewählten Bundestagsabgeordneten dar. Den Funktionsbegriff "Obergauleiter" habe es zwar im Nationalsozialismus nicht gegeben. Der Begriff stelle jedoch eine Erhöhung eines tatsächlichen Funktionsbegriffes, nämlich "Gauleiter", dar und sei dergestalt zu verstehen, dass sich der Betroffene der Äußerung schlimmer als ein Gauleiter aufgeführt habe. Die Äußerungen seien weder durch eine Wahrnehmung berechtigter Interessen noch durch die Meinungsäußerungsfreiheit, Art. 5 GG, gerechtfertigt. Bei Angelegenheiten von öffentlichem Interesse und dem politischen Meinungskampf gelte dabei eine Vermutung zu Gunsten der Meinungsfreiheit. Bei herabsetzenden Äußerungen, die sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellten, habe die Meinungsfreiheit aber regelmäßig hinter dem Ehrenschutz zurückzutreten. Nach der engen Definition des Bundesverfassungsgerichts für das Vorliegen einer Schmähung liege eine solche Schmähkritik vor. Die Äußerungen des Beschwerdeführers von einem "Obergauleiter der SA-Horden" dienten ersichtlich der bloßen Diffamierung des politischen Gegners, hier des Bundestagsabgeordneten. Ein Sachbezug dieser Äußerung sei nicht mehr erkennbar. Der Bundestagsabgeordnete habe sich für die Gegendemonstranten in das Demonstrationsgeschehen eingemischt. Hier hätte eine sachliche, den Bundestagsabgeordneten nicht schonende Kritik ansetzen können. Der Beschwerdeführer habe stattdessen auf bloße persönliche Attacken zurückgegriffen. Der Bundestagsabgeordnete werde somit als nationalsozialistischer "Superfunktionär", mithin als ein gewichtiger Teil eines verbrecherischen Unrechtsregimes bezeichnet. In diesem Zusammenhang seien der Meinungsfreiheit engere Grenzen gesetzt. An der Bewertung der Äußerung als Schmähkritik ändere auch die aufgeheizte Atmosphäre, in der sie gefallen sei, nichts.

4

3. Auf die Berufung des Beschwerdeführers änderte das Landgericht das amtsgerichtliche Urteil mit Urteil vom 29. April 2014 hinsichtlich des Strafmaßes ab. Es verwarnte den Beschwerdeführer und behielt sich die Verurteilung zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 60 € vor. Bei der Auslegung des Begriffes "Obergauleiter der SA-Horden" verweist das Landgericht im Wesentlichen auf die Ausführungen des Amtsgerichts und ergänzt diese um Ausführungen zur Sturmabteilung (SA). Der Vergleich mit den Funktionären und Organisationen des nationalsozialistischen Unrechtsstaates zeige, dass es dem Beschwerdeführer nicht primär um die öffentliche Kritik an dem Verhalten des Bundestagsabgeordneten gegangen sei, der aus Sicht des Beschwerdeführers seine Kompetenzen überschritten habe, indem er versucht habe, Einfluss auf den Verlauf der genehmigten Demonstration zu nehmen, sondern vorrangig um das Aufstellen eines ehrverletzenden Werturteils über den Geschädigten. Durch die verwendeten Begriffe dränge sich auf, dass der Beschwerdeführer den Geschädigten "in die rechte Ecke" stellen und damit verächtlich machen und herabwürdigen wollte. Dies werde noch verstärkt durch die weitere Formulierung "Das sind die Kinder von Adolf Hitler. Das ist dieselbe Ideologie, die haben genauso angefangen." Damit stelle der Beschwerdeführer einen weiteren eindeutigen Bezug zum nationalsozialistischen Unrechtsstaat und die diesen repräsentierende Person her.

5

Dem Beschwerdeführer komme nicht der Rechtfertigungsgrund des § 193 StGB zugute. Denn die insoweit vorzunehmende Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen des Ehrschutzes einerseits und des Grundrechts der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG andererseits führe nicht zu einem Überwiegen der Meinungsfreiheit. Die Kammer verkenne nicht, dass die Äußerungen des Beschwerdeführers im Rahmen öffentlicher und politischer Meinungsbildung erfolgt seien und an das Verhalten des Geschädigten anknüpften. Angesichts des zugrunde liegenden Sachverhaltes erschienen sie aber nicht mehr angemessen. Der Beschwerdeführer habe sich aber nicht darauf beschränkt, das Verhalten des Geschädigten zu kritisieren. Die Äußerungen dienten ersichtlich der bloßen Diffamierung des politischen Gegners. Ein Sachbezug sei nicht mehr erkennbar, außer dass der Beschwerdeführer davon spreche, dass ein grüner Bundestagsabgeordneter Kommandos gebe. Dies hätte der Beschwerdeführer auch in scharfer Form kritisieren dürfen. Der Beschwerdeführer greife aber stattdessen auf persönliche Attacken zurück.

6

Der Beschwerdeführer habe auch kein "Recht zum Gegenschlag". Wer dadurch Kritik auf sich lenke, dass er in der Öffentlichkeit zu Fragen der Politik betont Stellung beziehe, müsse unter Umständen eine scharfe übersteigerte Reaktion durch seine Gegner hinnehmen. Herabsetzende Äußerungen seien danach im Rahmen einer öffentlichen, der allgemeinen Meinungsbildung dienenden Auseinandersetzung dann gerechtfertigt, wenn sie gemessen an den von der Gegenseite geäußerten Auffassungen oder ihrem Verhalten nicht unverhältnismäßig erschienen und noch als adäquate Reaktion auf den vorangegangenen Vorgang verstanden werden könnten. Selbst wenn man als wahr unterstelle, dass der Geschädigte die Teilnehmer der vom Beschwerdeführer durchgeführten Veranstaltung als "braune Truppe" und "rechtsextreme Idioten" bezeichnet habe, könne sich der Beschwerdeführer nicht erfolgreich auf das "Recht zum Gegenschlag" berufen. Der persönliche Angriff des Beschwerdeführers stelle keine adäquate Reaktion dar, zumal eine vorausgegangene Beleidigung nicht thematisiert worden sei. Es fehle also jeglicher Bezug zu der - unterstellt - getätigten Äußerung des Geschädigten.

7

4. Das Oberlandesgericht verwarf die Revision des Beschwerdeführers als unbegründet.

8

5. Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Urteile des Amtsgerichts und des Landgerichts und den Beschluss des Oberlandesgerichts und rügt die Verletzung seiner Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG und des Willkürverbots, Art. 3 Abs. 1 GG.

9

6. Dem Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Von einer Stellungnahme wurde abgesehen. Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen dem Bundesverfassungsgericht vor.

II.

10

Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).

11

1. Das Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden (vgl. BVerfGE 61, 1 <7 ff.>; 90, 241 <246 ff.>; 93, 266 <292 ff.>). Dies gilt namentlich für den Einfluss des Grundrechts auf Meinungsfreiheit bei Auslegung und Anwendung der grundrechtsbeschränkenden Vorschriften der §§ 185 ff. StGB (vgl. BVerfGE 82, 43 <50 ff.>; 85, 23 <30 ff.>; 93, 266 <292 ff.>).

12

2. Die Verfassungsbeschwerde ist danach zulässig und im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG offensichtlich begründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.

13

a) Unter den Schutz der Meinungsfreiheit fallen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Werturteile und Tatsachenbehauptungen, wenn und soweit sie zur Bildung von Meinungen beitragen (vgl. BVerfGE 85, 1 <15>). Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit ist allerdings nicht vorbehaltlos gewährt. Es findet seine Schranken in den allgemeinen Gesetzen, zu denen die hier von den Gerichten angewandten Vorschriften der §§ 185, 193 StGB gehören. Auslegung und Anwendung dieser Vorschriften sind Sache der Fachgerichte, die hierbei das eingeschränkte Grundrecht interpretationsleitend berücksichtigen müssen, damit dessen wertsetzender Gehalt auch bei der Rechtsanwendung gewahrt bleibt (vgl. BVerfGE 7, 198 <205 ff.>; 120, 180 <199 f.>; stRspr). Dies verlangt grundsätzlich eine Abwägung zwischen der Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung durch die Äußerung einerseits und der Einbuße an Meinungsfreiheit durch ihr Verbot andererseits (vgl. BVerfGE 99, 185 <196 f.>; 114, 339 <348>). Das Ergebnis der Abwägung ist verfassungsrechtlich nicht vorgegeben und hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. BVerfGE 85, 1 <16>; 99, 185 <196 f.>).

14

Zu beachten ist hierbei indes, dass Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht nur sachlich-differenzierte Äußerungen schützt, sondern gerade Kritik auch pointiert, polemisch und überspitzt erfolgen darf; insoweit liegt die Grenze zulässiger Meinungsäußerungen nicht schon da, wo eine polemische Zuspitzung für die Äußerung sachlicher Kritik nicht erforderlich ist (vgl. BVerfGE 82, 272 <283 f.>; 85, 1 <16>). Einen Sonderfall bilden hingegen herabsetzende Äußerungen, die sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen. Dann ist ausnahmsweise keine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht notwendig, weil die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Ehrenschutz zurücktreten wird (vgl. BVerfGE 82, 43 <51>; 90, 241 <248>; 93, 266 <294>). Diese für die Meinungsfreiheit einschneidende Folge gebietet es aber, hinsichtlich des Vorliegens von Formalbeleidigungen und Schmähkritik strenge Maßstäbe anzuwenden (vgl. BVerfGE 93, 266 <294>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 29. Juni 2016 - 1 BvR 2646/15 -, juris). Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts ist der Begriff der Schmähkritik von Verfassungs wegen eng zu verstehen. Auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Eine Äußerung nimmt diesen Charakter erst dann an, wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern - jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik - die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (vgl. BVerfGE 82, 272 <283 f.>; 85, 1 <16>; 93, 266 <294>). Sie liegt bei einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage nur ausnahmsweise vor und ist eher auf die Privatfehde beschränkt (vgl. BVerfGE 93, 266 <294>). Die Annahme einer Schmähung hat wegen des mit ihr typischerweise verbundenen Unterbleibens einer Abwägung gerade in Bezug auf Äußerungen, die als Beleidigung und damit als strafwürdig beurteilt werden, ein eng zu handhabender Sonderfall zu bleiben.

15

Das Bundesverfassungsgericht ist auf eine Nachprüfung begrenzt, ob die Fachgerichte die Grundrechte ausreichend beachtet haben (vgl. BVerfGE 93, 266 <296 f.>; 101, 361 <388>). Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit sind auch dann verkannt, wenn eine Äußerung unzutreffend als Tatsachenbehauptung, Formalbeleidigung oder Schmähkritik eingestuft wird mit der Folge, dass sie dann nicht im selben Maß am Schutz des Grundrechts teilnimmt wie Äußerungen, die als Werturteil ohne beleidigenden oder schmähenden Charakter anzusehen sind (vgl. BVerfGE 85, 1 <14>; 93, 266 <294>).

16

b) Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen die angegriffenen Entscheidungen nicht.

17

aa) Amtsgericht und Landgericht ordnen - vom Oberlandesgericht nicht beanstandet - die Äußerung des Beschwerdeführers in verfassungsrechtlich nicht mehr tragbarer Weise als Schmähkritik ein und unterlassen die verfassungsrechtlich gebotene Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des von der Äußerung Betroffenen. Die angegriffenen Entscheidungen verkennen, dass der Beschwerdeführer mit seiner Äußerung auch das Handeln des Geschädigten kommentierte, der sich maßgeblich an der Blockade der vom Beschwerdeführer als Versammlungsleiter angemeldeten Versammlung beteiligte und die Teilnehmenden auch seinerseits - wie die Gerichte als wahr unterstellt haben - als "braune Truppe" und "rechtsextreme Idioten" beschimpft hatte. Es ging dem Beschwerdeführer nicht ausschließlich um die persönliche Herabsetzung des Geschädigten. Bereits die unzutreffende Einordnung verkennt Bedeutung und Tragweite der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Meinungsfreiheit.

18

bb) Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf diesem Fehler, da es an einer Abwägung fehlt. Wie diese Abwägung ausgeht und ob sie zu einem Freispruch oder erneut zu einer Verurteilung des Beschwerdeführers führt, ist verfassungsrechtlich nicht vorgegeben. Bei erneuter Befassung wird auf der einen Seite das Vorverhalten des Geschädigten, der aktiv eine Demonstration verhindern wollte, wie auf der anderen Seite das schwere Gewicht einer Ehrverletzung zu berücksichtigen sein, das in einem individuell adressierten Vergleich mit Funktionsträgern des nationalsozialistischen Unrechtsregimes liegt.

19

c) Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Fehlern. Es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht bei erneuter Befassung zu einer anderen Entscheidung in der Sache kommen wird.

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3. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.