Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 29. Nov. 2017 - AN 4 K 16.02167

bei uns veröffentlicht am29.11.2017
nachgehend
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 10 ZB 18.126, 06.12.2018

Gericht

Verwaltungsgericht Ansbach

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die im Bescheid vom 13. Oktober 2016 unter den Ziffern 1.9, soweit angefochten, 1.15 und 1.16 angeordneten versammlungsrechtlichen Beschränkungen rechtswidrig waren.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den bis zur Abtrennung des Verfahrens mit dem Aktenzeichen AN 4 K 17.02473 angefallenen Verfahrenskosten trägt die Beklagte 4/5, der Kläger 1/5. Von den ab der Abtrennung des Verfahrens mit dem Aktenzeichen AN 4 K 17.02473 angefallenen Verfahrenskosten trägt die Beklagte 3/4, der Kläger 1/4.

Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.

3. Die jeweiligen Beteiligten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der jeweils andere Teil vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit verschiedener versammlungsrechtlicher Auflagen durch Bescheid der beklagten Stadt … vom 13. Oktober 2016.

Mit Schreiben vom 3. Oktober 2016 meldete … für den Kläger eine sich fortbewegende Versammlung unter freiem Himmel zu dem Thema „Gegen Asylmissbrauch!“ für den 15. Oktober 2016 in der Zeit von 14.30 Uhr bis 21.00 Uhr unter Angabe einer Wegstrecke von der …Ecke … bis zur … in … an. Die Teilnehmerzahl wurde mit ca. 50 Personen angegeben. Als Kundgebungsmittel wurden u.a. Trommeln, Seitentransparente, Bengalisches Licht sowie Fackeln genannt.

An dem für Freitag, den 7. Oktober 2016 von der Beklagten anberaumten Kooperationsgespräch nahm für den Kläger niemand teil, weil man in der Vergangenheit damit negative Erfahrungen gemacht habe, wie Herr … für den Kläger per Email am 6. Oktober 2016 mitteilte.

Am 13. Oktober 2016 erließ die Beklagte den streitgegenständlichen versammlungsrechtlichen Bescheid, wobei weder die angezeigte Wegstrecke noch die angegebene Uhrzeit der Versammlung verändert wurden. Der Bescheid enthält u.a. folgende Auflagen:

„1.9 Das Mitführen sowie der Einsatz von Trommeln ist insoweit untersagt, als diese zur Herstellung eines militärisch anmutenden Aufzuges verwendet werden. Die Trommeln dürfen keinen Marschtakt erzeugen und nicht gleichzeitig mit Fackeln verwendet werden. (…) 1.15 Seitentransparente dürfen eine Höhe von 1 m und eine Länge von 3 m nicht überschreiten. Zwischen den einzelnen Seitentransparenten ist ein Abstand von mindestens 3 m einzuhalten. Eine Verbindung zwischen den einzelnen Seitentransparenten ist nicht zulässig (…).

1.16 Der Kopfbereich der Teilnehmer darf durch Transparente nicht verdeckt werden (…).

1.17 Eventuelle Musikdarbietungen, Textlesungen und szenarische Darbietungen müssen einen unmittelbaren Bezug zum Thema der Versammlung haben (…).

1.20 Es dürfen keine pyrotechnischen Gegenstände, wie Bengalisches Licht und Rauchtöpfe (Kategorie 1 und T1) mitgeführt und verwendet werden. Dies gilt gleichermaßen für die Auftakt-, Zwischen- und Abschlusskundgebung (stationär) als auch die sich fortbewegende Versammlung.“

Zur Begründung der Auflage in Ziffer 1.9 wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das Trommeln im Marschtakt und Marschieren in Formation dem Aufzug ein paramilitärisches Gepräge verleihen und dadurch eine einschüchternde Wirkung hervorrufen würde. Bereits das Thema der Versammlung „Gegen Asylmissbrauch“ lasse darauf schließen, dass im Ansatz eine provozierende und einschüchternde Wirkung erzielt werden solle. Gleichwohl werde ein generelles Verbot von Trommeln und Fackeln nicht für erforderlich erachtet (unter Bezug auf BayVGH, U.v. 25.5.2010 – 10 BV 09.1480). Durch die Beschränkung solle das Entstehen einer einschüchternden Wirkung auf Unbeteiligte vermieden werden. Die durch die Auflage unterbundene Art und Weise sei dazu geeignet, unbefangene Beobachter zu verängstigen und Gegner der Versammlung zu wechselseitigen Gewalttätigkeiten zu provozieren. Dies gelte umso mehr, als das einschlägige Grundrecht der Versammlungsfreiheit in Art. 8 GG zwar Versammlungen schütze, nicht aber solche mit paramilitärischen oder sonst einschüchternden Begleitumständen (unter Hinweis auf BVerfG, B.v. 7.4.2001, NJW 2001, 2072, 2074).

Die unter Ziffer 1.15 und 1.16 erlassenen Auflagen wurden im Wesentlichen damit begründet, dass das seitliche Tragen von Transparenten auf Kopfhöhe darauf ausgerichtet sein könne, die Identifizierung von Teilnehmern zu erschweren bzw. zu verhindern. Dies würde die Begehung von Straftaten aus der Menge heraus erleichtern. Durch die zusätzliche Verwendung von Seilen zur Verstärkung der Transparente werde zudem ein schneller Zugriff auf erkannte Straftäter erschwert oder verhindert. Ein anderer Grund für das seitliche Mitführen von Transparenten sei nicht ersichtlich. Eine Einschränkung der Versammlungsfreiheit sei nicht gegeben, weil das geschlossene Mitführen von Seitentransparenten oder gar Seilen für eine ausreichende Meinungskundgabe nicht erforderlich sei.

Für die Auflage in Ziffer 1.17 enthält der Bescheid keine Begründung.

Zur Begründung der Auflage in Ziffer 1.20 wird darauf hingewiesen, dass in Anbetracht des Themas und der Zeitdauer sowie des Verlaufs bisheriger Versammlungen des „…“ lautstarke Meinungskonfrontationen und Blockadeversuche von Gegendemonstranten zu erwarten seien. Bei der räumlichen Enge der Versammlung stelle Pyrotechnik, wie Rauchtöpfe und Bengalische Fackeln, grundsätzlich eine erhebliche Verletzungs- bzw. Gesundheitsgefahr für die Versammlungsteilnehmer und Unbeteiligte dar. So könnten beim Abbrennen einer Bengalischen Fackel Temperaturen von mehreren tausend Grad entstehen. Diese Gefahr gelte es wirksam zu verhindern. Der entstehende Rauch könne außerdem so dicht sein, dass er im Fall einer Panik im dichten Versammlungsgeschehen auch die Fluchtmöglichkeiten einschränken würde. Pyrotechnik dieser Art stelle eine akute Gefährdung für alle Versammlungsteilnehmer, Teilnehmer von Gegenkundgebungen, Anwohner und unbeteiligte Personen dar. Außerdem liege die Vermutung nahe, dass auch der Einsatz dieser Mittel darauf ausgerichtet sei, eine insgesamt martialische und einschüchternde Wirkung zu erzielen.

Durch Schriftsatz vom 4. November 2016, beim Verwaltungsgericht Ansbach am 8. November 2016 eingegangen, ließ der Kläger Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 13. Oktober 2016 erheben und folgenden Klageantrag stellen:

„Es wird festgestellt, dass die folgenden Auflagenteile in dem Bescheid der Beklagten gegen den Kläger vom 13. Oktober 2016 rechtswidrig sind: 1) Auflage 1.9 hinsichtlich der Worte „und nicht gleichzeitig mit Fackeln verwendet werden“, 2) Auflage 1.15, 3) Auflage 1.16, 4) Auflage 1.17, 5) Auflage 1.20 hinsichtlich der Worte „Bengalisches Licht‘.“

Zur Begründung der Klage wurde im Wesentlichen vorgetragen, dass diese als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig sei. Das Feststellungsinteresse für die Klage ergebe sich zum einen aus der Wiederholungsgefahr. Denn der Kläger beabsichtige, auch in Zukunft Versammlungen in der Stadt … durchzuführen. Es sei zu erwarten, dass die Beklagte erneut die angefochtenen Auflagen verfüge und dass bei einem Verstoß gegen diese eine Auflösung der Versammlung erfolgen werde. Das Feststellungsinteresse ergebe sich zum anderen aus der schweren Grundrechtsbeeinträchtigung. Der Kläger habe auf Grund der angefochtenen Auflagen die Versammlung in wesentlichen Punkten nicht so durchführen können, wie er es geplant hätte, also ohne verschiedene seiner Gestaltungsmöglichkeiten. Damit habe die Versammlung eigentlich gar nicht mehr den Charakter gehabt, den sich der Kläger vorgestellt habe. Es sei nicht mehr „seine“ Versammlung, sondern eine andere gewesen. Der Kläger sei als Gebietsverband der jeweils höchsten Stufe der politischen Partei „…“ gemäß § 3 Parteiengesetz in sämtlichen gerichtlichen Verfahren parteifähig.

Die Klage sei begründet, weil die angefochtenen Auflagen rechtswidrig seien und den Kläger in seinen Grundrechten aus Art. 8 GG und Art. 5 Abs. 1 GG verletzen würden. Die Beklagte könne sich hinsichtlich der Auflagen nicht auf § 15 Abs. 1 Versammlungsgesetz berufen, weil nach den erkennbaren Umständen keine unmittelbare, konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung vorgelegen habe. Es habe vielmehr nur eine abstrakte Gefahr bestanden, was jedoch den Erlass von Auflagen nicht rechtfertige. Die Beklagte habe insbesondere die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, welche im Beschluss vom 19. Dezember 2007, 1 BvR 2793/04, zum Ausdruck komme, unberücksichtigt gelassen. Zu den angefochtenen Auflagen führt die Klage im Einzelnen aus:

Die von der Beklagten angenommene paramilitärische und einschüchternde Wirkung durch die gleichzeitige Verwendung von Fackeln und Trommeln sei nicht gegeben. Weshalb diese Wirkung überhaupt eintreten solle, werde nicht begründet, sondern die Beklagte stelle nur eine diesbezügliche Behauptung auf. Denn selbst bei Beachtung des rechtsgerichteten Gedankengutes des Klägers bejahe die Rechtsprechung eine einschüchternde Wirkung durch die gleichzeitige Verwendung von Fackeln und Trommeln nicht. Weder Zeitpunkt noch Ort noch Motto der Versammlung gegen Asylmissbrauch würden ein symbolhaftes Nachspielen einer nationalsozialistischen Veranstaltung nahelegen (unter Hinweis auf BayVGH, U.v. 25.5.2010 – 10 BV 09.1480). Die Stadt … im Jahre 2016 und eine Versammlung gegen Asylmissbrauch würden ausschließlich die Gegenwart, nicht aber die Vergangenheit betreffen. Außerdem sei darauf hinzuweisen, dass die Trommeln nach der angefochtenen Auflage ohnehin keinen Marschtakt erzeugen dürften, so dass eine paramilitärische oder nationalsozialistische Wirkung durch den Einsatz der Trommeln ausgeschlossen worden sei. Überdies sei in der Auflage 1.10 die Zahl der Fackeln auf eine je zehn Teilnehmer beschränkt worden. Dies mildere eine einschüchternde Wirkung der Fackeln, so sie denn überhaupt stattfinde, nochmals ab. Die Beklagte habe beim Erlass der Auflage kein Ermessen ausgeübt. Sie habe keine Abwägung zwischen den öffentlichen Belangen, z.B. dem öffentlichen Frieden und den Belangen des Klägers, nämlich den ihm zustehenden Grundrechten auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit, vorgenommen und die Grundrechte des Klägers noch nicht einmal erwähnt. Bereits dies mache die Auflage rechtswidrig.

Eine Auflage, wie sie in Ziffer 1.15 vorgenommen worden sei, sei nur dann rechtmäßig, wenn Vorfälle aus der Vergangenheit vorliegen würden, bei denen durch den Veranstalter der Versammlung ein solcher Missbrauch durch Seitentransparente betrieben worden sei (so BayVGH, B.v. 3.10.2014 – 10 CS 14.2156). Bei dem Kläger habe es aber solche Vorfälle nicht gegeben. Die Beklagte trage daher auch nichts dazu vor. Es habe somit im Hinblick auf die Versammlung des Klägers nur eine abstrakte, keine konkrete Gefahr bestanden, was die Auflage rechtswidrig mache. Außerdem sei es ohnehin nicht notwendig, bei einem Aufzug alle Teilnehmer zu identifizieren. Eine Identifizierung sei nur dann notwendig, wenn die Teilnehmer eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begehen würden. Die Beklagte sei darauf zu verweisen, auf Grund welcher Rechtsgrundlage es rechtmäßig sein solle, alle Versammlungsteilnehmer identifizieren zu wollen. Auch bei dieser Auflage sei von der Beklagten kein Ermessen ausgeübt worden.

Hinsichtlich der Auflage 1.16 (keine Transparente im Kopfbereich) führt die Klage aus, dass die Durchführung dieser Auflage unmöglich sei. Ein Aufzug sei ein sehr dynamisches Geschehen, in dem sich Menschen und die von ihnen benutzten Gestaltungsmittel der Versammlung, z.B. Transparente, ständig bewegen würden. Angesichts dieser Dynamik lasse es sich nicht vermeiden, dass ab und zu Transparente so gehalten würden, dass sie den Kopfbereich von Teilnehmern verdecken. Dies zu verhindern, sei unmöglich, weil kein Versammlungsteilnehmer mit einem Transparent jederzeit die Kopfhöhe aller anderen Teilnehmer im Blick haben und daher die Auflage einfach nicht befolgen könne. Dabei werde auch nicht erklärt, von welchem Blickwinkel aus das Verdecken des Kopfbereiches der Versammlungsteilnehmer wahrgenommen werden solle. So könne der Blickwinkel eines Polizisten gemeint sein, also der Blickwinkel auf gleicher Höhe mit den Versammlungsteilnehmern, oder der Blickwinkel einer Filmkamera, die z.B. auf einem Polizeiwagen oder sogar einem Hubschrauber befestigt sein könne. Dabei handele es sich jeweils um ganz andere Blickwinkel, und ein Teilnehmer mit einem Transparent könne unmöglich alle diese verschiedenen Blickwinkel beachten und diese Auflage befolgen. Zudem habe es bei dem Kläger keine Vorfälle gegeben, bei denen durch Transparente die Identifizierung von Straftätern erschwert oder behindert worden sei. Die Beklagte trage hierzu auch nichts vor. Es habe daher im Hinblick auf die Versammlung des Klägers nur eine abstrakte, keine konkrete Gefahr bestanden.

Hinsichtlich der Auflage 1.17 (unmittelbarer Bezug von Musikdarbietungen usw. zum Thema der Versammlung) wies die Klägervertreterin darauf hin, dass diese noch nicht einmal begründet worden sei.

Hinsichtlich der Auflage 1.20 (Bengalisches Licht) bestehe die von der Beklagten angenommene erhebliche Verletzungs- und Gesundheitsgefahr nicht. Der Kläger habe nämlich lediglich beabsichtigt, nur solche Bengalischen Lichter zu verwenden, die von der Bundesanstalt für Materialforschung und Prüfung mit der Kategorisierung T1 versehen worden seien. Diese würden keine Gesundheitsgefährdung hervorrufen. Die Klägervertreterin führt insoweit aus, dass nur zwei Versammlungsteilnehmer derartige Bengalische Lichter tragen sollten. Sie hätten sich am Versammlungsort zu Beginn des Aufzuges rechts und links der Versammelten aufstellen sollen, so dass die Versammlungsteilnehmer zwischen diesen beiden Personen und damit gewissermaßen durch ein Lichtertor hindurchgehen sollten, um den Aufzug zu beginnen. Außerdem hätten diese beiden Lichtträger bei der Zwischenkundgebung und der Abschlusskundgebung jeweils rechts und links von dem Redner stehen sollen, so dass er ebenfalls gewissermaßen in einem Lichtertor gestanden hätte. Auf diese Weise wäre sichergestellt worden, dass keine unkontrollierten, plötzlichen Bewegungen von Versammlungsteilnehmern im Hinblick auf das Bengalische Licht stattfinden könnten. Kein Teilnehmer wäre unvorhergesehen mit dem Bengalischen Licht in Berührung gekommen, so dass auch keine Körperverletzungen hätten erfolgen können. Denn die Teilnehmer hätten ja die beiden Lichtträger gesehen und wären schon aus eigenem Interesse vorsichtig durch das Lichtertor durchgegangen, ohne den Trägern und dem Licht zu nahe zu kommen. Die Redner mit den Lichtträgern hätten von den Versammlungsteilnehmern in einem gewissen Abstand entfernt stehen sollen, so dass diese mit dem Bengalischen Licht gar nicht in Berührung gekommen wären. Da alle Personen gestanden hätten, hätte keine Gefahr unkontrollierter Bewegungen bestanden. Zwei Bengalische Lichter hätten der Versammlung auch kein martialisches und einschüchterndes Gepräge gegeben.

Durch Schriftsatz vom 23. Dezember 2016 trat die Beklagte der Klage entgegen und führte im Hinblick auf die angefochtenen Auflagen aus, dass ein Marschieren in Formation unter gleichzeitiger Verwendung von Trommeln und Fackeln dem Aufzug des Klägers ein paramilitärisches Gepräge und eine einschüchternde Wirkung verliehen hätte. Der Begriff paramilitärisch (Art. 7 Nr. 2 BayVersG) bezeichne Verhaltensweisen, die an militärisches Auftreten angelehnt seien, den Eindruck eines geschlossenen Verbandes und einer zumindest potentiellen Kampfbereitschaft vermitteln würden. Ein Beispiel für eine solche Verhaltensweise könne das Auftreten oder Marschieren unter Trommelbegleitung sein. Entscheidend seien die Umstände des Einzelfalles. Einzelne für sich genommen unbedenkliche Verhaltensweisen könnten in der Zusammenschau mit anderen einer Versammlung einen paramilitärischen Charakter verleihen. Im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit der Auflage weist die Beklagte darauf hin, dass nicht die generelle Verwendung von Trommeln und/oder Fackeln verboten worden sei, sondern lediglich deren gleichzeitige Verwendung (unter Hinweis auf BayVGH, B.v. 25.2.2010 – 10 BV 09.1480).

Hinsichtlich der angefochtenen Auflage unter Ziffer 1.15 erklärte die Beklagte, dass bereits in der Versammlungsanzeige angegeben worden sei, dass Seitentransparente verwendet werden sollten. Die Beklagte habe auch nicht das Mitführen von Seitentransparenten generell verboten, sondern lediglich deren Ausmaße und den Abstand eingeschränkt. Dies entspreche dem in der Klagebegründung angeführten Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 3. Oktober 2014 (10 CS 14.2156). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe bereits in seiner Entscheidung vom 9. Dezember 2005 (24 CS 05.3215) ausgeführt, dass eine Auflage, wonach mitgeführte Transparente eine Breite von 3 m nicht überschreiten dürften, keinen Bedenken begegne. Nach Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs erscheine es sinnvoll, die Verwendung von Längstransparenten deshalb zu unterbinden, um es der Polizei zu ermöglichen bei gegebenem Anlass störende Teilnehmer aus der Menge entfernen zu können, ohne daran gehindert werden zu können.

Hinsichtlich der Auflage 1.16 werde auf die Begründung des Bescheids vom 13. Oktober 2016 verwiesen. Die Beschränkung diene dem Zweck, eine Identifizierung von Teilnehmern im Bedarfsfall zu ermöglichen. Weshalb dieser Beschränkung nicht nachgekommen werden könne, werde nicht dargelegt. Durch die angefochtene Beschränkung werde in keiner Weise die Wirksamkeit der Versammlung eingeschränkt.

Zu der Auflage 1.20 erklärte die Beklagte, dass von einem „Bengalischen Licht“ der Klasse T1 in einem dichten Versammlungsgeschehen mit lautstarken Meinungskonfrontationen und Blockadeversuchen beträchtliche Gefahren ausgehen würden.

Da kein Vertreter des Klägers bereit gewesen sei, an einem persönlichen Kooperationsgespräch teilzunehmen, habe nur die Möglichkeit der Anhörung zu einer entsprechenden Beschränkung bestanden. Die Vertreter des Klägers hätten jedoch lediglich per Email vom 9. Oktober 2016 mitgeteilt, dass sie mit den angekündigten Beschränkungen nicht einverstanden seien. Es habe daher nicht in einem Gespräch geklärt werden können, ob bei dem konkret geplanten Einsatz möglicherweise eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung hätte ausgeschlossen werden können.

Mit bei Gericht am 27. November 2017 eingegangenem Telefax übersandte die Beklagte zur angefochtenen Auflage Ziffer 1.20 eine zusammenfassende Liste der Bundesanstalt für Materialforschung und –prüfung (BAM) über „Bescheide für Theaterpyrotechnik Kat. T1“ und führte ergänzend aus, dass in der Versammlungsanzeige nicht angegeben worden sei, welche Art von bengalischem Licht (BAM-Nummer) verwendet werden sollte. Bei pyrotechnischen Gegenständen der Kategorie T1 handele es sich um „Theaterpyrotechnik“, welche ein nicht unerhebliches Gefahrenpotential in sich berge. Aus der übersandten Liste ergebe sich, dass bei Verwendung der dort genannten pyrotechnischen Gegenstände Sicherheitsabstände einzuhalten, nichtbrennbare Unterlagen zu verwenden seien und die pyrotechnischen Gegenstände nicht auf Personen gerichtet werden dürften. Es werde zudem vor glühender Schlacke, welche abtropfen könne, und vor gesundheitsschädlichem Rauch gewarnt. Außerdem sei die Verwendung auf bestimmte Zwecke im Rahmen von Bühnen-, Film- und Fotoproduktionen sowie Musik- und Showveranstaltungen beschränkt. Diese Einschätzung werde auch von der Bauaufsicht (Feuerschau) und dem Amt für Brand- und Katastrophenschutz der Beklagten geteilt, wie von dort am 24. November 2017 mitgeteilt worden sei.

Mit weiterem bei Gericht am 28. November 2017 eingegangenem Telefax übersandte die Beklagte eine Stellungnahme des Gesundheitsamtes zur Nutzung von Theaterpyrotechnik der Kategorie T1.

Durch in der mündlichen Verhandlung am 29. November 2017 übergebenen Schriftsatz nahm die Klägervertreterin zu den aktuellen Schriftsätzen der Beklagten Stellung und führte aus, dass nach der vorgelegten Zusammenfassung der BAM zwar Sicherheitsabstände einzuhalten seien, diese aber unter Berücksichtigung der vom Kläger beabsichtigten konkreten Verwendung von bengalischem Licht auch eingehalten worden wären. Die Beklagte hätte daher die Vorgaben der BAM übernehmen müssen, die vollständige Untersagung in Ziffer 1.20 stelle sich dagegen als unverhältnismäßig dar.

In der mündlichen Verhandlung am 29. November 2017 erklärte die Beklagte, eine Auflage wie die unter Ziffer 1.17 des angefochtenen Bescheids in Zukunft nicht mehr zu verwenden. Die Beteiligten erklärten daraufhin das insoweit abgetrennte und fortgeführte Verfahren unter dem gerichtlichen Aktenzeichen AN 4 K 17.02473 übereinstimmend für erledigt. Insoweit wurde das Verfahren durch Beschluss in der mündlichen Verhandlung eingestellt. Im Übrigen wiederholte die Klägervertreterin ihre zuvor schriftsätzlich gestellten Anträge, und die Beklagte beantragte

Klageabweisung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Die zur Entscheidung stehende Klage ist, soweit sie sich nicht erledigt hat, zulässig und hinsichtlich der versammlungsrechtlichen Beschränkungen in Ziffer 1.9, soweit angefochten, sowie in Ziffern 1.15 und in 1.16 des Bescheids vom 13. Oktober 2016 begründet. Hinsichtlich der Auflage in Ziffer 1.20 ist die zulässige Klage hingegen unbegründet.

I.

Die Klage ist, soweit sie sich durch die prozessualen Erklärungen der Parteien in der mündlichen Verhandlung betreffend die Klage gegen die Auflage Nr. 1.17 nicht erledigt hat, zulässig.

1. Der Kläger ist beteiligtenfähig gemäß § 61 Nr. 1 VwGO i.V.m. § 3 Satz 2 Parteiengesetz (PartG). Der Kläger ist gemäß § 9 seiner Satzung in der Fassung vom 21. Dezember 2016 Gebietsverband höchster Stufe und als solcher in der Lage, zu klagen und verklagt zu werden.

Der in der mündlichen Verhandlung erschienene 1. Vorsitzende des Gebietsverbandes … des … ist dessen gesetzlicher Vertreter und damit zur Vornahme prozessualer Handlungen ermächtigt, § 62 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 11 Abs. 3 PartG.

2. Statthafte Klageart ist im Falle der Erledigung eines belastenden Verwaltungsaktes vor Klageerhebung die Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 analog VwGO. Ausdrücklich ist in § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zwar nur die prozessrechtliche Konstellation bei Erledigung eines Verwaltungsaktes nach Erhebung der Anfechtungsklage geregelt. Für den Fall der Erledigung vor Klageerhebung ist § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO jedoch analog anwendbar. Ob es sich dabei rechtsdogmatisch letztlich um eine besondere Ausprägung der Anfechtungsklage oder um eine Form der allgemeinen Feststellungsklage im Sinne von § 43 VwGO handelt, kann für den hier zu entscheidenden Fall dahin stehen, weil auch die gegenüber der Feststellungsklage engeren Voraussetzungen der Anfechtungsklage, wie z.B. die Einhaltung der Klagefrist gemäß § 74 VwGO, vorliegen. Maßgeblich ist zudem, dass im Hinblick auf die Rechtsschutzgarantie in Art. 19 Abs. 4 GG auch für bereits erledigte Verwaltungsakte eine gerichtliche Kontrolle stattfinden muss, sofern ein Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellung der Rechtswidrigkeit noch besteht (vgl. zum Streitstand: Kopp/Schenke, VwGO Kommentar, 22. Aufl., § 113, Rn. 97 ff.).

3. Der Kläger hat zudem ein berechtigtes Interesse an der nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsaktes.

Für das erforderliche Feststellungsinteresse im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO „genügt jedes nach vernünftigen Erwägungen nach Lage des Falles anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art“ (Kopp/Schenke, a.a.O., Rn. 129).

Im Bereich der versammlungsrechtlichen Verfahren sind zudem die Besonderheiten der Versammlungsfreiheit zu berücksichtigen, wenngleich nicht jeder Eingriff in die Versammlungsfreiheit ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse begründet. Im vorliegenden Fall resultiert das berechtigte Interesse des Klägers an der nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit aus der Wiederholungsgefahr. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gilt insofern Folgendes:

„(…) Stets, also auch bei der durch einstweiligen Rechtsschutz ermöglichten Durchführung der Versammlung, ist ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse bei Vorliegen einer Wiederholungsgefahr anzunehmen. Die Feststellung der Voraussetzungen einer Wiederholungsgefahr erfolgt im Zuge der Amtsermittlung durch das Gericht (vgl. Ehlers, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O., Rn. 14 zu Vorb § 40 m.w.N.; Kopp/Schenke, a.a.O., Rn. 10 zu Vorb § 40 m.w.N.). Die in diesem Zusammenhang an den Kläger zu stellenden Darlegungsanforderungen sind unter Berücksichtigung des Art. 8 GG zu konkretisieren.

Das Erfordernis der Wiederholungsgefahr setzt zum einen die Möglichkeit einer erneuten Durchführung einer vergleichbaren Versammlung durch den Kläger voraus (aa), zum anderen, dass die Behörde voraussichtlich auch zukünftig an ihrer Rechtsauffassung festhalten wird (bb).

(…) aa)

Auf Seiten des Klägers reicht es aus, wenn sein Wille erkennbar ist, in Zukunft Versammlungen abzuhalten, die ihrer Art nach zu den gleichen Rechtsproblemen und damit der gleichen Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit führen können. Angesichts des verfassungsrechtlich geschützten Rechts des Veranstalters, über das Ziel sowie die Art und Weise der Durchführung einer Versammlung selbst zu bestimmen (vgl. BVerfGE 104, 92 <111>), darf für die Bejahung des Feststellungsinteresses nicht verlangt werden, dass die möglichen weiteren Versammlungen unter gleichen Umständen, mit einem identischen Motto und am selben Ort durchgeführt werden.

bb) Ferner sind Anhaltspunkte zu fordern, dass die betroffene Behörde das Verbot solcher weiterer Versammlungen oder die Beschränkung ihrer Durchführung voraussichtlich wieder mit den gleichen Gründen rechtfertigen wird. Insofern darf vom Kläger, der regelmäßig keinen Zugang zum Willensbildungsprozess der Verwaltung hat, nicht mehr als die Darlegung verlangt werden, es gebe Anlass für die Annahme, dass beschränkende Verfügungen künftig auf die gleichen Gründe wie bei der im Streit befindlichen Versammlung gestützt werden.

(…)“

(BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 – 1 BvR 461/03 –, BVerfGE 110, 77-94, Rn. 40 ff.).

Vorliegend geht das Gericht davon aus, dass der Kläger im Zuständigkeitsbereich der Beklagten auch in Zukunft beabsichtigt, Versammlungen in einem vergleichbaren Kontext wie der hier streitgegenständlichen durchzuführen, so wie dies hinreichend schlüssig in der Klage dargelegt und von der Beklagten nicht bestritten worden ist. Auch aus der prozessualen Erklärung der Beklagten im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 29. November 2017 betreffend die nicht mehr streitgegenständliche versammlungsrechtliche Beschränkung in Ziffer 1.17, dass eine derartige Auflage in Zukunft nicht mehr beabsichtigt sei, ist im Umkehrschluss ersichtlich, dass die Beklagte aber, was die noch streitgegenständlichen Auflagen angeht, vergleichbare versammlungsrechtliche Beschränkungen weiterhin vorsehen möchte, so dass der Kläger ein berechtigtes Interesse an der gerichtlichen Klärung der Rechtmäßigkeit der hier angefochtenen Auflagen in ausreichender Weise dargetan hat. Somit ist von einer Wiederholungsgefahr auszugehen, weshalb die Klage in ihrem noch streitgegenständlichen Umfang als zulässig anzusehen ist.

II.

Die zulässige Klage mit dem vorstehend dargelegten Verfahrensgegenstand ist teilweise begründet, im Übrigen ist sie dagegen unbegründet.

1. Die versammlungsrechtliche Beschränkung in Ziffer 1.9 des Bescheids der Beklagten vom 13. Oktober 2016, soweit sie hinsichtlich der Worte „und nicht gleichzeitig mit Fackeln verwendet werden“ angefochten worden ist, stellt sich nach Auffassung des Gerichts als rechtswidrig dar.

Maßgebliche Rechtsgrundlage ist vorliegend Art. 15 Abs. 1 Bayerisches Versammlungsgesetz (BayVersG), wonach die zuständige Behörde eine Versammlung beschränkenkann, „wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist“.

Zu der von der Behörde insoweit anzustellenden Gefahrenprognose hat sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof wie folgt geäußert:

„(…)Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Versammlungsfreiheit nach Art. 8 Abs. 1 GG dürfen bei der nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG anzustellenden Prognose, ob nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit und Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist, auch beim Erlass von Beschränkungen keine zu geringen Anforderungen gestellt werden. Als Grundlage der Gefahrenprognose sind konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich. Bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen reichen hierzu nicht aus (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2012 – 1 BvR 2794/10 – juris Rn.17; B.v. 12.5.2010 – 1 BvR 2636/04 – juris Rn. 17 jeweils m.w.N.). Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Gründen für eine Beschränkung liegt dabei bei der Behörde (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2012 – 1 BvR 2794/10 – juris Rn.17; B.v. 12.5.2010 – 1 BvR 2636/04 – juris Rn. 19).“ (BayVGH, B.v.24.2. 2015 – 10 CS 15.431 –, Rn. 18, juris).

Diesen Ausführungen schließt sich das Gericht vorliegend an. Der Beklagten ging es ausweislich der Begründung der streitgegenständlichen Auflage der Beklagten darum, durch die Untersagung, Trommeln gleichzeitig mit Fackeln zu verwenden, zu verhindern, dass die angemeldete Versammlung ein paramilitärisches Gepräge mit einschüchternder Wirkung annehme. Die Beklagte zielte damit ersichtlich darauf ab, einen Verstoß gegen das sogenannte Militanzverbot in Art. 7 Nr. 2 BayVersG vorsorglich zu unterbinden. Dies stellt grundsätzlich ein legitimes Ziel im Rahmen von Art. 15 Abs. 1 BayVersG dar.

Auf das Fehlen eines symbolhaften Nachspielens gerade einer nationalsozialistischen Versammlung kommt es zwar entgegen den Ausführungen in der Klagebegründung nach Überzeugung des Gerichts hier nicht entscheidungserheblich an. Denn ausweislich der Gesetzesbegründung berücksichtigt das in Art. 7 BayVersG normierte Militanzverbot, dass Versammlungen extremistischer Gruppierungen vielfach einen Gesamteindruck vermittelten, der an militärische Aufmärsche erinnere. Dies gelte sowohl für Teilnehmer rechtsextremistischer Versammlungen, die mit einheitlicher Kleidung (Bomberjacken, Springerstiefeln mit gleichfarbigen Schnürsenkeln), Marschtritt, Trommelschlagen und schwarzen Fahnen an die Tradition der Aufmärsche von SA-Verbänden zum Ende der Weimarer Republik anknüpften. Es gelte aber auch für linksextremistische Versammlungen, bei denen sich regelmäßig militante Autonome zu sogenannten „Schwarzen Blöcken“ zusammenschlössen (vgl. Landtags-Drs. 15/10181, S. 15). Die Gefahr des symbolhaften Nachspielens einer nationalsozialistischen Versammlung ist demnach keine zwingende Voraussetzung, um von einem paramilitärischen Gepräge ausgehen zu können.

Zur Verhinderung eines paramilitärischen Gepräges der Versammlung mit gleichzeitig einschüchternder Wirkung ist nach Überzeugung des Gerichts die Auflage in Ziffer 1.9, gerade in ihrem angefochtenen Teil, vielmehr grundsätzlich geeignet. Der Einwand der Klage, auf Grund der in Ziffer 1.9 außerdem verfügten, aber nicht angefochtenen versammlungsrechtlichen Beschränkung dürften die Trommeln ohnehin keinen Marschtakt erzeugen, greift vorliegend nicht durch. Denn ein Marschtakt könnte beispielsweise auch durch lautes Rufen (Skandieren) erzeugt werden. Auch das Spielen eines Tuschs, z.B. vor Beginn eines Redebeitrages, könnte gerade unter gleichzeitiger Verwendung mit Fackeln der Versammlung ein paramilitärisches Gepräge mit einschüchternder Wirkung verleihen. Die Begründung der Beklagten, dies werde durch das Versammlungsthema „Gegen Asylmissbrauch!“ indiziert, ist insoweit nicht zu beanstanden. Auch die Anzahl der Fackeln, welche durch den versammlungsrechtlichen Bescheid auf eine Fackel je zehn Teilnehmer begrenzt worden ist, stellt die von der Beklagten angenommene konkrete Gefahr eines Verstoßes gegen Art. 7 Nr. 2 BayVersG nicht ernsthaft in Frage. Die Verwendung von einer Fackel je zehn Teilnehmer ist bei weitem nicht so untergeordnet, wie dies klägerseits angenommen wird. Hierauf kommt es jedoch streitentscheidend nicht an.

Denn ausschlaggebend für die Entscheidung des Gerichts, dass sich die Auflage in Ziffer 1.9, soweit sie angefochten worden ist, als rechtswidrig erweist, ist der hier festzustellende Ermessensausfall der Beklagten bei Anordnung der streitgegenständlichen Auflage. In der Begründung des Bescheids der Beklagten vom 13. Oktober 2016 finden sich keinerlei Ausführungen zu den – grundrechtlich geschützten – Interessen des Klägers. Im Rahmen einer Interessenabwägung hätte die Beklagte begründen müssen, weshalb im vorliegenden Fall die Interessen des Klägers hinter dem öffentlichen Interesse an einer Verhinderung eines Verstoßes gegen Art. 7 BayVersG zurücktreten.

Das Gericht verkennt dabei nicht die schwierigen Umstände, die dem Erlass des streitgegenständlichen Bescheids und der Durchführung der Versammlung vorausgegangen sind: So wurden – unbestrittenermaßen – innerhalb kürzester Zeit diverse Gegendemonstrationen bei der Beklagten angezeigt, sowohl für den 15. Oktober als auch den 16. Oktober. Gleichzeitig musste die Behörde ein örtliches Fußballspiel und dessen Abwicklung bewältigen. Ohne dass daher überzogene Anforderungen an die Ermessensausübung gestellt werden, ist die Versammlungsbehörde dennoch verpflichtet, ihr Ermessen pflichtgerecht auszuüben und – zumindest kurz – zu begründen.

So macht die Beklagte allein Ausführungen zu den ihrer Meinung nach vorliegenden tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 2 i.V.m. Art. 7 Nr. 2 BayVersG. Dass die Beklagte erkannt hat, dass sie einen Ermessensspielraum hat, geht aus der Begründung hingegen nicht einmal hervor. Von einer Ermessensreduzierung auf Null kann vorliegend nicht ausgegangen werden.

§ 114 Satz 2 VwGO berechtigt die Verwaltungsbehörde zwar, ihre Ermessenserwägungen auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu ergänzen. Diese Vorschrift regelt jedoch allein, ob die nachträgliche Begründung der Ermessensentscheidung prozessrechtlich Berücksichtigung finden muss. Die (prozess-)rechtlichen Grenzen für das Nachschieben von Ermessenserwägungen sind jedenfalls dann überschritten, wenn das Ermessen überhaupt noch nicht ausgeübt oder wesentliche Teile der Ermessenserwägungen ausgetauscht oder erst nachträglich nachgeschoben wurden (Kopp/Schenke, a.a.O., § 114 Rn. 50 m.w.N.).

Die versammlungsrechtliche Beschränkung in Ziffer 1.9, soweit sie angefochten worden ist, erweist sich daher nach Auffassung des Gerichts als rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit gemäß Art. 8 GG.

2. Die versammlungsrechtlichen Beschränkungen in Ziffer 1.5 und 1.6 des Bescheids vom 13. Oktober 2016 stellen sich ebenfalls als rechtswidrig dar. Denn insoweit fehlt es bereits am Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 1 BayVersG. So hat die Beklagte nach Auffassung des Gerichts das Vorliegen einer konkreten Gefahr als Eingriffsschwelle für den Erlass einer versammlungsrechtlichen Beschränkung nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Bei der Auslegung der in Art. 15 Abs. 1 BayVersG normierten Voraussetzungen („wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist“) bezieht sich das Gericht wiederum auf den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 24. Februar 2015 (BayVGH a.a.O.). Den dortigen Ausführungen, dass als Grundlage der Gefahrenprognose konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich seien, schließt sich das erkennende Gericht vorliegend an. Bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen reichten hierzu nicht aus (unter Bezugnahme auf BVerfG, B.v. 20.12.2012 – 1 BvR 2794/10 – juris Rn. 17 u.a.).

Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Eingriffsvoraussetzungen liegen jedoch grundsätzlich bei der anordnenden Behörde (BayVGH, B.v. 17.10.2016 – 10 CS 16.1468 – juris Rn. 29 unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung, z.B. BVerfG, B.v. 20.12.2012 – 1 BvR 2794/10 – juris Rn. 17). Dem ist die Beklagte jedoch nicht in ausreichender Weise nachgekommen.

Auch nach dem Ergebnis und dem Verlauf der mündlichen Verhandlung am 29. November 2017 steht das Vorliegen der Eingriffsvoraussetzungen für die angeordneten versammlungsrechtlichen Beschränkungen nicht zur Überzeugungsgewissheit der erkennenden Kammer fest.

Das Gericht entscheidet gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Die Bildung der richterlichen Überzeugung setzt zunächst die ausreichende Erforschung des maßgeblichen Sachverhalts gemäß § 86 Abs. 1 VwGO voraus. Anhand der ermittelten Tatsachen hat das Gericht sodann zu entscheiden, ob diese ausreichen, die von der Behörde angeordnete Rechtsfolge zu tragen. Bezogen auf den vorliegenden Fall war demnach zu prüfen, ob die von der Beklagten angenommene Gefahrenprognose im Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids die Verbotsverfügung erforderlich machte.

Hier kommt es daher entscheidungserheblich auf das tatsächliche Vorliegen der von der Behörde im Bescheid zugrunde gelegten Sachverhaltsumstände an.

So hat die Beklagte die unter Ziffer 1.15 und 1.16 des angefochtenen Bescheids erlassenen Auflagen im Wesentlichen damit begründet, dass das seitliche Tragen von Transparenten und das Tragen von Transparenten auf Kopfhöhe darauf ausgerichtet sein könne, die Identifizierung von Teilnehmern zu erschweren bzw. zu verhindern. Dies würde die Begehung von Straftaten aus der Menge heraus erleichtern. Durch die zusätzliche Verwendung von Seilen zur Verstärkung der Transparente werde zudem ein schneller Zugriff auf erkannte Straftäter erschwert oder verhindert. Ein anderer Grund für das seitliche Mitführen von Transparenten sei nicht ersichtlich. Eine Einschränkung der Versammlungsfreiheit sei nicht gegeben, weil das geschlossene Mitführen von Seitentransparenten oder gar die Verwendung von Seilen für eine ausreichende Meinungskundgabe nicht erforderlich seien.

Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte weder im behördlichen Verfahren noch gegenüber dem Gericht Angaben dazu machen konnte, weshalb sie beim Kläger davon ausgegangen sei, dass die konkrete Gefahr der Begehung von Straftaten aus der Anonymität heraus bestanden habe. In der mündlichen Verhandlung gab die Vertreterin der Beklagten vielmehr ausdrücklich an, dass keine konkreten einschlägigen negativen Erfahrungen mit Versammlungsteilnehmern des Klägers dargelegt werden könnten. Es habe lediglich entsprechende negative Vorerfahrungen mit Teilnehmern von Versammlungen anderer Organisationen gegeben.

Ergänzend sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass auch etwa eine aussagekräftige polizeiliche Stellungnahme in der Behördenakte zu der Frage der Rechtfertigung der unter Ziffer 1.15 bzw. 1.16 enthaltenen versammlungsrechtlichen Beschränkungen nicht vorliegt. Der Vertreter der Polizei hat ausweislich des Protokolls über das am 7. Oktober 2016 geführte Kooperationsgespräch, an welchem der Kläger nicht teilnehmen wollte und auch nicht teilgenommen hat, im Wesentlichen die Wegstrecke und die Ortszeit der angezeigten Versammlung problematisiert (vgl. Bl. 16 bis 18 der Behördenakte). Nach einer im Anschluss an das Kooperationsgespräch durchgeführten schriftlichen Anhörung des Klägers wurde in einem Telefonat mit einem Vertreter der Polizeiinspektion … am 10. Oktober 2016 vereinbart, die Versammlung weder örtlich noch zeitlich zu beschränken. Außerdem wurde ausweislich des Aktenvermerks über das Telefonat (Bl. 42 der Behördenakte) mit der Polizei vereinbart, „Beschränkungen wie bei vergleichbaren Versammlungen“ vorzusehen. Weshalb diese jedoch aus Sicht der Polizei bzw. der Beklagten erforderlich gewesen sein sollen, geht aus der Behördenakte nicht hervor.

Die Beklagte kann sich zudem nicht darauf berufen, dass sie die Verwendung von Seitentransparenten nicht gänzlich untersagt, sondern nur deren Ausmaße und die gleichzeitige Verwendung von Seilen untersagt habe. Der Beklagten ist zwar Recht zu geben, dass es sich insoweit gegenüber der generellen Untersagung der Verwendung von Seitentransparenten um ein milderes Mittel handelt, allerdings kann dies nicht dazu führen, die Eingriffsschwelle des Art. 15 Abs. 1 BayVersG gleichsam herabzusetzen. Die Beklagte bezieht sich insoweit auf einen Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 9. Dezember 2005 (24 CS 05.3215 – juris Rn. 22), worin dieser ausführt, dass es grundsätzlich möglich sei, hinsichtlich der Art und Weise der Verwendung von Seitentransparenten Auflagen zu treffen. Allerdings geht aus der Begründung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs hervor, dass in dem dort zugrundeliegenden Fall konkrete polizeiliche Erkenntnisse über die Versammlungsteilnehmer vorgelegen haben. Dies ist vorliegend jedoch gerade nicht der Fall, wie auch die Beklagte in der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Gericht eingeräumt hat.

Nach alledem hat die Beklagte das Vorliegen der Eingriffsvoraussetzungen des Art. 15 Abs. 1 BayVersG nicht zur Überzeugungsgewissheit des Gerichts glaubhaft gemacht. Aus diesem Grund sind die unter Ziffer 1.15 und 1.16 erlassenen versammlungsrechtlichen Beschränkungen als rechtswidrig einzustufen. Dadurch wurde der Kläger zudem in seinem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit, welche auch die Auswahl und Verwendung der Kommunikationsmittel zunächst einschränkungslos vorsieht, verletzt.

3. Die unter Ziffer 1.20 angeordnete Beschränkung dahingehend, es dürften keine pyrotechnischen Gegenstände, wie bengalisches Licht (Kategorie 1 und T1), mitgeführt und verwendet werden, begegnet hingegen keinen rechtlichen Bedenken. Insoweit war die Klage daher abzuweisen.

So hat die Beklagte die angefochtene Beschränkung im Wesentlichen damit begründet, dass bei der räumlichen Enge der Versammlung die Verwendung von Pyrotechnik, wie bengalische Fackeln, grundsätzlich eine erhebliche Verletzungsbzw. Gesundheitsgefahr für die Versammlungsteilnehmer und Unbeteiligte darstellen könnte. Es könnten beim Abbrennen einer bengalischen Fackel Temperaturen von mehreren tausend Grad entstehen. Diese Gefahr gelte es wirksam zu verhindern. Hinzu komme, dass der entstehende Rauch so dicht sein könne, dass er im Falle einer Panik im dichten Versammlungsgeschehen auch die Fluchtmöglichkeiten einschränken würde. Die Beklagte hat im Rahmen ihrer Begründung auch berücksichtigt, dass der Versammlungsleiter in seiner Email vom 13. Oktober 2016 ergänzend mitgeteilt habe, dass bengalische Fackeln nicht während des Aufzuges mitgeführt bzw. eingesetzt würden, sondern lediglich punktuell sehr begrenzt zu Beginn der Versammlung und flankierend bei den jeweiligen Kundgebungen verwendet werden sollten.

Dieser Gefahrenprognose der Beklagten wurde seitens des Klägers – auch unter Berücksichtigung des Vorbringens im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 29. November 2017 – nichts Maßgebliches entgegengesetzt. So führte die Klägervertreterin zwar aus, dass die Versammlungsteilnehmer nach den Vorstellungen des Klägers zu Beginn der Versammlung durch eine Art Lichterbogen, erzeugt durch bengalische Fackeln, schreiten sollten. Dies sei als Einstimmung für die Versammlung gedacht gewesen und habe geordnet, d.h. der Reihe nach, vor sich gehen sollen. Außerdem hätte neben den Rednern rechts und links jeweils eine Leuchte stehen sollen, welche jedoch nur stationär hätte betrieben werden sollen, nicht hingegen im Gehen. Durch diese angedachten Maßnahmen seien aus Sicht des Klägers die Sicherheitsgesichtspunkte ausreichend berücksichtigt worden. Man habe bei der Anmeldung der Versammlung die beabsichtigte Verwendung des bengalischen Lichtes nicht näher konkretisiert, weil man mit anderen Ordnungsbehörden die Erfahrung gemacht habe, dass dann Auflagen von Amts wegen gemacht würden bezüglich der Bereitstellung von Löschmitteln. Man habe einfach abwarten wollen, wie sich die Beklagte verhalten würde. Mit einem so weitgehenden Verbot der Verwendung von pyrotechnischen Gegenständen habe man von vornherein nicht gerechnet.

Der Klägerseite ist zwar insoweit Recht zu geben, dass keine wie auch immer geartete „Bringschuld“, was das Vorliegen der Eingriffsvoraussetzungen des Art. 15 Abs. 1 BayVersG angeht, für den Versammlungsanmelder besteht. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen im Rahmen versammlungsrechtlicher Beschränkungen gemäß Art. 15 Abs. 1 BayVersG liegt vielmehr allein bei der Versammlungsbehörde. Dem ist die Beklagte jedoch im Hinblick auf die versammlungsrechtliche Beschränkung in Ziffer 1.20, soweit angefochten, ausreichend nachgekommen. Denn auch nach Auffassung des Gerichts stellt sich die Verwendung bengalischer Feuer im Rahmen einer Versammlung, wie der hier streitgegenständlichen, als derart gefährlich dar, dass die in Ziffer 1.20 des Bescheids vom 13. Oktober 2016 getroffene Untersagung der Verwendung gerechtfertigt ist. Ausweislich der von der Beklagten durch Schriftsatz vom 27. November 2017 vorgelegten Liste „Zusammenfassung der BAM-Bescheide für Theaterpyrotechnik Kategorie T1“ unterliegen sämtliche dort aufgeführten bengalischen Lichter der Zulassungsbeschränkung dahingehend, dass sie nur für Bühne und Theater „auf Bühnen im Innen- und Außenbereich, einschließlich bei Film- und Fernsehproduktionen oder für eine ähnliche Verwendung“ eingesetzt werden dürfen. Eine ähnliche Verwendung stellt die klägerseits im Rahmen der mündlichen Verhandlung konkretisierte Benutzung des bengalischen Feuers im Sinne der zitierten Zulassungsvorschrift jedoch nicht dar. Denn eine Versammlung unterscheidet sich von den darin genannten Verwendungen gerade dadurch, dass keine Regieanweisungen bzw. überwachendes Feuerwehrpersonal vorhanden sind. Vielmehr stellt eine Versammlung – zumal im Freien – ein gegenüber einer Theateraufführung eher unkontrolliertes bzw. unkontrollierbares Geschehen dar.

Auf Grund der dargestellten erhöhten Gefährlichkeit bei der Verwendung bengalischen Lichts im Rahmen einer nicht mit dem Theaterbetrieb vergleichbaren und kontrollierbaren Versammlung geht das Gericht hier von einer Ermessensreduzierung der Beklagten auf Null aus. Auf Grund der inmitten stehenden und von der Beklagten berücksichtigenden hohen Gefahr der Beeinträchtigung der Gesundheit und des Lebens von Versammlungsteilnehmern, aber auch von Außenstehenden, indiziert aus Sicht des Gerichts das Fehlen einer vertretbaren Entscheidungsalternative für die Beklagte die vorgenommene Untersagung. Klägerseits wurde kein einziges bengalisches Feuer konkret benannt, welche die von der Beklagten prognostizierte Gefährdung nicht hervorrufen würde. Es ist nicht Aufgabe der Versammlungsbehörde, dem Veranstalter einer Versammlung ein ungefährliches Leuchtmittel aufzuzeigen und dessen Verwendung vorzuschreiben, ohne dass es deswegen zu einer „Bringschuld“ käme, wie von der Klägervertreterin angenommen. Die Beklagte ist vielmehr rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass sämtliche dem Kläger zur Verfügung stehenden bengalischen Feuer der Kategorie T1, auf die sich der Kläger nach eigenen Angaben bei seiner Auswahlbeschränke, derart gefährlich gewesen wären, dass nur eine Versagung der Verwendung von bengalischen Feuern insgesamt das beabsichtigte und legitime Ziel – Ausschluss einer Lebens- und Gesundheitsgefahr für Versammlungsteilnehmer und Dritte – in Betracht kam.

Der Einwand der Klägerseite, dass das Vorbringen der Beklagten im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auch angesichts der einigermaßen frühzeitigen Anzeige der Versammlung zu spät gewesen sei, greift im Hinblick auf die Regelung des § 114 Satz 2 VwGO nicht durch, weil ein Ermessensausfall, wie er oben erörtert wurde, gerade nicht besteht.

Demnach war die erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage hinsichtlich der in Ziffer 1.20 des Bescheids vom 13. Oktober 2016 getroffenen versammlungsrechtlichen Beschränkung abzuweisen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO.

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(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 155


(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

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(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. (2) Das Urteil darf nur auf Tatsache

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Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens übersch

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(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Fi

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(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. (2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

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(1) Die Anfechtungsklage muß innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist nach § 68 ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muß die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erho

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(1) Fähig zur Vornahme von Verfahrenshandlungen sind1.die nach bürgerlichem Recht Geschäftsfähigen,2.die nach bürgerlichem Recht in der Geschäftsfähigkeit Beschränkten, soweit sie durch Vorschriften des bürgerlichen oder öffentlichen Rechts für den G

Parteiengesetz - PartG | § 11 Vorstand


(1) Der Vorstand wird mindestens in jedem zweiten Kalenderjahr gewählt. Er muß aus mindestens drei Mitgliedern bestehen. (2) Dem Vorstand können Abgeordnete und andere Persönlichkeiten aus der Partei kraft Satzung angehören, wenn sie ihr Amt oder ih

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Tenor Der Antrag wird abgelehnt. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 5.000,- Euro festgesetzt. Gründe 1 Der Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seine

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(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Tenor

I.

Unter Abänderung der Nr. 1 des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 2. Oktober 2014 wird die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 30. September 2014 angeordnet, soweit in Nr. 1.1.17 des Bescheids das Mitführen von Seitentransparenten verboten wird. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

II.

Unter Abänderung der Nr. 2 des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 2. Oktober 2014 werden die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin jeweils zur Hälfte auferlegt.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beschwerde richtet sich gegen die Ablehnung des Antrags des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen Beschränkungen in Nr. 1.1.1 und Nr. 1.1.17 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 30. September 2014, mit dem die Anzeige einer vom Antragsteller als Aufzug geplanten Versammlung im Stadtgebiet der Antragsgegnerin am 4. Oktober 2014 zum Thema „EU-Krisenpolitik“ bestätigt wird. Nr. 1.1.1 des Bescheids lautet: „Die Kundgebungsstrecke wird wie folgt festgesetzt (die Änderung gegenüber der angemeldeten Strecke ist unterstrichen): A-platz (Auftaktkundgebung) - B-straße - A.-Straße - Sch-straße - H.-Straße - Ha-straße - S-straße - Kreuzungsbereich R.-Straße (Zwischenkundgebung) - Ha-straße - W-straße - A.-Straße (östliche Fahrbahn) - F-straße (Aufstellort Schlusskundgebung: nördliche Fahrbahn).“ Nr. 1.1.17 des Bescheids lautet: „Das Mitführen von Seitentransparenten, Spruchbändern und Seilen ist verboten. Transparente mit einer Breite von über 2,50 m dürfen nicht verwendet werden.“

II.

Die zulässige Beschwerde ist nur begründet, soweit in Nr. 1.1.17 des Bescheids das Mitführen von Seitentransparenten verboten wird. Im Übrigen ist sie unbegründet.

1. Soweit in Nr. 1.1.17 des Bescheids das Mitführen von Seitentransparenten verboten wird, rechtfertigen die vom Antragsteller in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, die der Verwaltungsgerichtshof nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen hat, die Abänderung des angefochtenen Beschlusses. Die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu treffende Abwägungsentscheidung führt zu dem Ergebnis, dass das Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der angegriffenen Beschränkung überwiegt und daher die aufschiebende Wirkung im beantragten Umfang anzuordnen ist. Denn die in Nr. 1.1.17 des Bescheids angeordnete Beschränkung wird sich, soweit sie das Mitführen von Seitentransparenten verbietet, im Hauptsacheverfahren voraussichtlich als rechtswidrig erweisen. Hinsichtlich der übrigen in Nr. 1.1.17 des Bescheids angeordneten Beschränkungen der Versammlung ist die Beschwerde allerdings zurückzuweisen, weil die Beschwerdebegründung dazu keine Ausführungen enthält und daher auch keine Gründe darlegt, die die Abänderung des angefochtenen Beschlusses insoweit rechtfertigen könnten.

Zwar kann die Antragsgegnerin als zuständige Behörde die Versammlung nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG beschränken, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit und Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Diese Voraussetzungen sind jedoch, soweit in Nr. 1.1.17 des Bescheids das Mitführen von Seitentransparenten verboten wird, nicht erfüllt, weil von einer unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bei Durchführung der Versammlung nach den vorliegenden Erkenntnissen nicht ausgegangen werden kann.

Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Versammlungsfreiheit nach Art. 8 Abs. 1 GG dürfen bei der nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG anzustellenden Gefahrenprognose auch beim Erlass von Beschränkungen keine zu geringen Anforderungen gestellt werden. Als Grundlage der Gefahrenprognose sind konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich. Bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen reichen hierzu nicht aus (vgl. BVerfG, B. v. 20.12.2012 - 1 BvR 2794/10 - juris Rn.17; B. v. 12.5.2010 - 1 BvR 2636/04 - juris Rn. 17 jeweils m. w. N.). Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Gründen für eine Beschränkung liegt dabei bei der Behörde (vgl. BVerfG, B. v. 20.12.2012 - 1 BvR 2794/10 - juris Rn.17; B. v. 12.5.2010 - 1 BvR 2636/04 - juris Rn. 19). Dementsprechend kann auch das Mitführen von Seitentransparenten nicht allein wegen der allgemeinen Möglichkeit ihres Missbrauchs zur Verhinderung der Identifizierung von Störern untersagt werden (vgl. BayVGH, B. v. 9.12.2005 - 24 CS 05.3215 - juris Rn. 21; B. v. 5.2.2004 - 24 CS 04.347 - juris Rn. 16, U. v. 3.11.1997 - 24 B 95.3713 - juris Rn. 55 ff.). Es bedarf vielmehr insoweit konkreter und nachvollziehbarer tatsächlicher Anhaltspunkte dafür, dass das Mitführen der Transparente die öffentliche Sicherheit und Ordnung unmittelbar gefährdet.

Nach diesen Maßstäben kann die angegriffene Beschränkung aber auf Art. 15 Abs. 1 BayVersG nicht gestützt werden. Denn weder die dem Bescheid der Antragsgegnerin zugrunde liegende polizeiliche Gefahrenprognose noch die Begründung des Bescheids selbst enthalten konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass von der vom Antragsteller angemeldeten Versammlung eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit ausgehen wird, die durch das Verbot des Mitführens von Seitentransparenten vermieden werden und dieses Verbot daher rechtfertigen könnte. Die Stellungnahme des Polizeipräsidiums vom 30. September 2014 enthält keine Ausführungen zu derartigen Gefährdungen. Die Begründung des Bescheids vom 30. September 2014 beschränkt sich auf die Feststellung, dass sichergestellt werden müsse, dass mitgeführte Gegenstände nicht als Sichtschutz genutzt werden, um Gewalttätigkeiten oder Straftaten aus der Versammlung heraus unerkannt begehen zu können, und dass die Polizei weitestgehend in der Lage sei, bei Sicherheitsstörungen auf einzelne hierfür verantwortliche Personen einzuwirken. Es finden sich aber keine Ausführungen dazu, ob und aus welchen Gründen tatsächlich Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass mit solchen Straftaten und Sicherheitsstörungen zu rechnen ist.

2. Keinen Erfolg hat die Beschwerde hingegen, soweit sie die in Nr. 1.1.1 des Bescheids angeordnete, von der angemeldeten abweichende Streckenführung des Aufzugs betrifft. Die vom Antragsteller in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, die der Verwaltungsgerichtshof nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen hat, rechtfertigen die Abänderung des angefochtenen Beschlusses insoweit nicht.

Die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu treffende Abwägungsentscheidung führt insoweit vielmehr zu dem Ergebnis, dass das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der angegriffenen Beschränkung das Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung überwiegt und daher die Beschwerde zurückzuweisen ist. Denn die Ausführungen des Antragstellers in der Beschwerdebegründung zur Änderung der Streckenführung stellen die ihr zugrunde liegende polizeiliche Gefahrenprognose nicht in Frage. Entgegen der Ansicht des Antragstellers lassen sich vielmehr der Demonstration im Jahr 2004, auf die sich diese Prognose maßgeblich stützt, hinreichend konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass durch die Versammlung die öffentliche Sicherheit und Ordnung unmittelbar gefährdet wäre, wenn sie auf der angemeldeten Wegstrecke erfolgen würde.

Ereignisse im Zusammenhang mit früheren Versammlungen können als Indizien für eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit herangezogen werden, soweit die früheren Versammlungen bezüglich des Mottos, des Ortes, des Datums sowie des Teilnehmer- und Organisatorenkreises Ähnlichkeiten zu der geplanten Versammlung aufweisen (vgl. BVerfG, B. v. 12.5.2010 - 1 BvR 2636/04 - juris Rn. 17 m. w. N.). Von einer derartigen Ähnlichkeit der geplanten Versammlung am 4. Oktober 2014 mit der Versammlung vom 6. November 2004 kann hier jedoch ausgegangen werden.

Bei der Versammlung vom November 2004 versuchten Versammlungsteilnehmer, wie die Polizei dies auch für die Versammlung am 4. Oktober 2014 befürchtet, in der Regensburger Straße Schottersteine aus dem Gleisbett zu nehmen, um sie auf Polizeibeamte zu werfen, was nur durch massiven Polizeieinsatz verhindert werden konnte. Die damalige Versammlung fand mithin am selben Ort statt, an dem auch die jetzige Versammlung eine Zwischenkundgebung plant.

Die Versammlung im Jahr 2004 richtete sich gegen Sozialabbau und Hartz IV. Zwar lautet das Thema der Versammlung am 4. Oktober 2014 „EU-Krisenpolitik“. Nach dem bei den Akten befindlichen Äußerungen von Blockupy im Internet, wird die Demonstration am 4. Oktober 2014 unter anderem damit begründet, dass die Bundes-agentur für Arbeit, vor der eine Zwischenkundgebung stattfinden soll, vorgebe, wie die repressiven Regelungen von Hartz IV ungesetzt würden, wobei die Agenda 2010 der Europäischen Zentralbank und der EU-Kommission als Modell für unsoziale Reformen diene, die den „Krisenländern“ aufoktroyiert würden. Dies belegt aber, dass beide Versammlungen trotz der unterschiedlichen Bezeichnung ein ähnliches Motto aufweisen.

Darüber hinaus liegt die Organisation der beiden Demonstrationen in denselben Händen. Denn als Versammlungsleiter fungiert bei der Versammlung am 4. Oktober 2014 dieselbe Person wie bei der Versammlung im Jahr 2004. Außerdem ähnelt sich auch der Teilnehmerkreis. Wie sich den in den Behördenakten befindlichen Internetausdrucken entnehmen lässt, ruft insbesondere auch der antikapitalistische Block zur Teilnahme an der Demonstration am 4. Oktober 2014 auf. Dessen gewaltbereiter Teil hat aber nach dem Polizeibericht über die Demonstration am 6. November 2004 im Verlauf dieser Versammlung Steine aus dem Gleisbett in der Regensburger Straße genommen, um sie auf Polizeibeamte zu werfen.

Von den Vorfällen im Verlauf der Demonstration im Jahr 2004 auf die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch die Versammlung am 4. Oktober 2014 für den Fall zu schließen, dass sie ebenfalls in Teilen in der Regensburger Straße durchgeführt wird, in denen geschotterte Straßenbahngleise verlaufen, ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil zwischen beiden Versammlungen ein Zeitraum von annähernd zehn Jahren liegt. Denn wie sich aus der Stellungnahme der Polizei vom 30. September 2014 ergibt, ist es auch bei einer Versammlung des Antifaschistischen Aktionsbündnisses, das im Internet ebenfalls zu der Versammlung am 4. Oktober 2014 aufgerufen hat, im Zuständigkeitsbereich der Antragsgegnerin am 31. März 2012 zu Würfen mit Gegenständen gekommen, so dass hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass beim Teilnehmerkreis nach wie vor Gewaltbereitschaft vorhanden ist.

Angesichts dessen spielt entgegen der Ansicht des Antragstellers aber auch die zu erwartende Teilnehmerzahl für die Gefahrenprognose keine entscheidende Rolle, zumal der Vortrag des Antragstellers, eine größere Mobilisierung etwa durch die Organisation einer Anreise mit Bussen finde nicht statt, offenbar nicht zutrifft (vgl. das Busangebot aus Stuttgart auf der Internetseite http://...org/de/node/122164).

Im Hinblick auf die Gefahren für die öffentliche Sicherheit, die danach von der Versammlung ausgehen, wenn die Regensburger Straße in den Versammlungsverlauf integriert wird, ist schließlich unerheblich, ob sich solche Gefahren auch im Hinblick darauf ergäben, dass die Aufzugsroute in diesem Fall außerdem am türkischen Generalkonsulat vorbeiführen würde.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Fähig, am Verfahren beteiligt zu sein, sind

1.
natürliche und juristische Personen,
2.
Vereinigungen, soweit ihnen ein Recht zustehen kann,
3.
Behörden, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

(1) Fähig zur Vornahme von Verfahrenshandlungen sind

1.
die nach bürgerlichem Recht Geschäftsfähigen,
2.
die nach bürgerlichem Recht in der Geschäftsfähigkeit Beschränkten, soweit sie durch Vorschriften des bürgerlichen oder öffentlichen Rechts für den Gegenstand des Verfahrens als geschäftsfähig anerkannt sind.

(2) Betrifft ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1825 des Bürgerlichen Gesetzbuchs den Gegenstand des Verfahrens, so ist ein geschäftsfähiger Betreuter nur insoweit zur Vornahme von Verfahrenshandlungen fähig, als er nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts ohne Einwilligung des Betreuers handeln kann oder durch Vorschriften des öffentlichen Rechts als handlungsfähig anerkannt ist.

(3) Für Vereinigungen sowie für Behörden handeln ihre gesetzlichen Vertreter und Vorstände.

(4) §§ 53 bis 58 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend.

(1) Der Vorstand wird mindestens in jedem zweiten Kalenderjahr gewählt. Er muß aus mindestens drei Mitgliedern bestehen.

(2) Dem Vorstand können Abgeordnete und andere Persönlichkeiten aus der Partei kraft Satzung angehören, wenn sie ihr Amt oder ihr Mandat aus einer Wahl erhalten haben. Der Anteil der nicht nach § 9 Abs. 4 gewählten Mitglieder darf ein Fünftel der Gesamtzahl der Vorstandsmitglieder nicht übersteigen. Vorsitzender und Schatzmeister einer Partei dürfen nicht in einer der Partei nahestehenden politischen Stiftung vergleichbare Funktionen ausüben.

(3) Der Vorstand leitet den Gebietsverband und führt dessen Geschäfte nach Gesetz und Satzung sowie den Beschlüssen der ihm übergeordneten Organe. Er vertritt den Gebietsverband gemäß § 26 Absatz 1 Satz 2 und 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, soweit nicht die Satzung eine abweichende Regelung trifft.

(4) Zur Durchführung der Beschlüsse des Vorstandes sowie zur Erledigung der laufenden und der besonders dringlichen Vorstandsgeschäfte kann aus der Mitte des Vorstandes ein geschäftsführender Vorstand (Präsidium) gebildet werden. Seine Mitglieder können auch vom Vorstand gewählt oder durch die Satzung bestimmt werden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Die Anfechtungsklage muß innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist nach § 68 ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muß die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

Tenor

1. Die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 15. Oktober 2010 - 3 L 1556/10 - und des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 15. Oktober 2010 - 3 B 307/10 - verletzen die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Artikel 8 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes.

2. Die Kostenentscheidungen der Beschlüsse werden aufgehoben. Das Verfahren wird insoweit an das Sächsische Oberverwaltungsgericht zur erneuten Entscheidung über die Kosten des Verfahrens zurückverwiesen.

3. ...

4. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die verwaltungsgerichtliche Versagung vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine versammlungsrechtliche Auflage.

I.

2

1. Die Beschwerdeführer meldeten Anfang September 2010 bei der Stadt L. ihr Vorhaben an, am 16. Oktober 2010 (von 12.00 Uhr bis 20.00 Uhr) in L. eine Versammlung unter freiem Himmel durchzuführen. Die geplante Versammlung sollte aus drei Aufzügen und einer Abschlusskundgebung in der Innenstadt von L. bestehen. Die Teilnehmerzahl wurde von den Beschwerdeführern bei der Anmeldung auf 600 Personen geschätzt. Das Motto der geplanten Versammlung lautete "Recht auf Zukunft". Es bezog sich auf eine am 17. Oktober 2009 in L. von der Beschwerdeführerin zu 4), einer Unterorganisation der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD), veranstaltete Versammlung, bei der es im Zusammenhang mit einer Versammlungsblockade durch Gegendemonstranten zu gewalttätigen Auseinandersetzungen und letztlich zu einer polizeilichen Auflösung der Versammlung kam.

3

Angesichts dieser Vorgeschichte und der Anmeldung von zahlreichen Gegendemonstrationen kam es zwischen der Anmeldung und der Durchführung der geplanten Versammlung zu umfangreichen Verhandlungen zwischen den Beschwerdeführern und der Stadt L., die unter anderem in Kooperationsgesprächen am 4., am 6. und am 13. Oktober 2010 eingehend die polizeilich sicherbare Anzahl der geplanten Aufzüge und die konkrete Streckenführung erörterten. In einer Gefährdungsanalyse am 4. Oktober 2010 bekundete die Polizeidirektion L. dabei laut den tatsächlichen Feststellungen des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts, dass der Schutz von zwei der angemeldeten Aufzüge mit den zur Verfügung stehenden Einsatzkräften gewährleistet werden könne. Am 11. Oktober 2010 teilte der Beschwerdeführer zu 1) der Stadt schließlich mit, dass am 16. Oktober 2010 nunmehr lediglich ein einziger Aufzug stattfinden solle. Am 12. Oktober 2010 ergänzte die Polizeidirektion L. ihre Gefahrprognose insofern, dass nunmehr nur eine maximal vierstündige stationäre Kundgebung durchführbar sei, weil nach den Erfahrungen des Versammlungsgeschehens vom 17. Oktober 2009 mit einer höheren als der angemeldeten Teilnehmerzahl zu rechnen sei und jeweils ca. 10 bis 20 % der Teilnehmer der angemeldeten Demonstration und der Gegendemonstrationen als gewaltbereit einzustufen seien.

4

2. Mit Bescheid vom 13. Oktober 2010 untersagte die Stadt L. die Durchführung der Versammlung als Aufzug, verfügte die Durchführung als stationäre Kundgebung in der Zeit von 13.00 Uhr bis 17.00 Uhr in einem Bereich am L. Hauptbahnhof und ordnete die sofortige Vollziehung dieser Auflage an. Die Polizeidirektion L. habe in ihrer Gefahrprognose vom 12. Oktober 2010 dargelegt, dass im Zeitraum vom 15. bis zum 17. Oktober 2010 aufgrund von zahlreichen Versammlungsanmeldungen widerstreitender politischer Lager eine latente Gefährdungssituation vorhanden sei, die einen außerordentlich hohen Kräfteeinsatz der Polizei erfordere. Es sei davon auszugehen, dass sich die Teilnehmer der Aufzüge bei Angriffen durch Personen der linksextremistischen Klientel provozieren ließen und darauf entsprechend reagierten. Die Polizei habe glaubhaft dargelegt, dass sie kräftetechnisch außerstande sei, einen Aufzug zu begleiten, da trotz bundesweiter Anfragen nur 29 der für erforderlich gehaltenen 44 Polizeihundertschaften, also nur 66 % der geplanten Polizeikräfte, zur Verfügung stünden. Die Ausübung der Versammlungsfreiheit werde trotz der Beschränkungen nicht vereitelt, da der zugewiesene Ort eine hinreichende Öffentlichkeitswirksamkeit und eine räumliche Trennung der gegensätzlichen politischen Lager gewährleiste.

5

3. Dagegen erhoben die Beschwerdeführer noch am gleichen Tag Widerspruch und stellten beim Verwaltungsgericht Leipzig die Anträge, die aufschiebende Wirkung ihrer Widersprüche gegen die Auflage, nur eine stationäre Kundgebung durchzuführen, wiederherzustellen sowie im Wege einer einstweiligen Anordnung ein Verbot sämtlicher Versammlungen in einem Umkreis von 300 m um die angemeldeten Aufzugstrecken anzuordnen. Das Verwaltungsgericht Leipzig lehnte die Eilanträge mit Beschluss vom 15. Oktober 2010 ab und begründete dies im Wesentlichen damit, dass der Bescheid vom 13. Oktober 2010 rechtmäßig sei und somit das öffentliche Interesse am Sofortvollzug des Bescheids die Interessen der Beschwerdeführer überwiege. Die Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens, die Stadt L., sei auf der Grundlage der Einschätzung der Polizeidirektion L. nachvollziehbar davon ausgegangen, dass infolge zahlreicher Gegenaktionen und -demonstrationen bei Durchführung des im Zuge der Kooperation der Beschwerdeführer zuletzt noch geplanten einzigen Aufzuges eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung bestehe. Bei der Vielzahl der angemeldeten und geplanten Veranstaltungen am 16.10.2010, unter anderem ein Fußballspiel, und in Anbetracht der beschriebenen begrenzten Kräftelage der Polizei sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit einhergehenden Personen- und Sachschäden zu rechnen, denen nur mit der Beschränkung auf eine stationäre Kundgebung begegnet werden könne. Dieser Gefahr könne in Anbetracht der besonderen Veranstaltungssituation am 16. Oktober 2010 auch nicht durch Maßnahmen gegen potentielle Störer begegnet werden.

6

4. Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts legten die Beschwerdeführer Beschwerde ein. Das Sächsische Oberverwaltungsgericht wies die Beschwerde mit Beschluss vom 15. Oktober 2010 zurück. Ob ein polizeilicher Notstand vorliege, sei im Rahmen der summarischen Prüfung nicht abschließend zu beurteilen. Der Einschätzung der Polizeidirektion lasse sich entnehmen, dass aufgrund des Versammlungsgeschehens im Vorjahr mit gewalttätigen Auseinandersetzungen einer Anzahl von 10 bis 20 % der Teilnehmer sowohl auf Seiten der Beschwerdeführer wie auf Seiten linker Demonstranten gerechnet werde. Zwar erschließe sich dem Gericht nicht, wodurch sich das Gefährdungspotential innerhalb kurzer Zeit so erhöht haben solle, dass statt der zwei Aufzüge, die die Polizeidirektion ursprünglich noch mit den zur Verfügung stehenden Einsatzkräften für sicherbar gehalten habe, nunmehr nur noch eine stationäre Kundgebung möglich sein solle. Wegen der fehlenden Überprüfungsmöglichkeit sei aufgrund einer Folgenabwägung zu entscheiden. Danach sei die Beschwerde zurückzuweisen, weil für den Antragsteller die mit der Durchführung einer nur stationären Kundgebung verbundenen Beeinträchtigungen hinnehmbar seien.

7

5. Die Beschwerdeführer beantragten sodann beim Bundesverfassungsgericht zunächst den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Diesen Antrag hat die Kammer aufgrund der besonderen Voraussetzungen der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes durch das Bundesverfassungsgericht abgelehnt, dabei jedoch zugleich auf die Möglichkeit der Klärung der aufgeworfenen Fragen in einem verfassungsgerichtlichen Hauptsachverfahren hingewiesen (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 16. Oktober 2010 - 1 BvQ 39/10 -, juris).

8

6. Hieraufhin erhoben die Beschwerdeführer gegen die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Leipzig und des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts fristgemäß Verfassungsbeschwerde mit der Rüge, durch die angegriffenen Entscheidungen in ihren Rechten aus Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG verletzt zu sein.

9

7. Das Bundesverfassungsgericht hat der Stadt L. als Gegnerin des Ausgangsverfahrens, dem Sächsischen Staatsministerium der Justiz und für Europa sowie der Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

10

Nach Auffassung des Rechtsamtes der Stadt L. liegen die Voraussetzungen für die Annahme der Verfassungsbeschwerde nicht vor. Das Sächsische Staatsministerium hat von einer Stellungnahme abgesehen. Die Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts hat eine Stellungnahme des unter anderem für das Versammlungsrecht zuständigen 6. Revisionssenats übersandt, in der dieser Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Entscheidungen äußert.

II.

11

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung von Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Fragen bereits entschieden (vgl. insbesondere BVerfGE 69, 315 <340 ff.>; 110, 77 <83 ff.>). Nach diesen Maßstäben ist die Verfassungsbeschwerde gegen die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Leipzig und des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts zulässig und begründet.

12

1. Der Zulässigkeit der Rüge der Verletzung des Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG steht weder der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde noch das Erfordernis eines Rechtsschutzinteresses entgegen.

13

a) Der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde verlangt die Erschöpfung des Rechtswegs in der Hauptsache nur, soweit die geltend gemachte Verletzung von Freiheitsrechten oder von Art. 19 Abs. 4 GG durch die Entscheidung der Gerichte in der Hauptsache noch ausgeräumt werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senat vom 21. April 1998 - 1 BvR 2311/94 -, NVwZ 1998, S. 834 <835>). Hier rügen die Beschwerdeführer allerdings gerade die Missachtung der Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG bei der Zurückweisung ihres Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz, die im Hauptsacheverfahren nicht mehr behandelt werden würde.

14

b) Auch ein Rechtsschutzbedürfnis der Beschwerdeführer besteht, obwohl der Demonstrationstermin verstrichen und damit der Sofortvollzug der strittigen Auflagen gegenstandslos geworden ist. Sind verfassungsrechtliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung nicht (mehr) zu klären, besteht ein Rechtsschutzbedürfnis auch nach Erledigung des ursprünglichen Begehrens im Falle einer Wiederholungsgefahr, also wenn ein Gericht die bereits herausgearbeiteten verfassungsrechtlichen Maßstäbe nicht beachtet hat und bei hinreichend bestimmter Gefahr einer gleichartigen Entscheidung bei gleichartiger Sach- und Rechtslage zu befürchten ist, dass es diese auch in Zukunft verkennt (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 21. April 1998 - 1 BvR 2311/94 -, NVwZ 1998, S. 834 <835>). Hier führten die Beschwerdeführer bereits konflikthafte Versammlungen in L. durch und planen auch in Zukunft die Durchführung von Versammlungen in L., bei denen sie mit ähnlichen Konfliktsituationen rechnen und gegebenenfalls gleichartige Entscheidungen des Verwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts befürchten müssten.

15

2. Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. Die angegriffenen Beschlüsse verletzen die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG.

16

a) Art. 8 Abs. 1 GG schützt die Freiheit, mit anderen Personen zum Zwecke einer gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung örtlich zusammen zu kommen (vgl. BVerfGE 104, 92 <104>; 128, 226 <250>). Als Freiheit zur kollektiven Meinungskundgabe, die auch und vor allem andersdenkenden Minderheiten zugutekommt, ist die Versammlungsfreiheit für eine freiheitlich demokratische Staatsordnung konstituierend (vgl. BVerfGE 69, 315 <344 f.>; 128, 226 <250>) und wird im Vertrauen auf die Kraft der freien öffentlichen Auseinandersetzung grundsätzlich auch den Gegnern der Freiheit gewährt (vgl. BVerfGE 124, 300 <320>). Damit die Bürger selbst entscheiden können, wann, wo und unter welchen Modalitäten sie ihr Anliegen am wirksamsten zur Geltung bringen können, gewährleistet Art. 8 Abs. 1 GG nicht nur die Freiheit, an einer öffentlichen Versammlung teilzunehmen oder ihr fern zu bleiben, sondern umfasst zugleich ein Selbstbestimmungsrecht über die Durchführung der Versammlung als Aufzug, die Auswahl des Ortes und die Bestimmung der sonstigen Modalitäten der Versammlung (vgl. BVerfGE 69, 315 <343> oder <355 ff.>; 128, 226 <250 f.>).

17

Beschränkungen der Versammlungsfreiheit bedürfen gemäß Art. 8 Abs. 2 GG zu ihrer Rechtfertigung einer gesetzlichen Grundlage (vgl. BVerfGE 69, 315 <350 f.>; BVerfGK 17, 303 <307>). Nach § 15 des Gesetzes über Versammlungen und Aufzüge (Versammlungsgesetz) vom 24. Juli 1953 in der Fassung vom 8. Dezember 2008 (BGBl I S. 2366; im Folgenden: VersG) kann die zuständige Behörde die Versammlung von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Danach kann im Einzelfall auch die Festlegung geboten sein, dass eine ursprünglich als Aufzug angemeldete Versammlung nur als ortsfeste Versammlung durchgeführt werden darf (vgl. BVerfGK 2, 1 <8>). Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Versammlungsfreiheit darf die Behörde allerdings auch bei dem Erlass von Auflagen keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose stellen. Als Grundlage der Gefahrenprognose sind konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich; bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen reichen hierzu nicht aus (BVerfGE 69, 315 <353 f.>; BVerfGK 17, 303 <307>). Ferner gilt, dass, soweit sich der Veranstalter und die Versammlungsteilnehmer grundsätzlich friedlich verhalten und Störungen der öffentlichen Sicherheit vorwiegend aufgrund des Verhaltens Dritter - insbesondere von Gegendemonstrationen - zu befürchten sind, die Durchführung der Versammlung zu schützen ist und behördliche Maßnahmen primär gegen die Störer zu richten sind (vgl. BVerfGE 69, 315 <360 f.>; BVerfGK 8, 79 <81>; BVerfG , Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 1. September 2000 - 1 BvQ 24/00, NVwZ 2000, S. 1406 <1407>). Gegen die friedliche Versammlung selbst kann dann nur unter den besonderen Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes eingeschritten werden (vgl. BVerfGE 69, 315 <360 f.>; BVerfGK 17, 303 <308>). Dies setzt voraus, dass die Versammlungsbehörde mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anderenfalls wegen der Erfüllung vorrangiger staatlicher Aufgaben und trotz des Bemühens, gegebenenfalls externe Polizeikräfte hinzuzuziehen, zum Schutz der von dem Antragsteller angemeldeten Versammlung nicht in der Lage wäre; eine pauschale Behauptung dieses Inhalts reicht allerdings nicht (vgl. BVerfGK 8, 79 <82>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 24. März 2001 - 1 BvQ 13/01 -, NJW 2001, S. 2069 <2072>). Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Gründen für ein Verbot oder eine Auflage liegt grundsätzlich bei der Behörde (vgl. BVerfGK 17, 303 <308>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 4. September 2009 - 1 BvR 2147/09 -, NJW 2010, S. 141 <142>).

18

b) Art. 19 Abs. 4 GG garantiert einen effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 67, 43 <58>; 96, 27 <39>). Im Verfahren auf Wiederherstellung oder Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs, das für den Regelfall sicherstellt, dass die Verwaltungsbehörden keine irreparablen Maßnahmen durchführen, bevor die Gerichte deren Rechtmäßigkeit geprüft haben, ist der Rechtsschutzanspruch des Bürgers umso stärker, je schwerwiegender die ihm auferlegte Belastung wiegt und je mehr die Maßnahmen der Verwaltung Unabänderliches bewirken (vgl. BVerfGE 35, 382 <401 f.>; 69, 315 <363>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senat vom 21. April 1998 - 1 BvR 2311/94 -, NVwZ 1998, S. 834 <835>). Insbesondere im Bereich des Versammlungsrechts muss das verwaltungsgerichtliche Eilverfahren angesichts der Zeitgebundenheit von Versammlungen zum Teil Schutzfunktionen übernehmen, die sonst das Hauptsacheverfahren erfüllt (vgl. BVerfGE 69, 315 <363 f.>; 110, 77 <87>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senat vom 23. März 2004 - 1 BvR 745/01 -, juris, Rn. 13). Die einstweilige Anordnung im verfassungsgerichtlichen Verfahren als außerhalb der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG liegender Rechtsbehelf kann die primäre Rechtsschutzfunktion der Fachgerichte ebenfalls nicht übernehmen. Angesichts der Aufgaben des Bundesverfassungsgerichts und im Hinblick auf die weitreichenden Folgen, die eine einstweilige Anordnung auslösen kann, ist hierbei zudem ein strenger, von den verwaltungsgerichtlichen Kriterien grundsätzlich unterschiedener Maßstab anzulegen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senat vom 16. Oktober 2010 - 1 BvQ 39/10 -, juris, Rn. 4). Daher müssen die Verwaltungsgerichte zum Schutz von Versammlungen, die auf einen einmaligen Anlass bezogen sind, schon im Eilverfahren durch eine intensivere Prüfung dem Umstand Rechnung tragen, dass der Sofortvollzug der umstrittenen Maßnahme in der Regel zur endgültigen Verhinderung der Versammlung in der beabsichtigten Form führt. Soweit möglich, ist als Grundlage der gebotenen Interessenabwägung die Rechtmäßigkeit der Maßnahme in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht nicht nur summarisch zu prüfen (vgl. BVerfGE 69, 315 <363 f.>; 110, 77 <87>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senat vom 21. April 1998 - 1 BvR 2311/94 -, NVwZ 1998, S. 834 <835>). Sofern dies nicht möglich ist, haben die Fachgerichte jedenfalls eine sorgfältige Folgenabwägung vorzunehmen und diese hinreichend substantiiert zu begründen, da ansonsten eine Umgehung der beschriebenen strengen Voraussetzungen für Beschränkungen der Versammlungsfreiheit möglich erschiene.

19

3. Diese Maßstäbe haben das Verwaltungsgericht Leipzig und das Sächsische Oberverwaltungsgericht bei den ihnen obliegenden Entscheidungen über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht hinreichend berücksichtigt. Beide Entscheidungen werden den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG im Hinblick auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen versammlungsbeschränkende behördliche Maßnahmen nicht gerecht.

20

a) Die vom Verwaltungsgericht Leipzig herangezogenen Umstände sind nicht geeignet, die Annahme einer von der Versammlung selbst ausgehenden unmittelbaren Gefährdung für die öffentliche Sicherheit zu tragen, die die Verhinderung der Versammlung in Form eines Aufzugs hätte rechtfertigen können. Das Verwaltungsgericht legt insofern bereits nicht hinreichend deutlich dar, ob seiner Auffassung nach auch von der Versammlung selbst eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht oder diese Gefahr ausschließlich aufgrund der zahlreichen Gegendemonstrationen und den hieraus zu erwartenden Störungen der Versammlung besteht. Dass das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung zur Begründung seines Standpunktes im Wesentlichen lediglich auf die Einschätzung der Polizeidirektion L., die ohne nähere Erläuterung 10 bis 20 % der Teilnehmer der angemeldeten Demonstration dem gewaltbereiten Klientel zurechnete, verweist, genügt den Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG insofern jedenfalls nicht.

21

Auch im Hinblick auf eine Inanspruchnahme der Veranstalter als Nichtstörer im Wege des polizeilichen Notstandes genügen die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts den Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG nicht. Das Verwaltungsgericht weist insofern zur Begründung des Vorliegens einer nicht durch Maßnahmen gegen potentielle Störer abwendbaren Gefahr, insbesondere auf die besondere Veranstaltungssituation am 16. Oktober 2010 und die deswegen nur begrenzt zur Verfügung stehenden Polizeikräfte, hin und beruft sich dabei pauschal auf die Einschätzung der Polizeidirektion L. vom 13. Oktober 2010. Berücksichtigt man aber den Umstand, dass die Polizeidirektion in ihrer Gefährdungsanalyse vom 4. Oktober 2010 offenbar noch zwei der angemeldeten Aufzüge mit den ihr voraussichtlich zur Verfügung stehenden Kräften für sicherbar hielt, erfüllt diese pauschale Bezugnahme auf die Einschätzung der Polizeidirektion vom 13. Oktober 2010 nicht die den Anforderungen an die entsprechend obigen Maßstäben bereits im Eilverfahren gebotene intensivere Rechtmäßigkeitsprüfung. Vielmehr hätte die kurzfristige Änderung der polizeilichen Einschätzung, die sich nicht ohne weiteres erschließt, das Verwaltungsgericht zu einer substantiierteren Prüfung der veränderten polizeilichen Einschätzung und zur Nachfrage einer genaueren Begründung ihrer Entscheidung veranlassen müssen. Dass dies vorliegend aus zeitlichen Gründen nicht möglich gewesen wäre, ist nicht erkennbar. Auch im Übrigen hätte es dezidierterer Feststellungen bedurft, aufgrund welcher konkreter Gefahren für die öffentliche Sicherheit und aufgrund welcher konkreter, vorrangig zu schützender sonstiger Veranstaltungen keine ausreichenden Polizeikräfte mehr zum Schutz der angemeldeten Versammlung und der Rechtsgüter Dritter zur Verfügung gestanden hätten. Die behauptete Bindung von Polizeikräften durch die zeitgleich stattfindenden Gegendemonstrationen kann nach obigen Maßstäben jedenfalls nicht ohne weiteres als hinreichendes Argument dafür herangezogen werden. Auch die Bindung von Polizeikräften aufgrund eines parallel stattfindenden Fußballspiels und sonstiger Veranstaltungen, deren vorrangige Schutzwürdigkeit sich nicht ohne weiteres erschließt, reicht hierfür nicht aus.

22

b) Die angegriffene Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts hält den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG ebenfalls nicht stand. Zwar hat das Sächsische Oberverwaltungsgericht deutliche Bedenken am Vorliegen der Voraussetzungen eines für die Rechtfertigung der versammlungsrechtlichen Auflage erforderlichen polizeilichen Notstandes geäußert und nachvollziehbar dargelegt, dass sich ihm nicht erschließe, wodurch sich das Gefährdungspotential innerhalb des kurzen Zeitraumes zwischen der Gefährdungsanalyse der Polizeidirektion L. vom 4. Oktober 2010 und dem Erlass der Auflage am 13. Oktober 2010 so erhöht haben soll, dass statt der zwei Aufzüge, die ursprünglich noch mit den zur Verfügung stehenden Einsatzkräften für sicherbar gehalten wurden, nunmehr nur noch eine stationäre Kundgebung möglich sein solle. Auch erscheint es nachvollziehbar, dass dem Sächsischen Oberverwaltungsgericht in der Kürze der ihm zur Verfügung stehenden Zeit die Vornahme der hier grundsätzlich gebotenen und soweit als möglich nicht lediglich summarischen Rechtmäßigkeitskontrolle der behördlichen Auflage nicht mehr möglich war. Allerdings hätte es dem Sächsischen Oberverwaltungsgericht in dieser Konstellation, um der Freiheitsvermutung zugunsten der Versammlungsfreiheit zumindest in der Sache Rechnung zu tragen, oblegen, eine besonders sorgfältige Folgenabwägung vorzunehmen und diese in der Begründung seiner Entscheidung hinreichend offenzulegen. Vorliegend hat sich das Sächsische Oberverwaltungsgericht in der Begründung seiner Entscheidung jedoch im Wesentlichen darauf beschränkt, auf die vermeintlich geringe Beeinträchtigung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit hinzuweisen, ohne auch nur ansatzweise ausreichend auf das Bestehen einer die Beeinträchtigung der Versammlungsfreiheit überwiegenden potentiellen Beeinträchtigung anderer Rechtsgüter einzugehen.

23

4. Demgemäß ist festzustellen, dass sowohl der angegriffene Beschluss des Verwaltungsgerichts Leipzig als auch der angegriffene Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG verletzen. Einer Aufhebung der Entscheidungen und Zurückverweisung zur erneuten Entscheidung bedarf es darüberhinausgehend nur bezüglich der Kostenentscheidungen, da in der Sache selbst Erledigung eingetreten ist (vgl. Schemmer, in: Umbach/Clemens/Dollinger, 2. Aufl. 2005, BVerfGG, § 93c Rn. 33).

24

5. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

Tenor

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom 16. April 2003 - 11 K 671/02 -, soweit darin die Klage des Beschwerdeführers auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Auflage Nr. 4 in dem Auflagenbescheid des Polizeipräsidiums Bielefeld vom 1. März 2002 - VL 12.5-231-W-02/01 - abgewiesen wird, und der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 25. Oktober 2004 - 5 A 2764/03 -, soweit darin der Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung zurückgewiesen wird, verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 8 Absatz 1 des Grundgesetzes.

Die Entscheidungen werden in dem vorgenannten Umfang aufgehoben. Die Sache wird zur Entscheidung an das Verwaltungsgericht Minden zurückverwiesen.

...

Gründe

1

Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer als Veranstalter einer Versammlung gegen verwaltungsgerichtliche Entscheidungen, die eine versammlungsrechtliche Auflage gemäß § 15 Abs. 1 VersG zum Gegenstand haben, aufgrund derer die Teilnehmer der Versammlung vor Beginn der Veranstaltung polizeilich durchsucht werden.

I.

2

1. Der Beschwerdeführer meldete aus Anlass der vom 27. Januar bis zum 17. März 2002 in Bielefeld gezeigten Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht. Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941 - 1944" (im Folgenden: Wehrmachtsausstellung) für den 2. März 2002 in Bielefeld eine Versammlung unter freiem Himmel mit dem Motto "Die Soldaten der Wehrmacht waren Helden, keine Verbrecher" an. Mit sofort vollziehbarer Verbotsverfügung vom 18. Februar 2002 verbot das Polizeipräsidium Bielefeld die Versammlung. Die hiergegen vom Beschwerdeführer angestrengten Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vor den Verwaltungsgerichten blieben erfolglos (vgl. VG Minden, Beschluss vom 27. Februar 2002 - 11 L 185/02 -, juris; OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 1. März 2002 - 5 B 388/02 -, juris).

3

2. Mit Beschluss vom 1. März 2002 stellte die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts im Wege der einstweiligen Anordnung die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Beschwerdeführers gegen die Verbotsverfügung wieder her (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 1. März 2002 - 1 BvQ 5/02 -, NVwZ 2002, S. 982).

4

3. Mit Bescheid vom 1. März 2002 ordnete das Polizeipräsidium Bielefeld daraufhin für die Durchführung der Versammlung eine Reihe von Auflagen an, darunter auch die Auflage Nr. 4:

5

"Die Teilnehmer der Versammlung werden vor Beginn der Veranstaltung polizeilich durchsucht".

6

4. Im Laufe des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht legte der Beschwerdeführer eidesstattliche Versicherungen von zwei Teilnehmern der einen Monat zuvor am 2. Februar 2002 durchgeführten, ebenfalls gegen die Wehrmachtsausstellung gerichteten Versammlung der NPD vor (im Folgenden: Anti-Wehrmachtsausstellungs-Versammlung am 2. Februar 2002). Darin schilderten die zwei Teilnehmer, dass ihnen auf der Versammlung die Aufgabe zugefallen sei, den Lautsprecherwagen gegen eventuelle Übergriffe gewaltsamer Gegendemonstranten zu sichern, insbesondere zu verhindern, dass eventuell Steinwürfe oder sonstige Wurfgeschosse die Fenster beschädigten. Des Weiteren legte der Beschwerdeführer die eidesstattliche Versicherung eines Teilnehmers einer Versammlung am 1. September 2001 in Leipzig vor. Darin schilderte dieser, dass die Versammlung von linken Demonstranten mit Steinen, Flaschen und anderen Gegenständen beworfen worden sei. Nur den Ordnern der Versammlung sei es zu verdanken gewesen, dass die Teilnehmer der Versammlung von einer berechtigten Notwehrreaktion hätten zurückgehalten werden können. Einmal sei eine Polizeikette gegen die Teilnehmer vorgegangen, als sie sich hätten verteidigen wollen.

7

5. Mit angegriffenem Urteil vom 16. April 2003 wies das Verwaltungsgericht - unter anderem - die Klage des Beschwerdeführers auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Auflage Nr. 4 im Auflagenbescheid vom 1. März 2002 ab. Für seine Gefahrenprognose gemäß § 15 Abs. 1 VersG stützte sich das Verwaltungsgericht auf den Umstand, dass die zwei Teilnehmer der Anti-Wehrmachtsausstellungs-Versammlung am 2. Februar 2002 Steinwürfe oder sonstige Wurfgeschosse befürchtet hätten. Außerdem bezog das Verwaltungsgericht den Umstand mit ein, dass es laut der eidesstattlichen Versicherung des Teilnehmers der Versammlung am 1. September 2001 in Leipzig tatsächlich zu Gewalttätigkeiten durch Gegendemonstranten gekommen sei. Ebenso wie die beiden Teilnehmer der Anti-Wehrmachtsausstellungs-Versammlung am 2. Februar 2002 die Bereitschaft zu gewalttätigem (Angriffs- oder Abwehr-)Verhalten aus den Reihen der Gegenversammlung für möglich gehalten hätten, habe das Polizeipräsidium Bielefeld Vergleichbares bei der geplanten Versammlung vier Wochen später befürchten müssen, und zwar bei den Teilnehmern der vom Beschwerdeführer angemeldeten Versammlung genauso wie bei den Gegendemonstranten, zumal zu beiden Versammlungen am 2. März 2002 jeweils zahlreiche, in der Menge schwer zu kontrollierende Teilnehmer erwartet worden seien (der Beschwerdeführer sei bei der Anmeldung seiner Versammlung von 1.000 bis 2.000 Teilnehmern ausgegangen). Unter diesen Umständen hätten objektive Anhaltspunkte für das Auffinden sicherstellbarer Gegenstände bestanden, welche das Polizeipräsidium Bielefeld dazu berechtigt hätten, pauschal im Wege einer Auflage die polizeiliche Durchsuchung aller Versammlungsteilnehmer vor dem Veranstaltungsbeginn anzuordnen. Eines konkreten Verdachts gegen bestimmte Versammlungsteilnehmer, insbesondere gegen den Beschwerdeführer, habe es insoweit nicht bedurft.

8

6. Mit angegriffenem Beschluss vom 25. Oktober 2004 wies das Oberverwaltungsgericht - unter anderem - den auf § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützten Antrag auf Zulassung der Berufung bezüglich der Auflage Nr. 4 zurück. Zur Begründung verwies das Oberverwaltungsgericht entsprechend § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO auf die Ausführungen in dem angegriffenen Urteil. Im Übrigen sei die Auflage Nr. 4 verhältnismäßig, weil sie dazu beitrage, die nach dem Versammlungsgesetz gebotene Gewaltlosigkeit der Versammlung und damit letztlich die Versammlung selbst zu sichern.

9

7. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer unter anderem eine Verletzung seines Grundrechts der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG.

10

8. Zu der Verfassungsbeschwerde haben das Polizeipräsidium Bielefeld als Beklagter des Ausgangsverfahrens und der für das Versammlungsrecht zuständige Sechste Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts Stellung genommen. Das Polizeipräsidium hält die Auflage für durch eine hinreichende Gefahrenprognose gerechtfertigt. Demgegenüber hat das Bundesverwaltungsgericht Zweifel, ob die angegriffenen Entscheidungen in jeder Hinsicht mit der Versammlungsfreiheit übereinstimmen. Der Landtag Nordrhein-Westfalen hat von einer Stellungnahme abgesehen. Die Akten des Ausgangsverfahrens haben dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen.

II.

11

Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist.

12

1. Das Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen Fragen zur Reichweite der Gewährleistung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG bereits entschieden und dabei auch die zu berücksichtigenden Grundsätze entwickelt. Dies gilt insbesondere für die Bedeutung der Versammlungsfreiheit bei der Gefahrenprognose im Rahmen von Entscheidungen der Behörden und Gerichte anhand von § 15 Abs. 1 VersG (vgl. BVerfGE 69, 315 <349, 352 ff.>; speziell zu versammlungsrechtlichen Auflagen: Beschlüsse der 1. Kammer des Ersten Senats vom 19. Dezember 2007 - 1 BvR 2793/04 -, NVwZ 2008, S. 671 <672>; vom 21. April 1998 - 1 BvR 2311/94 -, NVwZ 1998, S. 834 <835>), namentlich in der Konstellation von Störungen der öffentlichen Sicherheit durch Gegendemonstranten (vgl. BVerfGE 69, 315 <360 f.>; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 26. März 2001 - 1 BvQ 15/01 -, NJW 2001, S. 1411 <1412>) und von polizeilichen Kontrollen im Vorfeld von Versammlungen (vgl. BVerfGE 69, 315 <349>; 84, 203 <209>).

13

2. Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG offensichtlich begründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG.

14

a) Der Schutzbereich der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG ist eröffnet, da die Auflage, dass die Teilnehmer der Versammlung vor Beginn der Veranstaltung polizeilich durchsucht werden, den freien Zugang zu einer bevorstehenden Versammlung betrifft. Der gesamte Vorgang des Sich-Versammelns unterfällt dem Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 84, 203 <209>).

15

b) Die Auflage bedeutet auch einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit. Ein Eingriff ist nicht nur dann gegeben, wenn eine Versammlung verboten oder aufgelöst wird, sondern auch, wenn die Art und Weise ihrer Durchführung durch staatliche Maßnahmen beschränkt wird (vgl. BVerfGE 69, 315 <349>). Die Auflage, dass die Teilnehmer einer Versammlung vor Beginn der Veranstaltung polizeilich durchsucht werden, behindert den freien Zugang zu der Versammlung. Eine polizeiliche Durchsuchung ist - zumal wenn sie pauschal jeden Versammlungsteilnehmer erfasst - geeignet, einschüchternde, diskriminierende Wirkung zu entfalten, die Teilnehmer in den Augen der Öffentlichkeit als möglicherweise gefährlich erscheinen zu lassen und damit potentielle Versammlungsteilnehmer von einer Teilnahme abzuhalten.

16

c) Beschränkungen der Versammlungsfreiheit bedürfen gemäß Art. 8 Abs. 2 GG zu ihrer Rechtfertigung einer gesetzlichen Grundlage. Im vorliegenden Fall wurde die Auflage auf § 15 Abs. 1 VersG gestützt.

17

aa) Diese Norm sieht mit Rücksicht auf die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Versammlungsfreiheit Einschränkungen gegenüber Versammlungen nur für den Fall vor, dass die öffentliche Sicherheit oder Ordnung nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzugs unmittelbar gefährdet ist. Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Versammlungsfreiheit darf die Behörde auch bei dem Erlass von Auflagen keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose stellen. Als Grundlage der Gefahrenprognose sind konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich; bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen reichen hierzu nicht aus (vgl. Beschlüsse der 1. Kammer des Ersten Senats vom 21. April 1998 - 1 BvR 2311/94 -, NVwZ 1998, S. 834 <835>; vom 19. Dezember 2007 - 1 BvR 2793/04 -, NVwZ 2008, S. 671 <672>; vom 7. November 2008 - 1 BvQ 43/08 -, juris Rn. 17). Für die Gefahrenprognose können Ereignisse im Zusammenhang mit früheren Versammlungen als Indizien herangezogen werden, soweit sie bezüglich des Mottos, des Ortes, des Datums sowie des Teilnehmer- und Organisatorenkreises Ähnlichkeiten zu der geplante Versammlung aufweisen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 4. September 2009 - 1 BvR 2147/09 -, NJW 2010, S. 141).

18

Wenn sich der Veranstalter und sein Anhang allerdings friedlich verhalten und Störungen der öffentlichen Sicherheit, insbesondere Gewalttaten, lediglich von Gegendemonstrationen ausgehen, müssen sich behördliche Maßnahmen primär gegen die störenden Gegendemonstrationen richten. Es ist Aufgabe der zum Schutz der rechtsstaatlichen Ordnung berufenen Polizei, in unparteiischer Weise auf die Verwirklichung des Versammlungsrechts hinzuwirken. Gegen die friedliche Versammlung, die den Anlass für die Gegendemonstration bildet, darf nur unter den besonderen Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes eingeschritten werden (vgl. BVerfGE 69, 315 <360 f.>; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 1. September 2000 - 1 BvQ 24/00 -, NVwZ 2000, S. 1406 <1407>).

19

Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Gründen für ein Verbot oder eine Auflage liegt bei der Behörde (vgl.  BVerfG , Beschlüsse der 1. Kammer des Ersten Senats vom 1. Mai 2001 - 1 BvQ 21/01 -, NJW 2001, S. 2078 <2079>; vom 4. September 2009 - 1 BvR 2147/09 -, NJW 2010, S. 141 <142>).

20

Zwar sind die Feststellung der Tatsachen, auf die sich die Gefahrenprognose gründet, sowie die Würdigung dieser Tatsachen grundsätzlich Sache der Fachgerichte und entziehen sich einer Kontrolle des Bundesverfassungsgerichts. Dieses hat allerdings zu überprüfen, ob bei der Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts der Einfluss der Versammlungsfreiheit hinreichend beachtet worden ist. Eine solche Prüfung verlangt eine intensivierte Kontrolle, ob die von den Fachgerichten getroffenen tatsächlichen Feststellungen die daraus gezogenen Schlussfolgerungen zu tragen vermögen (vgl. BVerfGE 84, 203 <210>).

21

bb) Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen für die Gefahrenprognose im Rahmen von § 15 Abs. 1 VersG wird die angegriffene Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht gerecht.

22

(1) Die von dem Verwaltungsgericht herangezogenen Umstände sind nicht geeignet, eine von der Versammlung selbst ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit nahezulegen, die den Erlass einer gegenüber der Versammlung belastenden Auflage hätte rechtfertigen können.

23

Zwar durfte das Verwaltungsgericht grundsätzlich den Verlauf der Anti-Wehrmachtsausstellungs-Versammlung am 2. Februar 2002 als Indiz heranziehen, da sie wegen der Zielrichtung, hier der Propagierung einer bestimmten Interpretation der jüngeren deutschen Geschichte, des Ortes und der zeitlichen Nähe Ähnlichkeiten zu der von dem Beschwerdeführer veranstalteten Versammlung aufwies. Die zwei Teilnehmer dieser Versammlung haben in ihren von dem Verwaltungsgericht angeführten eidesstattlichen Versicherungen indes lediglich organisatorische Vorsichtsmaßnahmen auf Veranstalterseite gegen eventuelle Übergriffe gewaltbereiter linker Gegendemonstranten beschrieben. Diese Aussagen privater Personen zu ihrerseits lediglich verdachtsgeleiteten Handlungen stellen keine nachvollziehbaren tatsächlichen Anhaltspunkte dar, wie sie für eine Gefahrenprognose im Rahmen des § 15 Abs. 1 VersG erforderlich sind. Vor allem lässt sich dieser Aussage nicht ansatzweise entnehmen, dass sich die Teilnehmer der Versammlung bei dieser Gelegenheit nicht rechtstreu verhalten haben.

24

Dagegen hat das Verwaltungsgericht keine tatsächlichen Feststellungen zu der Frage getroffen, ob und inwieweit die Versammlung am 1. September 2001 in Leipzig Ähnlichkeiten zu der von dem Beschwerdeführer veranstalteten Versammlung aufwies und daher im Rahmen der Gefahrenprognose als Indiz herangezogen werden durfte. Außerdem hat der Teilnehmer der Versammlung in seiner von dem Verwaltungsgericht angeführten eidesstattlichen Versicherung lediglich Übergriffe gewalttätiger linker Gegendemonstranten beschrieben. Nach seiner Darstellung haben hauptsächlich die Ordner, in einem Fall die Einsatzkräfte der Polizei, die solchermaßen provozierten Teilnehmer der Versammlung erfolgreich im Zaum gehalten. Anhaltspunkte dafür, dass die Teilnehmer der von dem Beschwerdeführer veranstalteten Versammlung aus eigenem Antrieb die gewalttätige Auseinandersetzung mit den linken Gegendemonstranten gesucht hätten, ergeben sich aus dieser Aussage nicht.

25

Auch soweit das Verwaltungsgericht bei seiner Gefahrenprognose auf die Größe des zu erwartenden Teilnehmerkreises der von dem Beschwerdeführer veranstalteten Versammlung abgestellt hat, trägt dieser Umstand die Auflage nicht. Denn allein aus der Größe einer Versammlung kann nicht auf die Gewaltbereitschaft der Teilnehmer geschlossen werden.

26

Insgesamt scheint die Gefahrenprognose des Verwaltungsgerichts allein auf der - nicht ausgesprochenen - Vermutung zu gründen, die Teilnehmer der vom Beschwerdeführer veranstalteten Versammlung könnten durch frühere Störungen von gewalttätigen linken Gegendemonstranten gereizt nunmehr zum Präventivschlag ausholen. Bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen ohne hinreichende konkrete Tatsachengrundlage reichen jedoch, wie dargelegt, für die Gefahrenprognose im Rahmen des § 15 Abs. 1 VersG nicht aus. Der Umstand, dass bei der von dem Beschwerdeführer veranstalteten Versammlung Störungen der öffentlichen Sicherheit durch gewaltbereite linke Gegendemonstranten zu befürchten waren, hätte den zuständigen Behörden Anlass sein müssen, zuvörderst gegen die angekündigten Gegendemonstrationen Maßnahmen zu ergreifen. Das durch gewaltbereite Gegendemonstranten drohende Gefahrenpotential ist der von dem Beschwerdeführer veranstalteten Versammlung nicht zurechenbar.

27

(2) Als Nichtstörerin hätte die vom Beschwerdeführer veranstaltete Versammlung daher nur im Wege des polizeilichen Notstandes in Anspruch genommen werden können.

28

Im Hinblick auf die besonderen Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes sind der angegriffenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts indessen weder die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen noch Ansätze für deren notwendige rechtliche Würdigung zu entnehmen. Zwar dürfen die diesbezüglichen Anforderungen an Durchsuchungen, die letztlich nur der Ermöglichung einer friedlichen Wahrnehmung der Versammlungsfreiheit dienen, in Situationen, die insgesamt durch drohende Gewalt geprägt sind, nicht zu hoch angesetzt werden. Jedoch bedarf es insoweit zumindest der Darlegung, dass ein Schutz vor Gefahren für die öffentliche Sicherheit primär durch Maßnahmen gegenüber den Störern ins Werk gesetzt wird und dass er auf diese Weise aber nur unzureichend gewährleistet werden kann. Hieran fehlt es indes. So fehlen insbesondere Ausführungen dazu, dass und inwieweit gegen die angekündigten Gegendemonstrationen gerichtete, behördliche Maßnahmen nicht ausgereicht haben, der gewaltbereiten Gegendemonstranten Herr zu werden und so der Gefahr einer etwaigen gewalttätigen Eskalation zu begegnen. Feststellungen hierzu hat das Verwaltungsgericht nicht getroffen. Unter dem Gesichtspunkt der Eskalation fehlt es weiterhin an konkreten und nachvollziehbaren tatsächlichen Anhaltspunkten für die Annahme, dass die Teilnehmer der von dem Beschwerdeführer veranstalteten Versammlung überhaupt unter Rückgriff auf mitgebrachte Gegenstände zur Schutz- und Trutzwehr übergehen würden.

29

cc) Der angegriffene Beschluss des Oberverwaltungsgerichts teilt den festgestellten Mangel des verwaltungsgerichtlichen Urteils. Das Oberverwaltungsgericht hat sich die Gründe des Verwaltungsgerichts ausdrücklich gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO zu Eigen gemacht. Der über diese Bezugnahme hinausgehende pauschale Verweis auf die behauptete Verhältnismäßigkeit der Auflage erweist sich angesichts der aufgezeigten verfassungsrechtlichen Defizite hinsichtlich der erforderlichen tatsächlichen Feststellungen und der notwendigen rechtlichen Würdigung als nicht tragfähig.

30

dd) Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf dem aufgezeigten Grundrechtsverstoß. Es ist nicht auszuschließen, dass die Gerichte bei der erforderlichen erneuten Befassung und unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Anforderungen aus Art. 8 Abs. 1 GG zu einem anderen Ergebnis kommen. Hierbei werden die Gerichte - neben den bereits angesprochenen Gesichtspunkten - zu prüfen haben, ob und gegebenenfalls welche Gegenstände die polizeiliche Durchsuchung der Teilnehmer bei der Anti-Wehrmachtsausstellungs-Versammlung am 2. Februar 2002 zutage gefördert wurden, die laut der Stellungnahme des Polizeipräsidiums Bielefeld in dem Verfassungsbeschwerdeverfahren bereits gegenüber dieser Versammlung angeordnet worden war.

31

3. Da die Verfassungsbeschwerde bereits wegen des Verstoßes gegen Art. 8 Abs. 1 GG Erfolg hat, bedarf es keiner Prüfung, ob daneben weitere Grundrechte verletzt sind.

32

4. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Tenor

1. Die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 15. Oktober 2010 - 3 L 1556/10 - und des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 15. Oktober 2010 - 3 B 307/10 - verletzen die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Artikel 8 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes.

2. Die Kostenentscheidungen der Beschlüsse werden aufgehoben. Das Verfahren wird insoweit an das Sächsische Oberverwaltungsgericht zur erneuten Entscheidung über die Kosten des Verfahrens zurückverwiesen.

3. ...

4. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die verwaltungsgerichtliche Versagung vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine versammlungsrechtliche Auflage.

I.

2

1. Die Beschwerdeführer meldeten Anfang September 2010 bei der Stadt L. ihr Vorhaben an, am 16. Oktober 2010 (von 12.00 Uhr bis 20.00 Uhr) in L. eine Versammlung unter freiem Himmel durchzuführen. Die geplante Versammlung sollte aus drei Aufzügen und einer Abschlusskundgebung in der Innenstadt von L. bestehen. Die Teilnehmerzahl wurde von den Beschwerdeführern bei der Anmeldung auf 600 Personen geschätzt. Das Motto der geplanten Versammlung lautete "Recht auf Zukunft". Es bezog sich auf eine am 17. Oktober 2009 in L. von der Beschwerdeführerin zu 4), einer Unterorganisation der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD), veranstaltete Versammlung, bei der es im Zusammenhang mit einer Versammlungsblockade durch Gegendemonstranten zu gewalttätigen Auseinandersetzungen und letztlich zu einer polizeilichen Auflösung der Versammlung kam.

3

Angesichts dieser Vorgeschichte und der Anmeldung von zahlreichen Gegendemonstrationen kam es zwischen der Anmeldung und der Durchführung der geplanten Versammlung zu umfangreichen Verhandlungen zwischen den Beschwerdeführern und der Stadt L., die unter anderem in Kooperationsgesprächen am 4., am 6. und am 13. Oktober 2010 eingehend die polizeilich sicherbare Anzahl der geplanten Aufzüge und die konkrete Streckenführung erörterten. In einer Gefährdungsanalyse am 4. Oktober 2010 bekundete die Polizeidirektion L. dabei laut den tatsächlichen Feststellungen des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts, dass der Schutz von zwei der angemeldeten Aufzüge mit den zur Verfügung stehenden Einsatzkräften gewährleistet werden könne. Am 11. Oktober 2010 teilte der Beschwerdeführer zu 1) der Stadt schließlich mit, dass am 16. Oktober 2010 nunmehr lediglich ein einziger Aufzug stattfinden solle. Am 12. Oktober 2010 ergänzte die Polizeidirektion L. ihre Gefahrprognose insofern, dass nunmehr nur eine maximal vierstündige stationäre Kundgebung durchführbar sei, weil nach den Erfahrungen des Versammlungsgeschehens vom 17. Oktober 2009 mit einer höheren als der angemeldeten Teilnehmerzahl zu rechnen sei und jeweils ca. 10 bis 20 % der Teilnehmer der angemeldeten Demonstration und der Gegendemonstrationen als gewaltbereit einzustufen seien.

4

2. Mit Bescheid vom 13. Oktober 2010 untersagte die Stadt L. die Durchführung der Versammlung als Aufzug, verfügte die Durchführung als stationäre Kundgebung in der Zeit von 13.00 Uhr bis 17.00 Uhr in einem Bereich am L. Hauptbahnhof und ordnete die sofortige Vollziehung dieser Auflage an. Die Polizeidirektion L. habe in ihrer Gefahrprognose vom 12. Oktober 2010 dargelegt, dass im Zeitraum vom 15. bis zum 17. Oktober 2010 aufgrund von zahlreichen Versammlungsanmeldungen widerstreitender politischer Lager eine latente Gefährdungssituation vorhanden sei, die einen außerordentlich hohen Kräfteeinsatz der Polizei erfordere. Es sei davon auszugehen, dass sich die Teilnehmer der Aufzüge bei Angriffen durch Personen der linksextremistischen Klientel provozieren ließen und darauf entsprechend reagierten. Die Polizei habe glaubhaft dargelegt, dass sie kräftetechnisch außerstande sei, einen Aufzug zu begleiten, da trotz bundesweiter Anfragen nur 29 der für erforderlich gehaltenen 44 Polizeihundertschaften, also nur 66 % der geplanten Polizeikräfte, zur Verfügung stünden. Die Ausübung der Versammlungsfreiheit werde trotz der Beschränkungen nicht vereitelt, da der zugewiesene Ort eine hinreichende Öffentlichkeitswirksamkeit und eine räumliche Trennung der gegensätzlichen politischen Lager gewährleiste.

5

3. Dagegen erhoben die Beschwerdeführer noch am gleichen Tag Widerspruch und stellten beim Verwaltungsgericht Leipzig die Anträge, die aufschiebende Wirkung ihrer Widersprüche gegen die Auflage, nur eine stationäre Kundgebung durchzuführen, wiederherzustellen sowie im Wege einer einstweiligen Anordnung ein Verbot sämtlicher Versammlungen in einem Umkreis von 300 m um die angemeldeten Aufzugstrecken anzuordnen. Das Verwaltungsgericht Leipzig lehnte die Eilanträge mit Beschluss vom 15. Oktober 2010 ab und begründete dies im Wesentlichen damit, dass der Bescheid vom 13. Oktober 2010 rechtmäßig sei und somit das öffentliche Interesse am Sofortvollzug des Bescheids die Interessen der Beschwerdeführer überwiege. Die Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens, die Stadt L., sei auf der Grundlage der Einschätzung der Polizeidirektion L. nachvollziehbar davon ausgegangen, dass infolge zahlreicher Gegenaktionen und -demonstrationen bei Durchführung des im Zuge der Kooperation der Beschwerdeführer zuletzt noch geplanten einzigen Aufzuges eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung bestehe. Bei der Vielzahl der angemeldeten und geplanten Veranstaltungen am 16.10.2010, unter anderem ein Fußballspiel, und in Anbetracht der beschriebenen begrenzten Kräftelage der Polizei sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit einhergehenden Personen- und Sachschäden zu rechnen, denen nur mit der Beschränkung auf eine stationäre Kundgebung begegnet werden könne. Dieser Gefahr könne in Anbetracht der besonderen Veranstaltungssituation am 16. Oktober 2010 auch nicht durch Maßnahmen gegen potentielle Störer begegnet werden.

6

4. Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts legten die Beschwerdeführer Beschwerde ein. Das Sächsische Oberverwaltungsgericht wies die Beschwerde mit Beschluss vom 15. Oktober 2010 zurück. Ob ein polizeilicher Notstand vorliege, sei im Rahmen der summarischen Prüfung nicht abschließend zu beurteilen. Der Einschätzung der Polizeidirektion lasse sich entnehmen, dass aufgrund des Versammlungsgeschehens im Vorjahr mit gewalttätigen Auseinandersetzungen einer Anzahl von 10 bis 20 % der Teilnehmer sowohl auf Seiten der Beschwerdeführer wie auf Seiten linker Demonstranten gerechnet werde. Zwar erschließe sich dem Gericht nicht, wodurch sich das Gefährdungspotential innerhalb kurzer Zeit so erhöht haben solle, dass statt der zwei Aufzüge, die die Polizeidirektion ursprünglich noch mit den zur Verfügung stehenden Einsatzkräften für sicherbar gehalten habe, nunmehr nur noch eine stationäre Kundgebung möglich sein solle. Wegen der fehlenden Überprüfungsmöglichkeit sei aufgrund einer Folgenabwägung zu entscheiden. Danach sei die Beschwerde zurückzuweisen, weil für den Antragsteller die mit der Durchführung einer nur stationären Kundgebung verbundenen Beeinträchtigungen hinnehmbar seien.

7

5. Die Beschwerdeführer beantragten sodann beim Bundesverfassungsgericht zunächst den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Diesen Antrag hat die Kammer aufgrund der besonderen Voraussetzungen der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes durch das Bundesverfassungsgericht abgelehnt, dabei jedoch zugleich auf die Möglichkeit der Klärung der aufgeworfenen Fragen in einem verfassungsgerichtlichen Hauptsachverfahren hingewiesen (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 16. Oktober 2010 - 1 BvQ 39/10 -, juris).

8

6. Hieraufhin erhoben die Beschwerdeführer gegen die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Leipzig und des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts fristgemäß Verfassungsbeschwerde mit der Rüge, durch die angegriffenen Entscheidungen in ihren Rechten aus Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG verletzt zu sein.

9

7. Das Bundesverfassungsgericht hat der Stadt L. als Gegnerin des Ausgangsverfahrens, dem Sächsischen Staatsministerium der Justiz und für Europa sowie der Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

10

Nach Auffassung des Rechtsamtes der Stadt L. liegen die Voraussetzungen für die Annahme der Verfassungsbeschwerde nicht vor. Das Sächsische Staatsministerium hat von einer Stellungnahme abgesehen. Die Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts hat eine Stellungnahme des unter anderem für das Versammlungsrecht zuständigen 6. Revisionssenats übersandt, in der dieser Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Entscheidungen äußert.

II.

11

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung von Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Fragen bereits entschieden (vgl. insbesondere BVerfGE 69, 315 <340 ff.>; 110, 77 <83 ff.>). Nach diesen Maßstäben ist die Verfassungsbeschwerde gegen die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Leipzig und des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts zulässig und begründet.

12

1. Der Zulässigkeit der Rüge der Verletzung des Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG steht weder der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde noch das Erfordernis eines Rechtsschutzinteresses entgegen.

13

a) Der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde verlangt die Erschöpfung des Rechtswegs in der Hauptsache nur, soweit die geltend gemachte Verletzung von Freiheitsrechten oder von Art. 19 Abs. 4 GG durch die Entscheidung der Gerichte in der Hauptsache noch ausgeräumt werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senat vom 21. April 1998 - 1 BvR 2311/94 -, NVwZ 1998, S. 834 <835>). Hier rügen die Beschwerdeführer allerdings gerade die Missachtung der Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG bei der Zurückweisung ihres Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz, die im Hauptsacheverfahren nicht mehr behandelt werden würde.

14

b) Auch ein Rechtsschutzbedürfnis der Beschwerdeführer besteht, obwohl der Demonstrationstermin verstrichen und damit der Sofortvollzug der strittigen Auflagen gegenstandslos geworden ist. Sind verfassungsrechtliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung nicht (mehr) zu klären, besteht ein Rechtsschutzbedürfnis auch nach Erledigung des ursprünglichen Begehrens im Falle einer Wiederholungsgefahr, also wenn ein Gericht die bereits herausgearbeiteten verfassungsrechtlichen Maßstäbe nicht beachtet hat und bei hinreichend bestimmter Gefahr einer gleichartigen Entscheidung bei gleichartiger Sach- und Rechtslage zu befürchten ist, dass es diese auch in Zukunft verkennt (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 21. April 1998 - 1 BvR 2311/94 -, NVwZ 1998, S. 834 <835>). Hier führten die Beschwerdeführer bereits konflikthafte Versammlungen in L. durch und planen auch in Zukunft die Durchführung von Versammlungen in L., bei denen sie mit ähnlichen Konfliktsituationen rechnen und gegebenenfalls gleichartige Entscheidungen des Verwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts befürchten müssten.

15

2. Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. Die angegriffenen Beschlüsse verletzen die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG.

16

a) Art. 8 Abs. 1 GG schützt die Freiheit, mit anderen Personen zum Zwecke einer gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung örtlich zusammen zu kommen (vgl. BVerfGE 104, 92 <104>; 128, 226 <250>). Als Freiheit zur kollektiven Meinungskundgabe, die auch und vor allem andersdenkenden Minderheiten zugutekommt, ist die Versammlungsfreiheit für eine freiheitlich demokratische Staatsordnung konstituierend (vgl. BVerfGE 69, 315 <344 f.>; 128, 226 <250>) und wird im Vertrauen auf die Kraft der freien öffentlichen Auseinandersetzung grundsätzlich auch den Gegnern der Freiheit gewährt (vgl. BVerfGE 124, 300 <320>). Damit die Bürger selbst entscheiden können, wann, wo und unter welchen Modalitäten sie ihr Anliegen am wirksamsten zur Geltung bringen können, gewährleistet Art. 8 Abs. 1 GG nicht nur die Freiheit, an einer öffentlichen Versammlung teilzunehmen oder ihr fern zu bleiben, sondern umfasst zugleich ein Selbstbestimmungsrecht über die Durchführung der Versammlung als Aufzug, die Auswahl des Ortes und die Bestimmung der sonstigen Modalitäten der Versammlung (vgl. BVerfGE 69, 315 <343> oder <355 ff.>; 128, 226 <250 f.>).

17

Beschränkungen der Versammlungsfreiheit bedürfen gemäß Art. 8 Abs. 2 GG zu ihrer Rechtfertigung einer gesetzlichen Grundlage (vgl. BVerfGE 69, 315 <350 f.>; BVerfGK 17, 303 <307>). Nach § 15 des Gesetzes über Versammlungen und Aufzüge (Versammlungsgesetz) vom 24. Juli 1953 in der Fassung vom 8. Dezember 2008 (BGBl I S. 2366; im Folgenden: VersG) kann die zuständige Behörde die Versammlung von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Danach kann im Einzelfall auch die Festlegung geboten sein, dass eine ursprünglich als Aufzug angemeldete Versammlung nur als ortsfeste Versammlung durchgeführt werden darf (vgl. BVerfGK 2, 1 <8>). Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Versammlungsfreiheit darf die Behörde allerdings auch bei dem Erlass von Auflagen keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose stellen. Als Grundlage der Gefahrenprognose sind konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich; bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen reichen hierzu nicht aus (BVerfGE 69, 315 <353 f.>; BVerfGK 17, 303 <307>). Ferner gilt, dass, soweit sich der Veranstalter und die Versammlungsteilnehmer grundsätzlich friedlich verhalten und Störungen der öffentlichen Sicherheit vorwiegend aufgrund des Verhaltens Dritter - insbesondere von Gegendemonstrationen - zu befürchten sind, die Durchführung der Versammlung zu schützen ist und behördliche Maßnahmen primär gegen die Störer zu richten sind (vgl. BVerfGE 69, 315 <360 f.>; BVerfGK 8, 79 <81>; BVerfG , Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 1. September 2000 - 1 BvQ 24/00, NVwZ 2000, S. 1406 <1407>). Gegen die friedliche Versammlung selbst kann dann nur unter den besonderen Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes eingeschritten werden (vgl. BVerfGE 69, 315 <360 f.>; BVerfGK 17, 303 <308>). Dies setzt voraus, dass die Versammlungsbehörde mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anderenfalls wegen der Erfüllung vorrangiger staatlicher Aufgaben und trotz des Bemühens, gegebenenfalls externe Polizeikräfte hinzuzuziehen, zum Schutz der von dem Antragsteller angemeldeten Versammlung nicht in der Lage wäre; eine pauschale Behauptung dieses Inhalts reicht allerdings nicht (vgl. BVerfGK 8, 79 <82>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 24. März 2001 - 1 BvQ 13/01 -, NJW 2001, S. 2069 <2072>). Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Gründen für ein Verbot oder eine Auflage liegt grundsätzlich bei der Behörde (vgl. BVerfGK 17, 303 <308>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 4. September 2009 - 1 BvR 2147/09 -, NJW 2010, S. 141 <142>).

18

b) Art. 19 Abs. 4 GG garantiert einen effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 67, 43 <58>; 96, 27 <39>). Im Verfahren auf Wiederherstellung oder Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs, das für den Regelfall sicherstellt, dass die Verwaltungsbehörden keine irreparablen Maßnahmen durchführen, bevor die Gerichte deren Rechtmäßigkeit geprüft haben, ist der Rechtsschutzanspruch des Bürgers umso stärker, je schwerwiegender die ihm auferlegte Belastung wiegt und je mehr die Maßnahmen der Verwaltung Unabänderliches bewirken (vgl. BVerfGE 35, 382 <401 f.>; 69, 315 <363>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senat vom 21. April 1998 - 1 BvR 2311/94 -, NVwZ 1998, S. 834 <835>). Insbesondere im Bereich des Versammlungsrechts muss das verwaltungsgerichtliche Eilverfahren angesichts der Zeitgebundenheit von Versammlungen zum Teil Schutzfunktionen übernehmen, die sonst das Hauptsacheverfahren erfüllt (vgl. BVerfGE 69, 315 <363 f.>; 110, 77 <87>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senat vom 23. März 2004 - 1 BvR 745/01 -, juris, Rn. 13). Die einstweilige Anordnung im verfassungsgerichtlichen Verfahren als außerhalb der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG liegender Rechtsbehelf kann die primäre Rechtsschutzfunktion der Fachgerichte ebenfalls nicht übernehmen. Angesichts der Aufgaben des Bundesverfassungsgerichts und im Hinblick auf die weitreichenden Folgen, die eine einstweilige Anordnung auslösen kann, ist hierbei zudem ein strenger, von den verwaltungsgerichtlichen Kriterien grundsätzlich unterschiedener Maßstab anzulegen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senat vom 16. Oktober 2010 - 1 BvQ 39/10 -, juris, Rn. 4). Daher müssen die Verwaltungsgerichte zum Schutz von Versammlungen, die auf einen einmaligen Anlass bezogen sind, schon im Eilverfahren durch eine intensivere Prüfung dem Umstand Rechnung tragen, dass der Sofortvollzug der umstrittenen Maßnahme in der Regel zur endgültigen Verhinderung der Versammlung in der beabsichtigten Form führt. Soweit möglich, ist als Grundlage der gebotenen Interessenabwägung die Rechtmäßigkeit der Maßnahme in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht nicht nur summarisch zu prüfen (vgl. BVerfGE 69, 315 <363 f.>; 110, 77 <87>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senat vom 21. April 1998 - 1 BvR 2311/94 -, NVwZ 1998, S. 834 <835>). Sofern dies nicht möglich ist, haben die Fachgerichte jedenfalls eine sorgfältige Folgenabwägung vorzunehmen und diese hinreichend substantiiert zu begründen, da ansonsten eine Umgehung der beschriebenen strengen Voraussetzungen für Beschränkungen der Versammlungsfreiheit möglich erschiene.

19

3. Diese Maßstäbe haben das Verwaltungsgericht Leipzig und das Sächsische Oberverwaltungsgericht bei den ihnen obliegenden Entscheidungen über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht hinreichend berücksichtigt. Beide Entscheidungen werden den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG im Hinblick auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen versammlungsbeschränkende behördliche Maßnahmen nicht gerecht.

20

a) Die vom Verwaltungsgericht Leipzig herangezogenen Umstände sind nicht geeignet, die Annahme einer von der Versammlung selbst ausgehenden unmittelbaren Gefährdung für die öffentliche Sicherheit zu tragen, die die Verhinderung der Versammlung in Form eines Aufzugs hätte rechtfertigen können. Das Verwaltungsgericht legt insofern bereits nicht hinreichend deutlich dar, ob seiner Auffassung nach auch von der Versammlung selbst eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht oder diese Gefahr ausschließlich aufgrund der zahlreichen Gegendemonstrationen und den hieraus zu erwartenden Störungen der Versammlung besteht. Dass das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung zur Begründung seines Standpunktes im Wesentlichen lediglich auf die Einschätzung der Polizeidirektion L., die ohne nähere Erläuterung 10 bis 20 % der Teilnehmer der angemeldeten Demonstration dem gewaltbereiten Klientel zurechnete, verweist, genügt den Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG insofern jedenfalls nicht.

21

Auch im Hinblick auf eine Inanspruchnahme der Veranstalter als Nichtstörer im Wege des polizeilichen Notstandes genügen die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts den Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG nicht. Das Verwaltungsgericht weist insofern zur Begründung des Vorliegens einer nicht durch Maßnahmen gegen potentielle Störer abwendbaren Gefahr, insbesondere auf die besondere Veranstaltungssituation am 16. Oktober 2010 und die deswegen nur begrenzt zur Verfügung stehenden Polizeikräfte, hin und beruft sich dabei pauschal auf die Einschätzung der Polizeidirektion L. vom 13. Oktober 2010. Berücksichtigt man aber den Umstand, dass die Polizeidirektion in ihrer Gefährdungsanalyse vom 4. Oktober 2010 offenbar noch zwei der angemeldeten Aufzüge mit den ihr voraussichtlich zur Verfügung stehenden Kräften für sicherbar hielt, erfüllt diese pauschale Bezugnahme auf die Einschätzung der Polizeidirektion vom 13. Oktober 2010 nicht die den Anforderungen an die entsprechend obigen Maßstäben bereits im Eilverfahren gebotene intensivere Rechtmäßigkeitsprüfung. Vielmehr hätte die kurzfristige Änderung der polizeilichen Einschätzung, die sich nicht ohne weiteres erschließt, das Verwaltungsgericht zu einer substantiierteren Prüfung der veränderten polizeilichen Einschätzung und zur Nachfrage einer genaueren Begründung ihrer Entscheidung veranlassen müssen. Dass dies vorliegend aus zeitlichen Gründen nicht möglich gewesen wäre, ist nicht erkennbar. Auch im Übrigen hätte es dezidierterer Feststellungen bedurft, aufgrund welcher konkreter Gefahren für die öffentliche Sicherheit und aufgrund welcher konkreter, vorrangig zu schützender sonstiger Veranstaltungen keine ausreichenden Polizeikräfte mehr zum Schutz der angemeldeten Versammlung und der Rechtsgüter Dritter zur Verfügung gestanden hätten. Die behauptete Bindung von Polizeikräften durch die zeitgleich stattfindenden Gegendemonstrationen kann nach obigen Maßstäben jedenfalls nicht ohne weiteres als hinreichendes Argument dafür herangezogen werden. Auch die Bindung von Polizeikräften aufgrund eines parallel stattfindenden Fußballspiels und sonstiger Veranstaltungen, deren vorrangige Schutzwürdigkeit sich nicht ohne weiteres erschließt, reicht hierfür nicht aus.

22

b) Die angegriffene Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts hält den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG ebenfalls nicht stand. Zwar hat das Sächsische Oberverwaltungsgericht deutliche Bedenken am Vorliegen der Voraussetzungen eines für die Rechtfertigung der versammlungsrechtlichen Auflage erforderlichen polizeilichen Notstandes geäußert und nachvollziehbar dargelegt, dass sich ihm nicht erschließe, wodurch sich das Gefährdungspotential innerhalb des kurzen Zeitraumes zwischen der Gefährdungsanalyse der Polizeidirektion L. vom 4. Oktober 2010 und dem Erlass der Auflage am 13. Oktober 2010 so erhöht haben soll, dass statt der zwei Aufzüge, die ursprünglich noch mit den zur Verfügung stehenden Einsatzkräften für sicherbar gehalten wurden, nunmehr nur noch eine stationäre Kundgebung möglich sein solle. Auch erscheint es nachvollziehbar, dass dem Sächsischen Oberverwaltungsgericht in der Kürze der ihm zur Verfügung stehenden Zeit die Vornahme der hier grundsätzlich gebotenen und soweit als möglich nicht lediglich summarischen Rechtmäßigkeitskontrolle der behördlichen Auflage nicht mehr möglich war. Allerdings hätte es dem Sächsischen Oberverwaltungsgericht in dieser Konstellation, um der Freiheitsvermutung zugunsten der Versammlungsfreiheit zumindest in der Sache Rechnung zu tragen, oblegen, eine besonders sorgfältige Folgenabwägung vorzunehmen und diese in der Begründung seiner Entscheidung hinreichend offenzulegen. Vorliegend hat sich das Sächsische Oberverwaltungsgericht in der Begründung seiner Entscheidung jedoch im Wesentlichen darauf beschränkt, auf die vermeintlich geringe Beeinträchtigung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit hinzuweisen, ohne auch nur ansatzweise ausreichend auf das Bestehen einer die Beeinträchtigung der Versammlungsfreiheit überwiegenden potentiellen Beeinträchtigung anderer Rechtsgüter einzugehen.

23

4. Demgemäß ist festzustellen, dass sowohl der angegriffene Beschluss des Verwaltungsgerichts Leipzig als auch der angegriffene Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG verletzen. Einer Aufhebung der Entscheidungen und Zurückverweisung zur erneuten Entscheidung bedarf es darüberhinausgehend nur bezüglich der Kostenentscheidungen, da in der Sache selbst Erledigung eingetreten ist (vgl. Schemmer, in: Umbach/Clemens/Dollinger, 2. Aufl. 2005, BVerfGG, § 93c Rn. 33).

24

5. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

Tenor

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom 16. April 2003 - 11 K 671/02 -, soweit darin die Klage des Beschwerdeführers auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Auflage Nr. 4 in dem Auflagenbescheid des Polizeipräsidiums Bielefeld vom 1. März 2002 - VL 12.5-231-W-02/01 - abgewiesen wird, und der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 25. Oktober 2004 - 5 A 2764/03 -, soweit darin der Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung zurückgewiesen wird, verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 8 Absatz 1 des Grundgesetzes.

Die Entscheidungen werden in dem vorgenannten Umfang aufgehoben. Die Sache wird zur Entscheidung an das Verwaltungsgericht Minden zurückverwiesen.

...

Gründe

1

Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer als Veranstalter einer Versammlung gegen verwaltungsgerichtliche Entscheidungen, die eine versammlungsrechtliche Auflage gemäß § 15 Abs. 1 VersG zum Gegenstand haben, aufgrund derer die Teilnehmer der Versammlung vor Beginn der Veranstaltung polizeilich durchsucht werden.

I.

2

1. Der Beschwerdeführer meldete aus Anlass der vom 27. Januar bis zum 17. März 2002 in Bielefeld gezeigten Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht. Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941 - 1944" (im Folgenden: Wehrmachtsausstellung) für den 2. März 2002 in Bielefeld eine Versammlung unter freiem Himmel mit dem Motto "Die Soldaten der Wehrmacht waren Helden, keine Verbrecher" an. Mit sofort vollziehbarer Verbotsverfügung vom 18. Februar 2002 verbot das Polizeipräsidium Bielefeld die Versammlung. Die hiergegen vom Beschwerdeführer angestrengten Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vor den Verwaltungsgerichten blieben erfolglos (vgl. VG Minden, Beschluss vom 27. Februar 2002 - 11 L 185/02 -, juris; OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 1. März 2002 - 5 B 388/02 -, juris).

3

2. Mit Beschluss vom 1. März 2002 stellte die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts im Wege der einstweiligen Anordnung die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Beschwerdeführers gegen die Verbotsverfügung wieder her (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 1. März 2002 - 1 BvQ 5/02 -, NVwZ 2002, S. 982).

4

3. Mit Bescheid vom 1. März 2002 ordnete das Polizeipräsidium Bielefeld daraufhin für die Durchführung der Versammlung eine Reihe von Auflagen an, darunter auch die Auflage Nr. 4:

5

"Die Teilnehmer der Versammlung werden vor Beginn der Veranstaltung polizeilich durchsucht".

6

4. Im Laufe des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht legte der Beschwerdeführer eidesstattliche Versicherungen von zwei Teilnehmern der einen Monat zuvor am 2. Februar 2002 durchgeführten, ebenfalls gegen die Wehrmachtsausstellung gerichteten Versammlung der NPD vor (im Folgenden: Anti-Wehrmachtsausstellungs-Versammlung am 2. Februar 2002). Darin schilderten die zwei Teilnehmer, dass ihnen auf der Versammlung die Aufgabe zugefallen sei, den Lautsprecherwagen gegen eventuelle Übergriffe gewaltsamer Gegendemonstranten zu sichern, insbesondere zu verhindern, dass eventuell Steinwürfe oder sonstige Wurfgeschosse die Fenster beschädigten. Des Weiteren legte der Beschwerdeführer die eidesstattliche Versicherung eines Teilnehmers einer Versammlung am 1. September 2001 in Leipzig vor. Darin schilderte dieser, dass die Versammlung von linken Demonstranten mit Steinen, Flaschen und anderen Gegenständen beworfen worden sei. Nur den Ordnern der Versammlung sei es zu verdanken gewesen, dass die Teilnehmer der Versammlung von einer berechtigten Notwehrreaktion hätten zurückgehalten werden können. Einmal sei eine Polizeikette gegen die Teilnehmer vorgegangen, als sie sich hätten verteidigen wollen.

7

5. Mit angegriffenem Urteil vom 16. April 2003 wies das Verwaltungsgericht - unter anderem - die Klage des Beschwerdeführers auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Auflage Nr. 4 im Auflagenbescheid vom 1. März 2002 ab. Für seine Gefahrenprognose gemäß § 15 Abs. 1 VersG stützte sich das Verwaltungsgericht auf den Umstand, dass die zwei Teilnehmer der Anti-Wehrmachtsausstellungs-Versammlung am 2. Februar 2002 Steinwürfe oder sonstige Wurfgeschosse befürchtet hätten. Außerdem bezog das Verwaltungsgericht den Umstand mit ein, dass es laut der eidesstattlichen Versicherung des Teilnehmers der Versammlung am 1. September 2001 in Leipzig tatsächlich zu Gewalttätigkeiten durch Gegendemonstranten gekommen sei. Ebenso wie die beiden Teilnehmer der Anti-Wehrmachtsausstellungs-Versammlung am 2. Februar 2002 die Bereitschaft zu gewalttätigem (Angriffs- oder Abwehr-)Verhalten aus den Reihen der Gegenversammlung für möglich gehalten hätten, habe das Polizeipräsidium Bielefeld Vergleichbares bei der geplanten Versammlung vier Wochen später befürchten müssen, und zwar bei den Teilnehmern der vom Beschwerdeführer angemeldeten Versammlung genauso wie bei den Gegendemonstranten, zumal zu beiden Versammlungen am 2. März 2002 jeweils zahlreiche, in der Menge schwer zu kontrollierende Teilnehmer erwartet worden seien (der Beschwerdeführer sei bei der Anmeldung seiner Versammlung von 1.000 bis 2.000 Teilnehmern ausgegangen). Unter diesen Umständen hätten objektive Anhaltspunkte für das Auffinden sicherstellbarer Gegenstände bestanden, welche das Polizeipräsidium Bielefeld dazu berechtigt hätten, pauschal im Wege einer Auflage die polizeiliche Durchsuchung aller Versammlungsteilnehmer vor dem Veranstaltungsbeginn anzuordnen. Eines konkreten Verdachts gegen bestimmte Versammlungsteilnehmer, insbesondere gegen den Beschwerdeführer, habe es insoweit nicht bedurft.

8

6. Mit angegriffenem Beschluss vom 25. Oktober 2004 wies das Oberverwaltungsgericht - unter anderem - den auf § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützten Antrag auf Zulassung der Berufung bezüglich der Auflage Nr. 4 zurück. Zur Begründung verwies das Oberverwaltungsgericht entsprechend § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO auf die Ausführungen in dem angegriffenen Urteil. Im Übrigen sei die Auflage Nr. 4 verhältnismäßig, weil sie dazu beitrage, die nach dem Versammlungsgesetz gebotene Gewaltlosigkeit der Versammlung und damit letztlich die Versammlung selbst zu sichern.

9

7. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer unter anderem eine Verletzung seines Grundrechts der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG.

10

8. Zu der Verfassungsbeschwerde haben das Polizeipräsidium Bielefeld als Beklagter des Ausgangsverfahrens und der für das Versammlungsrecht zuständige Sechste Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts Stellung genommen. Das Polizeipräsidium hält die Auflage für durch eine hinreichende Gefahrenprognose gerechtfertigt. Demgegenüber hat das Bundesverwaltungsgericht Zweifel, ob die angegriffenen Entscheidungen in jeder Hinsicht mit der Versammlungsfreiheit übereinstimmen. Der Landtag Nordrhein-Westfalen hat von einer Stellungnahme abgesehen. Die Akten des Ausgangsverfahrens haben dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen.

II.

11

Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist.

12

1. Das Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen Fragen zur Reichweite der Gewährleistung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG bereits entschieden und dabei auch die zu berücksichtigenden Grundsätze entwickelt. Dies gilt insbesondere für die Bedeutung der Versammlungsfreiheit bei der Gefahrenprognose im Rahmen von Entscheidungen der Behörden und Gerichte anhand von § 15 Abs. 1 VersG (vgl. BVerfGE 69, 315 <349, 352 ff.>; speziell zu versammlungsrechtlichen Auflagen: Beschlüsse der 1. Kammer des Ersten Senats vom 19. Dezember 2007 - 1 BvR 2793/04 -, NVwZ 2008, S. 671 <672>; vom 21. April 1998 - 1 BvR 2311/94 -, NVwZ 1998, S. 834 <835>), namentlich in der Konstellation von Störungen der öffentlichen Sicherheit durch Gegendemonstranten (vgl. BVerfGE 69, 315 <360 f.>; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 26. März 2001 - 1 BvQ 15/01 -, NJW 2001, S. 1411 <1412>) und von polizeilichen Kontrollen im Vorfeld von Versammlungen (vgl. BVerfGE 69, 315 <349>; 84, 203 <209>).

13

2. Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG offensichtlich begründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG.

14

a) Der Schutzbereich der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG ist eröffnet, da die Auflage, dass die Teilnehmer der Versammlung vor Beginn der Veranstaltung polizeilich durchsucht werden, den freien Zugang zu einer bevorstehenden Versammlung betrifft. Der gesamte Vorgang des Sich-Versammelns unterfällt dem Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 84, 203 <209>).

15

b) Die Auflage bedeutet auch einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit. Ein Eingriff ist nicht nur dann gegeben, wenn eine Versammlung verboten oder aufgelöst wird, sondern auch, wenn die Art und Weise ihrer Durchführung durch staatliche Maßnahmen beschränkt wird (vgl. BVerfGE 69, 315 <349>). Die Auflage, dass die Teilnehmer einer Versammlung vor Beginn der Veranstaltung polizeilich durchsucht werden, behindert den freien Zugang zu der Versammlung. Eine polizeiliche Durchsuchung ist - zumal wenn sie pauschal jeden Versammlungsteilnehmer erfasst - geeignet, einschüchternde, diskriminierende Wirkung zu entfalten, die Teilnehmer in den Augen der Öffentlichkeit als möglicherweise gefährlich erscheinen zu lassen und damit potentielle Versammlungsteilnehmer von einer Teilnahme abzuhalten.

16

c) Beschränkungen der Versammlungsfreiheit bedürfen gemäß Art. 8 Abs. 2 GG zu ihrer Rechtfertigung einer gesetzlichen Grundlage. Im vorliegenden Fall wurde die Auflage auf § 15 Abs. 1 VersG gestützt.

17

aa) Diese Norm sieht mit Rücksicht auf die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Versammlungsfreiheit Einschränkungen gegenüber Versammlungen nur für den Fall vor, dass die öffentliche Sicherheit oder Ordnung nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzugs unmittelbar gefährdet ist. Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Versammlungsfreiheit darf die Behörde auch bei dem Erlass von Auflagen keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose stellen. Als Grundlage der Gefahrenprognose sind konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich; bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen reichen hierzu nicht aus (vgl. Beschlüsse der 1. Kammer des Ersten Senats vom 21. April 1998 - 1 BvR 2311/94 -, NVwZ 1998, S. 834 <835>; vom 19. Dezember 2007 - 1 BvR 2793/04 -, NVwZ 2008, S. 671 <672>; vom 7. November 2008 - 1 BvQ 43/08 -, juris Rn. 17). Für die Gefahrenprognose können Ereignisse im Zusammenhang mit früheren Versammlungen als Indizien herangezogen werden, soweit sie bezüglich des Mottos, des Ortes, des Datums sowie des Teilnehmer- und Organisatorenkreises Ähnlichkeiten zu der geplante Versammlung aufweisen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 4. September 2009 - 1 BvR 2147/09 -, NJW 2010, S. 141).

18

Wenn sich der Veranstalter und sein Anhang allerdings friedlich verhalten und Störungen der öffentlichen Sicherheit, insbesondere Gewalttaten, lediglich von Gegendemonstrationen ausgehen, müssen sich behördliche Maßnahmen primär gegen die störenden Gegendemonstrationen richten. Es ist Aufgabe der zum Schutz der rechtsstaatlichen Ordnung berufenen Polizei, in unparteiischer Weise auf die Verwirklichung des Versammlungsrechts hinzuwirken. Gegen die friedliche Versammlung, die den Anlass für die Gegendemonstration bildet, darf nur unter den besonderen Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes eingeschritten werden (vgl. BVerfGE 69, 315 <360 f.>; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 1. September 2000 - 1 BvQ 24/00 -, NVwZ 2000, S. 1406 <1407>).

19

Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Gründen für ein Verbot oder eine Auflage liegt bei der Behörde (vgl.  BVerfG , Beschlüsse der 1. Kammer des Ersten Senats vom 1. Mai 2001 - 1 BvQ 21/01 -, NJW 2001, S. 2078 <2079>; vom 4. September 2009 - 1 BvR 2147/09 -, NJW 2010, S. 141 <142>).

20

Zwar sind die Feststellung der Tatsachen, auf die sich die Gefahrenprognose gründet, sowie die Würdigung dieser Tatsachen grundsätzlich Sache der Fachgerichte und entziehen sich einer Kontrolle des Bundesverfassungsgerichts. Dieses hat allerdings zu überprüfen, ob bei der Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts der Einfluss der Versammlungsfreiheit hinreichend beachtet worden ist. Eine solche Prüfung verlangt eine intensivierte Kontrolle, ob die von den Fachgerichten getroffenen tatsächlichen Feststellungen die daraus gezogenen Schlussfolgerungen zu tragen vermögen (vgl. BVerfGE 84, 203 <210>).

21

bb) Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen für die Gefahrenprognose im Rahmen von § 15 Abs. 1 VersG wird die angegriffene Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht gerecht.

22

(1) Die von dem Verwaltungsgericht herangezogenen Umstände sind nicht geeignet, eine von der Versammlung selbst ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit nahezulegen, die den Erlass einer gegenüber der Versammlung belastenden Auflage hätte rechtfertigen können.

23

Zwar durfte das Verwaltungsgericht grundsätzlich den Verlauf der Anti-Wehrmachtsausstellungs-Versammlung am 2. Februar 2002 als Indiz heranziehen, da sie wegen der Zielrichtung, hier der Propagierung einer bestimmten Interpretation der jüngeren deutschen Geschichte, des Ortes und der zeitlichen Nähe Ähnlichkeiten zu der von dem Beschwerdeführer veranstalteten Versammlung aufwies. Die zwei Teilnehmer dieser Versammlung haben in ihren von dem Verwaltungsgericht angeführten eidesstattlichen Versicherungen indes lediglich organisatorische Vorsichtsmaßnahmen auf Veranstalterseite gegen eventuelle Übergriffe gewaltbereiter linker Gegendemonstranten beschrieben. Diese Aussagen privater Personen zu ihrerseits lediglich verdachtsgeleiteten Handlungen stellen keine nachvollziehbaren tatsächlichen Anhaltspunkte dar, wie sie für eine Gefahrenprognose im Rahmen des § 15 Abs. 1 VersG erforderlich sind. Vor allem lässt sich dieser Aussage nicht ansatzweise entnehmen, dass sich die Teilnehmer der Versammlung bei dieser Gelegenheit nicht rechtstreu verhalten haben.

24

Dagegen hat das Verwaltungsgericht keine tatsächlichen Feststellungen zu der Frage getroffen, ob und inwieweit die Versammlung am 1. September 2001 in Leipzig Ähnlichkeiten zu der von dem Beschwerdeführer veranstalteten Versammlung aufwies und daher im Rahmen der Gefahrenprognose als Indiz herangezogen werden durfte. Außerdem hat der Teilnehmer der Versammlung in seiner von dem Verwaltungsgericht angeführten eidesstattlichen Versicherung lediglich Übergriffe gewalttätiger linker Gegendemonstranten beschrieben. Nach seiner Darstellung haben hauptsächlich die Ordner, in einem Fall die Einsatzkräfte der Polizei, die solchermaßen provozierten Teilnehmer der Versammlung erfolgreich im Zaum gehalten. Anhaltspunkte dafür, dass die Teilnehmer der von dem Beschwerdeführer veranstalteten Versammlung aus eigenem Antrieb die gewalttätige Auseinandersetzung mit den linken Gegendemonstranten gesucht hätten, ergeben sich aus dieser Aussage nicht.

25

Auch soweit das Verwaltungsgericht bei seiner Gefahrenprognose auf die Größe des zu erwartenden Teilnehmerkreises der von dem Beschwerdeführer veranstalteten Versammlung abgestellt hat, trägt dieser Umstand die Auflage nicht. Denn allein aus der Größe einer Versammlung kann nicht auf die Gewaltbereitschaft der Teilnehmer geschlossen werden.

26

Insgesamt scheint die Gefahrenprognose des Verwaltungsgerichts allein auf der - nicht ausgesprochenen - Vermutung zu gründen, die Teilnehmer der vom Beschwerdeführer veranstalteten Versammlung könnten durch frühere Störungen von gewalttätigen linken Gegendemonstranten gereizt nunmehr zum Präventivschlag ausholen. Bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen ohne hinreichende konkrete Tatsachengrundlage reichen jedoch, wie dargelegt, für die Gefahrenprognose im Rahmen des § 15 Abs. 1 VersG nicht aus. Der Umstand, dass bei der von dem Beschwerdeführer veranstalteten Versammlung Störungen der öffentlichen Sicherheit durch gewaltbereite linke Gegendemonstranten zu befürchten waren, hätte den zuständigen Behörden Anlass sein müssen, zuvörderst gegen die angekündigten Gegendemonstrationen Maßnahmen zu ergreifen. Das durch gewaltbereite Gegendemonstranten drohende Gefahrenpotential ist der von dem Beschwerdeführer veranstalteten Versammlung nicht zurechenbar.

27

(2) Als Nichtstörerin hätte die vom Beschwerdeführer veranstaltete Versammlung daher nur im Wege des polizeilichen Notstandes in Anspruch genommen werden können.

28

Im Hinblick auf die besonderen Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes sind der angegriffenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts indessen weder die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen noch Ansätze für deren notwendige rechtliche Würdigung zu entnehmen. Zwar dürfen die diesbezüglichen Anforderungen an Durchsuchungen, die letztlich nur der Ermöglichung einer friedlichen Wahrnehmung der Versammlungsfreiheit dienen, in Situationen, die insgesamt durch drohende Gewalt geprägt sind, nicht zu hoch angesetzt werden. Jedoch bedarf es insoweit zumindest der Darlegung, dass ein Schutz vor Gefahren für die öffentliche Sicherheit primär durch Maßnahmen gegenüber den Störern ins Werk gesetzt wird und dass er auf diese Weise aber nur unzureichend gewährleistet werden kann. Hieran fehlt es indes. So fehlen insbesondere Ausführungen dazu, dass und inwieweit gegen die angekündigten Gegendemonstrationen gerichtete, behördliche Maßnahmen nicht ausgereicht haben, der gewaltbereiten Gegendemonstranten Herr zu werden und so der Gefahr einer etwaigen gewalttätigen Eskalation zu begegnen. Feststellungen hierzu hat das Verwaltungsgericht nicht getroffen. Unter dem Gesichtspunkt der Eskalation fehlt es weiterhin an konkreten und nachvollziehbaren tatsächlichen Anhaltspunkten für die Annahme, dass die Teilnehmer der von dem Beschwerdeführer veranstalteten Versammlung überhaupt unter Rückgriff auf mitgebrachte Gegenstände zur Schutz- und Trutzwehr übergehen würden.

29

cc) Der angegriffene Beschluss des Oberverwaltungsgerichts teilt den festgestellten Mangel des verwaltungsgerichtlichen Urteils. Das Oberverwaltungsgericht hat sich die Gründe des Verwaltungsgerichts ausdrücklich gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO zu Eigen gemacht. Der über diese Bezugnahme hinausgehende pauschale Verweis auf die behauptete Verhältnismäßigkeit der Auflage erweist sich angesichts der aufgezeigten verfassungsrechtlichen Defizite hinsichtlich der erforderlichen tatsächlichen Feststellungen und der notwendigen rechtlichen Würdigung als nicht tragfähig.

30

dd) Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf dem aufgezeigten Grundrechtsverstoß. Es ist nicht auszuschließen, dass die Gerichte bei der erforderlichen erneuten Befassung und unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Anforderungen aus Art. 8 Abs. 1 GG zu einem anderen Ergebnis kommen. Hierbei werden die Gerichte - neben den bereits angesprochenen Gesichtspunkten - zu prüfen haben, ob und gegebenenfalls welche Gegenstände die polizeiliche Durchsuchung der Teilnehmer bei der Anti-Wehrmachtsausstellungs-Versammlung am 2. Februar 2002 zutage gefördert wurden, die laut der Stellungnahme des Polizeipräsidiums Bielefeld in dem Verfassungsbeschwerdeverfahren bereits gegenüber dieser Versammlung angeordnet worden war.

31

3. Da die Verfassungsbeschwerde bereits wegen des Verstoßes gegen Art. 8 Abs. 1 GG Erfolg hat, bedarf es keiner Prüfung, ob daneben weitere Grundrechte verletzt sind.

32

4. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Tenor

I.

Unter Abänderung von Nr. 1 des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 23. Februar 2015 wird die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 20. Februar 2015 hinsichtlich Nr. 1.1.5, Nr. 1.2.11 (soweit danach während der sich fortbewegenden Versammlung keine Fahnen und anderen Gegenstände seitlich über die Begrenzung der Ladeflächen gehalten werden, geschwenkt werden oder hinausragen dürfen) und Nr. 1.4 dieses Bescheids angeordnet.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

II.

Unter Abänderung von Nr. 2 des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 23. Februar 2015 werden die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin jeweils zur Hälfte auferlegt.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen versammlungsrechtliche Beschränkungen in Nr. 1.1.5, Nr. 1.2.5, Nr. 1.2.7, Nr. 1.2.11 und Nr. 1.4 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 20. Februar 2015 weiter, die eine Demonstration in Form eines aus drei historischen, die Bühne eines „rollenden Straßentheaters“ bildenden Lastkraftwagen und mehreren Begleitfahrzeugen bestehenden Konvois mit dem Thema „Das Begräbnis oder die Himmlischen Vier - Klassenkampf statt Weltkrieg“ betreffen.

Nr. 1.1.5 des Bescheids vom 20. Februar 2015 lautet: Bei der Einfahrt des Fahrzeugverbandes in Fußgängerzonen ist jedes Fahrzeug auf der linken und rechten Seite von je einem Ordner zu begleiten. Während des Stehens des Verbandes ist am Anfang und Ende des Verbandes je ein Ordner einzusetzen. Die Ordner müssen weiße Armbinden mit der Aufschrift „Ordner“ oder „Ordnerin“ tragen.

Nr. 1.2.5 des Bescheids ordnet an: Die zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt bei Fahrzeugen, bei denen Personen auf der Ladefläche sitzen, 25 km/h, bei stehenden Personen 6 km/h. Fußgängerzonen dürfen nur mit Schrittgeschwindigkeit befahren werden.

In Nr. 1.2.7 des Bescheids wird bestimmt: Abweichend von § 21 Abs. 2 Satz 2 StVO dürfen während der sich fortbewegenden Versammlung, nicht aber bei den An- und Abfahrten, Personen auf Ladeflächen von Fahrzeugen und Anhängern befördert werden, wenn die Ladeflächen eben, tritt- und rutschfest sind, für jeden Sitz- und Stehplatz eine ausreichende Sicherung gegen Verletzungen und Herunterfallen der Personen vorhanden ist und die Aufbauten sicher gestaltet und fest am Fahrzeug oder Anhänger angebracht sind.

Nr. 1.2.11 des Bescheids sieht vor: Während der sich fortbewegenden Versammlung dürfen von den Fahrzeugen keine Flugblätter oder anderen Gegenstände geworfen und keine Fahnen und anderen Gegenstände seitlich über die Begrenzung der Ladeflächen gehalten oder geschwenkt werden oder herausragen.

Nach Nr. 1.4 des Bescheids darf beim Lautsprecher- bzw. Megaphonbetrieb eine Momentanlautstärke von 85 dB(A) im Abstand von fünf Metern vor der Austrittsmündung von Megaphonen und von Lautsprecheranlagen nicht überschritten werden. Anweisungen der Polizei zur Lautstärkenregulierung zum Schutze von unbeteiligten Anwohnern und Beschäftigten im Umfeld der Versammlung ist Folge zu leisten.

Der Antragsteller erhob am 22. Februar 2015 gegen den Bescheid vom 20. Februar 2015 Klage und beantragte, die aufschiebende Wirkung seiner Klage in Bezug auf die genannten Beschränkungen anzuordnen.

Nachdem das Verwaltungsgericht diesen Antrag abgelehnt hatte, hat der Antragsteller Beschwerde erhoben. Er beantragt,

unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 23. Februar 2015 die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Nummern 1.1.5, 1.2.5, 1.2.7, 1.2.11 und 1.4 des Bescheids vom 20. Februar 2015 anzuordnen.

Ergänzend wird auf die Gerichtsakte des Beschwerdeverfahrens Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nur hinsichtlich Nr. 1.1.5, Nr. 1.2.11 und Nr. 1.4 des Bescheids vom 20. Februar 2015 begründet. Nur insoweit rechtfertigen die vom Antragsteller in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, die der Verwaltungsgerichtshof nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen hat, die Abänderung des angefochtenen Beschlusses vom 23. Februar 2015, so dass die Beschwerde im Übrigen zurückzuweisen ist.

1. Bezüglich der Nr. 1.1.5 des Bescheids vom 20. Februar 2015 hat die Beschwerde unter Berücksichtigung der vom Antragsteller zu ihrer Begründung dargelegten Gründe Erfolg, weil die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu treffende Abwägungsentscheidung zu dem Ergebnis führt, dass das Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der angegriffenen Beschränkung überwiegt und daher die aufschiebende Wirkung anzuordnen ist. Denn die in Nr. 1.1.5 des Bescheids angeordnete Beschränkung wird sich im Hauptsacheverfahren voraussichtlich als rechtswidrig erweisen.

Nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG kann die Antragsgegnerin als zuständige Behörde die Versammlung beschränken, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit und Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Dabei handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, bei der die Antragsgegnerin ihr Ermessen nach dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und insbesondere die gesetzlichen Grenzen des Ermessens (Art. 40 BayVwVfG, § 114 Satz 1 VwGO) einzuhalten und damit insbesondere den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren hat.

Diesen Anforderungen genügt Nr. 1.1.5 des Bescheids vom 20. Februar 2015 aller Voraussicht nach selbst dann nicht, wenn man davon ausgeht, dass beim Einfahren in enge Fußgängerzonen mit einem aus drei Last- und mehreren Personenwagen bestehenden Konvoi Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer entstehen können, die sich dort befinden und nicht mit Fahrzeugverkehr rechnen oder ihrerseits von den Fahrern des Konvois, etwa weil sie sich im toten Winkel befinden, nicht wahrgenommen werden. Denn die Begründung, die die Antragsgegnerin dafür gibt, dass bei der Einfahrt des Fahrzeugverbandes in Fußgängerzonen jedes Fahrzeug auf der linken und rechten Seite von je einem Ordner zu begleiten und während des Stehens des Verbandes am Anfang und am Ende des Verbandes je ein Ordner einzusetzen ist, lässt nicht erkennen, dass die Behörde ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt hätte.

Die Begründung des Bescheids und die Ausführungen der Antragsgegnerin in der Antragserwiderung vom 23. Februar 2015 weisen zwar auf die mögliche Gefährdung von Passanten durch die Fahrzeuge hin und legen dar, dass die Ordner dafür zu sorgen hätten, dass keine Passanten gefährdet würden. Es fehlen aber Ausführungen dazu, welche konkreten Gefährdungen damit gemeint sind und auf welche Weise sie durch den Einsatz von Ordnern vermieden werden könnten. Insbesondere fehlt es an einer Begründung dafür, dass für jedes Fahrzeug jeweils zwei Ordner vorgesehen sind. Es ist deshalb auch weder nachvollziehbar, ob der Einsatz von Ordnern tatsächlich geeignet ist, den von der Antragsgegnerin angenommenen Gefährdungen effektiv entgegenzuwirken, noch ob dies einen Einsatz einer so großen Zahl von Ordnern erfordert.

Im Übrigen bestehen auch deshalb Zweifel daran, ob die Verpflichtung, den Konvoi überhaupt von Ordnern begleiten zu lassen, ein geeignetes Mittel zur Vermeidung von Gefahren darstellt, die dadurch entstehen, dass sich der Konvoi durch die Fußgängerzonen bewegt und dadurch in engen Kontakt mit Passanten gerät. Denn zwar hat der Versammlungsleiter nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 2 BayVersG während der Versammlung für Ordnung zu sorgen. Auch kann er sich zur Erfüllung dieser Aufgabe nach Art. 4 Abs. 2 Satz 1 BayVersG einer angemessenen Anzahl von Ordnern bedienen, die nach Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayVersG, wie von der Antragsgegnerin angeordnet, weiße Armbinden mit der Aufschrift „Ordner“ oder „Ordnerin“ tragen müssen. Die Aufgaben der Ordner gehen aber nicht über diejenigen des Versammlungsleiters hinaus, der sich ihrer bedient. Dementsprechend sind aber die Ordner wie der Versammlungsleiter selbst möglicherweise nur befugt, Störungen der Ordnung aus dem Kreis der Versammlungsteilnehmer zu verhindern. Sie haben aber keine Befugnisse gegenüber Dritten. Gefahren abzuwehren, die wie im Falle des Zusammentreffens mit Passanten, die sich den Lastwagen zu sehr nähern, auf das Verhalten von Personen zurückzuführen sind, die nicht zum Kreis der Versammlungsteilnehmer gehören, ist daher wohl vielmehr Aufgabe der Polizei (Art. 2 Abs. 1 PAG).

2. Erfolg hat die Beschwerde darüber hinaus hinsichtlich der Anordnung in Nr. 1.2.11 des Bescheids, die, wie der Antragsteller ausdrücklich erklärt hat, nur noch in Bezug auf die Beschränkung angefochten wird, keine Fahnen und anderen Gegenstände seitlich über die Begrenzung der Ladeflächen zu halten, zu schwenken oder herausragen zu lassen. Auch insoweit führt die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu treffende Abwägungsentscheidung zu dem Ergebnis, dass das Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der angegriffenen Beschränkung überwiegt und daher die aufschiebende Wirkung anzuordnen ist. Denn diese Beschränkung wird sich im Hauptsacheverfahren voraussichtlich ebenfalls als rechtswidrig erweisen.

Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Versammlungsfreiheit nach Art. 8 Abs. 1 GG dürfen bei der nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG anzustellenden Prognose, ob nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit und Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist, auch beim Erlass von Beschränkungen keine zu geringen Anforderungen gestellt werden. Als Grundlage der Gefahrenprognose sind konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich. Bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen reichen hierzu nicht aus (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2012 - 1 BvR 2794/10 - juris Rn.17; B.v. 12.5.2010 - 1 BvR 2636/04 - juris Rn. 17 jeweils m. w. N.). Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Gründen für eine Beschränkung liegt dabei bei der Behörde (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2012 - 1 BvR 2794/10 - juris Rn.17; B.v. 12.5.2010 - 1 BvR 2636/04 - juris Rn. 19). Diesen Anforderungen genügt die Beschränkung in Nr. 1.2.11 des Bescheids vom 20. Februar 2015, soweit sie noch streitig ist, jedoch nicht.

Den Gründen des Bescheids ist insoweit lediglich zu entnehmen, dass die Beschränkungen im Hinblick auf die Anforderungen an Fahrzeuge und die Fortbewegung im Straßenverkehr geeignet, erforderlich und angemessen seien, die durch die gewählte Versammlungsform hervorgerufenen konkreten Gefahren für die übrigen Verkehrsteilnehmer zu verhindern und die Verkehrssicherheit zu gewährleisten. Welche Gefahren dies im Einzelnen sein sollen, wird hingegen nicht erläutert. Insbesondere werden keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte dafür angeführt, dass andere Gegenstände als Fahnen seitlich über die Begrenzung der Ladeflächen gehalten werden sollen oder hinausragen.

Auch soweit auf der Höhe der Ladefläche rote Fahnen geschwenkt werden sollen, enthält der Bescheid keine Ausführungen, inwieweit sich daraus im konkreten Fall eine unmittelbare Gefährdung für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ergeben soll. Insbesondere wird nicht ersichtlich, dass die auf der gegenüber der Straße erhöhten Ladefläche der Lastwagen eingesetzten Fahnen in einer Weise geschwenkt würden, dass sie Passanten gefährden könnten, an denen sich die Versammlung vorbeibewegt.

Soweit die Antragsgegnerin schließlich in ihrer Antragserwiderung vom 23. Februar 2015 die Beschränkung in Nr. 1.2.11 des Bescheids vom 20. Februar 2015 damit begründet, dass sie Gefährdungen anderer Verkehrsteilnehmer Rechnung tragen solle, wie sie von § 22 Abs. 5 Satz 2 StVO erfasst würden, lässt sich auch daraus die für Beschränkungen nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG erforderliche unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit nicht herleiten. Zwar dürfen nach § 22 Abs. 5 Satz 2 StVO einzelne Stangen oder Pfähle, waagrecht liegende Platten und andere schlecht erkennbare Gegenstände im Interesse der Verkehrssicherheit seitlich nicht herausragen. Zum einen legt die Antragsgegnerin jedoch nicht dar, dass im Falle der Versammlung des Antragstellers Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass solche Gegenstände seitlich über die Ladefläche der eingesetzten Lastwagen hinausragen. Zum anderen stellen gerade die auf den Lastwagen geschwenkten roten Fahnen keine schlecht erkennbaren Gegenstände dar, wie § 22 Abs. 5 Satz 2 StVO sie verbietet.

3. Schließlich ist die Beschwerde begründet, soweit sie Nr. 1.4 des Bescheids vom 20. Februar 2015 betrifft, nach der beim Lautsprecher- bzw. Megaphonbetrieb eine Momentanlautstärke von 85 dB(A) im Abstand von fünf Metern vor der Austrittsmündung von Megaphonen und von Lautsprecheranlagen nicht überschritten werden darf. Denn auch insoweit wird sich der Bescheid im Hauptsacheverfahren voraussichtlich als rechtswidrig erweisen, weil sich seinen Gründen keine konkreten und nachvollziehbaren tatsächlichen Anhaltspunkte als Grundlage für die nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG erforderliche Prognose entnehmen lassen, dass nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit und Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist.

Zwar führt die Antragsgegnerin aus, dass hohe Schallimmissionen auch bei kürzerer Belastung zu erheblichen gesundheitlichen Schäden führen könnten und dass deshalb die Beschränkung der Lautstärke auch bei Versammlungen und künstlerischen Darbietungen geeignet und erforderlich sei, um unmittelbare Gefahren für die Gesundheit von Teilnehmern, unbeteiligten Passanten, Anwohnern und Beschäftigten im Umfeld der Versammlung und Darbietung sowie der begleitenden Polizisten zu verhindern. Jedoch beschränkt sie sich damit darauf, die generelle Möglichkeit lärmbedingter Gesundheitsschäden festzustellen. Konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass solche Schäden im Hinblick auf die im Falle der Versammlung des Antragstellers zu erwartenden Schallimmissionen ohne eine entsprechende Lautstärkebegrenzung zu erwarten sind, werden hingegen nicht angeführt.

Soweit die Antragsgegnerin sich in ihrer Antragserwiderung vom 23. Februar 2015 zur Begründung der Anordnung in Nr. 1.4 des Bescheids vom 20. Februar 2015 darüber hinaus auf eine Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs beruft (BayVGH, B.v. 16.10.2014 - 10 ZB 13.2620), ergibt sich daraus ebenfalls nicht die Rechtmäßigkeit dieser Anordnung. Zwar hatte der Verwaltungsgerichtshof in der genannten Entscheidung keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des seiner Entscheidung zugrunde liegenden verwaltungsgerichtlichen Urteils, das eine der Beschränkung in Nr. 1.4 des Bescheids vom 20. Februar 2015 entsprechende Begrenzung der Lautstärke auf einen Höchstwert von 85 dB(A) gemessen fünf Meter vor der Mündung des Schalltrichters des Megaphons nicht beanstandet hatte, die sich ebenfalls an die Verordnung zum Schutz der Beschäftigten vor Gefährdungen durch Lärm und Vibrationen vom 6. März 2007 (BGBl I S. 261; LärmVibrationsArbSchV) anlehnte. Jedoch lagen dieser Entscheidung konkrete Feststellungen zur Lärmbelastung für die in unmittelbarer Nähe zur Lärmquelle tätigen Polizeibeamten und die von der wiederholten und mehrstündigen stationären Versammlung betroffenen Passanten und Beschäftigten der umliegenden Büros und Geschäfte zugrunde, die auf konkreten Messungen beruhten (vgl. BayVGH a. a. O. Rn. 5 f.). Derartige Feststellungen hat die Antragsgegnerin in ihrem Bescheid aber gerade nicht getroffen, so dass es an den zur Annahme einer unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne von Art. 15 Abs. 1 BayVersG erforderlichen konkreten und nachvollziehbaren tatsächlichen Anhaltspunkten fehlt.

4. Keinen Erfolg hat die Beschwerde hingegen, soweit sie Nr. 1.2.5 des Bescheids vom 20. Februar 2015 betrifft, wonach die zulässige Höchstgeschwindigkeit bei Fahrzeugen, bei denen Personen auf der Ladefläche sitzen, 25 km/h, bei stehenden Personen 6 km/h beträgt und wonach Fußgängerzonen nur mit Schrittgeschwindigkeit befahren werden dürfen. Dabei versteht der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde nach § 122 Abs. 1 in Verbindung mit § 88 VwGO so, dass sie Nr. 1.2.5 insoweit nicht betrifft, als danach Fußgängerzonen nur mit Schrittgeschwindigkeit durchfahren werden können. Denn der Antragsteller geht in der Beschwerdebegründung ausdrücklich davon aus, dass in der Fußgängerzone ohnehin nur Schrittgeschwindigkeit gefahren wird.

Ist danach Gegenstand der Beschwerde Nr. 1.2.5 des Bescheids vom 20. Februar 2015 nur insoweit, als sie die zulässige Höchstgeschwindigkeit bei Fahrzeugen, bei denen Personen auf der Ladefläche sitzen, auf 25 km/h und bei stehenden Personen auf 6 km/h begrenzt, so führt die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu treffende Abwägungsentscheidung in Bezug auf diese versammlungsrechtliche Beschränkung zu dem Ergebnis, dass das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der angegriffenen Beschränkung das Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung überwiegt.

Zum einen ist die Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit für den Fall, dass sich Personen auf der Ladefläche der Lastwagen befinden, entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht bereits deshalb offensichtlich rechtswidrig, weil es bei früheren gleichartigen Veranstaltungen trotz Geschwindigkeiten bis zu 70 km/h mit aufsitzenden Darstellern nicht zu Unfällen gekommen ist. Denn dies steht der Annahme einer unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne von Art. 15 Abs. 1 BayVersG nicht entgegen, weil es der Lebenserfahrung entspricht, dass es zu gravierenden Verletzungen kommen kann, wenn sich Personen ungesichert auf der Ladefläche von Lastkraftwagen befinden und diese etwa, was jederzeit geschehen kann, stark abbremsen müssen.

Zum anderen ist die versammlungsrechtliche Beschränkung in Nr. 1.2.5 des Bescheids vom 20. Februar 2015 nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil sie den zeitlichen Ablauf der Versammlung verzögern und die künstlerische Wirkung von schneller und langsamer Fahrt beseitigen würde, wie der Antragsteller geltend macht. Denn auch wenn es sich bei dem rollenden Straßentheater nicht nur um eine Versammlung im Sinne von Art. 8 Abs. 1 GG, sondern auch um durch Art 5 Abs. 3 GG geschützte Kunstausübung handelt (vgl. für die gleichartige Veranstaltung des „Anachronistischen Zuges“ BVerfG, U.v. 17.7.1984 - 1 BvR 816/82 - juris Rn. 38), sind Beschränkungen der Versammlungsfreiheit auf der Grundlage von Art. 15 Abs. 1 BayVersG unter Beachtung der Voraussetzungen, unter denen in das nicht unter einem Gesetzesvorbehalt stehende Grundrecht der Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG eingegriffen werden kann, nicht ausgeschlossen (vgl. HessVGH, U.v. 17.3.2011 - 8 A 1188/10 - juris Rn. 66). Da die Kunstfreiheit dabei ihre Grenzen in anderen Bestimmungen des Grundgesetzes findet, die ein anderes in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes ebenfalls wesentliches Rechtsgut schützen (vgl. BVerfG, U.v. 17.6.1984 - 1 BvR 816/12 - juris Rn. 39), kommen Beschränkungen insbesondere zum Schutz des Grundrechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG in Betracht. Dem Schutz dieser Rechtsgüter dienen die Geschwindigkeitsbegrenzungen in Nr. 1.2.5 des Bescheids vom 20. Februar 2015 aber gerade.

Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung würde das private Interesse an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung aber auch dann überwiegen, wenn man die Rechtmäßigkeit der Nr. 1.2.5 des Bescheids vom 20. Februar 2015 im Hinblick auf die Fragen als offen ansähe, ob die festgesetzten Geschwindigkeitsbegrenzungen angemessen sind und ob der mit ihnen verbundene Eingriff in Kunst- und Versammlungsfreiheit im Hinblick darauf, dass die Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung von Leben und Gesundheit der Versammlungsteilnehmer möglicherweise relativ gering ist und dass es in erster Linie nicht um den Schutz Dritter, sondern um den der sich als Darsteller auf Art. 5 Abs. 3 GG berufenden Versammlungsteilnehmer selbst geht, verhältnismäßig ist. Denn erwiese sich die versammlungsrechtliche Beschränkung nach Anordnung der aufschiebenden Wirkung im Hauptsacheverfahren als rechtmäßig und käme es in Folge der fehlenden Vollziehbarkeit der Geschwindigkeitsbegrenzungen zu einem Unfall, bei dem ein Darsteller verletzt oder gar getötet würde, so wäre dies mit deutlich gravierenderen Folgen verbunden, als wenn die Beschränkung sich nach Ablehnung des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung im Hauptsacheverfahren als rechtswidrig herausstellen würde. Denn die Beeinträchtigung des Versammlungsablaufs in zeitlicher Hinsicht und der künstlerischen Wirkung von schneller und langsamer Fahrt wiegt wesentlich weniger schwer als eine Gesundheitsschädigung oder gar der Tod eines Menschen.

5. Erfolglos bleibt die Beschwerde schließlich auch, soweit sie Nr. 1.2.7 des Bescheids betrifft, der unter bestimmten Voraussetzungen abweichend von § 21 Abs. 2 Satz 2 StVO (gemeint ist wohl § 21 Abs. 2 Satz 1 StVO) während der sich fortbewegenden Versammlung, nicht aber bei den An- und Abfahrten, die Beförderung von Personen auf Ladeflächen von Fahrzeugen und Anhängern zulässt.

Der Antragsteller meint, das Verwaltungsgericht verkenne die künstlerische Veranstaltung, die von ihrem Start an bis zum Ende der angemeldeten Strecke eine fortlaufende Aufführung darstelle, wenn es die Bestimmung, dass bei An- und Abfahrten keine Darsteller auf der rollenden Bühne sein dürften, weiterhin für rechtmäßig halte. Es verletze die Kunst- und die Versammlungsfreiheit gravierend, wenn die Antragsgegnerin festlege, welcher Abschnitt der gesamten angemeldeten Strecke eine An- oder Abfahrt sei.

Eine Beschränkung dieses Inhalts, im Hinblick auf die die aufschiebende Wirkung angeordnet werden könnte und deshalb der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO statthaft wäre, enthält Nr. 1.2.7 des Bescheids vom 20. Februar 2015 jedoch nicht. Die Antragsgegnerin hat vielmehr in ihrer Antragserwiderung vom 23. Februar 2015 klargestellt, dass diese Anordnung so zu verstehen ist, dass der Transport von Personen auf der Ladefläche der Lastwagen während der gesamten Dauer der Versammlung in der Form, in der sie angezeigt worden ist, zulässig ist. Eine Regelung, die dem Antragsteller während der Versammlung und damit während der künstlerischen Aufführung auf Teilen der angemeldeten Strecke die Beförderung von Personen auf den Lastkraftwagen untersagt, existiert damit nicht. Die Formulierung „nicht aber bei den An- und Abfahrten“ in Nr. 1.2.7 stellt sich vielmehr nicht als Beschränkung der Versammlungsfreiheit, sondern als bloßer Hinweis darauf dar, dass außerhalb der Versammlung § 21 Abs. 2 Satz 1 StVO gilt und daher nach dieser Vorschrift die Beförderung von Personen verboten ist. Ein solcher Hinweis stellt jedoch mangels eines Regelungsgehalts keinen Verwaltungsakt im Sinne von Art. 35 Satz 1 BayVwVfG dar. Handelt es sich aber insoweit nicht um einen Verwaltungsakt, so kommt auch eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

Tenor

1. Die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 15. Oktober 2010 - 3 L 1556/10 - und des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 15. Oktober 2010 - 3 B 307/10 - verletzen die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Artikel 8 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes.

2. Die Kostenentscheidungen der Beschlüsse werden aufgehoben. Das Verfahren wird insoweit an das Sächsische Oberverwaltungsgericht zur erneuten Entscheidung über die Kosten des Verfahrens zurückverwiesen.

3. ...

4. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die verwaltungsgerichtliche Versagung vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine versammlungsrechtliche Auflage.

I.

2

1. Die Beschwerdeführer meldeten Anfang September 2010 bei der Stadt L. ihr Vorhaben an, am 16. Oktober 2010 (von 12.00 Uhr bis 20.00 Uhr) in L. eine Versammlung unter freiem Himmel durchzuführen. Die geplante Versammlung sollte aus drei Aufzügen und einer Abschlusskundgebung in der Innenstadt von L. bestehen. Die Teilnehmerzahl wurde von den Beschwerdeführern bei der Anmeldung auf 600 Personen geschätzt. Das Motto der geplanten Versammlung lautete "Recht auf Zukunft". Es bezog sich auf eine am 17. Oktober 2009 in L. von der Beschwerdeführerin zu 4), einer Unterorganisation der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD), veranstaltete Versammlung, bei der es im Zusammenhang mit einer Versammlungsblockade durch Gegendemonstranten zu gewalttätigen Auseinandersetzungen und letztlich zu einer polizeilichen Auflösung der Versammlung kam.

3

Angesichts dieser Vorgeschichte und der Anmeldung von zahlreichen Gegendemonstrationen kam es zwischen der Anmeldung und der Durchführung der geplanten Versammlung zu umfangreichen Verhandlungen zwischen den Beschwerdeführern und der Stadt L., die unter anderem in Kooperationsgesprächen am 4., am 6. und am 13. Oktober 2010 eingehend die polizeilich sicherbare Anzahl der geplanten Aufzüge und die konkrete Streckenführung erörterten. In einer Gefährdungsanalyse am 4. Oktober 2010 bekundete die Polizeidirektion L. dabei laut den tatsächlichen Feststellungen des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts, dass der Schutz von zwei der angemeldeten Aufzüge mit den zur Verfügung stehenden Einsatzkräften gewährleistet werden könne. Am 11. Oktober 2010 teilte der Beschwerdeführer zu 1) der Stadt schließlich mit, dass am 16. Oktober 2010 nunmehr lediglich ein einziger Aufzug stattfinden solle. Am 12. Oktober 2010 ergänzte die Polizeidirektion L. ihre Gefahrprognose insofern, dass nunmehr nur eine maximal vierstündige stationäre Kundgebung durchführbar sei, weil nach den Erfahrungen des Versammlungsgeschehens vom 17. Oktober 2009 mit einer höheren als der angemeldeten Teilnehmerzahl zu rechnen sei und jeweils ca. 10 bis 20 % der Teilnehmer der angemeldeten Demonstration und der Gegendemonstrationen als gewaltbereit einzustufen seien.

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2. Mit Bescheid vom 13. Oktober 2010 untersagte die Stadt L. die Durchführung der Versammlung als Aufzug, verfügte die Durchführung als stationäre Kundgebung in der Zeit von 13.00 Uhr bis 17.00 Uhr in einem Bereich am L. Hauptbahnhof und ordnete die sofortige Vollziehung dieser Auflage an. Die Polizeidirektion L. habe in ihrer Gefahrprognose vom 12. Oktober 2010 dargelegt, dass im Zeitraum vom 15. bis zum 17. Oktober 2010 aufgrund von zahlreichen Versammlungsanmeldungen widerstreitender politischer Lager eine latente Gefährdungssituation vorhanden sei, die einen außerordentlich hohen Kräfteeinsatz der Polizei erfordere. Es sei davon auszugehen, dass sich die Teilnehmer der Aufzüge bei Angriffen durch Personen der linksextremistischen Klientel provozieren ließen und darauf entsprechend reagierten. Die Polizei habe glaubhaft dargelegt, dass sie kräftetechnisch außerstande sei, einen Aufzug zu begleiten, da trotz bundesweiter Anfragen nur 29 der für erforderlich gehaltenen 44 Polizeihundertschaften, also nur 66 % der geplanten Polizeikräfte, zur Verfügung stünden. Die Ausübung der Versammlungsfreiheit werde trotz der Beschränkungen nicht vereitelt, da der zugewiesene Ort eine hinreichende Öffentlichkeitswirksamkeit und eine räumliche Trennung der gegensätzlichen politischen Lager gewährleiste.

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3. Dagegen erhoben die Beschwerdeführer noch am gleichen Tag Widerspruch und stellten beim Verwaltungsgericht Leipzig die Anträge, die aufschiebende Wirkung ihrer Widersprüche gegen die Auflage, nur eine stationäre Kundgebung durchzuführen, wiederherzustellen sowie im Wege einer einstweiligen Anordnung ein Verbot sämtlicher Versammlungen in einem Umkreis von 300 m um die angemeldeten Aufzugstrecken anzuordnen. Das Verwaltungsgericht Leipzig lehnte die Eilanträge mit Beschluss vom 15. Oktober 2010 ab und begründete dies im Wesentlichen damit, dass der Bescheid vom 13. Oktober 2010 rechtmäßig sei und somit das öffentliche Interesse am Sofortvollzug des Bescheids die Interessen der Beschwerdeführer überwiege. Die Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens, die Stadt L., sei auf der Grundlage der Einschätzung der Polizeidirektion L. nachvollziehbar davon ausgegangen, dass infolge zahlreicher Gegenaktionen und -demonstrationen bei Durchführung des im Zuge der Kooperation der Beschwerdeführer zuletzt noch geplanten einzigen Aufzuges eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung bestehe. Bei der Vielzahl der angemeldeten und geplanten Veranstaltungen am 16.10.2010, unter anderem ein Fußballspiel, und in Anbetracht der beschriebenen begrenzten Kräftelage der Polizei sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit einhergehenden Personen- und Sachschäden zu rechnen, denen nur mit der Beschränkung auf eine stationäre Kundgebung begegnet werden könne. Dieser Gefahr könne in Anbetracht der besonderen Veranstaltungssituation am 16. Oktober 2010 auch nicht durch Maßnahmen gegen potentielle Störer begegnet werden.

6

4. Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts legten die Beschwerdeführer Beschwerde ein. Das Sächsische Oberverwaltungsgericht wies die Beschwerde mit Beschluss vom 15. Oktober 2010 zurück. Ob ein polizeilicher Notstand vorliege, sei im Rahmen der summarischen Prüfung nicht abschließend zu beurteilen. Der Einschätzung der Polizeidirektion lasse sich entnehmen, dass aufgrund des Versammlungsgeschehens im Vorjahr mit gewalttätigen Auseinandersetzungen einer Anzahl von 10 bis 20 % der Teilnehmer sowohl auf Seiten der Beschwerdeführer wie auf Seiten linker Demonstranten gerechnet werde. Zwar erschließe sich dem Gericht nicht, wodurch sich das Gefährdungspotential innerhalb kurzer Zeit so erhöht haben solle, dass statt der zwei Aufzüge, die die Polizeidirektion ursprünglich noch mit den zur Verfügung stehenden Einsatzkräften für sicherbar gehalten habe, nunmehr nur noch eine stationäre Kundgebung möglich sein solle. Wegen der fehlenden Überprüfungsmöglichkeit sei aufgrund einer Folgenabwägung zu entscheiden. Danach sei die Beschwerde zurückzuweisen, weil für den Antragsteller die mit der Durchführung einer nur stationären Kundgebung verbundenen Beeinträchtigungen hinnehmbar seien.

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5. Die Beschwerdeführer beantragten sodann beim Bundesverfassungsgericht zunächst den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Diesen Antrag hat die Kammer aufgrund der besonderen Voraussetzungen der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes durch das Bundesverfassungsgericht abgelehnt, dabei jedoch zugleich auf die Möglichkeit der Klärung der aufgeworfenen Fragen in einem verfassungsgerichtlichen Hauptsachverfahren hingewiesen (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 16. Oktober 2010 - 1 BvQ 39/10 -, juris).

8

6. Hieraufhin erhoben die Beschwerdeführer gegen die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Leipzig und des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts fristgemäß Verfassungsbeschwerde mit der Rüge, durch die angegriffenen Entscheidungen in ihren Rechten aus Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG verletzt zu sein.

9

7. Das Bundesverfassungsgericht hat der Stadt L. als Gegnerin des Ausgangsverfahrens, dem Sächsischen Staatsministerium der Justiz und für Europa sowie der Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

10

Nach Auffassung des Rechtsamtes der Stadt L. liegen die Voraussetzungen für die Annahme der Verfassungsbeschwerde nicht vor. Das Sächsische Staatsministerium hat von einer Stellungnahme abgesehen. Die Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts hat eine Stellungnahme des unter anderem für das Versammlungsrecht zuständigen 6. Revisionssenats übersandt, in der dieser Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Entscheidungen äußert.

II.

11

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung von Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Fragen bereits entschieden (vgl. insbesondere BVerfGE 69, 315 <340 ff.>; 110, 77 <83 ff.>). Nach diesen Maßstäben ist die Verfassungsbeschwerde gegen die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Leipzig und des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts zulässig und begründet.

12

1. Der Zulässigkeit der Rüge der Verletzung des Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG steht weder der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde noch das Erfordernis eines Rechtsschutzinteresses entgegen.

13

a) Der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde verlangt die Erschöpfung des Rechtswegs in der Hauptsache nur, soweit die geltend gemachte Verletzung von Freiheitsrechten oder von Art. 19 Abs. 4 GG durch die Entscheidung der Gerichte in der Hauptsache noch ausgeräumt werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senat vom 21. April 1998 - 1 BvR 2311/94 -, NVwZ 1998, S. 834 <835>). Hier rügen die Beschwerdeführer allerdings gerade die Missachtung der Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG bei der Zurückweisung ihres Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz, die im Hauptsacheverfahren nicht mehr behandelt werden würde.

14

b) Auch ein Rechtsschutzbedürfnis der Beschwerdeführer besteht, obwohl der Demonstrationstermin verstrichen und damit der Sofortvollzug der strittigen Auflagen gegenstandslos geworden ist. Sind verfassungsrechtliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung nicht (mehr) zu klären, besteht ein Rechtsschutzbedürfnis auch nach Erledigung des ursprünglichen Begehrens im Falle einer Wiederholungsgefahr, also wenn ein Gericht die bereits herausgearbeiteten verfassungsrechtlichen Maßstäbe nicht beachtet hat und bei hinreichend bestimmter Gefahr einer gleichartigen Entscheidung bei gleichartiger Sach- und Rechtslage zu befürchten ist, dass es diese auch in Zukunft verkennt (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 21. April 1998 - 1 BvR 2311/94 -, NVwZ 1998, S. 834 <835>). Hier führten die Beschwerdeführer bereits konflikthafte Versammlungen in L. durch und planen auch in Zukunft die Durchführung von Versammlungen in L., bei denen sie mit ähnlichen Konfliktsituationen rechnen und gegebenenfalls gleichartige Entscheidungen des Verwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts befürchten müssten.

15

2. Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. Die angegriffenen Beschlüsse verletzen die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG.

16

a) Art. 8 Abs. 1 GG schützt die Freiheit, mit anderen Personen zum Zwecke einer gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung örtlich zusammen zu kommen (vgl. BVerfGE 104, 92 <104>; 128, 226 <250>). Als Freiheit zur kollektiven Meinungskundgabe, die auch und vor allem andersdenkenden Minderheiten zugutekommt, ist die Versammlungsfreiheit für eine freiheitlich demokratische Staatsordnung konstituierend (vgl. BVerfGE 69, 315 <344 f.>; 128, 226 <250>) und wird im Vertrauen auf die Kraft der freien öffentlichen Auseinandersetzung grundsätzlich auch den Gegnern der Freiheit gewährt (vgl. BVerfGE 124, 300 <320>). Damit die Bürger selbst entscheiden können, wann, wo und unter welchen Modalitäten sie ihr Anliegen am wirksamsten zur Geltung bringen können, gewährleistet Art. 8 Abs. 1 GG nicht nur die Freiheit, an einer öffentlichen Versammlung teilzunehmen oder ihr fern zu bleiben, sondern umfasst zugleich ein Selbstbestimmungsrecht über die Durchführung der Versammlung als Aufzug, die Auswahl des Ortes und die Bestimmung der sonstigen Modalitäten der Versammlung (vgl. BVerfGE 69, 315 <343> oder <355 ff.>; 128, 226 <250 f.>).

17

Beschränkungen der Versammlungsfreiheit bedürfen gemäß Art. 8 Abs. 2 GG zu ihrer Rechtfertigung einer gesetzlichen Grundlage (vgl. BVerfGE 69, 315 <350 f.>; BVerfGK 17, 303 <307>). Nach § 15 des Gesetzes über Versammlungen und Aufzüge (Versammlungsgesetz) vom 24. Juli 1953 in der Fassung vom 8. Dezember 2008 (BGBl I S. 2366; im Folgenden: VersG) kann die zuständige Behörde die Versammlung von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Danach kann im Einzelfall auch die Festlegung geboten sein, dass eine ursprünglich als Aufzug angemeldete Versammlung nur als ortsfeste Versammlung durchgeführt werden darf (vgl. BVerfGK 2, 1 <8>). Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Versammlungsfreiheit darf die Behörde allerdings auch bei dem Erlass von Auflagen keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose stellen. Als Grundlage der Gefahrenprognose sind konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich; bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen reichen hierzu nicht aus (BVerfGE 69, 315 <353 f.>; BVerfGK 17, 303 <307>). Ferner gilt, dass, soweit sich der Veranstalter und die Versammlungsteilnehmer grundsätzlich friedlich verhalten und Störungen der öffentlichen Sicherheit vorwiegend aufgrund des Verhaltens Dritter - insbesondere von Gegendemonstrationen - zu befürchten sind, die Durchführung der Versammlung zu schützen ist und behördliche Maßnahmen primär gegen die Störer zu richten sind (vgl. BVerfGE 69, 315 <360 f.>; BVerfGK 8, 79 <81>; BVerfG , Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 1. September 2000 - 1 BvQ 24/00, NVwZ 2000, S. 1406 <1407>). Gegen die friedliche Versammlung selbst kann dann nur unter den besonderen Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes eingeschritten werden (vgl. BVerfGE 69, 315 <360 f.>; BVerfGK 17, 303 <308>). Dies setzt voraus, dass die Versammlungsbehörde mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anderenfalls wegen der Erfüllung vorrangiger staatlicher Aufgaben und trotz des Bemühens, gegebenenfalls externe Polizeikräfte hinzuzuziehen, zum Schutz der von dem Antragsteller angemeldeten Versammlung nicht in der Lage wäre; eine pauschale Behauptung dieses Inhalts reicht allerdings nicht (vgl. BVerfGK 8, 79 <82>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 24. März 2001 - 1 BvQ 13/01 -, NJW 2001, S. 2069 <2072>). Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Gründen für ein Verbot oder eine Auflage liegt grundsätzlich bei der Behörde (vgl. BVerfGK 17, 303 <308>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 4. September 2009 - 1 BvR 2147/09 -, NJW 2010, S. 141 <142>).

18

b) Art. 19 Abs. 4 GG garantiert einen effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 67, 43 <58>; 96, 27 <39>). Im Verfahren auf Wiederherstellung oder Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs, das für den Regelfall sicherstellt, dass die Verwaltungsbehörden keine irreparablen Maßnahmen durchführen, bevor die Gerichte deren Rechtmäßigkeit geprüft haben, ist der Rechtsschutzanspruch des Bürgers umso stärker, je schwerwiegender die ihm auferlegte Belastung wiegt und je mehr die Maßnahmen der Verwaltung Unabänderliches bewirken (vgl. BVerfGE 35, 382 <401 f.>; 69, 315 <363>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senat vom 21. April 1998 - 1 BvR 2311/94 -, NVwZ 1998, S. 834 <835>). Insbesondere im Bereich des Versammlungsrechts muss das verwaltungsgerichtliche Eilverfahren angesichts der Zeitgebundenheit von Versammlungen zum Teil Schutzfunktionen übernehmen, die sonst das Hauptsacheverfahren erfüllt (vgl. BVerfGE 69, 315 <363 f.>; 110, 77 <87>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senat vom 23. März 2004 - 1 BvR 745/01 -, juris, Rn. 13). Die einstweilige Anordnung im verfassungsgerichtlichen Verfahren als außerhalb der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG liegender Rechtsbehelf kann die primäre Rechtsschutzfunktion der Fachgerichte ebenfalls nicht übernehmen. Angesichts der Aufgaben des Bundesverfassungsgerichts und im Hinblick auf die weitreichenden Folgen, die eine einstweilige Anordnung auslösen kann, ist hierbei zudem ein strenger, von den verwaltungsgerichtlichen Kriterien grundsätzlich unterschiedener Maßstab anzulegen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senat vom 16. Oktober 2010 - 1 BvQ 39/10 -, juris, Rn. 4). Daher müssen die Verwaltungsgerichte zum Schutz von Versammlungen, die auf einen einmaligen Anlass bezogen sind, schon im Eilverfahren durch eine intensivere Prüfung dem Umstand Rechnung tragen, dass der Sofortvollzug der umstrittenen Maßnahme in der Regel zur endgültigen Verhinderung der Versammlung in der beabsichtigten Form führt. Soweit möglich, ist als Grundlage der gebotenen Interessenabwägung die Rechtmäßigkeit der Maßnahme in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht nicht nur summarisch zu prüfen (vgl. BVerfGE 69, 315 <363 f.>; 110, 77 <87>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senat vom 21. April 1998 - 1 BvR 2311/94 -, NVwZ 1998, S. 834 <835>). Sofern dies nicht möglich ist, haben die Fachgerichte jedenfalls eine sorgfältige Folgenabwägung vorzunehmen und diese hinreichend substantiiert zu begründen, da ansonsten eine Umgehung der beschriebenen strengen Voraussetzungen für Beschränkungen der Versammlungsfreiheit möglich erschiene.

19

3. Diese Maßstäbe haben das Verwaltungsgericht Leipzig und das Sächsische Oberverwaltungsgericht bei den ihnen obliegenden Entscheidungen über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht hinreichend berücksichtigt. Beide Entscheidungen werden den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG im Hinblick auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen versammlungsbeschränkende behördliche Maßnahmen nicht gerecht.

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a) Die vom Verwaltungsgericht Leipzig herangezogenen Umstände sind nicht geeignet, die Annahme einer von der Versammlung selbst ausgehenden unmittelbaren Gefährdung für die öffentliche Sicherheit zu tragen, die die Verhinderung der Versammlung in Form eines Aufzugs hätte rechtfertigen können. Das Verwaltungsgericht legt insofern bereits nicht hinreichend deutlich dar, ob seiner Auffassung nach auch von der Versammlung selbst eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht oder diese Gefahr ausschließlich aufgrund der zahlreichen Gegendemonstrationen und den hieraus zu erwartenden Störungen der Versammlung besteht. Dass das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung zur Begründung seines Standpunktes im Wesentlichen lediglich auf die Einschätzung der Polizeidirektion L., die ohne nähere Erläuterung 10 bis 20 % der Teilnehmer der angemeldeten Demonstration dem gewaltbereiten Klientel zurechnete, verweist, genügt den Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG insofern jedenfalls nicht.

21

Auch im Hinblick auf eine Inanspruchnahme der Veranstalter als Nichtstörer im Wege des polizeilichen Notstandes genügen die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts den Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG nicht. Das Verwaltungsgericht weist insofern zur Begründung des Vorliegens einer nicht durch Maßnahmen gegen potentielle Störer abwendbaren Gefahr, insbesondere auf die besondere Veranstaltungssituation am 16. Oktober 2010 und die deswegen nur begrenzt zur Verfügung stehenden Polizeikräfte, hin und beruft sich dabei pauschal auf die Einschätzung der Polizeidirektion L. vom 13. Oktober 2010. Berücksichtigt man aber den Umstand, dass die Polizeidirektion in ihrer Gefährdungsanalyse vom 4. Oktober 2010 offenbar noch zwei der angemeldeten Aufzüge mit den ihr voraussichtlich zur Verfügung stehenden Kräften für sicherbar hielt, erfüllt diese pauschale Bezugnahme auf die Einschätzung der Polizeidirektion vom 13. Oktober 2010 nicht die den Anforderungen an die entsprechend obigen Maßstäben bereits im Eilverfahren gebotene intensivere Rechtmäßigkeitsprüfung. Vielmehr hätte die kurzfristige Änderung der polizeilichen Einschätzung, die sich nicht ohne weiteres erschließt, das Verwaltungsgericht zu einer substantiierteren Prüfung der veränderten polizeilichen Einschätzung und zur Nachfrage einer genaueren Begründung ihrer Entscheidung veranlassen müssen. Dass dies vorliegend aus zeitlichen Gründen nicht möglich gewesen wäre, ist nicht erkennbar. Auch im Übrigen hätte es dezidierterer Feststellungen bedurft, aufgrund welcher konkreter Gefahren für die öffentliche Sicherheit und aufgrund welcher konkreter, vorrangig zu schützender sonstiger Veranstaltungen keine ausreichenden Polizeikräfte mehr zum Schutz der angemeldeten Versammlung und der Rechtsgüter Dritter zur Verfügung gestanden hätten. Die behauptete Bindung von Polizeikräften durch die zeitgleich stattfindenden Gegendemonstrationen kann nach obigen Maßstäben jedenfalls nicht ohne weiteres als hinreichendes Argument dafür herangezogen werden. Auch die Bindung von Polizeikräften aufgrund eines parallel stattfindenden Fußballspiels und sonstiger Veranstaltungen, deren vorrangige Schutzwürdigkeit sich nicht ohne weiteres erschließt, reicht hierfür nicht aus.

22

b) Die angegriffene Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts hält den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG ebenfalls nicht stand. Zwar hat das Sächsische Oberverwaltungsgericht deutliche Bedenken am Vorliegen der Voraussetzungen eines für die Rechtfertigung der versammlungsrechtlichen Auflage erforderlichen polizeilichen Notstandes geäußert und nachvollziehbar dargelegt, dass sich ihm nicht erschließe, wodurch sich das Gefährdungspotential innerhalb des kurzen Zeitraumes zwischen der Gefährdungsanalyse der Polizeidirektion L. vom 4. Oktober 2010 und dem Erlass der Auflage am 13. Oktober 2010 so erhöht haben soll, dass statt der zwei Aufzüge, die ursprünglich noch mit den zur Verfügung stehenden Einsatzkräften für sicherbar gehalten wurden, nunmehr nur noch eine stationäre Kundgebung möglich sein solle. Auch erscheint es nachvollziehbar, dass dem Sächsischen Oberverwaltungsgericht in der Kürze der ihm zur Verfügung stehenden Zeit die Vornahme der hier grundsätzlich gebotenen und soweit als möglich nicht lediglich summarischen Rechtmäßigkeitskontrolle der behördlichen Auflage nicht mehr möglich war. Allerdings hätte es dem Sächsischen Oberverwaltungsgericht in dieser Konstellation, um der Freiheitsvermutung zugunsten der Versammlungsfreiheit zumindest in der Sache Rechnung zu tragen, oblegen, eine besonders sorgfältige Folgenabwägung vorzunehmen und diese in der Begründung seiner Entscheidung hinreichend offenzulegen. Vorliegend hat sich das Sächsische Oberverwaltungsgericht in der Begründung seiner Entscheidung jedoch im Wesentlichen darauf beschränkt, auf die vermeintlich geringe Beeinträchtigung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit hinzuweisen, ohne auch nur ansatzweise ausreichend auf das Bestehen einer die Beeinträchtigung der Versammlungsfreiheit überwiegenden potentiellen Beeinträchtigung anderer Rechtsgüter einzugehen.

23

4. Demgemäß ist festzustellen, dass sowohl der angegriffene Beschluss des Verwaltungsgerichts Leipzig als auch der angegriffene Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG verletzen. Einer Aufhebung der Entscheidungen und Zurückverweisung zur erneuten Entscheidung bedarf es darüberhinausgehend nur bezüglich der Kostenentscheidungen, da in der Sache selbst Erledigung eingetreten ist (vgl. Schemmer, in: Umbach/Clemens/Dollinger, 2. Aufl. 2005, BVerfGG, § 93c Rn. 33).

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5. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass der Antragsteller täglich eine stationäre Versammlung für die Dauer von jeweils maximal drei Stunden durchführen darf, wobei der Versammlungsort Marienplatz - außer bei anderweitiger Belegung des gewählten (anderen) Ortes gemäß Nr. IV. des Grundlagenbescheides der Antragsgegnerin vom 24. Mai 2016 - nur einmal pro Woche belegt werden darf.

II.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller seinen in erster Instanz nur teilweise erfolgreichen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Grundlagenbescheid der Antragsgegnerin vom 24. Mai 2016 weiter.

Mit diesem Bescheid verfügte die Antragsgegnerin Beschränkungen der durch den Antragsteller mit Sammelanzeigen vom 23. und 28. Dezember 2015 für jeden Montag bis Ende 2016 angezeigten sich fortbewegenden Versammlungen mit dem Thema „10 PEGIDA-Forderungen, Friedliche Montagsspaziergänge damals wie heute“ mit Auftakt- und Schlusskundgebung jeweils am Odeonsplatz (Platz vor der Feldherrnhalle) in München und wechselnden Aufzugsrouten sowie der mit Anzeigen vom 28. Dezember 2015 und 4. Mai 2016 für die Jahre 2016 und 2017 angezeigten täglichen stationären Versammlungen am Marienplatz in München zum Thema „10 PEGIDA-Forderungen, „Islam - Gefahr für Freiheit und Selbstbestimmung“ bzw. „Frauen im Islam, Menschen 2. Klasse?, Staatliche Förderung von Religionen?“ u. a. mit dem Kundgebungsmittel „Muezzinruf“. Die angezeigten, sich fort bewegenden Versammlungen wurden dahingehend beschränkt, dass an dem gewünschten Versammlungsort Odeonsplatz nur an jedem ersten Montag im Monat eine stationäre Versammlung, an jedem dritten und fünften Montag (ebenfalls) nur stationäre Versammlungen am Karlsplatz (Stachus) bzw. auf der Brienner Straße und an jedem zweiten und vierten Montag sich fort bewegende Versammlungen mit Auftakt- und Schlusskundgebung an anderen Orten in München (Isartorplatz bzw. Seidlstraße) zugelassen wurden; für den Fall der anderweitigen Belegung der festgelegten Versammlungsorte wurden jeweils Ersatzstandorte bestimmt. Gleichzeitig kündigte die Antragsgegnerin den Erlass wöchentlicher Ergänzungsbescheide an, in denen die Voraussetzungen des Grundlagenbescheides jeweils nochmals geprüft und die sodann bekannten konkreten Gegebenheiten im Rahmen der Ermessensabwägung einbezogen werden sollten. Die angezeigten täglichen stationären Versammlungen wurden an maximal 6 Tagen pro Woche und nur an den Versammlungsorten Marienplatz, Neuhauser Straße 8, Karlsplatz (Stachus), Max-Joseph-Platz, Rindermarkt und Sendlinger Straße 8 mit der Maßgabe zugelassen, dass außer bei anderweitiger Belegung der Örtlichkeit diese Versammlungsorte nur einmal pro Woche belegt werden dürften und dass der „Muezzinruf“ nur zu Beginn der jeweiligen Versammlungen einmalig für maximal fünf Minuten zulässig sei.

Am 15. Juni 2016 erhob der Antragsteller hiergegen Klage (Az.: M 7 K 16.2674) und beantragte zugleich gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO, die aufschiebende Wirkung seiner Klage anzuordnen.

Mit Beschluss vom 7. Juli 2016 hat das Verwaltungsgericht dem Eilantrag des Antragstellers (teilweise) stattgegeben mit der Maßgabe, dass er an einem Montag jeden Monats eine sich fortbewegende Versammlung auf einer der am 23. und 28. Dezember 2015 von ihm angezeigten Strecken mit Auftakt- und Schlusskundgebung am Odeonsplatz (Platz vor der Feldherrnhalle) veranstalten darf, dass er an jedem Montag an wöchentlich wechselnden Orten eine sich fortbewegende Versammlung veranstalten darf, wobei eine Strecke nicht mehr als einmal im Monat genutzt werden darf, und dass er bei den täglich veranstalteten stationären Versammlungen das Kundgebungsmittel „Muezzinruf“ nur einmal pro Stunde für 5 Minuten einsetzen darf. Im Übrigen hat es den Antrag abgelehnt. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bestünden insoweit, als dem Antragsteller Aufzüge vom und zum Odeonsplatz gänzlich untersagt würden, sich fortbewegende Versammlungen (Montagsspaziergänge) nur noch zweimal im Monat und bei den täglichen stationären Versammlungen das Kundgebungsmittel „Muezzinruf“ nur noch einmal zu Beginn der Veranstaltung für fünf Minuten zugelassen würden. Ein Recht auf Durchführung der vom Antragsteller angezeigten wöchentlichen Aufzüge und täglichen stationären Versammlungen im beantragten Umfange bestehe dagegen nicht. Zu den anerkannten Schutzgütern der öffentlichen Sicherheit gemäß Art. 15 Abs. 1 BayVersG gehörten auch die grundrechtlich verbürgten Rechte von Freiberuflern und Gewerbetreibenden aus Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG sowie die Vorschriften über die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs. Würden diese Schutzgüter nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen bei der Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet, könnten - ungeachtet des Selbstbestimmungsrechts des Veranstalters über Ort und Zeitpunkt der geplanten Versammlung - auch der Versammlungsort verlegt und die Strecke einer sich fortbewegenden Versammlung geändert werden.

Die Antragsgegnerin habe ihre Prognose, dass durch die Versammlungen des Antragstellers Dritte in ihren Rechten beeinträchtigt würden, auf zahlreiche Beschwerden über polizeilich abgesperrte oder sonst unzugängliche Garagenzufahrten, Wohnungs-, Geschäfts- und Betriebszugänge, widerrufene Freischankflächen, eingeschränkte Erreichbarkeit von Gebäuden oder Verkehrsmitteln, (Dauer-)Lärm in der Wohnung, am Arbeitsplatz, in Betrieben, Geschäften, freiberuflichen Praxen und Kanzleien, Umsatzeinbußen, aufgedrängte Meinungsäußerungen und (übermäßige) Beanspruchung des innerstädtischen Raums durch die Versammlungen mit der Verdrängung der unbeteiligten Allgemeinheit von zentralen Plätzen gestützt. Auch wenn einzelne Beschwerden davon tatsächlich und rechtlich angreifbar sein sollten, sei angesichts der massenhaften und vielfältigen Beschwerden auch vieler Privatpersonen nicht davon auszugehen, dass die hierzu von der Antragsgegnerin vorgelegte Dokumentation ein völlig falsches Bild zulasten des Antragstellers abgebe. Nicht entscheidend sei, ob sämtliche Beeinträchtigungen Dritter in der Vergangenheit unmittelbar durch Versammlungsteilnehmer des Antragstellers oder der vormaligen Bewegung „Bagida“ oder „Mügida“ verursacht worden seien oder ob sie sich als mittelbare Folge des Versammlungsgeschehens darstellten. Der Antragsteller veranstalte seit nunmehr rund einem Jahr Aufzüge (Montagsspaziergänge) und stationäre Versammlungen am Odeons- und Marienplatz zu einem einheitlichen Themenspektrum und mit einheitlichem Erscheinungsbild, so dass für die Gefährdungsprognose auf Beschwerden über Rechtsbeeinträchtigungen aus diesem Zeitraum abgestellt werden könne. Einzubeziehen seien auch vom Antragsteller nicht beabsichtigte, aber unvermeidbare Auswirkungen seiner Versammlungen wie Verkehrsumleitungen, Sicherheitsabsperrungen und ein erhöhter Lärmpegel. Beeinträchtigungen durch Gegendemonstranten und sonstige Veranstaltungen dürften jedoch nicht dem Antragsteller zugerechnet werden. Da die vom Antragsteller gewünschten Versammlungsorte aber sehr vielfältigen Nutzungen gewidmet seien und auch intensiv genutzt würden und Gegendemonstrationen in gleichem Maße die Versammlungsfreiheit für sich in Anspruch nehmen könnten, stelle sich die Vor- und Überbelastung dieser Orte mit beeinträchtigenden Auswirkungen sämtlicher Nutzungen als ein Gesichtspunkt dar, der im Rahmen einer Interessenabwägung zugunsten der belasteten Dritten zu würdigen sei. Unabhängig davon stehe bereits aufgrund allgemeiner Lebenserfahrung mit ausreichender Wahrscheinlichkeit fest, dass wöchentliche bzw. sogar tägliche Versammlungen, die häufig Gegendemonstrationen auslösten, in einer stark frequentierten innerstädtischen Lage für Anlieger und Passanten erhebliche Beeinträchtigungen mit sich brächten. Das Versammlungsgeschehen an den vom Antragsteller beanspruchten Orten Odeonsplatz und Marienplatz sei gerichtsbekannt. Auch wenn die Versammlungen des Antragstellers und die Gegendemonstrationen friedlich blieben, entstehe infolge des massenhaften Andrangs von Personen, der politischen Auseinandersetzungen, der notwendigen Polizeipräsenz, des Lärms und des beeinträchtigten Zugangs zu Verkehrsmitteln und Gebäuden ein Klima, in dem viele Passanten und Kunden es vorzögen, nicht am Ort zu verweilen oder von vornherein den Ort zu meiden. Zumindest längerfristig sei damit zu rechnen, dass dieses Vermeidungsverhalten auf Praxen, Kanzleien, Geschäfte und Dienstleister spürbar und nachhaltig durchschlage. Die Ergebnisse der von der Industrie- und Handelskammer veranstalteten Umfrage in der Umgebung des Odeonsplatzes untermauere diese Annahme. Eine erhebliche Anzahl der befragten Unternehmen sehe sich durch die Montagsdemonstrationen spürbar beeinträchtigt und beklage Umsatzeinbußen. Daneben sei eine nicht unerhebliche Anzahl von Personen wie Inhaber und Besucher von Kulturbetrieben, sonstigen Veranstaltungen und der Gastronomie sowie Anwohner und Verkehrsteilnehmer betroffen. Schon aufgrund der rein körperlichen Inanspruchnahme des öffentlichen Raums durch Demonstranten und Polizei könnten Gehsteige, Plätze, Zugänge und Zufahrten von Passanten, Anwohnern und Betriebsinhabern vorübergehend nicht wie sonst genutzt werden. Auch stehe fest, dass durch das Versammlungsgeschehen nicht unerheblicher Lärm verursacht werde, und zwar nicht nur von Gegendemonstranten. Insgesamt sei ohne Einschränkungen der Versammlungsfreiheit des Antragstellers mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einem Schaden für die angeführten entgegenstehenden Rechtsgüter zu rechnen. Demnach sei die Grundentscheidung der Antragsgegnerin, die Aufzüge und stationären Versammlungen des Antragstellers künftig an wechselnde Orte zu verlegen, nicht zu beanstanden. Zwar seien versammlungsimmanente Beeinträchtigungen von den Betroffenen grundsätzlich hinzunehmen. Dies gelte aber nicht mehr in einer Situation beinahe täglicher und wöchentlicher Versammlungsereignisse, deren Beeinträchtigungen infolge ihrer regelmäßigen Wiederholung erheblich an Intensität gewinnen und sich zu schwerwiegenden Beeinträchtigungen grundrechtlich geschützte Rechte (Art. 2 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG) verdichten würden. Das Gericht teile die Auffassung der Antragsgegnerin, dass die zu erwartenden Rechtsbeeinträchtigungen Dritter ihrer Dauer und Intensität nach massiv und den Anlegern und Passanten auf Dauer nicht mehr zumutbar seien. Durch das Ausweichen auf andere Orte und die Notwendigkeit der Rotation werde kein faktisches Verbot der Versammlungen bewirkt. Andere und wechselnde Versammlungsorte nähmen den Versammlungen des Antragstellers weder thematisch noch ihrer Gestalt nach weitgehend ihren Charakter oder ihren Sinn. Ein prägender örtlicher Bezug bestehe bei den Versammlungen des Antragstellers am Odeonsplatz auch mit Blick auf die beabsichtigte Rückbesinnung auf den 30-jährigen Krieg und die Auseinandersetzungen zwischen europäischen Mächten mit dem osmanischen Reich nicht. Die von der Antragsgegnerin festgelegten Versammlungsorte und -strecken lägen alle in zentralen städtischen Bereichen mit ausreichendem Publikumsverkehr und damit vergleichbarer Außenwirksamkeit. Die teilweise örtliche Verlegung der wöchentlichen Aufzüge und der täglichen Versammlungen sei auch erforderlich und mit Blick auf die massiven Beeinträchtigungen der Anlieger und der Allgemeinheit in ihren Rechten verhältnismäßige Beschränkungen der Versammlungsfreiheit des Antragstellers.

Dagegen sei die Reduzierung der sogenannten Montagsspaziergänge auf zwei pro Monat und die Untersagung sich fortbewegender Versammlungen vom und zum Odeonsplatz nicht erforderlich und damit unverhältnismäßig, weil hierdurch ganz erheblich in die Ausgestaltung der Gesamtveranstaltung eingegriffen und deren Symbolkraft stark abgeschwächt werde.

In Anbetracht des täglichen Einsatzes des Kundgebungsmittels „Muezzinruf“ und seiner besonderen Beschwer für Dritte, die diesem gegen ihren Willen ausgesetzt seien, sei die starke Einschränkung dieses Kundgebungsmittels durch die Antragsgegnerin nicht zu beanstanden. Er werde zum Teil als provozierend und als religiöse Verunglimpfung empfunden und beeinträchtige nicht nur das Wohn- und das Arbeitsklima (am Marienplatz) ganz außerordentlich, was sich auch im Beschwerdebild spiegle. Allerdings erscheine eine Reduzierung auf nur fünf Minuten jeweils zu Beginn der täglichen Veranstaltungen nicht erforderlich und angemessen. Bei einer Abwägung der widerstreitenden Interessen sei dem Antragsteller eine gewisse Regelmäßigkeit des „Muezzinrufs“ als wirksames Kundgebungsmittel zuzugestehen. Die Kammer halte insoweit eine Beschränkung auf fünf Minuten in einer Stunde für vertretbar und verhältnismäßig.

Zur Begründung seiner Beschwerde macht der Antragsteller im Wesentlichen geltend, das Verwaltungsgericht habe bei seiner Entscheidung das sich aus Art. 8 GG ergebende Selbstbestimmungsrecht als Veranstalter der Versammlung nicht hinreichend berücksichtigt. Das Verwaltungsgericht habe übersehen, dass die Antragsgegnerin an anderer Stelle des Bescheids (IV.) Dritten durchaus zumute, dass der Antragsteller zumindest einmal pro Woche für die Dauer von 3 Stunden eine Kundgebung an einem innerstädtischen Platz in ihrer Nähe veranstalte. Warum für den Odeonsplatz etwas anderes gelten solle, sei nicht nachvollziehbar. Für den Antragsteller sei dieser Platz als Ausgangspunkt von entscheidender Bedeutung, da er im Vergleich zu anderen innerstädtischen Plätzen weniger stark vom Straßenverkehr frequentiert und darüber hinaus über vier Straßen zugänglich sei. Der angestrebte Wiederholungseffekt stelle sich nur ein, wenn die Versammlungen hier jeden Montag begännen und endeten. Ein Wechsel des Ortes würde diese Zielsetzung konterkarieren und an der Versammlung Interessierte von der Teilnahme möglicherweise sogar abhalten. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts bedeute an vier von fünf möglichen Terminen für Montagsdemonstrationen ein Versammlungsverbot für den Odeonsplatz. Versammlungsverbote seien jedoch nur zum Schutz elementarer Rechtsgüter zulässig. Gefahren für solche elementaren Rechtsgüter würden aber weder von der Antragsgegnerin noch vom Verwaltungsgericht aufgezeigt. Eine Rechtsgütergefährdung Dritter sei durch das Gericht im Einzelnen überhaupt nicht geprüft, sondern lediglich lapidar auf die allgemeine Lebenserfahrung verwiesen worden. Letzteres sei jedoch nicht überzeugend. Die Omnipräsenz politischer Versammlungen sei vielmehr ein spezifisches Charakteristikum des Lebens in Städten. Der Odeonsplatz sei ein öffentlicher Kommunikationsraum, der vom Austausch unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppierungen geprägt sei. Von dem dort stattfindenden Meinungsbildungsprozess werde der Antragsteller ausgeschlossen. Die in der IHK-Umfrage behaupteten Umsatzeinbußen seien zweifelhaft. Grund für etwaige Betriebsschließungen seien nicht die Montagsdemonstrationen des Antragstellers. Das Verwaltungsgericht habe aber die Ergebnisse der IHK-Umfrage völlig unreflektiert übernommen. Die Beeinträchtigungen Dritter gingen auch nicht unmittelbar vom Versammlungsgeschehen des Antragstellers aus und seien von diesem auch nicht beabsichtigt. Insofern richteten sich die Maßnahmen der Antragsgegnerin gegen einen Nichtstörer. Tatsächlich führe (nur) das massive Auftreten lärmender Gegendemonstranten in Hör- und Sichtweite zur Versammlung des Antragstellers zu einem starken Polizeiaufgebot am Odeonsplatz, welches für die Absicherung der Versammlung ansonsten nicht erforderlich wäre. Eine unmittelbare Gefahr entstehe - wenn überhaupt - daher erst durch das Hinzutreten von Gegendemonstranten. Indem die Antragsgegnerin Gegendemonstrationen in unmittelbarer Nähe zur Versammlung des Antragstellers zulasse, schaffe sie letztlich erst die Voraussetzungen zur Beschränkung seiner Versammlungsfreiheit. Maßnahmen hätten sich vorrangig gegen den Verursacher und Störer zu richten. Gegen die friedliche Versammlung des Antragstellers selbst könne dann nur unter den besonderen Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes eingeschritten werden. Es sei nicht ersichtlich, dass eine örtliche Verlagerung der Gegendemonstrationen unzureichend oder unmöglich sei. Im Übrigen erscheine zweifelhaft, ob das Verhalten der Gegendemonstrationen, deren einziges Ziel es sei, die Kundgebung des Antragstellers in einem Pfeif- und Schreikonzert untergehen zu lassen, dem Friedlichkeitsgebot des Art. 8 GG noch entspreche. Die Erheblichkeit der von den Gegendemonstrationen ausgehenden Störungen der Versammlungen des Antragstellers begründeten einen gemäß Art. 20 Abs. 1 Nr. 2 BayVersG strafbaren Verstoß gegen Art. 8 Abs. 2 Nr. 1 BayVersG. Warum die Antragsgegnerin zum Schutz der Rechte Dritter bislang noch nicht einmal den Versuch unternommen habe, die Gegendemonstrationen an einen anderen Ort als den Odeonsplatz zu verlegen, sei nicht nachvollziehbar. Auch eine Inanspruchnahme des Antragstellers als sogenannter Zweckveranlasser komme nicht in Betracht.

Der Antragsteller halte auch an seinem Vorhaben fest, an jedem Tag in den Jahren 2016 und 2017 eine stationäre Kundgebung auf dem Marienplatz für die Dauer von 3 Stunden abzuhalten. Die obigen Ausführungen zur Verantwortlichkeit der Gegendemonstranten, gegen welche versammlungs- und polizeirechtliche Maßnahmen primär zu richten seien, würden insoweit entsprechend gelten. Die feste Ortswahl sei auch hier von versammlungsimmanenter Bedeutung. Die Dauerpräsenz auf dem Marienplatz solle die Allgemeinheit für das von der Versammlung verfolgte Anliegen besonders sensibilisieren. Durch einen ständigen Ortswechsel würde diese beabsichtigte Wirkung verfehlt. Die Auswirkungen der Kundgebungen auf dem Marienplatz hielten sich in einem sozial üblichen Rahmen. Der Kundgebungszeitraum liege während der Sommermonate außerhalb der üblichen Geschäftszeiten. Die Versammlungsfläche betreffe nur einen Bruchteil des Marienplatzes und könne so angeordnet werden, dass Zugänge zu Wohn- und Geschäftsräumen problemlos erreicht werden könnten. Im Übrigen überwiege eindeutig das Grundrecht des Antragstellers auf Versammlungsfreiheit die wirtschaftlichen Interessen der Gewerbetreibenden, welche angeblich durch temporäre Umsatzeinbußen und Betriebseinschränkungen berührt sein sollen. Die Aversionen der Anlieger richteten sich in erster Linie gegen die Kundgebungsinhalte und weniger die mittelbar durch die Versammlungen verursachten Beeinträchtigungen. Aus welchen Gründen die Kundgebung nur an sechs von sieben Wochentagen stattfinden dürfe, sei nicht erkennbar.

Das Verwaltungsgericht habe zwar die wichtige Bedeutung des „Muezzinrufs“ als Kundgebungsmittel erkannt, bei der Interessenabwägung jedoch nicht hinreichend gewichtet. Als Weckruf für die Bevölkerung verlange dieser nach einem häufigeren Einsatz als vom Verwaltungsgericht gebilligt. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Ruf nicht auf dem gesamten Marienplatz zu hören sei und bereits ab einer Distanz zum Lautsprecher von 40 m von der allgemeinen Lärmkulisse überdeckt werde. In den Geschäftsräumen der anliegenden Geschäfte komme es dadurch zu keinen Störungen. Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Einschränkung stelle die Wirksamkeit der Kundgebung des Antragstellers insgesamt infrage. Eine unterschiedliche Beurteilung im Verhältnis zu weltlichem Glockengeläut sei nicht nachvollziehbar. Der Muezzinruf werde entsprechend der verfügten Lärmschutzauflage in zulässiger Lautstärke abgespielt.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016 die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Beschränkungen des Grundlagenbescheids der Antragsgegnerin vom 24. Mai 2016 insoweit anzuordnen, als ihm die Durchführung einer sich fortbewegenden Versammlung mit Auftakt- und Schlusskundgebung am Odeonsplatz (Platz vor der Feldherrnhalle) und die Durchführung einer täglichen stationären Versammlung auf dem Marienplatz für die Dauer von 3 Stunden untersagt und das Kundgebungsmittel „Muezzinruf“ mehr als insgesamt bis zu 12 mal täglich für jeweils 3 Minuten 20 Sekunden (d. h. einmal in jeder Viertelstunde) beschränkt werde.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Antragsteller verkenne, dass bei den stationären Versammlungen gegenüber den Montagsdemonstrationen geringere Beeinträchtigungen Dritter zu erwarten seien. Das liege an der wesentlich geringeren Zahl der (opponierenden) Teilnehmer, den kürzeren Auf- und Abbauzeiten sowie an den weniger komplexen eingesetzten Kundgebungsmitteln. Demgemäß sei die wöchentliche Inanspruchnahme einer Örtlichkeit bei den stationären Versammlungen hinzunehmen, am Odeonsplatz aber dagegen unzumutbar. Auch seien sämtliche alternative Örtlichkeiten zum Odeonsplatz, unter denen der Antragsteller frei wählen könne, in zentralen städtischen Bereichen mit ausreichendem Publikumsverkehr gelegen, verkehrsmäßig gut erschlossen und gut erreichbar. Die Verlegung an wechselnde Orte sei aufgrund der kollidierenden Rechtsgüter Dritter geboten. Eine Rotation der Versammlungsorte verhindere nicht die vom Antragsteller gewünschte Potenzierung der Teilnehmerzahlen, die er im Übrigen auch am Odeonsplatz bisher nicht erreicht habe. Schon durch die Regelmäßigkeit der Veranstaltung stelle sich ein gewünschter Wiederholungseffekt ein. Die Einschränkung der Montagsdemonstrationen stelle eine Beschränkung der Art und Weise der beabsichtigten Versammlungen, aber kein Versammlungsverbot dar. Nach dem Beschluss des Verwaltungsgerichts sei es dem Antragsteller möglich, die geplanten Versammlungen zur selben Zeit mit demselben Thema in der von ihm beabsichtigten Art und Weise jeweils in innerstädtischer Lage durchzuführen. Das Verwaltungsgericht habe sich auch hinreichend mit der Gefährdung der Rechtsgüter Dritter auseinandergesetzt und die im Verfahren glaubhaft gemachten Beschwerden und Grundrechtsbeeinträchtigungen Dritter in nicht zu beanstandender Weise gewürdigt. Je häufiger Versammlungen stattfänden und einen Ort beträfen, umso mehr Gewicht komme kollidierenden Grundrechten zu, die im Rahmen der praktischen Konkordanz abzuwägen seien. Der Antragsteller sei auch zulässiger Adressat der versammlungsrechtlichen Beschränkungen; er habe als Veranstalter der Versammlung die Ursache für die Beeinträchtigungen Dritter gesetzt. Bei der Abwägung seien sämtliche Beeinträchtigungen von Rechtsgütern Dritter zu berücksichtigen gewesen, die in unvermeidbarem Zusammenhang mit der Versammlung des Antragstellers stünden. Belegungskonflikte zwischen den Versammlungen des Antragstellers und angezeigten Gegendemonstrationen habe die Antragsgegnerin kooperativ im Rahmen eines Rotationsverfahren aufgelöst und nicht, wie vom Antragsteller behauptet, durch eine Doppelbelegung die Situation vor Ort verschärft. Beeinträchtigungen Dritter durch sogenannte opponierende Teilnehmer der Versammlung seien zulasten der Versammlungsfreiheit des Antragstellers zu berücksichtigen. Der Antragsteller habe durch seine polarisierenden Themen, seine provokant gewählte Art und Weise der Durchführung und die Häufigkeit und Dauer der Versammlungen an exponierten Orten in der Innenstadt eine erhöhte Aufmerksamkeit erreicht, die entsprechende Gegenreaktionen hervorrufe. Dies führe unvermeidbar zur Erhöhung der belastenden Wirkungen und Nebenfolgen des Versammlungsgeschehens für Dritte, die sich der Antragsteller zurechnen lassen müsse. Derartige Beeinträchtigungen ließen sich auch nicht durch weiträumigere Absperrungen oder Verkehrsumleitungen am Odeonsplatz vermeiden. Die Antragstellerin habe auch nicht gestützt auf Art. 8 BayVersG vor Beginn der betreffenden Versammlung gegen etwaige, noch nicht bekannte Störer vorgehen können. Im Übrigen habe bisher keine einzige Versammlung des Antragstellers aufgrund von Lärmstörungen von Gegendemonstranten abgebrochen werden müssen.

Auch die örtliche Verlegung der stationären Versammlungen am Marienplatz sei aufgrund kollidierender Rechtsgüter geboten. Die mit den täglichen Versammlungen dort verbundenen Beeinträchtigungen würden das sozialadäquate Maß deutlich übersteigen. So sei es etwa zu massiven Umsatzeinbußen der betroffenen Gewerbebetriebe gekommen. Ein unmittelbarer Ortsbezug der Versammlungen des Antragstellers zum Marienplatz bestehe nicht. Das Anliegen der Versammlung könne auch an den alternativen Versammlungsorten in gleicher Weise transportiert werden. Die Antragsgegnerin habe unter Abwägung der widerstreitenden Interessen die Versammlungen insoweit beschränkt, dass zwar täglich Versammlungen stattfinden dürften, dabei aber die sich fortbewegende Versammlung am Montag mit einzubeziehen sei. Der Antragsteller könne somit an jedem Tag der Woche eine Versammlung zu seinem im Wesentlichen identischen Versammlungsthema abhalten. Vom Abspielen des Muezzinrufs gehe entgegen der Auffassung des Antragstellers eine besondere Beschwer für Dritte aus, die dem gegen ihren Willen ausgesetzt seien. Auch der Vergleich zum weltlichen Glockengeläut überzeuge nicht; dieses bleibe schon in seiner Dauer bereits deutlich hinter dem Muezzinruf zurück und sei auch hinsichtlich der Herkömmlichkeit und allgemeinen Akzeptanz nicht zu vergleichen.

Der am Verfahren beteiligte Vertreter des öffentlichen Interesses stellt keinen eigenen Antrag, hält aber die Zurückweisung der Beschwerde für rechtens. Die verfügten Beschränkungen würden das Recht des Veranstalters, mit seinen Versammlungen öffentlich angemessen wahrgenommen werden zu können, hinreichend wahren und lediglich die gravierenden Folgen der sich ständig wiederholenden Versammlungen insbesondere für die unmittelbar betroffenen Anwohner und Gewerbetreibenden begrenzen.

Mit Schriftsätzen vom 12. und 26. September 2016 hat sich der Antragsteller zur Beschwerdeerwiderung der Antragsgegnerin und Stellungnahme des Vertreters des öffentlichen Interesses geäußert und insbesondere seine Ausführungen zur Interessenabwägung, zur Rechtmäßigkeit der Gegendemonstrationen, zur Frage des richtigen Adressaten für versammlungsrechtliche Beschränkungen und zur Bedeutung der Versammlungsorte sowie des Kundgebungsmittels „Muezzinruf“ vertieft.

Ergänzend wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nur zu einem geringen Teil begründet. Die vom Antragsteller im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründe, die der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen hat, rechtfertigen die Abänderung des angefochtenen Beschlusses lediglich im tenorierten Umfang.

Der Antragsteller wird durch die streitbefangenen Beschränkungen in der Gestalt der durch das Verwaltungsgericht verfügten Maßgaben nur insoweit in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), als die Antragsgegnerin die angezeigten stationären Versammlungen (jeweils für die Dauer von 3 Stunden) unter Anrechnung der sich fortbewegenden Versammlung des Antragstellers an jedem Montag nur an sechs Wochentagen zugelassen hat.

Durch die streitbefangenen Beschränkungen wird die in Art. 8 Abs. 1 GG geschützte Versammlungsfreiheit des Antragstellers betroffen (1.). Das Verwaltungsgericht ist jedoch zu Recht davon ausgegangen, dass sich die Antragsgegnerin bei ihren Beschränkungen auf Art. 15 Abs. 1 BayVersG und damit eine hinreichende gesetzliche Grundlage im Sinne des Art. 8 Abs. 2 GG stützen kann (2.), der Antragsteller als Veranstalter dieser Versammlungen auch richtiger Adressat der behördlichen Maßnahmen ist (3.) und die nach Maßgabe der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (noch) zulässigen zeitlichen und örtlichen Vorgaben unter Berücksichtigung der kollidierenden Rechte Dritter und der Pflicht der Antragsgegnerin zur Herstellung der praktischen Konkordanz zwischen den Rechtsgütern die Versammlungsfreiheit des Antragstellers nicht unverhältnismäßig beeinträchtigen (4.). Letzteres gilt allerdings nicht, soweit die Antragsgegnerin die angezeigten täglichen stationären Versammlungen unter Anrechnung der sich fortbewegenden Versammlung des Antragstellers an jedem Montag nur an sechs Wochentagen zugelassen hat (5.)

1. Art. 8 Abs. 1 GG gewährleistet nicht nur die Freiheit, an einer öffentlichen Versammlung teilzunehmen, sondern umfasst zugleich ein Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters über die Modalitäten der Versammlungsdurchführung (st. Rspr., vgl. z. B. BVerfG, B.v. 20.12.2012 - 1 BvR 2794/10 - juris Rn. 16 m. w. N.), also insbesondere über den Ort, den Zeitpunkt, die Art und den Inhalt der Veranstaltung (vgl. auch BayVGH, U.v. 22.9.2015 - 10 B 14.2246 - juris Rn. 59). Dieses Selbstbestimmungsrecht des Antragstellers ist hier betroffen, weil er nach den unter III. und IV. des Grundlagenbescheids der Antragsgegnerin vom 24. Mai 2016 angeordneten Beschränkungen der angezeigten Versammlungen in der Gestalt der durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 7. Juli 2016 verfügten Maßgaben nicht wie angezeigt jeden Montag (des Jahres 2016) eine sich fortbewegende Versammlung mit Auftaktund Schlusskundgebung am Odeonsplatz (Platz vor der Feldherrnhalle) sowie tägliche (2016 und 2017) stationäre Versammlungen (jeweils für die Dauer von 3 Stunden) auf dem Marienplatz mit dem Kundgebungsmittel „Muezzinruf“ in der zuletzt noch begehrten Häufigkeit durchführen darf.

2. Diese Beschränkungen der Versammlungsfreiheit des Antragstellers finden jedoch nach zutreffender Auffassung des Verwaltungsgerichts in Art. 15 Abs. 1 BayVersG eine hinreichende gesetzliche Grundlage im Sinne des Art. 8 Abs. 2 GG. Danach kann die Antragsgegnerin als zuständige Versammlungsbehörde eine Versammlung beschränken oder verbieten, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass zur öffentlichen Sicherheit zählende Schutzgüter (2.1.) bei Durchführung der vom Antragsteller angezeigten sich fortbewegenden und stationären Versammlungen (2.3.) nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen unmittelbar gefährdet sind (2.2.).

2.1. Der Begriff der öffentlichen Sicherheit in Art. 15 Abs. 1 BayVersG umfasst neben der Unversehrtheit der Rechtsordnung unter anderem gerade auch den Schutz der subjektiven Rechte bzw. Rechtsgüter Dritter wie z. B. die Gesundheit sowie das durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (ebenfalls) geschützte Ruhebedürfnis der Anwohner und die durch Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützten wirtschaftlichen Interessen von (betroffenen umliegenden) Freiberuflern, Geschäften und gastronomischen Betrieben (vgl. BayVGH, U.v. 22.9.2015 - 10 B 14.2246 - juris Rn. 53; B.v. 28.6.2013 - 10 CS 13.1356 - juris Rn. 4). Auch das durch Art. 8 Abs. 1 GG eingeräumte Selbstbestimmungsrecht über Ort, Zeitpunkt sowie Art und Inhalt der Veranstaltung ist insofern durch den Schutz der Rechtsgüter Dritter und der Allgemeinheit begrenzt (vgl. BVerfG, B.v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u. a. - juris - 3. Orientierungssatz).

2.2. Das Verwaltungsgericht ist auch in nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass solche subjektiven Rechte und Rechtsgüter Dritter und der Allgemeinheit nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen unmittelbar gefährdet sind. Dabei hat es den an die erforderliche Gefahrenprognose anzulegenden Maßstab nicht verkannt.

Die Antragsgegnerin hat die Durchführung der vom Antragsteller angezeigten Versammlungen beschränkende Verfügungen auf der Grundlage der Befugnisnorm des Art. 15 Abs. 1 BayVersG zum Schutz solcher, gemäß ihrer Interessenabwägung der Ausübung der Versammlungsfreiheit vorgehender Rechtsgüter getroffen.

Das für beschränkende Verfügungen vorauszusetzende Erfordernis einer unmittelbaren Gefährdung setzt eine Sachlage voraus, die bei ungehindertem Geschehensablauf mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die der Versammlungsfreiheit entgegenstehenden Rechtsgüter und Interessen führt. Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Versammlungsfreiheit darf die Behörde bei dem Erlass von vorbeugenden Verfügungen keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose stellen. Als Grundlage der Gefahrenprognose sind konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich; bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen reichen hierzu nicht aus. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Gründen für ein Verbot oder eine Auflage liegt grundsätzlich bei der Behörde (st. Rspr., vgl. z. B. BVerfG, B.v. 20.12.2012 - 1 BvR 2794/10 - juris Rn. 17; B.v. 19.12.2007 -1 BvR 2793/04 - juris Rn. 20 jeweils m. w. N.).

Die Antragsgegnerin ist ihrer insoweit bestehenden Darlegungslast nachgekommen und hat hinreichende konkrete und nachvollziehbare Anhaltspunkte für mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartende Schäden bei den genannten entgegenstehenden Rechtsgütern bzw. rechtlich geschützten Interessen aufgeführt. Dabei durften die Antragsgegnerin und dies nachvollziehend das Verwaltungsgericht auf der Grundlage der dokumentierten zahlreichen Beschwerden von Anwohnern, freiberuflich Tätigen sowie Inhabern, Beschäftigten und Kunden von Geschäften, gewerblichen und gastronomischen Betrieben im Bereich der Versammlungsorte (Odeonsplatz und Marienplatz) und der Aufzugsrouten sowie deren näheren Umgebung über entsprechende Beeinträchtigungen durch die bisherigen Versammlungen des Antragstellers und der Vorgängerbewegungen „Bagida“ und „Mügida“ auch ohne (nähere) Überprüfung im Einzelfall eine hinreichende Gefährdungslage annehmen. Wie dem Erstgericht ist auch dem erkennenden Senat das bisherige Versammlungsgeschehen an und um den Odeonsplatz mit den jeweiligen Aufzugsrouten sowie dem Marienplatz bekannt. Aufgrund dieser (eigenen) Kenntnis und der vom Verwaltungsgericht zu Recht mit angeführten allgemeinen Lebenserfahrung steht auch für den Senat mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit fest, dass es bei einem uneingeschränkten Ablauf des Versammlungsgeschehens des Antragstellers auch in Zukunft zu massiven Beeinträchtigungen von Rechtsgütern Dritter kommen wird. Dazu gehören vor allem die durch die Versammlungen des Antragstellers und die aus Sicherheitsgründen erforderlichen großräumigen polizeilichen Absperr- und Sicherungsmaßnahmen verursachten erheblichen Einschränkungen des Verkehrs (auch des öffentlichen Personennahverkehrs) und der Zufahrten und Zugangsmöglichkeiten von privaten Wohnungen und (Garagen-)Stellplätzen, von an- und umliegenden Geschäften, gastronomischen Betrieben, Hotels, Praxen von Freiberuflern und öffentlichen Veranstaltungsräumen. Derartige Behinderungen in der Vergangenheit sind durch eine große Anzahl schlüssiger und glaubhafter Beschwerden betroffener Personen und Unternehmen belegt. Auch die in zahlreichen Beschwerden geltend gemachten spürbaren bzw. erheblichen Umsatzeinbußen durch ausbleibende Gäste oder Kunden sind angesichts dessen ohne weiteres nachvollziehbar. Es liegt vielmehr auf der Hand, dass die regelmäßigen Versammlungen des Antragstellers und das damit einhergehende große Polizeiaufgebot mit großräumigen Absperrmaßnahmen und Umleitungen des Verkehrs den Zugang zu den betroffenen zentralen innerstädtischen Bereichen zeitweise unmöglich machen oder jedenfalls in schwerwiegender Weise beeinträchtigen, auf Passanten und Kunden abschreckend wirken und bei diesen das vom Verwaltungsgericht festgestellte „Vermeidungsverhalten“ auslösen. Dies führt aber jedenfalls auf Dauer unabhängig von den sonstigen Beeinträchtigungen zwangsläufig auch zu nicht unerheblichen Umsatzeinbußen bei den betroffenen Gastronomiebetrieben, Geschäften, Dienstleistungsunternehmen, Kanzleien und Praxen. Auch diesbezüglich ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die umfangreiche Dokumentation der Antragsgegnerin über entsprechende Beschwerden bei einer Gesamtschau entgegen dem Vorbringen des Antragstellers kein falsches Bild zu seinen Lasten erzeugt, sondern die betroffenen Unternehmen und Personen vielmehr in schlüssiger und nachvollziehbarer Weise an den jeweiligen Tagen - und nicht nur während der eigentlichen Dauer der Versammlung -erhebliche Einschränkungen und Umsatzeinbußen geltend machen. Die demgegenüber unsubstantiierte Behauptung bzw. Einlassung des Antragstellers, es handle sich hier offenkundig um nur „wenige Dutzend substanzlose Beschwerden“ und Behauptungen, die „nur auf Zuruf Dritter zustande gekommen“ seien, vermag diese Bewertung nicht ernsthaft infrage zu stellen.

Nicht zu beanstanden ist weiter die Feststellung des Verwaltungsgerichts, durch das Versammlungsgeschehen des Antragstellers werde an den betroffenen Orten, am täglichen Versammlungsort Marienplatz vor allem auch durch die dort eingesetzte Lautsprecheranlage und den regelmäßig abgespielten „Muezzinruf“, ein nicht unerheblicher Lärm verursacht, der in zahlreichen glaubhaften Beschwerden schon aufgrund der seiner Häufigkeit, Intensität und bezogen auf das Kundgebungsmittel „Muezzinruf“ auch Fremdartigkeit als penetrant, belästigend bzw. nachhaltig störend beschrieben wird. Der Einwand des Antragstellers, Lärmstörungen gingen allenfalls von den Gegendemonstrationen aus, bleibt unsubstantiiert, blendet das eigene Versammlungsgeschehen völlig aus und ist daher nicht geeignet, die überzeugenden Ausführungen des Erstgerichts zu erschüttern.

2.3. Der oben dargestellte Schaden für die der Versammlungsfreiheit entgegenstehenden, auch grundrechtlich geschützten (insbesondere durch Art. 2 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG) Rechtsgüter und Interessen droht unmittelbar bei Durchführung der vom Antragsteller angezeigten sich fortbewegenden und stationären Versammlungen. Der zwischen der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und der Durchführung der Versammlungen danach erforderliche hinreichend bestimmte Kausalzusammenhang (vgl. BVerfG, B.v. 21.4.1998 - 1 BvR 2311/94 - juris Rn. 27; Dürig-Friedl in Dürig-Friedl/Enders, Versammlungsrecht, Kommentar, VersammlG § 15 Rn. 57 f.) ist entgegen dem Beschwerdevorbringen des Antragstellers gegeben.

Der Annahme des Verwaltungsgerichts, es spreche nichts dafür, dass die Polizei, die Münchner Verkehrsgesellschaft, die Straßenbaubehörde der Antragsgegnerin oder sonstige öffentliche Stellen zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und des öffentlichen Nahverkehrs anlässlich der Versammlungen des Antragstellers Maßnahmen ergreifen würden, die über die nach ihrer fachlichen Einschätzung notwendigen hinausgingen oder unangemessen wären, ist der Antragsteller ebenso wenig fundiert entgegengetreten wie der Feststellung des Erstgerichts, er müsse sich jedenfalls zwar von ihm nicht beabsichtigte, aber unvermeidbare Auswirkungen des von ihm veranlassten Versammlungsgeschehens wie Verkehrsumleitungen, Sicherheitsabsperrungen und einen erhöhten Lärmpegel zurechnen lassen. Soweit der Antragsteller dem entgegenhält, nur das massive Auftreten von Gegendemonstranten erfordere ein (so) starkes Polizeiaufgebot am Odeonsplatz, welches für die Absicherung seiner Versammlung ansonsten nicht erforderlich wäre, führt dies auch aus den nachfolgenden Gründen zu keiner anderen Bewertung.

Der Einwand, die Beeinträchtigungen Dritter gingen nicht unmittelbar vom durch die Antragsgegnerin beschränkten Versammlungsgeschehen aus und seien von ihm auch nicht beabsichtigt, eine unmittelbare Gefahr ergebe sich - wenn überhaupt erst durch das Hinzutreten von sich im Sinne von Art. 8 Abs. 1 GG unfriedlich oder zumindest rechtswidrig verhaltenden Gegendemonstranten, greift nicht durch. Der Behauptung, die Antragsgegnerin habe die Voraussetzungen zur Beschränkung der Versammlungsfreiheit des Antragstellers erst dadurch geschaffen, indem sie in unmittelbarer Nähe (am Odeonsplatz) Gegendemonstrationen zugelassen habe, hat die Antragsgegnerin zu Recht entgegnet, sie habe bezüglich des Versammlungsortes Odeonsplatz Belegungskonflikte zwischen den Versammlungen des Antragstellers und angezeigten Gegendemonstrationen kooperativ im Rahmen eines Rotationsverfahrens aufgelöst und nicht etwa durch eine Doppelbelegung die Situation vor Ort verschärft. Kommt es nämlich wie im vorliegenden Fall durch jeweilige Anzeigen zu konkurrierenden langfristigen Nutzungswünschen gegenläufiger und prinzipiell gleichwertiger Versammlungen, ist nach ständiger Rechtsprechung eine praktische Konkordanz bei der Ausübung der Grundrechte unterschiedlicher Grundrechtsträger und damit ein verhältnismäßiger Ausgleich herzustellen, der unter strikter Berücksichtigung des Grundsatzes der inhaltlichen Neutralität dem Ziel ihres größtmöglichen Schutzes verpflichtet ist und bei dem eine Ausrichtung allein am Prioritätsgrundsatz grundsätzlich nicht zulässig wäre (vgl. BayVGH, B.v. 16.9.2015 - 10 CS 15.2057 - juris Rn. 20 f., B.v. 17.8.2007 - 24 CS 07.2038 - juris Rn. 21 jeweils m. w. N.). Der Prioritätsgrundsatz kommt hier entgegen dem Beschwerdevorbringen auch nicht deshalb zum Tragen, weil die angemeldeten Gegendemonstrationen -wie der Antragsteller behauptet - „allein oder überwiegend zu dem Zweck“ erfolgen würden, seine zuerst angemeldeten Versammlungen an diesem Ort zu verhindern. Denn festzustellen ist auch, dass der Antragsteller durch seine stark polarisierenden Versammlungsthemen, die Art und Weise der Durchführung sowie die Häufigkeit seiner Veranstaltungen an zentralen Orten der Münchner Innenstadt eine erhöhte Aufmerksamkeit erreichen will und erreicht, die entsprechende (ablehnende) Gegenreaktionen und Gegendemonstrationen hervorruft. Soweit solche ablehnenden Gegenreaktionen von Personen erfolgen, die sich dadurch erkennbar aktiv an den Veranstaltungen des Antragstellers beteiligen wollen (sogenannte opponierende Versammlungsteilnehmer), muss sich der Antragsteller diese ohnehin unmittelbar zurechnen lassen. Im Übrigen verweist die Antragsgegnerin unbestritten darauf, dass bisher keine einzige Versammlung des Antragstellers aufgrund von (Lärm-)Störungen von Gegendemonstranten habe abgebrochen werden müssen.

Der auch unter Verweis auf das derzeitige Flüchtlingscamp im Stadtgebiet erhobene Einwand, die Antragsgegnerin würde jedenfalls „bei Beeinträchtigungen von Interessen Dritter durch demonstrative Ereignisse mit zweierlei Maß messen“ und es so an der gebotenen Neutralität fehlen lassen, lässt sich bei der im Eilverfahren insoweit nur möglichen summarischen Prüfung nicht hinreichend nachvollziehen.

Der erforderliche Kausalzusammenhang mit der Durchführung der Versammlung würde allerdings dann fehlen, wenn Störungen der öffentlichen Sicherheit vorwiegend aufgrund des Verhaltens Dritter, insbesondere Gegendemonstranten, zu befürchten wären, während sich Veranstalter und Versammlungsteilnehmer überwiegend friedlich verhielten (st. Rspr., vgl. z. B. BVerfG, B.v. 11.9.2015 - 1 BvR 2211/15 -juris Rn. 3 m. w. N.). Dies ist bei den oben dargelegten Störungen aufgrund letztlich unvermeidbarer Auswirkungen des vom Antragsteller veranlassten Versammlungsgeschehens entgegen seinem Beschwerdevorbringen aber gerade nicht zu erwarten. Diese Störungen ließen sich - worauf die Antragsgegnerin zutreffend hinweist - im Übrigen auch nicht durch weiträumigere Absperrungen am Odeonsplatz oder eine noch weitgehendere räumliche Trennung der Veranstaltungen des Antragstellers und der Gegendemonstrationen wirklich verhindern. Auch bezüglich der Lärmbelästigungen hat das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt, dass der nicht unerhebliche Lärm nicht nur durch Gegendemonstranten, sondern auch durch die Versammlungen des Antragstellers selbst verursacht werde.

3. Aus den oben genannten Gründen ist der Antragsteller als Veranstalter dieser Versammlungen auch richtiger Adressat der streitigen behördlichen Maßnahmen. Als Veranstalter der „Montagsspaziergänge“ mit dem Ausgangs- und Endpunkt Odeonsplatz und der täglichen Versammlungen am Marienplatz ist er für deren Planung und Durchführung verantwortlich. Der Antragsteller weist zwar zutreffend darauf hin, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einschränkende behördliche Maßnahmen primär gegen den/die Störer zu richten sind und gegen eine friedliche Versammlung selbst nur unter den besonderen eng auszulegenden Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes eingeschritten werden kann (vgl. z. B. BVerfG, B.v. 11.9.2015 - 1 BvR 2211/15 - juris Rn. 3 m.w. Rspr-Nachweisen). Diese Rechtsprechung betrifft jedoch Fallkonstellationen, in denen Störungen der öffentlichen Sicherheit vorwiegend aufgrund des (gewalttätigen) Verhaltens Dritter, insbesondere Gegendemonstranten, und nicht von der sich friedlich verhaltenden Versammlung zu befürchten sind. Auch wenn davon auszugehen ist, dass sich der Antragsteller und die Teilnehmer seiner Versammlungen - wie bisher - überwiegend friedlich verhalten werden, sind dem Antragsteller und den (auch opponierenden) Teilnehmern dieser Versammlungen - wie bereits dargelegt - die unvermeidbaren Auswirkungen des von ihm veranlassten Versammlungsgeschehens und damit die unweigerlichen Beeinträchtigungen der ebenfalls grundrechtlich geschützten Rechtsgüter Dritter wegen der notwendigen Schutzvorkehrungen seiner Versammlungen (vgl. BVerfG, B.v. 2.12.2005 - 1 BvQ 35/05 - juris) nach den hier ergänzend heranzuziehenden allgemeinen polizeirechtlichen Grundsätzen der Störerhaftung zuzurechnen (vgl. Kniesel in Dietel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetze, Kommentar, 17. Aufl. 2016, Teil II § 15 Rn. 118; Dürig-Friedl in Dürig-Friedl/Enders, a. a. O., § 15 Rn. 68; Groscurth in Peters/Janz, Handbuch Versammlungsrecht, G Rn. 92 jeweils m. w. N.). Die Rüge des Antragstellers, als Nichtstörer könne er nicht in Anspruch genommen werden, weil die Voraussetzungen eines polizeilichen Notstandes nicht vorlägen, geht daher ins Leere.

4. Die nach Maßgabe der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (noch) zulässigen zeitlichen und örtlichen Vorgaben beeinträchtigen unter Berücksichtigung der kollidierenden Rechtsgüter bzw. Rechte Dritter, die die Antragsgegnerin und das Verwaltungsgericht in rechtlich nicht zu beanstandender Weise in ihre Güter- und Interessenabwägung einbezogen haben, im ganz überwiegenden Teil die Versammlungsfreiheit und das Selbstbestimmungsrecht des Antragstellers nicht unverhältnismäßig.

Die durch die Antragsgegnerin verfügten und vom Verwaltungsgericht als rechtmäßig erachteten örtlichen Verlegungen stellen entgegen der Auffassung des Antragstellers auch bezüglich der Montagsdemonstrationen kein „Versammlungsverbot für den Odeonsplatz an vier von fünf möglichen Terminen“ dar. Zwar darf der Antragsteller seine „Montagsspaziergänge“ künftig nur einmal im Monat mit Auftakt- und Schlusskundgebung am Odeonsplatz (Platz vor der Feldherrnhalle) abhalten und wird im Übrigen auf andere Versammlungsorte und Aufzugswege im Stadtgebiet verwiesen. Ein Verbot dieser Versammlungen gemäß Art. 15 Abs. 1 BayVersG, das nur als ultima ratio zulässig wäre, liegt darin aber nicht. Es ist vom Antragsteller weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass etwa aufgrund eines so bedeutsamen unmittelbaren örtlichen und thematischen Bezugs zum Kundgebungsort Odeonsplatz (Platz vor der Feldherrnhalle) der Charakter dieser Montagsspaziergänge durch eine (örtliche) Verlegung so wesentlich verändert würde, dass dies auf die Durchführung einer ganz anderen, vom Antragsteller nicht beantragten Versammlung und damit faktisch ein Verbot seiner angezeigten Veranstaltungen hinauslaufen würde (vgl. BayVGH, B.v. 6.6.2015 - 10 CS 15.1210 - juris Rn. 39 m. w. N.).

Durch die streitbefangenen Verfügungen wird der spezifische Charakter der sich fortbewegenden und stationären Versammlungen des Antragstellers auch nicht in einer Weise verändert, die einem Verbot zumindest nahe kommt, weil die Verwirklichung des besonderen kommunikativen Anliegens dadurch wesentlich erschwert wird (vgl. BVerfG, B.v. 6.6.2007 - 1 BvR 1423/07 - juris Rn. 28 m. w. N.). Eine besonders schwerwiegende Beeinträchtigung der Versammlungsfreiheit liegt deshalb nicht vor. Das Vorbringen des Antragstellers, der Odeonsplatz sei als Ausgangspunkt für seine Montagsdemonstrationen von entscheidender Bedeutung, da er im Vergleich zu anderen innerstädtischen Plätzen weniger stark vom Straßenverkehr frequentiert und darüber hinaus über vier Straßen zugänglich sei und sich der angestrebte Wiederholungseffekt seiner montäglichen Versammlungen bei der verfügten Beschränkung (Rotation der Örtlichkeiten) nicht einstelle, greift nicht durch. Denn die Antragsgegnerin und das Verwaltungsgericht haben zu Recht berücksichtigt, dass alle mangels anderweitiger Vorschläge des Antragstellers behördlich festgelegten Versammlungsorte und Aufzugsstrecken in zentralen innerstädtischen Bereichen mit ausreichendem Publikumsverkehr und einer vergleichbaren Außenwirksamkeit liegen und damit ebenso für das vom Antragsteller bei seinen Versammlungen verfolgte Anliegen geeignet sind. Der pauschale Einwand des Antragstellers, die alternativen Örtlichkeiten seien allesamt zur Verwirklichung des Versammlungszwecks ungeeignet, verfängt daher nicht. Nicht überzeugend ist auch seine Einlassung, die Montagsdemonstrationen könnten sich nur bei unveränderter Durchführung (am Odeonsplatz) im Bewusstsein der Öffentlichkeit nachhaltig einprägen. Selbst wenn im Übrigen durch die Notwendigkeit der Rotation bei den Montagsspaziergängen der „Einprägungseffekt“ bei den potentiellen Versammlungsteilnehmern - nach Angaben des Antragstellers zu einem nicht unerheblichen Teil Rentner, die über keinen Internetanschluss verfügten und dadurch schwerer erreichbar seien - etwas geringer sein sollte, käme diesem Umstand bei der vorzunehmenden Güter- und Interessenabwägung letztlich kein entscheidendes Gewicht zu.

Das Verwaltungsgericht ist im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit schließlich in rechtlich nicht zu beanstandender Weise mit überzeugender Begründung zu dem Ergebnis gelangt, dass die streitigen örtlichen Beschränkungen (Rotation der Versammlungsorte und Aufzugsrouten) unter Berücksichtigung der in der Entscheidung verfügten Maßgaben bei der vorzunehmenden Güterabwägung mit den grundrechtlich geschützten Rechtsgütern Dritter zumutbare Eingriffe in die Versammlungsfreiheit und das diesbezügliche Selbstbestimmungsrecht des Antragstellers bewirken, weil die Antragsgegnerin mit diesen Maßnahmen die praktische Konkordanz beim Rechtsgüterschutz hergestellt habe. Es ist dabei zu Recht davon ausgegangen, dass versammlungsimmanente Beeinträchtigungen von den Betroffenen grundsätzlich als sozialadäquat hinzunehmen seien, der Schutz der betroffenen Rechtsgüter bzw. grundrechtlich geschützten Rechte der Anlieger und der Allgemeinheit (Art. 2 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG) vor Beeinträchtigungen aber dann überwiege, wenn wie hier vor allem durch die Häufigkeit der Versammlungen (jeden Montag im Jahr 2016 bzw. bei den stationären Versammlungen sogar täglich in den Jahren 2016/2017), die Dauer sowie ihre Intensität (letzteres vor allem bezüglich der Versammlungen am Marienplatz) eine große Anzahl Betroffener in schwerwiegender Weise beeinträchtigt werde.

Das Beschwerdevorbringen, das Verwaltungsgericht habe übersehen, dass die Antragstellerin bei ihren Beschränkungen der stationären Versammlungen Dritten durchaus einmal pro Woche eine Kundgebung des Antragstellers für die Dauer von drei Stunden in ihrer Nähe zumute und dass dies auch für den Odeonsplatz gelten müsse, ist nicht stichhaltig. Denn dem hat die Antragsgegnerin in schlüssiger Weise entgegengehalten, die Montagsdemonstrationen führten gegenüber den täglichen stationären Versammlungen schon aufgrund ihrer Modalitäten, insbesondere der wesentlich größeren Teilnehmerzahl (auch opponierender Versammlungsteilnehmer) und der längeren Auf- und Abbauzeiten zu gravierenderen Beeinträchtigungen Dritter. Auch aus den vorliegenden Beschwerden ist dies nachvollziehbar.

Mit Blick auf die Maßgaben des Verwaltungsgerichts nicht (mehr) nachvollziehbar ist dagegen die Rüge des Antragstellers, der Odeonsplatz sei ein öffentlicher Kommunikationsraum, der vom Austausch unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppierungen geprägt sei, und dass er - der Antragsteller - von dem dort stattfindenden Meinungsbildungsprozess ausgeschlossen werde.

Als (voraussichtlich) verhältnismäßig erweist sich auch die noch streitige Beschränkung des Einsatzes des Kundgebungsmittels „Muezzinruf“ in der Gestalt der durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 7. Juli 2016 verfügten Maßgabe. Das Verwaltungsgericht hat in seiner Abwägung der gegenläufigen Rechtsgüter und Interessen gerade unter Berücksichtigung der dokumentierten zahlreichen Beschwerden von Anliegern und Passanten des Marienplatzes eine gravierende Beeinträchtigung des Wohn- und Arbeitsklimas am Versammlungsort und eine besonders provozierende und störende Wirkung dieses Kundgebungsmittels angenommen.

Nicht durchgreifend ist der Einwand des Antragstellers, bei einem lediglich stündlichen Einsatz dieses Kundgebungsmittels (für 5 Minuten) werde die Wirksamkeit dieser Kundgebung insgesamt infrage gestellt. Auch insofern vermag der Senat nicht zu erkennen, dass der Charakter dieser stationären Versammlungen des Antragstellers durch die Beschränkung des Einsatzes des Muezzinrufs in einer die Verwirklichung des besonderen kommunikativen Anliegens des Antragstellers wesentlich erschwerenden oder gar unmöglich machenden Weise verändert wird.

Das Vorbringen, der Muezzinruf werde bereits ab einer Distanz zum entsprechend den Vorgaben der Antragsgegnerin eingestellten Lautsprecher von 40 m von der allgemeinen Lärmkulisse überdeckt, es seien durchaus Kundgebungsorte auf dem Marienplatz vorstellbar, die gewährleisteten, dass Anrainer den Muezzinruf nicht (mehr) wahrnehmen würden, auch wäre z. B. eine stündliche Rotation der Kundgebung auf dem Marienplatz denkbar, führt ebenfalls zu keiner anderen Bewertung der Verhältnismäßigkeit dieser Einschränkung. Abgesehen davon, dass eine stündliche Rotation auf dem Marienplatz praktisch schon gar nicht möglich sein dürfte, erscheint dem Senat die Annahme, es gäbe Versammlungsorte auf dem Marienplatz, von denen aus der Muezzinruf für Anrainer nicht mehr störend, weil nicht mehr hörbar, wäre, nicht nur rein spekulativ, sondern nach eigener Ortskenntnis äußerst unwahrscheinlich.

Der Rüge, der in einer Länge von 3 Minuten 20 Sekunden abgespielte Muezzinruf müsse ebenso regelmäßig zugelassen werden wie weltliches Glockengeläut am Marienplatz, hat die Antragsgegnerin zu Recht entgegengehalten, dass sich ein Vergleich schon aufgrund der zeitlichen Länge, aber auch aufgrund der Herkömmlichkeit und allgemeinen Akzeptanz verbiete.

5. Soweit die Antragsgegnerin die angezeigten täglichen stationären Versammlungen unter Anrechnung der sich fortbewegenden Versammlung des Antragstellers an jedem Montag nur an sechs Wochentagen zugelassen hat, überwiegt jedoch nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs das sich aus Art. 8 Abs. 1 GG ergebende Selbstbestimmungsrecht des Antragstellers das (öffentliche) Interesse am Schutz der Rechtsgüter betroffener Dritter.

Die Begründung der Antragsgegnerin für diese Beschränkung, der Schutz der Rechtsgüter Dritter rechtfertige es, dem Antragsteller zwar tägliche Versammlungen zuzugestehen, dabei aber die sich fortbewegende Versammlung am Montag (rechnerisch) mit einzubeziehen, weil der Antragsteller „dann an jedem Tag in der Woche eine Versammlung zu seinem im Wesentlichen identischen Versammlungsthema“ abhalten könne, überzeugt nicht. Denn die beiden Veranstaltungen - „Montagsspaziergänge“ einerseits und tägliche stationäre Versammlungen andererseits - unterscheiden sich ungeachtet ähnlicher Themen in ihrer Konzeption, ihrer Durchführung und auch ihrem Adressatenkreis doch in einer Weise, die es als ermessensfehlerhaft und unverhältnismäßig erscheinen lässt, das Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters über die Modalitäten der Versammlungsdurchführung auch insoweit gegenüber dem Schutz kollidierender Rechtsgüter Dritter zurückzustellen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das wesentliche Anliegen der Antragsgegnerin und der bei der Abwägung der kollidierenden Rechtsgüter besonders gewichtige Schutz der Anrainer und Passanten des Marienplatzes bereits durch die behördlich verfügte örtliche Beschränkung (durch Rotation des Versammlungsortes) hinreichend gewährleistet ist. Warum darüber hinaus auch eine stationäre tägliche Versammlung des Antragstellers zu seinem Versammlungsthema zum Schutz der Rechtsgüter betroffener Dritter nicht zumutbar sein soll, ergibt sich aus der Begründung des angefochtenen Bescheids und den diesbezüglichen Stellungnahmen der Antragsgegnerin, aber auch aus den Gründen der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht in schlüssiger Weise.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO, weil die Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

1. Die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 15. Oktober 2010 - 3 L 1556/10 - und des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 15. Oktober 2010 - 3 B 307/10 - verletzen die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Artikel 8 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes.

2. Die Kostenentscheidungen der Beschlüsse werden aufgehoben. Das Verfahren wird insoweit an das Sächsische Oberverwaltungsgericht zur erneuten Entscheidung über die Kosten des Verfahrens zurückverwiesen.

3. ...

4. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die verwaltungsgerichtliche Versagung vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine versammlungsrechtliche Auflage.

I.

2

1. Die Beschwerdeführer meldeten Anfang September 2010 bei der Stadt L. ihr Vorhaben an, am 16. Oktober 2010 (von 12.00 Uhr bis 20.00 Uhr) in L. eine Versammlung unter freiem Himmel durchzuführen. Die geplante Versammlung sollte aus drei Aufzügen und einer Abschlusskundgebung in der Innenstadt von L. bestehen. Die Teilnehmerzahl wurde von den Beschwerdeführern bei der Anmeldung auf 600 Personen geschätzt. Das Motto der geplanten Versammlung lautete "Recht auf Zukunft". Es bezog sich auf eine am 17. Oktober 2009 in L. von der Beschwerdeführerin zu 4), einer Unterorganisation der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD), veranstaltete Versammlung, bei der es im Zusammenhang mit einer Versammlungsblockade durch Gegendemonstranten zu gewalttätigen Auseinandersetzungen und letztlich zu einer polizeilichen Auflösung der Versammlung kam.

3

Angesichts dieser Vorgeschichte und der Anmeldung von zahlreichen Gegendemonstrationen kam es zwischen der Anmeldung und der Durchführung der geplanten Versammlung zu umfangreichen Verhandlungen zwischen den Beschwerdeführern und der Stadt L., die unter anderem in Kooperationsgesprächen am 4., am 6. und am 13. Oktober 2010 eingehend die polizeilich sicherbare Anzahl der geplanten Aufzüge und die konkrete Streckenführung erörterten. In einer Gefährdungsanalyse am 4. Oktober 2010 bekundete die Polizeidirektion L. dabei laut den tatsächlichen Feststellungen des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts, dass der Schutz von zwei der angemeldeten Aufzüge mit den zur Verfügung stehenden Einsatzkräften gewährleistet werden könne. Am 11. Oktober 2010 teilte der Beschwerdeführer zu 1) der Stadt schließlich mit, dass am 16. Oktober 2010 nunmehr lediglich ein einziger Aufzug stattfinden solle. Am 12. Oktober 2010 ergänzte die Polizeidirektion L. ihre Gefahrprognose insofern, dass nunmehr nur eine maximal vierstündige stationäre Kundgebung durchführbar sei, weil nach den Erfahrungen des Versammlungsgeschehens vom 17. Oktober 2009 mit einer höheren als der angemeldeten Teilnehmerzahl zu rechnen sei und jeweils ca. 10 bis 20 % der Teilnehmer der angemeldeten Demonstration und der Gegendemonstrationen als gewaltbereit einzustufen seien.

4

2. Mit Bescheid vom 13. Oktober 2010 untersagte die Stadt L. die Durchführung der Versammlung als Aufzug, verfügte die Durchführung als stationäre Kundgebung in der Zeit von 13.00 Uhr bis 17.00 Uhr in einem Bereich am L. Hauptbahnhof und ordnete die sofortige Vollziehung dieser Auflage an. Die Polizeidirektion L. habe in ihrer Gefahrprognose vom 12. Oktober 2010 dargelegt, dass im Zeitraum vom 15. bis zum 17. Oktober 2010 aufgrund von zahlreichen Versammlungsanmeldungen widerstreitender politischer Lager eine latente Gefährdungssituation vorhanden sei, die einen außerordentlich hohen Kräfteeinsatz der Polizei erfordere. Es sei davon auszugehen, dass sich die Teilnehmer der Aufzüge bei Angriffen durch Personen der linksextremistischen Klientel provozieren ließen und darauf entsprechend reagierten. Die Polizei habe glaubhaft dargelegt, dass sie kräftetechnisch außerstande sei, einen Aufzug zu begleiten, da trotz bundesweiter Anfragen nur 29 der für erforderlich gehaltenen 44 Polizeihundertschaften, also nur 66 % der geplanten Polizeikräfte, zur Verfügung stünden. Die Ausübung der Versammlungsfreiheit werde trotz der Beschränkungen nicht vereitelt, da der zugewiesene Ort eine hinreichende Öffentlichkeitswirksamkeit und eine räumliche Trennung der gegensätzlichen politischen Lager gewährleiste.

5

3. Dagegen erhoben die Beschwerdeführer noch am gleichen Tag Widerspruch und stellten beim Verwaltungsgericht Leipzig die Anträge, die aufschiebende Wirkung ihrer Widersprüche gegen die Auflage, nur eine stationäre Kundgebung durchzuführen, wiederherzustellen sowie im Wege einer einstweiligen Anordnung ein Verbot sämtlicher Versammlungen in einem Umkreis von 300 m um die angemeldeten Aufzugstrecken anzuordnen. Das Verwaltungsgericht Leipzig lehnte die Eilanträge mit Beschluss vom 15. Oktober 2010 ab und begründete dies im Wesentlichen damit, dass der Bescheid vom 13. Oktober 2010 rechtmäßig sei und somit das öffentliche Interesse am Sofortvollzug des Bescheids die Interessen der Beschwerdeführer überwiege. Die Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens, die Stadt L., sei auf der Grundlage der Einschätzung der Polizeidirektion L. nachvollziehbar davon ausgegangen, dass infolge zahlreicher Gegenaktionen und -demonstrationen bei Durchführung des im Zuge der Kooperation der Beschwerdeführer zuletzt noch geplanten einzigen Aufzuges eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung bestehe. Bei der Vielzahl der angemeldeten und geplanten Veranstaltungen am 16.10.2010, unter anderem ein Fußballspiel, und in Anbetracht der beschriebenen begrenzten Kräftelage der Polizei sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit einhergehenden Personen- und Sachschäden zu rechnen, denen nur mit der Beschränkung auf eine stationäre Kundgebung begegnet werden könne. Dieser Gefahr könne in Anbetracht der besonderen Veranstaltungssituation am 16. Oktober 2010 auch nicht durch Maßnahmen gegen potentielle Störer begegnet werden.

6

4. Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts legten die Beschwerdeführer Beschwerde ein. Das Sächsische Oberverwaltungsgericht wies die Beschwerde mit Beschluss vom 15. Oktober 2010 zurück. Ob ein polizeilicher Notstand vorliege, sei im Rahmen der summarischen Prüfung nicht abschließend zu beurteilen. Der Einschätzung der Polizeidirektion lasse sich entnehmen, dass aufgrund des Versammlungsgeschehens im Vorjahr mit gewalttätigen Auseinandersetzungen einer Anzahl von 10 bis 20 % der Teilnehmer sowohl auf Seiten der Beschwerdeführer wie auf Seiten linker Demonstranten gerechnet werde. Zwar erschließe sich dem Gericht nicht, wodurch sich das Gefährdungspotential innerhalb kurzer Zeit so erhöht haben solle, dass statt der zwei Aufzüge, die die Polizeidirektion ursprünglich noch mit den zur Verfügung stehenden Einsatzkräften für sicherbar gehalten habe, nunmehr nur noch eine stationäre Kundgebung möglich sein solle. Wegen der fehlenden Überprüfungsmöglichkeit sei aufgrund einer Folgenabwägung zu entscheiden. Danach sei die Beschwerde zurückzuweisen, weil für den Antragsteller die mit der Durchführung einer nur stationären Kundgebung verbundenen Beeinträchtigungen hinnehmbar seien.

7

5. Die Beschwerdeführer beantragten sodann beim Bundesverfassungsgericht zunächst den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Diesen Antrag hat die Kammer aufgrund der besonderen Voraussetzungen der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes durch das Bundesverfassungsgericht abgelehnt, dabei jedoch zugleich auf die Möglichkeit der Klärung der aufgeworfenen Fragen in einem verfassungsgerichtlichen Hauptsachverfahren hingewiesen (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 16. Oktober 2010 - 1 BvQ 39/10 -, juris).

8

6. Hieraufhin erhoben die Beschwerdeführer gegen die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Leipzig und des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts fristgemäß Verfassungsbeschwerde mit der Rüge, durch die angegriffenen Entscheidungen in ihren Rechten aus Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG verletzt zu sein.

9

7. Das Bundesverfassungsgericht hat der Stadt L. als Gegnerin des Ausgangsverfahrens, dem Sächsischen Staatsministerium der Justiz und für Europa sowie der Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

10

Nach Auffassung des Rechtsamtes der Stadt L. liegen die Voraussetzungen für die Annahme der Verfassungsbeschwerde nicht vor. Das Sächsische Staatsministerium hat von einer Stellungnahme abgesehen. Die Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts hat eine Stellungnahme des unter anderem für das Versammlungsrecht zuständigen 6. Revisionssenats übersandt, in der dieser Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Entscheidungen äußert.

II.

11

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung von Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Fragen bereits entschieden (vgl. insbesondere BVerfGE 69, 315 <340 ff.>; 110, 77 <83 ff.>). Nach diesen Maßstäben ist die Verfassungsbeschwerde gegen die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Leipzig und des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts zulässig und begründet.

12

1. Der Zulässigkeit der Rüge der Verletzung des Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG steht weder der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde noch das Erfordernis eines Rechtsschutzinteresses entgegen.

13

a) Der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde verlangt die Erschöpfung des Rechtswegs in der Hauptsache nur, soweit die geltend gemachte Verletzung von Freiheitsrechten oder von Art. 19 Abs. 4 GG durch die Entscheidung der Gerichte in der Hauptsache noch ausgeräumt werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senat vom 21. April 1998 - 1 BvR 2311/94 -, NVwZ 1998, S. 834 <835>). Hier rügen die Beschwerdeführer allerdings gerade die Missachtung der Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG bei der Zurückweisung ihres Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz, die im Hauptsacheverfahren nicht mehr behandelt werden würde.

14

b) Auch ein Rechtsschutzbedürfnis der Beschwerdeführer besteht, obwohl der Demonstrationstermin verstrichen und damit der Sofortvollzug der strittigen Auflagen gegenstandslos geworden ist. Sind verfassungsrechtliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung nicht (mehr) zu klären, besteht ein Rechtsschutzbedürfnis auch nach Erledigung des ursprünglichen Begehrens im Falle einer Wiederholungsgefahr, also wenn ein Gericht die bereits herausgearbeiteten verfassungsrechtlichen Maßstäbe nicht beachtet hat und bei hinreichend bestimmter Gefahr einer gleichartigen Entscheidung bei gleichartiger Sach- und Rechtslage zu befürchten ist, dass es diese auch in Zukunft verkennt (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 21. April 1998 - 1 BvR 2311/94 -, NVwZ 1998, S. 834 <835>). Hier führten die Beschwerdeführer bereits konflikthafte Versammlungen in L. durch und planen auch in Zukunft die Durchführung von Versammlungen in L., bei denen sie mit ähnlichen Konfliktsituationen rechnen und gegebenenfalls gleichartige Entscheidungen des Verwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts befürchten müssten.

15

2. Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. Die angegriffenen Beschlüsse verletzen die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG.

16

a) Art. 8 Abs. 1 GG schützt die Freiheit, mit anderen Personen zum Zwecke einer gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung örtlich zusammen zu kommen (vgl. BVerfGE 104, 92 <104>; 128, 226 <250>). Als Freiheit zur kollektiven Meinungskundgabe, die auch und vor allem andersdenkenden Minderheiten zugutekommt, ist die Versammlungsfreiheit für eine freiheitlich demokratische Staatsordnung konstituierend (vgl. BVerfGE 69, 315 <344 f.>; 128, 226 <250>) und wird im Vertrauen auf die Kraft der freien öffentlichen Auseinandersetzung grundsätzlich auch den Gegnern der Freiheit gewährt (vgl. BVerfGE 124, 300 <320>). Damit die Bürger selbst entscheiden können, wann, wo und unter welchen Modalitäten sie ihr Anliegen am wirksamsten zur Geltung bringen können, gewährleistet Art. 8 Abs. 1 GG nicht nur die Freiheit, an einer öffentlichen Versammlung teilzunehmen oder ihr fern zu bleiben, sondern umfasst zugleich ein Selbstbestimmungsrecht über die Durchführung der Versammlung als Aufzug, die Auswahl des Ortes und die Bestimmung der sonstigen Modalitäten der Versammlung (vgl. BVerfGE 69, 315 <343> oder <355 ff.>; 128, 226 <250 f.>).

17

Beschränkungen der Versammlungsfreiheit bedürfen gemäß Art. 8 Abs. 2 GG zu ihrer Rechtfertigung einer gesetzlichen Grundlage (vgl. BVerfGE 69, 315 <350 f.>; BVerfGK 17, 303 <307>). Nach § 15 des Gesetzes über Versammlungen und Aufzüge (Versammlungsgesetz) vom 24. Juli 1953 in der Fassung vom 8. Dezember 2008 (BGBl I S. 2366; im Folgenden: VersG) kann die zuständige Behörde die Versammlung von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Danach kann im Einzelfall auch die Festlegung geboten sein, dass eine ursprünglich als Aufzug angemeldete Versammlung nur als ortsfeste Versammlung durchgeführt werden darf (vgl. BVerfGK 2, 1 <8>). Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Versammlungsfreiheit darf die Behörde allerdings auch bei dem Erlass von Auflagen keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose stellen. Als Grundlage der Gefahrenprognose sind konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich; bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen reichen hierzu nicht aus (BVerfGE 69, 315 <353 f.>; BVerfGK 17, 303 <307>). Ferner gilt, dass, soweit sich der Veranstalter und die Versammlungsteilnehmer grundsätzlich friedlich verhalten und Störungen der öffentlichen Sicherheit vorwiegend aufgrund des Verhaltens Dritter - insbesondere von Gegendemonstrationen - zu befürchten sind, die Durchführung der Versammlung zu schützen ist und behördliche Maßnahmen primär gegen die Störer zu richten sind (vgl. BVerfGE 69, 315 <360 f.>; BVerfGK 8, 79 <81>; BVerfG , Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 1. September 2000 - 1 BvQ 24/00, NVwZ 2000, S. 1406 <1407>). Gegen die friedliche Versammlung selbst kann dann nur unter den besonderen Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes eingeschritten werden (vgl. BVerfGE 69, 315 <360 f.>; BVerfGK 17, 303 <308>). Dies setzt voraus, dass die Versammlungsbehörde mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anderenfalls wegen der Erfüllung vorrangiger staatlicher Aufgaben und trotz des Bemühens, gegebenenfalls externe Polizeikräfte hinzuzuziehen, zum Schutz der von dem Antragsteller angemeldeten Versammlung nicht in der Lage wäre; eine pauschale Behauptung dieses Inhalts reicht allerdings nicht (vgl. BVerfGK 8, 79 <82>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 24. März 2001 - 1 BvQ 13/01 -, NJW 2001, S. 2069 <2072>). Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Gründen für ein Verbot oder eine Auflage liegt grundsätzlich bei der Behörde (vgl. BVerfGK 17, 303 <308>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 4. September 2009 - 1 BvR 2147/09 -, NJW 2010, S. 141 <142>).

18

b) Art. 19 Abs. 4 GG garantiert einen effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 67, 43 <58>; 96, 27 <39>). Im Verfahren auf Wiederherstellung oder Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs, das für den Regelfall sicherstellt, dass die Verwaltungsbehörden keine irreparablen Maßnahmen durchführen, bevor die Gerichte deren Rechtmäßigkeit geprüft haben, ist der Rechtsschutzanspruch des Bürgers umso stärker, je schwerwiegender die ihm auferlegte Belastung wiegt und je mehr die Maßnahmen der Verwaltung Unabänderliches bewirken (vgl. BVerfGE 35, 382 <401 f.>; 69, 315 <363>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senat vom 21. April 1998 - 1 BvR 2311/94 -, NVwZ 1998, S. 834 <835>). Insbesondere im Bereich des Versammlungsrechts muss das verwaltungsgerichtliche Eilverfahren angesichts der Zeitgebundenheit von Versammlungen zum Teil Schutzfunktionen übernehmen, die sonst das Hauptsacheverfahren erfüllt (vgl. BVerfGE 69, 315 <363 f.>; 110, 77 <87>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senat vom 23. März 2004 - 1 BvR 745/01 -, juris, Rn. 13). Die einstweilige Anordnung im verfassungsgerichtlichen Verfahren als außerhalb der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG liegender Rechtsbehelf kann die primäre Rechtsschutzfunktion der Fachgerichte ebenfalls nicht übernehmen. Angesichts der Aufgaben des Bundesverfassungsgerichts und im Hinblick auf die weitreichenden Folgen, die eine einstweilige Anordnung auslösen kann, ist hierbei zudem ein strenger, von den verwaltungsgerichtlichen Kriterien grundsätzlich unterschiedener Maßstab anzulegen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senat vom 16. Oktober 2010 - 1 BvQ 39/10 -, juris, Rn. 4). Daher müssen die Verwaltungsgerichte zum Schutz von Versammlungen, die auf einen einmaligen Anlass bezogen sind, schon im Eilverfahren durch eine intensivere Prüfung dem Umstand Rechnung tragen, dass der Sofortvollzug der umstrittenen Maßnahme in der Regel zur endgültigen Verhinderung der Versammlung in der beabsichtigten Form führt. Soweit möglich, ist als Grundlage der gebotenen Interessenabwägung die Rechtmäßigkeit der Maßnahme in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht nicht nur summarisch zu prüfen (vgl. BVerfGE 69, 315 <363 f.>; 110, 77 <87>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senat vom 21. April 1998 - 1 BvR 2311/94 -, NVwZ 1998, S. 834 <835>). Sofern dies nicht möglich ist, haben die Fachgerichte jedenfalls eine sorgfältige Folgenabwägung vorzunehmen und diese hinreichend substantiiert zu begründen, da ansonsten eine Umgehung der beschriebenen strengen Voraussetzungen für Beschränkungen der Versammlungsfreiheit möglich erschiene.

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3. Diese Maßstäbe haben das Verwaltungsgericht Leipzig und das Sächsische Oberverwaltungsgericht bei den ihnen obliegenden Entscheidungen über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht hinreichend berücksichtigt. Beide Entscheidungen werden den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG im Hinblick auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen versammlungsbeschränkende behördliche Maßnahmen nicht gerecht.

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a) Die vom Verwaltungsgericht Leipzig herangezogenen Umstände sind nicht geeignet, die Annahme einer von der Versammlung selbst ausgehenden unmittelbaren Gefährdung für die öffentliche Sicherheit zu tragen, die die Verhinderung der Versammlung in Form eines Aufzugs hätte rechtfertigen können. Das Verwaltungsgericht legt insofern bereits nicht hinreichend deutlich dar, ob seiner Auffassung nach auch von der Versammlung selbst eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht oder diese Gefahr ausschließlich aufgrund der zahlreichen Gegendemonstrationen und den hieraus zu erwartenden Störungen der Versammlung besteht. Dass das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung zur Begründung seines Standpunktes im Wesentlichen lediglich auf die Einschätzung der Polizeidirektion L., die ohne nähere Erläuterung 10 bis 20 % der Teilnehmer der angemeldeten Demonstration dem gewaltbereiten Klientel zurechnete, verweist, genügt den Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG insofern jedenfalls nicht.

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Auch im Hinblick auf eine Inanspruchnahme der Veranstalter als Nichtstörer im Wege des polizeilichen Notstandes genügen die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts den Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG nicht. Das Verwaltungsgericht weist insofern zur Begründung des Vorliegens einer nicht durch Maßnahmen gegen potentielle Störer abwendbaren Gefahr, insbesondere auf die besondere Veranstaltungssituation am 16. Oktober 2010 und die deswegen nur begrenzt zur Verfügung stehenden Polizeikräfte, hin und beruft sich dabei pauschal auf die Einschätzung der Polizeidirektion L. vom 13. Oktober 2010. Berücksichtigt man aber den Umstand, dass die Polizeidirektion in ihrer Gefährdungsanalyse vom 4. Oktober 2010 offenbar noch zwei der angemeldeten Aufzüge mit den ihr voraussichtlich zur Verfügung stehenden Kräften für sicherbar hielt, erfüllt diese pauschale Bezugnahme auf die Einschätzung der Polizeidirektion vom 13. Oktober 2010 nicht die den Anforderungen an die entsprechend obigen Maßstäben bereits im Eilverfahren gebotene intensivere Rechtmäßigkeitsprüfung. Vielmehr hätte die kurzfristige Änderung der polizeilichen Einschätzung, die sich nicht ohne weiteres erschließt, das Verwaltungsgericht zu einer substantiierteren Prüfung der veränderten polizeilichen Einschätzung und zur Nachfrage einer genaueren Begründung ihrer Entscheidung veranlassen müssen. Dass dies vorliegend aus zeitlichen Gründen nicht möglich gewesen wäre, ist nicht erkennbar. Auch im Übrigen hätte es dezidierterer Feststellungen bedurft, aufgrund welcher konkreter Gefahren für die öffentliche Sicherheit und aufgrund welcher konkreter, vorrangig zu schützender sonstiger Veranstaltungen keine ausreichenden Polizeikräfte mehr zum Schutz der angemeldeten Versammlung und der Rechtsgüter Dritter zur Verfügung gestanden hätten. Die behauptete Bindung von Polizeikräften durch die zeitgleich stattfindenden Gegendemonstrationen kann nach obigen Maßstäben jedenfalls nicht ohne weiteres als hinreichendes Argument dafür herangezogen werden. Auch die Bindung von Polizeikräften aufgrund eines parallel stattfindenden Fußballspiels und sonstiger Veranstaltungen, deren vorrangige Schutzwürdigkeit sich nicht ohne weiteres erschließt, reicht hierfür nicht aus.

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b) Die angegriffene Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts hält den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG ebenfalls nicht stand. Zwar hat das Sächsische Oberverwaltungsgericht deutliche Bedenken am Vorliegen der Voraussetzungen eines für die Rechtfertigung der versammlungsrechtlichen Auflage erforderlichen polizeilichen Notstandes geäußert und nachvollziehbar dargelegt, dass sich ihm nicht erschließe, wodurch sich das Gefährdungspotential innerhalb des kurzen Zeitraumes zwischen der Gefährdungsanalyse der Polizeidirektion L. vom 4. Oktober 2010 und dem Erlass der Auflage am 13. Oktober 2010 so erhöht haben soll, dass statt der zwei Aufzüge, die ursprünglich noch mit den zur Verfügung stehenden Einsatzkräften für sicherbar gehalten wurden, nunmehr nur noch eine stationäre Kundgebung möglich sein solle. Auch erscheint es nachvollziehbar, dass dem Sächsischen Oberverwaltungsgericht in der Kürze der ihm zur Verfügung stehenden Zeit die Vornahme der hier grundsätzlich gebotenen und soweit als möglich nicht lediglich summarischen Rechtmäßigkeitskontrolle der behördlichen Auflage nicht mehr möglich war. Allerdings hätte es dem Sächsischen Oberverwaltungsgericht in dieser Konstellation, um der Freiheitsvermutung zugunsten der Versammlungsfreiheit zumindest in der Sache Rechnung zu tragen, oblegen, eine besonders sorgfältige Folgenabwägung vorzunehmen und diese in der Begründung seiner Entscheidung hinreichend offenzulegen. Vorliegend hat sich das Sächsische Oberverwaltungsgericht in der Begründung seiner Entscheidung jedoch im Wesentlichen darauf beschränkt, auf die vermeintlich geringe Beeinträchtigung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit hinzuweisen, ohne auch nur ansatzweise ausreichend auf das Bestehen einer die Beeinträchtigung der Versammlungsfreiheit überwiegenden potentiellen Beeinträchtigung anderer Rechtsgüter einzugehen.

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4. Demgemäß ist festzustellen, dass sowohl der angegriffene Beschluss des Verwaltungsgerichts Leipzig als auch der angegriffene Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG verletzen. Einer Aufhebung der Entscheidungen und Zurückverweisung zur erneuten Entscheidung bedarf es darüberhinausgehend nur bezüglich der Kostenentscheidungen, da in der Sache selbst Erledigung eingetreten ist (vgl. Schemmer, in: Umbach/Clemens/Dollinger, 2. Aufl. 2005, BVerfGG, § 93c Rn. 33).

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5. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.