Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 12. März 2018 - Au 2 K 17.162

bei uns veröffentlicht am12.03.2018
nachgehend
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 3 ZB 18.897, 25.07.2018

Gericht

Verwaltungsgericht Augsburg

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1. Der am * 1966 geborene Kläger stand seit 1. September 1995 als Beamter im Dienst der Beklagten (Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit: 1.12.1999; zuletzt Verwaltungsobersekretär, Besoldungsgruppe A7 - Stufe 9).

Mit bestandskräftigem Bescheid der Beklagten vom 1. Februar 2012 wurde der Kläger mit Wirkung zum 1. März 2012 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. Dem Bescheid war als Anlage ein Dokument „Festsetzung der Versorgungsbezüge nach dem Bayerischen Beamtenversorgungsgesetz (BayBeamtVG)“ beigefügt. Hier waren als ruhegehaltsfähige Bezüge EUR 2.456,11 ausgewiesen, nach Multiplikation mit einem Anpassungsfaktor von 0,96208 und einem Ruhegehaltssatz von 48,62 v.H. wurde ein erdientes Ruhegehalt von EUR 1.148,88 ermittelt. Sodann wurde hiervon ein Versorgungsabschlag nach Art. 26 Abs. 2 BayBeamtVG von 10,80 v.H. abgezogen; es ergab sich ein erdienter Versorgungsbezug i.H.v. EUR 1.024,80. Als monatlichen Zahlbetrag (brutto) wurde für den Kläger schließlich die amtsunabhängige Mindestversorgung i.H.v. EUR 1.405,23 ausgewiesen, da auch die amtsabhängige Mindestversorgung lediglich EUR 859,64 betrage. Ebenfalls beigefügt war ein Dokument „Zusammenstellung der ruhegehaltsfähigen Dienstzeiten und Berechnung des Ruhegehaltssatzes nach Art. 26 Abs. 1 BayBeamtVG“, nach dem im Fall des Klägers 25,93 ruhegehaltsfähige Dienstjahre gegeben seien, die zu einem Ruhegehaltssatz von 48,62 v.H. führten. In einer Aufstellung der ruhegehaltsfähigen Dienstzeiten wurden u.a. vom Kläger zuvor angegebene Zeiträume gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 BayBeamtVG berücksichtigt, in denen er ohne Bezüge beurlaubt war, um Familienmitglieder zu pflegen (5.11.2002 - 3.12.2002, 7.9.2004 - 5.10.2004 sowie 4.1.2010 - 1.2.2010).

2. Mit Schreiben vom 30. November 2015 legte der Kläger Widerspruch gegen die Berechnung des Versorgungsbezugs und des Mindestruhegehalts ein, zuletzt berechnet mit Versorgungsnachweis 12/2015. Die Berechnung sei nicht nachvollziehbar, es werde deshalb um Neuberechnung des Ruhegehalts gebeten. Zudem sei ein Mindestruhegehaltsbezug von etwa 55 v.H. der letzten ruhegehaltsfähigen Bezüge im Lichte von Art. 33 GG grundgesetzwidrig.

Mit Schreiben vom 28. Dezember 2015 wies die Beklagte den Kläger u.a. darauf hin, dass der Versorgungsnachweis 12/2015 (einschließlich der Mitteilung über die Sonderzahlung) keine neue Festsetzung der Versorgungsbezüge, sondern lediglich eine Information darstelle. Die maßgebliche Festsetzung sei bereits im bestandskräftigen Ruhestandsbescheid vom 1. Februar 2012 erfolgt. In der Folge erläuterte die Beklagte dem Kläger, dass das Ruhegehalt gemäß Art. 26 Abs. 5 Satz 1 BayBeamtVG mindestens 35 v.H. der ruhegehaltsfähigen Bezüge betrage; an dessen Stelle würden nach Art. 26 Abs. 5 Satz 2 BayBeamtVG, wenn dies günstiger ist, 66,5 v.H. der ruhegehaltsfähigen Bezüge aus der Endstufe der Besoldungsgruppe A3 treten (derzeit EUR 1.538,96). Das erdiente Ruhegehalt des Klägers berechne sich aus den Bezügen der letzten Besoldungsgruppe A7 - Stufe 9 (EUR 2.689,82) unter Anwendung des individuellen Ruhegehaltssatzes von 46,51 v.H. (Absenkung zum 1.11.2012: 48,62 x 0,95667) und unter Berücksichtigung des Versorgungsabschlags i.H.v. 10,80 v.H. (pro Jahr 3,6 v.H. für max. 3 Jahre). Da der sich hieraus ergebende Betrag von EUR 1.115,93 und die amtsabhängige Mindestversorgung (EUR 941,44) unterhalb der amtsunabhängigen Mindestversorgung aus Art. 26 Abs. 5 Satz 2 BayBeamtVG von EUR 1.538,96 lägen, gelange letzterer Betrag zur Auszahlung. Es wurde abschließend um Mitteilung gebeten, ob der Widerspruch zurückgenommen werde; ein Rechtsverstoß sei nicht gegeben.

Mit Schreiben vom 29. Februar 2016 teilte der Kläger u.a. mit, dass sein Widerspruch auch die „bisherigen Sonderzahlungen“ umfasse.

Mit Schreiben vom 1. März 2016 legte der der Kläger sodann Widerspruch gegen die Neufeststellung der Versorgungsbezüge und des Mindestruhegehalts „aufgrund des Gesetzes zur Anpassung der Bezüge 2015/2016“, „bekannt gegeben mit dem Versorgungsnachweis vom 01.03.2016“ ein. Zur Begründung wurde angeführt, dass die Berechnung derzeit nicht nachvollziehbar sei. Eine tatsächliche „Mini-Erhöhung“ um weniger als EUR 75,-, auch beim Mindestruhegehalt, sei nicht grundgesetzkonform.

Mit Schreiben vom 23. März 2016 teilte die Beklagte dem Kläger u.a. ergänzend mit, dass zum 1. März 2016 die aktuelle Besoldungserhöhung um 2,3 v.H. vollzogen worden sei. Die Berechnung der Sonderzahlung sei in Art. 76 BayBeamtVG geregelt. In der Folge erläuterte die Beklagte eingehend die Berechnung der Sonderzahlung 2015. Zusammenfassend wurde festgestellt, dass die Versorgungsbezüge und auch die Sonderzahlungen gesetzeskonform festgesetzt worden seien. Es wurde nochmals auf den bestandskräftigen Bescheid vom 1. Februar 2012 verwiesen. Man sehe keine Möglichkeit, den Widersprüchen abzuhelfen. Es wurde abschließend nochmals Gelegenheit zur Rücknahme der Widersprüche gegeben.

Eine Reaktion des Klägers erfolgte nicht.

Die Widersprüche des Klägers wurden sodann mit Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 9. August 2016 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde u.a. angeführt, dass die Widersprüche zulässig, jedoch nicht begründet seien. Die Versorgungsbezüge seien mit bestandskräftigem Bescheid vom 1. Februar 2012 festgesetzt worden. Ein bestehe auch nicht ausnahmsweise ein Anspruch auf Rücknahme des bestandskräftigen Bescheids vom 1. Februar 2012 gemäß Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG aufgrund einer Ermessensreduktion auf Null. Denn die Versorgungsbezüge, das Mindestruhegehalt, die Sonderzahlungen sowie die Besoldungserhöhung zum 1. März 2016 seien jeweils gesetzeskonform ermittelt und ausgezahlt worden. Ausweislich der betreffenden Postzustellungsurkunde wurde der Widerspruchsbescheid dem Kläger am 16. August 2016 zugestellt.

3. Am 17. September 2016 hat der Kläger Klage erhoben. Er beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Widerspruchsbescheids vom 9. August 2016 zu verpflichten, gegenüber dem Kläger die Versorgungsbezüge, das Mindestruhegehalt, die Sonderzahlungen sowie die zum 1. März 2016 erfolgte Besoldungserhöhung rückwirkend zum 1. Dezember 2015 gesetzeskonform neu festzusetzen sowie hinsichtlich etwaiger Nachzahlungen Verzugszinsen zu zahlen.

Die Klage sei zulässig und begründet. Sie sei insbesondere fristgemäß erhoben. Denn auf dem Zustellumschlag des Widerspruchsbescheids sei als Zustelldatum -abweichend von der Postzustellungsurkunde - im Wege einer handschriftlichen Korrektur der 17. August 2016 vermerkt. Die Gründe für die handschriftliche Ausbesserung seien dem Kläger nicht bekannt und beträfen auch nicht seine Zuständigkeitssphäre. Hilfsweise werde ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt. Der Kläger habe auf das auf dem Zustellumschlag vermerkte Zustelldatum vertrauen dürfen. In der Sache werde mit Nichtwissen bestritten, dass der Versorgungsfestsetzungsbescheid vom 1. Februar 2012 bestandskräftig sei. Zudem sei der Versorgungsfestsetzungsbescheid vom 1. Februar 2012 rechtswidrig, es bestehe daher ein Anspruch des Klägers auf Rücknahme gemäß Art. 48 BayVwVfG. So sei in formeller Hinsicht vor Erlass die nach der Integrationsvereinbarung der Beklagten erforderliche Beteiligung und Zustimmung der Schwerbehindertenvertretung nicht eingeholt worden. In materieller Hinsicht sei die Berechnung der Versorgungsbezüge fehlerhaft. Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass beim Kläger die gesetzlich vorgeschriebenen Anrechnungszeiten (familienpolitische Beurlaubung, weitere Pflegezeiten) bei der Berechnung ordnungsgemäß berücksichtigt worden sind. Ebenfalls werde mit Nichtwissen bestritten, dass - wie im Versorgungsfestsetzungsbescheid vom 1. Februar 2012 geschehen - ein Versorgungsabschlag in voller Höhe erfolgen dürfe; seit Mitte des Jahres 2007 sei der Kläger als einem Schwerbehindertem gleichgestellt anerkannt und müsse daher besonderen Schutz erfahren. Zudem sei die Höhe der beamtenrechtlichen Mindestversorgung weder mit Art. 33 Abs. 5 GG noch mit der Bayerischen Verfassung vereinbar. Eine pauschale gesetzliche Festsetzung wie im Bayerischen Beamtenversorgungsgesetz sei nicht geeignet, um den zum tatsächlichen Lebensunterhalt erforderlichen Bedarf zu ermitteln. Hier müssten zusätzlich das Lebensalter des Beamten, die berufliche Entwicklung, familiäre Komponenten sowie eine Schwerbehinderteneigenschaft berücksichtigt werden. Bei einer amtsunabhängigen Mindestversorgung i.H.v. EUR 1.588,83 (Stand: 2016) stünden nach Abzug von Kranken- und Pflegeversicherung, Steuern, Altersvorsorgebeitrag und Wohnkosten nur ca. EUR 672,- zum Lebensunterhalt zur Verfügung; das Existenzminimum liege nach dem Armuts- und Rentenbericht der Bundesregierung jedoch bei EUR 735,-bis EUR 900,- im Monat. Auch eine nur anteilige Erhöhung der Mindestversorgung sei bei einer betragsmäßig vorgegebenen Mindesterhöhung - hier EUR 75,-- nicht verfassungskonform; hier sei ein Verstoß gegen Art. 3 GG gegeben, auch im Verhältnis zur gesetzlichen Rentenversicherung sowie zu Unfall- und Kriegsopferrenten, wo eine einheitliche Anpassung erfolge.

4. Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

5. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 17. Januar 2017 (Az. M 12 K 16.4245) wurde die zunächst dort erhobene Klage an das örtlich zuständige Verwaltungsgericht Augsburg verwiesen. Mit Beschluss des Gerichts vom 29. Januar 2018 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

6. Mit Schreiben vom 26. Oktober 2017 teilte der bei der Zustellung des Widerspruchsbescheids tätig gewordene Postmitarbeiter auf Nachfrage des Gerichts mit, dass er zwar keine konkrete Erinnerung an den Zustelltag habe; er sei jedoch am 17. August 2016 im Zustelldienst gewesen. Er erkenne bei der handschriftlichen Änderung des Zustelldatums auf dem Zustellumschlag zudem seine Handschrift und sein Namenszeichen wieder.

7. Die Gerichtsakten und die vorgelegten Verwaltungsakten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

1. Sie ist zwar zulässig.

a) Die Klage wurde zwar nicht rechtzeitig innerhalb der einmonatigen Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO erhoben.

aa) Die Zustellung des streitgegenständlichen Widerspruchsbescheids vom 9. August 2016 erfolgte vorliegend mittels Postzustellungsurkunde am 16. August 2016 (Blatt 66 der Verwaltungsakte).

(1) Gemäß § 418 ZPO i.V.m. § 182 Abs. 1 Satz 2 ZPO erbringt die Postzustellungsurkunde vom 16. August 2016 somit als öffentliche Urkunde den vollen Beweis der in ihr bezeugten Tatsachen. Die Beweiskraft erstreckt sich nicht nur auf das Einlegen des Schriftstücks in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung zum beurkundeten Datum (§ 182 Abs. 2 Nr. 7 ZPO), sondern insbesondere auch darauf, dass der Postbedienstete unter der ihm angegebenen Anschrift weder den Adressaten persönlich noch eine zur Entgegennahme einer Ersatzzustellung in Betracht kommende Person angetroffen hat (BVerfG, B.v. 3.6.1991 - 2 BvR 511/89 - NJW 1992, 224). Dies gilt nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung auch nach der Privatisierung der Deutschen Bundespost (BFH, B.v. 24.4.2007 - VIII B 249/05 - BFH/NV 2007, 1465; vgl. zum Ganzen: BFH, B.v. 4.7.2008 - IV R 78/05 - juris Rn. 22).

Die Beweiskraft der Postzustellungsurkunde ist auch nicht etwa aufgrund des klägerseitig in Kopie vorgelegten Zustellumschlags, der als Zustellungsdatum aufgrund handschriftlicher Korrektur den 17. August 2016 ausweist (Blatt 9 der Gerichtsakte), aufgehoben oder gemindert. Dies könnte gemäß § 419 ZPO allenfalls dann der Fall sein, wenn Durchstreichungen, Radierungen, Einschaltungen oder sonstige äußere Mängel hinsichtlich der Urkunde selbst vorliegen würden. Insoweit gilt, dass allein die hinsichtlich des Zustellungsdatums eindeutige und auch im Übrigen mangelfreie Postzustellungsurkunde vom 16. August 2016 eine öffentliche Urkunde darstellt, die den Beweis hinsichtlich des Zustellungsdatums zu erbringen im Stande ist (§ 182 Abs. 1 ZPO); durch den Vermerk auf dem Umschlag nach § 180 Satz 3 ZPO wird dem Empfänger der Sendung hingegen lediglich nachrichtlich das Zustelldatum zur Kenntnis gebracht. Der Vermerk des Tages der Zustellung auf dem Umschlag ist somit kein notwendiger Bestandteil der Zustellung und lässt bei Fehlerhaftigkeit ihre Wirksamkeit unberührt (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 31.1.2011 - 4 ZB 10.3088 - juris Rn. 8; VGH BW, B.v. 15.2.2016 - 6 S 1870/15 - juris Rn. 4; VG München, B.v. 13.5.2016 - M 23 K 15.180 - juris Rn. 6; VG Düsseldorf, G.v. 1.3.2011 - 17 K 8180/10 - juris Rn. 16 f.; Stöber in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 182 Rn. 19; offen gelassen in OVG LSA, B.v. 2.8.2012 - 2 M 58/12 -juris Rn. 12 f.; a.A. BFH, B.v. 6.5.2014 - GrS 2/13 - juris).

(2) Den erforderlichen Gegenbeweis i.S.v. § 418 Abs. 2 ZPO hat die Klägerseite vorliegend nicht geführt.

Ein Gegenbeweis kann nach § 418 Abs. 2 ZPO nur durch den Beweis der Unrichtigkeit der in der Zustellungsurkunde bezeugten Tatsachen geführt werden. Dieser Gegenbeweis erfordert den Beweis eines anderen als des beurkundeten Geschehensablaufs, der damit ein Fehlverhalten des Zustellers und eine Falschbeurkundung in der Zustellungsurkunde belegt (BFH, B.v. 8.2.1999 - VIII R 61/98 - BFH/NV 1999, 961; B.v. 27.1.1988 - VII B 165/87 - BFH/NV 1988, 790; B.v. 17.12.1996 - IX R 5/96 - BFHE 183, 3; B.v. 10.11.2003 - VII B 366/02 - BFH/NV 2004, 509). Gefordert wird der volle Gegenbeweis, d.h. der Beweis der Unrichtigkeit der Postzustellungsurkunde in der Weise, dass ihre Beweiswirkung vollständig entkräftet wird (vgl. BVerfG, B.v. 20.2.2002 - 2 BvR 2017/01 - NJW-RR 2002, 1008; BGH, U.v. 7.6.1990 - III ZR 216/89 -NJW 1990, 2125; U.v. 10.11.2005 - III ZR 104/05 - NJW 2006, 150; BFH, U.v. 28.9.1993 - II R 34/92 - BFH/NV 1994, 291; vgl. zum Ganzen: BFH, B.v. 4.7.2008 - IV R 78/05 - juris Rn. 23; BayVGH, B.v. 31.1.2011 - 4 ZB 10.3088 - juris Rn. 9).

Diesen Anforderungen ist die Klägerseite vorliegend nicht gerecht geworden. Denn sie konnte nicht beweisen, dass die Zustellung des streitgegenständlichen Bescheids tatsächlich erst am 17. August 2016 erfolgt ist. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem klägerseitig vorgelegten Kopie des Zustellumschlags, das als Zustellungsdatum - nach handschriftlicher Korrektur - den 17. August 2016 ausweist (Blatt 9 der Gerichtsakte). Insoweit ist nochmals darauf hinzuweisen, dass die Angabe des Zustelldatums auf dem Zustellumschlag nach § 180 Satz 3 ZPO lediglich nachrichtlichen Charakter hat und nicht Teil der eigentlichen Zustellung ist; die Angabe des Datums auf dem Zustellumschlag hat daher keinen gesteigerten Beweiswert. Der vollständige Beweis der Unrichtigkeit der Postzustellungsurkunde wird durch die Kopie des Zustellumschlags jedenfalls nicht erbracht. Die bloße Darlegung der (ernstlichen) Möglichkeit eines anderen als des in der Postzustellungsurkunde angegebenen Geschehensablaufs reicht jedoch zum Gegenbeweis i.S.v. § 418 Abs. 2 ZPO nicht aus (vgl. BVerwG, B.v. 7.10.1993 - 4 B 166.93 - NJW 1994, 535 - juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 4.12.2014 - 15 ZB 14.2081 - juris Rn. 2). Über die Vorlage der Kopie des Zustellumschlags hinausgehende substantiierte Beweisangebote zur behaupteten tatsächlichen Zustellung am 17. August 2016 hat die Klägerseite nicht gemacht.

Auch das Schreiben des bei der Zustellung des Widerspruchsbescheids tätig gewordenen Postmitarbeiters vom 26. Oktober 2017 (Blatt 58 der Gerichtsakte) ist nicht geeignet, den Gegenbeweis einer Zustellung am 17. August 2016 zu erbringen. Denn hier hat der Postmitarbeiter lediglich ausgeführt, dass er keine konkrete Erinnerung an den Tag der Zustellung habe.

bb) Die Klagefrist begann somit vorliegend gemäß § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 ZPO, § 187 Abs. 1 BGB am Mittwoch, 17. August 2016, 0.00 Uhr und endete nach § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 ZPO, § 188 Abs. 2 BGB am Freitag, 16. September 2016, 24 Uhr.

Die Klage wurde bei Gericht jedoch erst am 17. September 2016 - und damit nicht mehr innerhalb der gesetzlichen Klagefrist - anhängig gemacht (Blatt 1 der Gerichtsakte).

Der Widerspruchsbescheid war auch mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung:versehen, die auf die einmonatige Klagefrist zutreffend hinwies (Blatt 64 f. der Verwaltungsakte). Vorliegend gilt daher nicht etwa die Jahresfrist aus § 58 Abs. 2 VwGO.

b) Allerdings ist dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 60 VwGO) zu gewähren.

Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm gemäß § 60 Abs. 1 VwGO auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antrag ist nach § 60 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 VwGO binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind gemäß § 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen, § 60 Abs. 2 Satz 3 VwGO. Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung gemäß § 60 Abs. 2 Satz 4 VwGO auch ohne Antrag gewährt werden.

Ein Zustellungsempfänger handelt grundsätzlich unverschuldet i.S.v. § 60 Abs. 1 VwGO, wenn er als Zustelldatum denjenigen Tag ansieht, der vom Zusteller auf dem entsprechenden Briefumschlag in dem hierfür vorgesehenen Feld vermerkt worden ist (vgl. BayVGH, B.v. 31.1.2011 - 4 ZB 10.3088 - juris Rn. 13; Stöber in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 182 Rn. 19 a.E.).

So liegt der Fall auch hier. Der bei der Zustellung des Widerspruchsbescheids tätig gewordene Postmitarbeiter hat in seinem Schreiben vom 26. Oktober 2017 (Blatt 58 der Gerichtsakte) u.a. ausgeführt, dass er bei der handschriftlichen Änderung des Zustelldatums auf dem Zustellumschlag seine Handschrift und sein Namenszeichen wiedererkenne; er sei am 17. August 2016 auch in der Arbeit gewesen. Vor diesem Hintergrund geht das Gericht davon aus, dass die handschriftliche Änderung des Zustelldatums auf dem Zustellumschlag tatsächlich durch den Postzusteller vorgenommen worden ist und der Kläger daher auf dieses Zustelldatum vertrauen durfte.

2. Die Klage ist jedoch nicht begründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Neufestsetzung der Versorgungsbezüge, des Mindestruhegehalts, der Sonderzahlungen sowie der zum 1. März 2016 erfolgten Besoldungserhöhung rückwirkend zum 1. Dezember 2015 (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

a) Bloße Besoldungsmitteilungen bzw. Versorgungsnachweise haben grundsätzlich keinen regelnden Charakter, sondern kündigen lediglich die nach dem Gesetz gebotenen Zahlungen an (vgl. BayVGH, U.v. 13.2.2014 - 14 B 12.1682 - juris Rn. 21).

Vielmehr stellt der Versorgungsfestsetzungsbescheid die durch Art. 9 Abs. 1 Bay-BeamtVG vorgeschriebene, rechtsverbindliche Festsetzung über die Höhe der Versorgungsbezüge dar. Es handelt sich insoweit um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, weil die Festsetzungen während der gesamten Versorgungszeit Rechtswirkungen entfalten. Der Versorgungsfestsetzungsbescheid begründet den monatlichen Anspruch auf Zahlung der Versorgungsbezüge, die entsprechend den Festsetzungen zu berechnen und auszuzahlen sind. Stellt sich heraus, dass eine Festsetzung von Anfang an oder nachträglich rechtswidrig (geworden) ist, richtet sich das weitere Vorgehen nach den Regeln über die Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte, im vorliegenden Fall nach Art. 48 BayVwVfG (vgl. BVerwG, U.v. 29.6.2012 - 2 C 13.11 - juris Rn. 12 f.; siehe zum Ganzen: BVerwG, U.v. 25.10.2012 - 2 C 59.11 - juris Rn. 9).

Die Frage, ob und ab welchem Zeitpunkt ein rechtswidrig zu niedrig festgesetzter Ruhegehaltssatz nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des Versorgungsfestsetzungsbescheids zu erhöhen ist, ist nach Art. 51 Abs. 5, Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG zu beantworten. Dies folgt daraus, dass der Versorgungsfestsetzungsbescheid kein begünstigender Verwaltungsakt i.S.v. Art. 48 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG ist, soweit er einen niedrigeren als den gesetzlich gebotenen Ruhegehaltssatz festsetzt. Dagegen liegen die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen nach Art. 51 Abs. 1 Nr. 1 BayVwVfG auch dann nicht vor, wenn die Rechtswidrigkeit auf der Anwendung einer vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärten Norm beruht. Die auf den Zeitpunkt des Erlasses der Norm zurückwirkende Nichtigerklärung bewirkt keine nachträgliche Änderung der Rechtslage i.S.v. Art. 51 Abs. 1 Nr. 1 BayVwVfG, sondern stellt diese fest (siehe zum Ganzen: BVerwG, U.v. 25.10.2012 - 2 C 59.11 - juris Rn. 10).

Nach Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Diese Regelung vermittelt einen Anspruch auf Rücknahme eines rechtswidrigen belastenden Verwaltungsakts, wenn und soweit das behördliche Rücknahmeermessen zugunsten des Betroffenen auf Null reduziert ist (siehe zum Ganzen: BVerwG, U.v. 25.10.2012 - 2 C 59.11 - juris Rn. 11).

Denn es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das in Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG eröffnete Rücknahmeermessen belegt, dass ein zur Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts führender Rechtsverstoß nur eine notwendige, nicht aber hinreichende Voraussetzung für die Rücknahme und einen darauf zielenden Anspruch des Beamten bildet. Der Gesetzgeber räumt bei der Aufhebung bestandskräftiger belastender Verwaltungsakte in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise weder dem Vorrang des Gesetzes noch der Rechtssicherheit als Ausprägungen des Rechtsstaatsprinzips einen generellen Vorrang ein. Die Prinzipien der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Bestandskraft von Verwaltungsakten stehen gleichberechtigt nebeneinander. Mit Blick auf das Gebot der materiellen Gerechtigkeit besteht jedoch dann ausnahmsweise ein Anspruch auf Rücknahme eines bestandskräftigen Verwaltungsakts, wenn dessen Aufrechterhaltung „schlechthin unerträglich“ ist, was von den Umständen des Einzelfalls und einer Gewichtung der einschlägigen Gesichtspunkte abhängt (vgl. BVerwG, U.v. 24.2.2011 - 2 C 50.09 - juris Rn. 11). „Schlechthin unerträglich“ ist die Aufrechterhaltung eines rechtswidrigen Bescheids bei einem Verstoß gegen die guten Sitten oder gegen das Gebot von Treu und Glauben bzw. wenn die Behörde durch unterschiedliche Ausübung der Rücknahmebefugnis in ähnlich gelagerten Fällen gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt (vgl. BVerwG, U.v. 27.1.1994 - 2 C 12.92 - juris Rn. 29; U.v. 20.3.2008 - 1 C 33.07 - juris Rn. 13). Ferner kann in dem einschlägigen Fachrecht eine bestimmte Richtung der zu treffenden Entscheidung in der Weise vorgegeben sein, dass das Ermessen im Regelfall nur durch die Entscheidung für die Rücknahme des Verwaltungsakts rechtmäßig ausgeübt werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 17.1.2007 - 6 C 32.06 - juris Rn. 13; U.v. 20.3.2008 - 1 C 33.07 - juris Rn. 12; siehe zum Ganzen: BayVGH, U.v. 2.8.2011 - 3 BV 10.1804 - juris Rn. 30).

b) Unter Berücksichtigung obiger Grundsätze hat der Kläger keinen Anspruch auf Neufestsetzung der Versorgungsbezüge, des Mindestruhegehalts, der Sonderzahlungen sowie der zum 1. März 2016 erfolgten Besoldungserhöhung rückwirkend zum 1. Dezember 2015 (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

In diesem Zusammenhang ist zunächst nochmals klarzustellen, dass die vom Kläger zum Anlass seiner Widersprüche genommenen Versorgungsnachweise 12/2015 und 03/2016 (Blatt 15 f. der Verwaltungsakte) keine Verwaltungsakte i.S.v. Art. 35 Satz 1 BayVwVfG darstellen (vgl. BayVGH, U.v. 13.2.2014 - 14 B 12.1682 - juris Rn. 21). Maßgeblich ist insoweit grundsätzlich der bestandskräftige Versorgungsfestsetzungsbescheid vom 1. Februar 2012, soweit er entsprechende Regelungen enthält. Allerdings bestimmt § 54 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG, dass vor allen Klagen ein Vorverfahren nach den Vorschriften des 8. Abschnitts der Verwaltungsgerichtsordnung durchzuführen ist, so dass die Widersprüche des Klägers unabhängig vom Verwaltungsaktcharakter eines Versorgungsnachweises statthaft waren (vgl. Eck in: Schütz/Maiwald, Beamtenrecht, 4. UPD 12/2017, § 54 BeamtStG Rn. 82). Aus § 54 Abs. 2 Satz 3 BeamtStG i.V.m. Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AGVwGO ergibt sich, dass ein Vorverfahren in beamtenrechtlichen Streitigkeiten fakultativ zulässig, aber nicht zwingend erforderlich ist (vgl. VG Würzburg, B.v. 25.9.2014 - W 1 E 14.718 - juris Rn. 22; VG Ansbach, U.v. 12.11.2013 - AN 1 K 13.1386 - juris Rn. 75).

Hiervon ausgehend bestehen die mit der Klage verfolgten Ansprüche des Klägers nicht. Der negative Widerspruchsbescheid vom 9. August 2016 ist daher rechtlich nicht zu beanstanden.

aa) Soweit es die begehrte Neufestsetzung der Versorgungsbezüge sowie des Mindestruhegehalts betrifft, so hat der Kläger mangels Ermessensreduktion auf Null keinen Anspruch aus Art. 51 Abs. 5, Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG.

Grund hierfür ist, dass eine Aufrechterhaltung des bestandskräftigen Versorgungsfestsetzungsbescheids vom 1. Februar 2012 nicht „schlechthin unerträglich“ ist. Das Gericht geht vielmehr davon aus, dass dieser Bescheid weiterhin die streitgegenständlichen Versorgungsbezüge des Klägers dem Grunde nach - vorbehaltlich zwischenzeitlich erfolgter gesetzlicher Anpassungen und Erhöhungen - rechtmäßig festsetzt. Die Höhe des Ruhegehalts bestimmt sich gemäß Art. 26 Abs. 1 BayBeamtVG durch Anwendung eines Vomhundertsatzes (Ruhegehaltssatz) auf die ruhegehaltfähigen Bezüge (Art. 12 BayBeamtVG) unter Berücksichtigung eines Versorgungsabschlags nach Art. 26 Abs. 2 Bay-BeamtVG, soweit nicht die Vorschriften zur Mindestversorgung aus Art. 26 Abs. 5 BayBeamtVG zur Anwendung gelangen. Hiervon ausgehend hat die Beklagte die Berechnung der Versorgungsbezüge dem Kläger im Schreiben vom 28. Dezember 2015 (Blatt 2 f. der Verwaltungsakte), im Schreiben vom 23. März 2016 (Blatt 8-10 der Verwaltungsakte) sowie im Widerspruchsbescheid vom 9. August 2016 (Blatt 59-65 der Verwaltungsakte) ausführlich dargelegt. Es wird daher zur Vermeidung von Wiederholungen grundsätzlich auf den Widerspruchsbescheid vom 9. August 2016 verwiesen (§ 117 Abs. 5 VwGO).

Ergänzend wird wie folgt ausgeführt:

(1) Soweit der Kläger in formeller Hinsicht vorträgt, dass vor Erlass des Versorgungsfestsetzungsbescheids vom 1. Februar 2012 die nach § 20 der Integrationsvereinbarung der Beklagten erforderliche Beteiligung und Zustimmung der Schwerbehindertenvertretung nicht eingeholt worden sei, so überzeugt dies nicht. Denn richtigerweise hat die Beklagte mit Schreiben vom 17. November 2011 (Blatt 32 der Verwaltungsakte) der Gesamtschwerbehindertenvertretung vorsorglich Gelegenheit zur Stellungnahme hinsichtlich der beabsichtigten Ruhestandsversetzung des Klägers gegeben. Es war insoweit gemäß § 95 Abs. 2 SGB IX a.F., auf den § 20 der Integrationsvereinbarung verweist, nur eine Anhörung, nicht jedoch eine Zustimmung der Gesamtschwerbehindertenvertretung erforderlich.

(2) Soweit der Kläger vorträgt, dass gesetzlich vorgeschriebene Anrechnungszeiten (familienpolitische Beurlaubung, weitere Pflegezeiten) bei der Berechnung seiner Versorgungsbezüge nicht ordnungsgemäß berücksichtigt worden seien, so trifft dies ebenfalls nicht zu. Ausweislich des dem Versorgungsfestsetzungsbescheid vom 1. Februar 2012 beigefügten Dokument „Zusammenstellung der ruhegehaltsfähigen Dienstzeiten und Berechnung des Ruhegehaltssatzes nach Art. 26 Abs. 1 BayBeamtVG“ (Blatt 41 der Verwaltungsakte) wurden seitens der Beklagten u.a. vom Kläger zuvor angegebene Zeiträume gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 BayBeamtVG berücksichtigt, in denen er ohne Bezüge beurlaubt war, um Familienmitglieder zu pflegen (5.11.2002 -3.12.2002, 7.9.2004 - 5.10.2004 sowie 4.1.2010 - 1.2.2010).

(3) Soweit der Kläger rügt, dass aufgrund seiner Schwerbehinderteneigenschaft bzw. einer entsprechenden Gleichstellung kein Versorgungsabschlag nach Art. 26 Abs. 2 BayBeamtVG in voller Höhe erfolgen dürfe, führt auch dies nicht zum Erfolg.

Die Festsetzung eines Versorgungsabschlags nach Art. 26 Abs. 2 BayBeamtVG begegnet keinen (verfassungs-)rechtlichen Bedenken, und zwar auch dann, wenn Schwerbehinderte betroffen sind. Die Berechnung des Versorgungsabschlags kann rechtlich unbedenklich allein vom Eintritt der in Art. 26 Abs. 2 BayBeamtVG geregelten Voraussetzungen abhängig gemacht werden, ohne das Bestehen einer Schwerbehinderung als weiteres Differenzierungskriterium berücksichtigen zu müssen. Eine derartige weitergehende Differenzierung war und ist verfassungsrechtlich auch deshalb nicht geboten, da der Versorgungsabschlag unabhängig individueller Bedingungen (z.B. Schwerbehinderung) allein die längere Dauer des Bezugs von Versorgungsleistungen jedenfalls dann ausgleichen soll, wenn die Gründe für den vorzeitigen Ruhestand nicht aus der Sphäre des Dienstherrn herrühren (vgl. zum Ganzen: VG Ansbach, U.v. 15.3.2016 - AN 1 K 15.2574 - juris Rn. 71; U.v. 12.5.2009 - AN 1 K 08.795 - juris Rn. 55; vgl. allg. BVerwG, U.v. 25.1.2005 - 2 C 48.03 - juris; U.v. 19.2.2004 - 2 C 12.03 - juris; BayVGH, B.v. 1.3.2005 - 3 B 03.498 - juris; BVerfG, B.v. 20.6.2006 - 2 BvR 361/03 - juris).

Ohnehin gilt, dass im Fall des Klägers selbst das gänzliche Absehen von einem Versorgungsabschlag i.S.v. Art. 26 Abs. 2 BayBeamtVG nicht dazu geführt hätte, dass sein erdientes Ruhegehalt (Versorgungsfestsetzungsbescheid: EUR 1.148,88) die amtsunabhängige Mindestversorgung aus Art. 26 Abs. 5 Satz 2 BayBeamtVG (Versorgungsfestsetzungsbescheid: EUR 1.405,23) überschritten hätte. Bei der für den Kläger maßgeblichen amtsunabhängigen Mindestversorgung wird ohnehin kein Versorgungsabschlag zum Ansatz gebracht (vgl. OVG NW, U.v. 23.2.2011 - 3 A 750/10 - juris Rn. 104).

(4) Auch hinsichtlich eines seitens des Klägers im Kern lediglich pauschal vorgetragenen Verstoßes der Höhe seiner Versorgungsbezüge gegen die Pflicht des Dienstherrn zur amtsangemessenen Alimentation aus Art. 33 Abs. 5 GG bzw. Art. 95 Abs. 1 Satz 2 BV bestehen keinerlei Anhaltspunkte. Hierbei ist zu bedenken, dass dem Gesetzgeber bei der Konkretisierung der aus Art. 33 Abs. 5 GG bzw. Art. 95 Abs. 1 Satz 2 BV resultierenden Pflicht zur amtsangemessenen Alimentierung ein weiter Gestaltungsspielraum zusteht (vgl. allg. BVerwG, B.v. 27.12.2016 - 2 B 3.16 - juris Rn. 14).

Soweit der Kläger rügt, dass die amtsunabhängige Mindestversorgung aus

Art. 26 Abs. 5 Satz 2 BayBeamtVG nicht zur Sicherung des verfassungsrechtlich gebotenen Existenzminimums ausreiche und eine individuelle Berechnung seines Bedarfs für den tatsächlichen Lebensunterhalt erforderlich sei, so überzeugt auch dies nicht.

Die amtsunabhängige Mindestversorgung aus Art. 26 Abs. 5 Satz 2 BayBeamtVG (66,5 v.H. der Besoldungsgruppe A3 - Endstufe) entsprach nach der vom 1. Januar 2014 bis 28. Februar 2015 gültigen Besoldungstabelle EUR 1.507,30, nach der vom 1. März 2015 bis 29. Februar 2016 gültigen Besoldungstabelle EUR 1.538,96, nach der vom 1. März 2016 bis 31. Dezember 2016 gültigen Besoldungstabelle EUR 1.588,83, nach der vom 1. Januar 2017 bis 31. Dezember 2017 gültigen Besoldungstabelle EUR 1.638,71 sowie nach der seit 1. Januar 2018 gültigen Besoldungstabelle EUR 1.677,21.

Das Bundesverwaltungsgericht hat sich zuletzt im Jahr 2016 mit der Höhe der vergleichbaren bundesrechtlichen Beamtenmindestversorgung aus § 14 Abs. 4 BeamtVG befasst und insoweit keine verfassungsmäßigen Bedenken erhoben (BVerwG, U.v. 23.6.2016 - 2 C 17.14 - juris). Die amtsunabhängige Beamtenversorgung für Bundesbeamte beträgt gemäß § 14 Abs. 4 Satz 2 BeamtVG 65 v.H. der jeweils ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus der Endstufe der Besoldungsgruppe A4; hieraus ergibt sich nach der seit 1. Februar 2017 gültigen Besoldungstabelle ein Betrag i.H.v. EUR 1.645,76, der nahezu exakt dem Niveau des Betrags aus Art. 26 Abs. 5 Satz 2 BayBeamtVG entspricht bzw. diesen aktuell sogar leicht unterschreitet. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 14 Abs. 4 BeamtVG ist daher ohne weiteres auf Art. 26 Abs. 5 Satz 2 BayBeamtVG übertragbar.

Die Mindestversorgung nach Art. 26 Abs. 5 BayBeamtVG vermittelt jedem Lebenszeitbeamten eine Grundsicherung. Sie wird unabhängig davon, ob sie amtsbezogen nach Art. 26 Abs. 5 Satz 1 BayBeamtVG oder amtsunabhängig gemäß Art. 26 Abs. 5 Satz 2 BayBeamtVG bezogen wird, pauschalierend, generalisierend und unabhängig davon gewährt, welche Erwerbsbiografie der einzelne Beamte hat. Die Mindestversorgung will vielmehr und ausschließlich eine alimentationsrechtliche Grundsicherung für den Fall gewährleisten, dass die erdienten Versorgungsbezüge zu einer solchen Sicherung nicht ausreichen (BVerwG, U.v. 23.6.2005 - 2 C 25.04 - BVerwGE 124, 19/24 f.). Die Mindestruhegehaltssätze sind damit - weil ohne Bezug zur tatsächlich ruhegehaltsfähigen Dienstzeit - abstrakt gesetzlich vorgegeben und deshalb nicht „berechnet“ (BVerfG, B.v. 2.5.2012 - 2 BvL 5/10 - BVerfGE 131, 20/41). Sie beruhen unmittelbar auf der Alimentationspflicht des Dienstherrn, die als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleistet ist (vgl. z.B. BVerfG, U.v. 17.12.1953 -d 1 BvR 147/52 - BVerfGE 3, 58/160; B.v. 11.10.1977 - 2 BvR 407/76 - BVerfGE 46, 97/117; B.v. 15.5.1985 - 2 BvL 24/82 - BVerfGE 70, 69/79). Die Mindestversorgung bringt die verfassungsrechtlichen Anforderungen der amtsgemäßen (BVerfG, B.v. 7.7.1982 - 2 BvL 14/78 u.a. - BVerfGE 61, 43/58; B.v. 30.9.1987 - 2 BvR 933/82 - BVerfGE 76, 256/324 f.; BVerwG, U.v. 19.2.2004 - 2 C 20.03 - juris) sowie der (bedarfs-)angemessenen Versorgung (vgl. BVerfG, B.v. 30.3.1977 -2 BvR 1039/75 u.a. - BVerfGE 44, 249/263; B.v. 22.3.1990 - 2 BvL 1/86 -BVerfGE 81, 363/383 ff.; B.v. 24.11.1998 - 2 BvL 26/91 u.a. - BVerfGE 99, 300/314 ff.) zur Geltung (vgl. zum Ganzen: BVerwG, U.v. 23.6.2016 - 2 C 17.14 - juris Rn. 12; BayVGH, U.v. 4.6.2014 - 14 B 13.1961 - juris Rn. 28).

Auch der - wie ausgeführt - weitgehend pauschale Vortrag des Klägers gibt keinen Anlass, die Verfassungsmäßigkeit der Höhe der amtsunabhängigen Mindestversorgung aus Art. 26 Abs. 5 Satz 2 BayBeamtVG in Zweifel zu ziehen. Eine mögliche Verfassungswidrigkeit ergibt sich insbesondere nicht aus dem Vortrag des Klägers, dass ihm unter Berücksichtigung von Abzügen lediglich ca. EUR 672,- netto monatlich verblieben. Der Kläger legt bereits nicht dar, welche Beträge er für die jeweiligen Abzugsposten (Kranken- und Pflegeversicherung, Steuern, Altersvorsorgebeitrag und Wohnkosten) ansetzt; somit kann die klägerische Berechnung bereits nicht nachvollzogen werden. Daher bleibt auch unklar, ob die Abzugsbeträge jeweils realistisch bzw. - im Fall der Wohnkosten - wirtschaftlich angemessen sind. Ohnehin wären eine Existenzgefährdung oder vergleichbare wesentliche Nachteile selbst bei einem monatlich verbleibenden Restbetrag von EUR 672,- netto nicht zu besorgen (vgl. NdsOVG, B.v. 20.3.2008 - 5 MC 311/07 - juris Rn. 18 - Restbetrag von EUR 645,- netto monatlich). Hierbei ist auch zu bedenken, dass seit 1. Januar 2018 der monatliche Regelbedarf nach §§ 27a, 28 SGB XII zur Deckung des zur Gewährleistung des Existenzminimums notwendigen Lebensunterhalts EUR 416,- beträgt (Anlage zu § 28 SGB XII: Regelbedarfsstufe 1 - erwachsene Person in Wohnung).

Vor diesem Hintergrund war auch dem klägerseitig in der mündlichen Verhandlung gestellten bedingten Beweisantrag (vgl. hierzu Geiger in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 86 Rn. 25) zur einer angeblichen Verfassungswidrigkeit der Höhe der amtsunabhängigen Mindestversorgung aus Art. 26 Abs. 5 Satz 2 BayBeamtVG nicht weiter nachzugehen.

bb) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine gesetzeskonforme Neufestsetzung der Sonderzahlung 2015.

Diese war nicht Gegenstand des bestandskräftigen Versorgungsfestsetzungsbescheids vom 1. Februar 2012, sondern ist gesetzlich geregelt.

Gemäß Art. 75 Satz 1 BayBeamtVG erhalten Versorgungsberechtigte mit laufenden Versorgungsbezügen eine jährliche Sonderzahlung. Sie besteht gemäß Art. 75 Satz 2 BayBeamtVG aus einem Grundbetrag (Art. 76 BayBeamtVG) und einem Sonderbetrag für Kinder (Art. 77 BayBeamtVG). Als Grundbetrag der jährlichen Sonderzahlung wird nach Art. 76 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG ein Zwölftel der für das laufende Kalenderjahr zustehenden Versorgungsbezüge unter Zugrundelegung der Vomhundertsätze nach Art. 76 Abs. 2 BayBeamtVG gewährt. Gemäß Art. 76 Abs. 2 Nr. 1 BayBeamtVG gilt für Bezüge nach Art. 76 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BayBeamtVG für die Besoldungsgruppen A3 bis A11 ein Vomhundertsatz von 60 v.H.

Hiervon ausgehend ist die im Versorgungsnachweis 12/2015 (Blatt 16 der Verwaltungsakte) ausgewiesene Sonderzahlung 2015 i.H.v. EUR 920,21 korrekt berechnet. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Berechnung im Schreiben der Beklagten vom 23. März 2016 (Blatt 9 der Verwaltungsakte) verwiesen. Für die Monate Januar und Februar 2015 ergibt sich Betrag von -gerundet - EUR 150,73 (EUR 1.507,30 / 12 x 0,6 -» EUR 75,36 x 2), für die Monate März bis Dezember 2015 ein Betrag von - gerundet - EUR 769,48 (EUR 1.538,96 / 12 x 0,6 EUR 76,95 x 10); in der Addition folgt hieraus ein Gesamtbetrag i.H.v. EUR 920,21.

cc) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine gesetzeskonforme Neufestsetzung, soweit es die zum 1. März 2016 erfolgte Besoldungserhöhung betrifft. Diese war naturgemäß nicht Gegenstand des bestandskräftigen Versorgungsfestsetzungsbescheids vom 1. Februar 2012.

Wie bereits ausgeführt ergab sich in der für den Kläger gemäß Art. 26 Abs. 5 Satz 2 BayBeamtVG maßgeblichen amtsunabhängigen Mindestversorgung (Besoldungsgruppe A3 - Endstufe, hiervon 66,5 v.H.) zum 1. März 2016 eine Anhebung von EUR 49,87 (zuvor EUR 1.538,96, danach EUR 1.588,83). Der Umstand, dass die zum 1. März 2016 erfolgte Erhöhung der Besoldungsgruppe A3 (Endstufe) um EUR 75,- nicht vollständig, sondern nur zu einem Anteil von 66,5 v.H. an den Kläger ausgezahlt wurde, ist eine denknotwendige Folge der anteiligen Berechnung aus Art. 26 Abs. 5 Satz 2 BayBeamtVG und (verfassungs-)rechtlich nicht zu beanstanden. Dies gilt insbesondere mit Blick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. Soweit der Kläger insoweit pauschal auf abweichende Regelungen in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie bei Unfall- und Kriegsopferrenten verweist, wo eine einheitliche Anpassung erfolge, so überzeugt dies nicht. Der Kläger benennt bereits nicht konkrete Vorschriften, die eine abweichende Regelung in anderen Rechtsbereichen belegt. Unabhängig davon wären jedenfalls keine vergleichbaren Sachverhalte gegeben, da die beamtenrechtliche Mindestversorgung dem Alimentationsprinzip folgt und nicht mit der gesetzlichen Rentenversicherung sowie dem Bezug von Unfall- und Kriegsopferrenten vergleichbar ist.

c) Aufgrund des Nichtbestehens der klägerseitig geltend gemachten Ansprüche ist eine Entscheidung des Gerichts über einen etwaigen (Sekundär-)Anspruch des Klägers auf Verzugszinsen nicht veranlasst. Nur der guten Ordnung halber sei darauf hingewiesen, dass einem Anspruch auf Verzugszinsen Art. 5 Abs. 2 BayBeamtVG entgegenstünde.

3. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

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(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

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(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. (2) Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; bei Vers

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 188 Fristende


(1) Eine nach Tagen bestimmte Frist endigt mit dem Ablauf des letzten Tages der Frist. (2) Eine Frist, die nach Wochen, nach Monaten oder nach einem mehrere Monate umfassenden Zeitraum - Jahr, halbes Jahr, Vierteljahr - bestimmt ist, endigt im Fa

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(1) Der Lauf einer Frist beginnt, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit der Zustellung oder, wenn diese nicht vorgeschrieben ist, mit der Eröffnung oder Verkündung. (2) Für die Fristen gelten die Vorschriften der §§ 222, 224 Abs. 2 und 3, §§ 22

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(1) Öffentliche Urkunden, die einen anderen als den in den §§ 415, 417 bezeichneten Inhalt haben, begründen vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen. (2) Der Beweis der Unrichtigkeit der bezeugten Tatsachen ist zulässig, sofern nicht die Lande

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(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.

(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.

(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.

(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.

(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Anfechtungsklage muß innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist nach § 68 ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muß die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Öffentliche Urkunden, die einen anderen als den in den §§ 415, 417 bezeichneten Inhalt haben, begründen vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen.

(2) Der Beweis der Unrichtigkeit der bezeugten Tatsachen ist zulässig, sofern nicht die Landesgesetze diesen Beweis ausschließen oder beschränken.

(3) Beruht das Zeugnis nicht auf eigener Wahrnehmung der Behörde oder der Urkundsperson, so ist die Vorschrift des ersten Absatzes nur dann anzuwenden, wenn sich aus den Landesgesetzen ergibt, dass die Beweiskraft des Zeugnisses von der eigenen Wahrnehmung unabhängig ist.

(1) Zum Nachweis der Zustellung nach den §§ 171, 177 bis 181 ist eine Urkunde auf dem hierfür vorgesehenen Formular anzufertigen. Für diese Zustellungsurkunde gilt § 418.

(2) Die Zustellungsurkunde muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Person, der zugestellt werden soll,
2.
die Bezeichnung der Person, an die der Brief oder das Schriftstück übergeben wurde,
3.
im Falle des § 171 die Angabe, dass die Vollmachtsurkunde vorgelegen hat,
4.
im Falle der §§ 178, 180 die Angabe des Grundes, der diese Zustellung rechtfertigt und wenn nach § 181 verfahren wurde, die Bemerkung, wie die schriftliche Mitteilung abgegeben wurde,
5.
im Falle des § 179 die Erwähnung, wer die Annahme verweigert hat und dass der Brief am Ort der Zustellung zurückgelassen oder an den Absender zurückgesandt wurde,
6.
die Bemerkung, dass der Tag der Zustellung auf dem Umschlag, der das zuzustellende Schriftstück enthält, vermerkt ist,
7.
den Ort, das Datum und auf Anordnung der Geschäftsstelle auch die Uhrzeit der Zustellung,
8.
Name, Vorname und Unterschrift des Zustellers sowie die Angabe des beauftragten Unternehmens oder der ersuchten Behörde.

(3) Die Zustellungsurkunde ist der Geschäftsstelle in Urschrift oder als elektronisches Dokument unverzüglich zurückzuleiten.

Inwiefern Durchstreichungen, Radierungen, Einschaltungen oder sonstige äußere Mängel die Beweiskraft einer Urkunde ganz oder teilweise aufheben oder mindern, entscheidet das Gericht nach freier Überzeugung.

(1) Zum Nachweis der Zustellung nach den §§ 171, 177 bis 181 ist eine Urkunde auf dem hierfür vorgesehenen Formular anzufertigen. Für diese Zustellungsurkunde gilt § 418.

(2) Die Zustellungsurkunde muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Person, der zugestellt werden soll,
2.
die Bezeichnung der Person, an die der Brief oder das Schriftstück übergeben wurde,
3.
im Falle des § 171 die Angabe, dass die Vollmachtsurkunde vorgelegen hat,
4.
im Falle der §§ 178, 180 die Angabe des Grundes, der diese Zustellung rechtfertigt und wenn nach § 181 verfahren wurde, die Bemerkung, wie die schriftliche Mitteilung abgegeben wurde,
5.
im Falle des § 179 die Erwähnung, wer die Annahme verweigert hat und dass der Brief am Ort der Zustellung zurückgelassen oder an den Absender zurückgesandt wurde,
6.
die Bemerkung, dass der Tag der Zustellung auf dem Umschlag, der das zuzustellende Schriftstück enthält, vermerkt ist,
7.
den Ort, das Datum und auf Anordnung der Geschäftsstelle auch die Uhrzeit der Zustellung,
8.
Name, Vorname und Unterschrift des Zustellers sowie die Angabe des beauftragten Unternehmens oder der ersuchten Behörde.

(3) Die Zustellungsurkunde ist der Geschäftsstelle in Urschrift oder als elektronisches Dokument unverzüglich zurückzuleiten.

Ist die Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 nicht ausführbar, kann das Schriftstück in einen zu der Wohnung oder dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt werden, die der Adressat für den Postempfang eingerichtet hat und die in der allgemein üblichen Art für eine sichere Aufbewahrung geeignet ist. Mit der Einlegung gilt das Schriftstück als zugestellt. Der Zusteller vermerkt auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks das Datum der Zustellung.

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 13. August 2015 - 3 K 373/15 - wird verworfen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500 EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die Beschwerde der Antragstellerin ist als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO eingelegt wurde und der von der Antragstellerin - vorsorglich - gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 60 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 VwGO) hinsichtlich der Versäumung der Frist des § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO keinen Erfolg hat.
1. Gemäß § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist die Beschwerde bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung einzulegen. Diese Frist hat die Antragstellerin nicht gewahrt. Die Frist des § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO zur Beschwerde gegen den mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung (vgl. Guckelberger, in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., § 147 RdNr. 17 m. w. N.) versehenen Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 13.08.2015 begann hier am 20.08.2015 zu laufen (§ 57 Abs. 1 VwGO) und ist am 03.09.2015 abgelaufen (vgl. § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, §§ 188 Abs. 2, 187 Abs. 1 BGB). Die Beschwerdeschrift ist erst am 08.09.2015 und damit verspätet bei dem Verwaltungsgericht eingegangen.
Gemäß §§ 56 Abs.1, 57 Abs. 1 VwGO beginnt der Lauf der hier in Rede stehenden Beschwerdefrist mit der Zustellung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses. Dieser Beschluss wird von Amts wegen nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung zugestellt (§ 56 Abs. 2 VwGO). Hier wurde der Beschluss des Verwaltungsgerichts gemäß § 56 Abs. 2 VwGO, § 180 ZPO, dessen Voraussetzungen - was zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist - gegeben sind, im Wege der Ersatzzustellung zugestellt. Mit der Einlegung des Schriftstücks in den Briefkasten gilt das entsprechende Schriftstück als zugestellt (§ 56 Abs. 2 VwGO, § 180 Satz 2 ZPO). Die hierüber gemäß § 56 Abs. 2 VwGO, § 182 ZPO gefertigte Postzustellungsurkunde (Blatt 472b der Akte des Verwaltungsgerichts) benennt als Zustellungsdatum den 20.08.2015 (vgl. § 56 Abs. 2 VwGO, § 182 Abs. 2 Nr. 7 ZPO). Diese Urkunde ist eine öffentliche Urkunde, die gemäß § 418 Abs. 1 ZPO den vollen Beweis unter anderem für das Einlegen des Schriftstücks in den Briefkasten zu dem angegebenen Zeitpunkt erbringt (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 16.05.1986 - 4 CB 8.86 -, NJW 1986, 2127 und vom 19.03.2002 - 2 WDB 15.01 -, Buchholz 235.0 § 82 WDO Nr. 1).
Der Wirksamkeit der Zustellung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses steht nicht entgegen, dass der Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks, der von der Antragstellerin zur Beschwerdeakte gereicht wurde (Blatt 65), keinen Vermerk über das Datum der Zustellung gemäß § 56 Abs. 2 VwGO, § 180 Satz 3 ZPO enthält (ebenso: Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 180 RdNr. 4, § 182 RdNr. 10; Stöber, in: Zöller, ZPO, § 180 RdNr. 7, § 182 RdNr. 19; Häublein, in: Münchener Kommentar zur ZPO [MüKo], § 182 RdNr. 12; Dörndorfer, in: BeckOK ZPO, § 180 ZPO RdNr. 3; vgl. auch: OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 02.08.2012 - 2 M 58/12 -, NVwZ-RR 2013, 85; für die Regelung des § 195 Abs. 2 Satz 2 ZPO a.F. vgl. Oberste Gerichtshöfe des Bundes (Gemeinsamer Senat), Beschluss vom 09.11.1976 - GmS - OBG 2/75 -, NJW 1977, 621; BGH, Beschluss vom 31.03.2003 - II ZB 12/01 -, NJOZ 2003, 1050; anderer Ansicht: BFH, Urteil vom 28.07.2015 - VIII R 2/09 - sowie Beschluss vom 19.01.2005 - II B 38/04 -, jew. juris; für § 3 VwZG in Verbindung mit § 180 Satz 3 ZPO: Sadler, VwVG, VwZG, 9. Aufl., § 3 VwZG RdNrn. 139, 182). Denn der Vermerk des Tages der Zustellung auf dem Umschlag bringt lediglich das Datum der Zustellung dem Empfänger nachrichtlich zur Kenntnis, ist aber nicht notwendiger Bestandteil der Zustellung (vgl. BayVGH, Beschluss vom 31.01.2011 - 4 ZB 10.3088 -, BayVBl. 2013, 185; Stöber/Geimer, in Zöller, a.a.O., § 182 RdNr. 19; Roth, in: Stein/Jonas, a.a.O., § 180 RdNr. 4). Dementsprechend wird in der Gesetzesbegründung zum Zustellungsreformgesetz ausgeführt, dass für den Fall, dass der Vermerk des Zustellungsdatums auf dem Umschlag, der das zuzustellende Schriftstück enthält, fehlt oder dieses von dem auf der Zustellungsurkunde ausgewiesenen Datum abweicht, die Zustellung dennoch wirksam ist (BT-Drs. 14/4554, S. 22).
Mit der wirksamen (Ersatz-)Zustellung durch Einlegung in den Briefkasten fängt die Rechtsmittelfrist an zu laufen (§ 57 Abs. 1 VwGO). Etwas anderes ergibt sich nicht aus § 56 Abs. 2 VwGO, § 189 ZPO, weil keine zwingende Zustellungsvorschrift verletzt wurde. Für den Fall, dass sich die formgerechte Zustellung eines Dokuments nicht nachweisen lässt oder das Dokument unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen ist, gilt nach § 189 ZPO das Dokument in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem es der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte, tatsächlich zugegangen ist. § 189 ZPO heilt im Wege einer Fiktion eine unwirksame Zustellung, wenn der Zustellungszweck, nämlich dem Adressaten eine zuverlässige Kenntnis von dem zuzustellenden Schriftstück zu verschaffen, auf andere Weise erreicht ist. Die Zustellung wird dann als wirksam angesehen, wenn das Schriftstück dem Adressaten oder einem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen und damit der Zweck des § 166 Abs. 1 ZPO erreicht ist (Roth, in: Stein/Jonas, a.a.O., § 189 RdNr. 1). Ein erneuter Zustellungsversuch muss in diesem Fall, auch wenn die Zustellung wegen eines Zustellungsmangels an sich unwirksam war, nicht mehr unternommen werden (Kimmel, in: Posser/Wolff, VwGO, 2. Aufl., § 56 RdNr. 76). Damit wird vermieden, dass ein starres Festhalten an den Formalien, von denen nach den maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen die Wirksamkeit der Zustellung abhängt, zu unbilligen Ergebnissen führt, wenn auch auf andere Weise als durch die formgerechte Zustellung eindeutig nachweisbar ist, dass der Empfänger von dem Schriftstück Kenntnis erhalten hat (Meissner/Schenk, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 56 RdNr. 72). Demgemäß sind zwingende Zustellungsvorschriften im Sinne des § 189 ZPO solche Vorschriften, deren Nichteinhaltung zur Unwirksamkeit der Zustellung führen, da nur diese einer Heilung bedürfen (Roth, in: Stein/Jonas, a.a.O., § 189 RdNr. 13; ebenso, aber ohne nähere Begründung: Thomas/Putzo, ZPO, 36. Aufl., § 189 RdNr. 6; Saenger, ZPO, 4. Aufl., § 189 RdNr. 6). So geht auch der Gesetzgeber davon aus, dass § 189 ZPO zur Unwirksamkeit der Zustellung führende Zustellungsmängel heilen soll, wenn er in der Gesetzesbegründung davon spricht, dass eine fehlerhafte Zustellung mit dem Zeitpunkt des tatsächlichen Zugangs an den Adressaten oder einem Empfangsberechtigten „wirksam wird“ (BT-Drs. 14/4554, S. 25). Damit ist hier für den Beginn des Laufs der Beschwerdefrist das Datum der (wirksamen) Zustellung maßgebend und kommt es nicht darauf an, ob und wann der Antragstellerin der verwaltungsgerichtliche Beschluss im Sinne des § 56 Abs. 2 VwGO, § 189 ZPO tatsächlich zugegangen ist (vgl. Roth, in: Stein/Jonas, a.a.O., § 180 RdNr, 4; Stöber/Gmeiner, in: Zöller, a.a.O., § 182 RdNr. 19). Art. 103 Abs. 1 GG zwingt zu keiner anderen Auslegung des § 189 ZPO, da Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (dazu noch unten) in Betracht kommt, wenn der Zustellungsadressat durch einen Zustellungsmangel, der nicht zur Unwirksamkeit der Zustellung führt, in seinen Rechtsschutzmöglichkeiten betroffen ist (BVerwG, Beschluss vom 31.01.2001 - 4 A 46.00 -, NVwZ-RR 2001, 484; OVG Berlin, Beschluss vom 18.05.2004 - 2 N 27.03 -, NVwZ-RR 2004, 724; OLG Hamburg, Beschluss vom 18.02.2005 - 2 Ws 5/05 -, NJW 2006, 1685; Stöber/Gmeiner, in: Zöller, a.a.O., § 182 RdNr. 19). Soweit der Bundesfinanzhof (BFH Großer Senat, Beschluss vom 06.05.2014 -, NJW 2014, 2524; BFH, Urteil vom 21.09.2011 - 1 R 50/10 -, BB 2012, 184 und vom 19.01.2005, a.a.O.) davon ausgeht, dass die Regelung des § 180 Satz 3 ZPO zu den zwingenden Zustellungsvorschriften gehört, so dass bei Verstoß gegen diese das Schriftstück gemäß § 189 ZPO erst im Zeitpunkt des tatsächlichen Zugangs als zugestellt gilt, bezieht er sich letztlich auf den Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 09.11.1976, a.a.O. (ebenso: Meissner/Schenk, in: Schoch/Schneider/Bier, a.a.O., § 65 RdNr. 74; Häublein, in: MüKo, a.a.O., § 181 RdNr. 12). In diesem Beschluss hatte der Gemeinsame Senat für das vor dem 01.07.2002 geltende Zustellungsrecht, das die Ersatzzustellung durch Einlegung in den Briefkasten und dementsprechend die Regelung des § 180 Satz 3 ZPO noch nicht kannte, und vor dem Hintergrund, dass nach § 9 Abs. 2 VwZG in seiner damaligen Fassung die Heilungsvorschrift des § 9 Abs. 1 VwZG a.F. nicht auf Klage- und Rechtsmittel(begründungs)fristen anzuwenden war, entschieden, dass es sich bei § 195 Abs. 2 Satz 2 ZPO a.F. um eine zwingende Zustellungsvorschrift handele. Nach dieser Vorschrift konnte die Übergabe einer Abschrift der Zustellungsurkunde dadurch ersetzt werden, dass der Postbedienstete den Tag der Zustellung auf der Sendung vermerkt, was er in der Zustellungsurkunde zu bezeugen hatte. Diese Rechtsprechung zum alten Zustellungsrecht kann aber nicht ohne Weiteres auf die Rechtslage nach Inkrafttreten des Zustellungsreformgesetzes vom 25.06.2001 (BGBl I 2001, 1206) mit Wirkung zum 01.07.2002 und die oben erörterten Rechtsfragen übertragen werden (vgl. Roth, in: Stein/Jonas, a.a.O., § 182 RdNr. 10; vgl. auch BGH, Beschluss vom 18.09.2003 - IX ZB 40/03 -, NJW 2004, 71: „grundsätzliche Bedeutung“ der Frage; Häublein, in: MüKo, a.a.O., § 181 RdNr. 12: „umstrittene Rechtslage“).
2. Der Antragstellerin kann auf ihren vorsorglich gestellten Antrag keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 Abs. 1 Abs. 2 Satz 1 VwGO hinsichtlich der Frist zur Einlegung der Beschwerde gewährt werden. Denn sie hat nicht glaubhaft gemacht (vgl. § 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO), ohne Verschulden daran gehindert gewesen zu sein, die Frist des § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO einzuhalten. In der zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags vorgelegten eidesstattlichen Versicherung ihres Geschäftsführers macht dieser geltend, sich vom 10.08. bis zum 30.08.2015 in Urlaub befunden und den Umschlag mit dem angegriffenen Beschluss des Verwaltungsgerichts erst am 31.08.2015 geöffnet zu haben. Ungeachtet der Sorgfaltsverpflichtungen des Geschäftsführers einer GmbH für eine sachgerechte Wahrung fristgebundener Terminsachen während seiner Urlaubsabwesenheit (vgl. dazu: BFH, Urteile vom 13.03.1991 - I R 38/90 - und vom 08.04.2004 - VII B 283/03 -, jew. juris), zu denen sich die Antragstellerin nicht hat äußern wollen, hat der Geschäftsführer der Antragstellerin am 31.08.2015 und damit noch innerhalb der bis zum 03.09.2015 laufenden Beschwerdefrist Kenntnis von der (wirksamen) förmlichen Zustellung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts erlangt. Auch wenn auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks nicht das Datum der Zustellung vermerkt ist, war es dem Geschäftsführer zumutbar, sich bei der Antragsgegnerin nach dem Datum der auf der Postzustellungsurkunde vermerkten Zustellung zu erkundigen, um dann noch fristwahrend Beschwerde einlegen zu können (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31.01.2001, OVG Berlin, Beschluss vom 18.05.2004, jew. a.a.O.). Dass die in diesem Fall noch verbliebene Restfrist nicht ausreichend gewesen wäre, um eine Entscheidung über die Einlegung des Rechtsmittels herbeizuführen, ist nicht ersichtlich und von der Antragstellerin auch nicht geltend gemacht worden (zu den diesbezüglichen Anforderungen vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 21.05.1986 - 6 CB 33/85 -, Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 150). Hiergegen spricht auch, dass eine Begründung innerhalb der Frist des § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht abzugeben war (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) und die Bevollmächtigte der Antragstellerin nach entsprechender Information durch die Antragstellerin noch am gleichen Tag (07.09.2015) die Einlegung der Beschwerde veranlasste. Dass sich der Geschäftsführer der Antragstellerin in einem (wegen der hier gegebenen unklaren Rechtslage unverschuldeten) Rechtsirrtum über den Beginn des Laufs der Beschwerdefrist befunden hätte, wird in der von ihm vorgelegten eidesstattlichen Versicherung nicht ausgeführt und damit nicht glaubhaft gemacht. Darüber hinaus hätte es in diesem Fall der Bevollmächtigten der Antragstellerin oblegen, mit ihrem Beschwerdeschriftsatz vom 07.09.2015 einen (vorsorglichen) Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu stellen (vgl. zu den diesbezüglichen Sorgfaltsanforderungen eines Rechtsanwaltes: BVerfG, Beschluss vom 27.09.2002 - 2 BvR 855/02 -, NJW 2003, 575). Diesen Antrag hat sie erst am 25.09.2015 und damit außerhalb der Frist des § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO gestellt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

I.

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage gegen den Kostenbescheid des Landratsamts Freising vom 11. November 2014 für den Vollzug tierschutzrechtlicher Maßnahmen. Laut Postzustellungsurkunde wurde der Bescheid der Klägerin am 14. November 2014 zugestellt. Der zugehörige Briefumschlag des Bescheids enthält keinen Vermerk über das Datum der Zustellung. Die gegen den Bescheid gerichtete Klage sowie ein Antrag auf Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Klägerbevollmächtigten vom 7. Januar 2015 ging am 15. Januar 2015 bei Gericht ein.

II.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Bevollmächtigten der Klägerin hat keinen Erfolg.

Gemäß § 166 VwGO i. V. m. § 114 ZPO ist einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die auf hinreichende Erfolgsaussicht gerichtete rechtliche Prüfung ist nur eine summarische Prüfung, denn die Prüfung der Erfolgsaussicht dient nicht dazu, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in das Prozesskostenhilfeverfahren vorzuverlagern, das den Rechtsschutz nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen will (Geiger in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 166 Rn. 35). Die Anforderungen an die hinreichende Erfolgsaussicht dürfen nicht überspannt werden. Der Erfolg muss nicht gewiss sein. Es genügt eine gewisse Wahrscheinlichkeit, die bereits gegeben ist, wenn ein Obsiegen ebenso ungewiss wie ein Unterliegen. Allerdings genügt eine nur entfernte, eine nur theoretische Wahrscheinlichkeit nicht (Geiger in Eyermann, a. a. O. Rn. 26).

Dies zugrunde gelegt, bietet die vorliegend beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, da die Klage nicht innerhalb der maßgeblichen Frist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO bei Gericht eingegangen und damit unzulässig ist.

Gemäß § 74 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwGO ist die Anfechtungsklage innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe des Verwaltungsakts zu erheben. Dies ist vorliegend nicht geschehen. Die Bekanntgabe des streitgegenständlichen Kostenbescheids vom 11. November 2014 erfolgte wirksam im Wege der Ersatzzustellung mit Einlegung des Schriftstücks in den Briefkasten der Klägerin am 14. November 2014, wie aus der Postzustellungsurkunde vom selben Tag hervorgeht, Art. 41 Abs. 5 BayVwVfG i. V. m. Art. 3 Abs. 1 und 2 Satz 1 VwZVG i. V. m. §§ 180 Satz 1 und 2, 182 ZPO. Damit begann der Lauf der Klagefrist gemäß § 57 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1 BGB am 15. November 2014 und endete nach § 57 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 222 Abs. 1 und 2 ZPO, § 188 Abs. 2 BGB am 15. Dezember 2014. Nachdem der Klageschriftsatz erst am 15. Januar 2015 bei Gericht eingegangen ist, ist die Klage verfristet.

Der Wirksamkeit der Zustellung des Bescheids steht nicht entgegen, dass der Umschlag des Bescheids, der von der Klägerin im Gerichtsverfahren vorgelegt wurde, keinen Vermerk über das Datum der Zustellung gemäß § 180 Satz 3 ZPO enthält. Bei der - hier vorliegenden - nach Maßgabe von § 182 ZPO für die Ersatzzustellung ausgefüllten Postzustellungsurkunde handelt es sich um eine öffentliche Urkunde, die gemäß §§ 182 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. 418 Abs. 1 ZPO den vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen erbringt, unter anderem auch für das Einlegen des Schriftstücks in den Briefkasten zu dem angegebenen Zeitpunkt (BVerwG, B. v. 19.3.2002 - 2 WDB 15/01; VGH München, B. v. 31.1.2011 - 4 ZB 10.3088; VGH Baden-Württemberg, B. v. 15.2.2016 - 6 S 1870/15 - jeweils juris). Durch den Vermerk auf dem Umschlag wird dem Empfänger der Sendung lediglich nachrichtlich das Zustelldatum zur Kenntnis gebracht; notwendiger Bestandteil der Zustellung ist er jedoch nicht (vgl. Gesetzesbegründung BT-Drs. 14/4554, S. 22; VGH München, a. a. O.; VGH Baden-Württemberg, a. a. O., m. w. N.; Stöber/Geimer in Zöller, ZPO, 30. Auflage 2014, § 182 Rn. 19; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO,31. Auflage 2010, § 180 Rn. 6; Dörndorfer in Beck’scher Online-Kommentar ZPO, Stand 1.3.2016, § 180 Rn. 3).

Zwar kann nach § 418 Abs. 2 ZPO derjenige, zu dessen Nachteil sich die gesetzliche Beweisregel auswirkt, den Beweis für die Unrichtigkeit der beurkundeten Tatsachen antreten. Ein derartiger Beweisantritt verlangt jedoch den vollen Nachweis eines anderen Geschehensablaufs. Aus diesem Grund muss ein Beweisantritt substanziiert sein, d. h. es muss nach dem Vorbringen des Beteiligten eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Unrichtigkeit der bezeugten Tatsachen dargelegt werden; ein bloßes Bestreiten genügt hierfür nicht (BVerwG, B. v. 16.5.1986 - 4 CB 8/86; VGH München, a. a. O.).

Eine derartige Substanziierung zur Erläuterung eines abweichenden Zustelldatums enthält das Vorbringen der Klägerin nicht; ebenso liegen keine Anhaltspunkte für einen abweichenden Geschehensablauf vor. So führt der Klägerbevollmächtigte auf Nachfrage des Gerichts zum Zeitpunkt des Erhalts des Bescheids lediglich aus, dass dieser nicht exakt benannt werden könne; im Übrigen beschränkt sich die Klagepartei in ihren Schriftsätzen auf die pauschale Einlassung, für den Tag der Zustellung nicht beweispflichtig zu sein. Dieser Vortrag ist nicht geeignet, gegenüber der eindeutigen Postzustellungsurkunde vom 14. November 2014 einen Gegenbeweis zu erbringen. Auch im Übrigen sprechen sämtliche gegebenen Indizien - die Tatsache, dass der Bescheid die Klägerin unstreitig auf dem Postweg durch Einwurf in ihren Briefkasten erreicht hat sowie der sich unmittelbar an den Zustellungsvermerk anschließende Eingangsstempel auf der Postzustellungsurkunde, welcher deren Rücklauf an das Landratsamt Freising auf den 18. November 2014 datiert - dafür, dass der streitgegenständliche Kostenbescheid, wie auf der Zustellungsurkunde vermerkt, tatsächlich am 14. November 2014 durch die Postbedienstete in den Briefkasten der Klägerin eingeworfen wurde. Angesichts der von Beklagtenseite vorgelegten Postzustellungsurkunde lag es an der Klagepartei, den hieraus resultierenden Nachweis für das Zustellungsdatum am 14. November 2014 zu erschüttern, was jedoch nicht erfolgt ist. Das Gericht hat keine Veranlassung, das auf der Postzustellungsurkunde vermerkte Datum des Einwurfs zu bezweifeln. Ebenso wenig ergeben sich Zweifel hieran aus dem Umstand, dass das Zustellungsdatum nicht ergänzend auch auf dem Briefumschlag vermerkt wurde.

Auch wenn nicht von einer formgerechten Ersatzzustellung nach §§ 180, 182 ZPO ausgegangen würde bzw. ein Verstoß gegen zwingende Zustellungsvorschriften angenommen würde, wäre jedenfalls mit dem tatsächlichen Zugang des Bescheids bei der Klägerin Heilung des Zustellungsmangels eingetreten, § 189 ZPO (vgl. BFH, B. v. 6.5.2014 - GrS 2/13; U. v. 28.7.2015 - VIII R 2/09 - jeweils juris). Mit dem tatsächlichen Zugang gilt das Schriftstück als zugestellt. Entsprechend obiger Ausführungen sprechen sämtliche vorliegenden Umstände dafür, dass der streitgegenständliche Kostenbescheid am 14. November 2014 in den Briefkasten der Klägerin eingeworfen wurde und somit die Klägerin im Sinne eines tatsächlichen Zugangs erreicht hat. Ein abweichender Geschehensablauf ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

Selbst wenn zugunsten der Klägerin von einer unwirksamen Zustellung des Bescheids ausgegangen würde, führt auch der hieran anknüpfende Rückgriff auf die allgemeine Vorschrift über die formlose Bekanntgabe eines Verwaltungsakts gemäß Art. 41 BayVwVfG zu keinem anderen Ergebnis. Hiernach gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, Art. 41 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG, es sei denn, der Verwaltungsakt ist nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen, Art. 41 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BayVwVfG. Damit wäre, ausgehend von dem Postzustellungsvermerk vom 14. November 2014, eine Bekanntgabe des streitgegenständlichen Bescheids jedenfalls drei Tage später, am 17. November 2014, anzunehmen. Um dies zu widerlegen, wäre es an der Klagepartei gewesen, substantiiert und plausibel einen atypischen Geschehenslauf zum Nachweis einer späteren Bekanntgabe darzulegen (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 11. Auflage, § 41 Rn. 43), was vorliegend jedoch unterblieben ist. Die Bekanntgabe des Bescheids am 17. November 2014 zugrunde gelegt, hätte der Lauf der Klagefrist gemäß § 57 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1 BGB am 18. November 2014 begonnen und nach § 57 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 222 Abs. 1 ZPO, § 188 Abs. 2 BGB am 17. Dezember 2014 geendet. Auch in diesem Fall wäre die Klagefrist eindeutig nicht eingehalten worden.

Im Ergebnis ist davon auszugehen, dass der angefochtene Kostenbescheid der Klägerin am 14. November 2014, spätestens am 17. November 2014, zugegangen und die Klage nach Verstreichen der Monatsfrist zu spät eingereicht worden ist.

Anhaltspunkte für eine Wiedereinsetzung gemäß § 60 VwGO sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Klage ist nach summarischer Prüfung damit unzulässig.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war daher abzulehnen.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller wendet sich im Wege einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 01.12.2011, mit der ihm unter Anordnung des Sofortvollzugs und Androhung der Ersatzvornahme aufgegeben wurde, einen Bauzaun sowie einen Erdwall von einer Straße zu entfernen. Die Verfügung wurde dem Antragsteller laut Postzustellungsurkunde am Freitag, dem 02.12.2011 um 9.30 Uhr durch Einlegen des Schriftstücks in den zum Geschäftsraum seines Prozessbevollmächtigten gehörenden Briefkasten zugestellt. Auf dem vom Antragsteller im Beschwerdeverfahren im Original vorgelegten Umschlag des zugestellten Schriftstücks war im dafür vorgesehenen Feld ursprünglich das Zustellungsdatum „02.12.11“ und die Uhrzeit „09.45“ vermerkt. Diese Angaben sind allerdings durchgestrichen und durch das Datum „05.12.11“ und die Uhrzeit „9.00 Uhr“ ersetzt worden; im entsprechenden Feld finden sich zweimal der weitere Vermerk „berichtigt 05.12.11“ sowie die Unterschriften des Zustellers. Die Zustellungsurkunde ging laut Eingangsstempel der Antragsgegnerin am Montag, dem 05.12.2011 bei dieser ein. Gegen die Ordnungsverfügung erhob der Antragsteller am 04.01.2012 Widerspruch, über den noch nicht entschieden ist.

2

Am 01.02.2012 hat der Antragsteller um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht und in der Begründung u. a. angegeben, die Ordnungsverfügung sei ihm am 05.12.2011 zugestellt worden.

3

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 29.02.2012 hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs bezüglich der Beseitigungsanordnung wiederhergestellt und bezüglich der Androhung der Ersatzvornahme angeordnet. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Begründetheit des Antrags stehe nicht entgegen, dass der Antragsteller den Widerspruch erst nach Ablauf der Monatsfrist des § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO erhoben habe. Die der Ordnungsverfügung beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung sei unrichtig, soweit darin angegeben werde, dass der Widerspruch auch zur Niederschrift bei einer bestimmten „Dienststelle des Bürgermeisters“ der Antragsgegnerin, nämlich der Bau- und Ordnungsverwaltung, erhoben werden könne.

II.

4

1. Die hiergegen erhobene zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist nicht begründet. Die vorgebrachten Gründe rechtfertigen nicht die Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung.

5

2. Das Verwaltungsgericht hat – jedenfalls im Ergebnis – zutreffend angenommen, dass dem Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die streitgegenständliche Ordnungsverfügung nicht wegen Verfristung des Widerspruchs der Erfolg versagt bleiben muss.

6

Zwar ist für eine Wiederherstellung oder Anordnung der aufschiebenden Wirkung kein Raum, wenn der Verwaltungsakt, um dessen Vollziehung es geht, bereits unanfechtbar geworden ist (BVerwG, Beschl. v. 31.07.2006 – 9 VR 11.06 –, UPR 2006, 393; Beschl. v. 30.10.1992 – 7 C 24.92 –, NJW 1993, 1610; Urt. v. 05.02.1965 – VII C 154.64 –, BVerwGE 20, 240 [243]). Dies gilt jedenfalls dann, wenn an der Verfristung des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs keine vernünftigen Zweifel bestehen bzw. diese offensichtlich ist und auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand offensichtlich nicht in Betracht kommt (vgl. VGH BW, Beschl. v. 03.06.2004 – 6 S 30/04 –, NJW 2004, 2690, m.w.N.). Die aufschiebende Wirkung soll die Schaffung irreparabler Tatsachen verhindern, die sich aus der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ergeben können; dadurch soll die Möglichkeit offengehalten werden, dass dem Rechtsschutzsuchenden durch die beantragte Aufhebung des Verwaltungsakts wirksamer Rechtsschutz zuteil wird. Kommt die Gewährung von Rechtsschutz in der Hauptsache wegen eindeutiger Verfristung des an sich statthaften Rechtsbehelfs nicht mehr in Betracht, besteht auch für den Eintritt der aufschiebenden Wirkung kein hinreichender Anlass mehr. Die aufschiebende Wirkung soll nur für eine Übergangszeit bis zu einer etwaigen Aufhebung des Verwaltungsakts im Rechtsbehelfsverfahren dessen – insofern vorzeitige – Vollziehung ausschließen. Dem entsprechend stellt § 80b Abs. 1 VwGO nunmehr klar, dass (auch) eine (bereits eingetretene) aufschiebende Wirkung des Widerspruchs mit dessen Unanfechtbarkeit endet (vgl. zum Ganzen: VGH BW, Beschl. v. 03.06.2004, m.w.N.).

7

Lässt sich hingegen die Frage, ob gegen einen Verwaltungsakt fristgerecht Widerspruch eingelegt worden ist, wegen Unklarheiten des Sachverhaltes oder der Notwendigkeit der Entscheidung schwieriger Rechtsfragen im Rahmen der summarischen Prüfung nicht entscheiden, ist ein Antrag auf Wiederherstellung oder Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs und einer anschließenden Klage zulässig (vgl. OVG NW, Beschl. v. 22.11.1985 – 14 B 2406/85 –, NVwZ 1987, 334). Denn solange offen ist, ob der angefochtene Verwaltungsakt bestandskräftig und die beantragte Aufhebung noch möglich ist, kann der Zweck der aufschiebenden Wirkung, die Schaffung vollendeter, möglicherweise irreparabler Tatsachen zu verhindern, noch erreicht werden.

8

Im konkreten Fall ist nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung zumindest offen, ob der vom Antragsteller erhobene Widerspruch gegen die Ordnungsverfügung verfristet ist.

9

2.1. Dabei kann der Senat die Frage offen lassen, ob die der Ordnungsverfügung beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung aus den vom Verwaltungsgericht genannten Gründen unrichtig ist mit der Folge, dass die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO maßgebend wäre. Allerdings neigt der Senat zu der Auffassung, dass die Rechtsmittelbelehrung den Anforderungen des § 58 Abs. 1 VwGO an die Bezeichnung der Verwaltungsbehörde und deren Sitz genügt. Dem Verwaltungsgericht ist zwar darin beizupflichten, dass eine Rechtsbehelfsbelehrung dann fehlerhaft ist, wenn ihr ein unrichtiger oder irreführender Zusatz beigefügt ist, der geeignet ist, beim Betroffenen einen Irrtum über die formellen und/oder materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs hervorzurufen, und ihn dadurch abzuhalten, den Rechtsbehelf einzulegen bzw. rechtzeitig einzulegen. Die Belehrung dahingehend, dass der Widerspruch auch zur Niederschrift bei einem bestimmten Amt einer Stadt (hier: Ordnungsverwaltung/Bau- und Ordnungsverwaltung der Antragsgegnerin) erklärt werden könne, dürfte indes keinen solchen irreführenden Zusatz darstellen (vgl. VGH BW, Urt. v. 31.01.1996 – 13 S 3068/95 –, Juris). Die Erwägung des Verwaltungsgerichts, der Zusatz könne den Betroffenen gegebenenfalls dann von der Einlegung eines fristgerechten Widerspruchs abhalten, wenn er dort „den entsprechenden Amtswalter“ (etwa wegen Urlaubs, Dienstreise oder Krankheit) nicht antreffe, überzeugt schon deshalb nicht, weil in der Rechtsbehelfsbelehrung kein bestimmter „Amtswalter“, sondern die „Ordnungsverwaltung/Bau- und Ordnungsverwaltung“ mit der Anschrift E-Straße 2 als zur Niederschrift bereite Stelle angegeben ist, in der nach den Angaben der Antragsgegnerin mindestens zehn Mitarbeiter beschäftigt sind. Eine andere Beurteilung ist möglicherweise dann geboten, wenn im Gebiet der handelnden Gebietskörperschaft weitere Dienststellen vorhanden sind, bei denen der Widerspruch erhoben werden kann (in diesem Sinne: OVG NW, Urt. v. 10.05.1984 – 14 A 1822/80 –, OVGE MüLü 37, 120 [122]). Die Antragsgegnerin hat jedoch ihren Angaben zufolge ihren alleinigen Sitz im Rathaus (Bahnhofstraße 2).

10

2.2. Nach derzeitigem Sachstand bestehen indes begründete Zweifel daran, dass der Antragsteller den Widerspruch erst nach Ablauf der Monatsfrist des § 70 Abs. 1 Satz 1 erhoben hat, die mit der Bekanntgabe des Verwaltungsakts zu laufen beginnt. Es spricht einiges dafür, dass die Widerspruchsfrist am Tag des Eingangs des Widerspruchs bei der Antragsgegnerin am 04.01.2012 noch nicht abgelaufen war. Die Frist begann möglicherweise erst am 05.12.2011 zu laufen.

11

Erfolgt die Bekanntgabe des Verwaltungsakts – wie hier – in Form der Zustellung durch Einlegen in den Briefkasten, ist zwar für den Fristbeginn grundsätzlich der Zeitpunkt maßgeblich, der in der Zustellungsurkunde als Tag der Zustellung vermerkt ist. Wird der Post ein Zustellungsauftrag erteilt, erfolgt nach § 1 Abs. 1 VwZG LSA i.V.m. § 3 Abs. 2 Satz 1 VwZG die Ausführung der Zustellung nach den §§ 177 bis 182 ZPO. Wird die Person, der zugestellt werden soll, in dem Geschäftsraum nicht angetroffen, kann das Schriftstück nach § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO in Geschäftsräumen einer dort beschäftigten Person zugestellt werden. Ist die Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO nicht ausführbar, kann nach § 180 Satz 1 ZPO das Schriftstück in einen zu dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten eingelegt werden. Mit der Einlegung gilt das Schriftstück als zugestellt (§ 180 Satz 2 ZPO). Der Zusteller vermerkt auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks das Datum der Zustellung (§ 180 Satz 3 ZPO). Die Postzustellungsurkunde, die gemäß § 182 Abs. 2 Nr. 7 ZPO u. a. das Datum der Zustellung enthalten muss, ist eine öffentliche Urkunde, die gemäß § 418 Abs. 1 ZPO den vollen Beweis u. a. für das Einlegen des Schriftstücks in den Briefkasten zu dem angegebenen Zeitpunkt erbringt (vgl. BFH, Beschl. v. 25.03.2010 – V B 151/09 –, BFH/NV 2010, 1113).

12

2.2.1. Lässt sich allerdings die formgerechte Zustellung eines Dokuments nicht nachweisen oder ist es unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften ergangen, gilt es gemäß § 1 Abs. 1 VwZG LSA i. V. m. § 8 Alt. 1 VwZG (erst) als in dem Zeitpunkt zugestellt, in dem es dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist. Nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. Urt. v. 21.09.2011 – I R 50/10 –, BFHE 235, 255, m.w.N.) gehört die Regelung des § 180 Satz 3 ZPO, die den Zusteller bei der Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten dazu verpflichtet, auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks einen Vermerk über das Datum der Zustellung anzubringen, zu den zwingenden Zustellungsvorschriften im Sinne des (mit § 8 Alt 1 VwZG inhaltsgleichen) § 189 ZPO mit der Folge, dass bei einem fehlenden Vermerk für die Zustellung der Zeitpunkt des tatsächlichen Zugangs maßgebend ist. Für das vor dem 01.07.2002 geltende Zustellungsrecht, als es noch an einer ausdrücklichen Anordnung einer solchen Pflicht des Zustellers fehlte und diese nur mittelbar aus anderen Vorschriften entnommen werden konnte, hatte der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmS-OGB) entschieden, dass es sich bei § 195 Abs. 2 Satz 2 ZPO a. F. um eine zwingende Zustellungsvorschrift, ein zwingendes Gebot an den die Zustellung Ausführenden handele (vgl. GmS-OGB, Beschl. v. 09.11.1796 – GmS-OGB 2/75 –, BVerwGE 51, 378). Nach dieser Vorschrift konnte die Übergabe einer Abschrift der Zustellungsurkunde dadurch ersetzt werden, dass der Postbedienstete den Tag der Zustellung auf der Sendung vermerkt; er hatte dies in der Zustellungsurkunde zu bezeugen. Folgt man der Rechtsauffassung des BFH, kann nichts anderes gelten, wenn zwar ein Zustellungsdatum auf dem Umschlag vermerkt ist, dieses aber nicht mit der Datumsangabe in der Zustellungsurkunde übereinstimmt. In diesem Fall wurde entweder gegen § 182 Abs. 2 Nr. 7 ZPO verstoßen, wonach die Zustellungsurkunde u. a. das (richtige) Datum der Zustellung enthalten muss, oder gegen § 180 Satz 3 ZPO, der von einem Vermerk des richtigen Zustelldatums ausgeht.

13

2.2.2. Sieht man hingegen in § 180 Satz 3 ZPO keine zwingende Zustellungsvorschrift, weil dem darin vorgesehenen Vermerk lediglich die Funktion zukommt, dem Empfänger der Sendung nachrichtlich das Zustellungsdatum zur Kenntnis zu bringen (vgl. BayVGH, Beschl. v. 31.01.2011 – 4 ZB 10.3088 –, Juris), hat dies – wie die Antragsgegnerin geltend macht – zur Folge, dass der in der Postzustellungsurkunde angegebene Tag auf Grund der vollen Beweiskraft der Urkunde (§ 418 Abs. 1 ZPO) maßgebend ist (vgl. Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 182 RdNr. 10; offen gelassen vom BGH im Beschl. v. 18.09.2003 – IX B 40/03 –, NJW 2004, 71). Entsprechendes gilt, wenn – wie hier – auf dem Umschlag das Zustelldatum berichtigt wurde, nicht aber in der Zustellungsurkunde. Allerdings ist dann der Gegenbeweis nach § 418 Abs. 2 ZPO zulässig, der durch Vernehmung des Zustellers geführt werden kann (Roth, a.a.O.).

14

Im vorliegenden Fall erscheint es angesichts der Berichtigungen auf dem Umschlag, die augenscheinlich vom Zusteller stammen, jedenfalls nicht fernliegend, dass dem Antragsteller der Beweis, dass in der Zustellungsurkunde ein falsches Zustellungsdatum dokumentiert ist, durch eine Vernehmung des Zustellers gelingen kann. Eine Zustellung der Ordnungsverfügung erst am 05.12.2011 erscheint auch nicht deshalb von vorn herein ausgeschlossen, weil die Postzustellungsurkunde bereits am 05.12.2011 bei der Antragsgegnerin einging. Sollte der Zusteller die Postzustellungsurkunde erst am 05.12.2011 der Antragsgegnerin zurückgesandt, haben, hätte sie zwar bei Berücksichtigung der normalen Postlaufzeiten nicht bereits am selben Tag bei der Antragsgegnerin eingehen können. Es ist aber denkbar, dass der Zusteller am 02.12.2011 zwar die von ihm ausgefüllte Postzustellungsurkunde an die Antragsgegnerin zurücksandte, das Schriftstück aber – aus welchen Gründen auch immer – nicht in den Briefkasten einwarf und dieses Versehen erst später, etwa am Montag, dem 05.12.2011 bemerkte. Als ein gewisses Indiz dafür, dass der Zusteller am 02.12.2011 möglicherweise nicht völlig fehlerfrei agierte, kann es angesehen werden, dass er nach dem Inhalt der Postzustellungsurkunde den Ort der Übergabe des Schriftstücks berichtigen musste (Briefkasten des Geschäftsraums und nicht der Wohnung) und die auf dem Umschlag zunächst angegebene (später durchgestrichene) Uhrzeit der Zustellung (9.45 Uhr) nicht exakt mit der in der Zustellungsurkunde angegebenen Uhrzeit (9.30 Uhr) übereinstimmt.

15

2.2.3. Der Vortrag der Antragsgegnerin, der Antragsteller sei mit seinem Einwand, die Zustellung der Ordnungsverfügung sei erst am 05.12.2011 erfolgt, gemäß § 138 Abs. 3 ZPO (i.V.m. § 173 VwGO) ausgeschlossen, greift schon deshalb nicht, weil die Vorschrift des § 138 Abs. 3 VwGO wegen des das Verwaltungsgerichtsverfahren beherrschenden Ermittlungsgrundsatzes des § 86 VwGO nicht anwendbar ist (BVerwG, Urt. v. 09.03.1990 – 7 C 94.88 –, Buchholz 11 Art. 20 GG Nr. 118).

16

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG.


Tatbestand

1

A. I. Vorgelegte Rechtsfrage

2

Der VIII. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat durch Beschluss vom 7. Februar 2013 VIII R 2/09 (BFHE 241, 107, BStBl II 2013, 823) dem Großen Senat des BFH folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:

3

Ist im Fall einer zulässigen Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten, die gegen zwingende Zustellungsvorschriften verstößt, weil der Zusteller entgegen § 180 Satz 3 der Zivilprozessordnung (ZPO) auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks das Datum der Zustellung nicht vermerkt hat, das zuzustellende Schriftstück i.S. von § 189 ZPO bereits in dem Zeitpunkt dem Empfänger tatsächlich zugegangen und gilt deshalb als zugestellt, in dem nach dem gewöhnlichen Geschehensablauf mit einer Entnahme des Schriftstücks aus dem Briefkasten und der Kenntnisnahme gerechnet werden kann, auch wenn der Empfänger das Schriftstück erst später in die Hand bekommt?

4

II. Sachverhalt

5

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erließ unter dem 22. August 2005 gegenüber den zusammenveranlagten Klägern und Revisionsklägern (Kläger) einen geänderten Einkommensteuerbescheid 2002.

6

Nach erfolglosem Einspruch wies das Finanzgericht (FG) die Klage mit aufgrund mündlicher Verhandlung verkündetem Urteil vom 16. Dezember 2008  10 K 4614/05 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 554) ab und ließ die Revision zu. Die für die Kläger bestimmte Ausfertigung des Urteils wurde den damaligen Prozessbevollmächtigten der Kläger, drei in einer Sozietät zusammengeschlossenen Rechtsanwälten, im Wege eines Zustellungsauftrags durch die Deutsche Post AG zugestellt. In der vom Zusteller unterzeichneten Zustellungsurkunde wird angegeben, dass der Umschlag nach dem vergeblichen Versuch der Übergabe in einen zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt wurde. Als Tag der Zustellung wurde der 24. Dezember 2008 (Mittwoch) ohne Angabe einer Uhrzeit in die Zustellungsurkunde eingetragen.

7

Die Revisionsschrift der Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 26. Januar 2009 ging am Dienstag, den 27. Januar 2009, beim BFH ein. Nach einem telefonischen Hinweis der Geschäftsstelle des zuständigen VIII. Senats, dass die Frist zur Einlegung der Revision bereits am 26. Januar 2009 abgelaufen sei, widersprachen die Prozessbevollmächtigten dem mit Schriftsatz vom 28. Januar 2009 und stellten zugleich (hilfsweise) namens der Kläger einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Revisionsfrist.

8

Die Kläger tragen vor, das Urteil sei ihren Prozessbevollmächtigen erst am 29. Dezember 2008 (Montag) zugegangen. Die Kanzlei sei vom 24. bis 28. Dezember 2008 nicht geöffnet gewesen. Die für die Leerung des Briefkastens sowie die Öffnung und Verteilung der Eingangspost zuständige Rechtsanwaltsfachangestellte B habe die Sendung am 29. Dezember 2008 im Kanzleibriefkasten vorgefunden. Dem bearbeitenden Rechtsanwalt habe B auf sofortige Nachfrage gesagt, der Brief sei am 29. Dezember 2008 eingegangen. Auf dem Briefumschlag fehle die Angabe des Tags der Zustellung. Für den Beginn der Revisionsfrist komme es auf den Tag an, an dem der Prozessbevollmächtigte das zuzustellende Urteil in die Hand bekommen habe, also den 29. Dezember 2008. Danach sei die Revision rechtzeitig eingelegt worden. Hilfsweise sei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren; ein möglicher Fehler von B könne den Klägern nicht zugerechnet werden.

9

Zur Glaubhaftmachung ihres Vortrags haben die Kläger einen Briefumschlag für eine förmliche Zustellung mit einem Absenderstempel des FG übersandt und beziehen sich im Übrigen auf Versicherungen an Eides statt ihres bearbeitenden Prozessbevollmächtigten und B. Der Briefumschlag enthält im Feld "zugestellt am" keine Eintragung. Handschriftlich ist auf dem Umschlag vermerkt: "Eingang am Montag 29.12.08 laut Frau B ... und Frau T ...".

10

Der vorlegende Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Briefzustellers als Zeugen über die Frage, zu welcher Tageszeit das Urteil des FG (am 24. Dezember 2008) in den Briefkasten der Prozessbevollmächtigten der Kläger eingeworfen worden ist.

11

III. Vorlagebeschluss des VIII. Senats

12

1. Die Vorlagefrage ist nach Auffassung des VIII. Senats zu bejahen. Das Dokument sei dem Empfänger i.S. des § 189 ZPO (hier i.V.m. § 53 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) bereits in dem Zeitpunkt tatsächlich zugegangen, in dem nach dem gewöhnlichen Geschehensablauf mit einer Entnahme des Schriftstücks aus dem Briefkasten und der Kenntnisnahme gerechnet werden könne.

13

Für den Begriff des Zugangs i.S. des § 189 ZPO sei auf den allgemeinen Zugangsbegriff in § 130 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zurückzugreifen. Da § 189 ZPO für unterschiedliche Fallgruppen fehlerhafter und deswegen unwirksamer Zustellungen Heilungsmöglichkeiten anbieten solle, sei die Vorschrift fallgruppenbezogen auszulegen, nämlich zumindest einerseits für die Fälle, in denen sich die formgerechte Zustellung nicht nachweisen lasse, sowie andererseits für die Fälle, in denen das Dokument unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen sei. Der Zustellungsfiktion könne nur der Regelungswille entnommen werden sicherzustellen, dass dem Adressaten das Schriftstück ungeachtet etwaiger Zustellungsmängel auch tatsächlich --in der vom Zustellenden in den Verkehr gegebenen verkörperten Form-- zugänglich gemacht worden sei. Die Adressaten fehlerhaft zugestellter Schriftstücke dürften nicht schlechter gestellt werden als die Adressaten ordnungsgemäß zugestellter Dokumente. Sie darüber hinaus gegenüber Adressaten verfahrensfehlerfreier Ersatzzustellungen besser zu stellen, sei nicht Regelungszweck des § 189 ZPO.

14

Unter den Umständen des Streitfalls seien die objektiv-rechtlichen Zwecke der Zustellungsvorschriften höher als der Schutz des Adressaten zu bewerten. Für die normative Bestimmung des Heilungszeitpunkts spreche vor allem, dass nur sie dem objektiven Zustellungszweck zum Durchbruch verhelfe, den Zeitpunkt der Zustellung auch im Fall der Heilung einer zunächst fehlgeschlagenen Zustellung rechtssicher bestimmen zu können. Der Zustellungsempfänger könne den durch das Fehlen des Datumsvermerks hervorgerufenen Zweifel über das Datum der Zustellung durch einen Anruf bei Gericht beseitigen; dadurch seien seine Interessen ausreichend gewahrt.

15

2. Der VIII. Senat hält die vorgelegte Rechtsfrage für entscheidungserheblich.

16

Nach seiner Meinung hat die Einlegung der Sendung in den Briefkasten nicht zu einer nach § 180 Satz 2 ZPO wirksamen Ersatzzustellung geführt, weil das Datum der Zustellung nicht auf dem Umschlag vermerkt und damit gegen die Formvorschrift des § 180 Satz 3 ZPO verstoßen worden sei. Die Missachtung dieser Formvorschrift führe zur Unwirksamkeit der Ersatzzustellung. Der Zustellungsmangel könne nur nach § 189 ZPO geheilt worden sein. Danach gelte das Dokument in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem es dem Empfänger tatsächlich zugegangen sei.

17

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei das zuzustellende FG-Urteil am Vormittag des 24. Dezember 2008 in den Briefkasten der Bevollmächtigten der Kläger eingeworfen worden. Der Senat vertrete im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zu Zustellungen an auf einen Werktag fallenden Silvestertagen die Auffassung, dass am 24. Dezember zumindest bis zum Mittag mit einer Kenntnisnahme von Geschäftspost gerechnet werden könne.

18

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionseinlegungsfrist sei nicht zu gewähren. Die Kläger hätten die Frist nicht ohne Verschulden versäumt, denn sie müssten sich ein Verschulden ihres Bevollmächtigten zurechnen lassen. Im Fall von Zustellungen von Amts wegen nach §§ 166 ff. ZPO müsse der Prozessbevollmächtigte die Fristberechnung anhand des auf dem Zustellungskuvert angebrachten Zustellungsvermerks des Postbediensteten selbst nachprüfen. Fehle der Datumsvermerk, so müsse sich der Prozessbevollmächtigte auf andere Weise --z.B. durch Rückfrage beim FG-- über das Zustellungsdatum erkundigen. Dies sei hier unterblieben.

19

3. Wegen der Begründung der Vorlage im Einzelnen wird auf den Vorlagebeschluss in BFHE 241, 107, BStBl II 2013, 823 Bezug genommen.

20

IV. Rechtsgrund der Vorlage

21

Der VIII. Senat stützt die Vorlage sowohl auf § 11 Abs. 2 FGO als auch auf Abs. 4 der Vorschrift.

22

Die Klärung der vorgelegten Rechtsfrage habe grundsätzliche Bedeutung. Wegen der unterschiedlichen Auffassungen der mit der Rechtsfrage bisher befassten BFH-Senate I, II, VI und VIII sowie den verschiedenen Ansichten in der Literatur sei eine Entscheidung durch den Großen Senat erforderlich, um eine einheitliche Rechtsauslegung für die Zukunft zu gewährleisten.

23

Mit seiner Auslegung des Merkmals "tatsächlich zugegangen" des § 189 ZPO weiche der vorlegende Senat von dem Beschluss des VI. Senats vom 19. September 2007 VI B 151/06 (BFH/NV 2007, 2332) ab. Der VI. Senat habe mitgeteilt, er stimme einer Abweichung von seiner Rechtsauffassung nicht zu.

Entscheidungsgründe

24

B. I. Zulässigkeit der Vorlage

25

Die Vorlage des VIII. Senats ist zulässig.

26

1. Die Zulässigkeit der Vorlage ergibt sich bereits aus § 11 Abs. 2 und 3 FGO. Der Große Senat entscheidet nach § 11 Abs. 2 FGO, wenn ein Senat des BFH in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats oder des Großen Senats abweichen will. Die Auffassung des vorlegenden Senats weicht von derjenigen des VI. Senats des BFH in BFH/NV 2007, 2332 ab. Dieser Beschluss kann Gegenstand einer Divergenz i.S. des § 11 Abs. 2 FGO sein.

27

Der von § 11 Abs. 3 FGO vorausgesetzte Begriff der "Entscheidung" umfasst grundsätzlich auch Beschlüsse (BFH-Beschlüsse vom 28. November 1977 GrS 4/77, BFHE 124, 130, BStBl II 1978, 229, unter C.I.1., und vom 10. März 1969 GrS 4/68, BFHE 95, 366, BStBl II 1969, 435, unter 1.). Eine Abweichung i.S. des § 11 Abs. 2 FGO setzt weiter voraus, dass mit dem Beschluss das seinerzeitige Verfahren abgeschlossen und die nach Meinung des anfragenden Senats nun abweichend zu beantwortende Rechtsfrage endgültig entschieden wurde (vgl. Brandis in Tipke/ Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 11 FGO Rz 4; Müller-Horn in Beermann/Gosch, FGO § 11 Rz 8; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 11 Rz 11; Sunder-Plassmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 11 FGO Rz 29). Diese Voraussetzungen können auch erfüllt sein, wenn mit dem Beschluss eine Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen wird und die abschließende Entscheidung über die Rechtsfrage die Entscheidung trägt.

28

Mit dem Beschluss in BFH/NV 2007, 2332 hat der VI. Senat eine Nichtzulassungsbeschwerde als unbegründet zurückgewiesen, nachdem er sie zuvor als zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt beurteilt hat. Die Entscheidung über die Begründetheit der Nichtzulassungsbeschwerde setzt deren Zulässigkeit voraus und beinhaltet deshalb eine abschließende Beantwortung der für die Wahrung der Einlegungsfrist bedeutsamen Rechtsfragen. Der Beschluss des VI. Senats in BFH/NV 2007, 2332 ist danach eine Entscheidung, von der i.S. des § 11 Abs. 2 FGO in Bezug auf Rechtsfragen abgewichen werden kann, die die Zulässigkeit der Beschwerde betreffen.

29

In Bezug auf eine solche Rechtsfrage, nämlich die Frage, wann ein Dokument i.S. des § 189 ZPO als bekanntgegeben gilt, weicht die Auffassung des vorlegenden Senats von dem Beschluss des VI. Senats des BFH in BFH/NV 2007, 2332 ab.

30

Der VI. Senat hat auf Anfrage des vorlegenden Senats mit Beschluss vom 13. November 2012 VI ER-S 3/12 der Abweichung nicht zugestimmt.

31

2. Die Zulässigkeit der Vorlage ergibt sich darüber hinaus auch aus § 11 Abs. 4 FGO. Eine Vorlage, die nach Durchführung des Anfrageverfahrens auf Divergenz gestützt wird, kann zusätzlich auch auf den Anfragegrund der grundsätzlichen Bedeutung gestützt werden.

32

Die vorgelegte Rechtsfrage war bereits Gegenstand von Entscheidungen mehrerer Senate und kann in Entscheidungen jedes Senats entscheidungserheblich zu beantworten sein. Der vorlegende Senat hat der Rechtsfrage deshalb zutreffend grundsätzliche Bedeutung beigemessen.

33

II. Entscheidungserheblichkeit der Vorlage

34

Die vorgelegte Rechtsfrage ist für die Entscheidung des VIII. Senats erheblich. Bei Verneinung der Vorlagefrage entsprechend der Rechtsauffassung des VI. Senats wäre die Revision der Kläger zulässig, denn der Zustellungsmangel wäre dann am 29. Dezember 2008 dadurch geheilt worden, dass der Bevollmächtigte der Kläger die Ausfertigung des FG-Urteils "in den Händen hielt". Die Frist zur Einlegung der Revision wäre bei Eingang der Revisionsschrift am 27. Januar 2009 noch nicht abgelaufen gewesen. Der vorlegende Senat ginge dann ausweislich des Vorlagebeschlusses von der Zulässigkeit der Revision aus, so dass die Revision nicht nach § 126 Abs. 1 FGO durch Beschluss zu verwerfen wäre. Es müsste vielmehr durch Urteil über die Begründetheit der Revision entschieden werden.

35

III. Entscheidung des Großen Senats über die vorgelegte Rechtsfrage

36

1. Rechtsgrundlagen

37

Nach § 104 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ist ein aufgrund mündlicher Verhandlung verkündetes Urteil den Beteiligten zuzustellen. Zugestellt wird von Amts wegen nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung (§ 53 Abs. 2 FGO).

38

Zustellung ist nach § 166 Abs. 1 ZPO die Bekanntgabe eines Dokuments an eine Person in der von §§ 166 ff. ZPO bestimmten Form. Ein Zustellungsauftrag kann der Post erteilt werden, indem dieser das zuzustellende Schriftstück in einem verschlossenen Umschlag sowie ein vorbereitetes Formular einer Zustellungsurkunde übergeben wird (§ 176 Abs. 1 ZPO). Für die Ausführung der Zustellung gelten §§ 177 bis 181 ZPO176 Abs. 2 ZPO). Das Schriftstück kann der Person, der zugestellt werden soll, an jedem Ort übergeben werden, an dem sie angetroffen wird (§ 177 ZPO). Wird die Person, der zugestellt werden soll, in ihrer Wohnung, in dem Geschäftsraum oder in einer Gemeinschaftseinrichtung, in der sie wohnt, nicht angetroffen, und kann das Schriftstück auch nicht einer der in § 178 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 ZPO genannten Personen übergeben werden, kann nach § 180 Satz 1 ZPO das Schriftstück in einen zu der Wohnung oder dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung, die der Adressat für den Postempfang eingerichtet hat und die in der allgemein üblichen Art für eine sichere Aufbewahrung geeignet ist, eingelegt werden. Mit der Einlegung gilt das Schriftstück als zugestellt (§ 180 Satz 2 ZPO). Nach § 180 Satz 3 ZPO vermerkt der Zusteller auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks das Datum der Zustellung. Zum Nachweis der Zustellung ist eine Urkunde auf dem hierfür vorgesehenen Formular anzufertigen (§ 182 Abs. 1 Satz 1 ZPO), die u.a. die Bemerkung enthalten muss, dass der Tag der Zustellung auf dem Umschlag, der das zuzustellende Schriftstück enthält, vermerkt ist (§ 182 Abs. 2 Nr. 6 ZPO).

39

Zustellungsmängel werden unter den Voraussetzungen des § 189 ZPO geheilt. Die Vorschrift lautet:

40

"Lässt sich die formgerechte Zustellung eines Dokuments nicht nachweisen oder ist das Dokument unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen, so gilt es in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem das Dokument der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte, tatsächlich zugegangen ist."

41

2. Rechtsentwicklung

42

Die Vorschriften über die Zustellung im Gerichtsverfahren sind durch das Zustellungsreformgesetz (ZustRG) vom 25. Juni 2001 (BGBl I 2001, 1206) novelliert worden. Die Neuregelungen sind am 1. Juli 2002 in Kraft getreten (Art. 4 ZustRG).

43

Bis zum Inkrafttreten des Zustellungsreformgesetzes hatte § 53 Abs. 2 FGO a.F. bestimmt, dass Zustellungen von Amts wegen nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) vorzunehmen waren. Für Zustellungen durch die Post verwies § 3 Abs. 3 VwZG auf §§ 180 bis 186 und 195 Abs. 2 ZPO damaliger Fassung (ZPO a.F.). Eine Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten war dort nicht vorgesehen. Zur Heilung von Zustellungsmängeln bestimmte § 9 Abs. 1 VwZG für den Fall, dass sich die formgerechte Zustellung des Schriftstücks nicht nachweisen ließ oder das Schriftstück unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen war, dass dieses als in dem Zeitpunkt zugestellt gelte, in dem der Empfangsberechtigte es nachweislich erhalten habe. Dies galt nach § 9 Abs. 2 VwZG aber nicht, wenn mit der Zustellung eine Rechtsmittelfrist begann. In ähnlicher Weise war auch für nach der Zivilprozessordnung zu bewirkende Zustellungen eine Heilung nur möglich (§ 187 Satz 1 ZPO a.F.), soweit nicht durch die Zustellung der Lauf einer Notfrist in Gang gesetzt werden sollte (§ 187 Satz 2 ZPO a.F.).

44

Das Zustellungsreformgesetz verfolgte das Ziel, das Zustellungsrecht zu vereinfachen. Insbesondere sollte "die kostenaufwendige und für den Zustellungsadressaten oftmals umständliche beurkundete Zustellung durch Niederlegung soweit wie vertretbar vermieden" werden (Begründung des Regierungsentwurfs, BTDrucks 14/4554, 13). Dies sollte u.a. durch Einführung der beurkundeten Ersatzzustellung durch Einlegen des Schriftstücks in den Briefkasten sowie durch eine erweiterte Heilung von Zustellungsmängeln erreicht werden. Zustellungszweck sei es, dem Adressaten angemessene Gelegenheit zur Kenntnisnahme eines Schriftstücks zu verschaffen und den Zeitpunkt dieser Bekanntgabe zu dokumentieren. Lasse sich die formgerechte Zustellung nicht nachweisen oder seien zwingende Zustellungsvorschriften verletzt worden, gelte ein Schriftstück in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem es der Adressat oder ein Empfangsberechtigter erhalten habe. Das Gericht prüfe in diesen Fällen in freier Beweiswürdigung des Sachverhalts, ob der Zustellungszweck erreicht und wann das geschehen sei. Das gelte auch dann, wenn die Zustellung eine Notfrist in Gang setze (BTDrucks 14/4554, 14). In der Einzelbegründung zu der Neuregelung der Heilung in § 189 ZPO heißt es (BTDrucks 14/4554, 24 f.):

45

"Nach dem Vorbild des § 9 Abs. 1 [VwZG] soll deshalb ein Schriftstück als zu dem Zeitpunkt zugestellt gelten, in dem es der Zustellungsadressat oder ein Empfangsberechtigter nachweislich erhalten hat. Unter diesen Voraussetzungen ist ein Zustellungsmangel auch dann geheilt, wenn durch die Zustellung der Lauf einer Notfrist in Gang gesetzt werden soll. Wenn eine fehlerhafte Zustellung mit dem Zeitpunkt des tatsächlichen Zugangs an den Adressaten oder einen Empfangsberechtigten wirksam wird, muss das für jede Zustellung gelten. Treten Fehler auf, so darf deren Beseitigung nicht zu Lasten einer Partei gehen, wenn feststeht, dass das zuzustellende Schriftstück der Person tatsächlich zugegangen ist, an die es gerichtet war oder dem Gesetz gemäß gerichtet werden konnte."

46

Die vorgeschlagenen neuen §§ 181 und 189 ZPO wurden im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zum Zustellungsreformgesetz nicht geändert und gingen deshalb in der von der Bundesregierung vorgeschlagenen Fassung in den Gesetzesbeschluss ein.

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3. Rechtsprechung

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a) Vor Ergehen des Vorlagebeschlusses war der BFH --soweit anhand der veröffentlichten Entscheidungen ersichtlich-- in vier Fällen mit der Auslegung des § 189 ZPO befasst.

49

aa) Im Fall des Beschlusses vom 19. Januar 2005 II B 38/04 (BFH/NV 2005, 900) war ein Urteil des FG durch Einlegen in den Briefkasten am 13. März 2004, einem Samstag, zugestellt worden, ohne dass der Zusteller das Datum der Zustellung auf dem Briefumschlag vermerkt hatte. Die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde war am 14. Mai 2004 beim BFH eingegangen. Der BFH kam zu dem Ergebnis, dass die Frist von zwei Monaten gemäß § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO noch nicht abgelaufen gewesen sei, und entschied, die Beschwerdebegründung sei zwar rechtzeitig eingegangen, sie entspreche aber nicht den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO. Weil der Prozessbevollmächtigte erklärt hatte, dass in seiner Kanzlei an Samstagen üblicherweise nicht gearbeitet werde, und das Urteil in der Kanzlei mit dem Eingangsstempel vom 15. März 2004 (Montag) versehen worden war, ging der II. Senat davon aus, dass das Urteil dem Prozessbevollmächtigten am 15. März 2004 tatsächlich zugegangen sei. Dieser Zeitpunkt --nicht der Zeitpunkt des Einlegens in den Briefkasten der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten des Klägers (13. März 2004)-- sei für die Zustellung des FG-Urteils maßgebend (§ 189 ZPO).

50

bb) Dem zur Anrufung des Großen Senats wegen Divergenz führenden Beschluss des VI. Senats in BFH/NV 2007, 2332 liegt die Auffassung zugrunde, für den Zeitpunkt des tatsächlichen Zugangs i.S. des § 189 ZPO komme es darauf an, dass das zuzustellende Schriftstück derart in die Hände des Zustellungsadressaten gelangt sei, dass dieser es behalten und von seinem Inhalt Kenntnis nehmen könne. Im dortigen Fall war das angefochtene FG-Urteil ausweislich der Zustellungsurkunde am 17. November 2006 (Freitag) durch Einlegen in den Briefkasten des Klägers zugestellt worden. Auf dem Briefumschlag befand sich kein Vermerk über das Datum der Zustellung. Die Beschwerde war am 21. Dezember 2006 eingelegt worden. Nach eigenen Angaben hatte der Kläger am 23. November 2006 Kenntnis von der Zustellung erhalten. Diesen Tag betrachtete der VI. Senat als Zeitpunkt des tatsächlichen Zugangs i.S. des § 189 ZPO.

51

cc) Der IX. Senat hat mit Beschluss vom 9. März 2009 IX B 120/08 (BFH/NV 2009, 964) den rechtzeitigen Eingang einer Nichtzulassungsbeschwerde unter Hinweis auf § 189 ZPO bejaht. Von den näheren Umständen der Zustellung ist dem Beschluss nur zu entnehmen, dass durch Einlegen in den Briefkasten zugestellt wurde, die Zustellungsurkunde aber in Folge des Fehlens einer Unterschrift unvollständig war. Der IX. Senat führte aus, der Zustellungsmangel führe nicht zur Unwirksamkeit der Zustellung, sondern das FG-Urteil gelte nach § 189 ZPO in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem es der betreffenden Person tatsächlich zugegangen sei. Das sei hier Montag, der 26. Mai 2008, gewesen. Aufgrund welcher Umstände dieser Tag als Tag des Zugangs angesehen wurde, ist aus dem Beschluss nicht ersichtlich.

52

dd) In seinem Urteil vom 21. September 2011 I R 50/10 (BFHE 235, 255, BStBl II 2012, 197) hat der I. Senat der Revision gegen ein Urteil stattgegeben, das nach Angaben des FG am 29. Mai 2010 (Samstag) durch Einlegen in den Briefkasten des Prozessbevollmächtigten zugestellt und gegen das Revision am 30. Juni 2010 eingelegt worden war. Auf dem Umschlag fehlte der Vermerk über das Datum der Zustellung. Der I. Senat hielt die Revisionsfrist nicht für versäumt, weil er den Angaben des Prozessbevollmächtigten folgend davon ausging, diesem sei das Schriftstück mit Öffnen der Post am Montag, dem 31. Mai 2010, tatsächlich zugegangen. Unter Bezugnahme auf den Beschluss des VI. Senats in BFH/NV 2007, 2332 vertrat der I. Senat die Auffassung, der tatsächliche Zugang i.S. des § 189 ZPO setze voraus, dass das zuzustellende Schriftstück derart in die Hände des Zustellungsadressaten gelangt sei, dass dieser es behalten und von seinem Inhalt Kenntnis nehmen könne.

53

b) Im Übrigen war die Frage, zu welchem Zeitpunkt ein nach § 180 ZPO durch Einlegen in den Briefkasten des Adressaten unter Verletzung von Formvorschriften zugestelltes Dokument i.S. des § 189 ZPO dem Adressaten tatsächlich zugegangen ist, --soweit ersichtlich-- nur in einem Urteil des Landessozialgerichts (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 17. Januar 2013 L 9 AL 173/11, juris) von entscheidungserheblicher Bedeutung. In diesem Urteil heißt es, eine Heilung gemäß § 189 ZPO setze die Feststellung des Zeitpunktes voraus, in dem das Schriftstück (ggf. spätestens) in die Hände des Adressaten gelangt sei. Das LSG bezog sich dabei auf einen Beschluss des BGH (Beschluss vom 21. Dezember 1983 IVb ZB 29/82, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1984, 926), der allerdings die Auslegung des § 187 ZPO a.F. betrifft.

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4. Schrifttum

55

a) Im Schrifttum wird überwiegend in Anlehnung an die Formel des BGH-Beschlusses in NJW 1984, 926 (ebenso BGH-Urteile vom 21. März 2001 VIII ZR 244/00, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2001, 1200; vom 22. November 1988 VI ZR 226/87, NJW 1989, 1154) die Auffassung vertreten, es müsse eine zuverlässige Kenntnis von dem zuzustellenden Schriftstück vermittelt werden, was im Allgemeinen dann geschehen sei, wenn der Adressat der Zustellung trotz Verletzung der Zustellungsvorschriften das zuzustellende Schriftstück "in die Hand bekommen" habe (MünchKommZPO/Häublein, 4. Aufl., § 189 Rz 8; Prütting/Gehrlein, ZPO, 5. Aufl., § 189 Rz 4; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 23. Aufl., § 189 Rz 7; Hüßtege in Thomas/Putzo, Zivilprozessordnung, 35. Aufl., § 189 Rz 8; Wittschier in Musielak, ZPO, 11. Aufl., § 189 Rz 3; Zöller/ Stöber, ZPO, 30. Aufl., § 189 Rz 4; ebenso zu § 8 VwZG: Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 8 VwZG Rz 1; Schwarz in HHSp, § 8 VwZG Rz 5).

56

Rohe (Wieczorek/Schütze/Rohe, 4. Aufl., § 189 ZPO Rz 26) weist darauf hin, dass § 189 ZPO gegenüber dem früheren § 187 ZPO a.F. präziser gefasst worden sei, indem der "tatsächliche" Zugang beim Adressaten verlangt werde. Dies setze abweichend von den Zugangsregeln des bürgerlichen Rechts die gegenständliche Übernahme des Schriftstücks durch den Adressaten selbst voraus. Der bloße Eintritt in den Machtbereich genüge dagegen nicht. Eine Heilung sei nur gerechtfertigt, wenn das Recht des Adressaten auf rechtliches Gehör tatsächlich und nicht nur potenziell gewahrt werde.

57

Nach Zimmermann (ZPO, 8. Aufl., § 189 Rz 2) setzt der Zugang voraus, dass das Schriftstück gegenständlich in die Hände des Adressaten gelangt ist. Das Datum des Zugangs sei notfalls durch Beweisaufnahme zu ermitteln. In der Regel begnüge man sich mit dem Datum, das der Empfänger einräume (Hinweis auf Zustellung gegen Empfangsbekenntnis nach § 174 ZPO).

58

Brandis (in Tipke/Kruse, a.a.O., § 53 FGO Rz 31) vertritt die Auffassung, der tatsächliche, nicht der vermutete Zugang heile den Zustellungsfehler. Die Frist beginne dann im Zeitpunkt dieser "fiktiven Zustellung".

59

b) Der Vorlagebeschluss des VIII. Senats (BFHE 241, 107, BStBl II 2013, 823) ist im Schrifttum teils zustimmend, teils ablehnend aufgenommen worden.

60

Steinhauff (juris PraxisReport Steuerrecht 45/2013 Anm. 6) hält die im Vorlagebeschluss vertretene Auffassung für zutreffend. Wenn auf den Zeitpunkt abgestellt werde, in dem der Empfänger das Schriftstück tatsächlich in die Hände genommen habe, sei ein angemessener Ausgleich zwischen den Interessen des Zustellenden und des Zustellungsempfängers nicht gewährleistet. Der Empfänger habe es in der Hand, den Zeitpunkt der Heilung hinauszuzögern, weil nur er über diesen Auskunft erteilen könne. Dies sei nicht damit zu vereinbaren, dass die Zustellungsvorschriften objektiv dazu dienten, den Zeitpunkt für alle Beteiligten gleichermaßen rechtssicher zu bestimmen. Marfels (Steuerberaterwoche 2013, 842) hält den Vorlagebeschluss ebenfalls für überzeugend begründet.

61

Kritisch wird der Vorlagebeschluss von Carlé (Deutsche Steuer-Zeitung 2013, 652) besprochen. Der Beschluss berücksichtige nicht, dass die Zugangsfiktion abweichend vom sonstigen Abgabenrecht auf die tatsächliche Kenntnisnahme abstelle und nicht auf den dem gewöhnlichen Gang der Dinge entsprechenden unterstellten Sachverhalt.

62

IV. Auffassung des Großen Senats

63

1. Als Vorfrage zur Vorlage hat der VIII. Senat § 180 Satz 3 ZPO, wonach vom Zusteller auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks das Datum der Zustellung zu vermerken ist, als eine der nach § 189 ZPO heilbaren zwingenden Zustellungsvorschriften beurteilt. An diese Rechtsauffassung ist der Große Senat gebunden, er teilt sie auch (ebenso BFH-Urteil in BFHE 235, 255, BStBl II 2012, 197, Rz 9, m.w.N.).

64

Die Entscheidung des Großen Senats betrifft allein die Frage, zu welchem Zeitpunkt das Dokument als zugestellt gilt. Dass die Prozessbevollmächtigten der Kläger i.S. des § 189 ZPO Kenntnis von dem zuzustellenden Dokument durch Einlegen in den zu ihren Büroräumen gehörenden Briefkasten erhalten haben, ist unstreitig.

65

2. Ein Dokument ist i.S. des § 189 ZPO in dem Zeitpunkt tatsächlich zugegangen, in dem der Adressat das Dokument "in den Händen hält". Der Große Senat teilt nicht die Auffassung des vorlegenden Senats, es sei auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem eine Willenserklärung i.S. des § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB als zugegangen gilt.

66

a) Dem Wortlaut der Regelung lässt sich entnehmen, dass der Zugang alleine für die Bestimmung des Zeitpunkts der Zustellung nicht ausreichen soll. Dass der Gesetzgeber das Adjektiv "tatsächlich" verwendet hat, spricht dafür, dass eine qualifizierte Form des Zugangs gemeint ist. Damit unterscheidet sich § 189 ZPO tatbestandlich von § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB, denn dort wird lediglich der Zugang der Willenserklärung gefordert. Dies spricht dagegen, die für den Zugang von Willenserklärungen geltenden Grundsätze bei der Auslegung des § 189 ZPO zu übernehmen.

67

b) Betrachtet man die Entstehungsgeschichte des § 189 ZPO, muss der Begriff des "tatsächlichen" Zugangs im Zusammenhang mit den anderen Regelungen zur Reform des Zustellungsrechts im Zustellungsreformgesetz ausgelegt werden. § 189 ZPO unterscheidet sich von der Vorgängerregelung in § 187 ZPO a.F. insbesondere dadurch, dass eine Heilung auch dann möglich ist, wenn durch die Zustellung eine Notfrist in Gang gesetzt werden soll. § 187 Satz 2 ZPO a.F. schloss eine Heilung in einem solchen Fall ausdrücklich aus. Die Ausweitung der Heilung von Zustellungen nach der Zivilprozessordnung ist in gleicher Weise auch für Zustellungen nach dem Verwaltungszustellungsgesetz geregelt worden. Während § 9 Abs. 2 VwZG a.F. eine Heilung für den Fall ausschloss, dass mit der Zustellung eine Klage-, Berufungs-, Revisions- oder Rechtsmittelbegründungsfrist beginnt, kann nach § 8 VwZG auch eine fristauslösende Zustellung geheilt werden.

68

Sowohl in § 189 ZPO als auch in § 8 VwZG ist abweichend von den Vorgängerregelungen jetzt der Zeitpunkt entscheidend, in dem das Dokument dem Adressaten "tatsächlich zugegangen" ist. Nach § 187 Satz 1 ZPO a.F. war auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem das Schriftstück "zugegangen" war, nach § 9 Abs. 1 VwZG a.F. auf den Zeitpunkt, in dem der Empfangsberechtigte das Dokument "nachweislich erhalten" hatte. Beide Regelungen wurden in ständiger Rechtsprechung dahingehend ausgelegt, dass der Empfänger das Schriftstück "in den Händen halten" musste (vgl. z.B. BGH-Beschluss in NJW 1984, 926, und BGH-Urteil in HFR 2001, 1200; Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Dezember 1996  6 C 6/95, BVerwGE 104, 1, und vom 18. April 1997  8 C 43/95, BVerwGE 104, 301). Dafür, dass der Gesetzgeber bei einer Ausweitung der Heilung auf fristauslösende Zustellungen von diesen Anforderungen an den Zugang abweichen und sie herabsetzen wollte, gibt es keinen Anhaltspunkt. Bei der Neuordnung der Zustellungsvorschriften hat der Gesetzgeber daran festgehalten, dass eine Zustellung in ihrer Grundform durch körperliche Übergabe stattfindet (vgl. §§ 173, 177 ZPO). In dieses Konzept fügt sich danach auch weiterhin ein, dass die Heilung eines Formfehlers bei einer anderen Zustellungsart das "In-den-Händen-Halten" des Dokuments erfordert. Deshalb muss die jetzt gewählte Formulierung in § 189 ZPO und in § 8 VwZG zumindest als klarstellende Festschreibung der bisherigen Zugangsanforderungen, wenn nicht sogar im Hinblick auf die verschärften Rechtsfolgen als weitere Erhöhung der Anforderungen an einen Zugang verstanden werden.

69

c) Eine teleologische Auslegung des § 189 ZPO muss die mit der Reform des Zustellungsrechts verfolgten Ziele berücksichtigen. Die Ausweitung der Heilungsmöglichkeit auf fristauslösende Zustellungen ist aus der Sicht eines Zustellungsadressaten eine deutliche Verschärfung. Vor diesem Hintergrund ist die gleichzeitige Aufnahme des Merkmals des "tatsächlichen" Zugangs als Begrenzung der Wirkungen einer Heilung von Zustellungsfehlern zu verstehen. Die unter Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften ausgeführte Zustellung soll eine Frist erst dann auslösen, wenn der Zustellungsempfänger "tatsächlich" und nicht nur potenziell Kenntnis von dem Dokument nehmen kann (Wieczorek/Schütze/Rohe, a.a.O., § 189 Rz 26). Das Merkmal "tatsächlich" ist danach als das Gegenstück zu "fiktiv" zu verstehen.

70

Für diese Auslegung spricht auch das rechtsstaatliche Gebot einer folgerichtigen Ausgestaltung des Verfahrensrechts. Demjenigen, der Adressat einer hoheitlich betriebenen und unter Verletzung wesentlicher Formvorschriften ausgeführten Zustellung ist, dürfen keine Nachteile aus der Heilung im Vergleich zu einer ordnungsgemäßen Zustellung entstehen. Soweit die Heilung eine Frist auslöst, muss deshalb sichergestellt sein, dass die Frist auch in vollem Umfang genutzt werden kann.

71

d) Eine an den Rechten des Adressaten orientierte Auslegung des § 189 ZPO ist insbesondere in Bezug auf die Heilung einer Ersatzzustellung nach § 180 ZPO geboten. Diese Form der Ersatzzustellung soll der Vereinfachung des Zustellungsverfahrens dienen (s. dazu unter B.III.2.) und hat den Umfang der formellen Anforderungen an eine Zustellung im Vergleich zur früheren Rechtslage weiter abgesenkt. Während die Zustellung in ihrer ursprünglichen Gestalt als Übergabe des Dokuments an den Adressaten die Bestimmung eines sicheren Zeitpunkts der möglichen Kenntnisnahme gestattet, kann dieser Zeitpunkt im Fall der Ersatzzustellung nicht mehr konkret bestimmt werden. Die Zustellungsfiktion nach § 180 Satz 2 ZPO wird deswegen durch eine Fiktion auch des Zustellungszeitpunktes ergänzt, die an objektive Kriterien anknüpft. Je zuverlässiger diese Kriterien festgestellt werden können, umso eher kann angenommen werden, dass die Fiktion der Realität nahe kommt.

72

Mit der Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten knüpft das Gesetz im Wesentlichen an Kriterien an, die nicht mit hoher Zuverlässigkeit festgestellt werden können, weil ihre Verwirklichung nicht beobachtet werden kann und auch keine Amtsträger tätig werden. Macht man die Fiktion des Zugangs von derartigen Kriterien abhängig (kritisch etwa Meissner/Schenk in Schoch/Schneider/Bier, VwGO § 56 Rz 11), verliert die fiktive Bestimmung des Zugangszeitpunkts ihre Grundlage jedenfalls dann, wenn auch nur eines dieser Kriterien infolge eines Zustellungsfehlers entfällt.

73

Entgegen der Auffassung des vorlegenden Senats bedeutet dies keine Besserstellung von Adressaten fehlerhafter Zustellungen gegenüber Adressaten ordnungsgemäß ausgeführter Zustellungen. Denn die Verwirklichung der Anknüpfungskriterien für die Fiktion liegt nicht im Einflussbereich des Adressaten. Vielmehr kann nur anhand des von Dritten (Zusteller) verwirklichten Anknüpfungskriteriums eine Zugangsfiktion begründet werden, nicht aber ohne dieses Kriterium.

74

e) Werden bei Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten auf dem Umschlag (§ 180 Satz 3 ZPO) und auf der Zustellungsurkunde (§ 182 Abs. 2 Nr. 7 ZPO) nicht identische Datumsangaben angebracht, entfällt nach den vorstehenden Überlegungen das Anknüpfungskriterium für den fiktiven Zeitpunkt der Zustellung. Der Zeitpunkt kann dann nur in Anlehnung an den Zeitpunkt der realen Kenntnisnahme bestimmt werden. Dieser wird sich häufig nicht sicher feststellen lassen, so dass im Zweifel auf den Zeitpunkt abzustellen ist, den der Adressat selbst als Zugangszeitpunkt angibt.

75

f) Soweit der vorlegende Senat "objektiv-rechtlichen Zwecken der Zustellungsvorschriften" Vorrang vor dem Schutz des Adressaten einräumt, folgt der Große Senat dem nicht. Objektiver Zustellungszweck soll danach sein, "den Zeitpunkt der Zustellung auch im Fall der Heilung einer zunächst fehlgeschlagenen Zustellung rechtssicher bestimmen zu können". Dieser Zweckbestimmung mag für den Fall der ordnungsgemäß ausgeführten Zustellung zu folgen sein. Bei einer fehlerhaften Zustellung wird dieses Ziel aber gerade verfehlt, so dass zu seiner Erreichung an sich eine erneute und nun ordnungsgemäße Zustellung erforderlich wäre. Wenn das Gesetz aus Vereinfachungsgründen eine Heilung von Zustellungsmängeln vorsieht, stellt es den Zweck der Zustellung, dem Empfänger die Kenntnis vom Inhalt eines Dokuments zu ermöglichen, in den Vordergrund. Die rechtssichere Bestimmung des Zeitpunkts der Zustellung tritt dahinter zurück. Sie kann dann auch keinen Vorrang vor den Regelungen des Zustellungsrechts haben, die den Empfänger schützen, insbesondere die rechtssichere Bestimmung der ihm gegenüber in Gang gesetzten Frist ermöglichen sollen (vgl. MünchKommZPO/Häublein, a.a.O., § 180 Rz 7 i.V.m. § 181 Rz 12; a.A. Zöller/Stöber, a.a.O., § 189 Rz 17).

76

Keinen Vorrang können auch die Interessen des Zustellenden haben. Das Risiko einer misslungenen Zustellung hat derjenige zu tragen, der mit der Zustellung fristgebundene Rechtsfolgen auslösen will. Dies war schon nach bisheriger Rechtslage so, als eine Heilung bei fristauslösenden Zustellungen nicht möglich war. Es ist nicht ersichtlich, dass die Vereinfachung des Zustellungsrechts Änderungen an dieser Risikoverteilung mit sich bringen sollte. Soweit in der Begründung des Gesetzentwurfs das Interesse der zustellenden Partei in den Vordergrund gerückt wird (BTDrucks 14/4554, 24 f.), betrifft dies nur den Zugang des Dokuments selbst, nicht aber den Zeitpunkt des Zugangs.

77

C. Der Große Senat beantwortet die ihm vorgelegte Frage wie folgt:

78

Verstößt eine Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten gegen zwingende Zustellungsvorschriften, weil der Zusteller entgegen § 180 Satz 3 ZPO auf dem Umschlag des zuzustellenden Dokuments das Datum der Zustellung nicht vermerkt hat, ist das zuzustellende Dokument i.S. des § 189 ZPO in dem Zeitpunkt dem Empfänger tatsächlich zugegangen, in dem er das Dokument in die Hand bekommt.

(1) Öffentliche Urkunden, die einen anderen als den in den §§ 415, 417 bezeichneten Inhalt haben, begründen vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen.

(2) Der Beweis der Unrichtigkeit der bezeugten Tatsachen ist zulässig, sofern nicht die Landesgesetze diesen Beweis ausschließen oder beschränken.

(3) Beruht das Zeugnis nicht auf eigener Wahrnehmung der Behörde oder der Urkundsperson, so ist die Vorschrift des ersten Absatzes nur dann anzuwenden, wenn sich aus den Landesgesetzen ergibt, dass die Beweiskraft des Zeugnisses von der eigenen Wahrnehmung unabhängig ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 104/05
Verkündet am:
10. November 2005
K i e f e r
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zum Nachweis der Wirksamkeit einer Ersatzzustellung nach § 180 ZPO ist
es nicht erforderlich, dass der Zusteller in der Urkunde angibt, in welche
Empfangseinrichtung - Briefkasten oder ähnliche Vorrichtung - er das Schriftstück
eingelegt hat, und im Fall einer ähnlichen Vorrichtung diese näher bezeichnet.
BGH, Urteil vom 10. November 2005 - III ZR 104/05 - LG Hamburg
AG Hamburg-Harburg
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 10. November 2005 durch die Richter Streck, Dr. Kapsa, Dörr, Galke und
Dr. Herrmann

für Recht erkannt:
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 4, vom 10. März 2005 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsrechtszugs hat der Beklagte zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Die Klägerin erwirkte beim Amtsgericht Hagen gegen den Beklagten am 11. Dezember 2003 im maschinell bearbeiteten Verfahren einen Mahnbescheid über eine Hauptforderung von 915,70 €. Nach dem in den Gerichtsakten befindlichen Aktenausdruck wurde der Mahnbescheid dem Beklagten im Wege der Ersatzzustellung am 13. Dezember 2003 zugestellt. Am 12. Januar 2004 erließ das Amtsgericht einen Vollstreckungsbescheid. Dieser wurde nach dem Aktenausdruck dem Beklagten am 14. Januar 2004 zugestellt. Die hierüber gefertigte Urkunde enthielt dem Ausdruck zufolge den Vermerk "Weil die Übergabe des Schriftstücks in der Wohnung/in dem Geschäftsraum nicht möglich war, habe ich das Schriftstück in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt".
2
Mit am 1. März 2004 eingegangenem anwaltlichen Schriftsatz hat der Beklagte Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid eingelegt. Er hat behauptet , weder den Mahn- noch den Vollstreckungsbescheid erhalten zu haben und von diesen erst durch den von der Klägerin beauftragten Gerichtsvollzieher erfahren zu haben. Das Amtsgericht Hamburg-Harburg hat den Einspruch wegen Versäumung der Einspruchsfrist verworfen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht, das durch den Einzelrichter entschieden hat, hat die Revision gegen sein Urteil zugelassen.

Entscheidungsgründe


3
Die Revision des Beklagten ist unbegründet.

I.


4
Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt, der Einspruch des Beklagten sei verspätet. Die Zustellung des Vollstreckungsbescheids am 14. Januar 2004 sei durch den Aktenausdruck nach §696 Abs. 2 ZPO bewiesen. Hierfür sei es nicht erforderlich, dass der Zusteller angebe, ob er das Schriftstück in den Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung gelegt habe. Beide Empfangseinrichtungen stelle § 180 ZPO als gleichwertig nebeneinander. § 182 Abs. 2 Nr. 4 ZPO fordere hierzu keine differenzierten Angaben.

II.


5
Hiergegen wendet sich die Revision vergeblich.
6
1. Das angefochtene Urteil ist nicht bereits deshalb aufzuheben, weil es einen Tatbestand, eine ausdrückliche Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts und die wörtliche Wiedergabe der Berufungsanträge der Parteien nicht enthält.
7
a) Nach § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, durch den eine weitgehende Entlastung der Berufungsgerichte bei der Urteilsabfassung bezweckt ist, ist ein Tatbestand (§ 313 Abs. 1 Nr. 5 ZPO) nicht erforderlich. Es genügt eine - nicht notwendig ausdrückliche - Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil mit einer Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen. Die Aufnahme der Berufungsanträge in das Berufungsurteil ist hingegen nicht entbehrlich (BGHZ 154, 99, 100; 156, 97, 99). Zureichend aber ist, wenn aus dem Zusammenhang deutlich wird, was der Berufungskläger mit seinem Rechtsmittel erstrebt hat (BGHZ 154, 99, 100 f; 156 aaO). Darüber hinaus müssen die tatbestandlichen Darstellungen in den Gründen des Berufungsurteils ausreichen, um eine revisionsrechtliche Nachprüfung zu ermöglichen (BGHZ 156 aaO).
8
b) Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Berufungsurteil noch. Aus ihm wird deutlich, dass das Amtsgericht den Einspruch des Beklagten gegen den Vollstreckungsbescheid vom 12. Januar 2004 wegen Versäumung der hierfür geltenden Frist verworfen hat. Ferner ist dem Berufungsurteil zu entnehmen , dass sich der Beklagte mit seiner Berufung hiergegen gewandt und welche Einwendungen er geltend gemacht hat. Auch der dem Rechtsstreit http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=100&G=GG&A=101 - 5 - zugrunde liegende - sehr überschaubare - Tatsachenkern ist erkennbar. Dies ermöglicht in ausreichendem Maß die Überprüfung durch das Revisionsgericht.
9
2. Das Berufungsurteil unterliegt entgegen der Ansicht der Revision ferner nicht der Aufhebung, weil der Einzelrichter über die Berufung des Beklagten entschieden hat, ohne den Rechtsstreit der Kammer wegen der Grundsatzbedeutung zur Entscheidung über eine Übernahme vorzulegen. Die durch den Einzelrichter wegen Grundsätzlichkeit zugelassene Revision führt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Senatsurteil vom 23. Oktober 2003 - III ZR 41/03 - NJW 2003, 3768; Urteile vom 16. Juni 2004 - VIII ZR 303/03 - NJW 2004, 2301 und vom 16. Juli 2003 - VIII ZR 286/02 - NJW 2003, 2900 f) nicht wegen Verstoßes gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG zur Aufhebung des Berufungsurteils.
10
Ob etwas Anderes gilt, wenn das Kollegium dem Einzelrichter "sehenden Auges" entgegen § 526 Abs. 1 Nr. 3 ZPO eine Sache zur Entscheidung überträgt , obgleich sie Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft, braucht nicht entschieden zu werden. Ein solcher Fall liegt hier entgegen der Ansicht der Revision nicht vor. Das Kammerkollegium hatte in seinem Hinweisbeschluss vom 29. Dezember 2004 die grundsätzliche Bedeutung noch verneint. Zwar ist der Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit Schriftsatz vom 20. Januar 2005 dieser Ansicht entgegengetreten. Es ist aber nichts dafür ersichtlich , dass das Kammerkollegium seine Auffassung daraufhin vor dem Beschluss vom 14. Februar 2005, mit dem es die Sache dem Einzelrichter übertragen hat, revidiert hat. Erst der Einzelrichter hat in der mündlichen Verhandlung vom 3. März 2005 erklärt, die Zulassung der Revision sei beabsichtigt, da sich eine klärungsbedürftige Rechtsfrage stelle.
11
3. Schließlich ist der Einspruch des Beklagten gegen den Vollstreckungsbescheid vom 12. Januar 2004 zu Recht wegen Versäumung der in § 339 Abs. 1 i.V.m. § 700 Abs. 1 ZPO bestimmten Frist zur Einlegung dieses Rechtsbehelfs gemäß § 341 Abs. 1 ZPO als unzulässig verworfen worden. Der Einspruch ist nach den erstgenannten Bestimmungen binnen zwei Wochen einzulegen. Diese Frist beginnt mit der Zustellung des Vollstreckungsbescheids (§ 339 Abs. 1, 2. Halbsatz ZPO). Die Vorinstanzen sind zutreffend davon ausgegangen , dass diese am 14. Januar 2004 erfolgte, die Einspruchsfrist damit am 28. Januar 2004 ablief und der am 1. März 2004 eingegangene Rechtsbehelf mithin verspätet war.
12
a) Der Tag der Zustellung des Vollstreckungsbescheids ist aufgrund des in dem Aktenausdruck gemäß § 696 Abs. 2 Satz 1 ZPO dargestellten Textes der hierüber errichteten Urkunde nachgewiesen. Der Aktenausdruck erbringt den vollen Beweis für den Inhalt der in ihm wiedergegebenen Zustellungsurkunde (§ 696 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 418 Abs. 1 ZPO). Nach § 182 Abs. 1 Satz 2 ZPO gilt für die Zustellungsurkunde wiederum § 418 Abs. 1 ZPO. Das heißt, dass es sich um eine öffentliche Urkunde handelt, die den vollen Beweis der in ihr bezeugten Tatsachen begründet - im vorliegenden Fall die fehlende Möglichkeit der Übergabe des Vollstreckungsbescheids und die Einlegung in einen zur Wohnung gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche geeignete Vorrichtung (Voraussetzungen der Ersatzzustellung gemäß § 180 ZPO) am 14. Januar 2004. Zwar kann der Beweis der Unrichtigkeit geführt werden (§ 418 Abs. 2 ZPO). Dafür genügt es jedoch nicht, wenn - wie hier der Beklagte - der Adressat der Zustellung schlicht behauptet, das Schriftstück nicht erhalten zu haben. Dies folgt schon allein daraus, dass es für die Wirksamkeit der Zustellung nicht darauf ankommt, ob und wann er das Dokument seiner Empfangsvorrichtung entnommen und ob er es tatsächlich zu Kenntnis genommen hat (BFH/NV 2004, 509, 510 m.w.N.; BFH/NV 2004, 497, 498 m.w.N.; BSG, Beschluss vom 27. Januar 2005 - B 7a/7 AL 194/04 B - juris Rn. 5). Der Beweis der Unrichtigkeit der in der Zustellungsurkunde bezeugten Tatsachen erfordert vielmehr den vollen Beweis eines anderen als des beurkundeten Geschehens, der damit ein Fehlverhalten des Zustellers und eine objektive Falschbeurkundung belegt (BVerfG NJW-RR 2002, 1008; BFH/NV 2004, 509, 510 m.w.N.; BSG aaO). Notwendig ist der volle Beweis in der Weise, dass die Beweiswirkung der Zustellungsurkunde vollständig entkräftet und jede Möglichkeit der Richtigkeit der in ihr niedergelegten Tatsachen ausgeschlossen ist (BFH und BSG aaO; vgl. auch Senatsurteil vom 7. Juni 1990 - III ZR 216/99 - NJW 1990, 2125 f m.w.N.). Der Beklagte hat insoweit nichts vorgebracht, was auch nur ansatzweise diesen Anforderungen genügen könnte.
13
b) Entgegen der Ansicht der Revision ist es zum Nachweis der Wirksamkeit einer hier in Rede stehenden Ersatzzustellung nach § 180 ZPO nicht erforderlich , dass der Zusteller in der Urkunde angibt, in welche Empfangseinrichtung - Briefkasten oder ähnliche Vorrichtung - er das Schriftstück eingelegt hat, und im Fall der ähnlichen Vorrichtung diese näher bezeichnet (vgl. auch BFH/NV 2004, 509, 510). Der Senat vermag sich dieser auch von Stöber (in Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 182 Rn. 8) vertretenen Auffassung nicht anzuschließen. Es bedarf nach dem für den Inhalt der Zustellungsurkunde bei einer Ersatzzustellung nach § 180 ZPO maßgebenden § 182 Abs. 2 Nr. 4 ZPO keiner Beschreibung , in welchen Briefkasten oder in welche ähnliche Vorrichtung das Schriftstück eingelegt wurde. Nach dieser Bestimmung ist im Fall des § 180 ZPO lediglich die Angabe des Grundes, der die Ersatzzustellung rechtfertigt, notwendig. Zur Bezeichnung der Empfangsvorrichtung, in die die Sendung eingelegt wird, enthält die Vorschrift keine Regelung. Auch aus der Begründung der Bundesregierung zu dem Entwurf des Zustellungsreformgesetzes vom 25. Juni 2001 (BGBl. I S. 1206, geändert durch Art. 5 des Schuldrechtsmodernisierungsgesetz vom 26. November 2001, BGBl. I S. 3138, 3181), durch das unter anderem die Bestimmungen über die Zustellungsurkunde mit Wirkung vom 1. Juli 2002 neu gefasst wurden, ergibt sich die Notwendigkeit der Angabe der konkreten Empfangseinrichtung, in die das zuzustellende Dokument eingelegt wurde, nicht (siehe BT-Drucks. 14/4554, S. 21 f). Dies gilt ebenfalls für die Anlage 1 zu § 1 Nr. 1 Zustellungsvordruckverordnung vom 12. Februar 2002 (BGBl. I S. 671, 672 f, geändert mit Wirkung vom 1. Mai 2004, BGBl. I S. 619, 620 f), in der der Inhalt und die Gestaltung der Zustellungsurkunde vorgeschrieben sind. Zwar ergibt sich aus Nummern 10.1 und 10.2 des Vordruckmusters die Verpflichtung des Zustellers, in der Urkunde anzugeben, dass er das zuzustellende Schriftstück in einen zur Wohnung oder zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung eingelegt hat. In dem Vordruckmuster ist aber die Mitteilung, welche von beiden Alternativen erfüllt ist, und gegebenenfalls die nähere Bezeichnung der ähnlichen Vorrichtung nicht vorgesehen, so dass diese Angaben auch nach der Verordnung nicht erforderlich sind.
14
Entgegen der Ansicht der Revision ist die Aufnahme dieser Angaben in die Zustellungsurkunde auch nicht aus Gründen eines effektiven Rechtsschutzes sowie der Gewährung des rechtlichen Gehörs und damit von Verfassungs wegen geboten. Die Führung des dem Adressaten obliegenden Beweises, dass eine Ersatzzustellung gemäß § 180 ZPO entgegen den Angaben in der hierüber errichteten Urkunde nicht oder nicht wirksam erfolgt ist, wird nicht unzumutbar dadurch erschwert, dass der Zusteller sich auf die Angabe beschränken kann, er habe die Sendung in einen Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung eingelegt. Ein Briefkasten und eine ähnliche Vorrichtung, die zum Beispiel in einem Briefschlitz bestehen kann (Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des Zustellungsreformgesetzes aaO, S. 21; Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, ZPO, 63. Aufl., § 180 Rn. 5; MünchKommZPO/Wenzel, ZPO, Aktualisierungsband , 2. Aufl., § 180 Rn. 3; Musielak/Wolst, ZPO, 4. Aufl., § 180 Rn. 2; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 180 Rn. 3), müssen dem Adressaten eindeutig zuzuordnen, für den Postempfang eingerichtet sowie für eine sichere Aufbewahrung geeignet sein und sich in einem ordnungsgemäßen Zustand befinden (z.B. Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des Zustellungsreformgesetzes ; MünchKommZPO/Wenzel; Stein/Jonas/Roth jeweils aaO). In aller Regel wird der Zustellungsadressat nur über eine Einrichtung verfügen, bei der die Erfüllung dieser Kriterien in Betracht kommt. Er wird deshalb unschwer erkennen können, welche Vorrichtung der Zusteller mit der Eintragung in der Urkunde gemeint hat, und seine Rechtsverteidigung oder -verfolgung hierauf einrichten können. Aber auch wenn mehrere derartige als zum Postempfang geeignet anzusehende Vorrichtungen vorhanden sind und auch durch Nachfrage bei dem Zusteller nicht in Erfahrung zu bringen ist, welche dieser genutzt hat, wird dem Adressaten der Rechtsschutz nicht unverhältnismäßig erschwert, wenn die Zustellungsurkunde nicht bezeichnet, in welche der Einrichtungen das Schriftstück eingelegt wurde. Zwar muss der Empfänger in diesem Fall den Beweis , dass die Zustellung nicht oder nicht wirksam vorgenommen wurde, in Bezug auf jede dieser Einrichtungen führen. Dies ist ihm aber zuzumuten, da es in seiner Sphäre liegt, nur eine einzige geeignete Einrichtung deutlich erkennbar für den Postempfang zu bestimmen und so Mehrdeutigkeiten zu vermeiden.
Streck RiBGH Dr. Kapsa ist wegen Dörr Urlaubs verhindert zu unterschreiben Streck Galke Herrmann

Vorinstanzen:
AG Hamburg-Harburg, Entscheidung vom 28.04.2004 - 642 C 160/04 -
LG Hamburg, Entscheidung vom 10.03.2005 - 304 S 30/04 -

Ist die Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 nicht ausführbar, kann das Schriftstück in einen zu der Wohnung oder dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt werden, die der Adressat für den Postempfang eingerichtet hat und die in der allgemein üblichen Art für eine sichere Aufbewahrung geeignet ist. Mit der Einlegung gilt das Schriftstück als zugestellt. Der Zusteller vermerkt auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks das Datum der Zustellung.

(1) Öffentliche Urkunden, die einen anderen als den in den §§ 415, 417 bezeichneten Inhalt haben, begründen vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen.

(2) Der Beweis der Unrichtigkeit der bezeugten Tatsachen ist zulässig, sofern nicht die Landesgesetze diesen Beweis ausschließen oder beschränken.

(3) Beruht das Zeugnis nicht auf eigener Wahrnehmung der Behörde oder der Urkundsperson, so ist die Vorschrift des ersten Absatzes nur dann anzuwenden, wenn sich aus den Landesgesetzen ergibt, dass die Beweiskraft des Zeugnisses von der eigenen Wahrnehmung unabhängig ist.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird verworfen.

II.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 500 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Er ist unzulässig, weil die erforderliche Begründung erst am 20. Oktober 2014 und damit nicht mehr innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des Urteils (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) beim Verwaltungsgerichtshof eingegangen ist. Das angefochtene Urteil, das mit einer zutreffenden Rechtsmittelbelehrung versehen war, wurde der Klägerin ausweislich der Postzustellungsurkunde am 13. August 2014 zugestellt, und zwar mittels Ersatzzustellung durch Einlegung in den zur Wohnung der Klägerin gehörenden Briefkasten (§ 56 Abs. 2 VwGO, § 180 ZPO). Die bloße Vermutung der Klägerin, es könnte zu einer „verspäteten Zustellung durch zunächst erfolgte Falscheinlegung“ gekommen sein, weil „beim Objekt der Klägerin keine namentlich gekennzeichneten Briefkästen vorhanden seien“, vermag die Beweiskraft der mit der Postzustellungsurkunde als öffentlichen Urkunde bezeugten Tatsache ebenso wenig zu erschüttern (vgl. § 182 Satz 2, § 418 Abs. 1 ZPO) wie die Behauptung, in der Vergangenheit seien „bisweilen Schreiben entwendet und erst Tage später wieder eingelegt worden“. Zur Widerlegung der Richtigkeit des Inhalts der Urkunde ist vielmehr ein Gegenbeweis zu führen (§ 418 Abs. 2 ZPO). Die Darlegung der Möglichkeit eines anderen als des in der Urkunde angegebenen Geschehensablaufs reicht hierzu nicht aus (vgl. BVerwG, B. v. 7.10.1993 - 4 B 166.93 - NJW 1994, 535 = juris LS und Rn. 7 f.). Die Zwei-Monats-Frist zur Darlegung der Zulassungsgründe nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO endete somit gemäß § 57 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 222 ZPO und § 188 Abs. 2 BGB am Montag, den 13. Oktober 2014, um 24.00 Uhr.

Die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 Abs. 1 VwGO ist nicht zu gewähren, weil die Voraussetzungen dafür nicht vorliegen. Nach § 60 Abs. 1 und 2 VwGO ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. „Verschulden“ im Sinne von § 60 Abs. 1 VwGO liegt vor, wenn der Beteiligte diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden geboten ist und die ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten war (vgl. BVerwG, B. v. 1.9.2014 - 2 B 93/13 - juris Rn. 11). Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Dabei sind die Tatsachen zur Begründung des Antrags glaubhaft zu machen (§ 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO) und die versäumte Rechtshandlung innerhalb der Antragsfrist nachzuholen. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

Die Klägerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass sie ohne Verschulden verhindert war, die Berufungszulassungsfrist einzuhalten (§ 60 Abs. 1 und 2 VwGO). Glaubhaftmachung eines Wiedereinsetzungsgrundes im Sinn des § 60 Abs. 2 Satz 2, § 173 Abs. 1 VwGO, § 294 ZPO bedeutet, dass der Betroffene aufzeigen muss, dass sich der Sachverhalt so, wie von ihm dargestellt, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit, zugetragen hat (vgl. BVerwG, B. v. 6.9.1979 - 8 B 35/79 u. a. - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 176 = juris Rn. 10). Dabei sind zwar an die Glaubhaftmachung wegen der Rechtsschutzgarantie (Art. 19 Abs. 4 GG) und des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) keine strengen Anforderungen zu stellen. Ausnahmsweise kann sogar eine schlichte Erklärung des Betroffenen genügen, wenn andere Mittel der Glaubhaftmachung in der jeweiligen Fallgestaltung nicht zur Verfügung stehen und wenn es sich um einen ausgesprochen naheliegenden, der Lebenserfahrung entsprechenden Versäumungsgrund handelt und kein Anlass besteht, an der Wahrscheinlichkeit des vorgebrachten Sachverhalts zu zweifeln. Ein Gegenbeweis und die volle richterliche Überzeugung von der Richtigkeit der behaupteten Tatsachen sind hier nicht erforderlich (vgl. BVerfG, B. v. 2.7.1974 - 2 BvR 32/74 - BVerfGE 38, 35; B. v. 14.2.1995 - 2 BvR 1950/94 - NJW 1995, 2545 = juris Rn. 17 f.; BGH, B. v. 9.2.1998 - II ZB 15/97 - NJW 1998, 1870; BayLSG, B. v. 13.11.2012 - L 15 SF 168/12 - Breith 2013, 258 = juris Rn. 38 f.). Eine schlichte Behauptung oder Vermutung über den Geschehensablauf genügt jedoch nicht (vgl. BVerwG, B. v. 7.11.2001 - 2 WDB 11/01- Buchholz 235.0 § 85 WDO Nr. 2 = juris Rn. 6; SächsOVG, U. v. 22.12.2010 - 5 A 173/08 - juris Rn. 25).

Nach diesem Maßstab fehlt es an der Glaubhaftmachung eines Wiedereinsetzungsgrunds. Die Klägerin macht geltend, sie habe von einer Zustellung am 18. anstatt am 13. August ausgehen dürfen, weil die Briefumschläge der (an sie und ihren Ehemann) zuzustellenden Schriftstücke (§ 180 Satz 3 ZPO) „offensichtlich so beschriftet (gewesen seien), dass als Datum eine,3‘ als,8‘ zu lesen gewesen sei, was durchaus bei diversen Handschriften leicht zu verwechseln sei“. Dieser Vortrag beschränkt sich auf bloße Behauptung und Vermutung, die der Senat auch angesichts des auf den Zustellungsurkunden jeweils in klar lesbaren, handschriftlich vom Zusteller angegebenen Datums des 13. August 2014 und der deutlichen Unterscheidbarkeit der darin enthaltenden Zahl „3“ von der für den Monat August angegebenen Zahl „8“ für unwahrscheinlich hält. Im Übrigen gehört es zu den Obliegenheiten des Betroffenen, den mit einer handschriftlichen Datumsangabe versehenen Umschlag zugestellter amtlicher Schriftstücke zum Nachweis einer eventuell nicht ordnungsgemäß erfolgten Zustellung (vgl. § 189 ZPO) aufzubewahren und nicht „im ersten Ärger wegzuwerfen“.

Der Vortrag der Klägerin, sie sei der deutschen Sprache nicht mächtig, führt ebenfalls nicht zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, zumal sie nicht dargelegt hat, dass sie - als Ehefrau eines deutschen Staatsbürgers - trotz zumutbarer Anstrengungen nicht in der Lage gewesen ist, sich rechtzeitig um eine Übersetzung des Inhalts des zustellten Schriftstücks zu bemühen und sich die Kenntnis über den Anlauf der Frist zu verschaffen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 60 Rn.11). Allein das Vorbringen, ihre Post- und Geschäftsangelegenheiten würden von ihrem Ehemann erledigt, genügt hierfür ebenso wenig, wie der Umstand, dass dieser den Briefkasten in fraglichen Zeitraum nicht selbst geleert hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 3 und Abs. 1 Satz 1 sowie § 52 Abs. 1 GKG.

(1) Der Lauf einer Frist beginnt, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit der Zustellung oder, wenn diese nicht vorgeschrieben ist, mit der Eröffnung oder Verkündung.

(2) Für die Fristen gelten die Vorschriften der §§ 222, 224 Abs. 2 und 3, §§ 225 und 226 der Zivilprozeßordnung.

(1) Für die Berechnung der Fristen gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

(2) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.

(3) Bei der Berechnung einer Frist, die nach Stunden bestimmt ist, werden Sonntage, allgemeine Feiertage und Sonnabende nicht mitgerechnet.

(1) Ist für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend, so wird bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchen das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt.

(2) Ist der Beginn eines Tages der für den Anfang einer Frist maßgebende Zeitpunkt, so wird dieser Tag bei der Berechnung der Frist mitgerechnet. Das Gleiche gilt von dem Tage der Geburt bei der Berechnung des Lebensalters.

(1) Der Lauf einer Frist beginnt, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit der Zustellung oder, wenn diese nicht vorgeschrieben ist, mit der Eröffnung oder Verkündung.

(2) Für die Fristen gelten die Vorschriften der §§ 222, 224 Abs. 2 und 3, §§ 225 und 226 der Zivilprozeßordnung.

(1) Für die Berechnung der Fristen gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

(2) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.

(3) Bei der Berechnung einer Frist, die nach Stunden bestimmt ist, werden Sonntage, allgemeine Feiertage und Sonnabende nicht mitgerechnet.

(1) Eine nach Tagen bestimmte Frist endigt mit dem Ablauf des letzten Tages der Frist.

(2) Eine Frist, die nach Wochen, nach Monaten oder nach einem mehrere Monate umfassenden Zeitraum - Jahr, halbes Jahr, Vierteljahr - bestimmt ist, endigt im Falle des § 187 Abs. 1 mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher durch seine Benennung oder seine Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt, im Falle des § 187 Abs. 2 mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher dem Tage vorhergeht, der durch seine Benennung oder seine Zahl dem Anfangstag der Frist entspricht.

(3) Fehlt bei einer nach Monaten bestimmten Frist in dem letzten Monat der für ihren Ablauf maßgebende Tag, so endigt die Frist mit dem Ablauf des letzten Tages dieses Monats.

(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.

(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. § 60 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt entsprechend.

(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

(2) Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; bei Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung, des Antrags auf Zulassung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Beschwerde beträgt die Frist einen Monat. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist ist der Antrag unzulässig, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

(4) Über den Wiedereinsetzungsantrag entscheidet das Gericht, das über die versäumte Rechtshandlung zu befinden hat.

(5) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

I.

Unter Abänderung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 22. Dezember 2011 wird die Klage (insgesamt) abgewiesen.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger, Soldat im Dienst der Beklagten, wendet sich gegen die Rückforderung eines Teils des Kaufkraftausgleichs, den er von Dezember 2007 bis Juli 2008 während eines Auslandseinsatzes erhalten hat.

Der Kläger war seit Juli 2005 zur Deutschen Beratergruppe in Djibouti/Afrika abkommandiert. Er erhielt während dieser Zeit - aufgrund eines Eingabefehlers im Rechenprogramm der Beklagten - als Teil seiner Auslandsbesoldung einen Kaufkraftausgleich von 40% bis Ende Juli 2008 (monatliche Beträge zwischen 1.348,68 € und 1.727,94 €).

Bereits am 1. Juli 2003 hatte das Auswärtige Amt den Kaufkraftausgleich für Djibouti (als mit Addis Abeba vergleichbar) per Verwaltungsanordnung auf 0% festgesetzt. Dieser wurde später nachträglich mit Wirkung vom 1. Dezember 2007 auf 5% abgeändert.

Im November 2007 stellte das Bundesministerium der Verteidigung fest, dass es sich bei dem ausbezahlten Vomhundertsatz für den Kaufkraftausgleich für Djibouti um einen Fehler handelte und teilte dies der (damaligen) Wehrbereichsverwaltung Süd mit, die in der Folge erstmalig in dem Schreiben vom 27. November 2007, das die Berechnung und die Festsetzung des Mietzuschusses enthielt, folgenden Hinweis beifügte: „Aufgrund eines fehlerhaften v. H.-Satzes beim Kaufkraftausgleich für den Dienstort Djibouti (z. Z. 40 v. H.) ist der Kaufkraftausgleich ab Dezember 2007 bis auf weiteres unter Vorbehalt gestellt“. Derselbe Vermerk war auch in den nächsten fünf Mietzuschussabrechnungen enthalten.

Mit Bescheid vom 2. Dezember 2008, auf die Beschwerde des Klägers hin geändert durch den (Teilabhilfe-)Bescheid vom 19. Oktober 2009, forderte die Beklagte vom Kläger den Teil des Kaufkraftausgleichs, der die (nachträglich) festgesetzten 5% überstieg, für den Zeitraum vom 1. Dezember 2007 bis 31. Juli 2008 zurück (insgesamt 9.942,89 €) und wies im Übrigen seine Beschwerde durch Beschwerdebescheid vom 16. Dezember 2009 zurück. Auf seine Klage hin gab das Bayerische Verwaltungsgericht Augsburg seinem Anfechtungsbegehren statt und hob die o. g. Bescheide hinsichtlich der Rückforderung für den Zeitraum vom Dezember 2007 bis Juli 2008 auf. Seine Leistungsklage auf Weiterzahlung eines Kaufkraftausgleichs von 40% über den Juli 2008 hinaus wies es ab (Urteil vom 22. Dezember 2011).

Mit ihrer durch den Senat zugelassenen Berufung wendet sich die Beklagte gegen den stattgebenden Teil des Urteils. Sie beantragt im Berufungsverfahren sinngemäß,

unter Aufhebung des (stattgebenden) Teils des Urteils des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 22. Dezember 2011 die Klage (insgesamt) abzuweisen.

Das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass es einen Rechtsgrund für das Behaltendürfen des überzahlten Kaufkraftausgleichs für den Zeitraum von Dezember 2007 bis Juli 2008 gebe. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei ein Verwaltungsakt, in dem der Kaufkraftausgleich für den Zeitraum vom 1. Dezember 2007 bis 31. Juli 2008 auf 40% gegenüber dem Kläger festgesetzt worden sei, nie ergangen. Es habe nicht einmal eine Verwaltungsanordnung gegeben, die Grundlage für einen derartigen Bescheid gewesen sein könnte. Vielmehr sei die Zahlung nur aufgrund einer fehlerhaften Eingabe im Rechensystem erfolgt. Die Zahlung selbst sei ein bloßer Realakt. Durch den im Schreiben vom 27. November 2007 enthaltenen Vorbehalt unterliege der Kläger seit dem 1. Dezember 2007 einer verschärften Haftung.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Verwaltungsgericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass die Zahlung eines Kaufkraftausgleichs von 40% aufgrund eines Verwaltungsakts erfolgt sei, der einen Rechtsgrund für das Behaltendürfen der gezahlten Leistungen darstelle. Ein solcher Verwaltungsakt sei in den dem Kläger erteilten Besoldungsmitteilungen zu sehen. Zwar besäßen solche in der Regel nur Hinweischarakter. Allerdings gelte dies nach der Rechtsprechung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs nicht, soweit darin auch ein Kaufkraftausgleich festgesetzt worden sei. Dass keine Verwaltungsanordnung über einen Kaufkraftausgleich von 40% bestanden habe, ändere nichts daran, dass eine Bekanntgabe des Kaufkraftausgleichs in der entsprechenden Höhe erfolgt sei, wenn auch aufgrund eines maschinellen Fehlers. Nach alledem liege kein „besonderer Fall“ im Sinne der Nr. 1.3 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu § 7 BBesG vom 24. September 2002 vor, der eine Absenkung des Kaufkraftausgleichs auch mit Wirkung für die Vergangenheit ermögliche. Die Beklagte habe ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt, da sie nicht erkannt habe, dass es sich vorliegend trotz des erklärten Vorbehalts um eine rückwirkende Absenkung des Kaufkraftausgleichs handele. Der von ihr erklärte Vorbehalt hinsichtlich der Zahlung des Kaufkraftausgleichs ab Dezember 2007 sei im Übrigen nicht bestimmt genug gewesen, da sich weder aus dem Vorbehalt selbst noch aus den Begleitumständen ergeben habe, in welcher Höhe die gezahlten Bezüge unter den Vorbehalt einer späteren Rückforderung gestellt worden seien.

Die Beteiligten erklärten sich mit einer Entscheidung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung einverstanden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten, über die mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann (§ 125 Abs. 1, § 101 Abs. 2 VwGO), ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht insoweit stattgegeben, als durch Bescheid vom 2. Dezember 2008 in der Fassung des (Teilabhilfe-)Bescheids vom 19. Oktober 2009 und des Beschwerdebescheids vom 16. Dezember 2009 der ausbezahlte Kaufkraftausgleich für den Dienstort Djibouti für die Zeit von Dezember 2007 bis Juli 2008 in Höhe von 9.942,89 € zurückgefordert wurde. Die diesbezügliche Anfechtungsklage ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die Beklagte hat auf der Grundlage des § 12 Abs. 2 BBesG den in Rede stehenden Betrag vom Kläger zu Recht zurückgefordert. Nach dieser Vorschrift regelt sich die Rückforderung zu viel gezahlter Bezüge nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Der Kläger hat für den Zeitraum von Dezember 2007 bis Juli 2008 einen Kaufkraftausgleich in Höhe von 9.942,89 € als zu viel gezahlte Leistung der Beklagten ohne Rechtsgrund erhalten (I). Der Rückgewähranspruch ist nicht aufgrund einer Entreicherung des Klägers im Sinne des § 818 Abs. 3 BGB weggefallen (II). Die Billigkeitsentscheidung der Beklagten im Sinne von § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG ist nicht zu beanstanden (III).

I. Der Rückforderungsbetrag in Höhe von 9.942,89 € ist an den Kläger ohne Rechtsgrund gezahlt worden.

1. Nach §§ 7, 54 BBesG in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. August 2002 (BGBl I S. 3020; in Folge: BBesG a. F.) - jetzt § 55 BBesG - ist bei Soldaten mit ausländischem Dienstort der Unterschied der Kaufkraft der Bezüge am ausländischen Dienstort im Vergleich zur Kaufkraft der Bezüge im Inland durch Zu- oder Abschläge auszugleichen (sog. Kaufkraftausgleich, vgl. § 7 Abs. 1 BBesG a. F.). Das Statistische Bundesamt ermittelt für den einzelnen Dienstort nach einer wissenschaftlichen Berechnungsmethode aufgrund eines Preisvergleichs und des Wechselkurses zwischen den Währungen den Vomhundertsatz, um den die Lebenshaltungskosten am ausländischen Dienstort höher oder niedriger sind als am Sitz der Bundesregierung (sog. Teuerungsziffer, vgl. § 7 Abs. 2 Satz 1 BBesG a. F.). Der Kaufkraftausgleich wird anhand der Teuerungsziffer festgesetzt (§ 7 Abs. 3 Satz 1 BBesG a. F.). Das Nähere zur Festsetzung regelt das Auswärtige Amt im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern, dem Bundesministerium der Finanzen und - hinsichtlich der Bundeswehrdienstorte im Ausland - auch im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung (§ 54 Abs. 1 Satz 1 BBesG a. F.). Nach der (hier maßgeblichen) Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Festsetzung des Kaufkraftausgleichs nach dem Bundesbesoldungsgesetz vom 24. September 2002 (GMBl 2002 S. 757; in Folge: Allgemeine Verwaltungsvorschrift vom 24. September 2002) wird, ausgehend von der durch das Statistische Bundesamt ermittelten Teuerungsziffer, der Kaufkraftausgleich auf die nächsthöhere, durch fünf teilbare Zahl festgelegt. Bei einer negativen Teuerungsziffer von bis zu - 15% wird der Kaufkraftausgleich auf 0% festgesetzt.

Für den maßgeblichen Zeitraum zwischen Dezember 2007 und Juli 2008 hat das Statistische Bundesamt Teuerungsziffern für den Dienstort Djibouti zwischen - 2% und - 4% ermittelt, so dass sich eigentlich ein Kaufkraftausgleich von 0% ergeben hätte. Dennoch hat das Bundesministerium der Verteidigung der damaligen Wehrbereichsverwaltung Süd am 31. März 2009 mitgeteilt, der Kaufkraftausgleich betrage auch für diesen Zeitraum 5%. Damit wurde, wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat (UA S. 7), bei der ministeriellen Festsetzung der Höhe des Kaufkraftausgleichs zugunsten des Klägers nach oben abgewichen. Dies stellt der Kläger auch nicht in Frage. Auf die diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts wird Bezug genommen (vgl. hierzu auch OVG NW, B. v. 5.6.2012 - 1 A 1517/10 - juris Rn. 5 ff.).

Nach alledem hat der Kläger für die Monate Dezember 2007 bis Juli 2008 insoweit Leistungen ohne entsprechende (ministerielle) Verwaltungsanordnung erlangt, als der Berechnung der Beträge ein den Kaufkraftausgleich von 5% überschreitender Kaufkraftausgleich, nämlich in Höhe von 40%, zugrunde gelegt wurde. Die konkrete Höhe dieses Überzahlungsbetrags (9.942,89 €; vgl. die Berechnung auf Bl. 299 der Besoldungsakte 2) ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

2. Entgegen der Auffassung des Klägers und des Verwaltungsgerichts hat die Beklagte gegenüber dem Kläger keinen feststellenden Verwaltungsakt dahingehend erlassen, dass der Kaufkraftausgleich für Djibouti gemäß ministerieller Festsetzung für den maßgeblichen Zeitraum 40% beträgt; damit existiert kein Verwaltungsakt, der mangels rechtmäßiger Rücknahme einen Rechtsgrund für das Behaltendürfen der überzahlten Beträge darstellen könnte.

Dienstbezüge werden auf der Grundlage des Bundesbesoldungsgesetzes grundsätzlich ohne vorhergehenden Festsetzungs- oder Bewilligungsbescheid gewährt (st. Rspr., vgl. z. B. BVerwG, B. v. 24.1.2008 - 2 B 72.07 - juris Rn. 6). Auch der Kaufkraftausgleich ist dem Grundsatz der Gesetzesbindung der Besoldung folgend normativ begründet. Er ergibt sich dem Grunde und der Bezugsgröße nach unmittelbar aus dem Gesetz. Nur die rechnerische Festlegung der Höhe ist ministeriellen Bestimmungen überlassen (BVerwG, U. v. 21.8.1997 - 2 C 31.96 - DÖV 1998, 205 m. w. N.). Die Frage, ob die Mitteilung der ministeriell festgesetzten Höhe des Kaufkraftausgleichs als Bestandteil der Auslandsbezüge einen Verwaltungsakt darstellt, ist umstritten (bejahend HessVGH, U. v. 22.9.1993 - 1 UE 498/86 - juris Rn. 27; verneinend OVG NW, B. v. 27.8.1974 - 1 B 301/74 - RiA 1975, 112; offen gelassen von BVerwG, U. v. 26.5.1971 - VI C 39.68 - BVerwGE 38, 139 für die Bekanntgabe einer entsprechenden Verwaltungsanordnung des Auswärtigen Amts). Diese Frage braucht im konkreten Fall nicht näher vertieft zu werden. Denn vorliegend wurde dem Kläger nie bekanntgegeben, dass es eine - im Übrigen nicht existente - ministerielle Festsetzung des Kaufkraftausgleichs in Höhe von 40% für Djibouti gibt. Es gingen ihm lediglich Schreiben zu, die ihn über die Höhe des an ihn zu zahlenden Gehalts informierten. Die in den Akten befindlichen Schreiben mit der Überschrift „Berechnung und Festsetzung des Mietzuschusses“, die ab dem 27. November 2007 den Vorbehalt hinsichtlich des gewährten Kaufkraftausgleichs enthielten, erschöpften sich darin, dass neben dem Grundgehalt der Familienzuschlag und die Amts-Stellen-Ausgleichszulagen ausgewiesen sind, und zwar im Hinblick auf die Berechnung des Eigenanteils bei der Berechnung und Festsetzung des Mietzuschusses. In diesen Schreiben ist nirgendwo die Rede davon, dass der Kaufkraftausgleich zu einem bestimmten Prozentsatz gewährt wird. In den dem Kläger übermittelten „Gehaltsbescheinigungen“ (vgl. Bl. 92 der Akte des Verwaltungsgerichts) ist der gezahlte Kaufkraftausgleich mit der entsprechenden Berechnungsmethode (unter Nennung des Prozentsatzes) neben den anderen Besoldungsbestandteilen zwar gesondert ausgewiesen. Die Mitteilung der Höhe (und Berechnung) des Gehalts und (als dessen Bestandteil) des Kaufkraftausgleichs in den genannten Schreiben stellt ersichtlich keinen Verwaltungsakt i. S. v. § 35 VwVfG dar. Denn bloße Besoldungsmitteilungen haben grundsätzlich keinen regelnden Charakter, sondern kündigen lediglich die nach dem Gesetz gebotenen Zahlungen an (OVG NW, U. v. 16.6.2000 - 12 A 2624/98 - NWVBl 2001, 189 m. w. N.; OVG Saarl, U. v. 27.4.2007 - 1 R 22/06 - Schütz BeamtR ES/C V 5 Nr. 66). Dafür dass dies hier ausnahmsweise anders sein könnte, bestehen keine Anhaltspunkte.

II. Eine mögliche Entreicherung des Klägers nach § 12 Abs. 2 BBesG, § 818 Abs. 3 BGB, auf die sich der Kläger nicht einmal beruft, wäre vorliegend ohne Bedeutung. Für den Kläger gilt die verschärfte Haftung auf der Grundlage von § 820 Abs. 1 Satz 2 BGB i. V. m. § 820 Abs. 1 Satz 1, § 818 Abs. 4 BGB. Danach greift die verschärfte Haftung, wenn die Leistung aus einem Rechtsgrund, dessen Wegfall nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts als möglich angesehen wurde, erfolgt ist und der Rechtsgrund wegfällt. Dies gilt im Besoldungsrecht namentlich für solche Leistungen, die unter dem Vorbehalt der späteren Prüfung des Vorliegens ihrer Voraussetzungen erbracht werden (st. Rspr., vgl. BVerwG, U. v. 19.12.1961 - II C 9.61 - BVerwGE 13, 248).

Für den maßgeblichen Zeitraum war dies der Fall, da erstmals in der Bezügemitteilung vom 27. November 2007 darauf hingewiesen wurde, dass der Kaufkraftausgleich ab Dezember 2007 bis auf weiteres unter Vorbehalt gestellt sei. Damit war dem Kläger bekannt, dass über die richtige Berechnung seiner Bezüge in Bezug auf den Kaufkraftausgleich Ungewissheit besteht und eine abschließende Prüfung zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen werde. Eine derartige Information verschafft dem Besoldungsempfänger das erforderliche Wissen, dass er über die unter Vorbehalt gezahlten Bezüge bis zur Nachprüfung nicht frei verfügen kann und dass er sich auf eine etwaige Rückforderung einzustellen hat (vgl. OVG NW, B. v. 5.6.2012 - 1 A 1517/10 - juris Rn. 14 m. w. N.). Der Einwand des Klägers, der Vorbehalt sei zu unbestimmt, weil sich weder aus dem Vorbehalt selbst noch aus den Begleitumständen ergeben habe, in welcher Höhe die gezahlten Bezüge unter den Vorbehalt einer späteren Rückforderung gestellt sind, greift nicht durch. Denn dem klaren Wortlaut nach hat die Beklagte durch den Vorbehalt den Kaufkraftausgleich in vollem Umfang unter Vorbehalt gestellt (vgl. auch OVG NW a. a. O. Rn. 13). Auch ergibt sich aus der Formulierung klar, dass dieser Vorbehalt für die gesamten Zahlungen ab Dezember 2007 gelten sollte. Nicht zu beanstanden ist auch, dass der Vorbehalt letztlich über mehrere Monate hinweg wiederholt wurde (BVerwG, U. v. 19.12.1961 - 2 C 9.61 - BVerwGE 13, 248; OVG NW a. a. O. Rn. 16).

Auch der Einwand des Klägers, es habe sich letztlich um eine rückwirkende Änderung des Kaufkraftausgleichs gehandelt, welche nach der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift vom 24. September 2002 nur in „besonderen Fällen“ erfolgen dürfe und ein solcher nicht vorliege, greift nicht. Denn durch eine - hier angesprochene - mit Rückwirkung erfolgende Absenkung des Kaufkraftausgleichs und die entsprechende Rückforderung von vorbehaltlos erfolgten Zahlungen wird ein grundsätzlich schutzwürdiges Vertrauen des Beamten berührt. Dies ist bei einer Rückforderung von unter Rückforderungsvorbehalt gestellten Zahlungen wegen des Vorbehalts gerade nicht der Fall. Insoweit liegt - unterstellt, es handelt sich um eine rückwirkende Änderung - der besondere, eine Absenkung des Kaufkraftausgleichs für die Vergangenheit rechtfertigende Fall gerade darin, dass die entsprechenden Zahlungen nur unter besonders ausgesprochenem Vorbehalt erfolgt sind (OVG NW, B. v. 5 4.6.2012 - 1 A 1517/10 - Rn. 17).

III. Auch die Billigkeitsentscheidung der Beklagten i. S. v. § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG ist nicht zu beanstanden.

Die Beklagte hat im Ausgangsbescheid vom 2. Dezember 2008 geprüft, ob aus Billigkeitsgründen ganz oder zum Teil von der Rückforderung abgesehen werden kann und hat dies im Hinblick auf die Sach- und Rechtslage sowie den Umstand, dass der Kläger bei seiner Anhörung keine diesbezüglichen besonderen Gründe vorgetragen hat, verneint. Die Beklagte hat zudem ihre Bereitschaft signalisiert, dem Kläger Ratenzahlungen zu bewilligen, soweit er seine wirtschaftlichen Verhältnisse darlegt und sich insoweit eine besondere Härte für ihn ergeben würde. Anhaltspunkte für die Fehlerhaftigkeit dieser Billigkeitsentscheidung sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

I.

Unter Abänderung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 22. Dezember 2011 wird die Klage (insgesamt) abgewiesen.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger, Soldat im Dienst der Beklagten, wendet sich gegen die Rückforderung eines Teils des Kaufkraftausgleichs, den er von Dezember 2007 bis Juli 2008 während eines Auslandseinsatzes erhalten hat.

Der Kläger war seit Juli 2005 zur Deutschen Beratergruppe in Djibouti/Afrika abkommandiert. Er erhielt während dieser Zeit - aufgrund eines Eingabefehlers im Rechenprogramm der Beklagten - als Teil seiner Auslandsbesoldung einen Kaufkraftausgleich von 40% bis Ende Juli 2008 (monatliche Beträge zwischen 1.348,68 € und 1.727,94 €).

Bereits am 1. Juli 2003 hatte das Auswärtige Amt den Kaufkraftausgleich für Djibouti (als mit Addis Abeba vergleichbar) per Verwaltungsanordnung auf 0% festgesetzt. Dieser wurde später nachträglich mit Wirkung vom 1. Dezember 2007 auf 5% abgeändert.

Im November 2007 stellte das Bundesministerium der Verteidigung fest, dass es sich bei dem ausbezahlten Vomhundertsatz für den Kaufkraftausgleich für Djibouti um einen Fehler handelte und teilte dies der (damaligen) Wehrbereichsverwaltung Süd mit, die in der Folge erstmalig in dem Schreiben vom 27. November 2007, das die Berechnung und die Festsetzung des Mietzuschusses enthielt, folgenden Hinweis beifügte: „Aufgrund eines fehlerhaften v. H.-Satzes beim Kaufkraftausgleich für den Dienstort Djibouti (z. Z. 40 v. H.) ist der Kaufkraftausgleich ab Dezember 2007 bis auf weiteres unter Vorbehalt gestellt“. Derselbe Vermerk war auch in den nächsten fünf Mietzuschussabrechnungen enthalten.

Mit Bescheid vom 2. Dezember 2008, auf die Beschwerde des Klägers hin geändert durch den (Teilabhilfe-)Bescheid vom 19. Oktober 2009, forderte die Beklagte vom Kläger den Teil des Kaufkraftausgleichs, der die (nachträglich) festgesetzten 5% überstieg, für den Zeitraum vom 1. Dezember 2007 bis 31. Juli 2008 zurück (insgesamt 9.942,89 €) und wies im Übrigen seine Beschwerde durch Beschwerdebescheid vom 16. Dezember 2009 zurück. Auf seine Klage hin gab das Bayerische Verwaltungsgericht Augsburg seinem Anfechtungsbegehren statt und hob die o. g. Bescheide hinsichtlich der Rückforderung für den Zeitraum vom Dezember 2007 bis Juli 2008 auf. Seine Leistungsklage auf Weiterzahlung eines Kaufkraftausgleichs von 40% über den Juli 2008 hinaus wies es ab (Urteil vom 22. Dezember 2011).

Mit ihrer durch den Senat zugelassenen Berufung wendet sich die Beklagte gegen den stattgebenden Teil des Urteils. Sie beantragt im Berufungsverfahren sinngemäß,

unter Aufhebung des (stattgebenden) Teils des Urteils des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 22. Dezember 2011 die Klage (insgesamt) abzuweisen.

Das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass es einen Rechtsgrund für das Behaltendürfen des überzahlten Kaufkraftausgleichs für den Zeitraum von Dezember 2007 bis Juli 2008 gebe. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei ein Verwaltungsakt, in dem der Kaufkraftausgleich für den Zeitraum vom 1. Dezember 2007 bis 31. Juli 2008 auf 40% gegenüber dem Kläger festgesetzt worden sei, nie ergangen. Es habe nicht einmal eine Verwaltungsanordnung gegeben, die Grundlage für einen derartigen Bescheid gewesen sein könnte. Vielmehr sei die Zahlung nur aufgrund einer fehlerhaften Eingabe im Rechensystem erfolgt. Die Zahlung selbst sei ein bloßer Realakt. Durch den im Schreiben vom 27. November 2007 enthaltenen Vorbehalt unterliege der Kläger seit dem 1. Dezember 2007 einer verschärften Haftung.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Verwaltungsgericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass die Zahlung eines Kaufkraftausgleichs von 40% aufgrund eines Verwaltungsakts erfolgt sei, der einen Rechtsgrund für das Behaltendürfen der gezahlten Leistungen darstelle. Ein solcher Verwaltungsakt sei in den dem Kläger erteilten Besoldungsmitteilungen zu sehen. Zwar besäßen solche in der Regel nur Hinweischarakter. Allerdings gelte dies nach der Rechtsprechung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs nicht, soweit darin auch ein Kaufkraftausgleich festgesetzt worden sei. Dass keine Verwaltungsanordnung über einen Kaufkraftausgleich von 40% bestanden habe, ändere nichts daran, dass eine Bekanntgabe des Kaufkraftausgleichs in der entsprechenden Höhe erfolgt sei, wenn auch aufgrund eines maschinellen Fehlers. Nach alledem liege kein „besonderer Fall“ im Sinne der Nr. 1.3 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu § 7 BBesG vom 24. September 2002 vor, der eine Absenkung des Kaufkraftausgleichs auch mit Wirkung für die Vergangenheit ermögliche. Die Beklagte habe ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt, da sie nicht erkannt habe, dass es sich vorliegend trotz des erklärten Vorbehalts um eine rückwirkende Absenkung des Kaufkraftausgleichs handele. Der von ihr erklärte Vorbehalt hinsichtlich der Zahlung des Kaufkraftausgleichs ab Dezember 2007 sei im Übrigen nicht bestimmt genug gewesen, da sich weder aus dem Vorbehalt selbst noch aus den Begleitumständen ergeben habe, in welcher Höhe die gezahlten Bezüge unter den Vorbehalt einer späteren Rückforderung gestellt worden seien.

Die Beteiligten erklärten sich mit einer Entscheidung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung einverstanden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten, über die mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann (§ 125 Abs. 1, § 101 Abs. 2 VwGO), ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht insoweit stattgegeben, als durch Bescheid vom 2. Dezember 2008 in der Fassung des (Teilabhilfe-)Bescheids vom 19. Oktober 2009 und des Beschwerdebescheids vom 16. Dezember 2009 der ausbezahlte Kaufkraftausgleich für den Dienstort Djibouti für die Zeit von Dezember 2007 bis Juli 2008 in Höhe von 9.942,89 € zurückgefordert wurde. Die diesbezügliche Anfechtungsklage ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die Beklagte hat auf der Grundlage des § 12 Abs. 2 BBesG den in Rede stehenden Betrag vom Kläger zu Recht zurückgefordert. Nach dieser Vorschrift regelt sich die Rückforderung zu viel gezahlter Bezüge nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Der Kläger hat für den Zeitraum von Dezember 2007 bis Juli 2008 einen Kaufkraftausgleich in Höhe von 9.942,89 € als zu viel gezahlte Leistung der Beklagten ohne Rechtsgrund erhalten (I). Der Rückgewähranspruch ist nicht aufgrund einer Entreicherung des Klägers im Sinne des § 818 Abs. 3 BGB weggefallen (II). Die Billigkeitsentscheidung der Beklagten im Sinne von § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG ist nicht zu beanstanden (III).

I. Der Rückforderungsbetrag in Höhe von 9.942,89 € ist an den Kläger ohne Rechtsgrund gezahlt worden.

1. Nach §§ 7, 54 BBesG in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. August 2002 (BGBl I S. 3020; in Folge: BBesG a. F.) - jetzt § 55 BBesG - ist bei Soldaten mit ausländischem Dienstort der Unterschied der Kaufkraft der Bezüge am ausländischen Dienstort im Vergleich zur Kaufkraft der Bezüge im Inland durch Zu- oder Abschläge auszugleichen (sog. Kaufkraftausgleich, vgl. § 7 Abs. 1 BBesG a. F.). Das Statistische Bundesamt ermittelt für den einzelnen Dienstort nach einer wissenschaftlichen Berechnungsmethode aufgrund eines Preisvergleichs und des Wechselkurses zwischen den Währungen den Vomhundertsatz, um den die Lebenshaltungskosten am ausländischen Dienstort höher oder niedriger sind als am Sitz der Bundesregierung (sog. Teuerungsziffer, vgl. § 7 Abs. 2 Satz 1 BBesG a. F.). Der Kaufkraftausgleich wird anhand der Teuerungsziffer festgesetzt (§ 7 Abs. 3 Satz 1 BBesG a. F.). Das Nähere zur Festsetzung regelt das Auswärtige Amt im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern, dem Bundesministerium der Finanzen und - hinsichtlich der Bundeswehrdienstorte im Ausland - auch im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung (§ 54 Abs. 1 Satz 1 BBesG a. F.). Nach der (hier maßgeblichen) Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Festsetzung des Kaufkraftausgleichs nach dem Bundesbesoldungsgesetz vom 24. September 2002 (GMBl 2002 S. 757; in Folge: Allgemeine Verwaltungsvorschrift vom 24. September 2002) wird, ausgehend von der durch das Statistische Bundesamt ermittelten Teuerungsziffer, der Kaufkraftausgleich auf die nächsthöhere, durch fünf teilbare Zahl festgelegt. Bei einer negativen Teuerungsziffer von bis zu - 15% wird der Kaufkraftausgleich auf 0% festgesetzt.

Für den maßgeblichen Zeitraum zwischen Dezember 2007 und Juli 2008 hat das Statistische Bundesamt Teuerungsziffern für den Dienstort Djibouti zwischen - 2% und - 4% ermittelt, so dass sich eigentlich ein Kaufkraftausgleich von 0% ergeben hätte. Dennoch hat das Bundesministerium der Verteidigung der damaligen Wehrbereichsverwaltung Süd am 31. März 2009 mitgeteilt, der Kaufkraftausgleich betrage auch für diesen Zeitraum 5%. Damit wurde, wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat (UA S. 7), bei der ministeriellen Festsetzung der Höhe des Kaufkraftausgleichs zugunsten des Klägers nach oben abgewichen. Dies stellt der Kläger auch nicht in Frage. Auf die diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts wird Bezug genommen (vgl. hierzu auch OVG NW, B. v. 5.6.2012 - 1 A 1517/10 - juris Rn. 5 ff.).

Nach alledem hat der Kläger für die Monate Dezember 2007 bis Juli 2008 insoweit Leistungen ohne entsprechende (ministerielle) Verwaltungsanordnung erlangt, als der Berechnung der Beträge ein den Kaufkraftausgleich von 5% überschreitender Kaufkraftausgleich, nämlich in Höhe von 40%, zugrunde gelegt wurde. Die konkrete Höhe dieses Überzahlungsbetrags (9.942,89 €; vgl. die Berechnung auf Bl. 299 der Besoldungsakte 2) ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

2. Entgegen der Auffassung des Klägers und des Verwaltungsgerichts hat die Beklagte gegenüber dem Kläger keinen feststellenden Verwaltungsakt dahingehend erlassen, dass der Kaufkraftausgleich für Djibouti gemäß ministerieller Festsetzung für den maßgeblichen Zeitraum 40% beträgt; damit existiert kein Verwaltungsakt, der mangels rechtmäßiger Rücknahme einen Rechtsgrund für das Behaltendürfen der überzahlten Beträge darstellen könnte.

Dienstbezüge werden auf der Grundlage des Bundesbesoldungsgesetzes grundsätzlich ohne vorhergehenden Festsetzungs- oder Bewilligungsbescheid gewährt (st. Rspr., vgl. z. B. BVerwG, B. v. 24.1.2008 - 2 B 72.07 - juris Rn. 6). Auch der Kaufkraftausgleich ist dem Grundsatz der Gesetzesbindung der Besoldung folgend normativ begründet. Er ergibt sich dem Grunde und der Bezugsgröße nach unmittelbar aus dem Gesetz. Nur die rechnerische Festlegung der Höhe ist ministeriellen Bestimmungen überlassen (BVerwG, U. v. 21.8.1997 - 2 C 31.96 - DÖV 1998, 205 m. w. N.). Die Frage, ob die Mitteilung der ministeriell festgesetzten Höhe des Kaufkraftausgleichs als Bestandteil der Auslandsbezüge einen Verwaltungsakt darstellt, ist umstritten (bejahend HessVGH, U. v. 22.9.1993 - 1 UE 498/86 - juris Rn. 27; verneinend OVG NW, B. v. 27.8.1974 - 1 B 301/74 - RiA 1975, 112; offen gelassen von BVerwG, U. v. 26.5.1971 - VI C 39.68 - BVerwGE 38, 139 für die Bekanntgabe einer entsprechenden Verwaltungsanordnung des Auswärtigen Amts). Diese Frage braucht im konkreten Fall nicht näher vertieft zu werden. Denn vorliegend wurde dem Kläger nie bekanntgegeben, dass es eine - im Übrigen nicht existente - ministerielle Festsetzung des Kaufkraftausgleichs in Höhe von 40% für Djibouti gibt. Es gingen ihm lediglich Schreiben zu, die ihn über die Höhe des an ihn zu zahlenden Gehalts informierten. Die in den Akten befindlichen Schreiben mit der Überschrift „Berechnung und Festsetzung des Mietzuschusses“, die ab dem 27. November 2007 den Vorbehalt hinsichtlich des gewährten Kaufkraftausgleichs enthielten, erschöpften sich darin, dass neben dem Grundgehalt der Familienzuschlag und die Amts-Stellen-Ausgleichszulagen ausgewiesen sind, und zwar im Hinblick auf die Berechnung des Eigenanteils bei der Berechnung und Festsetzung des Mietzuschusses. In diesen Schreiben ist nirgendwo die Rede davon, dass der Kaufkraftausgleich zu einem bestimmten Prozentsatz gewährt wird. In den dem Kläger übermittelten „Gehaltsbescheinigungen“ (vgl. Bl. 92 der Akte des Verwaltungsgerichts) ist der gezahlte Kaufkraftausgleich mit der entsprechenden Berechnungsmethode (unter Nennung des Prozentsatzes) neben den anderen Besoldungsbestandteilen zwar gesondert ausgewiesen. Die Mitteilung der Höhe (und Berechnung) des Gehalts und (als dessen Bestandteil) des Kaufkraftausgleichs in den genannten Schreiben stellt ersichtlich keinen Verwaltungsakt i. S. v. § 35 VwVfG dar. Denn bloße Besoldungsmitteilungen haben grundsätzlich keinen regelnden Charakter, sondern kündigen lediglich die nach dem Gesetz gebotenen Zahlungen an (OVG NW, U. v. 16.6.2000 - 12 A 2624/98 - NWVBl 2001, 189 m. w. N.; OVG Saarl, U. v. 27.4.2007 - 1 R 22/06 - Schütz BeamtR ES/C V 5 Nr. 66). Dafür dass dies hier ausnahmsweise anders sein könnte, bestehen keine Anhaltspunkte.

II. Eine mögliche Entreicherung des Klägers nach § 12 Abs. 2 BBesG, § 818 Abs. 3 BGB, auf die sich der Kläger nicht einmal beruft, wäre vorliegend ohne Bedeutung. Für den Kläger gilt die verschärfte Haftung auf der Grundlage von § 820 Abs. 1 Satz 2 BGB i. V. m. § 820 Abs. 1 Satz 1, § 818 Abs. 4 BGB. Danach greift die verschärfte Haftung, wenn die Leistung aus einem Rechtsgrund, dessen Wegfall nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts als möglich angesehen wurde, erfolgt ist und der Rechtsgrund wegfällt. Dies gilt im Besoldungsrecht namentlich für solche Leistungen, die unter dem Vorbehalt der späteren Prüfung des Vorliegens ihrer Voraussetzungen erbracht werden (st. Rspr., vgl. BVerwG, U. v. 19.12.1961 - II C 9.61 - BVerwGE 13, 248).

Für den maßgeblichen Zeitraum war dies der Fall, da erstmals in der Bezügemitteilung vom 27. November 2007 darauf hingewiesen wurde, dass der Kaufkraftausgleich ab Dezember 2007 bis auf weiteres unter Vorbehalt gestellt sei. Damit war dem Kläger bekannt, dass über die richtige Berechnung seiner Bezüge in Bezug auf den Kaufkraftausgleich Ungewissheit besteht und eine abschließende Prüfung zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen werde. Eine derartige Information verschafft dem Besoldungsempfänger das erforderliche Wissen, dass er über die unter Vorbehalt gezahlten Bezüge bis zur Nachprüfung nicht frei verfügen kann und dass er sich auf eine etwaige Rückforderung einzustellen hat (vgl. OVG NW, B. v. 5.6.2012 - 1 A 1517/10 - juris Rn. 14 m. w. N.). Der Einwand des Klägers, der Vorbehalt sei zu unbestimmt, weil sich weder aus dem Vorbehalt selbst noch aus den Begleitumständen ergeben habe, in welcher Höhe die gezahlten Bezüge unter den Vorbehalt einer späteren Rückforderung gestellt sind, greift nicht durch. Denn dem klaren Wortlaut nach hat die Beklagte durch den Vorbehalt den Kaufkraftausgleich in vollem Umfang unter Vorbehalt gestellt (vgl. auch OVG NW a. a. O. Rn. 13). Auch ergibt sich aus der Formulierung klar, dass dieser Vorbehalt für die gesamten Zahlungen ab Dezember 2007 gelten sollte. Nicht zu beanstanden ist auch, dass der Vorbehalt letztlich über mehrere Monate hinweg wiederholt wurde (BVerwG, U. v. 19.12.1961 - 2 C 9.61 - BVerwGE 13, 248; OVG NW a. a. O. Rn. 16).

Auch der Einwand des Klägers, es habe sich letztlich um eine rückwirkende Änderung des Kaufkraftausgleichs gehandelt, welche nach der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift vom 24. September 2002 nur in „besonderen Fällen“ erfolgen dürfe und ein solcher nicht vorliege, greift nicht. Denn durch eine - hier angesprochene - mit Rückwirkung erfolgende Absenkung des Kaufkraftausgleichs und die entsprechende Rückforderung von vorbehaltlos erfolgten Zahlungen wird ein grundsätzlich schutzwürdiges Vertrauen des Beamten berührt. Dies ist bei einer Rückforderung von unter Rückforderungsvorbehalt gestellten Zahlungen wegen des Vorbehalts gerade nicht der Fall. Insoweit liegt - unterstellt, es handelt sich um eine rückwirkende Änderung - der besondere, eine Absenkung des Kaufkraftausgleichs für die Vergangenheit rechtfertigende Fall gerade darin, dass die entsprechenden Zahlungen nur unter besonders ausgesprochenem Vorbehalt erfolgt sind (OVG NW, B. v. 5 4.6.2012 - 1 A 1517/10 - Rn. 17).

III. Auch die Billigkeitsentscheidung der Beklagten i. S. v. § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG ist nicht zu beanstanden.

Die Beklagte hat im Ausgangsbescheid vom 2. Dezember 2008 geprüft, ob aus Billigkeitsgründen ganz oder zum Teil von der Rückforderung abgesehen werden kann und hat dies im Hinblick auf die Sach- und Rechtslage sowie den Umstand, dass der Kläger bei seiner Anhörung keine diesbezüglichen besonderen Gründe vorgetragen hat, verneint. Die Beklagte hat zudem ihre Bereitschaft signalisiert, dem Kläger Ratenzahlungen zu bewilligen, soweit er seine wirtschaftlichen Verhältnisse darlegt und sich insoweit eine besondere Härte für ihn ergeben würde. Anhaltspunkte für die Fehlerhaftigkeit dieser Billigkeitsentscheidung sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.

(1) Für alle Klagen der Beamtinnen, Beamten, Ruhestandsbeamtinnen, Ruhestandsbeamten, früheren Beamtinnen, früheren Beamten und der Hinterbliebenen aus dem Beamtenverhältnis sowie für Klagen des Dienstherrn ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben.

(2) Vor allen Klagen ist ein Vorverfahren nach den Vorschriften des 8. Abschnitts der Verwaltungsgerichtsordnung durchzuführen. Dies gilt auch dann, wenn die Maßnahme von der obersten Dienstbehörde getroffen worden ist. Ein Vorverfahren ist nicht erforderlich, wenn ein Landesgesetz dieses ausdrücklich bestimmt.

(3) Den Widerspruchsbescheid erlässt die oberste Dienstbehörde. Sie kann die Entscheidung für Fälle, in denen sie die Maßnahme nicht selbst getroffen hat, durch allgemeine Anordnung auf andere Behörden übertragen. Die Anordnung ist zu veröffentlichen.

(4) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Abordnung oder Versetzung haben keine aufschiebende Wirkung.

(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.

(2) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
die Urteilsformel,
4.
den Tatbestand,
5.
die Entscheidungsgründe,
6.
die Rechtsmittelbelehrung.

(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.

(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefaßt war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefaßt der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln; Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.

(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder des Widerspruchsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Falle des § 116 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

Die Träger der Eingliederungshilfe haben im Rahmen ihrer Leistungsverpflichtung eine personenzentrierte Leistung für Leistungsberechtigte unabhängig vom Ort der Leistungserbringung sicherzustellen (Sicherstellungsauftrag), soweit dieser Teil nichts Abweichendes bestimmt. Sie schließen hierzu Vereinbarungen mit den Leistungsanbietern nach den Vorschriften des Kapitels 8 ab. Im Rahmen der Strukturplanung sind die Erkenntnisse aus der Gesamtplanung nach Kapitel 7 zu berücksichtigen.

(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.

(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.

(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.

(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.

(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.

(1) Das Ruhegehalt beträgt für jedes Jahr ruhegehaltfähiger Dienstzeit 1,79375 Prozent, insgesamt jedoch höchstens 71,75 Prozent, der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge. Bei der Berechnung der Jahre ruhegehaltfähiger Dienstzeit werden unvollständige Jahre als Dezimalzahl angegeben. Dabei wird ein Jahr mit 365 Tagen angesetzt und wird das Ergebnis kaufmännisch auf zwei Dezimalstellen gerundet. Der Ruhegehaltssatz wird ebenfalls kaufmännisch auf zwei Dezimalstellen gerundet.

(2) (weggefallen)

(3) Das Ruhegehalt vermindert sich um 3,6 Prozent für jedes Jahr, um das der Beamte

1.
vor Ablauf des Monats, in dem er das 65. Lebensjahr vollendet, nach § 52 Abs. 1 und 2 des Bundesbeamtengesetzes in den Ruhestand versetzt wird,
2.
vor Ablauf des Monats, in dem er die für ihn geltende gesetzliche Altersgrenze erreicht, nach § 52 Abs. 3 des Bundesbeamtengesetzes in den Ruhestand versetzt wird,
3.
vor Ablauf des Monats, in dem er das 65. Lebensjahr vollendet, wegen Dienstunfähigkeit, die nicht auf einem Dienstunfall beruht, in den Ruhestand versetzt wird;
die Minderung des Ruhegehalts darf 10,8 vom Hundert in den Fällen der Nummern 1 und 3 und 14,4 vom Hundert in den Fällen der Nummer 2 nicht übersteigen. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend. Gilt für den Beamten eine vor der Vollendung des 65. Lebensjahres liegende Altersgrenze, tritt sie in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 und 3 an die Stelle des 65. Lebensjahres. Gilt für den Beamten eine nach Vollendung des 67. Lebensjahres liegende Altersgrenze, wird in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 nur die Zeit bis zum Ablauf des Monats berücksichtigt, in dem der Beamte das 67. Lebensjahr vollendet. In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 ist das Ruhegehalt nicht zu vermindern, wenn der Beamte zum Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand das 65. Lebensjahr vollendet und mindestens 45 Jahre mit ruhegehaltfähigen Dienstzeiten nach den §§ 6, 8 bis 10, Zeiten im Sinne des § 6a und nach § 14a Abs. 2 Satz 1 erster Halbsatz berücksichtigungsfähigen Pflichtbeitragszeiten, soweit sie nicht im Zusammenhang mit Arbeitslosigkeit stehen, und Zeiten nach § 50d sowie Zeiten einer dem Beamten zuzuordnenden Erziehung eines Kindes bis zu dessen vollendetem zehnten Lebensjahr zurückgelegt hat. In den Fällen des Satzes 1 Nr. 3 ist das Ruhegehalt nicht zu vermindern, wenn der Beamte zum Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand das 63. Lebensjahr vollendet und mindestens 40 Jahre mit ruhegehaltfähigen Dienstzeiten nach den §§ 6, 8 bis 10, Zeiten im Sinne des § 6a und nach § 14a Abs. 2 Satz 1 erster Halbsatz berücksichtigungsfähigen Pflichtbeitragszeiten, soweit sie nicht im Zusammenhang mit Arbeitslosigkeit stehen, und Zeiten nach § 50d sowie Zeiten einer dem Beamten zuzuordnenden Erziehung eines Kindes bis zu dessen vollendetem zehnten Lebensjahr zurückgelegt hat. Soweit sich bei der Berechnung nach den Sätzen 5 und 6 Zeiten überschneiden, sind diese nur einmal zu berücksichtigen.

(4) Das Ruhegehalt beträgt mindestens fünfunddreißig Prozent der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge (§ 5). An die Stelle des Ruhegehalts nach Satz 1 treten, wenn dies günstiger ist, fünfundsechzig Prozent der jeweils ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus der Endstufe der Besoldungsgruppe A 4. Die Mindestversorgung nach Satz 2 erhöht sich um 30,68 Euro für den Ruhestandsbeamten und die Witwe; der Erhöhungsbetrag bleibt bei einer Kürzung nach § 25 außer Betracht. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn der Beamte eine ruhegehaltfähige Dienstzeit nach den §§ 6, 6a, 8 bis 10 und 67 von weniger als fünf Jahren zurückgelegt hat oder das erdiente Ruhegehalt allein wegen fehlender Berücksichtigung von Zeiten nach § 6a als ruhegehaltfähig hinter der Mindestversorgung nach den Sätzen 1 bis 3 zurückbleibt. Satz 4 gilt nicht, wenn in Fällen des § 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 der Beamte wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden ist.

(5) Übersteigt beim Zusammentreffen von Mindestversorgung nach Absatz 4 mit einer Rente nach Anwendung des § 55 die Versorgung das erdiente Ruhegehalt, so ruht die Versorgung bis zur Höhe des Unterschieds zwischen dem erdienten Ruhegehalt und der Mindestversorgung; in den von § 85 erfassten Fällen gilt das nach dieser Vorschrift maßgebliche Ruhegehalt als erdient. Der Erhöhungsbetrag nach Absatz 4 Satz 3 sowie der Unterschiedsbetrag nach § 50 Abs. 1 bleiben bei der Berechnung außer Betracht. Die Summe aus Versorgung und Rente darf nicht hinter dem Betrag der Mindestversorgung zuzüglich des Unterschiedsbetrages nach § 50 Abs. 1 zurückbleiben. Zahlbar bleibt mindestens das erdiente Ruhegehalt zuzüglich des Unterschiedsbetrages nach § 50 Abs. 1. Die Sätze 1 bis 4 gelten entsprechend für Witwen und Waisen.

(6) Bei einem in den einstweiligen Ruhestand versetzten Beamten beträgt das Ruhegehalt für die Dauer der Zeit, die der Beamte das Amt, aus dem er in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden ist, innehatte, mindestens für die Dauer von sechs Monaten, längstens für die Dauer von drei Jahren, 71,75 Prozent der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus der Endstufe der Besoldungsgruppe, in der sich der Beamte zur Zeit seiner Versetzung in den einstweiligen Ruhestand befunden hat. Das erhöhte Ruhegehalt darf die Dienstbezüge, die dem Beamten in diesem Zeitpunkt zustanden, nicht übersteigen; das nach sonstigen Vorschriften ermittelte Ruhegehalt darf nicht unterschritten werden.

Tenor

Artikel 17 Absatz 1 des Gesetzes zur Neuordnung und Modernisierung des Bundesdienstrechts (Dienstrechtsneuordnungsgesetz - DNeuG) vom 5. Februar 2009 (Bundesgesetzblatt I Seite 160) ist mit dem Grundgesetz vereinbar.

Gründe

A.

1

Das Normenkontrollverfahren betrifft die Frage, ob die durch Art. 17 Abs. 1 des Gesetzes zur Neuordnung und Modernisierung des Bundesdienstrechts (Dienstrechtsneuordnungsgesetz - DNeuG) vom 5. Februar 2009 (BGBl I S. 160) angeordnete rückwirkende Änderung von § 14a Abs. 1 des Gesetzes über die Versorgung der Beamten und Richter des Bundes (Beamtenversorgungsgesetz -BeamtVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. März 1999 (BGBl I S. 322, 847, 2033), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 29. Juli 2008 (BGBl I S. 1582), mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

I.

2

1. § 14a BeamtVG greift die besondere Versorgungslage auf, in der sich bestimmte Beamte befinden, die neben ihrem beamtenrechtlichen Versorgungsanspruch aus einer früheren Tätigkeit einen Anspruch auf Rente aus einer gesetzlichen Rentenversicherung erworben haben. Altersrente können diese Beamten in der Regel erst mit Erreichen der Regelaltersgrenze beziehen. Treten sie vorher in den Ruhestand - etwa wegen Dienstunfähigkeit oder aufgrund einer besonderen Altersgrenze -, sind sie zunächst ausschließlich auf ihre beamtenrechtlichen Versorgungsbezüge angewiesen, da sie die Voraussetzungen für den Bezug einer Rente wegen Erwerbsminderung nicht erfüllen (vgl. § 43 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI). Das kann sich für diese Beamten nachteilig auswirken, wenn durch eine späte Übernahme in das Beamtenverhältnis und den vorzeitigen Eintritt in den Ruhestand nur wenige Dienstjahre für die Berechnung der Versorgungsbezüge berücksichtigt werden können. § 14a BeamtVG wirkt dieser "Versorgungslücke" bei sogenannten gemischten Erwerbskarrieren durch eine vorübergehende Erhöhung des Ruhegehaltssatzes bis zum Beginn des Rentenbezugs entgegen (vgl. BTDrucks 10/4225, S. 21; BVerwGE 111, 93 <96 f.>).

3

2. a) § 14a BeamtVG lautete in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. März 1999 (BGBl I S. 322, 847, 2033), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 29. Juli 2008 (BGBl I S. 1582; im Folgenden: § 14a BeamtVG a.F.):

4

§ 14a BeamtVG a.F.

5

(1) Der nach den sonstigen Vorschriften berechnete Ruhegehaltssatz erhöht sich vorübergehend, wenn der Beamte vor der Vollendung des fünfundsechzigsten Lebensjahres in den Ruhestand getreten ist und er

6

1. bis zum Beginn des Ruhestandes die Wartezeit von sechzig Kalendermonaten für eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllt hat,

7

2. a) wegen Dienstunfähigkeit im Sinne des § 42 Abs. 1 des Bundesbeamtengesetzes oder entsprechenden Landesrechts in den Ruhestand versetzt worden ist oder

8

b) wegen Erreichens einer besonderen Altersgrenze in den Ruhestand getreten ist und das sechzigste Lebensjahr vollendet hat,

9

3. einen Ruhegehaltssatz von 66,97 vom Hundert noch nicht erreicht hat und

10

4. keine Einkünfte im Sinne des § 53 Abs. 7 bezieht. Die Einkünfte bleiben außer Betracht, soweit sie durchschnittlich im Monat 325 Euro nicht überschreiten.

11

(2) Die Erhöhung des Ruhegehalts beträgt 0,95667 vom Hundert der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge für je zwölf Kalendermonate der für die Erfüllung der Wartezeit (Absatz 1 Nr. 1) anrechnungsfähigen Pflichtbeitragszeiten, soweit sie nicht von § 50e Abs. 1 erfasst werden, nach Vollendung des 17. Lebensjahres und vor Begründung des Beamtenverhältnisses zurückgelegt wurden und nicht als ruhegehaltfähig berücksichtigt sind. Der hiernach berechnete Ruhegehaltssatz darf 66,97 vom Hundert nicht überschreiten. In den Fällen des § 14 Abs. 3 ist das Ruhegehalt, das sich nach Anwendung der Sätze 1 und 2 ergibt, entsprechend zu vermindern. Für die Berechnung nach Satz 1 sind verbleibende Kalendermonate unter Benutzung des Nenners 12 umzurechnen; § 14 Abs. 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

12

(3) Die Erhöhung fällt spätestens mit Ablauf des Monats weg, in dem der Ruhestandsbeamte das fünfundsechzigste Lebensjahr vollendet. Sie endet vorher, wenn der Ruhestandsbeamte

13

1. eine Versichertenrente der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht, mit Ablauf des Tages vor dem Beginn der Rente, oder

14

2. in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 Buchstabe a nicht mehr dienstunfähig ist, mit Ablauf des Monats, in dem ihm der Wegfall der Erhöhung mitgeteilt wird, oder

15

3. ein Erwerbseinkommen bezieht, mit Ablauf des Tages vor dem Beginn der Erwerbstätigkeit.

16

§ 35 Abs. 3 Satz 2 gilt sinngemäß.

17

(4) Die Erhöhung des Ruhegehaltssatzes wird auf Antrag vorgenommen. Anträge, die innerhalb von drei Monaten nach Eintritt des Beamten in den Ruhestand gestellt werden, gelten als zum Zeitpunkt des Ruhestandseintritts gestellt. Wird der Antrag zu einem späteren Zeitpunkt gestellt, so tritt die Erhöhung vom Beginn des Antragsmonats an ein.

18

b) Die zur Ausfüllung der Formulierung "nach den sonstigen Vorschriften berechnete Ruhegehaltssatz" in § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. heranzuziehende Regelung des § 14 BeamtVG lautet in der maßgeblichen Fassung durch das Versorgungsänderungsgesetz 2001 vom 20. Dezember 2001 (BGBl I S. 3926):

19

§ 14 BeamtVG

20

(1) Das Ruhegehalt beträgt für jedes Jahr ruhegehaltfähiger Dienstzeit 1,79375 vom Hundert der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge (§ 5), insgesamt jedoch höchstens 71,75 vom Hundert. Der Ruhegehaltssatz ist auf zwei Dezimalstellen auszurechnen. Dabei ist die zweite Dezimalstelle um eins zu erhöhen, wenn in der dritten Stelle eine der Ziffern fünf bis neun verbleiben würde. Zur Ermittlung der gesamten ruhegehaltfähigen Dienstjahre sind etwa anfallende Tage unter Benutzung des Nenners dreihundertfünfundsechzig umzurechnen; die Sätze 2 und 3 gelten entsprechend.

21

(2) (weggefallen)

22

(3) Das Ruhegehalt vermindert sich um 3,6 vom Hundert für jedes Jahr, um das der Beamte

23

  1. vor Ablauf des Monats, in dem er das 63. Lebensjahr vollendet, nach § 42 Abs. 4 Nr. 1 des Bundesbeamtengesetzes oder entsprechendem Landesrecht in den Ruhestand versetzt wird,

24

  2. vor Ablauf des Monats, in dem er die für ihn geltende gesetzliche Altersgrenze erreicht, nach § 42 Abs. 4 Nr. 2 des Bundesbeamtengesetzes oder entsprechendem Landesrecht in den Ruhestand versetzt wird,

25

  3. vor Ablauf des Monats, in dem er das 63. Lebensjahr vollendet, wegen Dienstunfähigkeit, die nicht auf einem Dienstunfall beruht, in den Ruhestand versetzt wird;

26

die Minderung des Ruhegehalts darf 10,8 vom Hundert nicht übersteigen. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend. Gilt für den Beamten eine vor der Vollendung des 63. Lebensjahres liegende Altersgrenze, tritt sie in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 und 3 an die Stelle des 63. Lebensjahres. Gilt für den Beamten eine nach Vollendung des 65. Lebensjahres liegende Altersgrenze, wird in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 nur die Zeit bis zum Ablauf des Monats berücksichtigt, in dem der Beamte das 65. Lebensjahr vollendet.

27

(4) Das Ruhegehalt beträgt mindestens fünfunddreißig vom Hundert der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge (§ 5). An die Stelle des Ruhegehalts nach Satz 1 treten, wenn dies günstiger ist, fünfundsechzig vom Hundert der jeweils ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus der Endstufe der Besoldungsgruppe A 4. Die Mindestversorgung nach Satz 2 erhöht sich um sechzig Deutsche Mark für den Ruhestandsbeamten und die Witwe; der Erhöhungsbetrag bleibt bei einer Kürzung nach § 25 außer Betracht. Bleibt ein Beamter allein wegen langer Freistellungszeiten (§ 5 Abs. 1 Satz 2) mit seinem erdienten Ruhegehalt hinter der Mindestversorgung nach Satz 1 oder 2 zurück, wird nur das erdiente Ruhegehalt gezahlt; dies gilt nicht, wenn ein Beamter wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand getreten ist.

28

(5) Übersteigt beim Zusammentreffen von Mindestversorgung nach Absatz 4 mit einer Rente nach Anwendung des § 55 die Versorgung das nach Absatz 1 erdiente Ruhegehalt, so ruht die Versorgung bis zur Höhe des Unterschieds zwischen dem erdienten Ruhegehalt und der Mindestversorgung; in den von § 85 erfassten Fällen gilt das nach dieser Vorschrift maßgebliche Ruhegehalt als erdient. Der Erhöhungsbetrag nach Absatz 4 Satz 3 sowie der Unterschiedsbetrag nach § 50 Abs. 1 bleiben bei der Berechnung außer Betracht. Die Summe aus Versorgung und Rente darf nicht hinter dem Betrag der Mindestversorgung zuzüglich des Unterschiedsbetrages nach § 50 Abs. 1 zurückbleiben. Zahlbar bleibt mindestens das erdiente Ruhegehalt zuzüglich des Unterschiedsbetrages nach § 50 Abs. 1. Die Sätze 1 bis 4 gelten entsprechend für Witwen und Waisen.

29

(6) Bei einem in den einstweiligen Ruhestand versetzten Beamten beträgt das Ruhegehalt für die Dauer der Zeit, die der Beamte das Amt, aus dem er in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden ist, innehatte, mindestens für die Dauer von sechs Monaten, längstens für die Dauer von drei Jahren, 71,75 vom Hundert der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus der Endstufe der Besoldungsgruppe, in der sich der Beamte zur Zeit seiner Versetzung in den jeweiligen Ruhestand befunden hat. Das erhöhte Ruhegehalt darf die Dienstbezüge, die dem Beamten in diesem Zeitpunkt zustanden, nicht übersteigen; das nach sonstigen Vorschriften ermittelte Ruhegehalt darf nicht unterschritten werden.

30

3. a) § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. wurde von der Verwaltung in Übereinstimmung mit verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung und einem Teil des Schrifttums zunächst dahingehend ausgelegt, dass der "nach sonstigen Vorschriften berechnete Ruhegehaltssatz" nur ein auf der Grundlage der ruhegehaltfähigen Dienstzeit berechneter ("erdienter") Ruhegehaltssatz sein könne, insbesondere der nach § 14 Abs. 1 BeamtVG berechnete Ruhegehaltssatz. Kein Ruhegehaltssatz im Sinne des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. seien dagegen das "amtsbezogene" Mindestruhegehalt gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG und das "amtsunabhängige" Mindestruhegehalt gemäß § 14 Abs. 4 Satz 2 BeamtVG, weil beide - ohne Bezug zur tatsächlich ruhegehaltfähigen Dienstzeit - abstrakt gesetzlich vorgegeben und deshalb nicht "berechnet" seien (vgl. Anwendungserlass des Bundesministeriums des Innern vom 10. Juni 1994 - D III 4-223 100/28 -, juris; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 11. Mai 2004 - 5 LC 4/03 -, juris, Rn. 25 ff. m.w.N.; VG Berlin, Urteil vom 2. März 2004 - 7 A 207.02 -, juris, Rn. 16; Schachel in: Schütz, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, § 14a BeamtVG Rn. 11 ; a. A. Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, § 14a BeamtVG Rn. 13 ).

31

b) Das Bundesverwaltungsgericht kam im Urteil vom 23. Juni 2005 (BVerwGE 124, 19 ff.) hingegen zu dem Ergebnis, dass es sich auch bei dem Mindestruhegehaltssatz nach § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG um einen "berechneten" Ruhegehaltssatz im Sinne des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. handele. Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Gesetzessystematik sowie Sinn und Zweck des § 14a BeamtVG a.F. sprächen dafür, dass der individuell ermittelte und festgesetzte Ruhegehaltssatz stets "berechnet" sei, auch wenn er sich auf der Basis der Vomhundertsätze des § 14 Abs. 4 BeamtVG ergebe (vgl. BVerwGE 124, 19 <20 ff.>).

32

c) Die Verwaltung betrachtete dieses Urteil, wenn auch nicht einhellig (vgl. für das Landesverwaltungsamt Berlin OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17. November 2011 - 4 B 72.09 -, juris, Rn. 21), als Einzelfallentscheidung, der über den entschiedenen Fall hinaus nicht zu folgen sei (vgl. Strötz, in: Fürst, Gesamtkommentar Öffentliches Dienstrecht - GKÖD, § 14a BeamtVG Rn. 21 mit Fn. 14 ; Grunefeld, ZTR 2008, S. 122 <127>). Die Instanzgerichte schlossen sich der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts überwiegend an (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 27. September 2007 - 1 L 180/07 -, juris, Rn. 4 ff.; Beschluss vom 14. November 2008 - 1 L 21/08 -, juris, Rn. 4 ff.; Beschluss vom 26. März 2009 - 1 L 25/09 -, juris, Rn. 5 ff.; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 13. Mai 2009 - 2 L 45/08 -, juris, Rn. 6 ff.; Sächsisches OVG, Urteil vom 14. Oktober 2010 - 2 A 430/09 -, juris, Rn. 23 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17. November 2011 - 4 B 72.09 -, juris, Rn. 18; VG Münster, Urteil vom 11. April 2006 - 4 K 558/03 -, juris, Rn. 34; VG Dessau, Urteil vom 30. August 2006 - 1 A 93/06 -, juris, Rn. 14; VG Magdeburg, Urteil vom 6. März 2007 - 5 A 191/06 -, juris, Rn. 16; VG Berlin, Urteil vom 5. Juni 2008 - 5 A 60.07 -, juris, Rn. 17 ff.; Urteil vom 12. Mai 2009 - 26 A 68.07 -, juris, Rn. 18). Einige Verwaltungsgerichte erster und zweiter Instanz hielten jedoch unter Hinweis auf den Sinn und Zweck des § 14a BeamtVG a.F. sowie aufgrund eines systematischen Vergleichs mit § 14 Abs. 5 BeamtVG daran fest, dass die in § 14 Abs. 4 BeamtVG geregelte Mindestversorgung nicht Grundlage für eine vorübergehende Erhöhung des Ruhegehaltssatzes nach § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. sein könne (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16. Januar 2008 - 21 A 2098/06 -, juris, Rn. 28 ff.; VG des Saarlandes, Urteil vom 17. März 2009 - 3 K 372/08 -, juris, Rn. 33 ff.). Auch die überwiegende Auffassung im Schrifttum widersprach der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Schachel, in: Schütz/ Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, § 14a BeamtVG Rn. 11 ; Bauer/Zahn, in: Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, § 14a BeamtVG Rn. 2 mit Fn. 2 ; Grunefeld, a.a.O., S. 122 <127>; Strötz, a.a.O., § 14a BeamtVG Rn. 21 mit Fn. 14 ; zustimmend dagegen Plog/Wiedow, a.a.O., § 14a BeamtVG Rn. 14 ff. ).

33

d) Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem Urteil vom 12. November 2009 (- BVerwG 2 C 29.08 -, juris) an seiner Rechtsauffassung zur Auslegung des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. festgehalten.

34

4. Die Bundesregierung legte am 12. November 2007 den Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung und Modernisierung des Bundesdienstrechts (Dienstrechtsneuordnungsgesetz - DNeuG) vor, der unter anderem eine Änderung des § 14a Abs. 1 BeamtVG vorsah (BTDrucks 16/7076). Der Deutsche Bundestag nahm den Gesetzentwurf am 12. November 2008 in zweiter und dritter Lesung an (vgl. Plenarprotokoll 16/186, S. 19901). Am 11. Februar 2009 wurde das am 5. Februar 2009 ausgefertigte Dienstrechtsneuordnungsgesetz verkündet (BGBl I S. 160).

35

Art. 4 Nr. 11 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa DNeuG sieht folgende Änderung des § 14a Abs. 1 BeamtVG vor:

36

In Halbsatz 1 werden die Wörter "den sonstigen Vorschriften" durch die Angabe "§ 14 Abs. 1, § 36 Abs. 3 Satz 1, § 66 Abs. 2 und § 85 Abs. 4" ersetzt.

37

Gemäß Art. 17 Abs. 1 DNeuG ist Art. 4 Nr. 11 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa DNeuG mit Wirkung vom 24. Juni 2005 in Kraft getreten. In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu (BTDrucks 16/7076, S. 186):

38

"Die aus Sicht der Verwaltung lediglich klarstellenden Änderungen zur Berechnung von Ruhegehaltssätzen im Rahmen der Regelung des § 14a des Beamtenversorgungsgesetzes und des § 26a des Soldatenversorgungsgesetzes werden rückwirkend auf den Zeitpunkt einer entgegenstehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung in Kraft gesetzt."

39

5. Mit Wirkung vom 1. September 2006 ging die Kompetenz für die Regelung der Besoldung und Versorgung der Landesbeamten auf die Länder über (Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006, BGBl I S. 2034). Zehn Länder haben auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Juni 2005 mit klarstellenden Regelungen reagiert, die Art. 4 Nr. 11 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa DNeuG entsprechen, zwei Länder haben Regelungen in Kraft gesetzt, die den Wortlaut von § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. aufgreifen, und weitere vier Länder haben auf eine eigene Regelung zur vorübergehenden Erhöhung des Ruhegehaltssatzes bislang verzichtet. Als exemplarisch für die Haltung der Länder, die sich der Neuregelung des Bundes angeschlossen haben, kann der Gesetzentwurf gelten, der § 4 Abs. 1 des Thüringer Gesetzes über ergänzende Bestimmungen zur Beamtenversorgung in der Fassung durch Art. 2 des Gesetzes vom 31. Januar 2007 (GVBl S. 1, 2) zugrunde liegt (LTDrucks 4/2616, S. 11):

40

"Diese Bestimmung entspricht im Wesentlichen dem Wortlaut des § 14a BeamtVG. Zur Klarstellung wurden in Absatz 1 Satz 1 die Worte 'den sonstigen Vorschriften' durch die Verweisung '§ 14 Abs. 1 Satz 1, § 36 Abs. 3 Satz 1, § 66 Abs. 2 und § 85 Abs. 4 BeamtVG' ersetzt. Nach Artikel 125a Abs. 1 des Grundgesetzes kann die bundesrechtliche Regelung durch eine landesrechtliche Regelung ersetzt werden. Das das Bundesrecht ersetzende Landesrecht muss in sich abgeschlossen und aus sich heraus verständlich sein. Daher ist es erforderlich, die bundesrechtliche Bestimmung zur vorübergehenden Erhöhung des Ruhegehaltssatzes vollständig durch inhaltsgleiches Landesrecht abzulösen.

41

Die Notwendigkeit dazu ergibt sich aus der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Durch Urteil vom 23. Juni 2005 - 2 C 25.04 - wurde entschieden, dass beim Zusammentreffen von Mindestversorgung nach § 14 Abs. 4 BeamtVG und vorübergehen-der Erhöhung des Ruhegehaltssatzes nach § 14a BeamtVG nicht mehr der nach den 'sonstigen Vorschriften berechnete' Ruhegehaltssatz, sondern auch der Mindestruhegehaltssatz zu erhöhen ist. Bislang wurde § 14a Abs. 1 Satz 1 BeamtVG dahin gehend ausgelegt, dass der nach den sonstigen Vorschriften berechnete Ruhegehaltssatz derjenige Ruhegehaltssatz ist, der sich auf der Grundlage der ruhegehaltfähigen Dienstzeit berechnet, also 'erdient' ist. Die Mindestversorgung ist vom Gesetz vorgegeben, also nicht 'berechnet'. Demnach wurde bislang der 'erdiente' Ruhegehaltssatz erhöht, sodann erfolgte ein Vergleich der sich daraus ergebenden Versorgung mit der Mindestversorgung, der höhere Betrag wurde gezahlt. Das Urteil hätte zur Folge, dass nunmehr der Ruhegehaltssatz der amtsbezogenen Mindestversorgung (35 v.H. der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge) um bis zu 35 v.H. auf maximal 70 v.H. (Höchstgrenze nach § 14a Abs. 2 Satz 2 BeamtVG) erhöht werden könnte. Bei Empfängern der amtsunabhängigen Mindestversorgung (65 v.H. der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus der Besoldungsgruppe A 4) könnte der Ruhegehaltssatz dagegen nur um maximal 5 v.H. erhöht werden. Verglichen mit der bisherigen Verfahrenweise führt dies während der Zeit der Auswirkung des § 14a BeamtVG bei den erstgenannten Beamten zu einer erheblichen Erhöhung, bei den letztgenannten dagegen zu einer erheblichen Reduzierung des Ruhegehaltes. Bund und Länder behandeln daher das Urteil als Einzelfall und hatten beschlossen, § 14a BeamtVG entsprechend klarzustellen. Dies erfolgt nunmehr durch die Änderung in § 4 Abs. 1 Satz 1, da der Bund nicht mehr für die Länder regelungsbefugt ist. Die auslegungsbedürftigen Begriffe 'nach den sonstigen Vorschriften' werden durch eine Aufzählung derjenigen Bestimmungen des Beamtenversorgungsgesetzes ersetzt, die nach der bisherigen Auslegung ein 'berechnetes' Ruhegehalt ergeben haben."

II.

42

1. a) Der 1948 geborene Kläger des Ausgangsverfahrens war seit 1992, zuletzt im Rang eines Polizeihauptmeisters, als Polizeibeamter beim Bundesgrenzschutz beziehungsweise bei der Bundespolizei tätig. Er wurde nach Vollendung des 60. Lebensjahres mit Ablauf des Monats Februar 2008 wegen Erreichens der Altersgrenze des § 5 Abs. 2 Satz 1 des Bundespolizeibeamtengesetzes in den Ruhestand versetzt. Die Bundesfinanzdirektion Nord setzte sein Ruhegehalt mit Bescheid vom 12. Februar 2008 auf 1.691,89 € fest. Dabei erhöhte sie den nach § 14 Abs. 1 BeamtVG berechneten Ruhegehaltssatz in Höhe von 32,64 v.H. gemäß § 14a BeamtVG a.F. vorübergehend um 24,58 v.H. auf insgesamt 57,22 v.H.

43

b) Im März 2008 beantragte der Kläger unter Hinweis auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Juni 2005 die vorübergehende Erhöhung des Ruhegehaltssatzes auf Basis des Mindestruhegehaltssatzes gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG (in Höhe von 35 v.H.) auf 59,58 v.H. Dieses Begehren, das zu einem Ruhegehalt von 1.761,68 € geführt hätte, lehnte die Bundesfinanzdirektion Nord ab. Der hiergegen gerichtete Widerspruch blieb ohne Erfolg.

44

c) Mit Urteil vom 26. Januar 2009 verpflichtete das Verwaltungsgericht Magdeburg die Beklagte, das Ruhegehalt des Klägers ab dem 1. März 2008 vorübergehend auf der Basis des Ruhegehaltssatzes von 59,58 v.H. zu erhöhen. Zur Begründung nahm das Verwaltungsgericht auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Juni 2005 Bezug.

45

d) Auf die Berufung der Beklagten wies das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt mit Beschluss vom 1. Juli 2009 die Klage mit der Begründung ab, nach der Gesetzesänderung komme nicht mehr der Ruhegehaltssatz nach § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG, sondern nur noch der "erdiente" Ruhegehaltssatz nach § 14 Abs. 1 BeamtVG als Berechnungsgrundlage für die vorübergehende Erhöhung des Ruhegehalts in Betracht. Das durch Art. 17 Abs. 1 DNeuG angeordnete rückwirkende Inkrafttreten von Art. 4 Nr. 11 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa DNeuG verstoße nicht gegen das Rückwirkungsverbot.

46

2. Auf die Revision des Klägers hat das Bundesverwaltungsgericht das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG die Frage zur Entscheidung vorgelegt,

47

ob Artikel 17 Absatz 1 des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes (DNeuG) vom 5. Februar 2009 (BGBl I S. 160, 274) mit Artikel 20 Absatz 3, Artikel 33 Absatz 5 und Artikel 3 Absatz 1 GG unvereinbar und nichtig ist.

48

Von der Entscheidung über die Vorlagefrage hänge das Ergebnis des Rechtsstreits ab. Sei Art. 17 Abs. 1 DNeuG gültig, wäre die Norm zu Ungunsten des Klägers anzuwenden, was in vollem Umfang zur Zurückweisung der Revision führen würde. Sei Art. 17 Abs. 1 DNeuG hingegen verfassungswidrig und nichtig, stünde dem Kläger der mit der Klage geltend gemachte Anspruch auf Berechnung des erhöhten Ruhegehaltssatzes auf Basis des Mindestruhegehaltssatzes gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG zu, weil weiterhin § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. anzuwenden wäre; die Revision des Klägers wäre mithin erfolgreich.

49

Das vorlegende Gericht ist überzeugt, dass Art. 17 Abs. 1 DNeuG mit seiner rückwirkenden Inkraftsetzung des Art. 4 Nr. 11 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa DNeuG verfassungswidrig ist. Bei Beamten, die - wie der Kläger im Ausgangsverfahren - bereits vor der Verkündung des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes in den Ruhestand getreten und deren Versorgungsbezüge noch nicht bestandskräftig festgesetzt worden seien, führe Art. 17 Abs. 1 DNeuG zu einer nachträglichen Kürzung bestehender Versorgungsansprüche und entfalte insoweit echte Rückwirkung (Rückbewirkung von Rechtsfolgen). Der mit der Zurruhesetzung entstandene Anspruch auf vorübergehende Erhöhung des Mindestruhegehaltssatzes gemäß § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. in Verbindung mit § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG werde durch Art. 17 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 4 Nr. 11 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa DNeuG rückwirkend vernichtet.

50

Die Rückwirkung sei verfassungsrechtlich nicht erlaubt. Das Vertrauen der betroffenen Beamten sei schutzwürdig, weil die rückwirkende Rechtsänderung, wie das Beispiel des Klägers zeige, zu einer spürbaren Kürzung der Bruttoversorgung führen könne. Die rückwirkend geänderte Regelung des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. sei generell geeignet gewesen, aus dem Vertrauen auf ihr Fortbestehen heraus Entscheidungen und Dispositionen herbeizuführen oder zu beeinflussen, die sich bei der Änderung der Rechtslage als nachteilig erwiesen. Es habe auch keine unklare und verworrene Rechtslage vorgelegen, auf deren Bestand die Betroffenen nicht hätten vertrauen dürfen. Die rechtliche Wertung des Gesetzgebers, es handele sich bei der Änderung des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. um eine bloße Klarstellung, sei unbeachtlich. Die vom Gesetzgeber in Anspruch genommene authentische Interpretation sei für die Gerichte nicht verbindlich. Es liege keine Fallkonstellation vor, in der wegen abweichender Auffassungen in der Kommentarliteratur und divergierender Rechtsprechung der Instanzgerichte nicht schon ein Revisionsurteil, sondern erst eine langjährige gefestigte Rechtsprechung des Revisionsgerichts die unklare und verworrene Rechtslage beseitige. Dies setze voraus, dass der den Klarstellungsbedarf auslösende Gesetzestext so lückenhaft, unsystematisch oder mehrdeutig sei, dass nach Anwendung der hergebrachten Auslegungsmethoden mehrere Auslegungsergebnisse mit gleicher Überzeugungskraft vertretbar nebeneinander stünden. Das sei hier nicht der Fall, da sich die im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Juni 2005 vorgenommene Auslegung des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. aus Wortlaut, Gesetzessystematik, Sinn und Zweck sowie aus der Entstehungsgeschichte ergebe.

51

Auf die Änderung der Berechnung der vorübergehenden Erhöhung des Ruhegehaltssatzes hätten sich die Betroffenen nicht schon im Zeitpunkt der Einbringung des Gesetzentwurfs des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes in den Deutschen Bundestag einstellen müssen. Mit einer Neuregelung müsse frühestens im Zeitpunkt des Gesetzesbeschlusses gerechnet werden. Überragende Belange des Gemeinwohls, die eine Rückwirkungsanordnung rechtfertigen könnten, seien nicht erkennbar. Finanzielle Erwägungen taugten nicht als Legitimation für eine Kürzung der Altersversorgung. Im Beamtenversorgungsrecht werde ein besonderes, durch Art. 33 Abs. 5 GG geschütztes Vertrauen auf den Fortbestand gesetzlicher Leistungsregelungen begründet. Wesentliche und grundlegende Änderungen zu Lasten der Beamten müssten durch gewichtige und bedeutende Gründe gerechtfertigt sein. Daran fehle es.

52

Für den Zeitraum nach seiner Verkündung greife Art. 17 Abs. 1 DNeuG in bestehende Versorgungsansprüche ein und kürze diese mit Wirkung für die Zukunft; die Norm entfalte insoweit unechte Rückwirkung (tatbestandliche Rückanknüpfung). Auch die unechte Rückwirkung des Art. 17 Abs. 1 DNeuG sei verfassungsrechtlich unzulässig, da hinreichend gewichtige Belange des Gemeinwohls, die den durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleisteten besonderen Vertrauensschutz der Versorgungsempfänger überwögen, vom Gesetzgeber weder dargelegt noch sonst erkennbar seien. Überdies verpflichte der durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährte Vertrauensschutz im Bereich des Beamtenversorgungsrechts den Gesetzgeber, Eingriffe in versorgungsrechtliche Rechtspositionen durch angemessene Übergangsregelungen auszugleichen oder abzumildern, woran es hier fehle.

53

Die Rückwirkungsanordnung des Art. 17 Abs. 1 DNeuG verstoße auch gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Versorgungsempfänger, deren Versorgungsbezüge unter vorübergehender Erhöhung des Ruhegehaltssatzes gemäß § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. in Verbindung mit § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG - höher - festgesetzt worden seien, seien durch § 52 Abs. 1 BeamtVG vor einer Rückforderung der Unterschiedsbeträge geschützt und daher von Art. 17 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 4 Nr. 11 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa DNeuG nur zukunftsgerichtet betroffen. Gegenüber dieser Personengruppe würden Versorgungsempfänger wie der Kläger nur deswegen schlechter behandelt, weil die zuständigen Behörden rechtswidrig von einem Festsetzungsbescheid auf der Grundlage von § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. in Verbindung mit § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG abgesehen hätten.

III.

54

Zu dem Vorlagebeschluss haben sich das Bundesministerium des Innern namens der Bundesregierung, die Bundesfinanzdirektion Nord, der dbb beamtenbund und tarifunion, der Deutsche Gewerkschaftsbund, die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und die Gewerkschaft der Polizei (GdP) - Bezirk Bundespolizei - geäußert.

55

1. Das Bundesministerium des Innern hält Art. 17 Abs. 1 DNeuG für verfassungsgemäß. Die rückwirkende Gesetzesänderung habe allein der klarstellenden Präzisierung einer bereits bestehenden Rechtslage gedient. Sie sei erforderlich geworden, nachdem die Auslegung des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. durch das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 23. Juni 2005 der bis dahin in Bund und Ländern einheitlich geübten Praxis den Boden entzogen habe.

56

Art. 17 Abs. 1 DNeuG sei mit dem Vertrauensgrundsatz vereinbar. Schutzwürdiges Vertrauen in eine bestimmte Rechtslage aufgrund höchstrichterlicher Rechtsprechung könne allenfalls bei gefestigter, langjähriger Rechtsprechung entstehen. Daran fehle es. Literatur und Rechtsprechung hätten nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Juni 2005 überwiegend an ihrer - davon abweichenden - Auslegung des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. festgehalten. Bund und Länder hätten bereits im September 2005 über die Konsequenzen der Entscheidung diskutiert und einhellig die Auffassung vertreten, dass dem Urteil über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht gefolgt werden solle und eine gesetzliche Klarstellung in § 14a BeamtVG erforderlich sei.

57

Art. 17 Abs. 1 DNeuG verstoße auch nicht gegen das Alimentationsprinzip gemäß Art. 33 Abs. 5 GG. Der Gesetzgeber dürfe Versorgungsbezüge kürzen, wenn dies aus sachlichen Gründen gerechtfertigt erscheine. Sachgerecht sei es, bei rentebeziehenden Versorgungsempfängern eine Kürzung der Versorgungsbezüge anzuordnen, um eine Überhöhung der Gesamtversorgung zu beseitigen, die nicht durch eine Eigenleistung des Versorgungsempfängers entstanden sei, sondern - wie hier - durch eine unzureichende Abstimmung von Rentenrecht und Versorgungsrecht.

58

Art. 17 Abs. 1 DNeuG sei auch mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, da das Verhalten des Dienstherrn rechtmäßig gewesen sei.

59

2. Auch die Bundesfinanzdirektion Nord hält Art. 17 Abs. 1 DNeuG für verfassungsgemäß. Das Rückwirkungsverbot des Art. 20 Abs. 3 GG greife mangels schutzwürdigen Vertrauens nicht ein. Die Rechtslage sei unklar gewesen. Bis zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Juni 2005 habe es der flächendeckenden Verwaltungspraxis, der Kommentarliteratur und der Rechtsprechung der Instanzgerichte entsprochen, eine vorübergehende Erhöhung der Versorgungsbezüge lediglich auf der Grundlage des erdienten Ruhegehaltssatzes vorzunehmen. Die davon abweichende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts sei im Schrifttum, von der Verwaltung und von wenigstens einem Oberverwaltungsgericht kritisiert worden. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Novem-ber 2009 habe nicht mehr vertrauensbildend wirken können, weil zu diesem Zeitpunkt das Dienstrechtsneuordnungsgesetz bereits verkündet gewesen sei. Mangels schutzwürdigen Vertrauens seien auch Abmilderungs- und Übergangsmaßnahmen nicht erforderlich gewesen. Art. 17 Abs. 1 DNeuG verstoße auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

60

3. Der dbb beamtenbund und tarifunion teilt die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts. Es liege eine unzulässige Rückwirkung vor. Selbst wenn man die zu § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. ergangene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hinsichtlich des Ergebnisses in Zweifel ziehe, könne eine unklare oder gar verworrene Rechtslage nicht angenommen werden, da der Wortlaut der Norm die Auslegung des Gerichts gestützt habe. Die rückwirkende Gesetzesänderung betreffe keine Bagatellen, sondern nennenswerte finanzielle Werte und Dispositionen der betroffenen Beamten. Überragende Gründe des Gemeinwohls, die die Rückwirkung rechtfertigen könnten, seien nicht ersichtlich. Der Kreis von Beamten, die zum Zeitpunkt der Verkündung des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes bereits in den Ruhestand getreten gewesen seien und bei ihrem Ruhestandseintritt einen Anspruch auf Mindestversorgung sowie auf vorübergehende Erhöhung des Ruhegehalts gehabt hätten, sei überschaubar.

61

4. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund, die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und die Gewerkschaft der Polizei (GdP) - Bezirk Bundespolizei - halten Art. 17 Abs. 1 DNeuG für verfassungswidrig; zur Begründung nehmen sie auf den Vorlagebeschluss Bezug.

B.

62

Art. 17 Abs. 1 DNeuG ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Die Norm verstößt nicht gegen die verfassungsrechtlichen Anforderungen an den Vertrauensschutz aus Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 33 Abs. 5 GG (I.). Sie steht auch im Einklang mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (II.).

I.

63

Art. 17 Abs. 1 DNeuG, der das Inkrafttreten von Art. 4 Nr. 11 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa DNeuG mit Wirkung vom 24. Juni 2005 anordnet und dadurch in die geänderte Fassung des § 14a Abs. 1 BeamtVG auch Beamte einbezieht, die vor der Verkündung des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes in den Ruhestand getreten sind, begegnet keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Vorschrift enthält keine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung und verletzt nicht das durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützte Vertrauen versorgungsberechtigter Beamter darauf, im Alter amtsangemessen versorgt zu sein.

64

1. Mit dem vorlegenden Gericht kann davon ausgegangen werden, dass Art. 17 Abs. 1 DNeuG sowohl echte Rückwirkung als auch unechte Rückwirkung zukommt.

65

a) Eine Rechtsnorm entfaltet "echte" Rückwirkung ("Rückbewirkung von Rechtsfolgen"), wenn ihre Rechtsfolge mit belastender Wirkung schon vor dem Zeitpunkt ihrer Verkündung für bereits abgeschlossene Tatbestände gelten soll (vgl. BVerfGE 109, 133 <181>; 114, 258 <300>; 127, 1 <16 f.>). Bei Art. 17 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 4 Nr. 11 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa DNeuG ist dies - die Auslegung des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. durch das Bundesverwaltungsgericht als maßgeblich unterstellt - im Hinblick auf Beamte der Fall, die nach dem 24. Juni 2005 und vor der Verkündung des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes am 11. Februar 2009 in den Ruhestand getreten sind und die Voraussetzungen der vorübergehenden Erhöhung des Mindestruhegehaltssatzes gemäß § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. in Verbindung mit § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG erfüllt haben. Insoweit kann Art. 17 Abs. 1 DNeuG zur nachträglichen Kürzung bestehender Versorgungsansprüche führen, wie das Beispiel des am 1. März 2008 in den Ruhestand getretenen Klägers des Ausgangsverfahrens zeigt. Im maßgeblichen Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand hatte der Kläger bei einem nach § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. in Verbindung mit § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG vorübergehend erhöhten Ruhegehaltssatz von 59,58 v.H. einen Versorgungsanspruch in Höhe von 1.761,68 € zu erwarten. Nach der rückwirkenden Gesetzesänderung errechnet sich für den Kläger ein vorübergehend erhöhter Ruhegehaltssatz von 57,22 v.H. und damit ein Versorgungsanspruch in Höhe von (lediglich) 1.691,89 €. Im Zeitraum zwischen Eintritt in den Ruhestand und Verkündung des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes wurde der bestehende Versorgungsanspruch des Klägers damit, gemessen an der vom Bundesverwaltungsgericht angenommenen Rechtslage, nachträglich um insgesamt 837,48 € (12 Monate x 69,79 €) gekürzt.

66

b) Soweit belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden ("tatbestandliche Rückanknüpfung"), liegt eine "unechte" Rückwirkung vor (vgl. BVerfGE 72, 200 <242>; 97, 67 <79>; 127, 1 <17>). Art. 17 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 4 Nr. 11 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa DNeuG entfaltet - wiederum auf der Grundlage der Auffassung des Bundesverwal-tungsgerichts - unechte Rückwirkung, soweit danach bestehende Versorgungsansprüche von Beamten, die vor der Verkündung des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes in den Ruhestand getreten sind und die Voraussetzungen der vorübergehenden Erhöhung des Mindestruhegehaltssatzes gemäß § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. in Verbindung mit § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG erfüllen, für die Zeit nach der Verkündung des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes gekürzt werden. Beim Kläger des Ausgangsverfahrens, der die Regelaltersgrenze am 28. Februar 2013 und damit 48 Monate nach Verkündung des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes erreicht, verringert sich der Versorgungsanspruch damit um insgesamt 3.349,92 € (48 Monate x 69,79 €).

67

c) An der (echten und unechten) Rückwirkung von Art. 17 Abs. 1 DNeuG fehlt es nicht deshalb, weil die rückwirkende Änderung von § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F., wie es in der Gesetzesbegründung heißt, aus Sicht der Verwaltung lediglich klarstellender Natur sei (vgl. BTDrucks 16/7076, S. 186). Zwar liegt grundsätzlich keine Rückwirkung vor, wenn die Neuregelung deklaratorischer Art ist, also nur bestätigt, was von vornherein aus der verkündeten ursprünglichen Norm folgte (vgl. BVerfGE 18, 429 <436>; 50, 177 <193>; 126, 369 <393>). Dies ist hier aber nicht der Fall.

68

Die verbindliche Auslegung von Rechtssätzen ist Aufgabe der Gerichte. Eine vom Gesetzgeber etwa beanspruchte Befugnis zu "authentischer" Interpretation der rückwirkend geänderten Norm ist daher nicht anzuerkennen (vgl. BVerfGE 65, 196 <215>; 111, 54 <107>; 126, 369 <392>). Deren Regelungsgehalt ist vielmehr nach allgemeinen Grundsätzen zu ermitteln. Dabei genügt für die Beantwortung der Frage, ob eine rückwirkende Regelung konstitutiven Charakter hat, die Feststellung, dass die geänderte Norm von den Gerichten nach den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung in einem Sinn ausgelegt werden konnte und ausgelegt worden ist, die mit der Neuregelung ausgeschlossen werden soll. So liegt es hier.

69

Das Tatbestandsmerkmal "nach den sonstigen Vorschriften berechnete Ruhegehaltssatz" in § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. konnte unterschiedlich ausgelegt werden. Während die Verwaltung sowie die Instanzrechtsprechung und ein Teil der Literatur zunächst davon ausgingen, dass damit nur der auf der Grundlage der ruhegehaltfähigen Dienstzeit berechnete ("erdiente") Ruhegehaltssatz gemeint sei, gelangte das Bundesverwaltungsgericht zu der Überzeugung, dass es sich auch bei dem Mindestruhegehaltssatz nach § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG um einen "berechneten" Ruhegehaltssatz im Sinne des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. handelte. Da nichts dafür spricht, dass eine der beiden Auslegungsalternativen - etwa wegen Überschreitung der Grenzen richterlicher Rechtsfindung (vgl. BVerfGE 96, 375 <394 f.>; 113, 88 <103 f.>; 122, 248 <257 f.>) - auszuscheiden gewesen wäre, hat der Gesetzgeber mit der Neuregelung eine Streitfrage abweichend von höchstrichterlicher Rechtsprechung in einem bestimmten Sinne und damit konstitutiv entschieden.

70

2. Art. 17 Abs. 1 DNeuG ist im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Grenzen rückwirkender Gesetzgebung nicht zu beanstanden.

71

a) aa) Wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolge eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändert, bedarf dies einer besonderen Rechtfertigung vor dem Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten des Grundgesetzes, unter deren Schutz Sachverhalte "ins Werk gesetzt" worden sind (vgl. BVerfGE 45, 142 <167 f.>; 63, 343 <356 f.>; 72, 200 <242>; 97, 67 <78 f.>). Die Grundrechte wie auch das Rechtsstaatsprinzip garantieren im Zusammenwirken die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und damit als eine Grundbedingung freiheitlicher Verfassungen. Es würde den Einzelnen in seiner Freiheit erheblich gefährden, dürfte die öffentliche Gewalt an sein Verhalten oder an ihn betreffende Umstände ohne weiteres im Nachhinein belastendere Rechtsfolgen knüpfen, als sie zum Zeitpunkt seines rechtserheblichen Verhaltens galten (vgl. BVerfGE 63, 343 <357>; 72, 200 <257 f.>; 97, 67 <78>; 109, 133 <180>; 114, 258 <300 f.>; 127, 1 <16>).

72

bb) Die "echte" Rückwirkung ("Rückbewirkung von Rechtsfolgen") ist verfassungsrechtlich grundsätzlich unzulässig. Erst mit der Verkündung, das heißt, mit der Ausgabe des ersten Stücks des Verkündungsblattes, ist eine Norm rechtlich existent. Bis zu diesem Zeitpunkt, zumindest aber bis zum endgültigen Gesetzesbeschluss (vgl. BVerfGE 97, 67 <78 f.> m.w.N.), muss der von einem Gesetz Betroffene grundsätzlich darauf vertrauen können, dass seine auf geltendes Recht gegründete Rechtsposition nicht durch eine zeitlich rückwirkende Änderung der gesetzlichen Rechtsfolgenanordnung nachteilig verändert wird (vgl. BVerfGE 63, 343 <353 f.>; 67, 1 <15>; 72, 200 <241 f.>; 97, 67 <78 f.>; 114, 258 <300>). Ausnahmsweise können aber zwingende Belange des Gemeinwohls oder ein nicht - oder nicht mehr - vorhandenes schutzbedürftiges Vertrauen des Einzelnen eine Durchbrechung des Verbots einer "echten" Rückwirkung gestatten (vgl. BVerfGE 72, 200 <258>; 97, 67 <79 f.>; 101, 239 <263 f.>).

73

cc) Dagegen ist die "unechte" Rückwirkung ("tatbestandliche Rückanknüpfung") nicht grundsätzlich unzulässig, denn die Gewährung vollständigen Schutzes zugunsten des Fortbestehens der bisherigen Rechtslage würde den dem Gemeinwohl verpflichteten Gesetzgeber in wichtigen Bereichen lähmen und den Konflikt zwischen der Verlässlichkeit der Rechtsordnung und der Notwendigkeit ihrer Änderung im Hinblick auf einen Wandel der Lebensverhältnisse in nicht mehr vertretbarer Weise zu Lasten der Anpassungsfähigkeit der Rechtsordnung lösen (vgl. BVerfGE 63, 343 <357>; 105, 17 <40>; 114, 258 <301>). Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht insbesondere nicht so weit, den Staatsbürger vor jeder Enttäuschung zu bewahren (vgl. BVerfGE 63, 312 <331>; 67, 1 <15>; 71, 255 <272>; 76, 256 <349 f.>). Soweit nicht besondere Momente der Schutzwürdigkeit hinzutreten, genießt die bloß allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde zukünftig unverändert fortbestehen, keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz (vgl. BVerfGE 38, 61 <83>; 68, 193 <222>; 105, 17 <40>; 109, 133 <180 f.>; 125, 104 <135>).

74

Der Gesetzgeber muss aber, soweit er für künftige Rechtsfolgen an zurückliegende Sachverhalte anknüpft, dem verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz in hinreichendem Maß Rechnung tragen. Dabei sind die Interessen der Allgemeinheit, die mit der Regelung verfolgt werden, und das Vertrauen des Einzelnen auf die Fortgeltung der Rechtslage abzuwägen (vgl. BVerfGE 30, 392 <404>; 50, 386 <395>; 67, 1 <15>; 75, 246 <280>; 105, 17 <37>; 114, 258 <300>) und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren (vgl. BVerfGE 72, 200 <242 f.>; 95, 64 <86>; 101, 239 <263>; 116, 96 <132>; 122, 374 <394>; 123, 186 <257>). Eine unechte Rückwirkung ist mit den Grundsätzen grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes daher nur vereinbar, wenn sie zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt (vgl. BVerfGE 127, 1 <18>).

75

dd) Der rechtsstaatliche Grundsatz des Vertrauensschutzes hat in Art. 33 Abs. 5 GG eine besondere Ausprägung erfahren. Die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums sollen dem Beamten Rechtssicherheit hinsichtlich der durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützten Güter gewährleisten und insbesondere verhindern, dass versorgungsberechtigte Beamte in ihrem schutzwürdigen Vertrauen darauf, im Alter amtsangemessen versorgt zu sein, enttäuscht werden (vgl. BVerfGE 76, 256 <347> m.w.N.). Die für die Beurteilung rückwirkender Rechtsänderungen zulasten der Beamten und Versorgungsempfänger nach Art. 33 Abs. 5 GG heranzuziehenden Maßstäbe unterscheiden sich jedenfalls in der vorliegenden Konstellation nicht grundsätzlich von den Maßstäben, die auch sonst für rückwirkende belastende Gesetze gelten.

76

b) Der rückwirkenden Inkraftsetzung des § 14a Abs. 1 BeamtVG steht kein schutzwürdiges Vertrauen der betroffenen Beamten entgegen. Daher bedarf es auch keiner nach "echter" und "unechter" Rückwirkung differenzierenden Würdigung.

77

aa) Das durch das Rechtsstaatsprinzip und Art. 33 Abs. 5 GG gewährleistete Vertrauen auf die geltende Rechtslage ist nur schutzwürdig, wenn die gesetzliche Regelung generell geeignet ist, ein Vertrauen auf ihr Fortbestehen zu begründen und darauf gegründete Entscheidungen - insbesondere Vermögensdispositionen - herbeizuführen, die sich bei Änderung der Rechtslage als nachteilig erweisen (vgl. BVerfGE 13, 39 <45 f.>; 30, 367 <389>). Ist das Vertrauen des Bürgers auf den Fortbestand einer bestimmten Rechtslage sachlich nicht gerechtfertigt und daher nicht schutzwürdig, ist ein rückwirkender belastender Eingriff ausnahmsweise zulässig. Das ist etwa dann der Fall, wenn das rückwirkend geänderte Recht unklar und verworren war (vgl. BVerfGE 13, 261 <272>; 50, 177 <193 f.>; 126, 369 <393 f.>) oder wenn ein Zustand allgemeiner und erheblicher Rechtsunsicherheit eingetreten war und für eine Vielzahl Betroffener Unklarheit darüber herrschte, was rechtens sei (vgl. BVerfGE 72, 302 <325 f.>).

78

bb) Ein hinreichend gefestigtes und damit schutzwürdiges Vertrauen, dass es sich bei dem Mindestruhegehaltssatz nach § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG um einen "berechneten" Ruhegehaltssatz im Sinne des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. handele, konnte sich unter den gegebenen Umständen nicht entwickeln.

79

(1) Der Regelungsgehalt des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. war in dieser Hinsicht nicht eindeutig. Die Vorschrift wurde von der für die Beamtenversorgung zuständigen Verwaltung sowie von der Instanzrechtsprechung und einem Teil der Literatur zunächst dahingehend ausgelegt, dass der "nach sonstigen Vorschriften berechnete Ruhegehaltssatz" nur ein auf der Grundlage der ruhegehaltfähigen Dienstzeit berechneter ("erdienter") Ruhegehaltssatz sei, insbesondere der nach § 14 Abs. 1 BeamtVG berechnete Ruhegehaltssatz. Vom Anwendungsbereich des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. ausdrücklich ausgenommen wurden die Mindestruhegehaltssätze gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 BeamtVG, weil beide - ohne Bezug zur tatsächlich ruhegehaltfähigen Dienstzeit - abstrakt gesetzlich vorgegeben und deshalb nicht "berechnet" seien.

80

(2) Zwar kam das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 23. Juni 2005 unter Hinweis auf Wortlaut, Gesetzessystematik sowie Sinn und Zweck des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. zu dem Ergebnis, dass auch der Mindestruhegehaltssatz nach § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG ein Ruhegehaltssatz im Sinne des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. sei. Schutzwürdiges Vertrauen auf den Fortbestand dieses Normverständnisses konnte allein aus dieser Entscheidung indes nicht erwachsen.

81

(a) Entscheidungen oberster Gerichte, die vornehmlich zur grundsätzlichen Auslegung und Weiterentwicklung des Rechts berufen sind, wirken zwar über den entschiedenen Einzelfall hinaus als - freilich nur richtungweisendes - Präjudiz für künftige Fälle. Die höchstrichterliche Rechtsprechung erzeugt aber keine dem Gesetzesrecht gleichkommende Rechtsbindung (vgl. BVerfGE 84, 212 <227>; 122, 248 <277>). Weder sind die unteren Gerichte an die höchstrichterliche Rechtsprechung gebunden, noch sind es die obersten Gerichte selbst. Kein Prozessbeteiligter kann daher darauf vertrauen, der Richter werde stets an einer bestimmten Rechtsauffassung aus der bisherigen Judikatur festhalten (vgl. BVerfGE 78, 123 <126>; 87, 273 <278>). Schutzwürdiges Vertrauen in eine bestimmte Rechtslage aufgrund höchstrichterlicher Entscheidungen kann daher in der Regel nur bei Hinzutreten weiterer Umstände, insbesondere bei einer gefestigten und langjährigen Rechtsprechung entstehen (vgl. BVerfGE 72, 302 <326>; 122, 248 <278>; 126, 369 <395>).

82

(b) Bis zur Verkündung des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes war nicht sicher davon auszugehen, dass das Bundesverwaltungsgericht an seiner Auslegung des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. festhalten würde. Eine in dieser Richtung gefestigte Rechtsprechung bestand nicht. Vielmehr wich das Urteil vom 23. Juni 2005 von der bis dahin bestehenden Verwaltungspraxis sowie von der in Rechtsprechung und Schrifttum überwiegend vertretenen Auslegung des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. ab. Zwar schlossen sich in der Folgezeit einige Instanzgerichte dem Bundesverwaltungsgericht an; zumindest ein Oberverwaltungsgericht folgte dessen Rechtsprechung jedoch nicht (vgl. OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16. Januar 2008 - 21 A 2098/06 -, juris, Rn. 30 ff.), auch stieß das Urteil auf erhebliche Kritik im Schrifttum (vgl. Bauer/Zahn, a.a.O., § 14a BeamtVG Rn. 2 mit Fn. 2 ; Grunefeld, a.a.O., S. 122 <127>).

83

Im Rahmen dieser Kritik wurde darauf hingewiesen, dass die vorübergehende Erhöhung des Mindestruhegehaltssatzes nach § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG zu Ergebnissen führen kann, die über den Regelungszweck des § 14a BeamtVG hinausgehen. § 14a BeamtVG soll versorgungsrechtlichen Nachteilen entgegenwirken, die sich wegen der unterschiedlichen Voraussetzungen von Ansprüchen aus der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beamtenversorgung für den Zeitraum ergeben können, in dem ein Besoldungsanspruch nicht mehr besteht, die für Invalidität und Alter vorgesehenen Leistungen aber noch nicht in vollem Umfang ausgeschöpft werden können (vgl. BTDrucks 10/4225, S. 21; BVerwGE 111, 93 <96 f.>; Strötz, a.a.O., § 14a BeamtVG Rn. 1 ). Diesem Ziel wird die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene Auslegung des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. zwar gerecht. Sie vermeidet insbesondere, dass § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. in den Fällen leerläuft, in denen die Versorgungsbezüge trotz des vorübergehenden Ausschlusses des Beamten von einer gesetzlichen Rente auch bei Einbeziehung der Pflichtbeitragszeiten nach Maßgabe von § 14a Abs. 2 BeamtVG die Mindestversorgung nicht überschreiten.

84

Sie greift jedoch über das Ziel des Gesetzgebers hinaus, soweit ein Beamter durch die vorübergehende Erhöhung des Mindestruhegehaltssatzes nach § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG vor Erreichen der Regelaltersgrenze eine höhere Gesamtversorgung erhält, als er aufgrund von § 14 Abs. 5 BeamtVG bei Erreichen der Regelaltersgrenze erhalten wird. Im Zeitraum zwischen dem vorzeitigen Eintritt in den Ruhestand bis zum Beginn des Rentenbezugs ist der Beamte dadurch quasi "überversorgt" (vgl. OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, a.a.O., Rn. 38; Grunefeld, a.a.O., S. 122 <127>). Mit diesem Aspekt setzt sich die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Juni 2005 nicht auseinander.

85

Kritik hat diese Entscheidung auch deshalb erfahren, weil die vorübergehende Erhöhung des Mindestruhegehaltssatzes nach § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG zu einer Besserstellung von Beamten, die zunächst in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis tätig waren, gegenüber Beamten, die ausschließlich in einem Beamtenverhältnis standen, führen kann, ohne dass hierfür ein sachlicher Grund ersichtlich ist. In Fällen, in denen letzteren lediglich Ansprüche auf die Mindestversorgung gemäß § 14 Abs. 4 BeamtVG zustehen, könnte bei ersteren, die Pflichtbeitragszeiten für die gesetzliche Rentenversicherung vorweisen können, trotz gleicher Arbeits- und Dienstzeit der Mindestruhegehaltssatz vorübergehend erhöht werden. Den versorgungsrechtlichen Nachteilen gemischter Erwerbskarrieren wird insoweit mehr als nur entgegengewirkt, weil die Betroffenen vorübergehend eine höhere Gesamtversorgung erhalten, als ihnen zustünde, wenn die relevanten Pflichtbeitragszeiten ruhegehaltfähige Dienstzeiten wären (vgl. OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, a.a.O., Rn. 31 ff.; Bauer/Zahn, a.a.O., Rn. 2 mit Fn. 2 ). Das Bundesverwaltungsgericht war davon ausgegangen, dass dies wegen der erheblich abweichenden Staffelung der Sätze nach § 14 Abs. 1 BeamtVG und nach § 14a Abs. 2 BeamtVG nur in besonderen Ausnahmefällen vorkommen werde und zudem einer Korrektur in Anwendung des Rechtsgedankens aus § 14 Abs. 5 BeamtVG zugänglich sein könnte (vgl. BVerwGE 124, 19 <25>).

86

(c) Die für die Beamtenversorgung zuständigen Behörden haben zudem ganz überwiegend keinen Zweifel daran gelassen, dass dem Urteil vom 23. Juni 2005 über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht gefolgt werden solle und eine gesetzliche Klarstellung erforderlich sei. Demgemäß wurden in der Folgezeit Anträge auf vorübergehende Erhöhung des Ruhegehalts auf der Basis des Mindestruhegehaltssatzes gemäß § 14 Abs. 4 BeamtVG abgelehnt, darunter auch Anträge von Bundesbeamten, die - wie der Kläger des Ausgangsverfahrens - beim Bundesgrenzschutz tätig waren (vgl. VG Magdeburg, Urteil vom 6. März 2007 - 5 A 191/06 -, juris, Rn. 4; VG Berlin, Urteil vom 5. Juni 2008 - 5 A 60.07 -, juris, Rn. 8). Jedenfalls durch die entsprechenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren war die Haltung der Verwaltung auch allgemein bekannt. Hinzu kamen Gesetzesinitiativen auf Bundes- wie auf Landesebene, mit denen die unveränderte Verwaltungspraxis gesetzlich abgesichert werden sollte (vgl. BTDrucks 16/7076, S. 186; ferner etwa für Brandenburg LTDrucks 4/5154, S. 7; für Thüringen LTDrucks 4/2616, S. 11) und die in den Ländern teilweise bereits im Jahr 2007 zu entsprechenden Bestimmungen führten (vgl. etwa § 3 Abs. 1 des brandenburgischen Beamtenversorgungsergänzungsgesetzes, gemäß Art. 6 des Gesetzes vom 21. November 2007 in Kraft getreten am 27. November 2007; § 4 Abs. 1 des Thüringer Gesetzes über ergänzende Bestimmungen zur Beamtenversorgung, gemäß Art. 4 des Gesetzes vom 31. Januar 2007 in Kraft getreten am 1. März 2007).

87

(d) Unter diesen Umständen lag es - trotz der Gefolgschaft der Mehrzahl der Instanzgerichte - nicht fern, dass das Bundesverwaltungsgericht seine Rechtsauffassung korrigieren werde. Dementsprechend fehlte es an einer hinreichend sicheren Grundlage für ein Vertrauen in den Fortbestand der auf dieser Entscheidung beruhenden Rechtslage. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht letztlich an seiner Auslegung des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. festgehalten und diese gegen Kritik verteidigt (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. November 2009 - 2 C 29/08 -, juris, Rn. 9 ff.). Diese Entscheidung erging jedoch nach der Verkündung des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes und konnte deshalb nicht mehr vertrauensbildend wirken (vgl. BVerfGE 72, 200 <254>; 97, 67 <78 f.>; 114, 258 <300>).

88

cc) Art. 17 Abs. 1 DNeuG stößt auch unter Berücksichtigung der besonderen Bedeutung des Vertrauensschutzes im Bereich der Beamtenversorgung (oben B. I. 2. a dd) nicht auf rechtsstaatliche Bedenken. § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F wurde rückwirkend in einem Sinne geändert, der der Verwaltungspraxis sowie der zunächst überwiegenden Auslegung dieser Norm in Rechtsprechung und Schrifttum entsprach. Die von der Rückwirkung Betroffenen hatten sich während des ganz überwiegenden Teils ihrer Dienstzeit darauf einzustellen, dass nur ihr "erdienter" Ruhegehaltssatz vorübergehend erhöht werden kann. Vor diesem Hintergrund konnten sie das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Juni 2005 nicht ohne weiteres zum Anlass für erhebliche Dispositionen im Vertrauen auf dessen Bestand nehmen, zumal die vorübergehende Erhöhung des Ruhegehaltssatzes auf die Zeit zwischen dem vorzeitigen Eintritt in den Ruhestand und dem Beginn des Rentenbezugs beschränkt ist und spätestens mit Erreichen der Regelaltersgrenze wegfällt (vgl. § 14a Abs. 3 BeamtVG), es also um zeitlich begrenzte Dispositionsmöglichkeiten ging. Auch liegt die mit der Rechtsänderung verbundene Rückführung der Versorgungsbezüge - beim Kläger des Ausgangsverfahrens monatlich 69,79 €, entsprechend 3,96 v.H. der Bruttoversorgung - in einem von den Betroffenen beherrschbaren Rahmen und lässt eine Unterschreitung des von Art. 33 Abs. 5 GG geschützten Kernbestandes der Alimentation nicht besorgen. Daher war der Gesetzgeber auch nicht verpflichtet, die Änderung des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. nach Maßgabe angemessener Übergangsregelungen in Kraft zu setzen.

II.

89

Art. 17 Abs. 1 DNeuG verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Nicht durchgreifend sind die vom Bundesverwaltungsgericht im Hinblick darauf erhobenen Bedenken, dass die rückwirkende Änderung von § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. nicht eingreift, wenn Versorgungsbezüge bereits gemäß § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. in Verbindung mit § 14 Abs. 4 BeamtVG festgesetzt worden sind.

90

Bei der rückwirkenden Kürzung gesetzlicher Ansprüche steht der Gesetzgeber generell vor der Frage, wie er mit bereits rechtskräftig festgestellten oder bestandskräftig gewordenen Ansprüchen umgeht. Insoweit stehen sich zwei in gleicher Weise mit Verfassungsrang ausgestattete Prinzipien gegenüber: Das Prinzip der (Einzelfall-)Gerechtigkeit, das es gebietet, auch rechtskräftig festgestellte oder bestandskräftig gewordene Ansprüche von der Begünstigung auszuschließen, und das Prinzip der Rechtssicherheit, aus dem die grundsätzliche Rechtsbeständigkeit rechtskräftiger Gerichtsentscheidungen und sonstiger in Bestandskraft erwachsender Akte der öffentlichen Gewalt folgt. Es ist Sache des Gesetzgebers, welchem der beiden Prinzipien im konkreten Fall der Vorzug gegeben werden soll (vgl. BVerfGE 15, 313 <319>; 19, 150 <166>; 29, 413 <432>; 48, 1 <22>; 72, 302 <327 f.>).

91

Danach ist es nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber für die Gruppe der Versorgungsempfänger, deren Versorgungsbezüge bereits rechtskräftig festgesetzt und ausbezahlt worden sind, der Rechtssicherheit den Vorrang gegenüber der (Einzelfall-)Gerechtigkeit eingeräumt hat. Dies gilt umso mehr, als diese Gruppe ohnehin vor der Erstattung der aufgrund der rückwirkenden Änderung des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. zuviel gezahlten Beträge geschützt wäre (vgl. § 52 Abs. 1 BeamtVG).

(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.

(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.

(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.

(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.

(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.

Tenor

I.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

II.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des zu vollstreckenden Betrags abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin zusätzlich zu der ihr gewährten Mindestversorgung einen Anspruch auf Gewährung eines Kindererziehungs- und Kindererziehungsergänzungszuschlags hat.

Die 1973 geborene Klägerin, die seit 1991 im Dienst der Deutschen Bundespost bzw. später der Beklagten stand, wurde mit Ablauf des 31. März 2008 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. Mit Bescheid vom 16. April 2008 setzte die Beklagte durch ihren Versorgungsservice die der Klägerin ab 1. April 2008 zustehenden Versorgungsbezüge in Höhe von 1.496,63 Euro brutto (amtsunabhängige Mindestversorgung nach § 14 Abs. 4 Satz 2 BeamtVG) fest. Nach der entsprechenden Berechnung ergab sich, dass das erdiente Ruhegehalt einschließlich Kindererziehungs- und Kindererziehungsergänzungszuschlägen für die beiden im Mai 1999 und Juni 2004 geborenen Kinder, jeweils gemindert um den maximalen Versorgungsabschlag nach § 14 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 Nr. 3, Halbs. 2 BeamtVG, mit errechneten 1.112,03 Euro geringer ist als die amtsunabhängige Mindestversorgung einschließlich des Familienzuschlags nach § 50 Abs. 1 BeamtVG für zwei Kinder (1.496,63 Euro). Die errechnete amtsbezogene Mindestversorgung wäre demgegenüber mit 934,75 Euro noch geringer als das erdiente Ruhegehalt.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch der Klägerin mit dem Ziel, zusätzlich zur amtsunabhängigen Mindestversorgung einen Kindererziehungszuschlag in Höhe von 153,67 Euro sowie einen Kindererziehungsergänzungszuschlag in Höhe von 12,85 Euro monatlich (gesamt 166,52 Euro monatlich) zu erhalten, wies die Beklagte durch ihren Versorgungsservice mit Widerspruchsbescheid vom 29. Mai 2008 zurück. Das Bayerische Verwaltungsgericht München gab ihrer daraufhin erhobenen Klage mit Urteil vom 8. Mai 2009 teilweise statt. Es verpflichtete die Beklagte unter entsprechender Aufhebung der vorgenannten Bescheide, der Klägerin für die elf Monate von April 2008 bis Februar 2009 zusätzlich zu den gewährten Versorgungsbezügen einen vorübergehenden Zuschlag in Höhe von monatlich 120,80 Euro (gesamt 1.328,80 Euro) zu gewähren; im Übrigen wies es die Klage ab. Nach §§ 50a ff. BeamtVG in der vom Zeitpunkt der Versetzung der Klägerin in den Ruhestand bis 12. Februar 2009 geltenden Fassung stünden der Klägerin grundsätzlich die entsprechenden Zuschläge zu. Bei der Klägerin greife jedoch der Ausschlusstatbestand des § 50a Abs. 1 Satz 2 BeamtVG, weil sie wegen der Erziehung ihrer Kinder in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig gewesen und die allgemeine Wartezeit für eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllt sei. Entsprechend sei der Klägerin für die Zeit bis einschließlich Februar 2009 vorübergehend bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres ein Zuschlag nach § 50e BeamtVG zu gewähren. Demgegenüber habe die Klägerin für die Zeit ab März 2009 keinen Anspruch mehr auf die Zuschläge nach §§ 50a ff. BeamtVG. Denn aufgrund des durch das Dienstrechtsneuordnungsgesetz vom 5. Februar 2009 mit Wirkung vom 13. Februar 2009 eingefügten § 50a Abs. 7 Satz 2 BeamtVG sei dieser wirksam ausgeschlossen worden.

Mit der vom Senat zugelassenen Berufung beantragt die Klägerin,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 8. Mai 2009 die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin für die Monate von April 2008 bis Februar 2009 über den vom Verwaltungsgericht bereits zugesprochenen Betrag in Höhe von monatlich 120,80 Euro hinaus einen weiteren monatlichen Betrag in Höhe von 45,72 Euro sowie ab März 2009 zusätzlich zu den gewährten Versorgungsbezügen Kindererziehungszuschläge und Kindererziehungsergänzungszuschläge in rechtmäßiger Dauer und Höhe zu gewähren.

Zur Begründung führt sie u. a. aus, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht den Ausschlusstatbestand nach § 50a Abs. 1 Satz 2 BeamtVG angenommen. Die Klägerin sei als Beamtin wegen der Erziehung ihrer Kinder nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert gewesen, was zusätzlich durch den mittlerweile vorliegenden Bescheid der Deutschen Rentenversicherung vom 4. Dezember 2013 belegt werde. Damit stünden der Klägerin unmittelbar Ansprüche aus §§ 50a, 50b BeamtVG und nicht nur aus § 50e BeamtVG zu. Der Anspruch der Klägerin sei auch nicht für die Zeit ab März 2009 aufgrund der Einfügung des Satzes 2 in § 50a Abs. 7 BeamtVG ausgeschlossen worden. Denn diese Bestimmung sei verfassungswidrig. Sie unterscheide ohne sachlichen Grund zwischen Beamten, die ein Mindestruhegehalt und Beamten, die ein sonstiges Ruhegehalt bezögen. Soweit das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 22. Juli 2011 zu der Auffassung gelangt sei, es bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 50a Abs. 7 Satz 2 BeamtVG, vermöge dies nicht zu überzeugen. Der Kindererziehungszuschlag diene nicht lediglich dazu, einen Ausgleich für Beamte zu gewähren, die aufgrund der Kindererziehung nur eine kürzere ruhegehaltsfähige Dienstzeit aufweisen könnten. Vielmehr solle der in der Kindererziehung liegende Wert für die Allgemeinheit und für die Alterssicherungssysteme honoriert werden. Dies habe das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz nicht gewürdigt.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

die Berufung zurückzuweisen.

Die vorgelegte Auskunft der Deutschen Rentenversicherung sei nicht aussagekräftig, da sie voraussetze, dass Kindererziehungsleistungen in der Beamtenversorgung gewährt würden. Es werde Bezug genommen auf die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 22. Juli 2011, wonach zusätzlich zur Mindestversorgung ein Kindererziehungszuschlag nicht gewährt werden könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Die von ihr begehrte Änderung des angefochtenen Urteils in Bezug auf den klageabweisenden Teil kommt nicht in Betracht, da das Mindestruhegehalt nicht Anknüpfungspunkt sein kann für eine Erhöhung um die Zuschläge nach §§ 50a, 50b BeamtVG in der bis 11. Februar 2009 geltenden Fassung - BeamtVG a. F. - und in der Fassung, die es durch das Dienstrechtsneuordnungsgesetz vom 5. Februar 2009 (BGBl. I S. 160) mit Wirkung vom 12. Februar 2009 erlangt hat. Damit hat die Klägerin weder einen Anspruch auf Gewährung des Unterschiedsbetrags, der sich für die Monate von April 2008 bis Februar 2009 aus dem vom Verwaltungsgericht rechtskräftig zugesprochenen Zuschlag nach § 50e BeamtVG a. F. zu den Zuschlägen nach §§ 50a, 50b BeamtVG a. F. ergibt (I.), noch auf Gewährung der Zuschläge nach §§ 50a, 50b BeamtVG (n. F.) über den Februar 2009 hinaus (II.).

I. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung der Zuschläge nach §§ 50a, 50b BeamtVG a. F. und somit auf den ihr vom Verwaltungsgericht wegen der Anwendung des Ausschlusstatbestands des § 50a Abs. 1 Satz 2 BeamtVG nicht zugesprochenen Unterschiedsbetrag in Höhe von monatlich 45,72 Euro für die Monate von April 2008 bis Februar 2009.

Nach § 50a Abs. 1 Satz 1 BeamtVG (alter und neuer Fassung) erhöht sich das Ruhegehalt eines Beamten für jeden Monat einer ihm zuzuordnenden Kindererziehungszeit um einen Kindererziehungszuschlag nach Maßgabe dieses Gesetzes, wenn er ein nach dem 31. Dezember 1991 geborenes Kind erzogen hat. Dies gilt nach Satz 2 nicht, wenn der Beamte wegen der Erziehung des Kindes in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig (§ 3 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI) war und die allgemeine Wartezeit für eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllt ist.

Zwar greift entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts vorliegend nicht der Ausschlusstatbestand des § 50a Abs. 1 Satz 2 BeamtVG, so dass nicht § 50e BeamtVG, sondern §§ 50a, 50b BeamtVG einschlägig wären. Denn die Klägerin steht seit 1991 im Beamtenverhältnis, so dass sie nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI versicherungsfrei und gemäß § 56 Abs. 4 SGB VI a. F. (ebenso wie n. F.) von der Anrechnung von Kindererziehungszeiten für ihre beiden im Mai 1999 und Juni 2004 geborenen Kinder in der Rentenversicherung ausgeschlossen ist. Dies wird bestätigt durch den von ihr vorgelegten Bescheid der Deutschen Rentenversicherung vom 4. Dezember 2013.

Dennoch führt eine den Anwendungsbereich des § 50a BeamtVG einschränkende Auslegung dieser Bestimmung dazu, dass bereits vor Einfügung des Satzes 2 in § 50a Abs. 7 BeamtVG durch das Dienstrechtsneuordnungsgesetz die Mindestversorgung nach § 14 Abs. 4 BeamtVG nicht Grundlage für eine Erhöhung um die in §§ 50a, 50b, 50e BeamtVG geregelten Zuschläge sein kann. Diese Auslegung ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Bestimmungen; eine entsprechende verfassungskonforme Einschränkung gebieten aber Sinn und Zweck der §§ 50a ff. BeamtVG sowie der systematische Vergleich mit § 14 Abs. 5 BeamtVG unter Berücksichtigung der jeweiligen Entstehungsgeschichte. Denn insbesondere ein Vergleich der die Mindestversorgung und die Zuschläge nach §§ 50a ff. BeamtVG beanspruchenden Beamtengruppen lässt erkennen, dass ihre unterschiedliche Behandlung, die sich bei Anwendung der Vorschriften ergeben würde, nicht zu rechtfertigen ist.

1. Die §§ 50a ff. BeamtVG sind durch Art. 1 Nr. 33 des Versorgungsänderungsgesetzes 2001 vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3926) mit Wirkung vom 1. Januar 2002 in das Beamtenversorgungsgesetz eingefügt worden. Sie waren teilweise bereits seit 1. Januar 1992 im Gesetz über die Gewährung eines Kindererziehungszuschlags vom 18. Dezember 1989 (BGBl. I S. 2218) - Kindererziehungszuschlagsgesetz - enthalten. Die Ordnung der Kindererziehung im Beamtenversorgungsrecht hat sich in Anlehnung an Änderungen im Rentenversicherungsrecht entwickelt. Während ursprünglich durch die Einführung der Zuschläge wegen Kindererziehungszeiten in erster Linie eine „Lückenschließung“ in der Alterssicherung in dem Sinn erfolgen sollte, dass erziehungsbedingte Ausfallzeiten im Erwerbsleben durch die Gewährung von rentenrechtlichen Erziehungszeiten kompensiert werden, zielen die im Anschluss an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12. März 1996 -1 BvR 609/90 u. a. - (BVerfGE 94, 241) erlassenen Änderungen darauf ab, Erziehungsleistungen im Renten- und Versorgungsrecht zu honorieren, und zwar unabhängig davon, ob die Erziehungszeiten zu einem Ausfall oder einer Einschränkung in der Berufstätigkeit und damit zu Lücken in der Alterssicherung geführt haben (vgl. zur Rechtsentwicklung Plog/Wiedow, BBG, Bd. 2, Stand Dezember 2013, § 50a BeamtVG Rn. 1 ff.).

2. Zwar vertritt die ganz überwiegende Rechtsprechung die Auffassung, dass auch Empfänger der Mindestversorgung nach § 14 Abs. 4 BeamtVG Zuschläge nach §§ 50a ff. BeamtVG a. F. erhalten können (vgl. die Nachweise bei NdsOVG, B. v. 16.4.2014 - 5 LA 13/14 - juris Rn. 12). Insbesondere das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat diese Auffassung in seinem rechtskräftigen Urteil vom 12. Februar 2013 - 3 A 2192/10 - (juris Rn. 30 ff.) mit Blick auf den Wortlaut und die Gesetzessystematik (Unterscheidung von Ruhegehalt und Leistungen nach den §§ 50a ff. BeamtVG in § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 9 BeamtVG) vertreten. Es hat zudem ausgeführt, dass der Kompensationszweck der §§ 50a ff. BeamtVG, nämlich Beamte mit entsprechenden (Erziehungs)Zeiten besser zu stellen als solche Beamte, die bei ansonsten gleicher Erwerbsbiographie keine derartigen Zeiten vorweisen können, bei Beziehern der Mindestversorgung gemäß § 14 Abs. 4 BeamtVG leerliefe, wenn bei ihnen die Zuschlagsgewährung ausgeschlossen würde.

3. Trotz der beachtlichen Argumente der o. g. Rechtsprechung ist der aufgrund des Wortlauts der Vorschrift weit gefasste Anwendungsbereich der §§ 50a ff. BeamtVG a. F. zu beschränken, weil die Gewährung der Zuschläge nach den §§ 50a, 50b, 50e BeamtVG zusätzlich zur Mindestversorgung nach § 14 Abs. 4 BeamtVG im Hinblick auf § 14 Abs. 5 BeamtVG teilweise zu Ergebnissen führt, die sachlich nicht mit dem Regelungszweck dieser Bestimmungen vereinbar sind. Zum Einen führt die Anwendung des § 50e BeamtVG auf Beamte mit späteren Rentenansprüchen wegen Kindererziehungszeiten in der Regel in der Zeit bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze zu einer „Überversorgung“. Zum anderen führt die Anrechnung von Zuschlägen wegen Kindererziehung nach §§ 50a, 50b BeamtVG auf das Mindestruhegehalt nach Erreichen der Regelaltersgrenze zu einer Besserstellung von Beamten, die während der Kindererziehungszeit im Beamtenverhältnis gestanden sind, gegenüber Beamten mit Rentenansprüchen wegen Kindererziehungszeiten.

a) Die Anwendung des § 50e BeamtVG auf Empfänger der Mindestversorgung nach § 14 Abs. 4 BeamtVG führt dazu, dass Beamte mit Rentenansprüchen wegen Kindererziehungszeiten in der Regel in der Zeit vor Erreichen der Regelaltersgrenze „überversorgt“ sind.

Durch die Regelung des § 50e BeamtVG soll sichergestellt werden, dass der Beamte im Fall des Eintritts in den Ruhestand vor Erreichen der allgemeinen Altersgrenze im Vorgriff auf ihm zustehende rentenversicherungsrechtliche Leistungen vorübergehend die entsprechenden Versorgungsleistungen erhält. Auf diese Weise soll eine Versorgungslücke geschlossen werden, die sich aus dem vorübergehenden Ausschluss des Beamten von einer gesetzlichen Rente bei vorzeitigem Eintritt in den Ruhestand ergibt. Die dem Versorgungsänderungsgesetz 2001 vorausgegangenen Verschärfungen im Rentenversicherungsrecht führten nämlich in der Regel dazu, dass Beamte vor Vollendung des 65. Lebensjahres keinen Rentenanspruch erwerben konnten und bis zum Bezug der Altersrente ausschließlich auf Versorgungsbezüge angewiesen waren, die oftmals deshalb gering blieben, weil durch eine späte Übernahme in das Beamtenverhältnis und einen vorzeitigen Eintritt in den Ruhestand nur wenige Dienstjahre berücksichtigt werden konnten. § 50e BeamtVG ist dabei strukturell dem § 14a BeamtVG nachgebildet, der eine vorübergehende Erhöhung des Ruhegehaltssatzes vorsieht, wenn der Beamte vor Erreichen der Regelaltersgrenze in den Ruhestand tritt und Anwartschaften auf eine Sozialversicherungsrente begründet hat, jedoch bei Eintritt in den Ruhestand noch nicht rentenberechtigt ist (vgl. Plog/Wiedow, BBG, Bd. 2, § 50e BeamtVG Rn. 1 ff. sowie die Gesetzesbegründung in BT-Drs. 14/7064 S. 39).

Die Anwendung des § 50e BeamtVG auf Empfänger der Mindestversorgung nach § 14 Abs. 4 BeamtVG führt im Ergebnis dazu, dass Beamte mit Rentenansprüchen wegen Kindererziehungszeiten in der Regel in der Zeit vor Erreichen der Regelaltersgrenze eine höhere Gesamtversorgung erhalten, als sie aufgrund von § 14 Abs. 5 BeamtVG bei Erreichen der Regelaltersgrenze erhalten werden. Das bedeutet, dass solche Beamte zwischen dem vorzeitigen Eintritt in den Ruhestand bis zum Beginn des Rentenbezugs „quasi überversorgt“ sind.

Denn nach § 14 Abs. 5 BeamtVG ruht die Versorgung bis zur Höhe des Unterschieds zwischen dem erdienten Ruhegehalt (§ 14 Abs. 1 BeamtVG) und der Mindestversorgung (§ 14 Abs. 4 BeamtVG), wenn beim Zusammentreffen der Mindestversorgung mit einer Rente nach Anwendung des § 55 BeamtVG die Versorgung das erdiente Ruhegehalt übersteigt. Sinn und Zweck dieser mit Wirkung vom 1. Oktober 1994 (BGBl. I 1993 S. 2442) eingefügten ergänzenden Ruhensregelung war es, den sich nach Anwendung von § 55 BeamtVG ergebenden Zahlbetrag an Versorgungsbezügen nochmals zu reduzieren, wenn und weil infolge einer späten Begründung des Beamtenverhältnisses die Gewährung einer Mindestversorgung auf eine Rentenleistung trifft, die nach der Regelung des § 55 BeamtVG dazu führte, dass trotz der verhältnismäßig kurzen Dienstzeit neben der Rentenleistung gleichwohl das (nahezu) ungekürzte Mindestruhegehalt zu gewähren wäre (vgl. OVG NW, U. v. 16.1.2008 -21 A 2098/06 - IÖD 2008, 91 m. w. N.). Nach dem gesetzgeberischen Willen war diese ergänzende Ruhensregelung dadurch gerechtfertigt, dass die Sicherung des Existenzminimums ausschließlich durch die Mindestversorgung nur bis zu einem Zeitpunkt nötig ist, ab dem eine Rente i. S. d. § 55 BeamtVG aufgrund einer vorangegangenen Arbeitnehmertätigkeit gewährt wird (vgl. OVG NW, U. v. 16.1.2008 a. a. O. sowie die Gesetzesbegründing in BT-Drs. 12/5919 S. 17). Der Gesetzgeber unterscheidet dabei nicht danach, aus welchem Grund im Einzelnen eine Rente gewährt wird, sondern erfasst grundsätzlich alle Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen (vgl. § 55 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG), also auch Renten wegen Kindererziehungszeiten.

Nachdem Renten wegen Kindererziehungszeiten (ebenso wie die Zuschläge nach §§ 50a, 50b BeamtVG) in der Regel höchstens die Höhe von wenigen 100 Euro erreichen (vgl. zur Berechnung nach den entsprechenden rentenrechtlichen Bestimmungen Plog/Wiedow, BBG, Bd. 2, § 50a BeamtVG Rn. 58 ff.) und das erdiente Ruhegehalt bei Beamten mit solchen Rentenansprüchen aufgrund der meist geringeren Dienstzeiten in der Regel relativ weit unter dem Mindestruhegehalt nach § 14 Abs. 4 BeamtVG liegt (vgl. etwa den Fall der Klägerin, bei der das erdiente Ruhegehalt ohne Anrechnung der Zuschläge bei knapp 1.000 Euro liegen würde), führt die Ruhensvorschrift des § 14 Abs. 5 BeamtVG bei Beamten mit solchen Rentenansprüchen bei Erreichen der Regelaltersgrenze in der Regel dazu, dass sie vom Dienstherrn entsprechend weniger ausbezahlt bekommen und daher einschließlich Rente höchstens Beträge in Höhe des Mindestruhegehalts zur Verfügung haben. Durch die Regelung des § 50e BeamtVG würden sie dagegen vor Erreichen dieser Altersgrenze immer die (volle) Mindestversorgung zuzüglich des Zuschlags nach § 50e BeamtVG erhalten und deshalb systemwidrig überversorgt werden.

b) Zum Anderen führt die Anrechnung von Zuschlägen wegen Kindererziehung nach §§ 50a, 50b BeamtVG auf das Mindestruhegehalt wegen der Regelung des § 14 Abs. 5 BeamtVG nach Erreichen der Regelaltersgrenze zu einer Besserstellung von Beamten, die während der Kindererziehungszeit im Beamtenverhältnis gestanden sind und daher aus diesem Grund keine diesbezügliche Rente beziehen, gegenüber Beamten mit Rentenansprüchen wegen Kindererziehungszeiten. Beamte ohne solche Rentenansprüche würden nämlich bei Erfüllung der jeweiligen Voraussetzungen ohne Ausnahme ihr Mindestruhegehalt nach § 14 Abs. 4 BeamtVG zuzüglich der Kindererziehungszuschläge nach §§ 50a, 50b BeamtVG erhalten. Demgegenüber würde, wie oben bereits dargelegt, die Ruhensregelung des § 14 Abs. 5 BeamtVG in der Regel dazu führen, dass Beamte mit Rentenansprüchen vom Dienstherrn entsprechend weniger ausbezahlt bekommen und daher einschließlich Rente höchstens Beträge in Höhe des Mindestruhegehalts zur Verfügung haben.

c) Aus diesen Gründen schließt sich der Senat der überwiegend in der Literatur vertretenen Auffassung an, dass das Mindestruhegehalt bereits vor Einfügung des Satzes 2 in § 50a Abs. 7 BeamtVG durch das Dienstrechtsneuordnungsgesetz nicht um die Zuschläge nach §§ 50a, 50b, 50e BeamtVG zu erhöhen war (vgl. die Nachweise bei NdsOVG, B. v. 16.4.2014 - 5 LA 13/14 - juris Rn. 11). Dieser Auffassung neigt auch das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 22. Juli 2011 - 10 A 10132/11 - (DÖD 2011, 293) zu und verweist insbesondere darauf, dass das Mindestruhegehalt aufgrund des ganz anderen Berechnungsmodells nichts mit dem Kindererziehungszuschlag zu tun habe.

4. Die danach gefundene Auslegung verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht. Sie ist insbesondere mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bzw. mit den europarechtlichen Diskriminierungsverboten vereinbar.

Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, wesentlich Gleiches gleich zu behandeln, wesentlichen Unterschieden hingegen normativ Rechnung zu tragen. Er stellt es dem Normgeber aber frei, aufgrund autonomer Wertungen Differenzierungsmerkmale auszuwählen, an die er eine Gleich- oder Ungleichbehandlung anknüpft. Betrifft die zu prüfende Maßnahme oder Regelung ein Gebiet, in dem der Normgeber über ein weites Ermessen verfügt - wie dies im Besoldungs- und Versorgungsrecht der Fall ist -, so ist ein Gleichheitsverstoß nur dann anzunehmen, wenn sich im Hinblick auf die Eigenart des geregelten Sachbereichs ein vernünftiger, einleuchtender Grund für die Regelung schlechthin nicht finden lässt, die Regelung also willkürlich erscheint (vgl. BVerwG, U. v. 24.11.2011 - 2 C 57.09 - BVerwGE 141, 210 Rn. 31 ff.).

Das Mindestruhegehalt nach § 14 Abs. 4 BeamtVG dient - wie oben bereits ausgeführt - der Sicherung des Existenzminimums bei Alter und Invalidität, stellt also eine grundsätzlich jedem Beamten nach dem Alimentationsgrundsatz zu gewährende Grundsicherung dar (vgl. BVerwG, U. v. 23.6.2005 - 2 C 25.04 - BVerwGE 124, 19 zur amtsbezogenen Mindestversorgung nach § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung in BT-Drs. 11/5136 S. 23). Sie wird pauschalierend und generalisierend sowie unabhängig davon gewährt, welche Erwerbsbiographie der einzelne Beamte hinter sich hat und wie sein erdientes Ruhegehalt (einschließlich etwaiger Zuschläge) zu berechnen ist. Die Zuschläge nach §§ 50a ff. BeamtVG sind nur insoweit von Bedeutung, als sie als Rechengröße bei der Berechnung des erdienten Ruhegehalts nach § 14 Abs. 1 BeamtVG anzusetzen sind. Soweit dieses so berechnete erdiente Ruhegehalt im Vergleich zum amtsbezogenen oder amtsunabhängigen Mindestruhegehalt ungünstiger ist, geht es quasi in dem Mindestruhegehalt „unter“ (OVG RhPf., U. v. 22.7.2011 - 10 A 10132/11 - DÖD 2011, 293). Allerdings spielen die Zuschläge insbesondere insoweit weiterhin zugunsten des Beamten eine Rolle, als sie im Rahmen des § 14 Abs. 5 BeamtVG als Bestandteil des erdienten Ruhegehalts nach § 14 Abs. 1 BeamtVG den Unterschiedsbetrag zum Mindestruhegehalt und dadurch den möglichen Ruhensbetrag vermindern.

Dieses andere Berechnungsmodell ist ein sachlicher Grund für die Differenzierung bei der Gewährung von Kindererziehungszuschlägen beim erdienten Ruhegehalt einerseits und der Mindestversorgung andererseits. Dies gilt umso mehr, da, wie ausgeführt, es ansonsten aufgrund der Vorschrift des § 14 Abs. 5 BeamtVG gerade innerhalb der begünstigten Gruppe zu nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlungen käme. Demgegenüber ist hinzunehmen, dass der Kompensationszweck der §§ 50a ff. BeamtVG, nämlich Beamte mit Kindererziehungszeiten versorgungsrechtlich besser zu stellen als solche Beamte, die bei ansonsten gleicher Erwerbsbiographie keine entsprechenden Zeiten vorweisen können, bei allen Empfängern des Mindestruhegehalts leerläuft. Dies ist auch dadurch zu rechtfertigen, dass das Mindestruhegehalt jedenfalls höher sein muss als das erdiente Ruhegehalt einschließlich der Zuschläge wegen Kindererziehung. Nachdem diese Folge sämtliche Empfänger einer Mindestversorgung trifft und nicht erkennbar ist, dass mehr Frauen als Männer eine solche beziehen, liegt auch keine Diskriminierung wegen des Geschlechts vor (vgl. OVG RhPf, U. v. 22.7.2011 - 10 A 10132/11 - DÖD 2011, 293; BVerwG, B. v. 17.4.2013 - 2 B 109.11 - juris Rn. 11).

II. Die Klägerin hat auch für die Zeit ab März 2009 keinen Anspruch auf Gewährung der Zuschläge nach §§ 50a, 50b BeamtVG in der Fassung, die sie durch das Dienstrechtsneuordnungsgesetz vom 25. Februar 2009 (BGBl. I S. 160) mit Wirkung vom 12. Februar 2009 erlangt haben. Der neu eingefügte § 50a Abs. 7 Satz 2 BeamtVG, der ausdrücklich regelt, dass das Mindestruhegehalt nicht um den Kindererziehungszuschlag (und die entsprechenden weiteren Zuschläge) zu erhöhen ist, ist - wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt - nur klarstellender Natur (vgl. auch die Gesetzesbegründung in BT-Drs. 16/7076 S. 160). Fragen bezüglich einer möglichen Rückwirkung stellen sich somit nicht.

Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 Abs. 2 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Zulassung der Revision: § 132 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 127 BRRG.

(1) Der für die Gewährleistung des Existenzminimums notwendige Lebensunterhalt umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile, persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens sowie Unterkunft und Heizung. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft; dies gilt in besonderem Maß für Kinder und Jugendliche. Für Schülerinnen und Schüler umfasst der notwendige Lebensunterhalt auch die erforderlichen Hilfen für den Schulbesuch.

(2) Der gesamte notwendige Lebensunterhalt nach Absatz 1 mit Ausnahme der Bedarfe nach dem Zweiten bis Vierten Abschnitt ergibt den monatlichen Regelbedarf. Dieser ist in Regelbedarfsstufen unterteilt; für Abgrenzung und Höhe der Regelbedarfsstufen sind zu berücksichtigen:

1.
bei Kindern und Jugendlichen altersbedingte Unterschiede,
2.
bei Erwachsenen die Art der Unterkunft, in der sie leben, und zusätzlich bei in Wohnungen oder sonstigen Unterkünften nach § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 und 3 lebenden Erwachsenen, ob sie in einer Paarbeziehung oder ohne Paarbeziehung zusammenleben.

(3) Für Leistungsberechtigte nach diesem Kapitel sind zur Deckung der Regelbedarfe, die sich nach den Regelbedarfsstufen der Anlage zu § 28 ergeben, monatliche Regelsätze als Bedarf anzuerkennen; dies gilt nicht für Leistungsberechtigte, deren notwendiger Lebensunterhalt sich nach § 27b bestimmt. Der Regelsatz stellt einen monatlichen Pauschalbetrag zur Bestreitung des Regelbedarfs dar, über dessen Verwendung die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich entscheiden; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen. Besteht die Leistungsberechtigung für weniger als einen Monat, ist der Regelsatz anteilig als Bedarf anzuerkennen. Zur Deckung der Regelbedarfe von Personen, die in einer sonstigen Unterkunft oder vorübergehend nicht in einer Unterkunft untergebracht sind, sind als Bedarfe monatliche Regelsätze anzuerkennen, die sich in entsprechender Anwendung der Regelbedarfsstufen nach der Anlage zu § 28 ergeben.

(4) Im Einzelfall wird der Regelsatz abweichend von der maßgebenden Regelbedarfsstufe festgesetzt (abweichende Regelsatzfestsetzung), wenn ein durch die Regelbedarfe abgedeckter Bedarf nicht nur einmalig, sondern für eine Dauer von voraussichtlich mehr als einem Monat

1.
nachweisbar vollständig oder teilweise anderweitig gedeckt ist oder
2.
unausweichlich in mehr als geringem Umfang oberhalb durchschnittlicher Bedarfe liegt, wie sie sich nach den bei der Ermittlung der Regelbedarfe zugrundeliegenden durchschnittlichen Verbrauchsausgaben ergeben, und die dadurch bedingten Mehraufwendungen begründbar nicht anderweitig ausgeglichen werden können.
Bei einer abweichenden Regelsatzfestsetzung nach Satz 1 Nummer 1 sind für die monatlich ersparten Verbrauchsausgaben die sich nach § 5 Absatz 1 oder nach § 6 Absatz 1 des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes für die jeweilige Abteilung ergebenden Beträge zugrunde zu legen. Beschränkt sich die anderweitige Bedarfsdeckung auf einzelne in die regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben je Abteilung eingegangenen Verbrauchspositionen, sind die regelbedarfsrelevanten Beträge zugrunde zu legen, auf denen die in § 5 Absatz 1 und § 6 Absatz 1 des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes genannten Beträge für die einzelnen Abteilungen beruhen. Für Leistungsberechtigte, denen Bedarfe nach § 34 Absatz 4 Satz 1 und Absatz 6 Satz 1 anzuerkennen sind, ist Satz 1 Nummer 1 nicht anwendbar. Für Leistungsberechtigte, die in einer Unterkunft nach § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 leben und denen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach § 42a Absatz 5 und 6 anzuerkennen sind, ist Satz 1 Nummer 1 nicht anwendbar für Bedarfe, die durch einen Vertrag über die Überlassung von Wohnraum nach § 42a Absatz 5 Satz 6 Nummer 1, 3 und 4 gedeckt werden. Für Leistungsberechtigte, denen ein Mehrbedarf nach § 42b Absatz 2 anzuerkennen ist, ist Satz 1 für die dadurch abgedeckten Aufwendungen nicht anwendbar.

(5) Sind minderjährige Leistungsberechtigte in einer anderen Familie, insbesondere in einer Pflegefamilie, oder bei anderen Personen als bei ihren Eltern oder einem Elternteil untergebracht, so wird in der Regel der individuelle Bedarf abweichend von den Regelsätzen in Höhe der tatsächlichen Kosten der Unterbringung festgesetzt, sofern die Kosten einen angemessenen Umfang nicht übersteigen.

(1) Liegen die Ergebnisse einer bundesweiten neuen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe vor, wird die Höhe der Regelbedarfe in einem Bundesgesetz neu ermittelt.

(2) Bei der Ermittlung der bundesdurchschnittlichen Regelbedarfsstufen nach § 27a Absatz 2 sind Stand und Entwicklung von Nettoeinkommen, Verbraucherverhalten und Lebenshaltungskosten zu berücksichtigen. Grundlage hierfür sind die durch die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe nachgewiesenen tatsächlichen Verbrauchsausgaben unterer Einkommensgruppen.

(3) Für die Ermittlung der Regelbedarfsstufen beauftragt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales das Statistische Bundesamt mit Sonderauswertungen, die auf der Grundlage einer neuen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe vorzunehmen sind. Sonderauswertungen zu den Verbrauchsausgaben von Haushalten unterer Einkommensgruppen sind zumindest für Haushalte (Referenzhaushalte) vorzunehmen, in denen nur eine erwachsene Person lebt (Einpersonenhaushalte), sowie für Haushalte, in denen Paare mit einem Kind leben (Familienhaushalte). Dabei ist festzulegen, welche Haushalte, die Leistungen nach diesem Buch und dem Zweiten Buch beziehen, nicht als Referenzhaushalte zu berücksichtigen sind. Für die Bestimmung des Anteils der Referenzhaushalte an den jeweiligen Haushalten der Sonderauswertungen ist ein für statistische Zwecke hinreichend großer Stichprobenumfang zu gewährleisten.

(4) Die in Sonderauswertungen nach Absatz 3 ausgewiesenen Verbrauchsausgaben der Referenzhaushalte sind für die Ermittlung der Regelbedarfsstufen als regelbedarfsrelevant zu berücksichtigen, soweit sie zur Sicherung des Existenzminimums notwendig sind und eine einfache Lebensweise ermöglichen, wie sie einkommensschwache Haushalte aufweisen, die ihren Lebensunterhalt nicht ausschließlich aus Leistungen nach diesem oder dem Zweiten Buch bestreiten. Nicht als regelbedarfsrelevant zu berücksichtigen sind Verbrauchsausgaben der Referenzhaushalte, wenn sie bei Leistungsberechtigten nach diesem Buch oder dem Zweiten Buch

1.
durch bundes- oder landesgesetzliche Leistungsansprüche, die der Finanzierung einzelner Verbrauchspositionen der Sonderauswertungen dienen, abgedeckt sind und diese Leistungsansprüche kein anrechenbares Einkommen nach § 82 oder § 11 des Zweiten Buches darstellen oder
2.
nicht anfallen, weil bundesweit in einheitlicher Höhe Vergünstigungen gelten.

(5) Die Summen der sich nach Absatz 4 ergebenden regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben der Referenzhaushalte sind Grundlage für die Prüfung der Regelbedarfsstufen, insbesondere für die Altersabgrenzungen bei Kindern und Jugendlichen. Die nach Satz 1 für die Ermittlung der Regelbedarfsstufen zugrunde zu legenden Summen der regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben aus den Sonderauswertungen sind jeweils mit der sich nach § 28a Absatz 2 ergebenden Veränderungsrate entsprechend fortzuschreiben. Die sich durch die Fortschreibung nach Satz 2 ergebenden Summenbeträge sind jeweils bis unter 0,50 Euro abzurunden sowie von 0,50 Euro an aufzurunden und ergeben die Regelbedarfsstufen (Anlage).

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.