Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 28. Nov. 2016 - 4 ZB 16.1610

bei uns veröffentlicht am28.11.2016
vorgehend
Verwaltungsgericht Ansbach, AN 4 K 15.1727, 06.06.2016

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

I.

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

III.

Der Streitwert wird unter Aufhebung des Streitwertbeschlusses des Verwaltungsgerichts für beide Instanzen auf jeweils 15.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung eines mittlerweile erledigten Bürgerbegehrens.

Das Bürgerbegehren, für das neben dem Kläger zwei weitere Personen als Vertreter benannt waren, richtete sich gegen den Beschluss des Gemeinderats der Beklagten, ein bestehendes Regenrückhaltebecken (RRB Grasweg) zu verfüllen und die Fläche als Bauland auszuweisen. Die mit Schreiben vom 14. November 2013 bei der Beklagten eingereichten Unterschriftenlisten enthielten die Frage: „Sind Sie dafür, dass das Biotop (Ökologische Fläche) am Grasweg erhalten bleibt?“.

Nach Rücksprache mit der Rechtsaufsichtsbehörde wies die Beklagte das Bürgerbegehren mit Bescheid vom 17. Dezember 2013 als unzulässig zurück, da die Begründung aus naturschutzfachlicher Sicht unzutreffende Aussagen enthalte.

Hiergegen ließen die „Vertreter des Bürgerbegehrens…, vertreten durch Herrn F...“ am 16. Januar 2014 Klage zum Verwaltungsgericht erheben. Mit Schriftsatz vom 28. Juli 2014 erklärte die jetzige Klägerbevollmächtigte, dass die Klage durch alle drei vertretungsberechtigten Personen erhoben worden sei; dazu wurde eine gemeinsam unterzeichnete Prozessvollmacht vorgelegt.

Mit Schriftsatz vom 22. März 2016 ließen die Kläger vortragen, schon vor dem Beschluss über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens sei bis zum 6. Dezember 2013 das Biotop an der Nordseite komplett gerodet und teilweise mit der Verfüllung begonnen worden; insoweit seien vollendete Tatsachen geschaffen worden. Die Klage sei aber zumindest als Feststellungsklage weiterhin zulässig, da die Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hätten. Das Feststellungsinteresse ergebe sich aus einer Wiederholungsgefahr, einem Rehabilitationsinteresse und der beabsichtigten Geltendmachung von Amtshaftungs- oder Schadensersatzansprüchen.

Mit Urteil vom 6. Juli 2016, das im Rubrum nur den Kläger aufführt, wies das Verwaltungsgericht Ansbach die Klage ab. Vorab sei darauf hinzuweisen, dass Klagepartei nicht „das Bürgerbegehren“ als solches sei, sondern die vertretungsberechtigte Person selbst, d. h. hier der Kläger. Seit der Neufassung von Art. 18a Abs. 4 Satz 1 GO reiche es aus, dass eine einzige vertretungsberechtigte Person für das Bürgerbegehren die Vertretung übernehme. Das ursprünglich verwendete Rubrum werde dementsprechend von Amts wegen korrigiert. Die nach der unstreitigen Erledigung der Hauptsache als Feststellungs- bzw. Fortsetzungsfeststellungsklage fortgeführte Klage sei mangels Feststellungsinteresses bereits unzulässig. Eine Wiederholungsgefahr bestehe nicht, da weder dargetan noch ersichtlich sei, dass sich im Gemeindegebiet vergleichbare Regenrückhaltebecken befänden, deren Wegfall im Zusammenhang mit der Ausweisung von Baugebieten konkret anstünde. Die Klägerseite habe auch nicht konkret und substantiiert dargetan, worin ein eventuell ersatzfähiger Schaden liege. Im Übrigen begründe die Möglichkeit eines Schadensersatzanspruchs nur dann ein Feststellungsinteresse, wenn eine Schadensersatzklage bereits anhängig oder ihre alsbaldige Erhebung mit Sicherheit zu erwarten sei. Angesichts der eingetretenen vollständigen Erledigung sei auch kein schützenswertes Rehabilitationsinteresse erkennbar. Im Hinblick auf den Wegfall des Gegenstands des beantragten Bürgerbegehrens sei die Klage auch unbegründet.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung. Die Beklagte tritt dem Antrag entgegen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

II.

1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

a) In seiner gegenwärtigen Form dürfte das Rechtsschutzbegehren bereits daran scheitern, dass der - im Unterschied zum erstinstanzlichen Verfahren - als alleiniger Rechtsmittelführer auftretende Kläger nur einer von drei (Gesamt-)Vertretern des Bürgerbegehrens ist, so dass er - mangels einer entsprechenden Ermächtigung in den Unterschriftenlisten - nicht als Einzelner gegen die Unzulässigerklärung gerichtlich vorgehen kann (vgl. BayVGH, U. v. 10.3.1999 - 4 B 98.1349 - NVwZ 2000, 219/220; Thum, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid in Bayern, Stand September 2016, Art. 18 Abs. 4 GO Anm. 12a m. w. N.). Die gegenteilige Auffassung, von der offenbar das Verwaltungsgericht bei der „Korrektur“ des erstinstanzlichen Rubrums ausgegangen ist, kann sich nicht auf die im Jahr 2006 erfolgte Änderung des Art. 18a Abs. 4 Satz 1 GO stützen, wonach ein Bürgerbegehren nunmehr auch durch eine Einzelperson („bis zu drei Personen“) vertreten werden kann. Denn aus der damit eröffneten Wahlfreiheit hinsichtlich der Anzahl der zu benennenden Vertreter folgt nicht, dass nach der erfolgten Benennung von zwei oder drei vertretungsberechtigten Personen eine Einzelvertretung des Bürgerbegehrens in einem Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren auch ohne ausdrückliche Ermächtigung zulässig wäre (Thum, a. a. O.; VG Würzburg, U. v. 9.2.2011 - W 2 K 10.1215 - KommPr BY 2011, 405).

Ob hiernach der vorliegende Zulassungsantrag schon wegen der fehlenden Prozessführungsbefugnis des Klägers zwingend abzulehnen ist oder ob der Klägerseite wegen der unzutreffenden Rechtsbelehrung im erstinstanzlichen Urteil Gelegenheit zur Äußerung und zur Nachholung eines ordnungsgemäßen Antrags unter Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 60 VwGO) gegeben werden muss, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Selbst wenn dem Erfordernis einer gemeinschaftlichen Antragstellung durch alle drei benannten Vertreter Rechnung getragen wäre, könnte das Zulassungsbegehren keinen Erfolg haben, da der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht vorliegt. Das Verwaltungsgericht hat die zuletzt in eine (Fortsetzungs-)Feststellungsklage geänderte Klage zu Recht wegen fehlenden Feststellungsinteresses als unzulässig abgewiesen.

b) Die Fortsetzungsfeststellungsklage, die in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO auch dann statthaft ist, wenn die Erledigung des ursprünglichen Verpflichtungsantrags auf Zulassung des Bürgerbegehrens (Art. 18a Abs. 8 Satz 2 GO) bereits vor Klageerhebung eingetreten ist (vgl. BVerwG, U. v. 26.2.2014 - 6 C 1/13 - NVwZ 2014, 883 Rn. 10 m. w. N.), setzt voraus, dass der Kläger im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ein berechtigtes Interesse daran hat, die Rechtswidrigkeit der erfolgten Zurückweisung durch Urteil förmlich feststellen zu lassen. Das Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur sein; entscheidend ist, dass die gerichtliche Entscheidung geeignet ist, die Position des Klägers in den genannten Bereichen zu verbessern (vgl. BVerwG, U. v. 16.5.2013 - 8 C 14/12 - BVerwGE 146, 303 Rn. 20 m. w. N.). Eine solche Wirkung lässt sich aus den vom Kläger angeführten Gesichtspunkten der Wiederholungsgefahr, des Rehabilitationsinteresses und der Präjudizwirkung für künftige Prozesse aber nicht ableiten.

aa) Zur Wiederholungsgefahr wird im Zulassungsantrag ausgeführt, dass die Bürgerschaft der Beklagten unverändert bestrebt sei, eine Biotopfläche im Gemeindegebiet zu erhalten oder jedenfalls erneut anzusiedeln, nachdem das bestehende Biotop verfüllt worden sei. Zur Realisierung dieser Bestrebungen könne es wiederum ein Bürgerbegehren geben. Zudem sei eine nicht bezifferbare Anzahl von Sachverhalten denkbar, die zur Einleitung eines Bürgerbegehrens führen könnten, etwa im Zusammenhang mit der Ausweisung von Baugebieten oder kommunalen Baumaßnahmen. Ein vollständig gleicher Sachverhalt sei für die Wiederholungsgefahr nicht gefordert. Es sei konkret zu befürchten, dass der Gemeinderat der Beklagten auch ein weiteres Bürgerbegehren mit einer unzutreffenden Begründung zurückweisen und erneut vollendete Tatsachen schaffen werde, bevor er über dessen Zulässigkeit entscheide.

Mit diesem Vorbringen werden keine konkreten Umstände aufgezeigt, die eine Wiederholungsgefahr begründen könnten. Denn diese kann nur angenommen werden, wenn eine hinreichend bestimmte Gefahr besteht, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen erneut ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird (BVerwG, B. v. 16.10.1989 - 7 B 108/89 - NVwZ 1990, 360 m. w. N.). Ist dagegen ungewiss, ob in Zukunft noch einmal die gleichen tatsächlichen Verhältnisse eintreten wie im Zeitpunkt des Erlasses des erledigten Verwaltungsaktes, kann das Fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht aus einer Wiederholungsgefahr hergeleitet werden (BVerwG, U. v. 12.10.2006 - 4 C 12/04 - juris Rn. 8 m. w. N.). Von einer solchen Ungewissheit hinsichtlich der künftigen Entwicklung ist hier schon deshalb auszugehen, weil keine nachprüfbaren Anhaltspunkte dafür sprechen, dass in absehbarer Zeit ein mit dem streitgegenständlichen Begehren im Wesentlichen vergleichbares Bürgerbegehren von denselben Personen betrieben werden könnte. Es spricht auch nichts dafür, dass die einem solchen künftigen Begehren beigefügte Begründung vom Gemeinderat der Beklagten wegen derselben Aussagen wie bei dem „Biotop am Grasweg“ als inhaltlich unzutreffend beanstandet werden könnte. Da sich die naturschutzfachliche Bewertung einer Fläche nach den jeweiligen örtlichen Verhältnissen bestimmt, wäre die Aussagekraft einer im vorliegenden Verfahren getroffenen gerichtlichen Feststellung von vornherein auf das hier streitige Bürgerbegehren beschränkt; eine Verbesserung der klägerischen Rechtsposition für den Fall künftiger Auseinandersetzungen um andere Standorte ergäbe sich daraus nicht. Die in der Fortsetzungsfeststellungsklage zum Ausdruck kommende Absicht, der Beklagten ein (mögliches) früheres Fehlverhalten nachzuweisen und sie damit für die Zukunft zu einer rechtmäßigen Behandlung von Anträgen auf Zulassung von Bürgerbegehren anzuhalten, vermag die Darlegung einer konkreten Wiederholungsgefahr nicht zu ersetzen.

bb) Die Zulässigkeit der Klage lässt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Rehabilitationsinteresses begründen.

Im Zulassungsantrag wird dazu vorgetragen, durch die Ablehnung des Bürgerbegehrens sei signalisiert worden, die Vertreter des Bürgerbegehrens hätten kein zulässiges Begehren formuliert und damit ihrem Anliegen nicht die erforderliche Umsetzungsmöglichkeit eröffnet. Für die Vertreter sei es auch aufgrund ihrer persönlichen Stellung von erheblicher Bedeutung, nachweisen zu können, dass ein solcher Fehler nicht gemacht worden sei und dass sie das Bürgerbegehren mit der erforderlichen Sorgfalt vorbereitet und betreut hätten. Dass sich die Umsetzung des beantragten Bürgerbegehrens durch Schaffung vollendeter Tatsachen bereits erledigt habe, stehe dem nicht entgegen. Im Übrigen seien zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gemeinderats zwar Teile des Biotops bereits verfüllt gewesen, andere Teile hätten aber fortbestanden und daher durch ein für zulässig erklärtes Bürgerbegehren noch „gerettet“ werden können. Das Begehren habe sich damit zum damaligen Zeitpunkt noch nicht vollständig erledigt gehabt.

Diese Ausführungen sind nicht geeignet, ein Rehabilitationsinteresse darzutun. Ein berechtigtes ideelles Interesse an einer Rehabilitierung besteht nur, wenn sich aus der angegriffenen Maßnahme eine für Außenstehende erkennbare und fortdauernde Stigmatisierung des Betroffenen ergibt, die geeignet ist, sein Ansehen in der Öffentlichkeit oder im sozialen Umfeld herabzusetzen (vgl. BVerwG, U. v. 16.5.2013, a. a. O., Rn. 25 m. w. N.). An dieser Voraussetzung fehlt es hier. Die in dem Zurückweisungsbescheid der Beklagten vom 17. Dezember 2013 getroffene Aussage, die Begründung des Bürgerbegehrens sei in naturschutzfachlicher Hinsicht unzutreffend, betrifft nur die ökologische Bewertung des Grundstücks und enthält kein ethisches Unwerturteil in Bezug auf die Person oder das Verhalten der Initiatoren und Vertreter des Bürgerbegehrens. Wird in Ausübung des materiellen Prüfungsrechts nach Art. 18a Abs. 8 Satz 1 GO festgestellt, dass die den Unterschriftenlisten beigefügte Begründung in entscheidungsrelevanter Weise unrichtige Tatsachenbehauptungen enthalte oder die maßgebende Rechtslage unzutreffend bzw. unvollständig darstelle (dazu zuletzt BayVGH, U. v. 4.7.2016 - 4 BV 16.105 - juris Rn. 27 f.), so lässt dies den sozialen Geltungsanspruch der Textverfasser jedenfalls solange unberührt, als damit nicht der Vorwurf einer gezielten Täuschung der Unterzeichner des Bürgerbegehrens verbunden ist. Eine solche moralische Bewertung lässt sich den Ausführungen im Bescheid vom 17. Dezember 2013 aber nicht einmal ansatzweise entnehmen. Dass die Sach- und Rechtslage auch aus Sicht der Beklagten keineswegs eindeutig war, folgt im Übrigen aus dem Umstand, dass deren Gemeinderat erst nach Einholung einer Auskunft der Rechtsaufsichtsbehörde zu dem Entschluss gelangt ist, die Begründung des Bürgerbegehren zu beanstanden.

cc) Das nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erforderliche Feststellungsinteresse lässt sich auch nicht mit dem Hinweis auf eine Präjudizwirkung für künftige gerichtliche Verfahren begründen.

Im Zulassungsantrag wird zwar vorgetragen, die beantragte Feststellung diene der Vorbereitung eines Amtshaftungs- oder Schadensersatzprozesses im Hinblick auf Ansprüche wegen der Verfüllung des Biotops vor der Entscheidung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens. Die Klage richtet sich aber nicht gegen diese faktische Vereitelung des geltend gemachten Zulassungsanspruchs, sondern gegen die förmliche Zurückweisung des Bürgerbegehrens. Dass dadurch den Vertretern ein irgendwie gearteter (materieller oder immaterieller) Schaden entstanden sein könnte, ist nicht ersichtlich. Die gerichtliche Verfolgung von Ersatzansprüchen erscheint daher von vornherein als aussichtslos, so dass daraus auch kein Feststellungsinteresse abgeleitet werden kann (vgl. BVerwG, B. v. 21.1.2015 - 4 B 42/14 - juris Rn. 17).

Zu Recht weist die Beklagte zudem darauf hin, dass die Absicht, eine Amtshaftungsklage oder sonstige zivilgerichtliche Leistungsklage zu erheben, dann kein schutzwürdiges Interesse an der verwaltungsgerichtlichen Feststellung der Rechtswidrigkeit eines erledigten Verwaltungsaktes begründet, wenn die Erledigung vor Klageerhebung eingetreten ist (vgl. BVerwG, B. v. 18.5.2004 - 3 B 117/03 - juris Rn. 4 m. w. N.). Unter diesen Umständen muss wegen des erstrebten Schadensersatzes sogleich das zuständige Zivilgericht angerufen werden, das auch für die Klärung öffentlich-rechtlicher Vorfragen zuständig ist; ein Anspruch auf den jeweils „sachnäheren“ (Verwaltungs-)Richter besteht nicht. Die Prozesssituation stellt sich insoweit grundlegend anders dar als bei einer erst nach Klageerhebung eingetretenen Erledigung, bei der die Schutzwürdigkeit des Interesses an einer verwaltungsgerichtlichen Feststellung daraus folgt, dass eine Partei nicht ohne Not um die Früchte ihres bisherigen Prozesses gebracht werden darf (BVerwG, a. a. O.).

Im vorliegenden Fall hatte sich der mit der Einreichung der Unterschriftenlisten verfolgte Anspruch auf Zulassung des Bürgerbegehrens vor Klageerhebung nicht etwa bloß teilweise, sondern bereits vollständig erledigt. Denn das im Umfeld des ehemaligen Regenrückhaltebeckens entstandene „Biotop“, um dessen Bewahrung es in dem Bürgerbegehren ging, war unstreitig noch vor der Entscheidung des Gemeinderats an seiner Nordseite komplett gerodet und teilweise verfüllt worden. Damit war eine Erhaltung der auf der Gesamtfläche entstandenen „Naturlandschaft“, wie sie in der Begründung des Bürgerbegehrens als Ziel genannt worden war, objektiv unmöglich geworden.

Dass Teile des Geländes sich auch bei Klageerhebung noch in einem unversehrten (naturnahen) Zustand befanden, führte nicht zu einer bloß partiellen Erledigung etwa dergestalt, dass eine nur auf diese Restfläche beschränkte Zulassung des Bürgerbegehrens in Betracht gekommen wäre. Zwar enthielten die Unterschriftenlisten den Zusatz, dass die Unterschriften im Falle einer Erledigung von Teilen des Begehrens „weiterhin für die verbleibenden Teile“ gelten sollten. Diese salvatorische Klausel rechtfertigt jedoch nicht die Annahme, dass das Bürgerbegehren selbst bei einer nicht vorhersehbaren erheblichen Verkleinerung der zu schützenden Fläche noch von der erklärten Zustimmung der Unterzeichner gedeckt war. Da jedes Begehren nur „eine“ Fragestellung zum Gegenstand haben kann (Art. 18a Abs. 4 Satz 1 GO), darf auch schon in der Phase der Unterschriftensammlung nicht offenbleiben, auf welchen räumlichen Umgriff sich die künftige kommunale Abstimmung beziehen soll; plebiszitäre Hilfsanträge sieht das Gesetz nicht vor. Eine nachträgliche Anpassung der Fragestellung an die teilweise geänderten tatsächlichen Umstände würde auch in dem hier vorliegenden Fall den Willen der Unterzeichner verfälschen, da ihnen zum Zeitpunkt der Unterschriftsleistung das Gelände nur in seinem noch weitgehend unberührten Zustand vor Augen stand (vgl. BayVGH, U. v. 28.5.2008 - 4 BV 07.1981 - BayVBl 2009, 245 Rn. 34). Dass sie das Bürgerbegehren auch nach der Teilrodung und -auffüllung noch in ausreichender Zahl unterstützt, also dem ökologischen Schutzinteresse trotz des verringerten Umfangs der zu bewahrenden Fläche den Vorrang gegenüber einem unverändert fortbestehenden Bebauungsinteresse eingeräumt hätten, kann jedenfalls nicht mit der gebotenen Sicherheit angenommen werden.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1, § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG i. V. m. Nr. 22.6 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

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(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

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(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic

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(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

(2) Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; bei Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung, des Antrags auf Zulassung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Beschwerde beträgt die Frist einen Monat. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist ist der Antrag unzulässig, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

(4) Über den Wiedereinsetzungsantrag entscheidet das Gericht, das über die versäumte Rechtshandlung zu befinden hat.

(5) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die von der Beklagten angeordnete Verlegung einer für den 27. Januar 2012 - dem jährlichen Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus ("Holocaust-Gedenktag") - angemeldeten Versammlung auf den Folgetag rechtswidrig war.

2

Der Vorsitzende des Kreisverbands Trier der Klägerin meldete am 25. Januar 2012 für den 27. Januar 2012 eine Versammlung in Form einer Mahnwache unter dem Motto "Von der Finanz- zur Eurokrise - zurück zur D-Mark heißt unsere Devise" an. Die Versammlung sollte in der Trierer Innenstadt stattfinden. Als Anlass der Veranstaltung wurde ein für den 27. Januar 2012 angekündigter Vortrag von Prof. Max O. im Bischöflichen Priesterseminar Trier mit dem Thema "Von der Finanz- zur Eurokrise" angegeben. Es sollten als Hilfsmittel Megafon, Fahnen und Spruchbänder verwendet werden. 15 Versammlungsteilnehmer würden erwartet werden.

3

Auf Nachfrage der Beklagten erklärte sich der Anmelder mit einem alternativen Versammlungsort in der Trierer Innenstadt einverstanden, nicht aber mit einer Verlegung auf einen anderen Tag.

4

Unter Anordnung der sofortigen Vollziehung verfügte die Beklagte am 26. Januar 2012 die Verlegung der Versammlung auf den 28. Januar 2012. Die Verfügung stelle eine Auflage dar, die zum Schutz der öffentlichen Ordnung gerechtfertigt sei. Der 27. Januar, der Tag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz, diene seit 1996 in Deutschland offiziell dem Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus. Die Generalversammlung der Vereinten Nationen habe ihn 2005 zum Internationalen Holocaust-Gedenktag erklärt. Die Durchführung einer Versammlung an diesem Tag durch die Klägerin sei als eine Provokation zu bewerten, durch die grundlegende soziale und ethische Anschauungen und Empfindungen verletzt würden. Die Klägerin sei eine Partei, die nach ihrem eigenen Selbstverständnis dem rechtsextremen politischen Spektrum zuzuordnen sei. Sie lasse in der öffentlichen Wahrnehmung die notwendige Distanz zu dem menschenverachtenden Unrechtsregime vermissen, das die Opfer zu verantworten habe, derer am 27. Januar gedacht werde. Nicht entscheidend sei, dass sich das Motto der Versammlung nicht mit den Opfern des Nationalsozialismus auseinandersetze.

5

Die Klägerin legte Widerspruch ein und beantragte beim Verwaltungsgericht, dessen aufschiebende Wirkung wiederherzustellen. Der Antrag wurde abgelehnt. Die Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht blieb ohne Erfolg. Den weiteren Antrag der Klägerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung durch das Bundesverfassungsgericht lehnte dieses mit Kammerbeschluss vom 27. Januar 2012 ab: Eine Verfassungsbeschwerde wäre vorliegend weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Die somit erforderliche Folgenabwägung führe zur Ablehnung des Antrags. Die Kammer könne sich unter den gegebenen zeitlichen Bedingungen kein zuverlässiges Bild über etwaige Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit machen.

6

Mit ihrer vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass der Bescheid der Beklagten vom 26. Januar 2012 rechtswidrig war. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen: Die Verlegung der Versammlung um einen Tag stelle eine Auflage, kein Verbot dar. § 15 Abs. 1 VersG erlaube Auflagen auch zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Ordnung, sofern diese nicht aus dem Inhalt von Äußerungen, sondern aus der Art und Weise der Durchführung der Versammlung hergeleitet würden. Die öffentliche Ordnung könne verletzt sein, wenn Rechtsextremisten einen Aufzug an einem Tag, welcher der Erinnerung an das Unrecht des Nationalsozialismus und den Holocaust diene, so durchführten, dass von seiner Art und Weise Provokationen ausgingen, die das sittliche Empfinden der Bürger erheblich beeinträchtigten. Diese Voraussetzung sei hier erfüllt. Die Versammlung wäre hier nicht lediglich in irgendeinem Sinn dem Gedenken am 27. Januar entgegen gelaufen. Von ihr wäre eine besondere, für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung des sittlichen Empfindens der Bürger hinreichende Provokationswirkung ausgegangen. Die Klägerin habe das Thema der Versammlung lediglich als Aufhänger gewählt, während die dahinter stehende Motivation von der Bevölkerung darin gesehen werde, an einem zentralen Ort in der Innenstadt Präsenz zu zeigen und nach außen zu dokumentieren, dass man als rechtsextreme Partei trotz des Gedenktags "Flagge zeigen" könne. Für diese Einschätzung würden mehrere Umstände sprechen. Der von der Klägerin benannte Bezug zum Vortrag von Prof. O. wirke gesucht. Die Finanz- und Eurokrise stehe seit längerem im Fokus der politischen Diskussion. Es sei nicht erkennbar, wieso eine Veranstaltung der Klägerin zu diesem Thema nicht mit gleicher Wirkung am Folgetag hätte durchgeführt werden können, zumal ein spezifischer Bezug zwischen den Thesen von Prof. O. und dem wirtschaftspolitischen Programm der Klägerin weder dargetan noch ersichtlich sei. Dies dränge den Eindruck auf, die Klägerin habe nur nach einem beliebigen Anlass gesucht, um am Gedenktag des 27. Januar Präsenz zeigen zu können. Hierfür spreche zudem, dass die Klägerin bereits am 22. Januar 2012 eine Versammlung zum gleichen Thema durchgeführt habe. Es sei ungewöhnlich und nicht ohne weiteres nachvollziehbar, weshalb eine Partei wie die Klägerin innerhalb von nur fünf Tagen in der gleichen Stadt ihr wirtschaftspolitisches Programm ein zweites Mal der Öffentlichkeit durch eine Versammlung vorstellen wolle. Schließlich habe die Klägerin auch nach dem 26. Januar 2012 auffällig oft Versammlungen an Tagen durchgeführt, die einen Bezug zur Herrschaft der Nationalsozialisten aufwiesen. Es sei unwahrscheinlich, dass es sich hier um einen Zufall handle. Vielmehr bestärke dies die Einschätzung, dass die Klägerin sich einen beliebigen Anlass gesucht habe, um an diesen Tagen in der Öffentlichkeit Präsenz zu zeigen.

7

Zur Begründung ihrer Revision bringt die Klägerin vor: Die Verlegung der Versammlung stelle ein Verbot im Sinne von § 15 Abs. 1 VersG dar, das nur bei Gefährdung der öffentlichen Sicherheit hätte ausgesprochen werden dürfen. Selbst wenn man der Verlegung Auflagenqualität beimäße, fehle es jedenfalls an einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung. Die Klägerin habe nicht am Gedenktag provokativ "Flagge zeigen", sondern ihren Thesen zur Euro- bzw. Finanzkrise Aufmerksamkeit verschaffen wollen. Selbst wenn die Unterstellung des Oberverwaltungsgerichts richtig wäre, ihr sei es auf Präsenz gerade am Gedenktag angekommen, wäre die Verlegung als rechtswidrig einzustufen. Der Eilentscheidung des Bundesverfassungsgerichts in der vorliegenden Sache sei zu entnehmen, dass Beschränkungen einer für den 27. Januar vorgesehenen Veranstaltung nur zulässig seien, wenn in der Nähe eine Gedenkveranstaltung stattfinde oder die Veranstaltung einen Bezug zum Holocaust bzw. zur nationalsozialistischen Herrschaft aufweise.

8

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Der Vortrag von Prof. O. habe für die Klägerin keinen hinreichenden Anlass darstellen können, die Versammlung gerade am 27. Januar 2012 durchzuführen. Der Eilentscheidung des Bundesverfassungsgerichts in der vorliegenden Sache sei zwar zu entnehmen, dass neben dem Umstand, wonach eine Versammlung an einem Tag mit gewichtiger Symbolkraft stattfinde, weitere Umstände hinzutreten müssten, um eine Verlegung zu rechtfertigen. Solche Umstände hätten hier jedoch vorgelegen. Die Klägerin, deren Ablehnung des Holocaust-Gedenktages ausweislich des Berichts des Verfassungsschutzes des Landes für das Jahr 2011 bekannt sei, habe dadurch Provokationen hervorrufen wollen, dass sie eine Versammlung gerade für diesen Tag anmelde.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf der Verletzung revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO). Der Bescheid vom 26. Januar 2012 verstößt gegen die bundesrechtliche (vgl. Art. 125a Abs. 1 GG) Vorschrift des § 15 Abs. 1 VersG. Die Gründe, auf die er sich stützt, genügen nicht den Anforderungen dieser Vorschrift. Aus dem vorinstanzlich abschließend geklärten Sachverhalt ergeben sich keine sonstigen Gründe, die den Bescheid rechtlich tragen könnten. Der Senat kann mithin ausschließen, dass sich das angefochtene Urteil im Ergebnis als richtig darstellt, und in der Sache selbst entscheiden (§ 144 Abs. 3 und 4 VwGO). Dies führt zum Ausspruch der begehrten Feststellung.

10

1. Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage ohne Verstoß gegen Bundesprozessrecht für zulässig erachtet. Statthafte Klageart zur Erlangung der begehrten Feststellung ist in entsprechender Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO die Fortsetzungsfeststellungsklage. Eine Entscheidung über die Rechtswidrigkeit eines erledigten Verwaltungsakts ist auch dann zulässig, wenn - wie hier - die Erledigung vor Klageerhebung eingetreten ist (Urteil vom 14. Juli 1999 - BVerwG 6 C 7.98 - BVerwGE 109, 203 <207> = Buchholz 310 § 74 VwGO Nr. 12 S. 4; stRspr). Die Klägerin hat das von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO geforderte berechtigte Interesse an der begehrten Feststellung. Ein berechtigtes Interesse im Sinne dieser Vorschrift kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Natur sein. Entscheidend ist, dass die gerichtliche Entscheidung geeignet ist, die Position des Klägers in den genannten Bereichen zu verbessern (Urteil vom 16. Mai 2013 - BVerwG 8 C 15.12 - juris Rn. 25; stRspr). Im vorliegenden Fall ist ein berechtigtes Feststellungsinteresse der Klägerin jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr zu bejahen. Das Merkmal der Wiederholungsgefahr setzt im Hinblick auf Versammlungsbeschränkungen zum einen die Möglichkeit einer erneuten Versammlung durch den Betroffenen voraus, die ihrer Art nach zu den gleichen Rechtsproblemen und damit der gleichen Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit führen könnte. Zum anderen ist erforderlich, dass die Behörde voraussichtlich auch zukünftig an ihrer Rechtsauffassung festhalten wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 - 1 BvR 461/03 - BVerfGE 110, 77 <90>). Der Senat geht mit dem Oberverwaltungsgericht davon aus, dass die Klägerin auch in Zukunft an historisch sensiblen Daten unter Bezugnahme auf aktuelle politische Themen Versammlungen durchführen könnte. Ferner geht er mit dem Oberverwaltungsgericht davon aus, dass in solchen Fällen die Beklagte voraussichtlich erneut mit vergleichbarer Begründung wie im vorliegenden Fall eine zeitliche Verlegung von Versammlungen der Klägerin anordnen würde. Das auf eine Wiederholungsgefahr gegründete Rechtsschutzinteresse entfällt nicht deshalb, weil der Betroffene in zukünftigen Fällen Eilrechtsschutz in Anspruch nehmen kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 a.a.O. S. 91).

11

Dadurch, dass der streitgegenständliche Bescheid erst einen Tag vor der geplanten Versammlung ergangen ist, war eine gerichtliche Entscheidung im Hauptsacheverfahren für die Klägerin nicht rechtzeitig zu erlangen. Das vorläufige Rechtsschutzverfahren, dessen Gegenstand die Vollziehbarkeit des Bescheids war, genügt insoweit nicht. Art. 19 Abs. 4 GG gewährt nach Maßgabe der Sachentscheidungsvoraussetzungen einen Anspruch auf Rechtsschutz in der Hauptsache, nicht nur in einem Eilverfahren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 a.a.O. S. 86 ff.; BVerwG, Urteil vom 23. März 1999 - BVerwG 1 C 12.97 - Buchholz 402.44 VersG Nr. 12 S. 4).

12

2. Unter den gegebenen Umständen war die Beklagte durch die - allein in Frage kommende - Vorschrift des § 15 Abs. 1 VersG nicht befugt, die Verlegung der Versammlung vom 27. auf den 28. Januar 2012 anzuordnen. Gemäß § 15 Abs. 1 VersG kann die zuständige Behörde die Versammlung oder den Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist. Für eine mögliche unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit lagen - wovon auch das Oberverwaltungsgericht ausgegangen ist - schon im Ansatz keine Anhaltspunkte vor. Auch eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Ordnung durfte bei der vorliegenden Sachlage im Ergebnis nicht angenommen werden:

13

a. Ob es sich bei der Anordnung der Beklagten um ein Versammlungsverbot oder um eine Auflage handelt, bedarf keiner Vertiefung. Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, dass auch Gründe der öffentlichen Ordnung zum Erlass eines Versammlungsverbots berechtigen, wenn Gefahren nicht aus dem Inhalt von Äußerungen, sondern aus der Art und Weise der Durchführung der Versammlung drohen, sofern Auflagen zur Gefahrenabwehr nicht ausreichen (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2004 - 1 BvQ 19/04 - BVerfGE 111, 147 <156 f.>). Im vorliegenden Fall drohten keine meinungsinhaltlich begründeten Gefahren. Im Raum stand lediglich die Möglichkeit einer Gefahr aufgrund der Art und Weise der vorgesehenen Versammlungsdurchführung, nämlich aufgrund des Umstands, dass die Versammlung gerade am Holocaust-Gedenktag stattfinden sollte. Um der hierdurch nach Einschätzung der Beklagten drohenden Gefahr für die öffentliche Ordnung entgegenzuwirken, stand kein milderes Mittel als die Verlegung auf einen anderen Tag zur Verfügung. Der Rückgriff auf Gründe der öffentlichen Ordnung wäre der Beklagten folglich auch dann nicht versperrt gewesen, wenn man die zeitliche Verlegung als Versammlungsverbot qualifizieren müsste.

14

b. Der Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung steht nicht entgegen, dass die Klägerin eine politische Partei ist. Die zugunsten politischer Parteien durch Art. 21 GG begründeten Gewährleistungen schließen nicht das Recht ein, weitgehender als andere Rechtssubjekte von Versammlungsbeschränkungen verschont zu bleiben, wenn eine vorgesehene Versammlung die öffentliche Ordnung zu verletzen droht. Verfügt eine Behörde mit dieser Begründung eine versammlungsrechtliche Beschränkung gegenüber einer politischen Partei, stützt sie ihr Einschreiten nicht auf eine vermeintliche Verfassungsfeindlichkeit des Verhaltens oder der Programmatik dieser Partei (vgl. Urteil vom 23. März 1999 a.a.O. S. 8).

15

c. Unter öffentlicher Ordnung im Sinne von § 15 Abs. 1 VersG ist die Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln zu verstehen, deren Befolgung nach den jeweils herrschenden und mit dem Wertgehalt des Grundgesetzes zu vereinbarenden sozialen und ethischen Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten menschlichen Zusammenlebens innerhalb eines bestimmten Gebiets anzusehen ist. Kommt einem bestimmten Tag in der Gesellschaft ein eindeutiger Sinngehalt mit gewichtiger Symbolkraft zu, darf dieser Sinngehalt bei einer Versammlung an diesem Tag nicht in einer Weise angegriffen werden, dass dadurch zugleich grundlegende soziale oder ethische Anschauungen in erheblicher Weise verletzt werden. Beim Holocaust-Gedenktag am 27. Januar (vgl. Proklamation des Bundespräsidenten vom 3. Januar 1996, BGBl I S. 17) handelt es sich um einen solchen Tag (BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 26. Januar 2001 - 1 BvQ 9/01 - juris Rn. 15 und vom 5. September 2003 - 1 BvQ 32/03 - juris Rn. 24; Beschluss vom 23. Juni 2004 a.a.O. S. 157; Kammerbeschlüsse vom 26. Januar 2006 - 1 BvQ 3/06 - juris Rn. 12, vom 19. Dezember 2007 - 1 BvR 2793/04 - juris Rn. 31 und vom 7. November 2008 - 1 BvQ 43/08 - juris Rn. 18).

16

aa. Für eine Versammlungsbeschränkung aus Gründen der öffentlichen Ordnung im vorbezeichneten Sinne reicht nicht aus, dass die Durchführung der Versammlung am Holocaust-Gedenktag in irgendeinem, beliebigen Sinne als dem Gedenken zuwiderlaufend zu beurteilen ist. Vielmehr ist die Feststellung erforderlich, dass von der konkreten Art und Weise der Durchführung der Versammlung Provokationen ausgehen, die das sittliche Empfinden der Bürger erheblich beeinträchtigen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 27. Januar 2012 - 1 BvQ 4/12 - juris Rn. 7 m.w.N.). Liegt diese Voraussetzung nicht vor und sind wie hier Schutzgüter der öffentlichen Ordnung unter keinem anderen Gesichtspunkt bedroht, überschreitet eine Versammlungsbeschränkung nicht nur die einfachgesetzliche Ermächtigung in § 15 Abs. 1 VersG, sondern verstößt sie zugleich gegen das Grundrecht der Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG). Diesem Grundrecht gebührt in einem freiheitlichen Staatswesen ein besonderer Rang (BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 - 1 BvR 233, 341/81 - BVerfGE 69, 315 <343>). Die Ausübung der Versammlungsfreiheit darf nur zum Schutz gleichgewichtiger anderer Rechtsgüter unter strikter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes begrenzt werden (BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 a.a.O. S. 348 f.). Störungen des sittlichen Empfindens der Bürger ohne Provokationscharakter oder Störungen, die, obgleich provokativen Charakters, kein erhebliches Gewicht aufweisen, ergeben als solche keinen verhältnismäßigen Anlass für eine Einschränkung der Versammlungsfreiheit. Der Umstand alleine, dass eine rechtsextremistische Gruppierung am Holocaust-Gedenktag eine Versammlung durchführt, kann daher nicht in grundrechtlich tragfähiger Weise für eine Versammlungsbeschränkung gemäß § 15 Abs. 1 VersG herangezogen werden, auch wenn die Wahl gerade dieses Tages als Versammlungstermin einer solchen Gruppierung von vielen Bürgern in tatsächlicher Hinsicht als unpassend und mit dem Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus nicht im Einklang stehend wahrgenommen werden mag. Sähe der Gesetzgeber weitergehend ein Bedürfnis, mit Blick auf die besondere staatspolitische Bedeutung des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus Versammlungsbeschränkungen an diesem Tag - losgelöst von der Frage einer Gefährdung des sittlichen Empfindens der Bürger im Einzelfall - zuzulassen, müsste er hierzu eigens nicht auf bestimmte Veranstalter beschränkte Regelungen treffen. Dem Begriff der öffentlichen Ordnung im Sinne von § 15 Abs. 1 VersG liegt kein solchermaßen begründetes Schutzkonzept zugrunde.

17

bb. Die Feststellung, dass von der konkreten Art und Weise der Durchführung einer Versammlung am Holocaust-Gedenktag Provokationen ausgehen, die das sittliche Empfinden der Bürger erheblich beeinträchtigen, setzt voraus, dass die Versammlung eine den Umständen nach eindeutige Stoßrichtung gegen das Gedenken erkennen lässt. Die Versammlungsfreiheit wird nicht in unverhältnismäßiger Weise beschränkt, wenn dem Grundrechtsträger auf Grundlage von § 15 Abs. 1 VersG etwa angesonnen wird, eine Versammlung am Holocaust-Gedenktag nur in einer Weise durchzuführen, die dem Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus den ihm aus Sicht der Mitbürger gebührenden Stellenwert belässt, insbesondere dessen Sinn und ethisch-moralischen Wert nicht negiert, und die auch nicht in anderer Weise dem Anspruch der Mitbürger entgegenwirkt, sich ungestört dem Gedenken zuwenden zu können, ohne hierbei erheblichen Provokationen ausgesetzt zu sein. Bringt der Grundrechtsträger die Bereitschaft hierzu nicht auf, muss die Versammlung von seinen Mitbürgern zwangsläufig als erhebliche provokative Beeinträchtigung ihres sittlichen Empfindens wahrgenommen werden und offenbart er damit ein Maß an Indifferenz gegenüber ihren berechtigten Belangen, das seinerseits keinen grundrechtlichen Vorrang beanspruchen kann.

18

cc. Im vorliegenden Fall wäre nach den Umständen, wie sie zur Zeit des Erlasses der streitbefangenen Anordnung erkennbar waren, durch die beabsichtigte Versammlung die vorbezeichnete Schwelle nicht erreicht worden. Die Versammlung sollte in Anknüpfung an eine andere Veranstaltung mit der Euro- und Finanzkrise ein aktuelles allgemein-politisches Thema aufgreifen und die hierzu entwickelten, bereits bei früheren Gelegenheiten vorgetragenen programmatischen Vorstellungen der Klägerin kundtun. Eine Stoßrichtung gegen das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus geht von diesem Thema nicht aus. Eine unmittelbare Störung von Gedenkveranstaltungen stand nicht zu befürchten oder hätte jedenfalls, wie das Oberverwaltungsgericht überzeugend festgestellt hat, durch das mildere Mittel einer geringfügigen zeitlichen Verlegung um eine halbe Stunde abgewendet werden können. Dass die Versammlung ihrem vorgesehenen äußeren Gepräge nach eine Stoßrichtung gegen das Gedenken hätte gewinnen können, ist ebenso nicht ersichtlich. Sonstige Umstände, die im Rahmen einer Gesamtschau Anlass zu einer abweichenden Beurteilung geben könnten, vermag der Senat nicht zu erkennen.

19

dd. Das Oberverwaltungsgericht ist zu der Einschätzung gelangt, es sei der Klägerin in Wahrheit nicht auf die Kundgabe ihrer wirtschafts- und währungspolitischen Positionen, sondern ausschließlich um eine - von ihr dem Gedenkanliegen demonstrativ entgegen gesetzte - öffentliche Präsenz am Holocaust-Gedenktag gegangen ("Flagge zeigen"), die von den übrigen Bürgern vor dem besonderen Hintergrund dieses Tages als erhebliche Provokation empfunden worden wäre und so seitens der Klägerin auch gemeint gewesen sei. Selbst wenn diese Einschätzung der Motivlage der Klägerin zutreffend wäre, muss sich dieser Ansatz dem Einwand ausgesetzt sehen, dass er dem Grundrechtsträger letzten Endes abverlangt, die Plausibilität der von ihm getroffenen Wahl des Versammlungsdatums zu rechtfertigen, nämlich Gründe vorzuweisen, welche die Sinnhaftigkeit der Kundgebung zum ausgewählten Versammlungsthema gerade am vorgesehenen Tag belegen. Eine solche Maßgabe würde die Versammlungsfreiheit, die auch die freie Selbstbestimmung über den Versammlungszeitpunkt einschließt (BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 a.a.O. S. 343; stRspr), in unverhältnismäßiger Weise beschränken. Für den Grundrechtsträger besteht keine Obliegenheit, für die Bestimmung des Versammlungszeitpunkts Gründe zu liefern. Sind solche Gründe für die Versammlungsbehörde oder nach deren Einschätzung aus Sicht der Mitbürger nicht erkennbar bzw. nicht nachvollziehbar, reicht die hieraus hergeleitete Wahrnehmung, der Grundrechtsträger suche die Präsenz lediglich um ihrer selbst willen, grundsätzlich nicht für die Anordnung einer Versammlungsbeschränkung am Holocaust-Gedenktag mit der Begründung aus, von der Versammlung würden Provokationen ausgehen, die das sittliche Empfinden der Bürger erheblich beeinträchtigen. Die öffentliche Präsenz einer bestimmten Gruppierung am 27. Januar verleiht für sich genommen ihrer Versammlung noch keine eindeutige Stoßrichtung gegen das Gedenken, dem dieser Tag gewidmet ist. Die gegenteilige Sichtweise läuft darauf hinaus, die Anforderung einer personen- bzw. gruppenneutralen Begründung für Beschränkungen der Versammlungsfreiheit zu verfehlen.

20

Der Senat vermag zwar nicht auszuschließen, dass ausnahmsweise Konstellationen vorkommen mögen, in denen die spezifische Kombination von Versammlungszeitpunkt, Zuschnitt des Versammlungsthemas und gegebenenfalls weiteren Faktoren nichts anderes als den Schluss zulässt, die Versammlung weise - zwar in unterschwelliger, nichtsdestotrotz aber eindeutiger Weise - eine Stoßrichtung gegen das Gedenken auf (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 26. Januar 2001 - 1 BvQ 9/01 - juris und den dort zugrunde liegenden Sachverhalt). Im vorliegenden Fall jedoch erübrigen sich weitere Überlegungen in diese Richtung schon deshalb, weil die Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts, das von der Klägerin angegebene Versammlungsthema sei nur vorgeschoben gewesen, bereits nicht auf zureichende tatsächliche Anhaltspunkte gestützt ist:

21

Mit der genannten Einschätzung wird der Klägerin der Wille abgesprochen, das vorgebrachte Artikulationsanliegen überhaupt ernsthaft verfolgt zu haben. Das durch Art. 8 Abs. 1 GG geschützte Selbstbestimmungsrecht über den Inhalt der Versammlung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 a.a.O. S. 343; stRspr) schließt aber - vorgelagert - den Anspruch ein, dass der Staat das vom Grundrechtsträger proklamierte Artikulationsanliegen grundsätzlich als tatsächlich gegeben hinnimmt und nicht ohne Weiteres gegen seine inneren Motive abgleicht. Ein Durchgriff auf eine vermeintlich bestehende innere Motivlage zur Rechtfertigung einer Versammlungsbeschränkung darf nur ausnahmsweise und mit besonderer Zurückhaltung erfolgen (vgl. in anderem Zusammenhang Urteil vom 16. Mai 2007 - BVerwG 6 C 23.06 - BVerwGE 129, 42 <47 f.> = Buchholz 402.44 VersG Nr. 13). Hierfür müssen konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte und nicht nur bloße Vermutungen und Verdachtsmomente vorliegen (vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 1. September 2000 - 1 BvQ 24/00 - juris Rn. 14, vom 24. März 2001 - 1 BvQ 13/01 - juris Rn. 28, vom 1. Mai 2001 - 1 BvQ 21/01 - juris Rn. 11 und vom 9. Juni 2006 - 1 BvR 1429/06 - juris Rn. 14). Erforderlich ist darüber hinaus, dass eine Auseinandersetzung mit Gegenindizien vorgenommen wird (vgl. Kammerbeschluss vom 26. Januar 2001 - 1 BvQ 8/01 - juris Rn. 12). Diese Vorgaben leiten sich aus Art. 8 Abs. 1 GG ab und setzen insofern der tatrichterlichen Sachverhaltswürdigung materiell-rechtliche, revisionsgerichtlich überprüfbare Grenzen. Den Vorgaben genügt das angefochtene Urteil nicht. Weder der Umstand, dass die Finanz- und Eurokrise schon seit längerem im Augenmerk der öffentlichen Wahrnehmung stand, noch der Umstand, dass keine konkreteren inhaltlichen Bezüge der vorgesehenen Versammlung oder des wirtschaftspolitischen Programms der Klägerin zu den wirtschaftspolitischen Vorstellungen von Prof. O. erkennbar geworden sind, belegen in hinreichender Weise, dass die Klägerin dessen Vortrag lediglich als "Aufhänger" gewählt hätte, um an dem fraglichen Tag in plausibler Weise überhaupt eine Versammlung durchführen zu können. Auch im Hinblick auf politische Themen mit dauerhafter Aktualität entspricht es verbreiteter politischer Übung, für die Darstellung eigener Positionen einen Termin zu wählen, an dem das Thema von anderen Meinungsbildnern öffentlich angesprochen wird und daher spezifisch in das Augenmerk der Öffentlichkeit rückt; dabei ist es wiederum keineswegs unüblich, im Rahmen der eigenen Darstellung nicht unmittelbar auf die Inhalte und Thesen der Referenzveranstaltung einzugehen, sondern sich mit der Kundgabe eigener Positionen zu begnügen. Unverfänglich ist darüber hinaus auch der Umstand, dass die Klägerin eine Versammlung zu Währungs- und Finanzfragen bereits fünf Tage vorher durchgeführt hatte. Diese Veranstaltungsfrequenz kann ebenso gut als Ausdruck eines besonders ausgeprägten Artikulationsinteresses gewertet werden, wie es gerade für eine politische Partei nicht ungewöhnlich ist. Soweit das Oberverwaltungsgericht schließlich Muster der Versammlungspraxis der Klägerin nach dem Erlass der streitigen Anordnung angeführt hat, steht ihrer Einbeziehung in die rechtliche Würdigung schon die gesetzliche Vorgabe aus § 15 VersG entgegen, dass nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet sein muss. Das Prozessrecht bietet keine Handhabe, im Rahmen der nachträglichen rechtlichen Beurteilung einen anderen Blickwinkel auf den betroffenen Sachverhalt anzulegen.

22

Nach alledem erweist sich die Einschätzung, der Klägerin sei es in Wahrheit darauf angekommen, am Holocaust-Gedenktag demonstrative öffentliche Präsenz zu zeigen, als bloße Vermutung. Auf bloße Vermutungen darf eine versammlungsrechtliche Beschränkung aber von vornherein nicht gegründet werden. Die Beweislast dafür, dass die tatsächliche Sachlage der Vermutung entspricht, liegt bei der Versammlungsbehörde. Für den Grundrechtsträger besteht keine Obliegenheit, sich insoweit zu entlasten (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 9. Juni 2006 - 1 BvR 1429/06 - juris Rn. 15).

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Untersagungsverfügung, mit der ihr die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung von Sportwetten verboten wurde.

2

In der G.straße ... in M. und in drei weiteren Betriebsstätten im Stadtgebiet der Beklagten vermittelte die Klägerin Sportwetten an die I. in G., die über eine dort erteilte Lizenz zur Veranstaltung von Sportwetten verfügte. Die Beklagte untersagte der Klägerin nach vorheriger Anhörung mit Verfügung vom 18. Juni 2008 die Veranstaltung, Vermittlung und Durchführung von Sportwetten sowie die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten im Internet für jede Betriebsstätte in M. Sie gab der Klägerin auf, den Betrieb mit Ablauf des 19. Juni 2008 einzustellen, und drohte ihr ein Zwangsgeld in Höhe von 25 000 € an. Die Untersagung stützte sie auf § 9 Abs. 1 Satz 2 und 3 i.V.m. § 4 Abs. 1, 2 und 4 des Glücksspielstaatsvertrages in der seinerzeit geltenden Fassung (GlüStV). Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, das Wettangebot der Klägerin erfülle den Straftatbestand unerlaubten Glücksspiels gemäß § 284 Abs. 1 des Strafgesetzbuches (StGB). Eine Erlaubnis könne wegen des staatlichen Wettmonopols nach § 10 Abs. 2 und 5 GlüStV nicht erteilt werden. Bei sachgerechter Ermessensausübung komme keine andere Entscheidung als eine Untersagung in Betracht. Diese sei auch verhältnismäßig.

3

Am 23. Juni 2008 hat die Klägerin vor dem Verwaltungsgericht München Klage erhoben und um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Wenige Tage später wurde bei einer Polizeikontrolle in der G.straße ... die Vermittlung von Sportwetten der I. festgestellt. Daraufhin stellte die Beklagte das Zwangsgeld fällig und verfügte die Anwendung unmittelbaren Zwangs. Am 26. Juni 2008 wurde das Wettbüro der Klägerin polizeilich geschlossen und versiegelt. Dagegen erhob die Klägerin - in einem anderen Verfahren - ebenfalls Klage und bat um vorläufigen Rechtsschutz.

4

Das Verwaltungsgericht München lehnte mit Beschluss vom 3. Juli 2008 den Eilantrag betreffend die Untersagungsverfügung und die Zwangsgeldandrohung ab. Mit weiterem Beschluss vom 7. Juli 2008 ordnete es die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Anordnung unmittelbaren Zwangs unter der Auflage an, dass in der G.straße ... keine unerlaubte Sportwettenvermittlung mehr durchgeführt werde. Die Beklagte setzte das fällig gestellte Zwangsgeld vom Soll ab und hob die Versiegelung auf. Das Eilverfahren wurde nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen eingestellt; der Klage gegen die Anordnung unmittelbaren Zwangs wurde im Januar 2009 stattgegeben.

5

Die Klage gegen die Untersagungsverfügung und die Zwangsgeldandrohung hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 27. Januar 2009 abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin ihr Klagebegehren für die Zeit bis zur Berufungsentscheidung auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag umgestellt und an der Anfechtung nur für den anschließenden Zeitraum festgehalten. Sie meint, ihr Feststellungsinteresse für die Vergangenheit ergebe sich aus der Versiegelung ihrer Betriebsstätte in der Zeit vom 26. Juni bis zum 8. Juli 2008 sowie aus der Absicht, unionsrechtliche Staatshaftungsansprüche geltend zu machen. Darüber hinaus bestehe eine Wiederholungsgefahr und - wegen des Vorwurfes strafrechtswidrigen Verhaltens - ein Rehabilitierungsinteresse. Die Beklagte hat in ihrer Berufungserwiderung die Auffassung vertreten, die formelle Illegalität der Vermittlung rechtfertige die Untersagung auch unabhängig von der Rechtmäßigkeit des Monopols. Mit Bezug darauf hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2010 die Ermessenserwägungen des angegriffenen Bescheides ausdrücklich um Ausführungen zur - nach ihrer Ansicht fehlenden - materiellen Erlaubnisfähigkeit der Veranstaltung und Vermittlung der Sportwetten ergänzt.

6

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 12. Januar 2012 das erstinstanzliche Urteil geändert, den angefochtenen Bescheid vom 18. Juni 2008 aufgehoben und dessen Rechtswidrigkeit im Zeitraum bis zur Berufungsentscheidung festgestellt. Die in die Zukunft gerichtete, zulässige Anfechtungsklage sei begründet, weil die Untersagungsverfügung ermessensfehlerhaft sei. Sie stütze sich maßgeblich auf das staatliche Sportwettenmonopol, das seinerseits gegen Unionsrecht verstoße. Es schränke die Dienstleistungsfreiheit unverhältnismäßig ein, da es nicht den Anforderungen der Geeignetheit und dem daraus abzuleitenden Erfordernis der Kohärenz entspreche. Dass es irgendeinen Beitrag zur Verwirklichung der mit dem Monopol verfolgten Ziele leiste, reiche nicht aus. Zu fordern sei vielmehr ein glücksspielsektorenübergreifender, konzeptionell und inhaltlich aufeinander bezogener, systematischer Regelungszusammenhang, mit dem diese Ziele konsequent verfolgt würden. Daran fehle es im maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsentscheidung schon wegen der gegenläufigen Regelung des gewerblichen Automatenspiels. Die Expansionspolitik in diesem Bereich führe dazu, dass die Monopolziele der Suchtbekämpfung und des Spielerschutzes nicht mehr wirksam verfolgt werden könnten. Auf Interdependenzen zwischen den beiden Glücksspielsektoren komme es dabei nicht an. Bei einem derartig widersprüchlichen Regelungs- und Schutzkonzept sei nicht nur die Geeignetheit der Beschränkung in einem Teilsegment, sondern ihre Verhältnismäßigkeit insgesamt in den Blick zu nehmen.

7

Die Untersagungsverfügung könne auch nicht mit dem Hinweis auf die formelle Illegalität und die fehlende materielle Erlaubnisfähigkeit der Wettvermittlung aufrechterhalten werden. Eine vollständige Untersagung sei nur bei fehlender Erlaubnisfähigkeit gerechtfertigt. Außerdem stehe § 114 Satz 2 VwGO einer Berücksichtigung der nachgeschobenen Ermessenserwägungen entgegen. Diesen sei auch kein Neuerlass der Untersagungsverfügung unter konkludenter Rücknahme des Ausgangsbescheides zu entnehmen. Wegen der Rechtswidrigkeit der Untersagung könne die Zwangsgeldandrohung ebenfalls keinen Bestand haben.

8

Der Antrag, die Rechtswidrigkeit der Untersagung für die Vergangenheit festzustellen, sei zulässig und begründet. Ein berechtigtes Interesse der Klägerin an dieser Feststellung bestehe jedenfalls in Gestalt eines Rehabilitierungsinteresses. Dieses ergebe sich schon aus dem Vorwurf objektiv strafbaren Verhaltens. Im Übrigen sei ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse auch wegen des tiefgreifenden Eingriffs in die Berufsfreiheit zu bejahen, da andernfalls effektiver Rechtsschutz nicht gewährleistet sei. Auf das Vorliegen eines Präjudizinteresses komme es danach nicht an. Die Begründetheit des Fortsetzungsfeststellungsantrags ergebe sich aus den Urteilserwägungen zur Anfechtungsklage.

9

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision macht die Beteiligte geltend, der Verwaltungsgerichtshof habe zu Unrecht ein berechtigtes Feststellungsinteresse der Klägerin bejaht. Ein Rehabilitierungsinteresse scheide aus, da die Klägerin sich als juristische Person nicht strafbar machen könne. Die Untersagungsverfügung bewirke auch keinen tiefgreifenden Grundrechtseingriff, sondern erschöpfe sich in einer Berufsausübungsregelung. Materiell-rechtlich wende das Berufungsgericht das unionsrechtliche Kohärenzerfordernis unzutreffend an. Unabhängig davon werde die Untersagung auch von den nachgeschobenen Gründen getragen. Außerdem macht die Beteiligte Verfahrensmängel geltend.

10

Mit Schriftsatz vom 15. November 2012 hat die Beklagte erklärt, aus der angefochtenen Untersagungsverfügung ab dem 1. Juli 2012 keine Rechte mehr herzuleiten. Daraufhin haben die Hauptbeteiligten den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt.

11

Die Beteiligte beantragt,

das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. Januar 2012 zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 27. Januar 2009 zurückzuweisen, soweit der Rechtsstreit noch nicht - in Bezug auf die Zeit seit dem 1. Juli 2012 - in der Hauptsache erledigt ist, sowie der Klägerin die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens insgesamt aufzuerlegen.

12

Die Beklagte schließt sich dem Revisionsvorbringen der Beteiligten an, ohne einen eigenen Antrag zu stellen.

13

Die Klägerin beantragt,

die Revision mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass anstelle der Aufhebung der Untersagungsverfügung deren Rechtswidrigkeit - auch - in der Zeit von der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs bis zum 30. Juni 2012 festgestellt wird, sowie die Kosten des Revisionsverfahrens insgesamt dem Freistaat Bayern aufzuerlegen.

14

Sie verteidigt das angegriffene Urteil und meint, ein ideelles Feststellungsinteresse ergebe sich auch aus dem tiefgreifenden Eingriff in unionsrechtliche Grundfreiheiten in Verbindung mit der Garantie eines wirksamen Rechtsbehelfs nach Art. 47 Abs. 1 der Grundrechtecharta der Europäischen Union (GRC). Dazu regt die Klägerin eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union an. Für die von ihr formulierte Vorlagefrage wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift verwiesen. Ferner macht die Klägerin ein Präjudizinteresse wegen unionsrechtlicher Staatshaftungsansprüche geltend. Die formelle Illegalität ihrer Tätigkeit könne ihr nicht entgegengehalten werden, weil ihr die Erlaubnis zur Vermittlung an private Wettanbieter unionsrechtswidrig vorenthalten worden sei. Ein Verneinen des Feststellungsinteresses entwerte ihren prozessualen Aufwand und bringe sie um die Früchte des mehr als vierjährigen Verfahrens. Materiell-rechtlich hält die Klägerin den Erlaubnisvorbehalt nach § 4 Abs. 1 GlüStV für unionsrechtswidrig und die Monopolregelung für inkohärent.

Entscheidungsgründe

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Soweit die Hauptbeteiligten den Rechtsstreit mit Schriftsätzen vom 15. und 23. November 2012 übereinstimmend - bezüglich der Zeit seit dem 1. Juli 2012 - für in der Hauptsache erledigt erklärt haben, war das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Einer Zustimmung des am Verfahren beteiligten Vertreters des öffentlichen Interesses bedurfte es nicht. Im Umfang der Teilerledigung sind das erstinstanzliche und das Berufungsurteil wirkungslos geworden.

16

Im Übrigen - soweit die Klägerin begehrt, die Rechtswidrigkeit der Untersagung bis zur Entscheidung des Berufungsgerichts und darüber hinaus bis zum 30. Juni 2012 festzustellen - ist die zulässige Revision begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs verletzt revisibles Recht, weil es unzutreffend annimmt, die Klägerin habe gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit für den bereits abgelaufenen Zeitraum. Das Urteil beruht auch auf dieser Rechtsverletzung und erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 137 Abs. 1, § 144 Abs. 4 VwGO). Bei zutreffender Rechtsanwendung hätte es die Fortsetzungsfeststellungsklage für unzulässig halten müssen. Dies führt zur Änderung des Berufungsurteils und zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen - klagabweisenden - Urteils. Dem steht nicht entgegen, dass der Klagantrag umgestellt wurde.

17

1. In Bezug auf den noch verfahrensgegenständlichen, bereits abgelaufenen Zeitraum bis zum 30. Juni 2012 kann die Untersagungsverfügung nur mit der Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO angegriffen werden.

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a) Zu Recht hat der Verwaltungsgerichtshof den entsprechenden Antrag der Klägerin für die Zeit bis zur Berufungsentscheidung für statthaft gehalten, da die Untersagung sich als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung grundsätzlich fortlaufend für den jeweils abgelaufenen Zeitraum erledigt. Ein Verbot wird durch Zeitablauf gegenstandslos, weil es nicht rückwirkend befolgt oder durchgesetzt werden kann. Maßnahmen zur Vollstreckung der Untersagung schließen eine Erledigung nur aus, wenn sie bei Aufhebung der Grundverfügung noch rückgängig zu machen sind. Das ist bei der Schließung der Betriebsstätte durch unmittelbaren Zwang vom 26. Juni bis zum 8. Juli 2008 nicht der Fall.

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b) Für den Zeitraum von der Berufungsentscheidung bis zum Ablauf der Wirkung der Untersagung infolge ihrer nachträglichen Befristung zum 30. Juni 2012 hat die Klägerin ihr Anfechtungsbegehren im Revisionsverfahren zulässig auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag umgestellt. Das Verbot der Klageänderung gemäß § 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO steht nur einer Änderung des Streitgegenstandes entgegen. Es schließt jedoch nicht aus, von der Anfechtung eines Verwaltungsakts zu einem Fortsetzungsfeststellungsantrag überzugehen. Dieser Antrag ist für die Zeit bis zum 30. Juni 2012 auch statthaft, da sich die angegriffene Untersagung bis zu diesem Tag weiter fortlaufend und mit seinem Ablauf endgültig erledigt hat. Vorher ist keine endgültige Erledigung eingetreten, weil die Klägerin ihre Betriebsstätte nach der vorübergehenden polizeilichen Schließung wieder zur Vermittlung von Pferdewetten nutzte und auch die Vermittlung von Sportwetten dort jederzeit hätte wieder aufnehmen können.

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2. Zulässig ist die statthafte Fortsetzungsfeststellungsklage allerdings nur, wenn die Klägerin ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsakts hat. Ein solches Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Natur sein. Entscheidend ist, dass die gerichtliche Entscheidung geeignet ist, die Position der Klägerin in den genannten Bereichen zu verbessern (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 4. März 1976 - BVerwG 1 WB 54.74 - BVerwGE 53, 134 <137> und vom 24. Oktober 2006 - BVerwG 6 B 61.06 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 24 Rn. 3). Als Sachentscheidungsvoraussetzung muss das Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorliegen. Danach kommt es hier auf den Schluss der mündlichen Verhandlung in der Revisionsinstanz an.

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a) Für diesen Zeitpunkt lässt sich ein berechtigtes Feststellungsinteresse nicht mit einer Wiederholungsgefahr begründen. Dazu ist nicht nur die konkrete Gefahr erforderlich, dass künftig ein vergleichbarer Verwaltungsakt erlassen wird. Darüber hinaus müssen die für die Beurteilung maßgeblichen rechtlichen und tatsächlichen Umstände im Wesentlichen unverändert geblieben sein (Urteil vom 12. Oktober 2006 - BVerwG 4 C 12.04 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 23 Rn. 8 m.w.N.). Daran fehlt es hier. Die für die Beurteilung einer glücksspielrechtlichen Untersagung maßgeblichen rechtlichen Umstände haben sich mit dem Inkrafttreten des Ersten Staatsvertrages zur Änderung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 15. Dezember 2011 (BayGVBl 2012 S. 318) und dessen landesrechtlicher Umsetzung in Bayern zum 1. Juli 2012 gemäß §§ 1 und 4 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland und anderer Rechtsvorschriften vom 25. Juni 2012 (BayGVBl S. 270) grundlegend geändert. Dem steht nicht entgegen, dass der allgemeine Erlaubnisvorbehalt für die Veranstaltung und Vermittlung öffentlichen Glücksspiels nach § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV und die Ermächtigung zur Untersagung der unerlaubten Veranstaltung und Vermittlung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV fortgelten. Für die rechtliche Beurteilung einer Untersagung kommt es auch auf die Verhältnismäßigkeit des mit ihr durchgesetzten Erlaubnisvorbehalts sowie des Verbots selbst und damit auf Fragen der materiellen Erlaubnisfähigkeit des untersagten Verhaltens an (vgl. Urteil vom 1. Juni 2011 - BVerwG 8 C 2.10 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 276 Rn. 55; dazu näher unten Rn. 54 f.). Insoweit ergeben sich aus den in Bayern zum 1. Juli 2012 in Kraft getretenen, § 4 GlüStV ergänzenden Spezialregelungen betreffend die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten erhebliche Unterschiede zur früheren, bis zum 30. Juni 2012 geltenden Rechtslage. Nach § 10a Abs. 1 und 2 i.V.m. §§ 4a ff. GlüStV wird das staatliche Sportwettenmonopol - zunächst für eine Experimentierphase von sieben Jahren - durch ein Konzessionssystem ersetzt. Gemäß § 10a Abs. 3 GlüStV können bundesweit bis zu 20 Wettunternehmen eine Veranstalterkonzession erhalten. Für die Konzessionäre wird das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV, von dem ohnehin nach Absatz 5 der Vorschrift dispensiert werden darf, nach Maßgabe des § 10a Abs. 4 Satz 1 und 2 GlüStV gelockert. Die Vermittlung konzessionierter Angebote bleibt nach § 10a Abs. 5 Satz 2 GlüStV i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV erlaubnispflichtig. Die Anforderungen an die gewerbliche Spielvermittlung werden aber in § 19 i.V.m. §§ 5 bis 8 GlüStV in wesentlichen Punkten neu geregelt. So wurden die Werbebeschränkungen des § 5 GlüStV deutlich zurückgenommen (dazu im Einzelnen Beschluss vom 17. Oktober 2012 - BVerwG 8 B 47.12 - Buchholz 11 Art. 20 GG Nr. 208 Rn. 6). Andererseits enthält § 7 Abs. 1 Satz 2 GlüStV eine weitgehende Konkretisierung der zuvor nur allgemein statuierten Aufklärungspflichten. Außerdem bindet § 8 Abs. 6 GlüStV erstmals auch die Vermittler in das übergreifende Sperrsystem nach § 23 GlüStV ein. Insgesamt schließen die erheblichen Änderungen der für die materiell-rechtliche Beurteilung der Untersagung erheblichen Vorschriften es aus, von einer im Wesentlichen gleichen Rechtslage auszugehen.

22

Aus der Befristung der experimentellen Konzessionsregelung lässt sich keine konkrete Wiederholungsgefahr herleiten. Ob der Gesetzgeber das Konzessionssystem und dessen materiell-rechtliche Ausgestaltung nach Ablauf der siebenjährigen Experimentierphase auf der Grundlage der inzwischen gewonnenen Erfahrungen fortschreiben, modifizieren oder aufgeben wird, ist ungewiss. Eine Rückkehr zur alten Rechtslage ist jedenfalls nicht abzusehen.

23

b) Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ist auch nicht wegen eines Rehabilitierungsinteresses der Klägerin zu bejahen. Die gegenteilige Auffassung der Vorinstanz beruht auf der Annahme, ein solches Interesse bestehe schon wegen des Vorwurfs objektiver Strafbarkeit des untersagten Verhaltens. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.

24

Allerdings fehlt ein Rehabilitierungsinteresse nicht etwa deshalb, weil die Klägerin sich als juristische Person nicht strafbar machen kann. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob der Schutzbereich des Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG sich nach Art. 19 Abs. 3 GG insgesamt auf juristische Personen erstreckt. Sie können jedenfalls Ausprägungen dieses Rechts geltend machen, die nicht an die charakterliche Individualität und die Entfaltung der natürlichen Person anknüpfen, sondern wie das Recht am eigenen Wort oder das Recht auf Achtung des sozialen Geltungsanspruchs und auf Abwehr von Rufschädigungen auch Personengesamtheiten und juristischen Personen zustehen können (BVerfG, Beschluss vom 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96, 805/98 - BVerfGE 106, 28 <42 ff.>; BGH, Urteil vom 3. Juni 1986 - VI ZR 102/85 - BGHZ 98, 94 <97>). Die bloße Einschätzung eines Verhaltens als objektiv strafbar hat aber keinen den Betroffenen diskriminierenden Charakter und kann deshalb noch kein Rehabilitierungsinteresse auslösen.

25

Ein berechtigtes ideelles Interesse an einer Rehabilitierung besteht nur, wenn sich aus der angegriffenen Maßnahme eine Stigmatisierung des Betroffenen ergibt, die geeignet ist, sein Ansehen in der Öffentlichkeit oder im sozialen Umfeld herabzusetzen. Diese Stigmatisierung muss Außenwirkung erlangt haben und noch in der Gegenwart andauern (Beschlüsse vom 4. März 1976 a.a.O. S. 138 f. und vom 4. Oktober 2006 - BVerwG 6 B 64.06 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 36 S. 4 f.). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. In der Feststellung objektiver Strafbarkeit des untersagten Verhaltens liegt noch keine Stigmatisierung. Vielmehr erschöpft sie sich in der Aussage, die unerlaubte Veranstaltung und Vermittlung der Sportwetten erfülle den objektiven Tatbestand des § 284 Abs. 1 StGB und rechtfertige deshalb ein ordnungsbehördliches Einschreiten. Damit enthält sie kein ethisches Unwerturteil, das geeignet wäre, das soziale Ansehen des Betroffenen herabzusetzen. Diese Schwelle wird erst mit dem konkreten, personenbezogenen Vorwurf eines schuldhaft-kriminellen Verhaltens überschritten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 1952 - 1 BvR 197/53 - BVerfGE 9, 167 <171> und Urteil vom 6. Juni 1967 - 2 BvR 375, 53/60 und 18/65 - BVerfGE 22, 49 <79 f.>).

26

Einen solchen Vorwurf hat die Beklagte nach der revisionsrechtlich fehlerfreien Auslegung der Untersagungsverfügung durch die Vorinstanz hier nicht erhoben. Vielmehr bleibt offen, ob angesichts der umstrittenen und seinerzeit ungeklärten Rechtslage ein Entschuldigungsgrund in Gestalt eines unvermeidbaren Verbotsirrtums vorlag (vgl. BGH, Urteil vom 16. August 2007 - 4 StR 62/07 - NJW 2007, 3078 zur Rechtslage unter dem Lotteriestaatsvertrag). Die Einschätzung, die untersagte Tätigkeit sei objektiv strafbar, hat überdies keine Außenwirkung erlangt. Der Bescheid ist nur an die Klägerin gerichtet. Eine Weitergabe an Dritte ist weder substantiiert vorgetragen worden noch aus den Akten zu ersehen.

27

Der vorübergehenden polizeilichen Schließung des Wettlokals kam zwar Außenwirkung zu, sie hatte jedoch keinen diskriminierenden Charakter. Aus dem Vollzug einer Verwaltungsmaßnahme lässt sich nur ableiten, dass dem Betroffenen ein Verstoß gegen verwaltungsrechtliche Vorschriften und Anordnungen vorgeworfen wird. Ein solcher Vorwurf bewirkt jedoch im Gegensatz zum Vorwurf schuldhafter Verletzung von Strafgesetzen keine Stigmatisierung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 1952 a.a.O.). Sie ergibt sich hier auch nicht aus der Art und Weise der Schließung des Lokals.

28

Nachteilige Auswirkungen der Untersagung in künftigen Verwaltungsverfahren - etwa zur Erlaubniserteilung nach aktuellem Recht - sind nach der im Termin zur mündlichen Verhandlung zu Protokoll gegebenen Erklärung des Vertreters des Freistaates Bayern ebenfalls nicht zu besorgen. Danach werden Monopolverstöße dort zukünftig nicht als Anhaltspunkt für eine Unzuverlässigkeit von Konzessionsbewerbern oder Bewerbern um eine Vermittlungserlaubnis gewertet.

29

c) Entgegen dem angegriffenen Urteil lässt sich ein berechtigtes Feststellungsinteresse nicht mit dem Vorliegen eines tiefgreifenden Eingriffs in die Berufsfreiheit nach Art. 12 GG begründen. Die Annahme des Berufungsgerichts, § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO müsse wegen der Garantie effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG in diesem Sinne ausgelegt werden, trifft nicht zu. Eine Ausweitung des Tatbestandsmerkmals des berechtigten Feststellungsinteresses über die einfach-rechtlich konkretisierten Fallgruppen des berechtigten rechtlichen, ideellen oder wirtschaftlichen Interesses (aa) hinaus verlangt Art. 19 Abs. 4 GG nur bei Eingriffsakten, die sonst wegen ihrer typischerweise kurzfristigen Erledigung regelmäßig keiner gerichtlichen Überprüfung in einem Hauptsacheverfahren zugeführt werden könnten (bb). Eine weitere Ausdehnung des Anwendungsbereichs, die ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse allein wegen der Schwere des erledigten Eingriffs in Grundrechte oder Grundfreiheiten annimmt, ist auch aus Art. 47 GRC in Verbindung mit dem unionsrechtlichen Effektivitätsgebot nicht herzuleiten (cc).

30

aa) Aus dem Wortlaut des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO und dem systematischen Zusammenhang mit § 42 VwGO ergibt sich, dass die Verwaltungsgerichte nur ausnahmsweise für die Überprüfung erledigter Verwaltungsakte in Anspruch genommen werden können. Nach dem Wegfall der mit dem Verwaltungsakt verbundenen Beschwer wird gerichtlicher Rechtsschutz grundsätzlich nur zur Verfügung gestellt, wenn der Kläger ein berechtigtes rechtliches, wirtschaftliches oder ideelles Interesse an einer nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der erledigten Maßnahme hat (dazu oben Rn. 20). Das berechtigte Feststellungsinteresse geht in all diesen Fällen über das bloße Interesse an der Klärung der Rechtswidrigkeit der Verfügung hinaus. Dies gilt unabhängig von der Intensität des erledigten Eingriffs und vom Rang der Rechte, die von ihm betroffen waren.

31

bb) Die Garantie effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG differenziert ebenfalls nicht nach diesen beiden Kriterien. Sie gilt auch für einfach-rechtliche Rechtsverletzungen, die - von der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG abgesehen - kein Grundrecht tangieren, und für weniger schwerwiegende Eingriffe in Grundrechte und Grundfreiheiten. Umgekehrt gebietet die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG selbst bei tiefgreifenden Eingriffen in solche Rechte nicht, ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse anzunehmen, wenn dies nicht erforderlich ist, die Effektivität des Rechtsschutzes zu sichern.

32

Effektiver Rechtsschutz verlangt, dass der Betroffene ihn belastende Eingriffsmaßnahmen in einem gerichtlichen Hauptsacheverfahren überprüfen lassen kann. Solange er durch den Verwaltungsakt beschwert ist, stehen ihm die Anfechtungs- und die Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO zur Verfügung. Erledigt sich der Verwaltungsakt durch Wegfall der Beschwer, wird nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO Rechtsschutz gewährt, wenn der Betroffene daran ein berechtigtes rechtliches, ideelles oder wirtschaftliches Interesse hat. In den übrigen Fällen, in denen sein Anliegen sich in der bloßen Klärung der Rechtmäßigkeit des erledigten Verwaltungsakts erschöpft, ist ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse nach Art. 19 Abs. 4 GG zu bejahen, wenn andernfalls kein wirksamer Rechtsschutz gegen solche Eingriffe zu erlangen wäre. Davon ist nur bei Maßnahmen auszugehen, die sich typischerweise so kurzfristig erledigen, dass sie ohne die Annahme eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses regelmäßig keiner Überprüfung im gerichtlichen Hauptsacheverfahren zugeführt werden könnten. Maßgebend ist dabei, ob die kurzfristige, eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage ausschließende Erledigung sich aus der Eigenart des Verwaltungsakts selbst ergibt (BVerfG, Beschlüsse vom 5. Dezember 2001 - 2 BvR 527/99, 1337/00, 1777/00 - BVerfGE 104, 220 <232 f.> und vom 3. März 2004 - 1 BvR 461/03 - BVerfGE 110, 77 <86> m.w.N).

33

Glücksspielrechtliche Untersagungsverfügungen nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV zählen nicht zu den Verwaltungsakten, die sich in diesem Sinne typischerweise kurzfristig erledigen. Vielmehr sind sie als Verwaltungsakte mit Dauerwirkung (Urteil vom 1. Juni 2011 - BVerwG 8 C 2.10 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 276 Rn. 19 m.w.N.) gerade auf langfristige Geltung angelegt. Dass sie sich regelmäßig fortlaufend für den bereits zurückliegenden Zeitraum erledigen, lässt ihre gegenwärtige, sich täglich neu aktualisierende Wirksamkeit und damit auch ihre Anfechtbarkeit und Überprüfbarkeit im Hauptsacheverfahren unberührt (vgl. Gerhardt, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Januar 2012, § 113 Rn. 85 a.E.). Änderungen der Rechtslage führen ebenfalls nicht zur Erledigung. Vielmehr ist die Untersagung anhand der jeweils aktuellen Rechtslage zu prüfen. Dass ihre Anfechtung sich regelmäßig nur auf eine Aufhebung des Verbots mit Wirkung ab dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung richten kann, stellt keine Rechtsschutzbeschränkung dar. Vielmehr trägt dies dem Umstand Rechnung, dass das Verbot in der Vergangenheit keine Regelungswirkung mehr entfaltet, die aufgehoben werden könnte. Im Ausnahmefall, etwa bei einer noch rückgängig zu machenden Vollziehung der Untersagung, bleibt diese wegen ihrer Titelfunktion als Rechtsgrund der Vollziehung rückwirkend anfechtbar (Beschluss vom 25. September 2008 - BVerwG 7 C 5.08 - Buchholz 345 § 6 VwVG Nr. 1 Rn. 13; zur Vollzugsfolgenbeseitigung vgl. Urteil vom 14. März 2006 - BVerwG 1 C 11.05 - BVerwGE 125, 110 = Buchholz 402.242 § 63 AufenthG Nr. 2 Rn. 17).

34

Dass eine untypisch frühzeitige Erledigung im Einzelfall einer streitigen Hauptsacheentscheidung zuvorkommen kann, berührt Art. 19 Abs. 4 GG nicht. Die Rechtsweggarantie verbietet zwar, gesetzliche Zulässigkeitsanforderungen so auszulegen, dass ein gesetzlich eröffneter Rechtsbehelf leerläuft, weil das weitere Beschreiten des Rechtswegs unzumutbar und ohne sachliche Rechtfertigung erschwert wird (BVerfG, Beschluss vom 15. Juli 2010 - 2 BvR 1023/08 - NJW 2011, 137 m.w.N.). Einen solchen Leerlauf hat die dargestellte Konkretisierung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses aber nicht zur Folge. Ihre sachliche Rechtfertigung und die Zumutbarkeit ihrer prozessualen Konsequenzen ergeben sich daraus, dass eine großzügigere Handhabung dem Kläger mangels berechtigten rechtlichen, ideellen oder wirtschaftlichen Interesses keinen relevanten Vorteil bringen könnte und auch nicht dazu erforderlich ist, maßnahmenspezifische Rechtsschutzlücken zu vermeiden.

35

Entgegen der Auffassung der Klägerin wird deren prozessualer Aufwand mit der endgültigen Erledigung des Verfahrens, wenn kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zu bejahen ist, auch nicht entwertet. Das ursprüngliche Klageziel, die Beseitigung der Untersagung, wird infolge der zur Erledigung führenden Befristung durch das Unwirksamwerden der Verbotsverfügung mit Fristablauf erreicht. Das prozessuale Vorbringen zur Zulässigkeit und Begründetheit der Klage im Zeitpunkt der Erledigung kann sich bei der Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO zugunsten der Klägerin auswirken. Eine Hauptsacheentscheidung in jedem Einzelfall oder gar ein vollständiger Instanzenzug wird durch Art. 19 Abs. 4 GG nicht gewährleistet.

36

cc) Aus der Garantie eines wirksamen Rechtsbehelfs im Sinne des Art. 47 GRC ergibt sich keine Verpflichtung, das Merkmal des berechtigten Interesses nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO weiter auszulegen.

37

Allerdings ist nach der unionsgerichtlichen Rechtsprechung davon auszugehen, dass der sachliche Anwendungsbereich der Grundrechtecharta nach Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRC eröffnet ist, weil die Klägerin Rechtsschutz wegen einer Beschränkung ihrer Dienstleistungsfreiheit begehrt. Zur mitgliedstaatlichen Durchführung des Unionsrechts im Sinne der Vorschrift rechnet der Gerichtshof nicht nur Umsetzungsakte im Sinne eines unionsrechtlich - zumindest teilweise - determinierten Vollzugs, sondern auch mitgliedstaatliche Eingriffe in Grundfreiheiten nach Maßgabe der allgemeinen unionsrechtlichen Schrankenvorbehalte. An dieser Rechtsprechung, die vor Inkrafttreten der Charta zur Abgrenzung des Anwendungsbereichs unionsrechtlicher Grundrechte als allgemeiner Grundsätze des Unionsrechts entwickelt wurde (vgl. EuGH, Urteil vom 18. Juni 1991 - Rs. C-260/89, ERT - Slg. 1991 I-2951 ), hält der Gerichtshof weiterhin fest. Er geht von einer mitgliedstaatlichen Bindung an die Unionsgrundrechte im gesamten Anwendungsbereich des Unionsrechts aus und verweist dazu auf die Erläuterungen zu Art. 51 GRC, die nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 3 EUV, Art. 52 Abs. 7 GRC bei der Auslegung der Charta zu berücksichtigen sind (EuGH, Urteil vom 26. Februar 2013 - Rs. C-617/10, Akerberg Fransson - EuZW 2013, 302 ). Wie diese Abgrenzungsformel im Einzelnen zu verstehen ist, inwieweit bei ihrer Konkretisierung grammatische und entstehungsgeschichtliche Anhaltspunkte für eine bewusste Begrenzung des Anwendungsbereichs durch Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRC maßgeblich und welche Folgerungen aus kompetenzrechtlichen Grenzen zu ziehen sind (vgl. dazu BVerfG, Urteil vom 24. April 2013 - 1 BvR 1215/07 - NJW 2013, 1499 Rn. 88 und 90; zur Entstehungsgeschichte Borowsky, in: Meyer, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 3. Aufl. 2011, S. 643 ff.), bedarf hier keiner Klärung. Geht man von der Anwendbarkeit des Art. 47 GRC aus, ist dieser jedenfalls nicht verletzt.

38

Mit der Verpflichtung, einen wirksamen Rechtsbehelf gegen Rechtsverletzungen zur Verfügung zu stellen, konkretisiert Art. 47 Abs. 1 GRC den allgemeinen unionsrechtlichen Grundsatz effektiven Rechtsschutzes (dazu vgl. EuGH, Urteil vom 22. Dezember 2010 - Rs. C-279/09, DEB - EuZW 2011, 137 und Beschluss vom 13. Juni 2012 - Rs. C-156/12, GREP - juris ). Er hindert den mitgliedstaatlichen Gesetzgeber aber nicht, für die Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs ein qualifiziertes Interesse des Klägers zu fordern und diese Anforderung im Sinne der soeben unter aa) und bb) (Rn. 30 und 31 ff.) dargelegten Kriterien zu konkretisieren.

39

Wie sich aus den einschlägigen unionsgerichtlichen Entscheidungen ergibt, bleibt es grundsätzlich den Mitgliedstaaten überlassen, im Rahmen der Ausgestaltung ihres Prozessrechts die Klagebefugnis und das Rechtsschutzinteresse des Einzelnen zu normieren. Begrenzt wird das mitgliedstaatliche Ermessen bei der Regelung solcher Zulässigkeitsvoraussetzungen durch das unionsrechtliche Äquivalenzprinzip, den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das Effektivitätsgebot (EuGH, Urteile vom 11. Juli 1991 - Rs. C-87/90 u.a., Verholen u.a. ./. Sociale Verzekeringsbank - Slg. 1991 I-3783 und vom 16. Juli 2009 - Rs. C-12/08, Mono Car Styling ./. Dervis Odemis u.a. - Slg. 2009 I-6653 ; Beschluss vom 13. Juni 2012 a.a.O. ).

40

Das Äquivalenzprinzip verlangt eine Gleichwertigkeit der prozessrechtlichen Bedingungen für die Durchsetzung von Unionsrecht und mitgliedstaatlichem Recht (EuGH, Urteil vom 13. März 2007 - Rs. C-432/05, Unibet ./. Justitiekansler - Slg. 2005 I-2301 ). Es ist hier nicht betroffen, weil die dargelegte verfassungskonforme Konkretisierung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO nicht danach unterscheidet, ob eine Verletzung von Unions- oder mitgliedstaatlichem Recht geltend gemacht wird.

41

Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verbietet eine Zulässigkeitsregelung, die das Recht auf Zugang zum Gericht in seinem Wesensgehalt selbst beeinträchtigt, ohne einem unionsrechtlich legitimen Zweck zu dienen und im Verhältnis dazu angemessen zu sein (EuGH, Urteil vom 22. Dezember 2010 a.a.O. und Beschluss vom 13. Juni 2012 a.a.O. ). Hier fehlt schon eine den Wesensgehalt des Rechts selbst beeinträchtigende Rechtswegbeschränkung. Sie liegt vor, wenn dem Betroffenen der Zugang zum Gericht trotz einer Belastung durch die beanstandete Maßnahme verwehrt wird, weil die fragliche Regelung für den Zugang zum Recht ein unüberwindliches Hindernis aufrichtet (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Dezember 2010 a.a.O. ; Beschluss vom 13. Juni 2012 a.a.O. ). Danach kommt es - nicht anders als nach der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 19 Abs. 4 GG - maßgeblich darauf an, dass der Betroffene eine ihn belastende Eingriffsmaßnahme gerichtlich überprüfen lassen kann. Das war hier gewährleistet, da die Untersagungsverfügung bis zu ihrer endgültigen Erledigung angefochten werden konnte und § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO eine Fortsetzungsfeststellung ermöglichte, soweit diese noch zur Abwendung fortwirkender Nachteile von Nutzen sein konnte. Dass die Vorschrift keinen darüber hinausgehenden Anspruch auf eine Fortsetzung des Prozesses nur zum Zweck nachträglicher Rechtsklärung vorsieht, widerspricht nicht dem Wesensgehalt der Garantie eines wirksamen Rechtsbehelfs. Unabhängig davon wäre selbst eine Beeinträchtigung des Rechts in seinem Wesensgehalt verhältnismäßig. Sie wäre geeignet, erforderlich und angemessen, die Prozessökonomie zur Verwirklichung des unionsrechtlich legitimen Ziels zügigen, effektiven Rechtsschutzes für alle Rechtssuchenden zu wahren.

42

Das Effektivitätsgebot ist ebenfalls nicht verletzt. Es fordert eine Ausgestaltung des mitgliedstaatlichen Rechts, die die Ausübung unionsrechtlich gewährleisteter Rechte nicht praktisch unmöglich macht oder unzumutbar erschwert (EuGH, Urteile vom 11. Juli 1991 a.a.O. und vom 13. März 2007 a.a.O. ). Bezogen auf die mitgliedstaatliche Regelung prozessualer Zulässigkeitsvoraussetzungen ergibt sich daraus, dass den Trägern unionsrechtlich begründeter Rechte gerichtlicher Rechtsschutz zur Verfügung stehen muss, der eine wirksame Kontrolle jeder Rechtsverletzung und damit die Durchsetzbarkeit des betroffenen Rechts gewährleistet. Diese Anforderungen gehen nicht über die aus Art. 19 Abs. 4 GG herzuleitende Gewährleistung einer gerichtlichen Überprüfbarkeit jedes Eingriffs in einem Hauptsacheverfahren hinaus. Insbesondere lässt sich aus dem Effektivitätsgebot keine Verpflichtung herleiten, eine Fortsetzung der gerichtlichen Kontrolle nach Erledigung des Eingriffs unabhängig von einem rechtlichen, ideellen oder wirtschaftlichen Nutzen für den Kläger allein unter dem Gesichtspunkt eines abstrakten Rechtsklärungsinteresses vorzusehen (vgl. die Schlussanträge des Generalanwalts Tesauro, in: - Rs. C-83/91, Meilicke/ADV/ORGA AG - vom 8. April 1992, Slg. 1992 I-4897 ). Das gilt erst recht, wenn die Maßnahme bereits Gegenstand einer gerichtlichen Hauptsacheentscheidung war und sich erst im Rechtsmittelverfahren erledigt hat.

43

An der Richtigkeit dieser Auslegung des Art. 47 Abs. 1 GRC und des unionsrechtlichen Grundsatzes effektiven Rechtsschutzes bestehen unter Berücksichtigung der zitierten unionsgerichtlichen Rechtsprechung keine ernsthaften Zweifel im Sinne der acte-clair-Doktrin (EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - Rs. C-283/81, C.I.L.F.I.T. u.a. -, Slg. 1982, S. 3415 ). Die von der Klägerin angeregte Vorlage an den Gerichtshof ist deshalb nach Art. 267 Abs. 3 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nicht geboten.

44

d) Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ergibt sich schließlich nicht aus der Präjudizwirkung der beantragten Feststellung für den von der Klägerin angestrebten Staatshaftungsprozess. Auch das Berufungsgericht hat das nicht angenommen. Ein Präjudizinteresse kann nur bestehen, wenn die beabsichtigte Geltendmachung von Staatshaftungsansprüchen nicht offensichtlich aussichtslos ist. Bei der Prüfung dieses Ausschlusskriteriums ist ein strenger Maßstab anzulegen. Die Wahrscheinlichkeit eines Misserfolgs im zivilgerichtlichen Haftungsprozess genügt nicht. Offensichtlich aussichtslos ist eine Staatshaftungsklage jedoch, wenn der geltend gemachte Anspruch unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt besteht und dies sich ohne eine ins Einzelne gehende Würdigung aufdrängt (Urteile vom 14. Januar 1980 - BVerwG 7 C 92.79 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 95 S. 27, vom 29. April 1992 - BVerwG 4 C 29.90 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 247 S. 90 und vom 8. Dezember 1995 - BVerwG 8 C 37.93 - BVerwGE 100, 83 <92> = Buchholz 454.11 WEG Nr. 7). Der Verwaltungsprozess muss nicht zur Klärung öffentlich-rechtlicher Vorfragen der Staatshaftung fortgeführt werden, wenn der Kläger daraus wegen offenkundigen Fehlens anderer Anspruchsvoraussetzungen keinen Nutzen ziehen könnte. Hier drängt sich schon ohne eine detaillierte Würdigung auf, dass der Klägerin selbst bei Rechtswidrigkeit der Untersagung keine staatshaftungsrechtlichen Ansprüche zustehen.

45

Die Voraussetzungen der Amtshaftung gemäß Art. 34 Satz 1 GG, § 839 BGB oder des unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs (zu dessen Herleitung vgl. EuGH, Urteil vom 19. November 1991 - Rs. C-6/90 und 9/90, Francovich u.a. - Slg. 1991 I-5357 ) liegen ersichtlich nicht vor, ohne dass es insoweit einer ins Einzelne gehenden Prüfung bedürfte. Weitere Anspruchsgrundlagen kommen nicht in Betracht.

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aa) Für den Zeitraum vom Erlass der Untersagung bis zum Ergehen der unionsgerichtlichen Urteile zu den deutschen Sportwettenmonopolen (EuGH, Urteile vom 8. September 2010 - Rs. C-316/07 u.a., Markus Stoß u.a. - Slg. 2010 I-8069, - Rs. C-46/08, Carmen Media Group - Slg. 2010 I-8175 und - Rs. C-409/06, Winner Wetten - Slg. 2010 I-8041) scheidet ein Amtshaftungsanspruch aus, weil den Amtswaltern selbst bei Rechtswidrigkeit der zur Begründung der Untersagung herangezogenen Monopolregelung keine schuldhaft fehlerhafte Rechtsanwendung zur Last zu legen ist. Die unionsrechtliche Staatshaftung greift für diesen Zeitraum nicht ein, da ein etwaiger Verstoß gegen das Unionsrecht nicht hinreichend qualifiziert war.

47

(1) Einem Amtswalter ist auch bei fehlerhafter Rechtsanwendung regelmäßig kein Verschulden im Sinne des § 839 BGB vorzuwerfen, wenn seine Amtstätigkeit durch ein mit mehreren rechtskundigen Berufsrichtern besetztes Kollegialgericht aufgrund einer nicht nur summarischen Prüfung als objektiv rechtmäßig angesehen wird (Urteil vom 17. August 2005 - BVerwG 2 C 37.04 - BVerwGE 124, 99 <105 ff.> = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 32; BGH, Urteil vom 6. Februar 1986 - III ZR 109/84 - BGHZ 97, 97 <107>). Das Verwaltungsgericht hat die angegriffene Untersagungsverfügung im Hauptsacheverfahren - unabhängig von der Wirksamkeit und Anwendbarkeit des Monopols - für rechtmäßig gehalten. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bejahte seinerzeit in ständiger Rechtsprechung die Vereinbarkeit des Sportwettenmonopols mit höherrangigem Recht sowie die Rechtmäßigkeit darauf gestützter Untersagungen unerlaubter Wettvermittlung (vgl. VGH München, Urteile vom 18. Dezember 2008 - 10 BV 07.558 - ZfWG 2009, 27 und - 10 BV 07.774/775 - juris). Er hat diese Auffassung erst im Hinblick auf die im Herbst 2010 veröffentlichten Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union zu den deutschen Sportwettenmonopolen vom 8. September 2010 (a.a.O.) sowie die daran anknüpfenden Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. November 2010 (BVerwG 8 C 14.09 - BVerwGE 138, 201 = Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 272, - BVerwG 8 C 15.09 - NWVBl 2011, 307 sowie - BVerwG 8 C 13.09 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 273) in einer Eilentscheidung im Frühjahr 2011 aufgegeben (VGH München, Beschluss vom 21. März 2011 - 10 AS 10.2499 - ZfWG 2011, 197 = juris Rn. 24 ff.). Die Orientierung an der berufungsgerichtlichen Rechtsprechung kann den Amtswaltern auch nicht etwa vorgeworfen werden, weil die kollegialgerichtlichen Entscheidungen bis Ende 2010 - für sie erkennbar - von einer schon im Ansatzpunkt völlig verfehlten rechtlichen Betrachtung ausgegangen wären (zu diesem Kriterium vgl. BVerwG, Urteil vom 17. August 2005 a.a.O. S. 106 f.). Hinreichend geklärt war ein etwaiger Verstoß gegen unionsrechtliche Vorgaben jedenfalls nicht vor Ergehen der zitierten unionsgerichtlichen Entscheidungen (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2012 - III ZR 196/11 - EuZW 2013, 194 ), die durch die nachfolgenden Urteile des Senats in Bezug auf das bayerische Monopol konkretisiert wurden. Der Gerichtshof stellte seinerzeit erstmals klar, dass die Verhältnismäßigkeit im unionsrechtlichen Sinn nicht nur eine kohärente Ausgestaltung des jeweiligen Monopolbereichs selbst, sondern darüber hinaus eine Kohärenz auch zwischen den Regelungen verschiedener Glücksspielsektoren fordert. Außerdem präzisierte er die Grenzen zulässiger, nicht auf Expansion gerichteter Werbung für die besonders umstrittene Imagewerbung.

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(2) Im Zeitraum bis zum Herbst 2010 fehlt es auch an einem hinreichend qualifizierten Rechtsverstoß, wie er für die unionsrechtliche Staatshaftung erforderlich ist. Diese setzt eine erhebliche und gleichzeitig offenkundige Verletzung des Unionsrechts voraus. Maßgeblich dafür sind unter anderem das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift, der Umfang des durch sie belassenen Ermessensspielraums und die Frage, ob Vorsatz bezüglich des Rechtsbruchs oder des Zufügens des Schadens vorlag, sowie schließlich, ob ein Rechtsirrtum entschuldbar war (EuGH, Urteil vom 5. März 1996 - Rs. C-46 und 48/93, Brasserie du Pêcheur und Factortame - Slg. 1996 I-1029 ). Nach diesen Kriterien kann zumindest bis zu den zitierten Entscheidungen des Gerichtshofs von einer offenkundigen erheblichen Verletzung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit durch die Monopolregelung nicht die Rede sein. Mangels Harmonisierung des Glücksspielbereichs stand den Mitgliedstaaten ein weites Regelungsermessen zur Verfügung. Seine durch die Grundfreiheiten gezogenen Grenzen waren jedenfalls bis zur unionsgerichtlichen Konkretisierung der intersektoralen Kohärenz nicht so genau und klar bestimmt, dass ein etwaiger Rechtsirrtum unentschuldbar gewesen wäre.

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bb) Für den anschließenden Zeitraum bis zur endgültigen Erledigung der angegriffenen Untersagung am 30. Juni 2012 bedarf es keiner Prüfung, ob eine schuldhaft fehlerhafte Rechtsanwendung der Behörden oder ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen das Unionsrecht zu bejahen ist. Jedenfalls fehlt offensichtlich die erforderliche Kausalität zwischen einer etwaigen Rechtsverletzung und dem möglicherweise geltend zu machenden Schaden. Das ergibt sich schon aus den allgemeinen Grundsätzen zur Kausalität von fehlerhaften Ermessensentscheidungen für einen etwaigen Schaden.

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(1) Die Amtshaftung setzt gemäß § 839 BGB voraus, dass der Schaden durch das schuldhaft rechtswidrige Handeln des Amtsträgers verursacht wurde. Bei Ermessensentscheidungen ist das zu verneinen, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass auch bei fehlerfreier Rechtsanwendung dieselbe zum Schaden führende Entscheidung getroffen worden wäre (BGH, Beschlüsse vom 21. Januar 1982 - III ZR 37/81 - VersR 1982, 275 und vom 30. Mai 1985 - III ZR 198/84 - VersR 1985, 887 f.; Vinke, in: Soergel, Bürgerliches Gesetzbuch, Bd. 12, Stand: Sommer 2005, § 839 Rn. 176, zur Unterscheidung von der Figur rechtmäßigen Alternativverhaltens vgl. ebd. Rn. 178).

51

Die unionsrechtliche Staatshaftung greift nur bei einem unmittelbaren Kausalzusammenhang zwischen der hinreichend qualifizierten Unionsrechtsverletzung und dem Schaden ein. Diese unionsrechtlich vorgegebene Haftungsvoraussetzung ist im mitgliedstaatlichen Recht umzusetzen (EuGH, Urteil vom 5. März 1996 a.a.O. ). Sie ist erfüllt, wenn ein unmittelbarer ursächlicher und adäquater Zusammenhang zwischen dem hinreichend qualifizierten Unionsrechtsverstoß und dem Schaden besteht (BGH, Urteil vom 24. Oktober 1996 - III ZR 127/91 - BGHZ 134, 30 <39 f.>; Papier, in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 2009, § 839 Rn. 101). Bei Ermessensentscheidungen ist dieser Kausalzusammenhang nicht anders zu beurteilen als in den Fällen der Amtshaftung. Er fehlt, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Schaden auch bei rechtsfehlerfreier Ermessensausübung eingetreten wäre.

52

Nach beiden Anspruchsgrundlagen käme daher eine Haftung nur in Betracht, wenn feststünde, dass der Schaden bei rechtmäßiger Ermessensausübung vermieden worden wäre. Das ist für den noch offenen Zeitraum vom Herbst 2010 bis zum 30. Juni 2012 offenkundig zu verneinen. In dieser Zeit war eine Untersagung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV zur Durchsetzung des glücksspielrechtlichen Erlaubnisvorbehalts nach § 4 Abs. 1 GlüStV ermessensfehlerfrei gemäß Art. 40 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) möglich. Es steht auch nicht fest, dass die Beklagte in Kenntnis dieser Befugnis von einer Untersagung abgesehen hätte.

53

(2) Der Erlaubnisvorbehalt selbst war unabhängig von der Rechtmäßigkeit des Sportwettenmonopols verfassungskonform (BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. Oktober 2008 - 1 BvR 928/08 - NVwZ 2008, 1338 ; BVerwG, Urteil vom 24. November 2010 - BVerwG 8 C 13.09 - a.a.O. Rn. 73, 77 ff.) und verstieß auch nicht gegen Unionsrecht. Er diente nicht allein dem Schutz des Monopols, sondern auch unabhängig davon den verfassungs- wie unionsrechtlich legitimen Zielen des Jugend- und Spielerschutzes und der Kriminalitätsbekämpfung. Das in Art. 2 des Bayerischen Gesetzes zur Ausführung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (BayAGGlüStV) näher geregelte Erlaubnisverfahren ermöglichte die präventive Prüfung, ob unter anderem die für die Tätigkeit erforderliche persönliche Zuverlässigkeit vorlag (Art. 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BayAGGlüStV) und die in Art. 2 Abs. 1 BayAGGlüStV in Bezug genommenen Anforderungen des Jugend- und Spielerschutzes nach §§ 4 ff. GlüStV sowie die besonderen Regelungen der gewerblichen Vermittlung und des Vertriebs von Sportwetten nach §§ 19, 21 GlüStV beachtet wurden. Diese gesetzlichen Anforderungen waren im Hinblick auf das damit verfolgte Ziel verhältnismäßig und angemessen (Urteil vom 24. November 2010 - BVerwG 8 C 13.09 - a.a.O. Rn. 80 f., 83). Darüber hinaus waren sie hinreichend bestimmt, transparent und nicht diskriminierend. Gegen etwa rechtswidrige Ablehnungsentscheidungen standen wirksame Rechtsbehelfe zur Verfügung (zu diesen Anforderungen vgl. EuGH, Urteile vom 9. September 2010 - Rs. C-64/08, Engelmann - Slg. 2010 I-8219 , vom 19. Juli 2012 - Rs. C-470/11, SIA Garkalns - NVwZ 2012, 1162 sowie vom 24. Januar 2013 - Rs. C-186/11 und C-209/11, Stanleybet Int. Ltd. u.a. - ZfWG 2013, 95 ).

54

(3) Weil die Klägerin nicht über die erforderliche Erlaubnis für die Veranstaltung und die Vermittlung der von ihr vertriebenen Sportwetten verfügte, war der Tatbestand der Untersagungsermächtigung offenkundig erfüllt. Art. 40 BayVwVfG ließ auch eine Ermessensausübung im Sinne einer Untersagung zu. Sie entsprach dem Zweck der Norm, da die Untersagungsermächtigung dazu diente, die vorherige behördliche Prüfung der Erlaubnisfähigkeit der beabsichtigten Gewerbetätigkeit zu sichern und damit die mit einer unerlaubten Tätigkeit verbundenen Gefahren abzuwehren. Die Rechtsgrenzen des Ermessens schlossen ein Verbot ebenfalls nicht aus. Insbesondere verpflichtete das Verhältnismäßigkeitsgebot die Beklagte nicht, von einer Untersagung abzusehen und die formell illegale Tätigkeit zu dulden. Das wäre nur anzunehmen, wenn die formell illegale Tätigkeit die materiellen Erlaubnisvoraussetzungen - mit Ausnahme der möglicherweise rechtswidrigen Monopolvorschriften - erfüllte und dies für die Untersagungsbehörde im Zeitpunkt ihrer Entscheidung offensichtlich, d.h. ohne weitere Prüfung erkennbar war. Dann war die Untersagung nicht mehr zur Gefahrenabwehr erforderlich. Verbleibende Unklarheiten oder Zweifel an der Erfüllung der nicht monopolabhängigen Erlaubnisvoraussetzungen rechtfertigten dagegen ein Einschreiten. In diesem Fall war die Untersagung notwendig, die Klärung im Erlaubnisverfahren zu sichern und zu verhindern, dass durch die unerlaubte Tätigkeit vollendete Tatsachen geschaffen und ungeprüfte Gefahren verwirklicht wurden.

55

Aus dem Urteil des Senats vom 1. Juni 2011 (BVerwG 8 C 2.10 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 276 Rn. 55; vgl. die Parallelentscheidungen vom selben Tag - BVerwG 8 C 4.10 - ZfWG 2011, 341 und Urteile vom 11. Juli 2011 - BVerwG 8 C 11.10 und BVerwG BVerwG 8 C 12.10 - je juris Rn. 53) ergibt sich nichts anderes. Die dortige Formulierung, der Erlaubnisvorbehalt rechtfertige eine vollständige Untersagung nur bei Fehlen der Erlaubnisfähigkeit, mag Anlass zu Missverständnissen gegeben haben. Sie ist aber nicht als Verschärfung der Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit präventiver Untersagungen zu verstehen und behauptet keine Pflicht der Behörde, eine unerlaubte Tätigkeit bis zur Klärung ihrer Erlaubnisfähigkeit zu dulden. Das ergibt sich schon aus dem Zusammenhang der zitierten Formulierung mit der unmittelbar daran anschließenden Erwägung, bei Zweifeln hinsichtlich der Beachtung von Vorschriften über die Art und Weise der Gewerbetätigkeit kämen zunächst Nebenbestimmungen in Betracht. Dies beschränkt die Durchsetzbarkeit des glücksspielrechtlichen Erlaubnisvorbehalts nicht auf Fälle, in denen bereits feststeht, dass die materielle Erlaubnisfähigkeit endgültig und unbehebbar fehlt. Hervorgehoben wird nur, dass eine vollständige Untersagung unverhältnismäßig ist, wenn Nebenbestimmungen ausreichen, die Legalität einer im Übrigen offensichtlich erlaubnisfähigen Tätigkeit zu sichern. Das setzt zum einen den Nachweis der Erlaubnisfähigkeit im Übrigen und zum anderen einen Erlaubnisantrag voraus, da Nebenbestimmungen sonst nicht erlassen werden können. Solange nicht offensichtlich ist, dass die materielle Legalität vorliegt oder jedenfalls allein mit Nebenbestimmungen gesichert werden kann, bleibt die Untersagung zur Gefahrenabwehr erforderlich. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus dem vom Verwaltungsgerichtshof angeführten Urteil vom 24. November 2010 (BVerwG 8 C 13.09 a.a.O. ). Es erkennt eine Reduzierung des Untersagungsermessens zulasten des Betroffenen an, wenn feststeht, dass dessen unerlaubte Tätigkeit wesentliche Erlaubnisvoraussetzungen nicht erfüllt. Damit bietet es jedoch keine Grundlage für den - unzulässigen - Umkehrschluss, nur in diesem Fall sei eine Untersagung verhältnismäßig.

56

Die unionsgerichtliche Rechtsprechung, nach der gegen den Betroffenen keine strafrechtlichen Sanktionen wegen des Fehlens einer unionsrechtswidrig vorenthaltenen oder verweigerten Erlaubnis verhängt werden dürfen (EuGH, Urteile vom 6. März 2007 - Rs. C-338/04, Placanica u.a. - Slg. 2007 I-1932 sowie vom 16. Februar 2002 - Rs. C-72/10 und C-77/10, Costa und Cifone - EuZW 2012 275 ), schließt eine ordnungsrechtliche präventive Untersagung bis zur Klärung der - monopolunabhängigen - Erlaubnisfähigkeit ebenfalls nicht aus. Insbesondere verlangt das Unionsrecht selbst bei Rechtswidrigkeit des Monopols keine - und erst recht keine sofortige - Öffnung des Markts für alle Anbieter ohne jede präventive Kontrolle. Vielmehr steht es dem Mitgliedstaat in einer solchen Situation frei, das Monopol zu reformieren oder sich für eine Liberalisierung des Marktzugangs zu entscheiden. In der Zwischenzeit ist er lediglich verpflichtet, Erlaubnisanträge privater Anbieter nach unionsrechtskonformen Maßstäben zu prüfen und zu bescheiden (EuGH, Urteil vom 24. Januar 2013 - Rs. C-186/11 u. a., Stanleybet Int. Ltd. u.a. - a.a.O. ). Einen Anspruch auf Duldung einer unerlaubten Tätigkeit vermittelt das Unionsrecht auch bei Unanwendbarkeit der Monopolregelung nicht.

57

Keiner näheren Prüfung bedarf die Verhältnismäßigkeit der Durchsetzung des Erlaubnisvorbehalts für den Fall, dass die Betroffenen keine Möglichkeit hatten, eine Erlaubnis zu erlangen. Der Freistaat Bayern hat nämlich die Entscheidungen des Gerichtshofs vom 8. September 2010 zum Anlass genommen, das Erlaubnisverfahren nach Art. 2 BayAGGlüStV für private Anbieter und die Vermittler an diese zu öffnen. Entgegen der Auffassung der Klägerin bot diese Regelung in Verbindung mit den Vorschriften des Glücksspielstaatsvertrages eine ausreichende gesetzliche Grundlage für die Durchführung eines Erlaubnisverfahrens. Die Zuständigkeit der Regierung der Oberpfalz ergab sich aus Art. 2 Abs. 4 Nr. 3 BayAGGlüStV. Der möglichen Rechtswidrigkeit des Sportwettenmonopols war durch Nichtanwenden der Monopol- und monopolakzessorischen Regelungen Rechnung zu tragen. Die gesetzlich normierten materiell-rechtlichen Anforderungen an das Wettangebot und dessen Vermittlung ließen sich entsprechend auf das Angebot privater Wettunternehmer und dessen Vertrieb anwenden. Einzelheiten, etwa die Richtigkeit der Konkretisierung einer solchen entsprechenden Anwendung in den im Termin zur mündlichen Verhandlung angesprochenen, im Verfahren BVerwG 8 C 15.12 vorgelegten Checklisten sowie die Frage, ob und in welcher Weise private Anbieter in das bestehende Spielersperrsystem einzubeziehen waren, müssen hier nicht erörtert werden. Aus verfassungs- und unionsrechtlicher Sicht genügt es, dass eine grundrechts- und grundfreiheitskonforme Anwendung der Vorschriften mit der Folge einer Erlaubniserteilung an private Anbieter und deren Vermittler möglich war und dass diesen gegen etwa rechtsfehlerhafte Ablehnungsentscheidungen effektiver gerichtlicher Rechtsschutz zur Verfügung stand. Der vom Berufungsgericht hervorgehobene Umstand, eine Erlaubniserteilung sei bisher nicht bekannt geworden, ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht zwangsläufig auf systematische Rechtsverstöße zurückzuführen. Er kann sich auch daraus ergeben haben, dass in den zur Kenntnis des Berufungsgerichts gelangten Fällen mindestens eine wesentliche und auch nicht durch Nebenbestimmungen zu sichernde Erlaubnisvoraussetzung fehlte.

58

(4) Im vorliegenden Falle war die materielle Erlaubnisfähigkeit der unerlaubten Tätigkeit für die Behörde der Beklagten im Zeitpunkt ihrer Entscheidung nicht offensichtlich. Vielmehr war für sie nicht erkennbar, inwieweit die gewerbliche Sportwettenvermittlung der Klägerin den ordnungsrechtlichen Anforderungen insbesondere des Jugend- und des Spielerschutzes genügte. Die Klägerin hatte dazu keine aussagekräftigen Unterlagen vorgelegt, sondern meinte, ihre unerlaubte Tätigkeit müsse aus unionsrechtlichen Gründen hingenommen werden.

59

Nach der Verwaltungspraxis der Beklagten ist auch nicht festzustellen, dass diese die unerlaubte Tätigkeit in Kenntnis der Möglichkeit einer rechtsfehlerfreien Untersagung geduldet hätte.

60

cc) Weitere Anspruchsgrundlagen für eine Staatshaftung kommen nicht in Betracht. Eine über die Amtshaftung und den unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch hinausgehende Haftung für eine rechtswidrige Inanspruchnahme als Störer sieht das bayerische Landesrecht nicht vor (vgl. Art. 70 ff. des Polizeiaufgabengesetzes - BayPAG).

61

e) Andere Umstände, aus denen sich ein berechtigtes Feststellungsinteresse der Klägerin ergeben könnte, sind nicht erkennbar.

Tenor

I.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

II.

Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Berufungsverfahrens.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger begehren die Zulassung eines Bürgerbegehrens zum Thema „Kein Europäisches Zentrum für den Islam in München (ZIE-M)“.

Die Fragestellung des Bürgerbegehrens lautet: „Sind Sie dafür, dass in München kein Europäisches Zentrum für den Islam (ZIE-M) gebaut wird und dass die Stadt München deshalb alle Planungen zur Errichtung eines Islamischen Zentrums in München (ZIE-M) stoppt?“.

Die dem Bürgerbegehren auf dem Unterschriftsblatt beigefügten „Begründungen“ lauten wie folgt (Hervorhebungen im Original):

1. Bauherr des geplanten Zentrums ist ZIE-M e.V. Der erste Vorsitzende Imam Bajrambejamin Idriz und die zweite stellvertretende Vorsitzende Gönül Yerli sind beide leitend tätig in der Islamischen Gemeinde Penzberg (IGP). Die IGP wird seit 2007 vom Verfassungsschutz überwacht, laut Verfassungsschutzbericht steht die IGP in Verbindung mit Fundamentalisten der Islamischen Gemeinde Milli Görus (IGMG). Imam Idriz führte laut abgehörter Telefonate Anweisungen des fundamentalistischen Muslimbruders Ibrahim el-Zayat aus. Imam Idriz hat zudem nachweislich mehrfach die Unwahrheit gesagt, wenn es um den Koran und die Scharia ging. Auch der Bayerische Innenminister Joachim Herrmann bestätigt: „Imam Idriz lügt“ (Münchner Merkur, 24.7.2010). ZIE-M e.V. ist daher als Bauherr nicht akzeptabel.

2. Laut Informationsbroschüre des Sozialreferates der Stadt München „Muslimisches Leben in München“, Ausgabe April 2005, besuchen etwa 4.500 Muslime das Freitagsgebet (0,33% der Bevölkerung), laut www.moscheesuche.de sind es ca. 7.500 Muslime (0,59% der Bevölkerung). Hierzu stehen über 40 Moscheen im Stadtgebiet verteilt zur Verfügung und es besteht bereits ein islamisches Zentrum in Freimann. Die Notwendigkeit für einen weiteren islamischen Bau mit über 6000 qm Fläche ist daher nicht nachvollziehbar.

3. Das geplante Zentrum für den Islam in Europa mit Gemeindehaus, Akademie, Moschee, evtl. Minarett, Bibliothek und Museum wird ein erhebliches Verkehrsaufkommen in der Innenstadt nach sich ziehen.

4. Für eine erfolgreiche Integration ist die strikte Trennung von Staat und Religion oberstes Gebot. Ein islamisch orientiertes Zentrum kann für die Integration in die bayerische Kulturgemeinschaft hinderlich sein. Es wäre deshalb sinnvoll, staatliche Stellen ohne religiöse Einflussnahme für Integrationsmaßnahmen zu schaffen, die nicht nur einer kleinen religiösen Gruppe, sondern ALLEN Zuwanderern zugutekommen.

5. Im geplanten ZIE-M ist auch die Ausbildung von Imamen vorgesehen. Eine solche Ausbildung sollte jedoch unbedingt an einer staatlichen Hochschule und nicht in einem islamischen Zentrum stattfinden, deren Initiatoren durch den Verfassungsschutz beobachtet werden.

6. Der Bau des ZIE-M soll durch eine Spende in Höhe von ca. 30 Mio. Euro durch den Emir von Schardscha, einem Scharia-Staat (Scharia: religiös legitimiertes Gesetz des Islam), mitfinanziert werden. Der Stadtrat hat in seinem Antrag einen finanziellen Zuschuss durch den Freistaat angeregt, was abzulehnen ist. Nicht geklärt sind auch die Folge- bzw. Unterhaltskosten des Projektes, daher ist zu befürchten, dass die laufenden Kosten durch die Bürger in Bayern beglichen werden müssen.

Auf den Unterschriftenlisten werden gemäß Art. 18a Abs. 4 GO als Vertreter der Kläger zu 2 und als zweiter Vertreter der Kläger zu 1 genannt, jeweils mit dem Zusatz „München“, angeführt. Die Vertreter werden u. a. ermächtigt, zur Begründung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens Änderungen vorzunehmen, soweit diese nicht den Kern des Antrags berühren. Weiter heißt es dort: „Sollten Teile des Begehrens unzulässig sein oder sich erledigen, so gilt meine Unterschrift weiterhin für die verbleibenden Teile.“ Auf der Rückseite der Unterschriftslisten befindet sich der Vermerk: „Liste bitte senden an: DIE FREIHEIT, Postfach 1355, 82181 Gröbenzell“.

Im September 2014 reichten die Kläger das Bürgerbegehren mit ca. 66.400 Unterstützerunterschriften bei der Beklagten ein.

Mit Bescheid vom 6. Oktober 2014 wies die Beklagte das Bürgerbegehren als unzulässig zurück. Das gem. Art. 18a Abs. 6 GO erforderliche Unterschriftenquorum von mindestens 32.736 Bürgern sei zwar erreicht worden, das Bürgerbegehren entspreche aber nicht den sonstigen gesetzlichen Anforderungen. Die Vertreter des Bürgerbegehrens müssten gem. Art. 18a Abs. 4 GO eindeutig identifizierbar sein, wozu regelmäßig die Angabe der Anschrift erforderlich sei. Die Angabe „München“ reiche dazu nicht aus, da zum 18. September 2014 sechs Personen mit dem Namen des Klägers zu 2 in München gemeldet gewesen und weitere drei Personen dieses Namens im Zeitraum der Unterschriftensammlung aus München weggezogen seien. Die Identifizierbarkeit werde auch nicht durch die Angabe einer Postfachadresse der Partei Die Freiheit (Landesverband Bayern) und durch einen Link auf die Webseite des Bayerischen Landesverbandes hergestellt. In der Begründung würden auch unrichtige Tatsachenbehauptungen aufgestellt. Für unbefangene Bürger ergebe sich aus den unter Nr. 1 und 5 gemachten Aussagen, dass wesentliche Personen des Vereins ZIE-M e.V. seit 2007 ununterbrochen vom Verfassungsschutz beobachtet würden. Spätestens seit der Veröffentlichung des Verfassungsschutzberichtes 2011 am 23. März 2012 sei aber belegbar unrichtig, dass die IGP seit 2007 vom Verfassungsschutz beobachtet bzw. überwacht werde. Sie sei zwar zwischen 2007 und 2010 in den Verfassungsschutzberichten erwähnt worden, bereits der Bericht 2010 habe aber einschränkend ausgeführt, dass sich im Berichtsjahr keine neuen Erkenntnisse über verfassungswidrige Aktivitäten ergeben hätten. Ein Großteil der Unterschriften sei erst zu einem Zeitpunkt geleistet worden, zu dem die Unrichtigkeit der Tatsachenbehauptung bereits festgestanden habe. Es handle sich um ein tragendes Begründungselement, auf das in zwei von sechs Punkten der Begründung Bezug genommen werde. Die Behauptung unter Nr. 6 der Begründung („Der Stadtrat hat in seinem Antrag einen finanziellen Zuschuss durch den Freistaat angeregt, was abzulehnen ist“) könne nur so verstanden werden, dass der Stadtrat als Gremium mittels Beschluss um einen finanziellen Zuschuss zum Bau des ZIE-M gebeten habe. Einen solchen Beschluss habe es jedoch nie gegeben, sondern nur einen entsprechenden Antrag mehrerer Fraktionen vom 19. März 2010, der vom Stadtrat nie beschlossen worden sei. Unter Nr. 3 der Begründung werde die rein spekulative Behauptung aufgestellt, dass das geplante Zentrum ein erhebliches Verkehrsaufkommen in der Innenstadt nach sich ziehen werde, obwohl ein konkreter Standort für das ZIE-M nicht feststehe. Auch habe weder 2011 festgestanden noch stehe aktuell fest, dass der Emir von Katar als Großspender für den Bau des ZIE-M auftreten werde. Weiter sei die Bezeichnung des Projekts als Europäisches Zentrum für den Islam falsch, da damit suggeriert werde, dass es sich beim ZIE-M um ein Zentrum für die Gesamtheit der in Europa beheimateten Muslime handeln solle. Das ZIE-M habe aber laut dessen Initiatoren von Anfang an das Ziel verfolgt, auf der Grundlage des europäisch geprägten Islams eine Begegnungsstätte für Münchner Muslime und auch Nicht-Muslime zu schaffen. Es bleibe vollkommen unklar, welche Rolle die Beklagte beim Bau des ZIE-M überhaupt spiele. Die Fragestellung des Bürgerbegehrens sei zu unbestimmt und lasse nicht erkennen, welche Planungen die Beklagte stoppen solle und wie sie einen solchen Bürgerentscheid vollziehen solle. Eine Auslegung, wonach grundsätzlich islamische Sakralbauten verhindert werden sollten, verstoße gegen die grundgesetzlich garantierte Glaubensfreiheit.

Gegen den Bescheid erhoben die Kläger Klage zum Verwaltungsgericht München mit dem Antrag, den Bescheid der Beklagten vom 6. Oktober 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, das Bürgerbegehren „Kein europäisches Zentrum für den Islam in München (ZIE-M) zuzulassen.

Einen mit der Klage gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, der Beklagten vorläufig zu untersagen, einer Verwirklichung des ZIE-M dienende Stadtratsbeschlüsse zu fassen und sonstige Maßnahmen zu treffen, lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 4. März 2015 wegen eines fehlenden Anordnungsanspruchs ab (Az. M 7 E 14.4965).

Mit Urteil vom 11. November 2015 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. Das Gericht halte an der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vertretenen Auffassung fest, dass in der Begründung zur Fragestellung unzutreffende Behauptungen aufgestellt würden; die übrigen zwischen den Beteiligten streitigen Punkte könnten daher offenbleiben. Es sei mit der Abstimmungsfreiheit der Stimmberechtigten unvereinbar, wenn in der Fragestellung oder in der Begründung eines Bürgerbegehrens in abstimmungsrelevanter Weise unzutreffende Tatsachen behauptet würden oder die geltende Rechtslage unzutreffend oder unvollständig erläutert werde. Die Kläger hätten in Nr. 1 der Begründung im Präsens dargelegt, dass die IGP laut Verfassungsschutzbericht in Verbindung mit Fundamentalisten der Islamischen Gemeinde Milli Görus (IGMG) stehe. Für die Feststellung, dass die IGP aktuell in Verbindung mit Fundamentalisten der IGMG stehe, gebe es aber keine Belege. Im Bayerischen Verfassungsschutzbericht 2010 werde ausdrücklich ausgeführt, dass keine neuen Erkenntnisse über verfassungswidrige Aktivitäten der IGP vorlägen und man abwarten wolle, ob in der zwischenzeitlich geäußerten Distanz zu extremistischen Organisationen eine anhaltende, eigenständige, der freiheitlichen demokratischen Grundordnung entsprechende Ausrichtung zu sehen sei. In den seither erschienenen Verfassungsschutzberichten werde die IGP nicht mehr erwähnt. Daraus sei zu schließen, dass seither entweder keine oder jedenfalls keine hinreichend gewichtigen tatsächlichen Anhaltspunkte für derartige Bestrebungen und Tätigkeiten und somit auch nicht für Verbindungen zu „Fundamentalisten der IGMG“ vorlägen. Etwas Gegenteiliges ergebe sich auch nicht aus dem umfangreichen Vortrag der Kläger. Soweit dem Imam Idriz Verbindungen zu Ahmad Al-Khalifa angelastet würden, handle es sich nicht um eine der türkisch geprägten IGMG zuzurechnende Person. Nicht entscheidungserheblich sei, ob der Verfassungsschutz die IGP aktuell beobachte oder nicht. Die fragliche Behauptung könne auch bei wohlwollender Auslegung nicht als unschädliche bloße Wertung bzw. Überzeugung der Kläger verstanden werden, die sie aus eigenen Erkenntnissen gewonnen hätten. Durch die Formulierung und durch die Verklammerung mit der vorhergehenden und der nachfolgenden Aussage werde beim Leser der Eindruck erweckt, die behaupteten aktuellen Verbindungen zu Fundamentalisten der IGMG seien ein Ergebnis der Beobachtung durch den Verfassungsschutz, also eine amtlich verifizierte Tatsache. Zudem werde die IGP dadurch in ein falsches Licht gerückt, dass in der Begründung zu dem Bürgerbegehren die Tatsache nicht mitgeteilt werde, dass das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz im Berichtsjahr 2010 keine neuen Erkenntnisse über verfassungswidrige Aktivitäten der IGP gewonnen und seither auch nicht über derartige neue Erkenntnisse berichtet habe. Aufgrund der unterlassenen Mitteilung der das Bild abrundenden Tatsachen werde der Schluss auf aktuelle verfassungsfeindliche Bestrebungen nahegelegt, ohne deutlich zu machen, dass es sich lediglich um einen entsprechenden Verdacht der Kläger handle. Es liege auf der Hand, dass aktuelle Verbindungen zu Fundamentalisten und der herbeigeführte Eindruck aktueller verfassungsfeindlicher Bestrebungen für eine Meinungsbildung zu der mit dem Bürgerbegehren gestellten Frage sehr wesentlich, also abstimmungsrelevant seien und deshalb nicht zu den noch hinnehmbaren Unrichtigkeiten bzw. Unvollständigkeiten in der Begründung eines Bürgerbegehrens gehörten. Unzutreffend sei ferner die Behauptung unter Nr. 6 der Begründung zum Bürgerbegehren, dass der Stadtrat der Beklagten in seinem Antrag einen finanziellen Zuschuss durch den Freistaat Bayern angeregt habe. Das Possessivpronomen „seinem“ suggeriere, dass der Stadtrat als Gremium einen entsprechenden Antrag gestellt habe. Zur wahrheitsgemäßen Information der Bürger hätte mitgeteilt werden müssen, dass sich der Stadtrat den Antrag der Fraktionen nie zu Eigen gemacht bzw. ihn nicht weiterverfolgt habe.

Gegen das Urteil vom 11. November 2015 haben die Kläger die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Sie beantragen,

das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 11. November 2015 abzuändern und

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 6. Oktober 2014 zu verpflichten, das Bürgerbegehren „Kein europäisches Zentrum für den Islam in München (ZIE-M)“ mit der Frage „Sind Sie dafür, dass in München KEIN europäisches Zentrum für den Islam (ZIE-M) gebaut wird und dass die Stadt München deshalb alle Planungen zur Errichtung eines islamischen Zentrums in München (ZIE-M) stoppt?“ zum Bürgerentscheid zuzulassen.

Der Begründungstext zum Bürgerbegehren sei im Sommer 2011 verfasst und seit Beginn der Unterschriftensammlungen am 14. Oktober 2011 bis zur Abgabe am 18. September 2014 inhaltlich nicht mehr verändert worden. Es sei nicht richtig, dass in der Aussage zur Überwachung der IGP durch den Verfassungsschutz eine unzutreffende Behauptung liege. Die IGP werde laut mehrerer Aussagen des Innenministers aus dem Jahr 2012 und des Verfassungsschutzpräsidenten aus den Jahren 2012 und 2013 weiterhin beobachtet. Es lägen auch verschiedene Tatsachen vor, die für eine fortdauernde Überwachung durch den Bayerischen Verfassungsschutz sprächen bzw. einen solchen Rückschluss zuließen. Dazu gehörten neben der Biographie und dem Ausbildungsgang des Imam Idriz sein nachweislich bis zum 19. September 2014 bestehender Kontakt zu dem Extremisten Ahmad Al-Khalifa, dessen Islamisches Zentrum (Freimanner Moschee) als Sitz der Islamischen Gemeinschaft in Deutschland (IGD) gelte und vom Verfassungsschutz beobachtet werde, sowie vermutete Kontakte zu einer bosnischen Terrorgruppe. Wie der bayerische Innenminister laut mehreren Zeitungsberichten im Juli 2010 erklärt habe, hätten führende Mitglieder der IGP Kontakte zu Personen, die wichtige Positionen bei der IGD und Milli Görüs hätten; Herr Idriz stehe in ständigem telefonischen Kontakt mit Spitzen dieser radikalen Organisationen. Die Herausnahme der IPG und ihres Imam Idriz aus dem Verfassungsschutzbericht sei ersichtlich politisch gewollt gewesen und entgegen der Einschätzung des Bayerischen Verfassungsschutzes erfolgt. Das Verwaltungsgericht habe nicht geklärt, inwiefern tatsächlich eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz stattgefunden habe bzw. noch stattfinde, und auch nicht geprüft, ob die Äußerungen des Präsidenten des Landesamts für Verfassungsschutz und des bayerischen Innenministers in den Medien einer Unterrichtung in den Verfassungsschutzberichten gemäß Art. 15 BayVSG gleichzustellen seien. Es sei fraglich, ob die IPG und Imam Idriz sämtliche Kontakte zu extremistischen Personen abgebrochen hätten; dies sei nach den Verlautbarungen des Verfassungsschutzpräsidenten und des Innenministers als unwahrscheinlich anzusehen und hätte durch deren Vernehmung als Zeugen abschließend aufgeklärt werden können. Unzutreffend sei auch die Auffassung des Verwaltungsgerichts, bei Nr. 1 der Begründung werde bereits durch die Formulierung (Satzstellung, Verklammerung, nachfolgende Erläuterung) beim Leser der Eindruck erweckt, dass aktuell Verbindungen zu Fundamentalisten der IGMG bestünden und dass dies aus einer aktuellen Beobachtung durch den Verfassungsschutz folge. Das Fehlen einer zeitlichen Einschränkung hinsichtlich der Aufnahme in den Verfassungsschutzbericht führe nicht zum Vorliegen einer unwahren Tatsachenbehauptung. Die Formulierung des streitigen Satzes lasse eine Auslegung zu, wonach gemäß dem ersten Teilsatz die IGP seit 2007 vom Verfassungsschutz überwacht bzw. beobachtet werde und gemäß dem zweiten Teilsatz auf einen Verfassungsschutzbericht Bezug genommen werde, ohne eine Jahreszahl im Einzelnen zu benennen. Insoweit sei die Begründung in zwei voneinander unabhängige Teile aufspaltbar, die jeder für sich genommen eine wahre Tatsachenbehauptung darstellten. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, wonach die aktuellen Verbindungen zu Fundamentalisten und der herbeigeführte Eindruck aktueller verfassungsfeindlicher Bestrebungen abstimmungsrelevant seien und nicht zu den noch hinnehmbaren Unrichtigkeiten in der Begründung eines Bürgerbegehrens gehörten, sei ebenfalls unzutreffend, da es sich bei der genannten Formulierung nur um eine von insgesamt sechs Begründungen des Bürgerbegehrens handle, die jeweils gleichwertig seien. Hinsichtlich der Nr. 6 der Begründung beruhe das Urteil des Verwaltungsgerichts auf einer unzutreffenden Auslegung. Die betreffende Aussage sei nur so zu verstehen, dass bereits ein Beschluss vorliege, der einen finanziellen Zuschuss erbitte. Trotz des Progressivpronomens „seinem“ könne ein durchschnittlicher Leser wegen der Wörter „Antrag“ und „angeregt“ nur den Rückschluss ziehen, dass noch kein Beschluss gefasst worden sei; eine unwahre Tatsachenbehauptung liege demnach nicht vor. Das Gericht habe auch völlig unberücksichtigt gelassen, dass das Bürgerbegehren seit dem Jahr 2013 politischer Gegenwehr ausgesetzt gewesen sei und diverse Gegenkampagnen initiiert worden seien. Die Beklagte habe ganz offensichtlich Maßnahmen ergriffen, die sich gegen das Bürgerbegehren gerichtet hätten, worin ein eklatanter Verstoß gegen das politische Neutralitätsgebot liege. Selbst wenn die unter Nr. 1 und Nr. 6 enthaltenen Begründungen wegen unzutreffender Tatsachen unzulässig sein sollten, seien die in den Nrn. 2, 3, 4 und 5 enthaltenen Begründungen zulässig, so dass das Bürgerbegehren zuzulassen sei. Die hiernach notwendige Prüfung einer Teilbarkeit der Begründung des Bürgerbegehrens habe das Verwaltungsgericht unterlassen. Der Erklärung am Ende des Unterschriftsbogens sei zu entnehmen, dass die Unterzeichner ihre Unterschrift auch im Fall der Unzulässigkeit einzelner Teile mit einer Fortgeltungswirkung für die übrigen Teile versehen hätten. Schon die Überschrift „Begründungen“ und die Nummerierung von 1 bis 6 machten deutlich, dass es sich um mehrere unterschiedliche Begründungen handle, die weder aufeinander aufbauten noch sich sachlich ergänzten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Täuschung der Stimmberechtigten ergebe sich daraus, dass in der Begründung eine Verbindung der IGP mit Fundamentalisten der Islamischen Gemeinde Milli Görüs (IGMG) mit einem Verweis auf den Verfassungsschutzbericht als amtlich verifizierte Tatsache hergestellt werde. Laut Art. 15 BayVSG informierten das Staatsministerium des Innern und das Landesamt für Verfassungsschutz die Öffentlichkeit im Rahmen der Verfassungsschutzberichte über tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen und Tätigkeiten, die gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichtet seien. Die Begründung zum Bürgerbegehren erwecke den Eindruck, dass es eine (auch derzeit noch) feststehende, durch das Landesamt für Verfassungsschutz verifizierte Tatsache sei, dass es tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen der IGP gebe. Bereits im Verfassungsschutzbericht 2010 sei aber ausdrücklich erwähnt worden, dass keine neuen Erkenntnisse über verfassungswidrige Aktivitäten vorlägen. Seither sei die IGP nicht mehr im Verfassungsschutzbericht erwähnt worden. Die vom Berufungskläger genannten Zeitungsartikel mit angeblichen Aussagen des bayerischen Innenministers bzw. des Präsidenten des Landesamtes für Verfassungsschutz stünden dazu nicht im Widerspruch. Denn diese enthielten keinerlei Aussagen dazu, ob es weiterhin tatsächliche Anhaltspunkte für extremistische Bestrebungen der IGP gebe. Würde es diese geben, wäre die IGP mit Sicherheit wieder in den Verfassungsschutzberichten erwähnt worden. Eine Befragung des Innenministers oder des Verfassungsschutzpräsidenten könne zu keinem anderen Ergebnis führen, da die Nichterwähnung der IGP seit dem Jahr 2011 im Verfassungsschutzbericht eine feststehende Tatsache sei. Das Verwaltungsgericht habe auch richtig entschieden, dass mit der Nr. 6 der Begründung der falsche Eindruck erweckt werde, der Stadtrat habe in einem Beschluss einen finanziellen Zuschuss angeregt. Die Bezeichnung als „Antrag des Stadtrates“ könne nur so verstanden werden, dass der Stadtrat als kollegiales Gremium durch Beschluss einen Antrag auf finanziellen Zuschuss des Freistaates befürwortet habe. Für die Öffentlichkeit sei es entscheidend, ob ein entsprechender Antrag noch diskutiert werde oder ob eine Entscheidung durch den Stadtrat bereits gefallen sei. Denn daraus könne abgeleitet werden, welche Position die Stadt zu einem möglichen Bauvorhaben einnehme und wie konkret bisher bestehende Planungen der Stadt seien. Eine Zulassung des Bürgerbegehrens mit einer Teilbegründung sei nicht möglich, da eine nachträgliche Abänderung der Begründung die bereits in der Phase der Sammlung der erforderlichen Unterschriften liegende Beeinträchtigung der Abstimmungsfreiheit nicht ungeschehen machen könne.

Die Landesanwaltschaft Bayern beteiligt sich als Vertreter des öffentlichen Interesses am Verfahren und hält die Zurückweisung der Berufung ebenfalls für rechtens. Mit dem Verweis auf den Verfassungsschutzbericht in der Begründung werde auf eine objektive Quelle verwiesen, der zu entnehmen sei, dass die IGP sowie Imam Idriz verfassungswidriger Aktivitäten verdächtig seien. Im Verfassungschutzbericht 2010 sei jedoch ausdrücklich ausgeführt worden, dass keine neuen Erkenntnisse über verfassungswidrige Aktivitäten der IGP vorlägen und man abwarten wolle, ob in der zwischenzeitlich geäußerten Distanz zu extremistischen Organisationen eine anhaltende, eigenständige, der freiheitlich demokratischen Grundordnung entsprechende Ausrichtung zu sehen sei. Da in den Verfassungsschutzbericht nur Organisationen aufgenommen würden, über die konkrete tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme von verfassungswidrigen Bestrebungen und Tätigkeiten vorlägen, komme der Tatsache, ob eine Organisation dort erwähnt werde, große Bedeutung zu. Die in der Begründung getroffene Tatsachenbehauptung sei insoweit falsch, als das Präsens verwendet und so der Eindruck erweckt werde, es handele sich um eine aktuelle Tatsache, über die auch im Verfassungsschutzbericht berichtet werde. Der Passus, der Stadtrat habe in seinem Antrag einen finanziellen Zuschuss durch den Freistaat angelegt, sei jedenfalls zur Irreführung geeignet. Das Bürgerbegehren sei im Übrigen weder in Teilen zulässig noch könne eine Heilung der Begründung erfolgen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

Gründe

I. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 11. November 2015 hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Kläger, die als Gesamtvertreter der Unterzeichner des Bürgerbegehrens gegen dessen Ablehnung im eigenen Namen unmittelbar Klage erheben können (Art. 18a Abs. 8 Satz 2 GO), haben keinen Anspruch auf Zulassung des Bürgerbegehrens (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Das von den Klägern eingereichte Bürgerbegehren verstößt zumindest mit einer zentralen Aussage der Begründung gegen das verfassungsrechtlich radizierte Verbot unrichtiger und grob irreführender Tatsachenbehauptungen und konnte schon aus diesem Grund nicht als Antrag auf Durchführung eines Bürgerentscheids zugelassen werden (Art. 18a Abs. 1 und Abs. 8 Satz 1 GO). Auf die im Ablehnungsbescheid der Beklagten angesprochenen weiteren Fragen, z. B. ob zur Benennung der Vertreter auf den Unterschriftslisten die Angabe des Postfachs einer politischen Partei genügte und ob die Begründung noch andere entscheidungserhebliche Unrichtigkeiten enthielt, kommt es hier demnach nicht mehr an.

1. Ein zulässiges Bürgerbegehren muss nach Art. 18a Abs. 4 Satz 1 GO eine (auf allen Unterschriftslisten gleichlautende) Begründung enthalten. Mit diesem Erfordernis, das die für Volksbegehren geltende Regelung des Art. 74 Abs. 2 BV modifizierend aufgreift, soll sichergestellt werden, dass die Gemeindebürger, wenn sie von den Initiatoren des Bürgerbegehrens zur Unterschriftsleistung aufgefordert werden, schon in dieser ersten Phase des direktdemokratischen Verfahrens die Bedeutung und Tragweite der mit Ja oder Nein zu entscheidenden Fragestellung erkennen können (vgl. zum Volksgesetzgebungsverfahren VerfGH, E. v. 13.4.2000 - Vf. 4-IX-00 - VGH n. F. 53, 81/105). Da bereits mit der Unterzeichnung eines Bürgerbegehrens das Recht auf Teilhabe an der Staatsgewalt in Gestalt der Abstimmungsfreiheit (Art. 7 Abs. 2, Art. 12 Abs. 3 BV) ausgeübt wird, ergeben sich aus der Bayerischen Verfassung auch Mindestanforderungen an die Richtigkeit der Begründung. Die Bürger können nur dann sachgerecht über die Unterstützung eines Bürgerbegehrens entscheiden und von ihrem Eintragungsrecht Gebrauch machen, wenn sie nicht durch den mit den Unterschriftslisten vorgelegten Begründungstext in wesentlichen Punkten in die Irre geführt werden. Es ist daher mit dem Sinn und Zweck eines Plebiszits auch auf kommunaler Ebene nicht vereinbar, wenn in der Begründung des Bürgerbegehrens in einer entscheidungsrelevanten Weise unzutreffende Tatsachen behauptet werden oder wenn die maßgebende Rechtslage unzutreffend bzw. unvollständig erläutert wird (vgl. VerfGH, a. a. O. 106).

2. An dieser ungeschriebenen Rechtmäßigkeitsvoraussetzung, die der Senat in einer Reihe neuerer Entscheidungen hervorgehoben hat (BayVGH, B. v. 9.12.2010 - 4 CE 10.2943 - juris Rn. 2; B. v. 20.1.2012 - 4 CE 11.2771 - juris Rn. 31; B. v. 25.6.2012 - 4 CE 12.1224 - BayVBl 2013, 19 Rn. 31; B. v. 14.10.2014 - 4 ZB 14.707 - juris Rn. 3 ff.; anders noch B. v. 14.3.2001 - 4 ZE 00.3658 - BayVBl 2002, 184) und die auch in der Rechtsprechung anderer Oberverwaltungsgerichte anerkannt ist (vgl. OVG NRW, U. v. 23.4.2002 - 15 A 5594/00 - NVwZ-RR 2002, 766; OVG SH, U. v. 19.12.2005 - 2 LB 19/05 - juris Rn. 41; VGH BW, B. v. 22.8.2013 - 1 S 1047/13 - juris Rn. 19; HessVGH, B. v. 20.8.2015 - 8 B 2125/14 - juris Rn. 6), fehlt es im vorliegenden Fall. Die unter Nr. 1 der „Begründungen“ getroffene Tatsachenbehauptung, die Islamische Gemeinde Penzberg (IGP) stehe „laut Verfassungsschutzbericht… in Verbindung mit Fundamentalisten der Islamischen Gemeinde Milli Görus (IGMG)“, war zum Zeitpunkt der Unterschriftensammlung nach ihrem objektiven Erklärungsgehalt eindeutig unzutreffend (a). Sie hat als möglicher Beweggrund für die Unterschriftsleistung so hohes Gewicht, dass schon allein aufgrund dieser Fehlinformation die Begründung des Bürgerbegehrens als irreführend angesehen werden muss (b). Die den Vertretern des Bürgerbegehrens erteilte Änderungsermächtigung vermag den Mangel nicht zu heilen (c). Ein Anspruch auf Zulassung des rechtswidrig zustande gekommenen Bürgerbegehrens lässt sich auch nicht aus möglichen Rechtsverstößen der Beklagten während der Phase der Unterschriftensammlung ableiten (d).

a) Die Aussage über im Verfassungsschutzbericht dargestellte Kontakte der IGP zur IGMG (korrekte Bezeichnung: „Islamische Gemeinschaft Millî Görüş“) bezieht sich erkennbar auf Feststellungen in Berichten des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz aus den Jahren 2007 bis 2010. Nach den dort wiedergegebenen Erkenntnissen bestanden die Beziehungen der IGP zu der türkisch geprägten IGMG vor allem darin, dass die IGP bis zum Jahr 2006/2007 auf internen Mitgliedslisten der IGMG erschien und der IGP-Vorsitzende nach eigenen Angaben bis 2005 auch persönlich Mitglied der IGMG war; zudem wurden bei einer richterlich angeordneten Telefonüberwachung Gespräche des Penzberger Imams und IGP-Vorsitzenden u. a. mit dem IGMG-Generalsekretär im Zeitraum August 2007 bis Februar 2009 festgestellt (Verfassungsschutzbericht 2010, S. 34, abrufbar unter http://www.verfassungsschutz. bayern.de/mam/anlagen/jahresbericht_2010.pdf). In einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, in dem sich die IGP ohne Erfolg gegen die Erwähnung im Verfassungsschutzbericht 2008 zur Wehr setzte, stellten das Verwaltungsgericht München (B. v. 3.5.2010, Az. 22 M 09.2155) und der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (B. v. 17.7.2010, Az. 10 CE10.1201) fest, dass nach den vom Landesamt für Verfassungsschutz vorgelegten Unterlagen noch im Jahr 2008 in der Moschee der IGP für eine IGMG-Veranstaltung in Ingolstadt geworben worden sei.

Schon der im März 2011 publizierte Verfassungsschutzbericht 2010 wies allerdings im Anschluss an die Erwähnung dieser zeitlich zurückliegenden Kontakte darauf hin, dass das von der IGP geplante Projekt ZIE-M in seiner Vereinssatzung mittlerweile eine Ausschlussklausel bezüglich extremistischer Mitglieder enthalte; ob in der zwischenzeitlich geäußerten Distanz zu extremistischen Organisationen eine anhaltende, eigenständige, der freiheitlichen demokratischen Grundordnung entsprechende Ausrichtung zu sehen sei, bleibe abzuwarten, nachdem sich für das Berichtsjahr keine neuen Erkenntnisse über verfassungswidrige Aktivitäten ergeben hätten (Verfassungsschutzbericht 2010, a. a. O., S. 35). In dem ein Jahr später veröffentlichten Verfassungsschutzbericht 2011 (http://www.verfassungsschutz.bayern.de/mam/anlagen/verfassungsschutzbericht_2011.pdf) wurde die IGP an keiner Stelle mehr erwähnt; auch in allen nachfolgenden Berichten und sonstigen schriftlichen Bekundungen des Landesamtes für Verfassungsschutz finden sich keine Hinweise auf weiter fortbestehende oder wiederaufgenommene Kontakte der IGP zu der als extremistisch geltenden IGMG.

Angesichts des seit dem Bericht 2010 geänderten Inhalts der amtlichen Verlautbarungen kann die in der Begründung des Bürgerbegehrens in Präsensform getroffene Aussage, dass die IGP „laut Verfassungsschutzbericht“ mit der IGMG in Verbindung „steht“ (Nr. 1 Satz 3 Hs. 2), nur als objektiv unzutreffend bezeichnet werden. Denn dieser Halbsatz konnte zum maßgeblichen Zeitpunkt der Unterschriftsleistung nach dem objektiven Empfängerhorizont (vgl. §§ 133, 157 BGB) nur so verstanden werden, dass ein (Landes- oder Bundes-)Amt für Verfassungsschutz in einem aktuellen Jahresbericht eine gegenwärtig bestehende Verbindung zwischen den genannten Organisationen erwähnt habe. Einem anderslautenden Textverständnis stand neben dem Wortlaut auch die inhaltliche und syntaktische Verknüpfung mit der im vorangehenden Halbsatz getroffenen Aussage entgegen, wonach die IGP vom Verfassungsschutz „seit 2007“ überwacht werde. Der unbefangene Leser musste hiernach von einer bis in die Gegenwart reichenden Überwachung ausgehen, so dass er von dem anschließenden Halbsatz nur eine Aussage über die zu diesem Zeitpunkt relevanten Erkenntnisse bezüglich einer etwaigen verfassungsfeindlichen Ausrichtung der IGP erwarten konnte, nicht dagegen den Hinweis auf eine die Vergangenheit betreffende Feststellung, an der das Verfassungsschutzamt in seinen neueren Berichten nicht mehr festhält.

Da die Behauptung einer „laut Verfassungsschutzbericht“ bestehenden Verbindung zur IGMG sich eindeutig auf die Gegenwart bezieht, kann diese Textpassage auch nicht dahingehend (um-)gedeutet werden, dass damit nur allgemein auf den Inhalt eines für zurückliegende Jahre (z. B. 2007, 2008 oder 2009) publizierten Verfassungsschutzberichts verwiesen werde, in dem von solchen Kontakten noch die Rede war. Ein solches Verständnis wäre mit dem objektiven Erklärungsgehalt der Aussage unvereinbar und ließe sich daher auch mit dem in der Rechtsprechung des Senats anerkannten Gebot der grundsätzlich „wohlwollenden Auslegung“ eines mehrdeutig formulierten Bürgerbegehrens (dazu BayVGH, U. v. 19.2.1997 - 4 B 96.2928 - VGH n. F. 50, 42/44 f. = BayVBl 1997, 276/277; U. v. 21.3.2012 - 4 B 11.221 - BayVBl 2012, 632 Rn. 21) nicht sachlich rechtfertigen. Während der Unterschriftensammlung, die nach Angaben der Kläger den Zeitraum vom 14. Oktober 2011 bis zum 18. September 2014 umfasste, ergab sich der aktuelle Erkenntnisstand zu verfassungsgefährdenden islamistischen Bestrebungen allein aus den - im März des jeweiligen Folgejahres veröffentlichten - Verfassungsschutzberichten 2010, 2011, 2012 und 2013. In keiner dieser amtlichen Äußerungen war jedoch, wie oben gezeigt, von bestehenden Verbindungen der IGP oder ihrer Repräsentanten zur IGMG die Rede; selbst die letztmalige Erwähnung der IGP im Berichtsjahr 2010 betraf nur zurückliegende Mitgliedschaften und Telefonkontakte zur IGMG und enthielt keinen Hinweis auf weiterhin fortgeführte Beziehungen zu dieser Organisation.

b) Die in der Verwendung der Gegenwartsform liegende unrichtige Tatsachenbehauptung, wonach eine aktuell bestehende Verbindung der IGP zur IGMG durch einen Verfassungsschutzbericht amtlich bestätigt werde, stellt im Gesamtgefüge der Begründung des Bürgerbegehrens kein bloß untergeordnetes Detail dar, sondern muss aus Sicht der Unterschriftsleistenden als entscheidungsrelevant angesehen werden.

Bei der insoweit vorzunehmenden Erheblichkeitsprüfung kommt es entgegen der Auffassung der Kläger nicht darauf an, dass die beanstandete unzutreffende Sachaussage im Verhältnis zu den übrigen Teilen der Begründung quantitativ nur einen geringen Raum einnimmt (knapp zwei Zeilen) und sich in lediglich einem von sechs Punkten der „Begründungen“ findet. Die Initiatoren eines Bürgerbegehrens können dem aus der Abstimmungsfreiheit abzuleitenden Irreführungsverbot nicht dadurch entgehen, dass sie wahrheitswidrige Begründungselemente durch eine größere Zahl korrekter Aussagen kompensieren oder auf nicht zu beanstandende „Alternativbegründungen“ verweisen. Da den Unterzeichnern des Bürgerbegehrens der auf den Unterschriftenlisten abgedruckte Begründungstext in seiner Gesamtheit vorliegt, muss auch dessen rechtliche Beurteilung einheitlich erfolgen; eine nachträgliche Teilung oder geltungserhaltende Reduktion kommt daher nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B. v. 9.12.2010 - 4 CE 10.2943 - juris Rn. 4).

Maßgebend ist somit nicht die Frage, ob die Begründung auch ohne die inkriminierte Passage Bestand haben könnte, sondern ob die unrichtige Sachaussage im Kontext der übrigen Begründung als so gewichtig anzusehen ist, dass ohne sie möglicherweise weniger Unterzeichner das Bürgerbegehren unterstützt hätten. Eine solche Eignung zur Beeinflussung des Unterschriftsverhaltens darf allerdings nicht nur theoretisch bestehen, sondern muss nach allgemeiner Lebenserfahrung als konkrete und nicht ganz fernliegende Möglichkeit erscheinen (vgl. BVerwG, B. v. 17.3.1998 - 8 B 36/98 - juris Rn. 2 m. w. N. zum Erheblichkeitsgrundsatz bei Wahlfehlern). Als nicht kausal für das Ergebnis der Unterschriftensammlung können Unvollständigkeiten, Ungenauigkeiten oder Fehlangaben bei (kommunal-)politisch unstreitigen und auch objektiv unwichtigen Detailfragen angesehen werden, nicht dagegen Mängel bei tragenden Begründungselementen, auch wenn das Bürgerbegehren ausdrücklich auf mehrere gleichrangige Begründungsstränge gestützt wird (vgl. BayVGH, B. v. 14.10.2014 - 4 ZB 14.707 - juris Rn. 6; B. v. 25.6.2012 - 4 CE 12.1224 - BayVBl 2013, 19 Rn. 31; OVG NRW, U. v. 23.4.2002 a. a. O.).

Nach diesen Maßstäben handelt es sich vorliegend eindeutig um einen ergebnisrelevanten Begründungsmangel. Die Aussage über eine vom Verfassungsschutz bestätigte Verbindung der IGP zur IGMG stand im Zusammenhang mit dem in Nr. 1 und Nr. 5 der Begründung unternommenen Versuch, mögliche Unterstützer des Bürgerbegehrens davon zu überzeugen, dass die in der IGP an leitender Stelle tätigen Initiatoren des Projekts ZIE-M wegen ihrer Kontakte zu islamistisch-fundamentalistischen Kreisen als Bauherrn nicht akzeptabel seien. Der zum Beleg hierfür angeführte allgemeine Hinweis, dass die IGP bzw. deren Leiter seit Jahren vom Verfassungsschutz „überwacht“ (Nr. 1) bzw. „beobachtet“ (Nr. 5) würden, erhielt seine besondere zeitliche Aktualität und inhaltliche Brisanz erst durch die zusätzliche Information, eine (gegenwärtig bestehende) Verbindung mit islamistischen Fundamentalisten werde im (aktuellen) Verfassungsschutzbericht erwähnt und sei damit eine amtlich festgestellte Tatsache.

Da gerade in der Bezugnahme auf die Amtsautorität der Verfassungsschutzbehörde das Spezifikum der erwähnten Sachaussage liegt, kommt es im Ergebnis nicht darauf an, ob sich für den Zeitraum der Unterschriftensammlung (2011 bis 2014) auf andere Weise belegen lässt, dass ein Kontakt der IGP zur IGMG tatsächlich bestand. Einer diesbezüglichen weiteren Sachaufklärung etwa durch Vernehmung von Mitarbeitern des Landesamtes für Verfassungsschutz bedurfte es demnach nicht. Dass die IGP, wie von der Klägerseite vorgetragen, Mitglied im Zentralrat der Muslime in Deutschland ist, dem auch die IGMG offiziell angehört, ist darüber hinaus schon deshalb ohne Bedeutung, weil der Beitritt zu diesem Dachverband erst im März 2015 und damit nach Ende der Unterschriftensammlung für das Bürgerbegehren erfolgte.

c) Der in der irreführenden Begründung des Bürgerbegehrens liegende Rechtsmangel kann nicht durch einen nachträglichen Verzicht der Kläger auf die beanstandete Sachaussage geheilt werden. Zwar findet sich auf den Unterschriftslisten ein Zusatz, der die gemäß Art. 18a Abs. 4 GO benannten Vertreter ermächtigt, „zur Begründung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens Änderungen vorzunehmen, soweit diese nicht den Kern des Antrages berühren“. Eine solche Vollmacht erlaubt jedoch keine inhaltliche Korrektur der Begründung nach Einholung der Unterschriften; sie lässt lediglich in Bezug auf die Fragestellung redaktionelle Änderungen sowie Präzisierungen und Aktualisierungen zu, die das erkennbare Ziel des Begehrens klarer als die bisherige Fassung zum Ausdruck bringen und einem späteren Bürgerentscheid zugrunde gelegt werden können (vgl. BayVGH. U. v. 22.6.2007 - 4 B 06.1224 - BayVBl 2008, 241/242 m. w. N.). Das nachträgliche Streichen wesentlicher Teile der Begründung würde dagegen den Willen der Unterzeichner des Bürgerbegehrens verfälschen, weil damit fingiert würde, dass sie ihre Unterschrift auch bei einer anderen Begründung geleistet hätten.

d) Das mit einer irreführenden Begründung versehene Bürgerbegehren ist auch nicht wegen unzulässiger Behinderung der Unterschriftensammlung durch die Beklagte zuzulassen. Zwar spricht vieles dafür, dass mit der in der Form eines persönlichen Anschreibens des damaligen Oberbürgermeisters erfolgten Verteilung von Flyern, die vorrangig Warnungen und Wertungen in Bezug auf die hinter dem Bürgerbegehren stehenden Personen und Organisationen enthielten, gegen kompetenzrechtliche Vorgaben (Art. 37 GO) und gegen das bei Bürgerbegehren geltende Sachlichkeitsgebot (vgl. dazu BayVGH, B. v. 17.3.1997 - 4 ZE 97.874 - BayVBl 1997, 435) verstoßen wurde. Die von den Klägern insoweit gerügten Rechtsverletzungen betreffen jedoch nur ihr grundrechtsgeschütztes Recht auf ungehindertes öffentliches Werben um Unterschriften und nicht den mit der vorliegenden Klage verfolgten Anspruch aus Art. 18a Abs. 8 GO auf förmliche Zulassung des (mit einer hinreichenden Zahl von Unterschriften) eingereichten Bürgerbegehrens. Gegen rechtswidrige Behinderungen durch öffentliche Amtsträger und Behörden während der Phase der Unterschriftensammlung können sich die Initiatoren eines Bürgerbegehrens im Wege einer Unterlassungsklage und ggf. mittels eines Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz zur Wehr setzen (vgl. BayVGH, B. v. 15.4.2011 - 4 CE 11.407 - juris Rn. 8). Solche vorangegangenen Rechtsverstöße von Gemeindeorganen begründen dagegen kein Recht auf Zulassung eines Bürgerbegehrens, das wegen seiner irreführenden Begründung die aus der Abstimmungsfreiheit folgenden rechtlichen Mindestanforderungen verfehlt.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

III. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung schriftlich einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 15.000 Euro festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 22.6 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Gründe

1

Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

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1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst.

3

Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), d.h. näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, so bereits BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91>; siehe auch BVerwG, Beschluss vom 1. Februar 2011 - 7 B 45.10 - juris Rn. 15). Daran fehlt es hier.

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a) Die Beschwerde hält zunächst die Frage,

ob § 109 VwGO (Entscheidung durch Zwischenurteil) nur dann ermessensgerecht (zweckgebunden und innerhalb der für die Ermessensausübung geltenden Grenzen, insbesondere Willkürverbot) zur Anwendung gebracht wird, wenn der Erlass des Zwischenurteils erfolgt, bevor sich das Gericht und die Beteiligten mit dem Prozessstoff näher in der Sache selbst befasst haben,

für grundsätzlich klärungsbedürftig. Der Senat versteht die Frage dahingehend, dass geklärt werden soll, ob ein Zwischenurteil noch ergehen kann, wenn sich das Gericht schon mit Fragen der Begründetheit auseinandergesetzt, gegebenenfalls - wie hier - sogar schon Beweis erhoben hat. Sie führt indessen nicht zur Zulassung der Revision, weil sie auf der Grundlage des Gesetzeswortlauts und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne Weiteres zu bejahen ist; der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf es hierzu nicht (stRspr, z.B. BVerwG, Beschluss vom 12. Juli 2012 - 4 B 13.12 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 214 Rn. 3).

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Gemäß § 109 VwGO kann über die Zulässigkeit der Klage vorab entschieden werden. Durch das Tatbestandsmerkmal „vorab“ wird dabei zum Ausdruck gebracht, dass das Zwischenurteil vor dem Endurteil ergehen muss; welchen Stand das Verfahren im Übrigen, also insbesondere im Hinblick auf die Prüfung der Begründetheit der Klage erreicht hat, ist jedenfalls danach unbeachtlich. Auch aus Sinn und Zweck des Zwischenurteils folgt nichts grundlegend anderes. § 109 VwGO dient der Prozessökonomie: Es soll durch die Klärung der Zulässigkeit der Klage (oder auch einzelner Zulässigkeitsvoraussetzungen) zum einen vermieden werden, dass sich das Gericht und die Verfahrensbeteiligten mit dem - möglicherweise schwierigen und umfangreichen - Prozessstoff abschließend in der Sache befassen müssen (BVerwG, Urteil vom 4. Februar 1982 - 4 C 58.81 - BVerwGE 65, 27 <29>; Lindner, in: Posser/Wolff, Beck'scher Online Kommentar VwGO, Stand 1. Oktober 2014, § 109 vor Rn. 1). Zum anderen soll mit dem Institut des Zwischenurteils auch eine Entlastung der Gerichte und der Beteiligten erreicht werden. Der Fortgang des Verfahrens wird überschaubarer, das weitere prozessuale Verhalten erhält eine gesicherte Grundlage (vgl. Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand März 2014, § 109 Rn. 2). Zwischenurteile haben somit den Zweck, den Prozessstoff zu straffen, wenn sowohl über die Zulässigkeit als auch über die Begründetheit einer Klage gestritten wird (BGH, Kartellsenat, Beschluss vom 11. November 2008 - EnVR 1/08 - RdE 2009, 185 - citiworks). Hieraus folgt, dass der Erlass eines Zwischenurteils nicht davon abhängig ist, ob sich das Gericht und die Beteiligten mit dem Prozessstoff, also der Begründetheit der Klage, schon (näher) befasst haben oder nicht, sondern allein davon, ob es aus Sicht des Gerichts aus prozessökonomischen Gründen gerechtfertigt ist, vorab über (streitige) Zulässigkeitsfragen zu entscheiden.

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b) Ferner hält die Beschwerde für grundsätzlich klärungsbedürftig,

ob eine über den Streitgegenstand einer Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog hinausgehende Klageänderung im Sinne des § 91 VwGO vorliegt, wenn ein Kläger seine auf Erteilung eines Bauvorbescheids gerichtete, zwischenzeitlich erledigte Verpflichtungsklage auf den Feststellungsantrag umstellt, dass ihm zu einem konkreten Zeitpunkt ein Anspruch auf Erteilung eines Bauvorbescheids zustand.

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Die Beklagte möchte klären lassen, ob ein Kläger nach Erledigung einer Verpflichtungsklage auf Erteilung eines Bauvorbescheids im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO die Feststellung beantragen kann, ihm habe zu einem bestimmten Zeitpunkt ein Anspruch auf Erteilung eines Bauvorbescheids zugestanden, oder ob dieser Antrag nur als Feststellungsantrag gemäß § 43 Abs. 1 VwGO statthaft ist. Hintergrund der Frage ist, dass der Übergang von einer Verpflichtungsklage zur Fortsetzungsfeststellungsklage im Gegensatz zum Übergang von einer Verpflichtungsklage zur Feststellungsklage gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO keine Klageänderung im Sinne des § 91 VwGO darstellt und seine Zulässigkeit deshalb nicht davon abhängig ist, dass die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht ihn für sachdienlich hält.

8

In ihrer Allgemeinheit würde sich die Frage in einem Revisionsverfahren nicht stellen, sondern im Hinblick auf die Formulierung des Klageantrags im Berufungsverfahren in der konkretisierten Fassung, ob die umgestellte Klage als Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft ist, wenn die Klägerin die Feststellung beantragt, ihr habe zum Zeitpunkt des Eintritts des erledigenden Ereignisses ein Anspruch auf Erteilung eines Bauvorbescheids zugestanden. In dem so verstandenen Sinne ist die Frage zu bejahen, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (z.B. BVerwG, Urteile vom 25. Juli 1985 - 3 C 25.84 - BVerwGE 72, 38 <41> und vom 28. April 1999 - 4 C 4.98 - BVerwGE 109, 74 <76>), die der Senat mit Urteil vom 4. Dezember 2014 - 4 C 33.13 - bestätigt hat, ist ein Feststellungsantrag als Fortsetzungsfeststellungsantrag entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft, wenn sich ein Verpflichtungsantrag vor der gerichtlichen Entscheidung erledigt hat und der Feststellungsantrag im Hinblick auf die Rechtslage im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses (genauer: im Zeitpunkt unmittelbar vor Eintritt des erledigenden Ereignisses) gestellt wird. Damit übereinstimmend hat auch der 7. Senat in seinem von der Beklagten zitierten Urteil vom 24. Januar 1992 - 7 C 24.91 - (BVerwGE 89, 354 <356>) - in einem obiter dictum - die „Feststellung, dass die Weigerung der Behörde, den beantragten Verwaltungsakt ... zu erlassen, die Rechtsordnung verletzt“, ausdrücklich als „Bestandteil des Streitgegenstandes der Verpflichtungsklage“ und damit als Gegenstand einer statthaften Fortsetzungsfeststellungsklage qualifiziert. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für die Statthaftigkeit einer der Verpflichtungsklage nachfolgenden Fortsetzungsfeststellungsklage ist folglich der Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses; zu berücksichtigen sind nur Änderungen, die bis zur Erledigung des Verpflichtungsbegehrens eingetreten sind (BVerwG, Beschluss vom 7. Mai 1996 - 4 B 55.96 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 286 LS und S. 21 f. unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Juli 1985 - 3 C 25.84 - BVerwGE 72, 38 <43>). Soweit es um die Statthaftigkeit des Fortsetzungsfeststellungsantrags geht, wird der Betrachtungszeitraum durch das erledigende Ereignis auch hinsichtlich des Verpflichtungsantrags begrenzt. Maßgeblich ist mithin, ob das Gericht, wenn es im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses terminiert und verhandelt hätte, sich bei der Prüfung der Begründetheit der Verpflichtungsklage auch mit der Frage hätte auseinandersetzen müssen, ob die Klägerin bis zur Erledigung des Verpflichtungsbegehrens einen Anspruch auf Erteilung des beantragten Bauvorbescheids hatte und die Weigerung der Beklagten in diesem Zeitpunkt deshalb rechtswidrig war. Diese Frage ist ohne Weiteres zu bejahen. Der Streitgegenstand des auf den Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses bezogenen Feststellungsantrags ist deshalb notwendigerweise von demjenigen des Verpflichtungsantrags umfasst. Wollte man demgegenüber auf den für die Verpflichtungsklage maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. der gerichtlichen Entscheidung abstellen, käme eine Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO nur dann in Betracht, wenn die Erledigung während der mündlichen Verhandlung eintritt. Das Instrument der Fortsetzungsfeststellungsklage liefe damit in der Verpflichtungssituation weitgehend leer, der Zweck der entsprechenden Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO würde verfehlt.

9

Vor diesem Hintergrund kann auch die Verfahrensrüge (Schriftsatz vom 26. Juni 2014, S. 66 ff.) keinen Erfolg haben, wonach das Oberverwaltungsgericht gegen § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO verstoßen habe, indem es keine Abgrenzung zwischen einer Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog und einer darüber hinausgehenden Klageänderung im Sinne des § 91 VwGO vorgenommen habe (gemeint ist, dass das Oberverwaltungsgericht die Klage nach Erledigung des Verpflichtungsbegehrens als Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO hätte behandeln und mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 91 VwGO als unzulässig hätte abweisen müssen). Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ist nach Klageerhebung mit dem Inkrafttreten der zweiten Veränderungssperre am 28. Juli 2008 ein das Verpflichtungsbegehren erledigendes Ereignis eingetreten. Auf diesen Zeitpunkt bezieht sich der klägerische Antrag, den das Oberverwaltungsgericht zu Recht als statthaften Fortsetzungsfeststellungsantrag nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog gewertet hat.

10

c) Weiter hält die Beschwerde folgende Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig:

Darf das Berufungsgericht bei der ihm obliegenden Aufklärung des Klagebegehrens entsprechend § 88 VwGO neben dem Wortlaut des gestellten Antrags, der zugehörigen Begründung und der Interessenlage auch auf eine „abweichende obergerichtliche Tenorierungspraxis“ abstellen?

11

Auf die Frage lässt sich antworten, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.

12

Nach § 88 VwGO darf das Gericht über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden; es hat vielmehr das tatsächliche Rechtsschutzbegehren zu ermitteln (BVerwG, Urteil vom 3. Juli 1992 - 8 C 72.90 - Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 19 S. 4 f.; Beschlüsse vom 5. Februar 1998 - 2 B 56.97 - Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 25 und vom 17. Dezember 2009 - 6 B 30.09 - Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 38 Rn. 3). Maßgebend für den Umfang des Klagebegehrens ist das aus dem gesamten Parteivorbringen, insbesondere der Klagebegründung, zu entnehmende wirkliche Rechtsschutzziel (stRspr; BVerwG, Urteil vom 3. Juli 1992 - 8 C 72.90 - Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 19 S. 4 f.; Beschluss vom 18. Juli 2014 - 3 B 74.13 - juris Rn. 6 m.w.N.). Insoweit sind die für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätze (§§ 133, 157 BGB) anzuwenden. Wesentlich ist der geäußerte Parteiwille, wie er sich aus der prozessualen Erklärung und sonstigen Umständen ergibt; der Wortlaut der Erklärung tritt hinter deren Sinn und Zweck zurück (BVerwG, Urteil vom 27. April 1990 - 8 C 70.88 - Buchholz 310 § 74 VwGO Nr. 9 S. 5; Beschluss vom 19. Juni 2010 - 6 B 12.10 - Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 55 Rn. 4). Neben dem Klageantrag und der Klagebegründung ist auch die Interessenlage des Klägers zu berücksichtigen, soweit sie sich aus dem Parteivortrag und sonstigen für das Gericht und den Beklagten als Empfänger der Prozesserklärung erkennbaren Umständen ergibt (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. November 1982 - 1 C 62.81 - Buchholz 310 § 82 VwGO Nr. 11 S. 5 f.; Beschlüsse vom 17. Dezember 2009 - 6 B 30.09 - Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 38 Rn. 3 und vom 19. Juni 2010 - 6 B 12.10 - Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 55 Rn. 4); Anträge sind somit unter Berücksichtigung des recht verstandenen Interesses des Klägers auszulegen (BVerfG, Beschluss vom 15. Juli 2010 - 2 BvR 328/07 - BVerfGK 17, 415 = juris Rn. 15). Ist der Kläger bei der Fassung des Klageantrags anwaltlich vertreten worden, kommt der Antragsformulierung allerdings gesteigerte Bedeutung für die Ermittlung des tatsächlich Gewollten zu. Selbst dann darf die Auslegung jedoch vom Antragswortlaut abweichen, wenn die Klagebegründung, die beigefügten Bescheide oder sonstige Umstände eindeutig erkennen lassen, dass das wirkliche Klageziel von der Antragsfassung abweicht (zusammenfassend: BVerwG, Beschlüsse vom 13. Januar 2012 - 9 B 56.11 - Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 42 Rn. 7 f. und vom 12. März 2012 - 9 B 7.12 - DÖD 2012, 190 = juris Rn. 5 f.).

13

Vor diesem Hintergrund zeigt die Beschwerde weder einen über die Rechtsprechung hinausgehenden Klärungsbedarf auf, noch legt sie einen Verfahrensfehler schlüssig dar. Das Oberverwaltungsgericht hat ausgeführt, dass sich die Klägerin bei der Formulierung ihres Hilfsantrags an einer gängigen obergerichtlichen Tenorierungspraxis - in Fällen der Umstellung einer Verpflichtungsklage auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage - orientiert habe (UA Rn. 43). Die von der Klägerin verwendete Formulierung ihres Antrags sei zwar - nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts - nicht naheliegend (für eine Fortsetzungsfeststellungsklage analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO), sie hindere das Gericht aber auch mit Blick auf § 88 VwGO nicht daran, von einem Fortsetzungsfeststellungsbegehren und nicht - wie die Beklagte meine - von einem Feststellungsantrag nach § 43 VwGO auszugehen. Das wirkliche Rechtsschutzziel des von der Klägerin gestellten Hilfsantrags sei bereits erstinstanzlich ein Fortsetzungsfeststellungsantrag gewesen. Das sei für das Oberverwaltungsgericht nach der Erörterung in der mündlichen Verhandlung nicht zweifelhaft und ergebe sich auch aus der schriftsätzlichen Begründung des damaligen Hilfsantrags der Klägerin (UA Rn. 46). Das Oberverwaltungsgericht hat damit den klägerischen Hilfsantrag (auch) im Lichte der Tenorierungspraxis anderer Oberverwaltungsgerichte ausgelegt, um dessen Sinngehalt, mithin das „recht verstandene Interesse“ der Klägerin zu erfassen. Auf dieser Grundlage ist es zu dem Ergebnis gelangt, dass - ungeachtet der Fassung des Hilfsantrags - ein Fortsetzungsfeststellungsantrag analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO gestellt war. Das entspricht den Vorgaben des § 88 VwGO.

14

d) Für grundsätzlich klärungsbedürftig hält die Beschwerde des Weiteren die Frage,

ob das berechtigte Interesse an einem Fortsetzungsfeststellungsantrag zu verneinen ist, wenn das Berufungsgericht als Tatsachengericht gehalten ist, erstmals in Bezug auf das gesamte materiell-rechtliche Prüfprogramm Spruchreife gemäß § 113 VwGO herzustellen, um überhaupt die begehrte Feststellung treffen zu können.

15

Die Frage würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Das Oberverwaltungsgericht hat ausgeführt, es gehe im Verfahren „nur“ um eine Bauvoranfrage - nicht um einen Bauantrag -, mit welcher drei „Fragestellungen“ zur bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des ursprünglichen Vorhabens formuliert worden seien. Die Klägerin habe den Klageantrag jedoch auf die „Variante 2“ beschränkt. Damit sei im Berufungsverfahren nur noch die Frage zu klären, ob die „Klägerin“ (richtig: die Beklagte) bis zum Inkrafttreten der zweiten Veränderungssperre im Sommer 2008 verpflichtet gewesen sei, der Klägerin den beantragten Vorbescheid zu erteilen. Eine „besonders aufwändige und teure Beweisaufnahme“, für die das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 27. März 1998 - 4 C 14.96 - (BVerwGE 106, 295 <301>) ein Entfallen des Fortsetzungsfeststellungsinteresses erwogen habe, sei damit nicht verbunden (UA Rn. 56). An diese Feststellungen wäre der Senat in einem Revisionsverfahren - infolge Fehlens zulässiger und begründeter Verfahrensrügen - gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden.

16

e) Schließlich hält die Beklagte für grundsätzlich klärungsbedürftig,

ob es am besonderen Feststellungsinteresse für eine Fortsetzungsfeststellungsklage wegen offensichtlicher Aussichtslosigkeit eines Amtshaftungsprozesses fehlt, wenn im verwaltungsgerichtlichen Verfahren in Bezug auf das geltend gemachte Verpflichtungsbegehren die Spruchreife fehlt und der nicht aufgeklärte - und auch nicht mehr im Rahmen der Fortsetzungsfeststellungsklage aufzuklärende - Sachverhalt im Amtshaftungsprozess vor dem Zivilgericht ebenso nicht mehr nachholend aufgeklärt werden kann.

17

Die Frage führt nicht zur Zulassung der Revision, weil die Anforderungen an das besondere Feststellungsinteresse aus der Vorbereitung eines nicht offensichtlich aussichtslosen Amtshaftungsprozesses bereits hinreichend geklärt sind. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass für eine Fortsetzungsfeststellungsklage, mit der die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Amtshandlung im Hinblick auf einen in Aussicht genommenen Amtshaftungs- oder Entschädigungsprozess begehrt wird, ein berechtigtes Interesse fehlt, wenn der Amtshaftungs- oder Entschädigungsprozess offensichtlich aussichtslos ist (siehe z.B. BVerwG, Urteile vom 15. Dezember 1972 - 4 C 18.71 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 64, vom 14. Januar 1980 - 7 C 92.79 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 95, vom 9. Oktober 1984 - 1 C 22.83 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 144, vom 15. November 1984 - 2 C 56.81 - Buchholz § 113 VwGO Nr. 145, vom 17. Oktober 1985 - 2 C 42.83 - Buchholz 310 § 113 Nr. 155 und vom 18. Oktober 1985 - 4 C 21.80 - Buchholz 406.11 § 1 BBauG Nr. 28). Bei der Prüfung einer offensichtlichen Aussichtslosigkeit geht es nicht darum, dass „die Erfolgsaussichten des Haftungsprozesses schlechthin geprüft würden und somit der von den Zivilgerichten zu führende Prozess auch in den von der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes unabhängigen Teilen gleichsam vorweggenommen würde“. Vielmehr müssen „an das Vorliegen der Offensichtlichkeit strenge Anforderungen gestellt werden“ (BVerwG, Urteil vom 14. Januar 1980 - 7 C 92.79 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 95 S. 27). Die Prüfung eines berechtigten Interesses gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO verlangt auch keine „Schlüssigkeitsprüfung des beabsichtigten zivilrechtlichen Anspruchs im Hinblick auf alle anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmale“ (BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 1985 - 4 C 21.80 - Buchholz 406.11 § 1 BBauG Nr. 28 S. 22; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 2. September 1983 - 4 N 1.83 - BVerwGE 68, 12 <15 f.> zum berechtigten Interesse an der Fortführung einer Normenkontrollklage gegen eine inzwischen außer Kraft getretene Veränderungssperre). Von offensichtlicher Aussichtslosigkeit kann nur gesprochen werden, „wenn ohne eine ins Einzelne gehende Prüfung erkennbar ist, dass der behauptete Schadens- oder Entschädigungsanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt bestehen kann“ (BVerwG, Urteile vom 18. Oktober 1985 - 4 C 21.80 - Buchholz 406.11 § 1 BBauG Nr. 28 S. 22 und vom 28. August 1987 - 4 C 31.86 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 173 = juris Rn. 13 f.). Einen darüber hinausgehenden Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf.

18

Die Beschwerde legt im Übrigen ihrer Fragestellung einen Sachverhalt zugrunde, den das Oberverwaltungsgericht so nicht festgestellt hat. Sie führt aus (Beschwerdebegründung S. 51 f.), dass es sowohl im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses als auch des Urteils des Verwaltungsgerichts sowie aktuell an der Spruchreife fehle. Die Spruchreife könne nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts (vgl. UA Rn. 62) in Bezug auf die Frage der gesicherten (wegemäßigen) Erschließung des den Gegenstand des ursprünglichen Vorbescheids bildenden Vorhabens auch nicht mehr herbeigeführt werden, weil nachträglich keine belastbaren Verkehrsbelastungszahlen mehr ermittelt werden könnten. Damit gibt die Beschwerde die Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts jedoch nur unvollständig wieder. Denn das Oberverwaltungsgericht hält es in seinen weiteren Ausführungen für möglich, dass sich die Frage der gesicherten wegemäßigen Erschließung im Berufungsverfahren anhand der in den Akten befindlichen Stellungnahmen des damaligen Regierungspräsidiums Leipzig und des ehemaligen Landratsamts T. zu Gunsten der Klägerin beantworten lässt (UA Rn. 63). Damit hat das Oberverwaltungsgericht eine offensichtliche Aussichtslosigkeit eines Amtshaftungsprozesses im Hinblick auf eine nicht gesicherte Erschließung des umstrittenen Vorhabens verneint.

19

Mit der Verfahrensrüge beanstandet die Beklagte, das Oberverwaltungsgericht habe in seinem Zwischenurteil fehlerhaft ein besonderes Feststellungsinteresse der Klägerin angenommen und damit gegen § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog verstoßen, weil es nicht geprüft habe, ob ein Amtshaftungsprozess mit hinreichender Sicherheit zu erwarten und unter dem Gesichtspunkt der haftungsrelevanten Kausalität sowie der Darlegungs- und Beweislast bei nicht mehr möglicher Sachverhaltsaufklärung offensichtlich aussichtslos sei, sowie fehlerhaft angenommen habe, dass das besondere Feststellungsinteresse trotz der Erforderlichkeit besonders zeit- und kostenintensiver Aufklärungsmaßnahmen gegeben sei. Die Kritik der Beklagten geht fehl. Das Oberverwaltungsgericht hat geprüft und bejaht, dass die Klägerin (ernsthaft) beabsichtigt, einen Schadensersatzprozess zu führen (UA Rn. 49 und 51), geprüft und verneint, dass sich eine offensichtliche Aussichtslosigkeit des beabsichtigten Schadensersatzprozesses feststellen lässt, und verneint, dass die Aufklärungsmaßnahmen besonders aufwändig oder teuer sind. Zu geringe Anforderungen an das Fortsetzungsfeststellungsinteresse liegen seinen Ergebnissen nicht zugrunde.

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2. Die Revision ist auch im Übrigen nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. (Weitere) Verfahrensfehler sind entweder schon nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderlichen Weise dargetan oder liegen jedenfalls nicht vor.

21

Ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist nur dann bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 10. November 1992 - 3 B 52.92 - Buchholz 303 § 314 ZPO Nr. 5 und vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26). Die Frage, ob das vorinstanzliche Verfahren an einem Verfahrensmangel leidet, ist dabei vom materiell-rechtlichen Standpunkt der Tatsacheninstanz aus zu beurteilen, selbst wenn dieser verfehlt sein sollte (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 14. Januar 1998 - 11 C 11.96 - BVerwGE 106, 115 <119>; Beschlüsse vom 25. Januar 2005 - 9 B 38.04 - NVwZ 2005, 447 <449> = juris Rn. 21, insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 406.25 § 43 BImSchG Nr. 22 und vom 20. Dezember 2010 - 5 B 38.10 - juris Rn. 18).

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a) Die Beschwerde rügt zunächst unter Verweis u.a. auf die Ausführungen auf S. 14 Rn. 38 des Urteilsabdrucks, dass das Oberverwaltungsgericht das ihm gemäß § 109 VwGO eingeräumte pflichtgemäße (freie) Ermessen fehlerhaft ausgeübt und damit in verfahrensrechtlicher Hinsicht gegen § 109 VwGO verstoßen habe. Ein Verfahrensfehler ist damit nicht dargetan. Wie sich bereits aus dem Wortlaut des § 109 VwGO ergibt, steht der Erlass eines Zwischenurteils im Ermessen des Gerichts (siehe schon BVerwG, Urteile vom 22. Juni 1962 - 4 C 245.61 - BVerwGE 14, 273 <279> und vom 4. Februar 1982 - 4 C 58.81 - BVerwGE 65, 27 <29>). Ausgehend von Sinn und Zweck der Norm hat sich die Ausübung dieses Ermessens allein am Gesichtspunkt der Prozessökonomie zu orientieren. Das Gericht hat demnach vor Erlass eines Zwischenurteils die Gefahr der Prozessverschleppung und -zersplitterung einerseits sowie die Aussicht, durch ein Zwischenurteil das Verfahren insgesamt zu entlasten, andererseits gegeneinander abzuwägen (vgl. Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 109 VwGO Rn. 16 m.w.N.). Weitergehende Anforderungen an die Ermessensausübung bestehen - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht. Das hat zur Folge, dass im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens die Ermessensentscheidung des Gerichts nicht auf seine Zweckmäßigkeit hin überprüft wird (BVerwG, Urteil vom 22. Juni 1962 - 4 C 245.61 - BVerwGE 14, 73 <279>), sondern nur daraufhin, ob sie auf sachfremden Erwägungen oder groben Fehleinschätzungen beruht (so BVerwG, Beschlüsse vom 10. April 1992 - 9 B 142.91 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 5 = juris Rn. 2, vom 3. September 1992 - 11 B 22.92 - Buchholz 442.10 § 4 StVG Nr. 88 = juris Rn. 4 und vom 3. Februar 1999 - 4 B 4.99 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 33 = juris Rn. 7 m.w.N. jeweils zur Ermessensentscheidung nach § 130a VwGO).

23

Das Oberverwaltungsgericht hat ausgeführt, dass ein Zwischenurteil nach den besonders gelagerten Umständen des Falles sachgerecht sei, um die zwischen den Beteiligten nach dem Anwaltswechsel von der Beklagten im Berufungsverfahren streitig gestellten Sachentscheidungsvoraussetzungen abschließend zu klären und dadurch den weiteren Fortgang des langjährig geführten Rechtsstreits durch die Konzentration auf die entscheidungserheblichen Fragen des materiellen Rechts zu erleichtern (UA Rn. 39). Es hat somit Gründe der prozessökonomischen Verfahrensgestaltung für die Vorabentscheidung über die Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage angeführt. Damit hat es den Rahmen seines Ermessens nicht überschritten.

24

Die in diesem Zusammenhang erhobene Rüge der Aktenwidrigkeit der Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts greift nicht durch. Die Beklagte zeigt nicht auf, dass die Feststellung, sie habe sich selbst im zweiten Ortstermin des Senats außerstande gesehen, sich aus ihrer Sicht abschließend zur Frage des „Einfügens“ des klägerischen Vorhabens nach den vier Kriterien des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB zu äußern (UA Rn. 38), dem Inhalt des Protokolls vom 13. März 2014 widerspricht. Sie räumt im Gegenteil ein, dass sie die Behauptung der Klägerin im Ortstermin, die Grundfläche ihres Vorhabens sei kleiner als diejenige des abgerissenen Gebäudes, „vor Ort“ weder habe bestätigen noch dementieren können, sondern auf die Bauakten verwiesen habe. Ziel ihrer Rüge ist die Abwehr des Vorwurfs, das Berufungsverfahren zu verzögern. Einen solchen Vorwurf hat das Oberverwaltungsgericht indes nicht erhoben.

25

b) Die Beschwerde rügt ferner als verfahrensfehlerhaft, das Oberverwaltungsgericht habe dadurch gegen § 109 VwGO verstoßen, dass es mit dem Zwischenurteil im Zusammenhang mit der im Streit stehenden Bekanntmachung der (ersten) Veränderungssperre ein - auch nach § 110 VwGO - unzulässiges Teilurteil erlassen habe. Sie stört sich insbesondere daran, dass sich das Oberverwaltungsgericht in seinem Zwischenurteil ausführlich mit der Bekanntmachung der (ersten) Veränderungssperre befasst, von einem „aktenkundigen Bekanntmachungsmangel“ und in dessen Folge von der formellen Rechtswidrigkeit und der Unwirksamkeit der Veränderungssperre ausgegangen sei. Sie meint, dass das Oberverwaltungsgericht mit den genannten Ausführungen offenbar tatsächlich für den weiteren Fortgang des Berufungsverfahrens die Eingrenzung des materiell-rechtlichen Prüfprogramms bezwecke und gleichsam abschließend mit Bindungswirkung auch über den Teilaspekt der im Streit stehenden Bekanntmachung der (ersten) Veränderungssperre entscheiden habe wollen. Es liege daher insofern eine unzulässige Vorabentscheidung in der Sache vor (Beschwerdebegründung S. 92 ff.). Ein Verfahrensfehler ist damit nicht dargetan. Es ist bereits zweifelhaft, ob die Behauptung der Beklagten zutrifft, das Oberverwaltungsgericht habe mit den genannten Ausführungen eine Eingrenzung des materiell-rechtlichen Prüfprogramms bezweckt. Denn die beanstandeten Darlegungen stehen im Zusammenhang mit der Frage, ob das besondere Feststellungsinteresse der Klägerin für ihre Fortsetzungsfeststellungsklage deshalb entfällt, weil eine „besonders aufwändige und teure Beweisaufnahme“ zur Herstellung der Spruchreife erforderlich sein könnte. Es hat dies im Hinblick auf die erste Veränderungssperre deshalb verneint, weil diese an einem „aktenkundigen Bekanntmachungsmangel“ leide (UA Rn. 57); diese Annahme hat es im Weiteren näher begründet.

26

Unabhängig hiervon scheitert die Verfahrensrüge aber jedenfalls daran, dass sich die Bindungswirkung eines Zwischenurteils auf Fragen der Zulässigkeit der Klage beschränkt. Eine Eingrenzung der Klagegründe - auch wenn sie vom Oberverwaltungsgericht gewollt gewesen sein sollte - kann daher nicht zulässiger Inhalt eines Zwischenurteils und damit auch nicht Gegenstand der Bindungswirkung nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 318 ZPO sein. Die Bindungswirkung eines Zwischenurteils beschränkt sich auf Fragen der Zulässigkeit der Klage insgesamt oder auf einzelne durch das Zwischenurteil geklärte Fragen der Zulässigkeit einer Klage (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. April 1980 - 7 C 91.79 - BVerwGE 60, 123 = juris Rn. 8).

27

c) Des Weiteren liegt auch keine aktenwidrige Entscheidung vor. Die Verfahrensrüge, das Gericht habe den Sachverhalt „aktenwidrig“ festgestellt, betrifft den Grundsatz der freien Beweiswürdigung und das Gebot der sachgerechten Ausschöpfung des vorhandenen Prozessstoffes (§ 86 Abs. 1, § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Sie bedingt die schlüssig vorgetragene Behauptung, zwischen den in der angegriffenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Annahmen und dem insoweit unumstrittenen Akteninhalt sei ein Widerspruch gegeben (BVerwG, Beschluss vom 19. November 1997 - 4 B 182.97 - Buchholz 406.11 § 153 BauGB Nr. 1 = juris Rn. 6). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss dieser Widerspruch offensichtlich sein, so dass es einer weiteren Beweiserhebung zur Klärung des Sachverhalts nicht bedarf; der Widerspruch muss „zweifelsfrei“ sein (z.B. BVerwG, Urteil vom 2. Februar 1984 - 6 C 134.81 - BVerwGE 68, 338). Diese Voraussetzungen sind durch die Beschwerde nicht dargetan.

28

(1) Die Beklagte beanstandet die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zur Stellungnahme des Ingenieurbüros W., T., vom 24. Oktober 2012 (UA Rn. 62), als aktenwidrig, weil das Gericht eine entscheidende Aussage der Stellungnahme unberücksichtigt gelassen habe. Das Gericht suggeriere mit seinen Ausführungen, dass die von der Beklagten in das Verfahren eingeführte Stellungnahme des Ingenieurbüros keinerlei verwertbare fachliche Aussage zur Leistungsfähigkeit der für die Erschließung des klägerischen Vorhabens relevanten Gemeindestraße enthalte. Damit legt sie jedoch schon keinen „offensichtlichen“ bzw. „zweifelsfreien“ Widerspruch zwischen den Festlegungen des Gerichts und dem Akteninhalt dar, sondern ersetzt die Würdigung des Oberverwaltungsgerichts durch eine eigene. Sie verkennt dabei zudem, dass das Oberverwaltungsgericht noch keine abschließende Entscheidung über die Sicherung der wegemäßigen Erschließung des verfahrensgegenständlichen Vorhabens getroffen hat, sondern lediglich im Rahmen der Prüfung des besonderen Feststellungsinteresses zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Frage der Sicherung der wegemäßigen Erschließung im Berufungsverfahren aufgeklärt werden könne. Dementsprechend bleibt auch die Rüge der Aktenwidrigkeit den weiteren Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zur wegemäßigen Erschließung (UA Rn. 63) ohne Erfolg.

29

(2) Die Rüge der Aktenwidrigkeit der Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts im Hinblick auf den von der Beklagten gestellten Tatbestandsberichtigungsantrag vom 14. Mai 2014 greift ebenfalls nicht durch. Es kann offen bleiben, ob die vom Oberverwaltungsgericht getroffenen und von der Beklagten beanstandeten Feststellungen tatsächlich aktenwidrig sind. Die Beschwerde legt jedenfalls nicht substantiiert dar, dass das angefochtene Zwischenurteil auf diesen vermeintlich aktenwidrigen Feststellungen beruhen kann. Das gilt namentlich in Bezug auf die Feststellungen zur klägerischen Absicht der Einleitung eines Amtshaftungsprozesses im Schriftsatz vom 25. Mai 2009. Das Oberverwaltungsgericht hat ausgeführt, dass sich das von der Beklagten bestrittene Fortsetzungsfeststellungsinteresse hier aus der sog. Präjudizwirkung der beantragten Feststellung für den von der Klägerin weiterhin beabsichtigten Staatshaftungsprozess ergebe (UA Rn. 49) bzw. dass sich ein durchsetzbarer Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG wegen der Versagung des beantragten Bauvorbescheids, wie ihn die Klägerin auch im Berufungsverfahren geltend gemacht habe, nicht von vornherein nach jeglicher Betrachtungsweise offensichtlich ausschließen lasse (UA Rn. 50). Das Oberverwaltungsgericht hat damit maßgeblich auf die im Berufungsverfahren abgegebenen Erklärungen der Klägerin abgestellt. Damit kann das angefochtene Zwischenurteil aber nicht auf einer (vermeintlich) aktenwidrigen Feststellung des Inhalts der Erklärungen im Schriftsatz vom 25. Mai 2009 in erster Instanz beruhen.

30

d) Schließlich führt auch der Vortrag, das Oberverwaltungsgericht habe in willkürlicher Weise die Revision gegen das Zwischenurteil nicht zugelassen und damit gegen „§ 132 VwGO i.V.m. dem Willkürverbot“ verstoßen, nicht zur Zulassung der Revision. Diese Rüge muss bereits deshalb erfolglos bleiben, weil die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, die Revision nicht zuzulassen, dem Anwendungsbereich des § 132 Abs. 2 VwGO nicht unterliegt. Die Vorschrift dient allein dazu, die Behebung von Verfahrensmängeln zu ermöglichen, die der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts zur Sache anhaften (BVerwG, Beschlüsse vom 12. Juni 1989 - 7 B 123.88 - NVwZ 1989, 975 <976> und vom 4. September 2014 - 4 B 31.14 - ZfBR 2014, 782 = juris Rn. 11). Aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Mai 2004 - 1 BvR 172/04 - (NJW 2004, 2584) ergibt sich nichts anderes.

31

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil diese nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

32

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. April 1980 - 7 C 91.79 - BVerwGE 60, 123 ) und die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.