Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 05. Juni 2018 - 2 L 83/16

bei uns veröffentlicht am05.06.2018

Gründe

I.

1

Die Klägerin begehrt die Erteilung eines Bauvorbescheids für die Erweiterung eines Einzelhandelsgeschäfts (A-Markt) auf dem Grundstück C-Straße in Magdeburg mit einer Verkaufsfläche von derzeit 799,5 m² um ca. 200 m².

2

Das Grundstück der Klägerin liegt im räumlichen Geltungsbereich des einfachen Bebauungsplans der Beklagten Nr. 313-1 „C-Straße/Westring“, der am 07.05.2015 vom Stadtrat der Beklagten beschlossen und am 12.06.2015 im Amtsblatt für die Landeshauptstadt Magdeburg veröffentlicht wurde. Der Bebauungsplan enthält Festsetzungen für die Bereiche 1 und 2. Gemäß § 1 der textlichen Festsetzungen sind im Bereich 1 Einzelhandelseinrichtungen mit zentrenrelevanten Hauptsortimenten gemäß § 9 Abs. 2a BauGB ausgeschlossen. Ausnahmen vom Ausschluss des zentrenrelevanten Einzelhandels sind zulässig für kleinflächige Einzelhandelsbetriebe im Sinne des „Magdeburger Ladens“ mit einer Größe der Verkaufsfläche von maximal 100 m². Gemäß § 2 ist der im Bereich 2 (C-Straße) vorhandene genehmigte Einzelhandelsbetrieb (Lebensmittelmarkt) über den reinen Bestandsschutz hinaus bis zu einer Verkaufsfläche von maximal 800 m² als nicht integrierter Standort gesichert.

3

Mit Bescheid vom 22.07.2015 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Erteilung eines Vorbescheids ab und führte zur Begründung aus, das Grundstück der Klägerin befinde sich im Bereich 2 des Bebauungsplans Nr. 313-1 „C-Straße/Westring“. Die geplante Erweiterung des A-Marktes widerspreche § 2 der textlichen Festsetzungen.

4

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 12.04.2016 – 4 A 148/14 MD – die auf Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung des beantragten Vorbescheids gerichtete Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Bebauungsplans Nr. 313-1 sei formell und materiell rechtmäßig. Er sei hinreichend bestimmt. Für den Bereich 2, der allein das Grundstück der Klägerin umfasse, lasse sich ihm entnehmen, dass dort der vorhandene Einzelhandelsbetrieb auf einer Fläche von maximal 800 m² weiter betrieben werden könne. Der Ausschluss für zentrenrelevanten Handel, den der Bebauungsplan für den Bereich 1 regele, gelte insoweit nicht. Damit sei zugleich verbunden, dass Einzelhandelsmärkte mit einer größeren Verkaufsfläche als 800 m² nicht erlaubt seien. Auch die Formulierung, der Betrieb sei "über den reinen Bestandsschutz hinaus … gesichert", sei nicht zu unbestimmt. Die Formulierung lasse die Auslegung zu, dass auch ein Abriss und Neubau, Änderungen und Erneuerungen zulässig sein könnten. Auch der Begriff "nicht integrierter Standort" mache die Bestimmung nicht zu unbestimmt. Der Bebauungsplan leide auch nicht an anderen materiell-rechtlichen Mängeln. Die Festsetzungen entsprächen § 9 Abs. 2a BauGB. Die Beklagte berücksichtige ein hierauf gerichtetes städtebauliches Entwicklungskonzept, nämlich das Magdeburger Märktekonzept 2007, das Aussagen über zentrale Versorgungsbereiche enthalte. Rechtliche Bedenken seien insoweit weder vorgetragen noch ersichtlich. Auch ein nach § 214 BauGB beachtlicher Mangel, insbesondere ein Abwägungsmangel, liege nicht vor. Eine Abwägung habe stattgefunden. Die Beklagte habe den zugrunde zu legenden Sachverhalt auch zutreffend ermittelt. Es sei nicht ersichtlich, dass das klägerische Grundstück mit den mit Einzelhandelsbetrieben bebauten Grundstücken in Stadtfeld Ost ein Zentrum bilde. Das Gericht sei vielmehr aufgrund des von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Lichtbildes der Ansicht, dass der zwischen dem Grundstück der Klägerin und den anderen Einzelhandelsbetrieben befindliche Europaring trennende Wirkung habe. Die Beklagte habe auch die Interessen der Klägerin an der Erhaltung des Standortes hinreichend berücksichtigt. Sie habe erwogen, ob eine Erweiterung grundsätzlich möglich sei, dies aber ausgeschlossen, weil sich der Markt aufgrund des mangelnden selbständigen und ausreichend großen Einzugsbereiches nicht als Nahversorgungszentrum entwickeln solle. Dabei habe sie nicht berücksichtigen müssen, dass die Klägerin eine Analyse vorgelegt habe, aus der sich ergebe, dass eine Erweiterung des Marktes um 200 m² keine negativen Auswirkungen habe. Denn es sei nicht notwendig, Einzelwünsche konkreter Art in die Abwägung einzubeziehen, selbst wenn diese bereits bekannt seien. Es genüge, dass die Beklagte die Zulässigkeit großflächiger Handelsbetriebe allgemein erwogen, im Ergebnis aber generell ausgeschlossen habe.

II.

5

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

6

1. Die von der Klägerin geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen nicht vor. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines verwaltungsgerichtlichen Urteils liegen vor, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 09.06.2016 – 1 BvR 2453/12 –, juris RdNr. 16). Entscheidend ist, ob Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses des Verwaltungsgerichts begründet sind (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.03.2004 – 7 AV 4.03 –, juris RdNr. 9). Das ist vorliegend nicht der Fall.

7

a) Soweit das Verwaltungsgericht angenommen hat, die textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans für den Bereich 2 seien dahin auszulegen, dass Einzelhandelsmärkte mit einer größeren Verkaufsfläche als 800 m² nicht erlaubt seien, begegnet dies keinen ernstlichen Zweifeln. Für diese Auslegung spricht eine Zusammenschau der textlichen Festsetzungen für die Bereiche 1 und 2. Bei verständiger Würdigung enthält der in § 1 enthaltene Ausschluss von Einzelhandelseinrichtungen mit zentrenrelevanten Hauptsortimenten den für den gesamten räumlichen Geltungsbereich des Bebauungsplans geltenden Grundsatz, von dem in § 1 Abs. 3 Ausnahmen für kleinflächige Einzelhandelsbetriebe zugelassen werden und von dem der Sache nach auch in § 2 eine weitere Ausnahme für den im Bereich 2 vorhandenen Einzelhandelsbetrieb (Lebensmittelmarkt) zugelassen wird. Der Ansatz der Klägerin, die in § 2 enthaltene Festsetzung isoliert in den Blick zu nehmen, kann demgegenüber nicht überzeugen, da sie den Zweck des Bebauungsplans, der auch in der Begründung zum Ausdruck kommt, außer Acht lässt. Dieser besteht darin, den bestehenden Nahversorgungsbereich S-Straße/B-Platz und das Stadtteilzentrum Stadtfeld West durch Beschränkungen der Ansiedlung von weiteren Einzelhandelseinrichtungen mit zentrenrelevanten Sortimenten zu sichern. Vor diesem Hintergrund geht die teleologische Auslegung der Festsetzung des § 2 dahin, dass im Bereich 2 lediglich ein Einzelhandelsbetrieb (Lebensmittelmarkt) bis zu einer Verkaufsfläche von maximal 800 m² zulässig sein soll.

8

b) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ergeben sich auch nicht daraus, dass das Verwaltungsgericht die Formulierung, der Betrieb sei "über den reinen Bestandsschutz hinaus … gesichert", für hinreichend bestimmt gehalten hat. Zu Unrecht macht die Klägerin geltend, diese Formulierung sei völlig deutungsoffen. Auch unterwirft sie die Klägerin nicht einer potenziell willkürlichen Handhabung des Plans. Aus der Festsetzung des § 2 geht vielmehr hinreichend deutlich hervor, dass im Bereich 2 die Errichtung und der Betrieb eines Einzelhandelsbetriebs (Lebensmittelmarkt) bis zu einer Verkaufsfläche von maximal 800 m² zulässig ist und dass es hierfür nicht darauf ankommt, ob und inwiefern der bereits bestehende Markt Bestandsschutz genießt.

9

c) Entgegen der Ansicht der Klägerin liegen auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils vor, soweit das Verwaltungsgericht angenommen hat, es liege kein Abwägungsmangel vor.

10

aa) Zu Unrecht wirft die Klägerin dem Verwaltungsgericht vor, es habe den Gesichtspunkt der veralteten Datenbasis in seinem Urteil nicht abgehandelt. Die Klägerin macht unter Berufung auf die von ihr vorgelegte Analyse der (D) Handelsberatung GmbH zu den städtebaulichen Auswirkungen der Erweiterung eines Lebensmittelmarktes am Standort C-Straße in Magdeburg vom 06.02.2014 (BA D Bl. 82 ff.) geltend, das Magdeburger Märktekonzept 2007 beruhe auf überholtem empirischen Material, da es davon ausgehe, dass der Standort C-Straße außerhalb des Stadtteilzentrums C-Straße (Stadtfeld Ost) liege. Tatsächlich seien infolge zwischenzeitlicher Marktentwicklungen faktische Funktionsübernahme und planerische Abgrenzung der zentralen Versorgungsbereiche nicht mehr deckungsgleich. Der A-Standort sei, ebenso wie die weiteren Fachgeschäfte westlich des Kreuzungsbereichs C-Straße/Westring, Teil des faktischen Stadtteilzentrums, das sich entlang der C-Straße vom G-Weg im Westen bis zur S-Straße im Osten erstrecke. Der Kreuzungsbereich stelle mit seinen Haltestellen für Straßenbahnen und Bus kein trennendes, sondern vielmehr ein verbindendes Element dar (BA D Bl. 116 f.). Hiermit hat sich das Verwaltungsgericht im Urteil befasst. Es hat ausgeführt, dass nicht ersichtlich sei, dass das klägerische Grundstück mit den mit Einzelhandelsbetrieben bebauten Grundstücken in Stadtfeld Ost ein Zentrum bilde. Es sei vielmehr aufgrund des von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Lichtbildes der Ansicht, dass der zwischen dem Grundstück der Klägerin und den anderen Einzelhandelsbetrieben befindliche Europaring trennende Wirkung habe (UA S. 10). Damit hat sich das Verwaltungsgericht der Sache nach mit der in der Auswirkungsanalyse der (D) Handelsberatung GmbH vom 06.02.2014 vertretenen Auffassung, der A-Standort sei Teil des faktischen Stadtteilzentrums entlang der C-Straße, auseinandergesetzt.

11

bb) Entgegen der Ansicht der Klägerin liegt auch kein Abwägungsdefizit vor, weil die Sachargumente der (D) von der Beklagten in der Abwägung zum Bebauungsplan nicht zur Kenntnis genommen worden seien. Das trifft nicht zu. Der Stadtrat der Beklagten hat in seiner Sitzung vom 07.05.2015 die von der Stadtverwaltung vorbereitete Abwägung gebilligt (BA D Bl. 138). Hierin wurde auf die Stellungname der Klägerin vom 17.02.2015 und das vorgelegte (D)-Gutachten eingegangen (BA D Bl. 131 ff.).

12

Der Klägerin ist auch nicht zu folgen, soweit sie meint, es liege eine Abwägungsfehleinschätzung vor, weil die Beklagte sich mit dem (D)-Gutachten hätte auseinandersetzen müssen und nicht einfach nur auf die räumliche Zentrenabgrenzung gemäß Magdeburger Märktekonzept habe abstellen dürfen. Wie bereits dargelegt, hat sich die Beklagte im Rahmen ihrer Abwägung nicht allein auf die in dem Magdeburger Märktekonzept vorgenommene Abgrenzung des Stadtteilzentrums C-Straße in Stadtfeld Ost sowie des Nahversorgungsbereichs B-Platz/S-Straße in Stadtfeld West gestützt. Sie hat sich vielmehr auch mit der Frage auseinandergesetzt, welche Grenzen der Nahversorgungsbereich und das Stadtteilzentrum tatsächlich haben. Im Ergebnis hat die Beklagte plausibel eingeschätzt, dass der Westring bzw. Europaring eine eindeutige Zäsur zwischen den Stadtteilen Stadtfeld Ost und Stadtfeld West darstelle. Der Nahversorgungsbereich C-Straße ende hier und somit sei der Standort C-Straße kein Bestandteil des Nahversorgungsbereiches und werde es auch nicht werden (BA D Bl. 132 f.).

13

Da der von der Klägerin gerügte Abwägungsmangel nicht vorliegt, stellt sich die Frage, ob dieser auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen ist (§ 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB), nicht.

14

Auf den von der Klägerin angesprochene Gesichtspunkt, die Erwähnung der Trennung ihres Grundstücks von dem Zentrum in der Entscheidung des Verwaltungsgerichts sei nicht geeignet, einen Abwägungsfehler der Beklagten zu beseitigen, kommt es ebenfalls nicht an, da es insoweit an einem Abwägungsfehler fehlt.

15

cc) Es liegen im Ergebnis auch nicht deshalb ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils vor, weil das Verwaltungsgericht angenommen hat, konkrete Erweiterungswünsche der Klägerin müssten bei der Abwägung keine Berücksichtigung finden.

16

Zwar widerspricht diese Rechtsauffassung der Rechtsprechung des Senats. Die Klägerin macht im Ansatz zu Recht geltend, dass ihr Erweiterungsinteresse bei den Festsetzungen für den Bereich 2 zu berücksichtigen gewesen sei.

17

Das Gebot des § 1 Abs. 7 BauGB, die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen, ist verletzt, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattgefunden hat oder in sie Belange nicht eingestellt worden sind, die nach Lage der Dinge in sie hätten eingestellt werden müssen. Es ist ferner verletzt, wenn die Bedeutung der betroffenen privaten oder öffentlichen Belange verkannt oder der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen ist, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens ist dem Abwägungsgebot genügt, wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.07.1974 – 4 C 50.72 –, juris RdNr. 45; Urt. v. 01.11.1974 – 4 C 38.71 –, juris RdNr. 21). Maßgeblich ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses (§ 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB). Die Vorschrift des § 2 Abs. 3 BauGB, der bestimmt, dass bei der Aufstellung von Bauleitplänen die Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind (Abwägungsmaterial) zu ermitteln und zu bewerten sind, stellt keine neuen Anforderungen an das Verfahren bei Aufstellung eines Bebauungsplans; inhaltlich entspricht die Vorschrift der bisherigen, sich aus dem Abwägungsgebot ergebenden Rechtslage, nach der die Berücksichtigung aller bedeutsamen Belange in der Abwägung zunächst deren ordnungsgemäße Ermittlung und zutreffende Bewertung voraussetzt (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.04.2008 – 4 CN 1.07 –, juris RdNr. 18).

18

Werden vorhandene Nutzungen auf den bloßen passiven Bestandsschutz gesetzt, ist regelmäßig zu prüfen, ob ihnen im Interesse einer Erhaltung der Nutzungsmöglichkeiten des privaten Eigentums in gewissem Umfang Möglichkeiten zu ihrer weiteren Entwicklung einzuräumen sind. Denn die Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG fordert, dass in erster Linie Vorkehrungen getroffen werden, die eine unverhältnismäßige Belastung des Eigentümers real vermeiden und die Privatnützigkeit des Eigentums so weit wie möglich erhalten. Dabei ist in die Abwägung einzustellen, dass sich der Entzug baulicher Nutzungsmöglichkeiten für den Betroffenen wie eine Teilenteignung auswirken und dass dem Bestandsschutz daher ein den von Art. 14 Abs. 3 GG erfassten Fällen vergleichbares Gewicht zukommen kann. Bei einem Einsatz des Planungsinstruments des § 9 Abs. 2a BauGB kommt es insoweit in Betracht, vorhandenen Nutzungen durch räumlich begrenzte Sonderregelungen für ihren Standort auch für die Zukunft Entwicklungsmöglichkeiten zuzugestehen. Dass eine Absicherung vorhandener, künftig unzulässiger Nutzungen möglich ist, bedeutet aber nicht, dass dies auch regelmäßig zu erfolgen hat. Eine Gemeinde kann im Grundsatz die vorhandene Nutzung "festschreiben", um die mit Erweiterungen verbundenen Auswirkungen – etwa auf die Funktionsfähigkeit zentraler Versorgungsbereiche – zu verhindern. Ob eine derartige Festsetzung abwägungsfehlerfrei ist und ob dabei der Schutz des Eigentums seiner Bedeutung entsprechend gewichtet ist, entzieht sich einer generellen Aussage. Maßgeblich ist, ob im konkreten Fall gewichtige, der Bestandsgarantie des Eigentums entgegenzuhaltende städtebauliche Gründe vorliegen, die die Zurücksetzung der privaten Belange des auf den passiven Bestandsschutz gesetzten Grundstückseigentümers rechtfertigen (vgl. Urt. d. Senats v. 21.09.2016 – 2 K 113/14 –, juris RdNr. 66; OVG NW, Urt. v. 30.10.2015 – 7 A 2621/13 –, juris RdNr. 57 ff.; SächsOVG, Urt. v. 09.02.2016 – 1 A 415/13 –, a.a.O. RdNr. 79).

19

Gemessen daran führt der fehlerhafte Ausgangspunkt des Verwaltungsgerichts nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des Urteils, weil das Verwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht angenommen hat, dass kein Abwägungsmangel vorliegt. Die Beklagte hat in der Begründung der Festsetzungen für den Bereich 2 ausgeführt, der dort bereits genehmigte Einzelhandelsbetrieb (A) habe sich an dem Standort C-Straße etabliert und diene vorwiegend der Nahversorgung des nördlichen Bereichs des Plangebietes. Aufgrund der Größe des Planungsbereiches, der Wohndichte und der Gesamtzahl der zu versorgenden Einwohner des Stadtteils Stadtfeld West werde davon ausgegangen, dass dieser Standort über den reinen Bestandsschutz hinaus bestehen bleiben könne. Dieser weise allerdings nicht den Status eines Nahversorgungszentrums auf und solle sich aufgrund des mangelnden selbständigen und ausreichend großen Einzugsgebiets auch nicht als Nahversorgungszentrum entwickeln. Der Bereich werde somit in seiner derzeitigen Lage und Größe bis zu einer Verkaufsfläche von maximal 800 m² als nicht integrierter Inselstandort gesichert. Damit hat die Beklagte die Belange der Klägerin, die durch die Überplanung im Wesentlichen auf den passiven Bestandsschutz gesetzt wird, erkannt und in die planerische Abwägung eingestellt. Eine Fehlgewichtung ist nicht erkennbar. Insbesondere hat die Beklagte plausibel dargelegt, dass der Bereich 2 kein Nahversorgungsbereich sei und sich zum Schutz des vorhandenen Nahversorgungsbereichs B-Platz/S-Straße auch nicht zu einem solchen entwickeln solle, sondern nur als nicht integrierter Inselstandort fortbestehen könne. Im Hinblick auf die nachvollziehbar dargelegte Gefährdung der Nahversorgungsbereichs B-Platz/S-Straße lag es im planerischen Gestaltungsermessen der Beklagten, in Übereinstimmung mit dem Magdeburger Märktekonzept die Errichtung und den Betrieb eines im Bereich 2 liegenden Einzelhandelsbetriebs (Lebensmittelmarkt) nur bis zur Schwelle der Großflächigkeit von 800 m² zuzulassen und im Übrigen zugunsten der zu schützenden zentralen Versorgungsbereiche auszuschließen.

20

Auf die Frage, ob sich im Fall der Unwirksamkeit der Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 313-1 die Zulässigkeit des Vorhabens der Klägerin aus § 34 BauGB ergibt, kommt es vor diesem Hintergrund nicht mehr an.

21

dd) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ergeben sich auch nicht aus dem von der Klägerin mit ihrem Schriftsatz vom 27.07.2017 vorgetragenen Umstand, dass im Rahmen der Abwägung für den verfahrensgegenständlichen Bebauungsplan nicht berücksichtigt worden sei, dass der Vorhabenstandort im Innenstadt-Entwicklungskonzept der Beklagten (GA Bl. 178) als Stadtteilzentrum gekennzeichnet sei. Dieser Umstand ist für die rechtliche Überprüfung der Abwägung ohne Belang. Maßgeblich für die Abwägung ist gemäß § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses. Dieser erfolgte am 07.05.2015. Das Integrierte Stadtentwicklungskonzept (ISEK) der Landeshauptstadt Magdeburg wurde nach den Angaben der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 17.10.2017 hingegen erst am 08.06.2017 beschlossen, so dass es im Zeitpunkt der Abwägung noch keine Berücksichtigung finden konnte.

22

2. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache dann, wenn sich darin eine entscheidungserhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage von über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung stellt, die bisher in der Rechtsprechung noch nicht geklärt ist und daher im Interesse der Einheit, der Fortbildung oder der einheitlichen Auslegung und Anwendung des Rechts der Klärung durch das Rechtsmittelgericht bedarf (vgl. BayVGH, Beschl. v. 16.05.2012 – 10 ZB 11.2512 –, juris RdNr. 12). Gemessen daran hat die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob konkret bekundete Erweiterungsinteressen in die Abwägung einzustellen sind oder nicht, keine grundsätzliche Bedeutung, denn sie ist nicht entscheidungserheblich. Die konkreten Erweiterungsinteressen der Klägerin wurden – wie bereits ausgeführt – von der Beklagten im Rahmen der Abwägung hinreichend berücksichtigt.

23

3. Die Berufung ist auch nicht wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten weist die Rechtssache dann auf, wenn sie wegen einer erheblich über dem Durchschnitt liegenden Komplexität des Verfahrens oder aufgrund der zugrunde liegenden Rechtsmaterie in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht größere, also das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht, mithin signifikant vom Spektrum der in verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu entscheidenden Streitsachen abweicht (vgl. OVG LSA, Beschl. v. 04.11.2016 – 3 L 162/16 –, juris RdNr. 75). Das ist hier nicht der Fall. Die im vorliegenden Fall vorzunehmende Auslegung des Bebauungsplans sowie die Klärung der Bestimmtheit der Festsetzungen verleiht der Rechtssache keine über den durchschnittlichen Schwierigkeiten liegende Komplexität, sondern liegt innerhalb des üblichen Spektrums verwaltungsgerichtlicher Streitverfahren. Das gilt auch für die Frage der Aktualität der Datenbasis des Einzelhandelskonzepts der Beklagten, insbesondere für die Frage, ob deren Zentrenabgrenzung im Zeitpunkt der Abwägungsentscheidung noch ausreichend tragfähig war. Die Antwort auf diese Fragen hängt davon ab, ob der zwischen dem Grundstück der Klägerin in Stadtfeld West und dem Stadtteilzentrum C-Straße in Stadtfeld Ost liegende Europaring bzw. Westring trennende oder verbindende Wirkung hat. Auch die Klärung dieser Frage bereitet keine überdurchschnittlichen Schwierigkeiten.

24

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

25

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.

26

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).


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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 152


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(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt. (2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. (3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der All

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(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und di

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Baugesetzbuch - BBauG | § 9 Inhalt des Bebauungsplans


(1) Im Bebauungsplan können aus städtebaulichen Gründen festgesetzt werden: 1. die Art und das Maß der baulichen Nutzung;2. die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen;2a. vom

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Baugesetzbuch - BBauG | § 2 Aufstellung der Bauleitpläne


(1) Die Bauleitpläne sind von der Gemeinde in eigener Verantwortung aufzustellen. Der Beschluss, einen Bauleitplan aufzustellen, ist ortsüblich bekannt zu machen. (2) Die Bauleitpläne benachbarter Gemeinden sind aufeinander abzustimmen. Dabei können

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(1) Im Bebauungsplan können aus städtebaulichen Gründen festgesetzt werden:

1.
die Art und das Maß der baulichen Nutzung;
2.
die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen;
2a.
vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen;
3.
für die Größe, Breite und Tiefe der Baugrundstücke Mindestmaße und aus Gründen des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden für Wohnbaugrundstücke auch Höchstmaße;
4.
die Flächen für Nebenanlagen, die auf Grund anderer Vorschriften für die Nutzung von Grundstücken erforderlich sind, wie Spiel-, Freizeit- und Erholungsflächen sowie die Flächen für Stellplätze und Garagen mit ihren Einfahrten;
5.
die Flächen für den Gemeinbedarf sowie für Sport- und Spielanlagen;
6.
die höchstzulässige Zahl der Wohnungen in Wohngebäuden;
7.
die Flächen, auf denen ganz oder teilweise nur Wohngebäude, die mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung gefördert werden könnten, errichtet werden dürfen;
8.
einzelne Flächen, auf denen ganz oder teilweise nur Wohngebäude errichtet werden dürfen, die für Personengruppen mit besonderem Wohnbedarf bestimmt sind;
9.
der besondere Nutzungszweck von Flächen;
10.
die Flächen, die von der Bebauung freizuhalten sind, und ihre Nutzung;
11.
die Verkehrsflächen sowie Verkehrsflächen besonderer Zweckbestimmung, wie Fußgängerbereiche, Flächen für das Parken von Fahrzeugen, Flächen für Ladeinfrastruktur elektrisch betriebener Fahrzeuge, Flächen für das Abstellen von Fahrrädern sowie den Anschluss anderer Flächen an die Verkehrsflächen; die Flächen können auch als öffentliche oder private Flächen festgesetzt werden;
12.
die Versorgungsflächen, einschließlich der Flächen für Anlagen und Einrichtungen zur dezentralen und zentralen Erzeugung, Verteilung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung;
13.
die Führung von oberirdischen oder unterirdischen Versorgungsanlagen und -leitungen;
14.
die Flächen für die Abfall- und Abwasserbeseitigung, einschließlich der Rückhaltung und Versickerung von Niederschlagswasser, sowie für Ablagerungen;
15.
die öffentlichen und privaten Grünflächen, wie Parkanlagen, Naturerfahrungsräume, Dauerkleingärten, Sport-, Spiel-, Zelt- und Badeplätze, Friedhöfe;
16.
a)
die Wasserflächen und die Flächen für die Wasserwirtschaft,
b)
die Flächen für Hochwasserschutzanlagen und für die Regelung des Wasserabflusses,
c)
Gebiete, in denen bei der Errichtung baulicher Anlagen bestimmte bauliche oder technische Maßnahmen getroffen werden müssen, die der Vermeidung oder Verringerung von Hochwasserschäden einschließlich Schäden durch Starkregen dienen, sowie die Art dieser Maßnahmen,
d)
die Flächen, die auf einem Baugrundstück für die natürliche Versickerung von Wasser aus Niederschlägen freigehalten werden müssen, um insbesondere Hochwasserschäden, einschließlich Schäden durch Starkregen, vorzubeugen;
17.
die Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen oder für die Gewinnung von Steinen, Erden und anderen Bodenschätzen;
18.
a)
die Flächen für die Landwirtschaft und
b)
Wald;
19.
die Flächen für die Errichtung von Anlagen für die Kleintierhaltung wie Ausstellungs- und Zuchtanlagen, Zwinger, Koppeln und dergleichen;
20.
die Flächen oder Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft;
21.
die mit Geh-, Fahr- und Leitungsrechten zugunsten der Allgemeinheit, eines Erschließungsträgers oder eines beschränkten Personenkreises zu belastenden Flächen;
22.
die Flächen für Gemeinschaftsanlagen für bestimmte räumliche Bereiche wie Kinderspielplätze, Freizeiteinrichtungen, Stellplätze und Garagen;
23.
Gebiete, in denen
a)
zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestimmte Luft verunreinigende Stoffe nicht oder nur beschränkt verwendet werden dürfen,
b)
bei der Errichtung von Gebäuden oder bestimmten sonstigen baulichen Anlagen bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnahmen für die Erzeugung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung getroffen werden müssen,
c)
bei der Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von nach Art, Maß oder Nutzungsintensität zu bestimmenden Gebäuden oder sonstigen baulichen Anlagen in der Nachbarschaft von Betriebsbereichen nach § 3 Absatz 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnahmen, die der Vermeidung oder Minderung der Folgen von Störfällen dienen, getroffen werden müssen;
24.
die von der Bebauung freizuhaltenden Schutzflächen und ihre Nutzung, die Flächen für besondere Anlagen und Vorkehrungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstigen Gefahren im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sowie die zum Schutz vor solchen Einwirkungen oder zur Vermeidung oder Minderung solcher Einwirkungen zu treffenden baulichen und sonstigen technischen Vorkehrungen, einschließlich von Maßnahmen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche, wobei die Vorgaben des Immissionsschutzrechts unberührt bleiben;
25.
für einzelne Flächen oder für ein Bebauungsplangebiet oder Teile davon sowie für Teile baulicher Anlagen mit Ausnahme der für landwirtschaftliche Nutzungen oder Wald festgesetzten Flächen
a)
das Anpflanzen von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen,
b)
Bindungen für Bepflanzungen und für die Erhaltung von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen sowie von Gewässern;
26.
die Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen und Stützmauern, soweit sie zur Herstellung des Straßenkörpers erforderlich sind.

(1a) Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich im Sinne des § 1a Absatz 3 können auf den Grundstücken, auf denen Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten sind, oder an anderer Stelle sowohl im sonstigen Geltungsbereich des Bebauungsplans als auch in einem anderen Bebauungsplan festgesetzt werden. Die Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich an anderer Stelle können den Grundstücken, auf denen Eingriffe zu erwarten sind, ganz oder teilweise zugeordnet werden; dies gilt auch für Maßnahmen auf von der Gemeinde bereitgestellten Flächen.

(2) Im Bebauungsplan kann in besonderen Fällen festgesetzt werden, dass bestimmte der in ihm festgesetzten baulichen und sonstigen Nutzungen und Anlagen nur

1.
für einen bestimmten Zeitraum zulässig oder
2.
bis zum Eintritt bestimmter Umstände zulässig oder unzulässig
sind. Die Folgenutzung soll festgesetzt werden.

(2a) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) kann zur Erhaltung oder Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche, auch im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung und der Innenentwicklung der Gemeinden, in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der nach § 34 Abs. 1 und 2 zulässigen baulichen Nutzungen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können; die Festsetzungen können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unterschiedlich getroffen werden. Dabei ist insbesondere ein hierauf bezogenes städtebauliches Entwicklungskonzept im Sinne des § 1 Abs. 6 Nr. 11 zu berücksichtigen, das Aussagen über die zu erhaltenden oder zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereiche der Gemeinde oder eines Gemeindeteils enthält. In den zu erhaltenden oder zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereichen sollen die planungsrechtlichen Voraussetzungen für Vorhaben, die diesen Versorgungsbereichen dienen, nach § 30 oder § 34 vorhanden oder durch einen Bebauungsplan, dessen Aufstellung förmlich eingeleitet ist, vorgesehen sein.

(2b) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) kann in einem Bebauungsplan, auch für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans, festgesetzt werden, dass Vergnügungsstätten oder bestimmte Arten von Vergnügungsstätten zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, um

1.
eine Beeinträchtigung von Wohnnutzungen oder anderen schutzbedürftigen Anlagen wie Kirchen, Schulen und Kindertagesstätten oder
2.
eine Beeinträchtigung der sich aus der vorhandenen Nutzung ergebenden städtebaulichen Funktion des Gebiets, insbesondere durch eine städtebaulich nachteilige Häufung von Vergnügungsstätten,
zu verhindern.

(2c) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile nach § 34 und für Gebiete nach § 30 in der Nachbarschaft von Betriebsbereichen nach § 3 Absatz 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes kann zur Vermeidung oder Verringerung der Folgen von Störfällen für bestimmte Nutzungen, Arten von Nutzungen oder für nach Art, Maß oder Nutzungsintensität zu bestimmende Gebäude oder sonstige bauliche Anlagen in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass diese zulässig, nicht zulässig oder nur ausnahmsweise zulässig sind; die Festsetzungen können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unterschiedlich getroffen werden.

(2d) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) können in einem Bebauungsplan zur Wohnraumversorgung eine oder mehrere der folgenden Festsetzungen getroffen werden:

1.
Flächen, auf denen Wohngebäude errichtet werden dürfen;
2.
Flächen, auf denen nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen einzelne oder alle Wohnungen die baulichen Voraussetzungen für eine Förderung mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung erfüllen, oder
3.
Flächen, auf denen nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen sich ein Vorhabenträger hinsichtlich einzelner oder aller Wohnungen dazu verpflichtet, die zum Zeitpunkt der Verpflichtung geltenden Förderbedingungen der sozialen Wohnraumförderung, insbesondere die Miet- und Belegungsbindung, einzuhalten und die Einhaltung dieser Verpflichtung in geeigneter Weise sichergestellt wird.
Ergänzend können eine oder mehrere der folgenden Festsetzungen getroffen werden:
1.
das Maß der baulichen Nutzung;
2.
die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen;
3.
vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen;
4.
Mindestmaße für die Größe, Breite und Tiefe der Baugrundstücke;
5.
Höchstmaße für die Größe, Breite und Tiefe der Wohnbaugrundstücke, aus Gründen des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden.
Die Festsetzungen nach den Sätzen 1 und 2 können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans getroffen werden. Die Festsetzungen nach den Sätzen 1 bis 3 können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans oder für Geschosse, Ebenen oder sonstige Teile baulicher Anlagen unterschiedlich getroffen werden. Das Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans nach diesem Absatz kann nur bis zum Ablauf des 31. Dezember 2024 förmlich eingeleitet werden. Der Satzungsbeschluss nach § 10 Absatz 1 ist bis zum Ablauf des 31. Dezember 2026 zu fassen.

(3) Bei Festsetzungen nach Absatz 1 kann auch die Höhenlage festgesetzt werden. Festsetzungen nach Absatz 1 für übereinanderliegende Geschosse und Ebenen und sonstige Teile baulicher Anlagen können gesondert getroffen werden; dies gilt auch, soweit Geschosse, Ebenen und sonstige Teile baulicher Anlagen unterhalb der Geländeoberfläche vorgesehen sind.

(4) Die Länder können durch Rechtsvorschriften bestimmen, dass auf Landesrecht beruhende Regelungen in den Bebauungsplan als Festsetzungen aufgenommen werden können und inwieweit auf diese Festsetzungen die Vorschriften dieses Gesetzbuchs Anwendung finden.

(5) Im Bebauungsplan sollen gekennzeichnet werden:

1.
Flächen, bei deren Bebauung besondere bauliche Vorkehrungen gegen äußere Einwirkungen oder bei denen besondere bauliche Sicherungsmaßnahmen gegen Naturgewalten erforderlich sind;
2.
Flächen, unter denen der Bergbau umgeht oder die für den Abbau von Mineralien bestimmt sind;
3.
Flächen, deren Böden erheblich mit umweltgefährdenden Stoffen belastet sind.

(6) Nach anderen gesetzlichen Vorschriften getroffene Festsetzungen, gemeindliche Regelungen zum Anschluss- und Benutzungszwang sowie Denkmäler nach Landesrecht sollen in den Bebauungsplan nachrichtlich übernommen werden, soweit sie zu seinem Verständnis oder für die städtebauliche Beurteilung von Baugesuchen notwendig oder zweckmäßig sind.

(6a) Festgesetzte Überschwemmungsgebiete im Sinne des § 76 Absatz 2 des Wasserhaushaltsgesetzes, Risikogebiete außerhalb von Überschwemmungsgebieten im Sinne des § 78b Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes sowie Hochwasserentstehungsgebiete im Sinne des § 78d Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes sollen nachrichtlich übernommen werden. Noch nicht festgesetzte Überschwemmungsgebiete im Sinne des § 76 Absatz 3 des Wasserhaushaltsgesetzes sowie als Risikogebiete im Sinne des § 73 Absatz 1 Satz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes bestimmte Gebiete sollen im Bebauungsplan vermerkt werden.

(7) Der Bebauungsplan setzt die Grenzen seines räumlichen Geltungsbereichs fest.

(8) Dem Bebauungsplan ist eine Begründung mit den Angaben nach § 2a beizufügen.

(1) Eine Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften dieses Gesetzbuchs ist für die Rechtswirksamkeit des Flächennutzungsplans und der Satzungen nach diesem Gesetzbuch nur beachtlich, wenn

1.
entgegen § 2 Absatz 3 die von der Planung berührten Belange, die der Gemeinde bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen, in wesentlichen Punkten nicht zutreffend ermittelt oder bewertet worden sind und wenn der Mangel offensichtlich und auf das Ergebnis des Verfahrens von Einfluss gewesen ist;
2.
die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 3 Absatz 2, § 4 Absatz 2, § 4a Absatz 3, Absatz 4 Satz 2, nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3, auch in Verbindung mit § 13a Absatz 2 Nummer 1 und § 13b, nach § 22 Absatz 9 Satz 2, § 34 Absatz 6 Satz 1 sowie § 35 Absatz 6 Satz 5 verletzt worden sind; dabei ist unbeachtlich, wenn
a)
bei Anwendung der Vorschriften einzelne Personen, Behörden oder sonstige Träger öffentlicher Belange nicht beteiligt worden sind, die entsprechenden Belange jedoch unerheblich waren oder in der Entscheidung berücksichtigt worden sind,
b)
einzelne Angaben dazu, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind, gefehlt haben,
c)
(weggefallen)
d)
bei Vorliegen eines wichtigen Grundes nach § 3 Absatz 2 Satz 1 nicht für die Dauer einer angemessenen längeren Frist im Internet veröffentlicht worden ist und die Begründung für die Annahme des Nichtvorliegens eines wichtigen Grundes nachvollziehbar ist,
e)
bei Anwendung des § 3 Absatz 2 Satz 5 der Inhalt der Bekanntmachung zwar in das Internet eingestellt wurde, aber die Bekanntmachung und die nach § 3 Absatz 2 Satz 1 zu veröffentlichenden Unterlagen nicht über das zentrale Internetportal des Landes zugänglich gemacht wurden,
f)
bei Anwendung des § 13 Absatz 3 Satz 2 die Angabe darüber, dass von einer Umweltprüfung abgesehen wird, unterlassen wurde oder
g)
bei Anwendung des § 4a Absatz 3 Satz 4 oder des § 13, auch in Verbindung mit § 13a Absatz 2 Nummer 1 und § 13b, die Voraussetzungen für die Durchführung der Beteiligung nach diesen Vorschriften verkannt worden sind;
3.
die Vorschriften über die Begründung des Flächennutzungsplans und der Satzungen sowie ihrer Entwürfe nach §§ 2a, 3 Absatz 2, § 5 Absatz 1 Satz 2 Halbsatz 2 und Absatz 5, § 9 Absatz 8 und § 22 Absatz 10 verletzt worden sind; dabei ist unbeachtlich, wenn die Begründung des Flächennutzungsplans oder der Satzung oder ihr Entwurf unvollständig ist; abweichend von Halbsatz 2 ist eine Verletzung von Vorschriften in Bezug auf den Umweltbericht unbeachtlich, wenn die Begründung hierzu nur in unwesentlichen Punkten unvollständig ist;
4.
ein Beschluss der Gemeinde über den Flächennutzungsplan oder die Satzung nicht gefasst, eine Genehmigung nicht erteilt oder der mit der Bekanntmachung des Flächennutzungsplans oder der Satzung verfolgte Hinweiszweck nicht erreicht worden ist.
Soweit in den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 die Begründung in wesentlichen Punkten unvollständig ist, hat die Gemeinde auf Verlangen Auskunft zu erteilen, wenn ein berechtigtes Interesse dargelegt wird.

(2) Für die Rechtswirksamkeit der Bauleitpläne ist auch unbeachtlich, wenn

1.
die Anforderungen an die Aufstellung eines selbständigen Bebauungsplans (§ 8 Absatz 2 Satz 2) oder an die in § 8 Absatz 4 bezeichneten dringenden Gründe für die Aufstellung eines vorzeitigen Bebauungsplans nicht richtig beurteilt worden sind;
2.
§ 8 Absatz 2 Satz 1 hinsichtlich des Entwickelns des Bebauungsplans aus dem Flächennutzungsplan verletzt worden ist, ohne dass hierbei die sich aus dem Flächennutzungsplan ergebende geordnete städtebauliche Entwicklung beeinträchtigt worden ist;
3.
der Bebauungsplan aus einem Flächennutzungsplan entwickelt worden ist, dessen Unwirksamkeit sich wegen Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften einschließlich des § 6 nach Bekanntmachung des Bebauungsplans herausstellt;
4.
im Parallelverfahren gegen § 8 Absatz 3 verstoßen worden ist, ohne dass die geordnete städtebauliche Entwicklung beeinträchtigt worden ist.

(2a) Für Bebauungspläne, die im beschleunigten Verfahren nach § 13a, auch in Verbindung mit § 13b, aufgestellt worden sind, gilt ergänzend zu den Absätzen 1 und 2 Folgendes:

1.
(weggefallen)
2.
Das Unterbleiben der Hinweise nach § 13a Absatz 3 ist für die Rechtswirksamkeit des Bebauungsplans unbeachtlich.
3.
Beruht die Feststellung, dass eine Umweltprüfung unterbleiben soll, auf einer Vorprüfung des Einzelfalls nach § 13a Absatz 1 Satz 2 Nummer 2, gilt die Vorprüfung als ordnungsgemäß durchgeführt, wenn sie entsprechend den Vorgaben von § 13a Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 durchgeführt worden ist und ihr Ergebnis nachvollziehbar ist; dabei ist unbeachtlich, wenn einzelne Behörden oder sonstige Träger öffentlicher Belange nicht beteiligt worden sind; andernfalls besteht ein für die Rechtswirksamkeit des Bebauungsplans beachtlicher Mangel.
4.
Die Beurteilung, dass der Ausschlussgrund nach § 13a Absatz 1 Satz 4 nicht vorliegt, gilt als zutreffend, wenn das Ergebnis nachvollziehbar ist und durch den Bebauungsplan nicht die Zulässigkeit von Vorhaben nach Spalte 1 der Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung begründet wird; andernfalls besteht ein für die Rechtswirksamkeit des Bebauungsplans beachtlicher Mangel.

(3) Für die Abwägung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Flächennutzungsplan oder die Satzung maßgebend. Mängel, die Gegenstand der Regelung in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 sind, können nicht als Mängel der Abwägung geltend gemacht werden; im Übrigen sind Mängel im Abwägungsvorgang nur erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind.

(4) Der Flächennutzungsplan oder die Satzung können durch ein ergänzendes Verfahren zur Behebung von Fehlern auch rückwirkend in Kraft gesetzt werden.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Tenor

1. Der Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 20. September 2012 - 2 LA 234/11 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.

2. Das Land Niedersachsen hat die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers zu erstatten.

3. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 10.000 € (in Worten: zehntausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft ein verwaltungsgerichtliches Verfahren aus dem Bereich des Schulrechts.

2

1. a) Der Beschwerdeführer besuchte ein öffentliches technisches Fachgymnasium. Da er an einer Lese- und Rechtschreibstörung (Legasthenie) leidet, beantragte er zum Nachteilsausgleich eine Schreibzeitverlängerung für die Anfertigung von Klausuren sowie die Nichtbewertung der Rechtschreibung (sog. Notenschutz). Die Schule lehnte dies ab.

3

b) Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren verpflichtete das Oberverwaltungsgericht die Schule, dem Beschwerdeführer bis zur Entscheidung in der Hauptsache bei der Anfertigung schriftlicher Leistungsüberprüfungen außer in naturwissenschaftlich-mathematischen Fächern eine Schreibzeitverlängerung von 10 % der jeweiligen Bearbeitungszeit zu gewähren. Soweit der Eilantrag darüber hinaus auf vorläufige Gewährung eines Zeitzuschlages von 25 % und Notenschutz bezüglich der Rechtschreibleistung in allen Fächern sowie auf die ebenfalls bereits vorgerichtlich geltend gemachte Verpflichtung der Schule gerichtet war, ihn in Mathematik anwendungsbezogen auf das erste Prüfungsfach Elektronik zu unterrichten, blieb er ohne Erfolg. Eine vom Beschwerdeführer in dieser Sache erhobene Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen (1 BvR 2129/08).

4

c) In der Hauptsache fasste das Verwaltungsgericht zunächst einen Beweisbeschluss zur Frage der medizinischen Notwendigkeit eines weitergehenden Nachteilsausgleichs. Dieser wurde jedoch nicht mehr ausgeführt, nachdem der Beschwerdeführer die Allgemeine Hochschulreife erworben hatte. Der Beschwerdeführer stellte seine Klage daraufhin um. Neben Feststellungsanträgen begehrte er, seine unter anderem auf Klausurabwertungen wegen Schreibfehlern (sog. "GRZ-Abzug") beruhenden Kursnoten im Fach Deutsch in der Jahrgangsstufe 12 anzuheben.

5

Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit der Begründung ab, die in der Jahrgangsstufe 12 erteilten Einzelnoten seien bestandskräftig geworden und daher nicht mehr anfechtbar. Der Zulässigkeit der Feststellungsanträge stehe teilweise der Subsidiaritätsgrundsatz und teilweise das Fehlen eines Feststellungsinteresses entgegen.

6

d) Den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung lehnte das Oberverwaltungsgericht mit dem hier angegriffenen Beschluss ab.

7

aa) Es könne offenbleiben, ob das Verwaltungsgericht die halbjährlichen Kursabschlussnoten als eigenständig anfechtbare Regelungen habe ansehen dürfen. Die Versäumung der Widerspruchsfrist sei insoweit jedenfalls unschädlich, da die Widerspruchsbehörde eine Sachentscheidung getroffen habe. Von der Bestandskraft der Einzelnoten könne daher nicht ausgegangen werden.

8

An der Richtigkeit der Ablehnung des Verpflichtungsantrags bestünden im Ergebnis gleichwohl keine ernstlichen Zweifel, da nicht ersichtlich sei, dass die den Kursnoten zugrunde liegenden Bewertungen fehlerhaft gewesen sein könnten. Es sei in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung geklärt, dass unter einer Legasthenie leidenden Schülern zum Nachteilsausgleich nur Schreibzeitverlängerungen gewährt werden könnten oder die Nutzung technischer Hilfsmittel gestattet werden könne. Die Gewährung von Notenschutz (durch Nichtbewertung der Rechtschreibung) sei demgegenüber in der Regel nicht zulässig, da sie zu einer Benachteiligung von Schülern führen könne, denen aus sonstigen Gründen Rechtschreibfehler in größerem Umfang unterliefen. Darüber hinaus komme ein Ausgleich durch Notenschutz deswegen nicht in Betracht, weil sich die vom Beschwerdeführer beanstandeten Noten gerade auf das Fach Deutsch bezögen und in diesem unter anderem Rechtschreibung und Zeichensetzung zu den allgemein vorausgesetzten Kompetenzen gehörten. Ein Anspruch auf Notenschutz folge selbst bei einem den Behinderungsbegriff erfüllenden Ausmaß der Legasthenie auch nicht aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG, da sich hieraus ein originärer subjektiver Leistungsanspruch nicht ableiten lasse. Unmittelbar aus Art. 24 des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention, BGBl 2008 II S. 1419) ergäben sich ebenfalls keine entsprechenden Rechte. Schließlich sehe die geltende Erlasslage in gewissem Umfang eine differenzierte Bewertung vor und eröffne einen pädagogischen Bewertungsspielraum, der eine einzelfallgerechte Berücksichtigung des Erscheinungsbildes der Legasthenie ermögliche. Es sei nicht ersichtlich, dass bei der Bewertung der den beanstandeten Kursnoten zugrunde liegenden Deutschklausuren hiervon in willkürlicher Weise abgewichen worden sei.

9

bb) Auch das Feststellungsinteresse habe das Verwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht verneint. Ein Rehabilitationsinteresse könne nicht bejaht werden, da von den Einzelnoten und der Durchschnittsnote des Abiturzeugnisses keine den Beschwerdeführer in seiner Persönlichkeit diskriminierende Wirkung ausgehe. Die Bewertung im Fach Deutsch in der Jahrgangsstufe 12 könne für sich gesehen nicht als diskriminierend angesehen werden, zumal sich die begehrte Anhebung nicht auf die Durchschnittsnote auswirken würde. Hinsichtlich anderer Einzelnoten habe der Beschwerdeführer nicht näher dargelegt, welche Punktzahl er für angemessen halte. Soweit er sein Feststellungsbegehren auf eine beabsichtigte Amtshaftungsklage stütze, habe das Verwaltungsgericht zu Recht darauf abgestellt, dass eine solche mangels Verschuldens offensichtlich aussichtslos sei.

10

2. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 19 Abs. 4 GG, aus Art. 3 Abs. 1 und 3 GG in Verbindung mit der UN-Behindertenrechtskonvention sowie aus Art. 12 GG und führt dies näher aus. Insbesondere rügt er, das Ausgangsgericht habe zu keinem Zeitpunkt in einem ordentlichen Hauptsacheverfahren durch Beweisaufnahme geprüft, welche Maßnahmen notwendig gewesen seien, um die behinderungsbedingten Nachteile auszugleichen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei es aber uneingeschränkt gerichtlich überprüfbar, ob ein in Prüfungen gewährter Nachteilsausgleich die Störung vollständig ausgeglichen habe, was gegebenenfalls mit Hilfe von Sachverständigen zu ermitteln sei (Hinweis auf BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 21. Dezember 1992 - 1 BvR 1295/90 -, NJW 1993, S. 917 <918>). Das Oberverwaltungsgericht habe zudem verkannt, dass er durch die Anlegung desselben Leistungsbemessungsmaßstabs wie bei seinen nicht behinderten Mitschülern in einem Bereich, in dem er aufgrund seiner Funktionsstörung nicht gleichermaßen leistungsfähig sein könne, benachteiligt worden sei. Aus fachärztlicher Sicht habe er in allen Fächern zusätzlich 25 % der üblichen Bearbeitungszeit benötigt, um die gleichen Chancen bei der Bearbeitung der anstehenden Aufgaben zu haben. Ein reiner Nachteilsausgleich führe, auch wenn er den Verzicht auf die Benotung der Rechtschreibung beinhalte, keineswegs zu einer Beeinträchtigung der Chancengleichheit nichtbehinderter Mitschüler. Dadurch, dass es das Oberverwaltungsgericht versäumt habe, seine willkürliche Entscheidung aus dem Eilverfahren im Berufungszulassungsverfahren zu korrigieren, nehme es ihm die Möglichkeit der Rehabilitation und verschärfe damit die bereits erfolgte Diskriminierung. Damit werde zudem eine Amtshaftungsklage bewusst ausgeschlossen und würden legasthene Schüler in Niedersachsen im Ergebnis rechtlos gestellt.

11

3. Die Verfassungsbeschwerde ist dem Niedersächsischen Justizministerium und der Beklagten des Ausgangsverfahrens, der vormaligen Schule des Beschwerdeführers, zugestellt worden. Diese haben von einer Stellungnahme abgesehen. Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen der Kammer vor.

II.

12

1. Die Kammer nimmt die zulässige Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG; vgl. BVerfGE 90, 22 <25>). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG liegen vor. Das Bundesverfassungsgericht hat die hier maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden. Die Verfassungsbeschwerde ist danach offensichtlich begründet.

13

2. Die Auslegung und Anwendung der Vorschriften über die Zulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht wird der verfassungsrechtlichen Verbürgung effektiven Rechtsschutzes nicht gerecht.

14

a) Das Gebot effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleistet zwar keinen Anspruch auf die Errichtung eines bestimmten Instanzenzuges (vgl. BVerfGE 104, 220 <231>; 125, 104 <136 f.>; stRspr). Hat der Gesetzgeber jedoch mehrere Instanzen geschaffen, darf der Zugang zu ihnen nicht in unzumutbarer und durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 104, 220 <232>; 125, 104 <137>; stRspr). Das Gleiche gilt, wenn das Prozessrecht - wie hier die §§ 124, 124a VwGO - den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit gibt, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten (vgl. BVerfGE 125, 104 <137>). Aus diesem Grund dürfen die Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe nicht derart erschwert werden, dass sie auch von einem durchschnittlichen, nicht auf das gerade einschlägige Rechtsgebiet spezialisierten Rechtsanwalt mit zumutbarem Aufwand nicht mehr erfüllt werden können und die Möglichkeit, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten, für den Rechtsmittelführer leerläuft. Dies gilt nicht nur hinsichtlich der Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, sondern in entsprechender Weise für die Auslegung und Anwendung der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO selbst (vgl. BVerfGE 125, 104 <137>). Mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes unvereinbar ist eine Auslegung und Anwendung des § 124 Abs. 2 VwGO danach dann, wenn sie sachlich nicht zu rechtfertigen ist, sich damit als objektiv willkürlich erweist und den Zugang zur nächsten Instanz unzumutbar erschwert (vgl. BVerfGE 125, 104 <137>; 134, 106 <117 f. Rn. 34>).

15

b) Das Oberverwaltungsgericht hat durch seine Handhabung des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO den Zugang zur Berufungsinstanz in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise verengt und dadurch das Gebot effektiven Rechtsschutzes verletzt.

16

aa) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sind immer schon dann begründet, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. BVerfGE 125, 104 <140>). Dies hat der Beschwerdeführer getan. Er hat aufgezeigt, dass das Verwaltungsgericht seinen Verpflichtungsantrag rechtsfehlerhaft als unzulässig behandelt hat und die angenommene Unzulässigkeit der Feststellungsanträge betreffend den Notenschutz und den Umfang des ihm zustehenden Nachteilsausgleichs aus Subsidiaritätsgründen zumindest ernstlichen - vom Oberverwaltungsgericht selbst näher aufgezeigten - Zweifeln begegnet. Das Oberverwaltungsgericht hat mit einer verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Begründung gleichwohl die Berufung nicht zugelassen.

17

bb) Es begegnet zwar keinen grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn das Berufungsgericht bei der Überprüfung des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) auf andere rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte abstellt als das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen seines Urteils und wenn es - soweit rechtliches Gehör gewährt ist - die Zulassung der Berufung deshalb ablehnt, weil sich das Urteil aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig erweist. Es widerspricht jedoch sowohl dem Sinn und Zweck des dem Berufungsverfahren vorgeschalteten Zulassungsverfahrens als auch der Systematik der in § 124 Abs. 2 VwGO geregelten Zulassungsgründe und kann den Zugang zur Berufung in sachlich nicht mehr zu rechtfertigender Weise einschränken, wenn das Berufungsgericht auf andere Gründe entscheidungstragend abstellt als das Verwaltungsgericht, die nicht ohne Weiteres auf der Hand liegen und deren Heranziehung deshalb über den mit Blick auf den eingeschränkten Zweck des Zulassungsverfahrens von ihm vernünftigerweise zu leistenden Prüfungsumfang hinausgeht (vgl. BVerfGE 134, 106 <119 f. Rn. 40>; siehe auch BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 - BVerwG 7 AV 4.03 -, NVwZ-RR 2004, S. 542 <543>).

18

Dass dem Beschwerdeführer vor Erlass der angegriffenen Entscheidung im Hinblick auf die neue Begründung des Oberverwaltungsgerichts im Berufungszulassungsverfahren rechtliches Gehör gewährt worden wäre, lässt sich den beigezogenen Akten des Ausgangsverfahrens nicht entnehmen. Darüber hinaus lagen die Voraussetzungen für einen Austausch der Begründung hiernach auch nicht vor.

19

(1) Hinsichtlich der auf den Notenschutz bezogenen Klageanträge ergibt sich dies schon daraus, dass das Oberverwaltungsgericht die angenommene inhaltliche Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils auf Gründe stützt, denen ihrerseits grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zukommt. Denn die Heranziehung von Erwägungen mit Grundsatzbedeutung zur Ablehnung des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel verkürzt den vom Gesetzgeber für Fragen von grundsätzlicher Bedeutung vorgesehenen Rechtsschutz im Berufungsverfahren in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise (vgl. BVerfGK 10, 208 <213 f. m.w.N.>).

20

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtsfrage immer dann, wenn es maßgebend auf eine konkrete, über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage ankommt, deren Klärung im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts geboten erscheint. Der Begriff der grundsätzlichen Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO entspricht danach weitgehend dem der grundsätzlichen Bedeutung in der revisionszulassungsrechtlichen Bestimmung des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (vgl. BVerfGK 10, 208 <214>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 10. September 2009 - 1 BvR 814/09 -, NJW 2009, S. 3642 <3643>; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. August 2011 - 1 BvR 1764/09 -, NVwZ-RR 2011, S. 963 <964>).

21

Nach diesen Maßstäben kam der vom Oberverwaltungsgericht verneinten Frage, ob der Beschwerdeführer im Hinblick auf seine Legasthenie so genannten Notenschutz in Form der Nichtbewertung der Rechtschreibung verlangen konnte, grundsätzliche Bedeutung zu. Denn ihre Beantwortung hat Bedeutung weit über den Einzelfall des Beschwerdeführers hinaus und betrifft den Umfang des verfassungsrechtlich sowohl unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit im Prüfungsrecht (BVerfGE 52, 380 <388>) als auch des Benachteiligungsverbots gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG (BVerfGE 96, 288<301 ff.>) bestehenden Anspruchs auf behinderungsbezogenen Nachteilsausgleich (zu der namentlich aus den verfassungsrechtlichen Bezügen abgeleiteten Grundsatzbedeutung der Rechtmäßigkeit der Bemerkung der Nichtberücksichtigung von Rechtschreibleistungen im Abiturzeugnis vgl. BayVGH, Urteile vom 28. Mai 2014 - 7 B 14.22 u.a. -, juris, Rn. 27). Die umstrittene Frage des Umfangs des Nachteilsausgleichs, der an Legasthenie leidenden Schülern zusteht, war zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts noch nicht höchstrichterlich geklärt. Erst im Jahr 2015 hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass aus dem Gebot der Chancengleichheit nur Ansprüche auf Änderung der Prüfungsbedingungen (Nachteilsausgleich), nicht aber solche auf Änderung des Maßstabs der Leistungsbewertung (Notenschutz) abgeleitet werden könnten (BVerwGE 152, 330). Hiergegen sind beim Bundesverfassungsgericht mittlerweile Verfassungsbeschwerden anhängig (Az. 1 BvR 2577/15, 1 BvR 2578/15 und 1 BvR 2579/15), über die noch nicht entschieden ist.

22

Das Oberverwaltungsgericht konnte die Nichtzulassung der Berufung wegen inhaltlicher Richtigkeit daher hierauf nicht stützen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der flankierenden Erwägungen, im Fach Deutsch gehörten Rechtschreibung und Zeichensetzung gerade zu den allgemein vorausgesetzten Kompetenzen und der Schutz des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG beschränke sich auf seine Funktion als Abwehrrecht. Gleiches gilt für den Hinweis auf den nach den einschlägigen schulrechtlichen Ausführungsbestimmungen bestehenden pädagogischen Spielraum. Ob die erfolgten Abwertungen unter Berücksichtigung des Spielraums der Behinderung des Beschwerdeführers hinreichend Rechnung trugen, wäre gegebenenfalls erst in einem Berufungsverfahren zu klären gewesen.

23

(2) Auch mit Blick auf das (verneinte) Feststellungsinteresse verkürzt das Oberverwaltungsgericht die verfassungsrechtlich garantierten Zugangsmöglichkeiten zum Berufungsverfahren. Soweit es ausführt, es fehle an dem (vom Verwaltungsgericht insoweit nicht geprüften) Feststellungsinteresse, weil die Ausweisung der Deutschnoten in der Jahrgangsstufe 12 mit Blick auf deren Auswirkungen auf das Abiturergebnis keinen diskriminierenden Charakter hätten und der Beschwerdeführer hinsichtlich der anderen Einzelnoten schon nicht näher dargelegt habe, welche Punktzahl er für erforderlich halte, lagen diese Erwägungen nicht ohne Weiteres auf der Hand und überschritten den statthaften Prüfungsumfang im Berufungszulassungsverfahren. Inhaltlich liegen sie auch eher fern, weil der Beschwerdeführer dargelegt hat, dass die Feststellung, welche Noten er mit der von ihm für notwendig gehaltenen längeren Schreibzeitverlängerung in allen Fächern erreicht hätte, im Nachhinein nicht möglich ist. Gerade deswegen blieb ihm aber nur die Möglichkeit eines Feststellungsantrags, um eine in den erreichten Noten gegebenenfalls fortwirkende Benachteiligung durch einen entsprechenden Feststellungsausspruch zu beseitigen. In der fachgerichtlichen Rechtsprechung ist im Übrigen geklärt, dass sich das notwendige Feststellungsinteresse in einer solchen Situation bereits aus der Geltendmachung einer fortdauernden faktischen Grundrechtsbeeinträchtigung ergeben kann (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 2014 - BVerwG 1 WB 59.13 -, juris, Rn. 20; Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 113 Rn. 146 m.w.N.), die hier insbesondere im Hinblick auf Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG gerügt wird.

24

3. Auf die Beantwortung der weiteren vom Beschwerdeführer aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen kommt es nicht an, da der angegriffene Beschluss die Berufungszulassung behandelt und keine Entscheidung zur Sache enthält.

III.

25

1. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts beruht auf dem Verfassungsverstoß. Er ist daher gemäß § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben und die Sache ist an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen.

26

2. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG und den Grundsätzen für die Festsetzung des Gegenstandswerts im verfassungsgerichtlichen Verfahren (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>; BVerfGK 20, 336 <337 ff.>).

(1) Eine Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften dieses Gesetzbuchs ist für die Rechtswirksamkeit des Flächennutzungsplans und der Satzungen nach diesem Gesetzbuch nur beachtlich, wenn

1.
entgegen § 2 Absatz 3 die von der Planung berührten Belange, die der Gemeinde bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen, in wesentlichen Punkten nicht zutreffend ermittelt oder bewertet worden sind und wenn der Mangel offensichtlich und auf das Ergebnis des Verfahrens von Einfluss gewesen ist;
2.
die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 3 Absatz 2, § 4 Absatz 2, § 4a Absatz 3, Absatz 4 Satz 2, nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3, auch in Verbindung mit § 13a Absatz 2 Nummer 1 und § 13b, nach § 22 Absatz 9 Satz 2, § 34 Absatz 6 Satz 1 sowie § 35 Absatz 6 Satz 5 verletzt worden sind; dabei ist unbeachtlich, wenn
a)
bei Anwendung der Vorschriften einzelne Personen, Behörden oder sonstige Träger öffentlicher Belange nicht beteiligt worden sind, die entsprechenden Belange jedoch unerheblich waren oder in der Entscheidung berücksichtigt worden sind,
b)
einzelne Angaben dazu, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind, gefehlt haben,
c)
(weggefallen)
d)
bei Vorliegen eines wichtigen Grundes nach § 3 Absatz 2 Satz 1 nicht für die Dauer einer angemessenen längeren Frist im Internet veröffentlicht worden ist und die Begründung für die Annahme des Nichtvorliegens eines wichtigen Grundes nachvollziehbar ist,
e)
bei Anwendung des § 3 Absatz 2 Satz 5 der Inhalt der Bekanntmachung zwar in das Internet eingestellt wurde, aber die Bekanntmachung und die nach § 3 Absatz 2 Satz 1 zu veröffentlichenden Unterlagen nicht über das zentrale Internetportal des Landes zugänglich gemacht wurden,
f)
bei Anwendung des § 13 Absatz 3 Satz 2 die Angabe darüber, dass von einer Umweltprüfung abgesehen wird, unterlassen wurde oder
g)
bei Anwendung des § 4a Absatz 3 Satz 4 oder des § 13, auch in Verbindung mit § 13a Absatz 2 Nummer 1 und § 13b, die Voraussetzungen für die Durchführung der Beteiligung nach diesen Vorschriften verkannt worden sind;
3.
die Vorschriften über die Begründung des Flächennutzungsplans und der Satzungen sowie ihrer Entwürfe nach §§ 2a, 3 Absatz 2, § 5 Absatz 1 Satz 2 Halbsatz 2 und Absatz 5, § 9 Absatz 8 und § 22 Absatz 10 verletzt worden sind; dabei ist unbeachtlich, wenn die Begründung des Flächennutzungsplans oder der Satzung oder ihr Entwurf unvollständig ist; abweichend von Halbsatz 2 ist eine Verletzung von Vorschriften in Bezug auf den Umweltbericht unbeachtlich, wenn die Begründung hierzu nur in unwesentlichen Punkten unvollständig ist;
4.
ein Beschluss der Gemeinde über den Flächennutzungsplan oder die Satzung nicht gefasst, eine Genehmigung nicht erteilt oder der mit der Bekanntmachung des Flächennutzungsplans oder der Satzung verfolgte Hinweiszweck nicht erreicht worden ist.
Soweit in den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 die Begründung in wesentlichen Punkten unvollständig ist, hat die Gemeinde auf Verlangen Auskunft zu erteilen, wenn ein berechtigtes Interesse dargelegt wird.

(2) Für die Rechtswirksamkeit der Bauleitpläne ist auch unbeachtlich, wenn

1.
die Anforderungen an die Aufstellung eines selbständigen Bebauungsplans (§ 8 Absatz 2 Satz 2) oder an die in § 8 Absatz 4 bezeichneten dringenden Gründe für die Aufstellung eines vorzeitigen Bebauungsplans nicht richtig beurteilt worden sind;
2.
§ 8 Absatz 2 Satz 1 hinsichtlich des Entwickelns des Bebauungsplans aus dem Flächennutzungsplan verletzt worden ist, ohne dass hierbei die sich aus dem Flächennutzungsplan ergebende geordnete städtebauliche Entwicklung beeinträchtigt worden ist;
3.
der Bebauungsplan aus einem Flächennutzungsplan entwickelt worden ist, dessen Unwirksamkeit sich wegen Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften einschließlich des § 6 nach Bekanntmachung des Bebauungsplans herausstellt;
4.
im Parallelverfahren gegen § 8 Absatz 3 verstoßen worden ist, ohne dass die geordnete städtebauliche Entwicklung beeinträchtigt worden ist.

(2a) Für Bebauungspläne, die im beschleunigten Verfahren nach § 13a, auch in Verbindung mit § 13b, aufgestellt worden sind, gilt ergänzend zu den Absätzen 1 und 2 Folgendes:

1.
(weggefallen)
2.
Das Unterbleiben der Hinweise nach § 13a Absatz 3 ist für die Rechtswirksamkeit des Bebauungsplans unbeachtlich.
3.
Beruht die Feststellung, dass eine Umweltprüfung unterbleiben soll, auf einer Vorprüfung des Einzelfalls nach § 13a Absatz 1 Satz 2 Nummer 2, gilt die Vorprüfung als ordnungsgemäß durchgeführt, wenn sie entsprechend den Vorgaben von § 13a Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 durchgeführt worden ist und ihr Ergebnis nachvollziehbar ist; dabei ist unbeachtlich, wenn einzelne Behörden oder sonstige Träger öffentlicher Belange nicht beteiligt worden sind; andernfalls besteht ein für die Rechtswirksamkeit des Bebauungsplans beachtlicher Mangel.
4.
Die Beurteilung, dass der Ausschlussgrund nach § 13a Absatz 1 Satz 4 nicht vorliegt, gilt als zutreffend, wenn das Ergebnis nachvollziehbar ist und durch den Bebauungsplan nicht die Zulässigkeit von Vorhaben nach Spalte 1 der Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung begründet wird; andernfalls besteht ein für die Rechtswirksamkeit des Bebauungsplans beachtlicher Mangel.

(3) Für die Abwägung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Flächennutzungsplan oder die Satzung maßgebend. Mängel, die Gegenstand der Regelung in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 sind, können nicht als Mängel der Abwägung geltend gemacht werden; im Übrigen sind Mängel im Abwägungsvorgang nur erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind.

(4) Der Flächennutzungsplan oder die Satzung können durch ein ergänzendes Verfahren zur Behebung von Fehlern auch rückwirkend in Kraft gesetzt werden.

(1) Aufgabe der Bauleitplanung ist es, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde nach Maßgabe dieses Gesetzbuchs vorzubereiten und zu leiten.

(2) Bauleitpläne sind der Flächennutzungsplan (vorbereitender Bauleitplan) und der Bebauungsplan (verbindlicher Bauleitplan).

(3) Die Gemeinden haben die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist; die Aufstellung kann insbesondere bei der Ausweisung von Flächen für den Wohnungsbau in Betracht kommen. Auf die Aufstellung von Bauleitplänen und städtebaulichen Satzungen besteht kein Anspruch; ein Anspruch kann auch nicht durch Vertrag begründet werden.

(4) Die Bauleitpläne sind den Zielen der Raumordnung anzupassen.

(5) Die Bauleitpläne sollen eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt, und eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung gewährleisten. Sie sollen dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln sowie den Klimaschutz und die Klimaanpassung, insbesondere auch in der Stadtentwicklung, zu fördern, sowie die städtebauliche Gestalt und das Orts- und Landschaftsbild baukulturell zu erhalten und zu entwickeln. Hierzu soll die städtebauliche Entwicklung vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen.

(6) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung,
2.
die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere auch von Familien mit mehreren Kindern, die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen, die Eigentumsbildung weiter Kreise der Bevölkerung und die Anforderungen kostensparenden Bauens sowie die Bevölkerungsentwicklung,
3.
die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere die Bedürfnisse der Familien, der jungen, alten und behinderten Menschen, unterschiedliche Auswirkungen auf Frauen und Männer sowie die Belange des Bildungswesens und von Sport, Freizeit und Erholung,
4.
die Erhaltung, Erneuerung, Fortentwicklung, Anpassung und der Umbau vorhandener Ortsteile sowie die Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche,
5.
die Belange der Baukultur, des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege, die erhaltenswerten Ortsteile, Straßen und Plätze von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung und die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes,
6.
die von den Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts festgestellten Erfordernisse für Gottesdienst und Seelsorge,
7.
die Belange des Umweltschutzes, einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege, insbesondere
a)
die Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen, Fläche, Boden, Wasser, Luft, Klima und das Wirkungsgefüge zwischen ihnen sowie die Landschaft und die biologische Vielfalt,
b)
die Erhaltungsziele und der Schutzzweck der Natura 2000-Gebiete im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes,
c)
umweltbezogene Auswirkungen auf den Menschen und seine Gesundheit sowie die Bevölkerung insgesamt,
d)
umweltbezogene Auswirkungen auf Kulturgüter und sonstige Sachgüter,
e)
die Vermeidung von Emissionen sowie der sachgerechte Umgang mit Abfällen und Abwässern,
f)
die Nutzung erneuerbarer Energien sowie die sparsame und effiziente Nutzung von Energie,
g)
die Darstellungen von Landschaftsplänen sowie von sonstigen Plänen, insbesondere des Wasser-, Abfall- und Immissionsschutzrechts,
h)
die Erhaltung der bestmöglichen Luftqualität in Gebieten, in denen die durch Rechtsverordnung zur Erfüllung von Rechtsakten der Europäischen Union festgelegten Immissionsgrenzwerte nicht überschritten werden,
i)
die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Belangen des Umweltschutzes nach den Buchstaben a bis d,
j)
unbeschadet des § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, die Auswirkungen, die aufgrund der Anfälligkeit der nach dem Bebauungsplan zulässigen Vorhaben für schwere Unfälle oder Katastrophen zu erwarten sind, auf die Belange nach den Buchstaben a bis d und i,
8.
die Belange
a)
der Wirtschaft, auch ihrer mittelständischen Struktur im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung,
b)
der Land- und Forstwirtschaft,
c)
der Erhaltung, Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen,
d)
des Post- und Telekommunikationswesens, insbesondere des Mobilfunkausbaus,
e)
der Versorgung, insbesondere mit Energie und Wasser, einschließlich der Versorgungssicherheit,
f)
der Sicherung von Rohstoffvorkommen,
9.
die Belange des Personen- und Güterverkehrs und der Mobilität der Bevölkerung, auch im Hinblick auf die Entwicklungen beim Betrieb von Kraftfahrzeugen, etwa der Elektromobilität, einschließlich des öffentlichen Personennahverkehrs und des nicht motorisierten Verkehrs, unter besonderer Berücksichtigung einer auf Vermeidung und Verringerung von Verkehr ausgerichteten städtebaulichen Entwicklung,
10.
die Belange der Verteidigung und des Zivilschutzes sowie der zivilen Anschlussnutzung von Militärliegenschaften,
11.
die Ergebnisse eines von der Gemeinde beschlossenen städtebaulichen Entwicklungskonzeptes oder einer von ihr beschlossenen sonstigen städtebaulichen Planung,
12.
die Belange des Küsten- oder Hochwasserschutzes und der Hochwasservorsorge, insbesondere die Vermeidung und Verringerung von Hochwasserschäden,
13.
die Belange von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden und ihrer Unterbringung,
14.
die ausreichende Versorgung mit Grün- und Freiflächen.

(7) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.

(8) Die Vorschriften dieses Gesetzbuchs über die Aufstellung von Bauleitplänen gelten auch für ihre Änderung, Ergänzung und Aufhebung.

(1) Eine Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften dieses Gesetzbuchs ist für die Rechtswirksamkeit des Flächennutzungsplans und der Satzungen nach diesem Gesetzbuch nur beachtlich, wenn

1.
entgegen § 2 Absatz 3 die von der Planung berührten Belange, die der Gemeinde bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen, in wesentlichen Punkten nicht zutreffend ermittelt oder bewertet worden sind und wenn der Mangel offensichtlich und auf das Ergebnis des Verfahrens von Einfluss gewesen ist;
2.
die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 3 Absatz 2, § 4 Absatz 2, § 4a Absatz 3, Absatz 4 Satz 2, nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3, auch in Verbindung mit § 13a Absatz 2 Nummer 1 und § 13b, nach § 22 Absatz 9 Satz 2, § 34 Absatz 6 Satz 1 sowie § 35 Absatz 6 Satz 5 verletzt worden sind; dabei ist unbeachtlich, wenn
a)
bei Anwendung der Vorschriften einzelne Personen, Behörden oder sonstige Träger öffentlicher Belange nicht beteiligt worden sind, die entsprechenden Belange jedoch unerheblich waren oder in der Entscheidung berücksichtigt worden sind,
b)
einzelne Angaben dazu, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind, gefehlt haben,
c)
(weggefallen)
d)
bei Vorliegen eines wichtigen Grundes nach § 3 Absatz 2 Satz 1 nicht für die Dauer einer angemessenen längeren Frist im Internet veröffentlicht worden ist und die Begründung für die Annahme des Nichtvorliegens eines wichtigen Grundes nachvollziehbar ist,
e)
bei Anwendung des § 3 Absatz 2 Satz 5 der Inhalt der Bekanntmachung zwar in das Internet eingestellt wurde, aber die Bekanntmachung und die nach § 3 Absatz 2 Satz 1 zu veröffentlichenden Unterlagen nicht über das zentrale Internetportal des Landes zugänglich gemacht wurden,
f)
bei Anwendung des § 13 Absatz 3 Satz 2 die Angabe darüber, dass von einer Umweltprüfung abgesehen wird, unterlassen wurde oder
g)
bei Anwendung des § 4a Absatz 3 Satz 4 oder des § 13, auch in Verbindung mit § 13a Absatz 2 Nummer 1 und § 13b, die Voraussetzungen für die Durchführung der Beteiligung nach diesen Vorschriften verkannt worden sind;
3.
die Vorschriften über die Begründung des Flächennutzungsplans und der Satzungen sowie ihrer Entwürfe nach §§ 2a, 3 Absatz 2, § 5 Absatz 1 Satz 2 Halbsatz 2 und Absatz 5, § 9 Absatz 8 und § 22 Absatz 10 verletzt worden sind; dabei ist unbeachtlich, wenn die Begründung des Flächennutzungsplans oder der Satzung oder ihr Entwurf unvollständig ist; abweichend von Halbsatz 2 ist eine Verletzung von Vorschriften in Bezug auf den Umweltbericht unbeachtlich, wenn die Begründung hierzu nur in unwesentlichen Punkten unvollständig ist;
4.
ein Beschluss der Gemeinde über den Flächennutzungsplan oder die Satzung nicht gefasst, eine Genehmigung nicht erteilt oder der mit der Bekanntmachung des Flächennutzungsplans oder der Satzung verfolgte Hinweiszweck nicht erreicht worden ist.
Soweit in den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 die Begründung in wesentlichen Punkten unvollständig ist, hat die Gemeinde auf Verlangen Auskunft zu erteilen, wenn ein berechtigtes Interesse dargelegt wird.

(2) Für die Rechtswirksamkeit der Bauleitpläne ist auch unbeachtlich, wenn

1.
die Anforderungen an die Aufstellung eines selbständigen Bebauungsplans (§ 8 Absatz 2 Satz 2) oder an die in § 8 Absatz 4 bezeichneten dringenden Gründe für die Aufstellung eines vorzeitigen Bebauungsplans nicht richtig beurteilt worden sind;
2.
§ 8 Absatz 2 Satz 1 hinsichtlich des Entwickelns des Bebauungsplans aus dem Flächennutzungsplan verletzt worden ist, ohne dass hierbei die sich aus dem Flächennutzungsplan ergebende geordnete städtebauliche Entwicklung beeinträchtigt worden ist;
3.
der Bebauungsplan aus einem Flächennutzungsplan entwickelt worden ist, dessen Unwirksamkeit sich wegen Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften einschließlich des § 6 nach Bekanntmachung des Bebauungsplans herausstellt;
4.
im Parallelverfahren gegen § 8 Absatz 3 verstoßen worden ist, ohne dass die geordnete städtebauliche Entwicklung beeinträchtigt worden ist.

(2a) Für Bebauungspläne, die im beschleunigten Verfahren nach § 13a, auch in Verbindung mit § 13b, aufgestellt worden sind, gilt ergänzend zu den Absätzen 1 und 2 Folgendes:

1.
(weggefallen)
2.
Das Unterbleiben der Hinweise nach § 13a Absatz 3 ist für die Rechtswirksamkeit des Bebauungsplans unbeachtlich.
3.
Beruht die Feststellung, dass eine Umweltprüfung unterbleiben soll, auf einer Vorprüfung des Einzelfalls nach § 13a Absatz 1 Satz 2 Nummer 2, gilt die Vorprüfung als ordnungsgemäß durchgeführt, wenn sie entsprechend den Vorgaben von § 13a Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 durchgeführt worden ist und ihr Ergebnis nachvollziehbar ist; dabei ist unbeachtlich, wenn einzelne Behörden oder sonstige Träger öffentlicher Belange nicht beteiligt worden sind; andernfalls besteht ein für die Rechtswirksamkeit des Bebauungsplans beachtlicher Mangel.
4.
Die Beurteilung, dass der Ausschlussgrund nach § 13a Absatz 1 Satz 4 nicht vorliegt, gilt als zutreffend, wenn das Ergebnis nachvollziehbar ist und durch den Bebauungsplan nicht die Zulässigkeit von Vorhaben nach Spalte 1 der Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung begründet wird; andernfalls besteht ein für die Rechtswirksamkeit des Bebauungsplans beachtlicher Mangel.

(3) Für die Abwägung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Flächennutzungsplan oder die Satzung maßgebend. Mängel, die Gegenstand der Regelung in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 sind, können nicht als Mängel der Abwägung geltend gemacht werden; im Übrigen sind Mängel im Abwägungsvorgang nur erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind.

(4) Der Flächennutzungsplan oder die Satzung können durch ein ergänzendes Verfahren zur Behebung von Fehlern auch rückwirkend in Kraft gesetzt werden.

(1) Die Bauleitpläne sind von der Gemeinde in eigener Verantwortung aufzustellen. Der Beschluss, einen Bauleitplan aufzustellen, ist ortsüblich bekannt zu machen.

(2) Die Bauleitpläne benachbarter Gemeinden sind aufeinander abzustimmen. Dabei können sich Gemeinden auch auf die ihnen durch Ziele der Raumordnung zugewiesenen Funktionen sowie auf Auswirkungen auf ihre zentralen Versorgungsbereiche berufen.

(3) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind (Abwägungsmaterial), zu ermitteln und zu bewerten.

(4) Für die Belange des Umweltschutzes nach § 1 Absatz 6 Nummer 7 und § 1a wird eine Umweltprüfung durchgeführt, in der die voraussichtlichen erheblichen Umweltauswirkungen ermittelt werden und in einem Umweltbericht beschrieben und bewertet werden; die Anlage 1 zu diesem Gesetzbuch ist anzuwenden. Die Gemeinde legt dazu für jeden Bauleitplan fest, in welchem Umfang und Detaillierungsgrad die Ermittlung der Belange für die Abwägung erforderlich ist. Die Umweltprüfung bezieht sich auf das, was nach gegenwärtigem Wissensstand und allgemein anerkannten Prüfmethoden sowie nach Inhalt und Detaillierungsgrad des Bauleitplans angemessenerweise verlangt werden kann. Das Ergebnis der Umweltprüfung ist in der Abwägung zu berücksichtigen. Wird eine Umweltprüfung für das Plangebiet oder für Teile davon in einem Raumordnungs-, Flächennutzungs- oder Bebauungsplanverfahren durchgeführt, soll die Umweltprüfung in einem zeitlich nachfolgend oder gleichzeitig durchgeführten Bauleitplanverfahren auf zusätzliche oder andere erhebliche Umweltauswirkungen beschränkt werden. Liegen Landschaftspläne oder sonstige Pläne nach § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe g vor, sind deren Bestandsaufnahmen und Bewertungen in der Umweltprüfung heranzuziehen.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Im Bebauungsplan können aus städtebaulichen Gründen festgesetzt werden:

1.
die Art und das Maß der baulichen Nutzung;
2.
die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen;
2a.
vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen;
3.
für die Größe, Breite und Tiefe der Baugrundstücke Mindestmaße und aus Gründen des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden für Wohnbaugrundstücke auch Höchstmaße;
4.
die Flächen für Nebenanlagen, die auf Grund anderer Vorschriften für die Nutzung von Grundstücken erforderlich sind, wie Spiel-, Freizeit- und Erholungsflächen sowie die Flächen für Stellplätze und Garagen mit ihren Einfahrten;
5.
die Flächen für den Gemeinbedarf sowie für Sport- und Spielanlagen;
6.
die höchstzulässige Zahl der Wohnungen in Wohngebäuden;
7.
die Flächen, auf denen ganz oder teilweise nur Wohngebäude, die mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung gefördert werden könnten, errichtet werden dürfen;
8.
einzelne Flächen, auf denen ganz oder teilweise nur Wohngebäude errichtet werden dürfen, die für Personengruppen mit besonderem Wohnbedarf bestimmt sind;
9.
der besondere Nutzungszweck von Flächen;
10.
die Flächen, die von der Bebauung freizuhalten sind, und ihre Nutzung;
11.
die Verkehrsflächen sowie Verkehrsflächen besonderer Zweckbestimmung, wie Fußgängerbereiche, Flächen für das Parken von Fahrzeugen, Flächen für Ladeinfrastruktur elektrisch betriebener Fahrzeuge, Flächen für das Abstellen von Fahrrädern sowie den Anschluss anderer Flächen an die Verkehrsflächen; die Flächen können auch als öffentliche oder private Flächen festgesetzt werden;
12.
die Versorgungsflächen, einschließlich der Flächen für Anlagen und Einrichtungen zur dezentralen und zentralen Erzeugung, Verteilung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung;
13.
die Führung von oberirdischen oder unterirdischen Versorgungsanlagen und -leitungen;
14.
die Flächen für die Abfall- und Abwasserbeseitigung, einschließlich der Rückhaltung und Versickerung von Niederschlagswasser, sowie für Ablagerungen;
15.
die öffentlichen und privaten Grünflächen, wie Parkanlagen, Naturerfahrungsräume, Dauerkleingärten, Sport-, Spiel-, Zelt- und Badeplätze, Friedhöfe;
16.
a)
die Wasserflächen und die Flächen für die Wasserwirtschaft,
b)
die Flächen für Hochwasserschutzanlagen und für die Regelung des Wasserabflusses,
c)
Gebiete, in denen bei der Errichtung baulicher Anlagen bestimmte bauliche oder technische Maßnahmen getroffen werden müssen, die der Vermeidung oder Verringerung von Hochwasserschäden einschließlich Schäden durch Starkregen dienen, sowie die Art dieser Maßnahmen,
d)
die Flächen, die auf einem Baugrundstück für die natürliche Versickerung von Wasser aus Niederschlägen freigehalten werden müssen, um insbesondere Hochwasserschäden, einschließlich Schäden durch Starkregen, vorzubeugen;
17.
die Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen oder für die Gewinnung von Steinen, Erden und anderen Bodenschätzen;
18.
a)
die Flächen für die Landwirtschaft und
b)
Wald;
19.
die Flächen für die Errichtung von Anlagen für die Kleintierhaltung wie Ausstellungs- und Zuchtanlagen, Zwinger, Koppeln und dergleichen;
20.
die Flächen oder Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft;
21.
die mit Geh-, Fahr- und Leitungsrechten zugunsten der Allgemeinheit, eines Erschließungsträgers oder eines beschränkten Personenkreises zu belastenden Flächen;
22.
die Flächen für Gemeinschaftsanlagen für bestimmte räumliche Bereiche wie Kinderspielplätze, Freizeiteinrichtungen, Stellplätze und Garagen;
23.
Gebiete, in denen
a)
zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestimmte Luft verunreinigende Stoffe nicht oder nur beschränkt verwendet werden dürfen,
b)
bei der Errichtung von Gebäuden oder bestimmten sonstigen baulichen Anlagen bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnahmen für die Erzeugung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung getroffen werden müssen,
c)
bei der Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von nach Art, Maß oder Nutzungsintensität zu bestimmenden Gebäuden oder sonstigen baulichen Anlagen in der Nachbarschaft von Betriebsbereichen nach § 3 Absatz 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnahmen, die der Vermeidung oder Minderung der Folgen von Störfällen dienen, getroffen werden müssen;
24.
die von der Bebauung freizuhaltenden Schutzflächen und ihre Nutzung, die Flächen für besondere Anlagen und Vorkehrungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstigen Gefahren im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sowie die zum Schutz vor solchen Einwirkungen oder zur Vermeidung oder Minderung solcher Einwirkungen zu treffenden baulichen und sonstigen technischen Vorkehrungen, einschließlich von Maßnahmen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche, wobei die Vorgaben des Immissionsschutzrechts unberührt bleiben;
25.
für einzelne Flächen oder für ein Bebauungsplangebiet oder Teile davon sowie für Teile baulicher Anlagen mit Ausnahme der für landwirtschaftliche Nutzungen oder Wald festgesetzten Flächen
a)
das Anpflanzen von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen,
b)
Bindungen für Bepflanzungen und für die Erhaltung von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen sowie von Gewässern;
26.
die Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen und Stützmauern, soweit sie zur Herstellung des Straßenkörpers erforderlich sind.

(1a) Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich im Sinne des § 1a Absatz 3 können auf den Grundstücken, auf denen Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten sind, oder an anderer Stelle sowohl im sonstigen Geltungsbereich des Bebauungsplans als auch in einem anderen Bebauungsplan festgesetzt werden. Die Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich an anderer Stelle können den Grundstücken, auf denen Eingriffe zu erwarten sind, ganz oder teilweise zugeordnet werden; dies gilt auch für Maßnahmen auf von der Gemeinde bereitgestellten Flächen.

(2) Im Bebauungsplan kann in besonderen Fällen festgesetzt werden, dass bestimmte der in ihm festgesetzten baulichen und sonstigen Nutzungen und Anlagen nur

1.
für einen bestimmten Zeitraum zulässig oder
2.
bis zum Eintritt bestimmter Umstände zulässig oder unzulässig
sind. Die Folgenutzung soll festgesetzt werden.

(2a) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) kann zur Erhaltung oder Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche, auch im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung und der Innenentwicklung der Gemeinden, in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der nach § 34 Abs. 1 und 2 zulässigen baulichen Nutzungen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können; die Festsetzungen können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unterschiedlich getroffen werden. Dabei ist insbesondere ein hierauf bezogenes städtebauliches Entwicklungskonzept im Sinne des § 1 Abs. 6 Nr. 11 zu berücksichtigen, das Aussagen über die zu erhaltenden oder zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereiche der Gemeinde oder eines Gemeindeteils enthält. In den zu erhaltenden oder zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereichen sollen die planungsrechtlichen Voraussetzungen für Vorhaben, die diesen Versorgungsbereichen dienen, nach § 30 oder § 34 vorhanden oder durch einen Bebauungsplan, dessen Aufstellung förmlich eingeleitet ist, vorgesehen sein.

(2b) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) kann in einem Bebauungsplan, auch für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans, festgesetzt werden, dass Vergnügungsstätten oder bestimmte Arten von Vergnügungsstätten zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, um

1.
eine Beeinträchtigung von Wohnnutzungen oder anderen schutzbedürftigen Anlagen wie Kirchen, Schulen und Kindertagesstätten oder
2.
eine Beeinträchtigung der sich aus der vorhandenen Nutzung ergebenden städtebaulichen Funktion des Gebiets, insbesondere durch eine städtebaulich nachteilige Häufung von Vergnügungsstätten,
zu verhindern.

(2c) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile nach § 34 und für Gebiete nach § 30 in der Nachbarschaft von Betriebsbereichen nach § 3 Absatz 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes kann zur Vermeidung oder Verringerung der Folgen von Störfällen für bestimmte Nutzungen, Arten von Nutzungen oder für nach Art, Maß oder Nutzungsintensität zu bestimmende Gebäude oder sonstige bauliche Anlagen in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass diese zulässig, nicht zulässig oder nur ausnahmsweise zulässig sind; die Festsetzungen können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unterschiedlich getroffen werden.

(2d) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) können in einem Bebauungsplan zur Wohnraumversorgung eine oder mehrere der folgenden Festsetzungen getroffen werden:

1.
Flächen, auf denen Wohngebäude errichtet werden dürfen;
2.
Flächen, auf denen nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen einzelne oder alle Wohnungen die baulichen Voraussetzungen für eine Förderung mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung erfüllen, oder
3.
Flächen, auf denen nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen sich ein Vorhabenträger hinsichtlich einzelner oder aller Wohnungen dazu verpflichtet, die zum Zeitpunkt der Verpflichtung geltenden Förderbedingungen der sozialen Wohnraumförderung, insbesondere die Miet- und Belegungsbindung, einzuhalten und die Einhaltung dieser Verpflichtung in geeigneter Weise sichergestellt wird.
Ergänzend können eine oder mehrere der folgenden Festsetzungen getroffen werden:
1.
das Maß der baulichen Nutzung;
2.
die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen;
3.
vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen;
4.
Mindestmaße für die Größe, Breite und Tiefe der Baugrundstücke;
5.
Höchstmaße für die Größe, Breite und Tiefe der Wohnbaugrundstücke, aus Gründen des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden.
Die Festsetzungen nach den Sätzen 1 und 2 können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans getroffen werden. Die Festsetzungen nach den Sätzen 1 bis 3 können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans oder für Geschosse, Ebenen oder sonstige Teile baulicher Anlagen unterschiedlich getroffen werden. Das Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans nach diesem Absatz kann nur bis zum Ablauf des 31. Dezember 2024 förmlich eingeleitet werden. Der Satzungsbeschluss nach § 10 Absatz 1 ist bis zum Ablauf des 31. Dezember 2026 zu fassen.

(3) Bei Festsetzungen nach Absatz 1 kann auch die Höhenlage festgesetzt werden. Festsetzungen nach Absatz 1 für übereinanderliegende Geschosse und Ebenen und sonstige Teile baulicher Anlagen können gesondert getroffen werden; dies gilt auch, soweit Geschosse, Ebenen und sonstige Teile baulicher Anlagen unterhalb der Geländeoberfläche vorgesehen sind.

(4) Die Länder können durch Rechtsvorschriften bestimmen, dass auf Landesrecht beruhende Regelungen in den Bebauungsplan als Festsetzungen aufgenommen werden können und inwieweit auf diese Festsetzungen die Vorschriften dieses Gesetzbuchs Anwendung finden.

(5) Im Bebauungsplan sollen gekennzeichnet werden:

1.
Flächen, bei deren Bebauung besondere bauliche Vorkehrungen gegen äußere Einwirkungen oder bei denen besondere bauliche Sicherungsmaßnahmen gegen Naturgewalten erforderlich sind;
2.
Flächen, unter denen der Bergbau umgeht oder die für den Abbau von Mineralien bestimmt sind;
3.
Flächen, deren Böden erheblich mit umweltgefährdenden Stoffen belastet sind.

(6) Nach anderen gesetzlichen Vorschriften getroffene Festsetzungen, gemeindliche Regelungen zum Anschluss- und Benutzungszwang sowie Denkmäler nach Landesrecht sollen in den Bebauungsplan nachrichtlich übernommen werden, soweit sie zu seinem Verständnis oder für die städtebauliche Beurteilung von Baugesuchen notwendig oder zweckmäßig sind.

(6a) Festgesetzte Überschwemmungsgebiete im Sinne des § 76 Absatz 2 des Wasserhaushaltsgesetzes, Risikogebiete außerhalb von Überschwemmungsgebieten im Sinne des § 78b Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes sowie Hochwasserentstehungsgebiete im Sinne des § 78d Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes sollen nachrichtlich übernommen werden. Noch nicht festgesetzte Überschwemmungsgebiete im Sinne des § 76 Absatz 3 des Wasserhaushaltsgesetzes sowie als Risikogebiete im Sinne des § 73 Absatz 1 Satz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes bestimmte Gebiete sollen im Bebauungsplan vermerkt werden.

(7) Der Bebauungsplan setzt die Grenzen seines räumlichen Geltungsbereichs fest.

(8) Dem Bebauungsplan ist eine Begründung mit den Angaben nach § 2a beizufügen.

Tatbestand

1

Die Antragstellerin wendet sich im Wege der Normenkontrolle gegen ihr Grundstück betreffende Festsetzungen eines Bebauungsplans.

2

Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks D-Straße 2 in Magdeburg.

3

Am 06.12.2007 beschloss der Stadtrat der Antragsgegnerin die Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 402-1 "Westliche Leipziger Straße/Magdeburger Ring". Planziel ist die Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche, insbesondere des außerhalb des Plangebiets liegenden Stadtteilzentrums H-Straße sowie des innerhalb des Plangebiets liegenden Nahversorgungsbereichs Leipziger Straße. Das Grundstück der Antragstellerin liegt im räumlichen Geltungsbereich dieses Bebauungsplans.

4

Der Entwurf des Bebauungsplans Nr. 402-1 in der Fassung von Juni 2013 sah eine Gliederung des Plangebiets in die Bereiche 1, 2, 2a und 3 vor. Der Bereich 1 umfasst den Nahversorgungsbereich Leipziger Straße und enthält keine Einschränkung der Zulässigkeit von zentrenrelevanten Einzelhandelseinrichtungen. Der Bereich 2 umfasst den gesamten Planbereich mit Ausnahme der Bereiche 1, 2a und 3. In diesem Bereich sind Einzelhandelseinrichtungen mit zentrenrelevanten Hauptsortimenten ausgeschlossen. Die zentrenrelevanten Sortimente wurden im Einzelnen aufgeführt. Ausnahmen vom Ausschluss des zentrenrelevanten Einzelhandels sind für kleinflächige Einzelhandelsbetriebe im Sinne des "Magdeburger Ladens" mit einer Größe der Verkaufsfläche von maximal 100 m² sowie für kleinflächige Einzelhandelsbetriebe im Sinne des "Nachbarschaftsladens" bis zu einer Größe von maximal 400 m² Verkaufsfläche in den Sortimenten Nahrungs- und Genussmittel, Drogerie- und Apothekenwaren, Zeitschriften, Blumen und zoologischer Bedarf zulässig. Im Bereich 2a, der das Grundstück der Antragstellerin umfasst, sollte außerdem ein SB (Lebensmitteldiscounter) mit einer Verkaufsfläche von maximal 677 m² zulässig sein. Im Bereich 3, in dem eine ehemalige Schraubenfabrik liegt, sind Ausnahmen vom Ausschluss des zentrenrelevanten Einzelhandels für maximal vier kleinflächige Einzelhandelsbetriebe im Sinne des "Magdeburger Ladens" mit einer Größe der Verkaufsfläche von maximal 100 m² pro Laden und für maximal einen Einzelhandelsbetrieb im Sinne des "Nachbarschaftsladens" bis zu einer Größe von maximal 400 m² Verkaufsfläche in den Sortimenten Nahrungs- und Genussmittel, Drogerie- und Apothekenwaren, Zeitschriften, Blumen und zoologischer Bedarf zulässig.

5

Am 10.10.2013 beschloss der Stadtrat der Antragsgegnerin, den Entwurf des Bebauungsplans und die Begründung öffentlich auszulegen. Im Amtsblatt der Antragsgegnerin vom 08.11.2013 wurde daraufhin bekanntgemacht, dass diese Unterlagen in der Zeit vom 18.11.2013 bis zum 18.12.2013 im Stadtplanungsamt der Antragsgegnerin zu den Dienstzeiten öffentlich auslägen. Am 05.12.2013 nahm die Antragstellerin Einsicht in die Unterlagen.

6

Mit Schreiben vom 13.12.2013 erhob die Antragstellerin gegen den Entwurf Einwendungen. Sie machte geltend, die Verkaufsflächenbegrenzung für den Bereich 2a von 677 m² könne keinen Bestand haben, weil der bereits existierende Markt eine Verkaufsfläche von 784,34 m² aufweise. Zudem sei ihr Erweiterungsinteresse zu berücksichtigen. Hinzu komme, dass der Markt den städtebaulichen Entwicklungsvorstellungen der Antragsgegnerin gar nicht widerspreche. Auch vor diesem Hintergrund sei es abwägungsfehlerhaft, ihm zu verwehren, sich entsprechend der marktüblichen Standards fortzuentwickeln. Eine Begrenzung der Verkaufsfläche auf 677 m² sei daher nicht gerechtfertigt. Auch eine Beschränkung auf den bereits genehmigten Bestand sei nicht begründbar. Die Überplanung ihres Grundstücks würde Entschädigungsansprüche nach § 42 BauGB auslösen. Dies sei bei der Entscheidung zu berücksichtigen.

7

Nachfolgend überarbeitete die Antragsgegnerin den Planentwurf und vergrößerte die zulässige Verkaufsfläche für den Bereich 2a auf 800 m².

8

Am 10.07.2014 wurde der Bebauungsplan Nr. 402-1 "Westliche Leipziger Straße/Magdeburger Ring" in der Fassung von März 2014 vom Stadtrat der Antragsgegnerin beschlossen. Im Rahmen der Abwägung wurde zu den Einwendungen der Antragstellerin ausgeführt, der genehmigte SB-Markt befinde sich zwar nicht in einem Nahversorgungsbereich, lasse aber keine negativen Auswirkungen auf den Nahversorgungsbereich Leipziger Straße erkennen. Er habe sich an dem Standort Leipziger Straße/D-Straße etabliert und diene vorwiegend der Nahversorgung des nördlichen Bereichs des Plangebiets. Um dies weiterhin zu gewährleisten, solle der SB-Markt über den reinen Bestandsschutz hinaus gesichert werden. Dafür sei die Festsetzung des Entwurfs überarbeitet und die Verkaufsfläche auf 800 m² entsprechend der Vermutungsgrenze zur Großflächigkeit begrenzt worden. Hiermit sei dem Einzelhandelsstandort die Möglichkeit geschaffen worden, sich entsprechend den marktüblichen Standards fortzuentwickeln. Ein Erweiterungsantrag der Antragstellerin liege im Bauordnungsamt vor und werde geprüft. Mit der neuen Festsetzung zur Verkaufsflächenerweiterung bis maximal 800 m² werde einer Erweiterungsmöglichkeit entsprochen, die auch nach § 34 BauGB möglich sei. Von einer Teilenteignung oder Entschädigungsansprüchen könne nicht die Rede sein.

9

Der Bebauungsplan Nr. 402-1 "Westliche Leipziger Straße/Magdeburger Ring" wurde nachfolgend am 24.07.2014 vom Oberbürgermeister der Antragsgegnerin ausgefertigt und am 01.08.2014 im Amtsblatt der Antragsgegnerin bekanntgemacht.

10

Am 04.09.2014 wurde vom Stadtrat der Antragsgegnerin der Bebauungsplan Nr. 402-4 "Östlich E-Weg" beschlossen und am 19.09.2014 im Amtsblatt der Antragsgegnerin bekanntgemacht. Der räumliche Geltungsbereich dieses Bebauungsplans liegt innerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans Nr. 402-1 "Westliche Leipziger Straße/Magdeburger Ring".

11

Am 28.11.2014 wurde der Bebauungsplan Nr. 402-1 "Westliche Leipziger Straße/Magdeburger Ring" im Amtsblatt der Antragsgegnerin erneut bekanntgemacht. Die Bekanntmachung enthielt einen Hinweis auf die am 01.07.2014 in Kraft getretene Vorschrift des § 8 Abs. 3 des Kommunalverfassungsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt (Kommunalverfassungsgesetz – KVG LSA) vom 17. Juni 2014 (GVBl. S. 288), während die Bekanntmachung vom 01.08.2014 noch einen Hinweis auf die entsprechende Vorschrift des § 6 Abs. 4 der am 01.07.2014 außer Kraft getretenen Gemeindeordnung für das Land Sachsen-Anhalt (GO LSA) enthalten hatte.

12

Eine weitere Bekanntmachung des Bebauungsplans Nr. 402-1 "Westliche Leipziger Straße/Magdeburger Ring" erfolgte im Amtsblatt der Antragsgegnerin vom 10.04.2015. Diese Bekanntmachung enthielt einen Hinweis auf den im Plangebiet befindlichen, inzwischen in Kraft getretenen Bebauungsplan Nr. 402-4 "Östlich E-Weg", der als qualifizierter Bebauungsplan den einfachen Bebauungsplan Nr. 402-1 an dieser Stelle ersetze.

13

Am 26.09.2014 hat die Antragstellerin den Normenkontrollantrag gestellt und zur Begründung ausgeführt: der Bebauungsplan Nr. 402-1 "Westliche Leipziger Straße/Magdeburger Ring" sei schon wegen Verfahrensfehlern unwirksam. Den an die öffentliche Auslegung zu stellenden Anforderungen hinsichtlich der Zugänglichkeit des Planentwurfs sei nicht entsprochen worden. Ihr Prozessbevollmächtigter, Rechtsanwalt Dr. F., sowie Herr S. und Herr T. hätten das in der öffentlichen Bekanntmachung benannte Gebäude „An der Steinkuhle 6“ am 05.12.2013 aufgesucht, um den Bebauungsplanentwurf einzusehen. In der Eingangsebene seien sie auf Nachfrage hinsichtlich der Möglichkeit der Einsichtnahme in den Bebauungsplanentwurf auf Frau C. im Planungsamt in der 6. Etage verwiesen worden. Diese habe mitgeteilt, der Entwurf habe im November ausgelegen. Auf den Hinweis, dass die öffentliche Bekanntmachung eine Auslegung bis zum 18.12.2013 ausweise, habe Frau C. mitgeteilt, dass die eigentliche Sachbearbeiterin, Frau W., nicht anwesend sei. Sie werde aber einmal nachsehen, ob sie den Entwurf finden könne. Nach einiger Zeit sei dann von Frau C. aus einem anderen Raum der Entwurf der Planzeichnung herbeigeschafft worden. Auf weitere Nachfrage sei dann nach einer noch einmal deutlich längeren Suche auch der Entwurf der Begründung herbeigeschafft worden. Diese Umstände genügten nicht den Anforderungen an die Zugänglichkeit des Entwurfs im Rahmen einer öffentlichen Auslegung. Von einem Aushang der Planunterlagen in einem Schaukasten des Baudezernats hätten mehrere Mitarbeiter des Baudezernats nichts gewusst. Zudem sei in der Auslegungsbekanntmachung nicht auf einen Aushang in einem Schaukasten hingewiesen worden. Die Möglichkeit, die auszulegenden Unterlagen im Internet einzusehen, ersetzte die öffentliche Auslegung nicht, zumal die Veröffentlichung im Internet nicht den Anforderungen des § 27a Abs. 2 VwVfG entsprochen habe. Nach dieser Vorschrift sei in der öffentlichen Bekanntmachung die Internetseite anzugeben, was hier nicht geschehen sei. Der Bebauungsplan hätte auch wegen der Änderung nach der ersten Auslegung nochmals ausgelegt werden müssen, da ihren Einwendungen hiermit nicht voll entsprochen worden sei. Sie hätte zumindest im Rahmen einer erneuten Anhörung, bevor der Bebauungsplan als Satzung beschlossen werde, noch einmal deutlich machen wollen, dass eine Erweiterung auf 800 m² nicht (mehr) marktüblichen Standards entspreche. Zudem sei die erneute Bekanntmachung vom 28.11.2014 fehlerhaft. Sie erwecke den falschen Eindruck, als erstrecke sich der räumliche Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 402-1 "Westliche Leipziger Straße/Magdeburger Ring" auch auf die vom Bebauungsplan Nr. 402-4 "Östlich E-Weg" überplante Fläche. Das sei jedoch nicht der Fall, da der einfache Bebauungsplan Nr. 402-1 gemäß § 9 Abs. 2a BauGB nur Geltung für den unbeplanten Innenbereich beanspruchen könne, während der Bebauungsplan Nr. 402-4 ein qualifizierter Bebauungsplan sei. Ab dessen Inkrafttreten erfasse der Bebauungsplan Nr. 402-1 daher nicht mehr dessen Fläche. Der Bebauungsplan leide aber auch an inhaltlichen Mängeln, die zu seiner Unwirksamkeit führten. Es fehle an einer Differenzierung nach bestimmten Arten baulicher Nutzungen i.S.d. § 9 Abs. 2a BauGB. Eine Differenzierung nach Verkaufsflächengrößen sei keine Differenzierung zwischen verschiedenen Arten baulicher Nutzungen. Es könne nur zwischen verschiedenen Einzelhandelsbetriebstypen differenziert werden, die es in der tatsächlichen Wirklichkeit gebe. Hiernach sei die Differenzierung zwischen kleinflächigen Einzelhandelsbetrieben im Sinne des Magdeburger Ladens mit einer Größe der Verkaufsfläche von maximal 100 m², kleinflächigen Einzelhandelsbetrieben im Sinne des Nachbarschaftsladens bis zu einer Größe von maximal 400 m² Verkaufsfläche mit bestimmten Sortimenten und sonstigen Einzelhandelseinrichtungen mit zentrenrelevanten Hauptsortimenten unzulässig, da die Antragsgegnerin hier einfach nur nach Größen differenziert habe. Die Festsetzungen seien auch zu unbestimmt, da nicht klar sei, was der Unterschied zwischen einem Magdeburger Laden und einem Nachbarschaftsladen in der Größenordnung bis zu 100 m² sei. Zwischen diesen beiden Definitionen gebe es vielmehr Überschneidungen. Dies sei nicht unerheblich, da in Bereich 3 maximal vier Magdeburger Läden, aber nur ein Nachbarschaftsladen zulässig sei. Zu unbestimmt sei auch die Definition der zentrenrelevanten Sortimente. So sollen Nachbarschaftsläden mit dem Sortiment Zeitschriften ausnahmsweise zulässig sein. Die Antragsgegnerin gehe also davon aus, dass Zeitschriften als zentrenrelevantes Sortiment grundsätzlich ausgeschlossen seien. Die Definition der zentrenrelevanten Sortimente enthalte das Sortiment Zeitschriften aber nicht. Daher sei die Definition zu unbestimmt. Unzulässig sei auch die für den Bereich 3 vorgenommene Kontingentierung. Zulässig seien dort nur vier Magdeburger Läden und ein Nachbarschaftsladen. Kriterien für die Verteilung der Kontingente fehlten. Damit lasse sich aus dem Bebauungsplan nicht ersehen, welche Nutzung auf den jeweiligen Grundstücken zulässig sei. Hiermit werde ein „Windhundrennen“ ausgelöst, was unzulässig sei. Eine Flächenkontingentierung sei nur zulässig, soweit nur ein einziger Einzelhandelsbetrieb in dem jeweiligen Bereich zulässig sei. Das sei aber in dem hier relevanten Bereich 3 nicht der Fall. Schließlich sei die Beschränkung der Verkaufsfläche für den Bereich 2a auf 800 m² abwägungsfehlerhaft, weil hiermit ihrem berechtigten Interesse an einer Erweiterung des Lebensmitteldiscounters auf 991 m² Verkaufsfläche nicht hinreichend Rechnung getragen werde. Die von ihr beabsichtigte Vergrößerung diene nicht dazu, das Warenangebot auszuweiten, sondern allein dazu, ihren Kunden durch optisch ansprechendere Gestaltung und breitere Gänge ein schöneres Einkaufserlebnis zu ermöglichen. Auch Discounter kämen aufgrund der gesteigerten Erwartungen der Kunden an das Einkaufserlebnis nicht mehr mit einem nicht großflächigen Verkaufsflächenkontingent aus. Es stelle daher eine Abwägungsfehleinschätzung seitens der Antragsgegnerin dar, anzunehmen, dass eine Grenze von 800 m² ein marktüblicher Standard sei. Marktüblich sei diese Fläche nicht mehr.

14

Die Antragstellerin beantragt,

15

den Bebauungsplan der Antragsgegnerin Nr. 402-1 "Westliche Leipziger Straße/Magdeburger Ring" vom 10.07.2014 für unwirksam zu erklären.

16

Die Antragsgegnerin beantragt,

17

den Antrag abzulehnen.

18

Sie macht geltend: die Auslegung des Bebauungsplanentwurfs sei ordnungsgemäß erfolgt. Die Antragstellerin habe zu den bekanntgegebenen Zeiten am angegebenen Ort ohne unzumutbare Schwierigkeiten Einsicht in die Planunterlagen nehmen können. Diese seien in der Zeit vom 18.11.2013 bis zum 18.12.2013 vollumfänglich in den Schaukästen des Baudezernats im Eingangsbereich neben dem Pförtnerbereich ausgehängt worden. Für derartige Aushänge stünden 10 Schaukästen zur Verfügung. Der Pförtner verweise bei entsprechenden Besuchern, die Einsicht in die Planunterlagen nehmen wollten, auf die Schaukästen und den zuständigen Sachbearbeiter. Es sei nicht mit unzumutbaren Schwierigkeiten für die Interessenten verbunden, beim Pförtner oder einer sonstigen zur Auskunft fähigen und bereiten Person zu erfragen, wohin man sich wenden könne. Frau C. habe den Bevollmächtigten der Antragstellerin am 05.12.2013 zusätzlich die Einsichtnahme in die betreffenden Verwaltungsvorgänge in den Diensträumen ermöglicht. Zudem habe sie darauf verwiesen, dass der Entwurf und die Begründung im Internet auf der Seite der Antragsgegnerin einsehbar seien. § 27a VwVfG sei auf Bauleitverfahren nicht anwendbar. Insoweit gelte die Spezialvorschrift des § 4a Abs. 4 BauGB. Eine erneute Auslegung sei gemäß § 4a Abs. 3 BauGB nicht erforderlich gewesen, da dem Vorbringen der Antragstellerin, die Begrenzung der Verkaufsfläche auf 677 m² sei nicht gerechtfertigt, gefolgt und die Festsetzung der Verkaufsfläche geändert worden sei. Zur Klarstellung, dass der Bebauungsplan 402-1 für den Bereich des Bebauungsplans 402-4 keine Geltung beanspruche, habe sie ersteren am 10.04.2015 nochmals bekanntgemacht. Die vorgenommene Differenzierung nach Einzelhandelsbetriebstypen sei hinreichend bestimmt. Die Anlagentypen Magdeburger Laden und Nachbarschaftsladen seien in einem Gutachten zur Ergänzung des Märktekonzepts zur Steuerung kleinflächiger Einzelhandelsbetriebe klar definiert. Hieraus ergäben sich eindeutige Abgrenzungsmerkmale, so dass es keine Überschneidungen beider Anlagentypen gebe. Auch der Katalog der zentrenrelevanten Sortimente sei hinreichend bestimmt. Das Sortiment Zeitschriften sei ein Untersortiment des Hauptsortiments Papier- und Schreibwaren. Die textlichen Festsetzungen für den Bereich 3 enthielten auch keine unzulässige Kontingentierung von Nutzungen. Unzulässig sei nur eine Kontingentierung von Verkaufsflächen, nicht aber die Festsetzung einer bestimmten Anzahl von Anlagentypen. Für die Zulässigkeit der Kontingentierung spreche auch, dass für den Bereich 3 eine einheitliche Revitalisierung als mit kleinflächigen Nutzungen unterlegtes Einkaufszentrum geplant sei. Insofern sei von einem im Eigentum eines Investors stehenden Gesamthandelsstandort auszugehen, der durch einzelne anzusiedelnde kleinflächige Nutzungsanlagen nicht die Verkaufsfläche von 800 m² und damit die Grenze der Großflächigkeit überschreiten solle. Eine Verkaufsflächenbeschränkung sei zulässig, wenn – wie hier – die gebietsbezogene und die vorhabenbezogene Verkaufsflächenbeschränkung identisch sei. Die Gefahr, dass potentielle Investoren und Bauantragsteller im Fall der Erschöpfung der festgesetzten Kontingente ausgeschlossen seien, bestehe im vorliegenden Fall nicht. Ein Abwägungsfehler liege nicht vor, soweit die maximal zulässige Verkaufsfläche für den Bereich 2a auf 800 m² festgesetzt worden sei. Die Festsetzung sei nach umfassender Abwägung des Erweiterungsinteresses der Antragstellerin mit dem öffentlichen Interesse an einer geordneten städtebaulichen Entwicklung der Einzelhandelsstandorte in der Landeshauptstadt Magdeburg unter Berücksichtigung des vorliegenden Einzelhandelskonzepts und unter Beachtung des Richtwerts für einen großflächigen Einzelhandelsbetrieb erfolgt. Auch unter Berücksichtigung der hier vorliegenden Besonderheiten des Einzelfalls erscheine eine Begrenzung für die Bestandserweiterung auf 800 m² geboten. Nach dem Magdeburger Märktekonzept befinde sich der Bereich 2a außerhalb eines Nahversorgungsbereichs. Der bestehende Markt diene der Nahversorgung des nördlichen Bereichs. Diese Funktion könne durch Festsetzung einer auf 800 m² erweiterten Verkaufsfläche auch weiterhin gewährleistet werden. Eine darüber hinausgehende Festsetzung der Verkaufsfläche würde dem Märktekonzept widersprechen. Negative Auswirkungen auf den Nahversorgungsbereich Leipziger Straße wären zu erwarten. Der Planungsträger könne sich zur städtebaulichen Rechtfertigung von Einzelhandelsausschlüssen in einem Bebauungsplan zum Zweck der Stärkung oder des Schutzes von Versorgungszentren auf kommunale Planungskonzepte beziehen.

19

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin und die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

20

Der Normenkontrollantrag hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

21

I. Der Antrag ist zulässig.

22

1. Die Antragstellerin hat den Normenkontrollantrag innerhalb der Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO gestellt. Mit dem am 26.09.2014 beim erkennenden Gericht eingegangenen Normenkontrollantrag hat die Antragstellerin die mit Ablauf des 01.08.2014, dem Datum der erstmaligen Bekanntmachung des Bebauungsplans Nr. 402-1 "Westliche Leipziger Straße/Magdeburger Ring", begonnene Jahresfrist gewahrt.

23

2. Die Antragstellerin ist auch als Eigentümerin eines im räumlichen Geltungsbereich des angegriffenen Bebauungsplans liegenden Grundstücks antragsbefugt. Der Bebauungsplan enthält Festsetzungen, die die Möglichkeiten der Antragstellerin, auf ihrem Grundstück Einzelhandel zu betreiben, beschränken. Eine Verletzung eigener Rechte der Antragstellerin durch diese Beschränkungen ist nicht von vornherein auszuschließen.

24

3. Die Antragstellerin hat im Rahmen des Auslegungsverfahrens auch Einwendungen gegen den Planentwurf vorgebracht, denen die Antragsgegnerin nicht vollständig Rechnung getragen hat, so dass auch die Präklusionsvorschrift des § 47 Abs. 2a VwGO der Zulässigkeit des Antrags nicht entgegensteht.

25

II. Der Antrag ist auch in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

26

1. Der Bebauungsplan ist formell rechtmäßig zustande gekommen.

27

a) Die öffentliche Auslegung des Entwurfs des Bebauungsplans Nr. 402-1 "Westliche Leipziger Straße/Magdeburger Ring" nebst Begründung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB sind die Entwürfe der Bauleitpläne mit der Begründung und den nach Einschätzung der Gemeinde wesentlichen, bereits vorliegenden umweltbezogenen Stellungnahmen für die Dauer eines Monats öffentlich auszulegen. Soweit zum Teil gefordert wird, die auszulegenden Unterlagen müssten an dem in der Auslegungsbekanntmachung bezeichneten Ort vollständig, sichtbar und als zusammengehörig erkennbar zugänglich sein und jeder Interessierte müsse ohne weiteres in die Unterlagen Einblick nehmen können (vgl. VGH BW, Beschl. v. 25.07.1973 – II 458/70 –, juris; Urt. v. 02.05.2005 – 8 S 582/04 –, juris RdNr. 24; OVG BBg, Urt. v. 30.04.2015 – OVG 2 A 8.13 –, juris RdNr. 24; Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 3 RdNr. 39), sind diese Anforderungen erfüllt. Die Planunterlagen nebst Begründung hingen in der Zeit vom 18.11.2013 bis zum 18.12.2013 vollumfänglich in den Schaukästen des Baudezernats im Eingangsbereich neben dem Pförtnerbereich aus. Der Aushang wurde von der Sachbearbeiterin im Sachgebiet Rechtsetzung des Stadtplanungsamtes, Frau M., mit der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten schriftlichen Erklärung vom 12.09.2016 bestätigt. Die Antragstellerin hat angesichts dessen an ihren anfänglich geäußerten Zweifeln an der Durchführung des Aushangs nicht mehr festgehalten. Auch der Senat hat hiernach keine Zweifel daran, dass der Aushang des Bebauungsplanentwurfs, wie von der Antragsgegnerin dargestellt, tatsächlich erfolgte. Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner Vertiefung, ob die auf dem Bebauungsplan enthaltene und vom Oberbürgermeister der Antragsgegnerin unterzeichnete Eintragung nach § 418 Abs. 1 ZPO als Urkunde vollen Beweis der in ihr bezeugten Tatsache erbringt, dass der Entwurf des Bebauungsplanes Nr. 402-1 und die Begründung vom 18.11.2013 bis 18.12.2013 gemäß § 3 Abs. 2 BauGB öffentlich ausgelegen haben (vgl. BVerwG, Urt. v. 07.09.1979 – BVerwG 4 C 7.77 –, juris RdNr. 23 zur Bekanntmachung). Es war der Antragstellerin auch ohne weiteres möglich, am 05.12.2013 zu den genannten Schaukästen zu gelangen und die Unterlagen dort einzusehen.

28

Soweit die Antragstellerin rügt, in der Bekanntmachung der öffentlichen Auslegung sei kein Hinweis auf den Aushang in den Schaukästen enthalten gewesen, begründet dies keinen erheblichen Mangel. Es ist nicht unzumutbar, wenn ein am Planentwurf Interessierter durch Nachfragen entweder beim Pförtner oder bei einem im Dienstgebäude zufällig anzutreffenden Bediensteten den genauen Standort der Planunterlagen ermitteln muss. Es ist ein alltäglicher Vorgang bei Behördengängen, sich bei einer auskunftsbereiten Person zu erkundigen, wohin man sich mit seinem Anliegen zu wenden hat. Das Baugesetzbuch setzt voraus, dass die zur Beteiligung aufgerufenen Bürger und sonstigen Interessierten "mündig" und in der Lage sind, sich in einem Dienstgebäude durch Nachfragen zurechtzufinden (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.01.2009 – BVerwG 4 C 16.07 –, juris RdNr. 35 unter Hinweis auf NdsOVG, Urt. v. 05.09.2007 – 1 KN 204/05 –, juris RdNr. 51). Hiernach war es der Antragstellerin zumutbar, am Tag des Aufsuchens des Gebäudes der Antragsgegnerin am 05.12.2013 bei dem Pförtner nach dem Ort der Auslegung des Bebauungsplanentwurfs zu fragen. Dieser hätte dann auch – nach den Angaben der Antragsgegnerin – auf die Schaukästen hingewiesen.

29

Selbst wenn man berücksichtigt, dass der Antragstellerin der Aushang in den Schaukästen nicht bekannt war und weder die zunächst gefragte Mitarbeiterin des Bauordnungsamtes, Frau (...), noch die Mitarbeiterin des Bauplanungsamtes, Frau C., auf den Aushang in den Schaukästen hingewiesen haben, lag eine ordnungsgemäße Auslegung der Planunterlagen vor. Soweit teilweise die Auffassung vertreten wird, die Anforderungen an eine öffentliche Auslegung i.S.d. § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB seien nicht erfüllt, wenn die Unterlagen erst auf Nachfragen und Bitten an einen Bediensteten zusammengestellt und herausgegeben werden (vgl. VGH BW, Urt. v. 02.05.2005 – 8 S 582/04 –, a.a.O.; OVG BBg, Urt. v. 30.04.2015 – OVG 2 A 8.13 –, a.a.O.; Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a.a.O., § 3 RdNr. 39), folgt der Senat dem nicht. Es erschließt sich nicht, weshalb es unzumutbar sein soll, sich bei der Einsichtnahme in Planunterlagen zunächst bei dem zuständigen Sachbearbeiter des Stadtplanungsamtes nach dem Plan zu erkundigen (vgl. SaarlOVG, Urt. v. 19.03.2015 – 2 C 382/13 –, juris RdNr. 62). Die öffentliche Auslegung eines Planentwurfs ist vielmehr bereits dann ordnungsgemäß, wenn es den Interessierten ohne unzumutbare Schwierigkeiten möglich ist, zu dem Planentwurf zu gelangen. Dass es erforderlich ist, zunächst nach dem Auslegungsexemplar zu fragen, erschwert die Einsichtnahme nicht in unzumutbarer Art und Weise (vgl. NdsOVG, Urt. v. 05.09.2007 – 1 KN 204/05 –, a.a.O.; BVerwG, Urt. v. 29.01.2009 – BVerwG 4 C 16.07 –, a.a.O.). Gemessen daran ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Antragstellerin die Planunterlagen erst auf Nachfrage ausgehändigt wurden. Die Einsichtnahme in die Unterlagen war für die Antragstellerin hierdurch nicht unzumutbar erschwert, obwohl sie nach eigenen Angaben bei Frau C. zunächst nach der dem Entwurf der Planzeichnung und dann noch einmal nach dem Entwurf der Begründung fragen musste. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die eigentlich zuständige Sachbearbeiterin, Frau W., am Tag der Einsichtnahme erkrankt und Frau C. lediglich deren Stellvertreterin war. Dies war der Antragstellerin auch bekannt, so dass Anlass zu einer gewissen Nachsicht bestand. Nach Aushändigung der Unterlagen konnte die Antragstellerin umfassend in diese Einsicht nehmen.

30

b) Ein Formfehler liegt entgegen der Ansicht der Antragstellerin auch nicht deshalb vor, weil den Anforderungen des § 27a Abs. 2 VwVfG nicht entsprochen worden sei, wonach bei einer öffentlichen Bekanntmachung im Internet in der öffentlichen Bekanntmachung die Internetseite anzugeben ist. Zu Recht weist die Antragsgegnerin darauf hin, dass § 27a VwVfG auf Bauleitplanungsverfahren keine Anwendung findet. Aus der systematischen Stellung des § 27a VwVfG im 1. Abschnitt des II. Teils des VwVfG ergibt sich, dass die Bestimmung nur in Verwaltungsverfahren i.S.d. § 9 VwVfG Anwendung findet, also bei Erlass eines Verwaltungsakts oder Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages (vgl. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl., § 27a RdNr. 16). Die Vorschrift ist auf Bauleitplanungsverfahren auch nicht analog anzuwenden, da mit § 4a Abs. 4 Satz 1 BauGB eine spezielle Vorschrift über die Beteiligung der Öffentlichkeit und der Behörden durch das Internet in der Bauleitplanung besteht.

31

c) Zu Unrecht meint die Antragstellerin, der Bebauungsplanentwurf habe nach der Änderung infolge ihrer Stellungnahme im Auslegungsverfahren erneut ausgelegt werden müssen, weil die Antragsgegnerin ihren Einwendungen nicht vollumfänglich Rechnung getragen habe. Zwar ist der Entwurf des Bauleitplans gemäß § 4a Abs. 3 Satz 1 BauGB erneut auszulegen, wenn er nach dem Verfahren nach § 3 Abs. 2 oder § 4 Abs. 2 geändert oder ergänzt wird. Damit löst im Grundsatz jede Änderung/Ergänzung des Entwurfs die Pflicht zur Wiederholung der Auslegung aus. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist jedoch anerkannt, dass das Beteiligungsverfahren nicht um seiner selbst willen zu betreiben ist. Wenn der Entwurf nach der Auslegung lediglich in solchen Punkten geändert worden ist, zu denen die betroffenen Bürger, Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange zuvor bereits Gelegenheit zur Stellungnahme hatten, die Änderungen auf einem ausdrücklichen Vorschlag eines Betroffenen beruhen und Dritte hierdurch nicht abwägungsrelevant berührt werden, besteht kein Anlass zu einer erneuten Öffentlichkeitsbeteiligung. In einer solchen Fallgestaltung wäre ein erneutes Verfahren, in welchem dem Eigentümer nochmals Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben würde, eine bloße Förmlichkeit, die nichts erbringen könnte (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.12.1987 – BVerwG 4 NB 2.87 –, juris RdNr. 21; Beschl. v. 18.04.2016 – BVerwG 4 BN 9.16 –, juris RdNr. 4; Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielen-berg/Krautzberger, a.a.O., § 4a RdNr. 20). So liegt es hier. Der Entwurf des Bebauungsplans 402-1 wurde nach der Auslegung lediglich durch die Heraufsetzung der im Bereich 2a zulässigen Verkaufsfläche von 677 m² auf 800 m² geändert, um den Einwänden der Antragstellerin jedenfalls teilweise Rechnung zu tragen. Dies beruhte auf deren Stellungnahme vom 13.12.2013 und hat für Dritte keine nachteiligen Auswirkungen. Eine erneute Auslegung des Bebauungsplanentwurfs mit dem Stand vom März 2014 wäre vor diesem Hintergrund eine reine "Förmelei" gewesen, die mit Sicherheit keine neuen Gesichtspunkte erbracht hätte und damit entbehrlich war. Der Antragsgegnerin war aufgrund des Schreibens der Antragstellerin vom 13.12.2013 und des bereits gestellten Antrags auf Genehmigung einer Verkaufsfläche von 991 m² durchaus klar, dass diese eine Erweiterung der Verkaufsfläche über 800 m² hinaus beabsichtigte und der Auffassung war, dass dies notwendig sei, um den gestiegenen Erwartungen der Kunden Rechnung zu tragen.

32

d) Auch die Bekanntmachung lässt keine Fehler erkennen. Der Bebauungsplan Nr. 402-1 "Westliche Leipziger Straße/Magdeburger Ring" wurde am 01.08.2014 im Amtsblatt der Antragsgegnerin veröffentlicht und trat damit gemäß § 10 Abs. 3 Satz 4 BauGB am gleichen Tag in Kraft. Der Hinweis auf § 6 Abs. 4 GO LSA statt auf § 8 Abs. 3 KVG LSA ist unschädlich. Auch ein Hinweis auf den Bebauungsplan Nr. 402-4 "Östlich E-Weg“ war nicht erforderlich, zumal dieser erst am 04.09.2014 vom Stadtrat der Antragsgegnerin beschlossen und am 19.09.2014 bekanntgemacht wurde. Auf die nachfolgenden Bekanntmachungen am 28.11.2014 und 10.04.2015 kommt es vor diesem Hintergrund nicht an.

33

2. Der Bebauungsplan ist auch nicht aus materiell-rechtlichen Gründen insgesamt unwirksam.

34

a) Die Festsetzungen in § 2 der textlichen Festsetzungen über den grundsätzlichen Ausschluss von Einzelhandelseinrichtungen mit zentrenrelevanten Hauptsortimenten in Bereich 2 zum Schutz zentraler Versorgungsbereiche beruhen auf § 9 Abs. 2a BauGB und lassen keine Rechtsfehler erkennen. Nach § 9 Abs. 2a Satz 1 BauGB kann für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) zur Erhaltung oder Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche, auch im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung und der Innenentwicklung der Gemeinden, in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der nach § 34 Abs. 1 und 2 zulässigen baulichen Nutzungen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können; die Festsetzungen können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unterschiedlich getroffen werden. Für den Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben bedarf es einer städtebaulichen Begründung, die sich aus der jeweiligen konkreten Planungssituation ergeben muss und die den Ausschluss rechtfertigt. Der Ausschluss muss durch hinreichend gewichtige städtebauliche Allgemeinwohlbelange in nachvollziehbarer Weise gerechtfertigt sein. Dies gilt auch für den Einzelhandelsausschluss durch einen Bebauungsplan, der – wie hier – nur Festsetzungen nach § 9 Abs. 2a BauGB enthält (vgl. BVerwG, Beschl. v. 06.08.2013 – BVerwG 4 BN 8.13 –, juris RdNr. 6; SächsOVG, Urt. v. 09.02.2016 – 1 A 415/13 –, juris RdNr. 64). Die Anforderungen des § 9 Abs. 2a BauGB an einen partiellen Einzelhandelsausschluss zentren- und nahversorgungsrelevanter Sortimente bestehen dabei nicht in besonders gewichtigen Gründen, sondern in Gründen, welche die betreffende Feindifferenzierung aus der konkreten Planungssituation heraus zu rechtfertigen vermögen. Der festgesetzte Einzelhandelsausschluss ist grundsätzlich gerechtfertigt, wenn er geeignet ist, das vom Plangeber ins Auge gefasste städtebauliche Ziel zu fördern. Davon ist grundsätzlich auszugehen, wenn in einem Zentrenkonzept die für die Funktionsfähigkeit der jeweiligen Zentren entscheidenden und mithin zentrenbildenden Sortimente festgelegt werden und diese Sortimente in einem Bebauungsplan für ein Gebiet außerhalb der Zentren ausgeschlossen werden. Weitergehende Anforderungen sind systemfremd. Denn auch bei der Verfolgung des Ziels der Stärkung von Versorgungszentren geht es nicht um punktuelle Abwehr konkreter Gefahren, sondern um planerische Lenkung und mithin eine längerfristige Beeinflussung der Entwicklung, die bereits durch den Ausschluss der für die Zentren konstitutiven Sortimente an anderer Stelle bewirkt wird. Etwas anderes kann nur in offensichtlichen Ausnahmefällen gelten, in denen der Ausschluss zentrenbildender Sortimente keinerlei Beitrag zum Zentrenschutz leisten kann. Insoweit knüpft die Ermächtigung in § 9 Abs. 2a BauGB zu bestimmten Festsetzungen im Bebauungsplan nicht daran an, dass schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche zu besorgen sind (vgl. BVerwG, Beschl. v. 15.05.2013 – BVerwG 4 BN 1.13 –, juris RdNr. 11). Im Fall eines Einzelhandelsausschlusses für zentren- und nahversorgungsrelevante Sortimente kann der Plangeber sich die rechtfertigende Wirkung des Plankonzepts – des städtebaulichen Entwicklungskonzepts im Sinne des § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB – zunutze machen, sofern die Festsetzungen des Bebauungsplans jedenfalls geeignet sind, einen Beitrag zur Förderung des Plankonzepts zu leisten (vgl. SächsOVG, Urt. v. 09.02.2016 – 1 A 415/13 –, a.a.O. RdNr. 65).

35

Im vorliegenden Fall nimmt die Antragsgegnerin bei der Begründung der Festsetzungen des Bebauungsplans Bezug auf das "Magdeburger Märktekonzept" der Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung mbH (GMA), L-Stadt, von Dezember 2007 sowie das hierin definierte zentrenrelevante Einzelhandelssortiment und begründet den Ausschluss des Einzelhandels mit zentrenrelevantem Hauptsortiment im Bereich 2 mit dem Schutz insbesondere des Nahversorgungsbereichs Leipziger Straße, aber auch des Stadtteilzentrums H- Straße. Dies entspricht dem im Magdeburger Märktekonzept entworfenen Zentrengefüge der Landeshauptstadt Magdeburg. Die Festsetzungen des Bebauungsplans sind jedenfalls geeignet, einen Beitrag zum Schutz des Stadtteilzentrums sowie des Nahversorgungsbereichs zu leisten. Die Anforderungen an die Rechtfertigung eines Einzelhandelsausschlusses sind damit erfüllt. Auch von der Antragstellerin werden insoweit keine Einwände geltend gemacht.

36

b) Auch die in § 3 Abs. 1 der textlichen Festsetzungen vorgesehene Ausnahme für kleinflächige Einzelhandelsbetriebe im Sinne des "Magdeburger Ladens" mit einer Größe der Verkaufsfläche von maximal 100 m² ist zulässig. Es handelt sich insoweit um eine Regelung gemäß § 9 Abs. 2a Satz 1 BauGB über die ausnahmsweise Zulässigkeit bestimmter Arten baulicher Nutzungen.

37

Zwar handelt es sich bei der Differenzierung zwischen Einzelhandelsbetrieben nach der Größe der Verkaufsfläche nicht um eine Differenzierung nach bestimmten Arten von Nutzungen i.S.d. § 1 Abs. 5 BauNVO (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.05.1987 – BVerwG 4 C 77.84 –, juris RdNr. 19). Bestimmte Arten von Nutzungen i.S.d. § 1 Abs. 5 BauNVO sind etwa Einzelhandelsbetriebe, nicht aber Einzelhandelsbetriebe bis zu oder ab einer bestimmten Verkaufsflächengröße. Die nach § 9 Abs. 2a BauGB zulässigen Differenzierungen sind jedoch nicht auf bauliche Nutzungen i.S.d. § 1 Abs. 5 BauNVO beschränkt. Vielmehr lässt § 9 Abs. 2a BauGB auch eine Differenzierung nach Unterarten baulicher Nutzungen i.S.d. § 1 Abs. 9 BauNVO zu, also nach bestimmten Arten baulicher Anlagen. Eine Beschränkung der Differenzierungsmöglichkeiten auf Nutzungsarten i.S.d. § 1 Abs. 5 BauNVO ergibt sich aus dem Wortlaut des § 9 Abs. 2a BauGB nicht. Die Vorschrift ist sowohl für § 1 Abs. 5 BauNVO als auch für § 1 Abs. 9 BauNVO offen. Zudem ergibt sich aus den Gesetzgebungsmaterialien, dass der Regelungsgehalt des § 9 Abs. 2a BauGB an § 1 Abs. 5, 8 und 9 BauNVO angelehnt ist (vgl. BT-Drs. 16/2496, S. 11; dazu OVG RP, Urt. v. 02.09.2009 – 8 A 11057/08 –, juris RdNr. 25; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a.a.O., § 9 RdNr. 242f).

38

§ 1 Abs. 9 BauNVO gestattet es über § 1 Abs. 5 BauNVO hinaus, einzelne Unterarten von Nutzungen mit planerischen Festsetzungen zu erfassen. Ziel des § 1 Abs. 9 BauNVO ist es, die allgemeinen Differenzierungsmöglichkeiten der Baugebietstypen nochmals einer „Feingliederung" unterwerfen zu können, falls sich hierfür besondere städtebauliche Gründe ergeben. Das "Besondere" an den städtebaulichen Gründen besteht nicht notwendig darin, dass die Gründe von größerem oder im Verhältnis zu § 1 Abs. 5 BauNVO zusätzlichem Gewicht sein müssen. Vielmehr ist mit "besonderen" städtebaulichen Gründen gemeint, dass es spezielle Gründe gerade für die gegenüber Absatz 5 noch feinere Ausdifferenzierung der zulässigen Nutzungen geben muss (vgl. BVerwG, Beschl. v. 04.10.2007 – BVerwG 4 BN 39.07 – juris RdNr. 5). Gegenstand einer solchen Festsetzung können bestimmte Anlagentypen sein. Hiernach kann die Zulässigkeit auch nach der Größe der Anlagen, wie etwa der Verkaufs- oder der Geschossfläche von Handelsbetrieben, unterschiedlich geregelt werden. Den Anforderungen des § 1 Abs. 9 BauNVO entspricht eine solche Planung allerdings nur, wenn durch die Größenangabe bestimmte Arten von baulichen oder sonstigen Anlagen zutreffend gekennzeichnet werden. Betriebe, bei denen die Verkaufs- oder die Geschossfläche eine bestimmte Größe überschreitet, sind nicht schon allein deshalb auch "bestimmte Arten" im Sinne des § 1 Abs. 9 BauNVO. Die Begrenzung der höchstzulässigen Verkaufs- oder Geschossfläche trägt die Umschreibung eines bestimmten Anlagentyps nicht gleichsam in sich selbst. Vielmehr muss die Gemeinde darlegen, warum Betriebe unter bzw. über den von ihr festgesetzten Größen generell oder doch jedenfalls unter Berücksichtigung der besonderen örtlichen Verhältnisse einem bestimmten Anlagentyp entsprechen (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.05.1987 – BVerwG 4 C 77.84 –, a.a.O. RdNr. 20; Beschl. v. 17.07.2001 – BVerwG 4 B 55.01 –, juris RdNr. 4; Beschl. v. 18.02.2009 – BVerwG 4 B 54.08 –, juris RdNr. 7). Die Planungsfreiheit der Gemeinden ist dadurch begrenzt, dass sich die Differenzierungen auf bestimmte Anlagentypen beziehen müssen, die es in der sozialen und ökonomischen Realität bereits gibt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 05.06.2014 – BVerwG 4 BN 8.14 –, juris RdNr. 10).

39

Gemessen daran sind die im Bereich 2 vorgesehenen Ausnahmen für kleinflächige Einzelhandelsbetriebe im Sinne des "Magdeburger Ladens" mit einer Größe der Verkaufsfläche von maximal 100 m² rechtlich nicht zu beanstanden. Bei dem "Magdeburger Laden" handelt es sich um einen im Stadtgebiet der Antragsgegnerin vorkommenden Anlagentyp i.S.d. § 1 Abs. 9 BauNVO, der nach § 9 Abs. 2a BauGB ausnahmsweise zugelassen werden kann. Die Ergänzung des Märktekonzepts der GMA für die Landeshauptstadt Magdeburg zur Steuerung kleinflächiger Einzelhandelsbetriebe von April 2012 hat einen in Magdeburg vorhandenen Anlagentyp "Magdeburger Laden" mit einer Verkaufsfläche von bis zu 100 m² als Unterart der Einzelhandelsbetriebe mit zentrenrelevanten Sortimenten plausibel ermittelt. Ausgangspunkt ist die durchschnittliche Verkaufsfläche der im Stadtgebiet insgesamt vorhandenen Betriebe mit zentrenrelevanten Sortimenten (Tabelle 2). Hierbei wurde festgestellt, dass in der Kategorie Verkaufsfläche bis 100 m² in Magdeburg insgesamt 1.039 Betriebe vorzufinden waren, die einen Anteil von 71 % am Gesamtbestand der Betriebe ausmachen. Eigenschaften des Anlagentyps "Magdeburger Laden" sind nach der Beschreibung in dieser Ergänzung zum Magdeburger Märktekonzept das Angebot zentrenrelevanter Sortimente, eine städtebaulich integrierte Lage, vermehrt in Wohn und Mischgebieten nicht gewerblicher Prägung, eine Verkaufsfläche von maximal 100 m² sowie der Umstand, dass er traditionell als Funktionsunterlagerung im Erdgeschoss von Wohn- und Geschäftshäusern bzw. in Großwohnsiedlungen oftmals als Teil einer kleinen Ladenzeile dient. Die Größe der Verkaufsfläche von maximal 100 m² lässt sich nach den plausiblen Erläuterungen der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung aus der städtebaulich integrierten Lage ableiten, wonach sich die "Magdeburger Läden" regelmäßig in straßenbegleitend errichteten Gebäuden mit einer Breite von maximal ca. 10 m und einer Bebauungstiefe von ebenfalls maximal ca. 10 m befinden. Damit kann der "Magdeburger Laden" als besonderer, in der sozialen und ökonomischen Realität in Magdeburg tatsächlich vorkommender Anlagentyp i.S.d. § 1 Abs. 9 BauNVO angesehen werden. Es handelt sich hierbei nicht lediglich um einen Begriff, mit dem Läden bis zu 100 m² beschrieben werden, die zentrenrelevante Sortimente anbieten (a.A. für den "Leipziger Laden" jedoch: SächsOVG, Urt. v. 09.02.2016 – 1 A 415/13 –, a.a.O. RdNr. 84). Die Zulassung von Ausnahmen für die Magdeburger Läden hat die Antragsgegnerin auch plausibel damit begründet, dass damit sichergestellt werden soll, dass das Ziel des Zentrenschutzes mit dem Ziel der optimalen Nahversorgung nicht unnötig kollidiert und die Nutzungsmöglichkeiten der betroffenen Grundstücke nicht über das erforderliche Maß hinaus beschränkt werden. Die Festsetzungen gestatteten ausreichend Spielraum für die Ansiedlung weiterer kleinerer Läden zur Gebietsversorgung ohne den Bestand und die Entwicklung des Nahversorgungszentrums Leipziger Straße zu gefährden.

40

c) Die in § 3 Abs. 2 der textlichen Festsetzungen ebenfalls vorgesehene Ausnahme für kleinflächige Einzelhandelsbetriebe im Sinne des "Nachbarschaftsladens" bis zu einer Größe von maximal 400 m² Verkaufsfläche in den Sortimenten Nahrungs- und Genussmittel, Drogerie- und Apothekenwaren, Zeitschriften, Blumen und zoologischer Bedarf ist demgegenüber unzulässig. Die Antragsgegnerin hat nicht hinreichend dargelegt, dass es sich auch insoweit um einen eigenständigen Anlagen- und Betriebstyp handelt, der gemäß § 9 Abs. 2a BauGB i.V.m. § 1 Abs. 9 BauNVO einer gesonderten Regelung unterworfen werden kann. Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass auch ein Einzelhandelsbetrieb mit einer Nutzfläche von höchstens 400 m² als "Nachbarschaftsladen" ein festsetzungsfähiger Anlagentyp i.S.d. § 1 Abs. 9 BauNVO sein kann (vgl. BVerwG, Beschl. v. 08.11.2004 – BVerwG 4 BN 39.04 –, juris RdNr. 28; Beschl. v. 18.02.2009 – BVerwG 4 B 54.08 –, a.a.O.; Beschl. v. 26.07.2011 – BVerwG 4 BN 9.11 –, juris RdNr. 6). Das setzt aber – wie bereits ausgeführt – voraus, dass Betriebe unter bzw. über den von der Gemeinde festgesetzten Größen generell oder doch jedenfalls unter Berücksichtigung der besonderen örtlichen Verhältnisse einem bestimmten Anlagentyp entsprechen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 26.07.2011 – BVerwG 4 BN 9.11 –, a.a.O.). Davon kann im Hinblick auf den "Nachbarschaftsladen" bis zu einer Größe von 400 m² Verkaufsfläche in den Sortimenten Nahrungs- und Genussmittel, Drogerie- und Apothekenwaren, Zeitschriften, Blumen und zoologischer Bedarf jedenfalls in Magdeburg nicht die Rede sein. Nach der Erfassung der durchschnittlichen Verkaufsfläche von Betrieben mit zentrenrelevanten Sortimenten in der GMA-Studie "Ergänzung zur Steuerung kleinflächiger Einzelhandelsbetriebe" von April 2012 gibt es zwar in der Kategorie bis 400 m² in Magdeburg 1.273 Betriebe, die einen Anteil von 87 % am Gesamtbestand ausmachen. Allerdings sind hierin bereits 1.039 Betriebe (71 % des Gesamtbestandes) enthalten, die den Typus "Magdeburger Laden" ausmachen. Zudem liegt die durchschnittliche Verkaufsfläche der Betriebe bis 400 m² bei 73 m². Die eigenständige Kategorie "Nachbarschaftsladen" umfasst damit ohne die "Magdeburger Läden" lediglich 234 Betriebe, die lediglich ca. 16 % des Gesamtbestandes umfassen und deren durchschnittliche Verkaufsfläche unbekannt ist. Vor diesem Hintergrund kann nicht festgestellt werden, dass es in Magdeburg neben dem Betriebstyp "Magdeburger Laden" einen weiteren Anlagentyp des "Nachbarschaftsladens" im oben beschriebenen Sinne gibt.

41

Die Unwirksamkeit der Festsetzung der Ausnahmen für "Nachbarschaftsläden" führt jedoch nicht zur Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans Nr. 402-1 "Westliche Leipziger Straße/Magdeburger Ring". Mängel, die einzelnen Festsetzungen eines Bebauungsplans anhaften, führen nicht zu dessen Gesamtnichtigkeit, wenn – erstens – die übrigen Regelungen, Maßnahmen oder Festsetzungen für sich betrachtet noch eine sinnvolle städtebauliche Ordnung im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB bewirken können und – zweitens – die Gemeinde nach ihrem im Planungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen im Zweifel auch eine Satzung dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte (BVerwG, Urt. v. 11.09.2014 – BVerwG 4 CN 3.14 – juris, RdNr. 26). Diese Grundsätze lassen sich auf Festsetzungen nach § 1 Abs. 9 BauNVO übertragen, wenn die Art der baulichen Nutzung (hier: Einzelhandel), die in dem Baugebiet allgemein oder ausnahmsweise zulässig oder unzulässig sein soll, mehrere Unterarten umfasst, die auf der Grundlage von § 1 Abs. 5 und 9 BauNVO jeweils Gegenstand einer selbstständigen Festsetzung sein könnten. In solchen Fällen kann die Festsetzung ihrem Inhalt nach teilbar sein (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.02.2009 – BVerwG 4 B 54.08 –, a.a.O. RdNr. 5). So liegt es hier. Der mit den Ausnahmen für kleinflächige Einzelhandelsbetriebe im Bereich 2 beabsichtigte Zweck, sicherzustellen, dass das Ziel des Zentrenschutzes mit dem Ziel der optimalen Nahversorgung nicht unnötig kollidiert und die Nutzungsmöglichkeiten der betroffenen Grundstücke nicht über das erforderliche Maß hinaus beschränkt werden, lässt sich auch mit Ausnahmen allein für "Magdeburger Läden" erreichen. Darüber hinaus ist anzunehmen, dass die Antragsgegnerin die Satzung im Zweifel auch ohne die Regelungen für "Nachbarschaftsläden" beschlossen hätte. In der Ergänzung zum Magdeburger Märktekonzept zur Steuerung kleinflächiger Einzelhandelsbetriebe, auf der die Festsetzung der Ausnahmen beruhen, steht die Definition des "Magdeburger Ladens" anhand der in Magdeburg tatsächlich vorzufindenden Verhältnisse im Vordergrund. Auch in der Begründung des Bebauungsplans wird unter Nr. 5.3 besonders der "Magdeburger Laden" hervorgehoben. Im Hinblick auf den "Nachbarschaftsladen" wird demgegenüber in der Ergänzung zum Magdeburger Märktekonzept in erster Linie darauf hingewiesen, dass dieser als weiterer festsetzungsfähiger Betriebstyp in der aktuellen Rechtsprechung Anwendung finde, ohne dessen Vorkommen in Magdeburg näher nachzuweisen. Dies lässt den Schluss zu, dass es der Antragsgegnerin vor allem auf die Zulassung von Ausnahmen für "Magdeburger Läden" ankam, während die zusätzlichen Ausnahmen für "Nachbarschaftsläden" nur ergänzenden Charakter haben, auf die im Zweifel auch verzichtet werden kann.

42

d) Zu Unrecht beanstandet die Antragstellerin die fehlende Bestimmtheit der Festsetzungen über die Ausnahmen für "Magdeburger Läden und "Nachbarschaftsläden" (dazu aa) sowie der als zentrenrelevant definierten Sortimente (dazu bb).

43

aa) Die Begriffe "Magdeburger Laden" und "Nachbarschaftsladen" wurden in der Begründung des Bebauungsplans, Stand: März 2014, hinreichend genau definiert. In der Begründung der Festsetzungen für den Bereich 2 unter Nr. 5.4 werden als Merkmale des Anlagentyps "Magdeburger Laden" genannt:

44
Hauptsortimente: zentrenrelevante Sortimente
45
Lage: städtebaulich integriert, vermehrt in Wohn- und Mischgebieten nicht gewerblicher Prägung
46
Größe: max. 100 m² Verkaufsfläche
47
traditionell als Funktionsunterlagerung im Erdgeschoss von Wohn- und Wohn- und Geschäftshäusern.
48

Diese Definition stimmt im Wesentlichen mit den Merkmalen des "Magdeburger Ladens" überein, die in der Ergänzung des Magdeburger Märktekonzepts zur Steuerung kleinflächiger Einzelhandelsbetriebe genannt werden. Anhand dieser Merkmale kann im Einzelfall hinreichend genau festgestellt werden, ob ein "Magdeburger Laden" vorliegt, für den eine Ausnahme vom Ausschluss des zentrenrelevanten Einzelhandels zulässig ist.

49

Als Merkmale des "Nachbarschaftsladens" werden in der Begründung des Bebauungsplans genannt:

50
Beschränkung der Verkaufsfläche auf max. 400 m²
51
unmittelbare fußläufige Erreichbarkeit und der Gebietsversorgung dienend
52
Angebotsschwerpunkt im kurzfristigen Bereich.
53

Zusätzlich kann auf die in der Ergänzung des Magdeburger Märktekonzepts zur Steuerung kleinflächiger Einzelhandelsbetriebe genannten Merkmale des "Nachbarschaftsladens" zurückgegriffen werden:

54
Hauptsortimente: Sortimente des periodischen Bedarfs wie z.B. Nahrungs- und Genussmittel, Drogerie- und Apothekenwaren, Zeitschriften, Blumen, zoologischer Bedarf und ausschnittsweise ergänzt durch Sortimente des aperiodischen Bedarfs
55
oftmals in Ergänzung mit Dienstleistungen wie Bank(-automat), Post, Reinigung, Lotterie-Annahmestelle
56
Lage: städtebaulich integriert in Streulagen außerhalb der definierten zentralen Versorgungsbereiche, vermehrt in Wohn- und Mischgebieten nicht gewerblicher Prägung
57
Größe: max. 400 m² Verkaufsfläche.
58

Auch diese Merkmale dürften eine hinreichend genaue Umschreibung der hiermit gemeinten kleinflächigen Einzelhandelsbetriebe bieten. Dies bedarf indessen keiner Vertiefung, da die Festsetzung von Ausnahmen für "Nachbarschaftsläden" – wie bereits ausgeführt – deshalb unzulässig ist, weil die Antragsgegnerin nicht hinreichend dargelegt hat, dass es sich insoweit um einen eigenständigen, in Magdeburg vorkommenden Anlagentyp i.S.d. § 1 Abs. 9 BauNVO handelt.

59

Die Festsetzungen des Bebauungsplans sind auch nicht deshalb zu unbestimmt, weil sich die Anlagentypen "Magdeburger Laden" und "Nachbarschaftsladen" bei einer Verkaufsfläche bis zu 100 m² teilweise überschneiden und für den Bereich 3 Ausnahmen für 4 "Magdeburger Läden" und einen "Nachbarschaftsladen" vorgesehen sind. Zwar trifft es zu, dass sich die Definitionen von "Magdeburger Läden" und "Nachbarschaftsläden" bis zu einer Größe der Verkaufsfläche von 100 m² teilweise überschneiden. Das führt jedoch nicht zur fehlenden Bestimmtheit der Festsetzungen der Ausnahmen für den Bereich 3. Die Regelung ist dahin zu verstehen, dass maximal 4 Läden mit einer Verkaufsfläche bis zu 100 m² und ein Laden mit einer Verkaufsfläche bis zu 400 m², insgesamt höchstens 800 m² Verkaufsfläche, zulässig sein sollen. Der Schwerpunkt der Festsetzungen liegt in den jeweiligen Obergrenzen für die Verkaufsfläche. Daher ist auf der Grundlage der Festsetzungen für den Bereich 3 auch dann, wenn bereits Ausnahmen für 4 Läden mit einer Verkaufsfläche von bis zu 100 m² zugelassen worden sind, in jedem Fall noch ein "Nachbarschaftsladen" mit einer Verkaufsfläche von bis zu 400 m² zulässig, selbst wenn die bereits zugelassenen Läden nach Maßgabe der Begründung des Bebauungsplans sowohl als "Magdeburger Laden" als auch als "Nachbarschaftsladen" qualifiziert werden können. Auch dies bedarf keiner Vertiefung, da die Ausnahmen für "Nachbarschaftsläden" bereits aus anderen Gründen unzulässig sind.

60

bb) Auch die zentrenrelevanten Sortimente wurden in dem Bebauungsplan hinreichend genau definiert. Insoweit findet sich unter § 2 der textlichen Festsetzungen eine abschließende Aufzählung. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass das Sortiment "Zeitschriften" in § 2 nicht als zentrenrelevant aufgeführt ist, unter §§ 3 und 4 aber gleichwohl als Sortiment eines Nachbarschaftsladens in den Bereichen 2 und 3 für ausnahmsweise zulässig erklärt wird. Dieser Umstand führt lediglich zu der Frage, ob das in § 2 enthaltene Sortiment Papier- und Schreibwaren das Sortiment Zeitschriften mit umfasst, ob also – wie die Antragsgegnerin meint – das Sortiment Zeitschriften ein Teil des Sortiments Papier- und Schreibwaren ist. Dies ist eine Frage der Auslegung, nicht der Bestimmtheit. Insoweit ist von Bedeutung, dass die Klassifikation der Wirtschaftszweige des Statistischen Bundesamtes (WZ 2008) unter Nr. 47.62.1 den Einzelhandel mit Zeitschriften und Zeitungen und unter Nr. 47.62.2 den Einzelhandel mit Schreib- und Papierwaren, Schul- und Büroartikeln aufführt, hierin also unterschiedliche Wirtschaftszweige sieht. Dies dürfte dafür sprechen, dass es sich insoweit auch um verschiedene Einzelhandelssortimente handelt mit der Folge, dass in den Bereichen 2 und 3 zwar das Sortiment Papier- und Schreibwaren, nicht aber das Sortiment Zeitschriften und Zeitungen ausgeschlossen ist.

61

e) Die Regelungen in § 4 der textlichen Festsetzungen für den Bereich 3 sind unwirksam, da sie eine unzulässige Verkaufsflächenkontingentierung enthalten. Die Festsetzung gebietsbezogener Verkaufsflächenbeschränkungen ist unzulässig, soweit diese nicht mit einer vorhabenbezogenen Verkaufsflächenbeschränkung identisch ist. Einer Gemeinde ist es nicht gestattet, durch eine betriebsunabhängige Festsetzung von Verkaufsflächenobergrenzen für alle in einem Sondergebiet ansässigen oder zulässigen Einzelhandelsbetriebe das System der vorhabenbezogenen Typisierung zu verlassen, auf dem die Vorschriften der Baunutzungsverordnung zur Art der baulichen Nutzung beruhen. Eine Kontingentierung von Verkaufsflächen, die auf ein Sondergebiet insgesamt bezogen ist, öffnet das Tor für sogenannte "Windhundrennen" potentieller Investoren und Bauantragsteller und schließt die Möglichkeit ein, dass Grundeigentümer im Fall der Erschöpfung des Kontingents von der kontingentierten Nutzung ausgeschlossen sind. Dieses Ergebnis widerspricht dem der Baugebietstypologie (§§ 2 bis 9 BauNVO) zugrunde liegenden Regelungsansatz, demzufolge im Geltungsbereich eines Bebauungsplans im Grunde jedes Baugrundstück für jede nach dem Nutzungskatalog der jeweiligen Baugebietsvorschrift zulässige Nutzung soll in Betracht kommen können (vgl. BVerwG, Urt. v. 03.04.2008 – BVerwG 4 CN 3.07 –, juris RdNr. 17). Daher ist insbesondere die Festsetzung einer baugebietsbezogenen, vorhabenunabhängigen Verkaufsflächenobergrenze zur Steuerung des Einzelhandels in einem Sondergebiet mangels Rechtsgrundlage unzulässig (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.03.2010 – BVerwG 4 CN 3.09 –, juris RdNr. 23). Ob das Grundeigentum im Plangebiet zum Zeitpunkt des Beschlusses über den Bebauungsplan in einer Hand liegt, spielt keine Rolle (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11.11.2009 – BVerwG 4 BN 63.09 –, juris RdNr. 3). Eine baugebietsbezogene Verkaufsflächenbegrenzung kann (als Festsetzung der Art der baulichen Nutzung) ausnahmsweise auf § 11 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 BauNVO gestützt werden, wenn in dem in Rede stehenden Sondergebiet nur ein einziger Handelsbetrieb zulässig ist. Dann ist die gebietsbezogene mit der vorhabenbezogenen Verkaufsflächenbeschränkung identisch (vgl. BVerwG, Beschl. v. 06.08.2013 – BVerwG 4 BN 24.13 –, juris RdNr. 4). Diese zu Sondergebieten i.S.d. § 11 BauNVO entwickelte Rechtsprechung lässt sich auf Regelungen i.S.d. § 9 Abs. 2a BauGB übertragen, nach denen Ausnahmen von einem zum Schutz zentraler Versorgungsbereiche festgesetzten Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben zugelassen werden können. Auch insoweit ist eine Kontingentierung von Verkaufsflächen, die auf den Geltungsbereich des Bebauungsplans insgesamt oder auf einen Teilbereich hiervon bezogen sind, unwirksam, wenn nicht in dem betreffenden Teilbereich nur ein einziger Handelsbetrieb zulässig ist, so dass die gebietsbezogene mit der vorhabenbezogenen Verkaufsflächenbeschränkung identisch ist.

62

Nach diesen Grundsätzen sind die Festsetzungen für den Bereich 3 unwirksam, da sie eine unzulässige Kontingentierung der Verkaufsfläche enthalten, die gebietsbezogen, aber nicht vorhabenbezogen ist. Nach den Festsetzungen für den Bereich 3 sind Ausnahmen vom Ausschluss des zentrenrelevanten Einzelhandels für maximal vier kleinflächige Einzelhandelsbetriebe im Sinne des "Magdeburger Ladens" mit einer Größe der Verkaufsfläche von maximal 100 m² pro Laden und für maximal einen Einzelhandelsbetrieb im Sinne des "Nachbarschaftsladens" bis zu einer Größe von maximal 400 m² Verkaufsfläche zulässig. Hiermit wird für den Bereich 3 eine maximal zulässige Verkaufsfläche von 800 m² festgesetzt, die nicht vorhabenbezogen ist, sondern für den gesamten Bereich gilt, in dem mehr als nur ein Einzelhandelsbetrieb zugelassen werden kann. Ohne Belang ist, dass die Antragstellerin für den Bereich 3 eine Revitalisierung durch ein Einkaufszentrum durch einen Investor ins Auge gefasst hat, denn hierdurch wird aus der gebietsbezogenen Verkaufsflächenkontingentierung keine vorhabenbezogene.

63

Auch die Unwirksamkeit der Festsetzung für den Bereich 3 führt nicht zur Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans Nr. 402-1 "Westliche Leipziger Straße/Magdeburger Ring". Der mit dem grundsätzlichen Einzelhandelsausschluss beabsichtigte Schutz insbesondere des Nahversorgungsbereichs Leipziger Straße lässt sich auch ohne die Sonderregelungen für den Bereich 3 erreichen. Zwar hatten diese Sonderregelungen nach der Begründung des Bebauungsplans den Zweck, durch weitere Einschränkungen bezüglich der Anzahl und der Ausdehnung der Einzelhandelsbetriebe "Magdeburger Laden" und "Nachbarschaftsladen" zu verhindern, dass durch eine Agglomeration mehrere kleiner Läden in dem Bereich 3 ein neuer Nahversorgungsbereich entsteht, der den bestehenden Nahversorgungsbereich in der Leipziger Straße gefährden würde. Hierbei handelt es sich indessen nur um ein Detail des Schutzkonzepts der Antragsgegnerin. Bei einer Teilunwirksamkeit des Bebauungsplans im Hinblick auf die in den textlichen Festsetzungen unter § 4 getroffene Regelung verbleibt es für den Bereich 3 bei dem grundsätzlichen Ausschluss von zentrenrelevanten Einzelhandelseinrichtungen gemäß § 2, verbunden mit der Möglichkeit, kleinflächige Einzelhandelsbetriebe ausnahmsweise zuzulassen. Dies ist noch hinreichend geeignet, den Nahversorgungsbereich Leipziger Straße zu schützen. Dies folgt daraus, dass die Antragsgegnerin in der Begründung der Festsetzungen des Bebauungsplans zu Recht davon ausgeht, dass bei der Ermessensentscheidung über die ausnahmsweise Zulassung von kleinflächigen Einzelhandelsbetrieben im Einzelfall zu prüfen ist, welche Auswirkungen auf die angestrebte Versorgungsstruktur auftreten. Insbesondere ist zu prüfen, ob bei der Aufsummierung von mehreren Einzelhandelsbetrieben an einem Ort (Einzelhandelsagglomeration) die Gefahr negativer Auswirkungen auf das Nahversorgungszentrum Leipziger Straße besteht. Hierdurch ist der beabsichtigte Schutz dieses Nahversorgungszentrums auch ohne die Sonderregelungen für den Bereich 3 gewährleistet. Zudem ist anzunehmen, dass die Antragsgegnerin die Satzung im Zweifel auch ohne die Regelungen für den Bereich 3 beschlossen hätte. In der Ergänzung zum Magdeburger Märktekonzept zur Steuerung kleinflächiger Einzelhandelsbetriebe wird der Bereich 3 nicht erwähnt. In der Begründung des Bebauungsplans wird die Sonderregelung für den Bereich 3 mit einer Verstärkung des Schutzes für den Nahversorgungsbereich Leipziger Straße durch eine Verhinderung einer Agglomeration kleinerer Läden gerechtfertigt, die jedoch, wie bereits ausgeführt, auch über eine entsprechende Ermessenspraxis bei der Zulassung von Ausnahmen für kleinflächige Einzelhandelsbetriebe erreicht werden kann. Vor diesem Hintergrund kann angenommen werden, dass die Antragsgegnerin auf die zusätzlichen Beschränkungen für Magdeburger Läden und Nachbarschaftsläden im Bereich 3 im Zweifel verzichtet hätte.

64

f) Der Bebauungsplan Nr. 402-1 "Westliche Leipziger Straße/Magdeburger Ring" ist auch nicht deshalb unwirksam, weil die Antragsgegnerin abwägungsfehlerhaft das Erweiterungsinteresse der Antragstellerin bei den Festsetzungen für den Bereich 2a nicht berücksichtigt hat.

65

Das Gebot des § 1 Abs. 7 BauGB, die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen, ist verletzt, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattgefunden hat oder in sie Belange nicht eingestellt worden sind, die nach Lage der Dinge in sie hätten eingestellt werden müssen. Es ist ferner verletzt, wenn die Bedeutung der betroffenen privaten oder öffentlichen Belange verkannt oder der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen ist, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens ist dem Abwägungsgebot genügt, wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet (BVerwG, Urt. v. 05.07.1974 – BVerwG 4 C 50.72 –, juris RdNr. 45; Urt. v. 01.11.1974 – BVerwG 4 C 38.71 –, juris RdNr. 21). Maßgeblich ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses (§ 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB). Die Vorschrift des § 2 Abs. 3 BauGB, der bestimmt, dass bei der Aufstellung von Bauleitplänen die Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind (Abwägungsmaterial) zu ermitteln und zu bewerten sind, stellt keine neuen Anforderungen an das Verfahren bei Aufstellung eines Bebauungsplans; inhaltlich entspricht die Vorschrift der bisherigen, sich aus dem Abwägungsgebot ergebenden Rechtslage, nach der die Berücksichtigung aller bedeutsamen Belange in der Abwägung zunächst deren ordnungsgemäße Ermittlung und zutreffende Bewertung voraussetzt (BVerwG, Urt. v. 09.04.2008 – BVerwG 4 CN 1.07 –, juris RdNr. 18).

66

Werden vorhandene Nutzungen auf den bloßen passiven Bestandsschutz gesetzt, ist regelmäßig zu prüfen, ob ihnen im Interesse einer Erhaltung der Nutzungsmöglichkeiten des privaten Eigentums in gewissem Umfang Möglichkeiten zu ihrer weiteren Entwicklung einzuräumen sind. Denn die Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG fordert, dass in erster Linie Vorkehrungen getroffen werden, die eine unverhältnismäßige Belastung des Eigentümers real vermeiden und die Privatnützigkeit des Eigentums so weit wie möglich erhalten. Dabei ist in die Abwägung einzustellen, dass sich der Entzug baulicher Nutzungsmöglichkeiten für den Betroffenen wie eine Teilenteignung auswirken und dass dem Bestandsschutz daher ein den von Art. 14 Abs. 3 GG erfassten Fällen vergleichbares Gewicht zukommen kann. Bei einem Einsatz des Planungsinstruments des § 9 Abs. 2a BauGB kommt es insoweit in Betracht, vorhandenen Nutzungen durch räumlich begrenzte Sonderregelungen für ihren Standort auch für die Zukunft Entwicklungsmöglichkeiten zuzugestehen. Dass eine Absicherung vorhandener, künftig unzulässiger Nutzungen möglich ist, bedeutet aber nicht, dass dies auch regelmäßig zu erfolgen hat. Eine Gemeinde kann im Grundsatz die vorhandene Nutzung "festschreiben", um die mit Erweiterungen verbundenen Auswirkungen – etwa auf die Funktionsfähigkeit zentraler Versorgungsbereiche – zu verhindern. Ob eine derartige Festsetzung abwägungsfehlerfrei ist und ob dabei der Schutz des Eigentums seiner Bedeutung entsprechend gewichtet ist, entzieht sich einer generellen Aussage. Maßgeblich ist, ob im konkreten Fall gewichtige, der Bestandsgarantie des Eigentums entgegenzuhaltende städtebauliche Gründe vorliegen, die die Zurücksetzung der privaten Belange des auf den passiven Bestandsschutz gesetzten Grundstückseigentümers rechtfertigen (vgl. OVG NW, Urt. v. 30.10.2015 – 7 A 2621/13 –, juris RdNr. 57 ff.; SächsOVG, Urt. v. 09.02.2016 – 1 A 415/13 –, a.a.O. RdNr. 79).

67

Gemessen daran sind keine Abwägungsmängel erkennbar. Die Antragsgegnerin hat in der Begründung der Festsetzungen für den Bereich 2a ausgeführt, der dort bereits genehmigte Einzelhandelsbetrieb (Aldi) habe sich an dem Standort Leipziger Straße/D-Straße etabliert und diene vorwiegend der Nahversorgung des nördlichen Bereichs des Plangebietes. Aufgrund der Größe des Planungsbereiches, der Wohndichte und der Gesamtzahl der zu versorgenden Einwohner des Stadtteils Leipziger Straße sowie aufgrund der Entfernung zum Nahversorgungsbereich Leipziger Straße werde davon ausgegangen, dass dieser Standort über den reinen Bestandsschutz hinaus bestehen bleiben könne. Dieser weise allerdings nicht den Status eines Nahversorgungszentrums auf und solle sich aufgrund des mangelnden selbständigen und ausreichend großen Einzugsbereiches auch nicht als Nahversorgungszentrum entwickeln. Der Bereich werde somit in seiner derzeitigen Lage und Größe mit minimalem Ansiedlungsspielraum bis zu einer Verkaufsfläche von maximal 800 m² als nicht integrierter Inselstandort gesichert. Damit hat die Antragsgegnerin die Belange der Antragstellerin, die durch die Überplanung auf den passiven Bestandsschutz – mit geringen Erweiterungsmöglichkeiten – gesetzt wird, erkannt und in die planerische Abwägung eingestellt. Eine Fehlgewichtung ist nicht erkennbar. Insbesondere hat die Antragsgegnerin plausibel dargelegt, dass der Bereich 2a kein Nahversorgungszentrum sei und sich zum Schutz des vorhandenen Nahversorgungszentrums Leipziger Straße auch nicht zu einem solchen entwickeln solle, sondern nur als Inselstandort fortbestehen könne. Im Hinblick auf die der Antragstellerin noch zugebilligte Erweiterungsmöglichkeit hat sie sich in rechtlich nicht zu beanstandender Weise an der Schwelle (von 800 m²) orientiert, ab der Einzelhandelsbetriebe großflächig i.S.d. § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO sind und damit typischerweise ein Beeinträchtigungspotential aufweisen (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.11.2005 – BVerwG 4 C 10.04 –, juris RdNr. 13). Im Hinblick auf die nachvollziehbar dargelegte Gefährdung der Nahversorgungsbereichs Leipziger Straße lag es im planerischen Gestaltungsermessen der Antragsgegnerin, in Übereinstimmung mit dem Magdeburger Märktekonzept eine Erweiterung des im Bereich 2a liegenden Einzelhandels nur bis zur Schwelle der Großflächigkeit zuzulassen und im Übrigen zugunsten der zu schützenden zentralen Versorgungsbereiche auszuschließen. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Antragsgegnerin ihr Anliegen verkannt hat und/oder von falschen Voraussetzungen ausgegangen ist. Zwar heißt es in der Abwägung der Stellungnahme der Antragstellerin im Planaufstellungsverfahren, mit der Festsetzung einer maximalen Verkaufsfläche von 800 m² werde dem Einzelhandelsstandort die Möglichkeit geschaffen, sich "entsprechend der marktüblichen Standards" fortzuentwickeln. Aus dieser Formulierung kann jedoch nicht hergeleitet werden, die Antragsgegnerin sei bei der Abwägung davon ausgegangen, die Vergrößerung der zulässigen Verkaufsfläche im Bereich 2a auf 800 m² trage dem Anliegen der Antragstellerin vollständig Rechnung und diese könne die beabsichtigte Erweiterung uneingeschränkt verwirklichen. Vielmehr zeigt die Begründung der Regelungen für den Bereich 2a, dass sich die Antragsgegnerin bewusst war, dass sie die Erweiterungsinteressen der Antragstellerin zum Teil zurückweist und den bestehenden Aldi-Markt lediglich als "nicht integrierten Inselstandort" mit "minimalem Ansiedlungsspielraum" sichert. Die Begrenzung auf 800 m² Verkaufsfläche wird vorgenommen, damit einerseits keine negativen Auswirkungen auf den Nahversorgungsbereich Leipziger Straße entstehen und andererseits die Grenze zur Großflächigkeit i.S.d. § 11 Abs. 3 BauNVO nicht überschritten wird. Diese Überlegungen tragen die Begrenzung der Verkaufsfläche auf 800 m², ohne dass es darauf ankommt, ob dies noch immer ein marktüblicher Standard ist.

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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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IV. Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.


Tenor

Das angefochtene Urteil wird geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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Tenor

Die Beklagte wird unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 22.3.2013 und unter Aufhebung des Bescheids vom 20.7.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.9.2011 verpflichtet, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats erneut über die Bewerbung des Klägers betreffend den mit der Stellenausschreibung BPOLD KO/BXB-01 ausgeschriebenen Dienstposten eines Sachbearbeiters KfuV, Bewertungsebene A 8-9 mZ, bei der Bundespolizeiinspektion B. am Dienstort B. zu entscheiden.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zur Hälfte und die Beklagte und der Beigeladene jeweils zu einem Viertel mit Ausnahme der jeweiligen außergerichtlichen Kosten, die jeder selbst trägt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger erstrebt die Übertragung eines bei der Bundespolizeiinspektion B. am Dienstort B. eingerichteten Dienstpostens.

Er steht als Polizeihauptmeister (Besoldungsgruppe A 9) im Dienst der Beklagten und hat sich im Zuge der Neuorganisation der Bundespolizei auf die Stellenausschreibung vom 14.2.2011 um den Dienstposten eines Bearbeiters KfuV, Bewertungsebene A 8-9 mZ, beworben. Die einschlägige Dienstvereinbarung zwischen der Beklagten und dem Hauptpersonalrat vom 28.5.2008 - DV - gibt für die Vergabe von Dienstposten unter Versetzungs- bzw. Umsetzungsbewerbern vor, dass bei mehreren Bewerbern mit Standortbindung (Tagespendelbereich von bis zu 1,5 Stunden einfache Fahrt) das Gewicht der Standortbindung maßgeblich ist, wobei dieses Gewicht nach dem der Dienstvereinbarung als Anlage 1 beigefügten „Katalog Sozialkriterien“, der die Anzahl der den vorgesehenen Sozialkriterien zuzuordnenden Sozialpunkte regelt, bestimmt wird. Entscheidend ist nach Ziffer II.5 Satz 3 DV die zum Zeitpunkt der Personalauswahlentscheidung bestehende Sozialpunktezahl.

Hiernach wurden für den Kläger 25 Sozialpunkte und für den beigeladenen Mitbewerber 28 Sozialpunkte ermittelt, woraufhin im Stellenbesetzungsvermerk vom 8.6.2011 festgehalten wurde, dass von den Versetzungs- bzw. Umsetzungsbewerbern mit räumlicher Bindung der Beigeladene die höchste Sozialpunktezahl geltend machen könne, weswegen der Dienstposten mit ihm zu besetzen sei.

Am 15.6.2011 reichte der Kläger weitere Unterlagen ein und bat, diese bei der Ermittlung der Sozialpunkte zu berücksichtigen. So sei er seit Ende 2010 im Kindergarten seines Sohnes als stellvertretender Vorsitzender des Elternbeirats ehrenamtlich tätig und insbesondere seit 2002 als Ersatzbetreuer seines zu 100 v.H. schwerbehinderten und als hilfebedürftige Person eingestuften Bruders bestellt. Betreuer des Bruders sei sein Vater, der selbst zu 70 v.H. schwerbehindert sei, weswegen es vorkomme, dass er für diesen in der Betreuung einspringen müsse.

Die Unterlagen wurden seitens der Beklagten noch am 15.6.2011 geprüft. Dabei wurde in einem Vermerk festgehalten, dass die Stellung als Ersatzbetreuer des in einem fremden Haushalt lebenden Bruders keinen Tatbestand nach dem Sozialkriterienkatalog erfülle und daher keine Berücksichtigung finden könne. Für das Ehrenamt im Kindergarten könne allenfalls ein Sozialpunkt vergeben werden, was aber zu keiner Änderung der Besetzungsentscheidung vom 8.6.2011 führen könne.

Mit Schreiben vom 17.6.2011 wurde die Gleichstellungsbeauftragte der Bundespolizeidirektion K. über die Bewerberauswahl informiert, woraufhin diese unter dem 21.6.2011 ihr Einverständnis erklärte. Sodann erfolgte unter dem 27.6.2011 die Information des Gesamtpersonalrats der Bundespolizeidirektion K., der der Auswahlentscheidung in seiner Sitzung vom 14.7.2011 zustimmte.

Am 20.7.2011 wurde dem Kläger die getroffene Entscheidung unter Hinweis auf die jeweils vergebenen Sozialpunkte schriftlich mitgeteilt.

Hiergegen legte der Kläger am 8.8.2011 Widerspruch ein, bat um erneute Überprüfung der nachgereichten Unterlagen und um evtl. Anwendung der unter Ziffer II.8 DV getroffenen Regelung, die vorsehe, dass besondere Fälle, die durch den Sozialkriterienkatalog nicht angemessen geregelt werden könnten, im Einzelfall mit Zustimmung der zuständigen Personalvertretung entschieden werden.

Durch Widerspruchsbescheid vom 1.9.2011 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Die am 15.6.2011 nachgereichten Unterlagen zur Schwerbehinderung des Bruders seien geprüft worden und in die Stellenbesetzungsentscheidung eingeflossen. Unter Ziffer 5 des Sozialkriterienkatalogs sei festgelegt, dass gesundheitliche Beeinträchtigungen von Angehörigen eine Standortbindung nur in zwei Fällen rechtfertige. Entweder müsse der Ehe- oder Lebenspartner bzw. ein Kind des Beamten schwerbehindert sein oder ein sonstiger Familienangehöriger, für den eine Pflegestufe nachgewiesen sei, im eigenen Haushalt des Beamten leben. Diese Voraussetzungen seien bei dem Kläger nur insoweit erfüllt, als für seine Ehefrau eine Schwerbehinderung von 50 v.H. festgestellt worden sei. Eine Berücksichtigung seiner Bestellung als Ersatzbetreuer für den schwerbehinderten Bruder, der noch dazu in 13 km Entfernung von seiner Wohnung im Haushalt der Eltern lebe, sei nicht vorgesehen. Der Kläger könne sein Begehren auch nicht auf die Öffnungsklausel der Ziffer II.8 DV stützen. Denn der geschilderte Sachverhalt betreffe Umstände, die im Sozialkriterienkatalog durchaus ihren Niederschlag hätten finden können. Allerdings habe der Dienstherr unter Ziffer 5 dieses Katalogs die Fälle von Schwerbehinderungen von Familienangehörigen benannt und die Ermessensentscheidung getroffen, nur die dort aufgeführten Fälle zu berücksichtigen. Dementsprechend seien alle übrigen Fälle einer Schwerbehinderung von Familienangehörigen negativ erfasst. Zudem bleibe festzuhalten, dass dem Zweitverwendungswunsch des Klägers (Bundespolizeiinspektion B. im Revier Flughafen D-Stadt) entsprochen und damit seiner persönlichen Situation hinreichend Rechnung getragen worden sei. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 6.9.2011 ausgehändigt.

Mit seiner am 23.9.2011 erhobenen Klage hat der Kläger darauf hingewiesen, die dem Dienstposten zugeordnete Tätigkeit als Bearbeiter KfuV bereits mehr als zehn Jahre in Bad B. ausgeübt zu haben und die in der Stellenausschreibung vorgegebenen obligatorischen und fakultativen Anforderungen vollumfänglich zu erfüllen. Demgegenüber habe der ausgewählte Bewerber seines Wissens eine solche Tätigkeit bisher nicht verrichtet, was unter Eignungsgesichtspunkten einen Vorrang des Klägers rechtfertige. Der Erlass des Bundesministeriums des Innern vom 11.5.2011 betreffend die personalwirtschaftliche Umsetzung der Neuorganisation der Bundespolizei gebe vor, dass zu allererst die obligatorischen Anforderungen der Ausschreibung zu erfüllen seien. Inwieweit der ausgewählte Bewerber dem genüge, sei nicht dargelegt. Zweifelhaft sei auch, ob dieser überhaupt ein dauerhaftes Interesse an dem ausgeschriebenen Dienstposten habe, denn er habe sich inzwischen für die Teilnahme am Aufstiegslehrgang für den gehobenen Dienst beworben.

Sollte für die Bewerberauswahl ausschließlich auf Sozialkriterien abzustellen sein, so müssten hinsichtlich seiner Person wesentliche Umstände ergänzend berücksichtigt werden. Dies gelte nicht nur für seine ehrenamtliche Tätigkeit im Kindergarten, sondern insbesondere hinsichtlich der Betreuung seines Bruders. Durch Amtsgerichtsbeschluss vom 13.9.2011 sei er zu dessen Betreuer eingesetzt worden. Aus der unter Ziffer II.8 DV getroffenen Regelung ergebe sich, dass der Sozialkriterienkatalog nicht abschließend sei. Die Beklagte sei daher gehalten gewesen, vor einer endgültigen Auswahlentscheidung zunächst seinen Einzelfall mit der zuständigen Personalvertretung zu erörtern, habe ein solches Verfahren aber gar nicht erst eingeleitet. Eine auf Ziffer II.8 DV bezogene Entscheidung des Personalrates liege nicht vor. Aus den Vorbemerkungen in Abschnitt I der Dienstvereinbarung ergebe sich, dass deren Ziel die sozialverträgliche personelle Umsetzung der Neuorganisation der Bundespolizei sei. Es obliege der Beklagten hiernach, jeden einzelnen Beamten unter Abwägung der dienstlichen Erfordernisse mit den persönlichen und sozialen Belangen bestmöglichst einzusetzen. Dabei seien alle Verpflichtungen des jeweiligen Beamten gegenüber Angehörigen zu berücksichtigen. Denn der „Katalog Sozialkriterien“ beinhalte nach Inhalt und Zielen der Dienstvereinbarung keine abschließende Aufzählung der berücksichtigungsfähigen Sozialkriterien. Die Betreuung des Bruders durch den Kläger sei eine private Belastung, die unbedingt in die Beurteilung einzubeziehen sei, zumal der Vater einen Schlaganfall erlitten habe, daher die Betreuung des Bruders vollständig habe einstellen müssen und selbst der regelmäßigen Unterstützung durch den Kläger bedürfe. Hinzu trete, dass die Ehefrau des Klägers an Krebs erkrankt und seither mit einem Grad von 50 v.H. schwerbehindert sei. Deren Erkrankung sei zwar durch die Vergabe der entsprechenden Sozialpunkte in die Bewertung der Sozialbindung eingeflossen, was aber die hiermit verbundene psychische Belastung für den Kläger nicht vollumfänglich widerspiegele.

Das zeitgleich mit der Klage eingereichte einstweilige Rechtsschutzbegehren des Klägers ist ohne Erfolg geblieben (Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 6.2.2012 - 2 L 929/11 -).

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 20.7.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.9.2011 zu verurteilen, ihm den mit der Stellenausschreibung BPOLDKO/BXB-01 ausgeschriebenen Dienstposten eines Bearbeiters KfuV, Bewertungsebene A 8-9 mZ, bei der Bundespolizeiinspektion B. am Dienstort B. zu übertragen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren betont, primäres Ziel der Dienstvereinbarung sei eine heimatnahe und statusadäquate Verwendung der Mitarbeiter. Diesem Ziel und den diesbezüglichen Vorgaben der Dienstvereinbarung trage die Auswahlentscheidung Rechnung. Insgesamt drei Bewerber hätten Standortbindung geltend machen können, weswegen die Bewerberkonkurrenz nach dem Gewicht der jeweiligen Sozialbindung zu entscheiden gewesen sei. Da der Beigeladene insoweit einen Punktevorsprung habe vorweisen können, seien die Gesichtspunkte der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung nicht entscheidungsrelevant geworden. Die sozialen Belange des Klägers seien umfassend gewürdigt worden. Für das soziale Engagement zugunsten des schwerbehinderten Bruders könnten nach dem Sozialkriterienkatalog keine Sozialpunkte vergeben werden, da ein solcher Fall dort nicht erfasst sei. Die Öffnungsklausel der Ziffer II.8 DV sei nicht einschlägig, da der geschilderte Sachverhalt zwar im Sozialkriterienkatalog seinen Niederschlag hätte finden können, aber nicht gefunden habe. Alle nicht aufgeführten Fälle der Schwerbehinderung von Familienangehörigen seien negativ erfasst. Die ehrenamtliche Tätigkeit im Kindergarten könne zwar grundsätzlich einen zusätzlichen Sozialpunkt rechtfertigen, sei aber im maßgeblichen Zeitpunkt der Personalauswahlentscheidung nicht bekannt gewesen.

Der Beigeladene hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte habe sich in rechtlich zulässiger Weise dafür entschieden, den im Rahmen der Neustrukturierung der Bundespolizei in B. ausgeschriebenen Dienstposten nach Sozialkriterien zu vergeben und dies unter Umsetzung der durch die Dienstvereinbarung mit dem Hauptpersonalrat vorgegebenen Kriterien getan. Die Dienstvereinbarung biete keine Handhabe, das Engagement des Klägers für seinen schwerbehinderten Bruder sozialpunktesteigernd zu berücksichtigen. Die zu seinen - des Beigeladenen - Gunsten getroffene Besetzungsentscheidung sei daher nicht zu beanstanden, zumal er alle obligatorischen Anforderungen der Ausschreibung erfülle und die ihm übertragenen Dienstaufgaben - ungeachtet der derzeitigen Teilnahme am Aufstiegslehrgang - dauerhaft ausfüllen wolle. Der übertragene Dienstposten sei wie nahezu alle mit A 8-9 m.Z. bewerteten Dienstposten der Bundespolizei aufschichtungsfähig, d.h. biete die Möglichkeit einer Überführung in den gehobenen Dienst. Im Übrigen werde der Kläger zur Zeit dienstlich ebenfalls am Standort B. eingesetzt, so dass die Frage aufgeworfen sei, ob dieser überhaupt ein Rechtsschutzinteresse an der Übertragung gerade des verfahrensgegenständlichen Dienstpostens habe.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 22.3.2013 abgewiesen und ausgeführt, dass diese zulässig sei; insbesondere könne dem Kläger trotz seines derzeitigen tatsächlichen Einsatzes am Standort B. nicht das Rechtsschutzbedürfnis für die klageweise Verfolgung seines Besetzungswunsches abgesprochen werden. In der Sache müsse die Klage ohne Erfolg bleiben. Denn die angegriffene Besetzungsentscheidung sei weder in formeller noch in materieller Hinsicht zu beanstanden. So sei der Stellenbesetzungsvermerk vom 8.6.2011 ausführlich begründet und der Personalrat habe der Auswahlentscheidung zugestimmt. Materiell-rechtlich genüge die Entscheidung der Beklagten, den Dienstposten nicht nach dem Grundsatz der Bestenauslese, sondern nach Sozialkriterien zu vergeben, den durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts insoweit vorgegebenen Anforderungen. Das Gewicht der nach der Dienstvereinbarung für die Auswahlentscheidung maßgeblichen Sozialbindung sei zutreffend ermittelt worden und einer Befassung des Personalrates mit der Frage, ob die Betreuungsleistungen, die der Kläger für seinen Bruder erbringe, bei der Ermittlung der Sozialpunkte zu berücksichtigen sei, habe es nicht bedurft. Denn aus der Dienstvereinbarung ergebe sich, dass diese Betreuungsleistungen abgesehen davon, dass sie der Beklagten zur Zeit ihrer Auswahlentscheidung nicht bekannt gewesen seien, eine Erhöhung der zu vergebenen Sozialpunkte nicht rechtfertigen könnten, da sie keinem der in der Dienstvereinbarung vorgesehenen Tatbestände zu beachtender gesundheitlicher Beeinträchtigungen von Angehörigen zuzuordnen seien. Ein Sonderfall im Sinne der Ziffer II.8 DV, der es erforderlich machen würde, den Personalrat mit der Angelegenheit zu befassen, liege nicht vor. Der Dienstherr habe die Fälle von Schwerbehinderungen von Familienangehörigen unter Ziffer 5 des Sozialkriterienkatalogs ausdrücklich benannt und dabei die – nicht zu beanstandende – Ermessensentscheidung getroffen, nur die dort aufgeführten Fälle zu berücksichtigen. Dies rechtfertige ohne Weiteres den Schluss, dass alle übrigen Fälle der Schwerbehinderung von Familienangehörigen negativ erfasst seien. Entgegen der Auffassung des Klägers spreche auch nichts dafür, dass sein Fall durch den Sozialkriterienkatalog nicht angemessen geregelt werde. Nach seinem Vortrag in der mündlichen Verhandlung beschränkten sich die Besuche bei seinem Bruder, der an Schizophrenie leide, bei den Eltern lebe und von diesen auch versorgt werde, auf ca. einen Tag pro Woche. Daneben fänden regelmäßige Telefonate und gelegentliche gemeinsame Unternehmungen statt. Dieser (geringe) zeitliche Aufwand rechtfertige es nicht, einen außergewöhnlichen Einzelfall von sozialem Gewicht anzunehmen. Soweit sich der Kläger darüber hinaus auf eine besondere psychische Belastung berufe, die neben der Sorge um seinen Bruder und seinen Vater durch die Krebserkrankung seiner Ehefrau hervorgerufen werde, sei zu betonen, dass die Erkrankung der Ehefrau bereits mit zehn Punkten – dem höchsten Einzelwert überhaupt – in die Sozialpunktezahl eingeflossen sei. Außerdem habe er drei weitere Sozialpunkte dafür erhalten, dass seine Ehefrau – trotz ihrer schweren Erkrankung weiterhin – erwerbstätig sei. Schließlich werde der persönlichen Situation des Klägers insoweit Rechnung getragen, als ihm – entsprechend seinem Zweitverwendungswunsch – ein Dienstposten bei der Bundespolizeiinspektion B. im Revier Flughafen D-Stadt übertragen worden sei. Zwar handele es sich dabei nicht um den begehrten Dienstposten eines Bearbeiters KfuV, sondern um den gleich bewerteten Dienstposten eines Kontroll- und Streifenbeamten. Die erforderliche Wohnortnähe, die dem Kläger die Erfüllung seiner familiären Pflichten ermögliche, sei aber gleichwohl gegeben.

Das Urteil ist den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 16.4.2013 zugestellt worden.

Auf seinen Antrag vom 30.4.2013 und die am 24.5.2013 eingereichte Begründung hat der Senat die Berufung durch Beschluss vom 12.9.2013, dem Kläger zugestellt am 16.9.2013, zugelassen.

In seiner am 7.10.2013 bei dem Oberverwaltungsgericht eingegangenen Berufungsbegründung bekräftigt der Kläger seine Auffassung, seine besonderen persönlichen Belastungen seien bei der Vergabe der Sozialpunkte nicht vollständig berücksichtigt worden. Sein Bruder leide an einer endogenen paranoiden Psychose mit Denkstörungen und Beziehungsideen sowie Halluzinationen. Es lägen eine deutliche psychomotorische Verlangsamung, Konzentrationsstörungen und eine eingeschränkte Krankheitseinsicht vor. Anerkannt sei ein Grad der Behinderung von 100 v.H. unter Feststellung der Merkzeichen „G“, „B“ und „H“. Da der Vater im Laufe der letzten Monate zunehmend selbst schwer erkrankt sei, habe der Kläger bereits zum Zeitpunkt der hier streitigen Auswahlentscheidung die Betreuungsaufgaben übernommen gehabt und sei inzwischen auch formal Betreuer seines Bruders. Auf Grund der Erkrankung des Bruders müsse eine Regelmäßigkeit der Kontaktaufnahme sichergestellt sein, damit dieser überhaupt ansatzweise in der Lage sei, den Tagesablauf einigermaßen strukturiert zu bewältigen. Die Betreuungsaufgaben umfassten daher regelmäßige telefonische Kontaktaufnahmen, um den Bruder zu den verschiedensten notwendigen Handlungen des gewöhnlichen Tagesablaufs zu veranlassen. Der Bruder müsse tagtäglich verlässlich davon ausgehen können, dass der Kläger ihn stets zur selben Zeit anrufe und mit ihm die Dinge des Tages bespreche. Hinzu kämen die Erledigung geschäftlicher und ärztlicher Angelegenheiten sowie die Beschäftigung des Bruders mit handwerklichen Tätigkeiten, um dessen Leben eine gewisse Sinnhaftigkeit zu geben. All dies werde in den Vorgaben des Sozialkriterienkatalogs nicht berücksichtigt. Allerdings eröffne Ziffer II.8 DV die Möglichkeit einer einzelfallbezogenen Würdigung. Mit Blick auf die im Zulassungsbeschluss zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts müsse diese Regelung in seinem Fall eine Einzelfallprüfung ermöglichen. Bezeichnend sei, dass der Prozessbevollmächtigte der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht eingeräumt habe, ihm seien keine Fälle der Anwendung von Ziffer II.8 DV bekannt. Der streitige Dienstposten komme dem Kläger in besonderer Weise entgegen, weil er dort nicht im Schichtdienst arbeiten müsse und dies die Betreuung des Bruders in größtmöglichem Maße sicherstellen würde. Die Beklagte habe - wie der handschriftliche Vermerk vom 15.6.2011 belege - nicht geprüft, ob Ziffer II.8 der Dienstvereinbarung anzuwenden sei. Denn nach dem Vermerk sei die Berücksichtigung aller vom Sozialkriterienkatalog nicht erfassten Fälle hilfebedürftiger Angehöriger als ausgeschlossen erachtet worden. Schließlich belege die Einlassung der Beklagten im Berufungsverfahren zu den potentiellen Anwendungsfällen der Regelung unter Ziffer II.8 DV, dass in seinem Fall eine Einzelfallprüfung angezeigt gewesen wäre. So habe - wie in einem der genannten Beispielfälle - seine Ehefrau sich nach schwerer Krebserkrankung zur Zeit der Auswahlentscheidung ebenfalls in der Heilungsbewährung befunden. Die Erkrankung der Ehefrau und deren Folgen prägten seine Gesamtsituation ebenso wie sein Engagement für seinen schwerbehinderten Bruder. Dies alles hätte Veranlassung zu einer Einzelfallprüfung geben müssen. Schließlich sei mit Blick auf den Beigeladenen anzumerken, dass dieser nach Abschluss des Aufstiegslehrgangs voraussichtlich zum Polizeikommissar befördert werde und damit eine Besoldung nach A 10 erlangen könne, so dass fraglich sei, ob er dann in der vorliegend streitigen Stelle noch amtsangemessen eingesetzt wäre.

Zu Art und Ausmaß der Behinderung seines Bruders legt der Kläger den den Grad der Behinderung feststellenden Bescheid vom 1.7.2002 und mehrere Arztberichte vor.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 22.3.2013 und unter Aufhebung des Bescheids vom 20.7.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.9.2011 zu verurteilen, dem Kläger den mit der Stellenausschreibung BPOLDKO/BXB-01 ausgeschriebenen Dienstposten eines Sachbearbeiters KfuV, Bewertungsebene A 8-9 mZ, bei der Bundespolizeiinspektion B. am Dienstort B. zu übertragen,

hilfsweise,

die Beklagte unter Abänderung des angegriffenen Urteils und Aufhebung des Bescheids vom 20.7.2011 und des Widerspruchbescheids vom 1.9.2011 zu verpflichten, die Auswahlentscheidung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts zu wiederholen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bekräftigt, dass die berücksichtigungsfähigen Fälle gesundheitlicher Beeinträchtigungen im familiären Umfeld unter Ziffer 5 des Sozialkriterienkatalogs abschließend geregelt seien. Es treffe auch nicht zu, dass sie nicht geprüft habe, ob ein Fall von II.8 DV gegeben sein könnte. Vielmehr seien die sozialen Belange des Klägers nochmals hinreichend in einem Zeitpunkt gewürdigt worden, als dafür auf Grund des Zeitablaufs schon keine Verpflichtung mehr bestanden habe. Das Vorbringen zu den Verpflichtungen gegenüber dem Bruder des Klägers sei geprüft worden, allerdings mit dem Ergebnis, dass es nicht berücksichtigungsfähig sei. Aus dem unter Ziffer 5 des Sozialkriterienkatalogs geregelten Punkteschlüssel für die Pflege von Angehörigen im eigenen Haushalt (Pflegestufe 3 10 Punkte, Pflegestufe 2 5 Punkte und Pflegestufe 1 3 Punkte) ergebe sich mittelbar, dass die bloße Betreuung von Angehörigen im eigenen Haushalt keine Punktevergabe rechtfertige. Damit könne auch eine Ersatzbetreuerschaft für einen in beträchtlicher Entfernung lebenden Angehörigen keine Berücksichtigung finden. Die aktuelle gesundheitliche Verfassung des Bruders sei für die im Juni 2011 getroffene Auswahlentscheidung ohnehin ohne Relevanz. Zudem habe keine Verpflichtung bestanden, die erst am 15.6.2011 und damit nach der Auswahlentscheidung eingereichten Unterlagen zu prüfen. Der Bruder lebe nach wie vor im Haushalt der Eltern und werde von diesen versorgt. Es gebe keine Hinweise darauf, dass er im Zeitpunkt der Besetzungsentscheidung konkret spezieller Hilfe bedurft hätte, die nur durch den Kläger und darüber hinaus ausschließlich von dessen Wohnort aus hätte geleistet werden können. Das Bekanntwerden der Ersatzbetreuerschaft habe keinen Anlass gegeben, den Personalrat einzubinden und die Situation im Rahmen einer Einzelfallentscheidung gemäß Ziffer II.8 DV mit diesem gesondert zu verhandeln und zu entscheiden, zumal die erst nachträgliche Geltendmachung dieses Gesichtspunktes mit der Formulierung „So kann es auch vorkommen“ den Schluss zulasse, dass sich die damalige Belastung des Klägers infolge der Behinderung seines Bruders in Grenzen gehalten haben müsse. Schließlich sei Ziffer II.8 DV schon deshalb nicht zur Anwendung gekommen, weil es im Schritt II der personellen Umsetzung der Neuorganisation der Bundespolizei gelungen sei, allen Mitarbeitern im Bereich der Beklagten eine heimatnahe Anschlussverwendung zu ermöglichen, und Verdrängungen damit gänzlich ausgeblieben seien. In der verfahrensgegenständlichen Schrittfolge IV gehe es um den Wechsel in eine näher zum Wohnort gelegene Dienststelle. Einzelfälle, die der Sozialkriterienkatalog definitiv nicht – auch nicht negativ – erfassen könne und die deshalb Einzelprüfungen nach Ziffer II.8 DV erforderlich gemacht hätten, seien vorwiegend im Bereich der sogenannten Überhangbehörden im Rahmen der Setzphase aufgetreten und verhandelt worden. Dabei sei es z.B. um Fallgestaltungen gegangen, in denen sich die Ehefrau eines Beamten nach schwerer Krebserkrankung in der Heilungsbewährung befunden habe, der Beamte Großvater von neun nachweislich von ihren Eltern vernachlässigten Enkeln bzw. der Beamte Vater eines Kindes mit erheblichen, schon im Kindergarten festgestellten und dokumentierten Lernschwierigkeiten gewesen sei. Schließlich gelte hinsichtlich des verfahrensgegenständlichen Dienstpostens, dass dieser aufschichtungsfähig sei. Damit sei eine amtsangemessene Verwendung des Beigeladenen auf Dauer sichergestellt. Denn der Dienstposten werde nach erfolgreichem Abschluss des Aufstiegslehrgangs seitens des Beigeladenen von der Besoldungsgruppe A 8-9 mZ in die Bewertungsebene A 9 g/10, also vom mittleren in den gehobenen Polizeivollzugsdienst, überführt.

Der Beigeladene beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auch die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts könne dem Vorbringen des Klägers nicht zum Erfolg verhelfen, da der Dienstherr nur die Umstände der privaten Lebensführung des Beamten berücksichtigen könne, die bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids bekannt und geltend gemacht seien. Die Bestellung als Betreuer für den Bruder sei erst am 13.9.2011, mithin nach Ergehen des Widerspruchsbescheids, erfolgt. Hinsichtlich seiner Stellung als Ersatzbetreuer habe der Kläger zumindest bis zur Widerspruchsentscheidung nichts Konkretes für deren Berücksichtigungsfähigkeit vorgetragen. Die Rüge des Klägers, die Zustimmung der zuständigen Personalvertretung sei im Auswahlverfahren nicht eingeholt worden, gehe ins Leere. Denn im damaligen Zeitpunkt seien keine Aspekte und Umstände dargelegt gewesen, die eine Ausnahmesituation hätten darstellen können. Was erst nach Erlass des Widerspruchsbescheids geltend gemacht sei, habe naturgemäß nicht mehr in die Befassung des Personalrates einfließen können. Schließlich müsse der Kläger sich vergegenwärtigen, dass seine Ehefrau einer Halbtagsbeschäftigung nachgehe, mithin ein krankheitsbedingter Ausfall nicht festzustellen sein dürfte. Dennoch seien ihm in diesem Zusammenhang zehn Sozialpunkte zuerkannt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens und des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens 2 L 929/11, der beigezogenen Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der beigezogenen Personalakten des Klägers und des Beigeladenen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist nach Maßgabe des Urteilstenors teilweise begründet und im Übrigen unbegründet.

Das mit dem Hauptantrag verfolgte Klagebegehren, die Beklagte unter Aufhebung von Bescheid und Widerspruchsbescheid zu verurteilen, dem Kläger den verfahrensgegenständlichen Dienstposten zu übertragen, ist – wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat – zulässig.

Soweit die Klage auf die Aufhebung des Bescheids vom 20.7.2011 und des Widerspruchsbescheids vom 1.9.2011 gerichtet ist, ist sie begründet. Ferner ist die Beklagte auf den Hilfsantrag hin zu verpflichten, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats erneut über die verfahrensgegenständliche Bewerbung des Klägers zu entscheiden. Insoweit unterliegt das angegriffene Urteil der Abänderung. Hinsichtlich des weitergehenden Antrags, die Beklagte zur Übertragung des angestrebten Dienstpostens an den Kläger zu verurteilen, bleibt die Berufung ohne Erfolg.

1. Dem Verwaltungsgericht ist zunächst darin zuzustimmen, dass die grundsätzliche Entscheidung der Beklagten, den vom Kläger erstrebten und - nur - unter Versetzungs- und Umsetzungsbewerbern zu vergebenden Dienstposten nicht nach den Kriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung, sondern nach dem sozialen Gesichtspunkt der Standortbindung zu übertragen, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist. Das Verwaltungsgericht hat überzeugend herausgearbeitet, dass die Beklagte die Organisationsgrundentscheidung getroffen hat, den in Rede stehenden Dienstposten nicht als Beförderungsdienstposten auszuschreiben, sondern Versetzungs- und Umsetzungsinteressierten zwecks einer sozialverträglichen personellen Umsetzung der Neuorganisation der Bundespolizei die Möglichkeit zu eröffnen, sich unter Hinweis auf ihre Wohnortnähe und Standortbindung auf diesen Dienstposten zu bewerben.

Zulässig ist ferner, dass die Beklagte sich angesichts der Vielzahl der im Rahmen der Neuorganisation der Bundespolizei zu treffenden Auswahlentscheidungen entschlossen hat, im Wege einer Dienstvereinbarung mit dem Hauptpersonalrat einen Sozialkriterienkatalog zu erstellen, um eine Grundlage für die Anlegung möglichst gleichmäßiger Auswahlkriterien in Bezug auf das Merkmal Standortbindung zu schaffen. Hiernach ist die Auswahl zwischen mehreren Bewerbern mit Standortbindung nach der anhand des Sozialkriterienkataloges zu ermittelnden Sozialpunktezahl zu treffen.

2. Die zu Ungunsten des Klägers getroffene Auswahlentscheidung ist mangels hinreichender Einbeziehung des entscheidungserheblichen Sachverhalts in die Ermittlung der zu vergebenden Sozialpunkte – auch in der Gestalt, die sie durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat – rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

2.1. Sie wird ausschließlich damit begründet, dass sich bei der anhand der Dienstvereinbarung und des Sozialkriterienkataloges zu ermittelnden Standortbindung ein Vorsprung des Beigeladenen ergeben habe, weil diesem 28 Sozialpunkte und dem Kläger nur 25 Sozialpunkte zuzuerkennen seien. Nach den dortigen Vorgaben könne das Vorbringen des Klägers, er sei aufgrund der Schwerbehinderung seines Bruders einer zusätzlichen besonderen Belastung ausgesetzt, keine Berücksichtigung finden. Denn der Umstand, dass die diesbezüglich geschilderten Belastungen zwar Eingang in den Sozialkriterienkatalog hätten finden können, aber nicht gefunden haben, habe zur Folge, dass sie nicht berücksichtigungsfähig seien. Die so begründete Umsetzung der Vorgaben der Dienstvereinbarung und des Sozialkriterienkataloges auf die konkreten Lebensumstände des Klägers ist fehlerbehaftet.

Die Beklagte war aus Gründen der ihr gegenüber dem Kläger obliegenden Fürsorgepflicht gehalten, die mit dessen Schreiben vom 15.6.2011 zusätzlich geltend gemachte Belastung durch das Ehrenamt zusätzlich mit einem Sozialpunkt zu belegen und die Belastung infolge der Behinderung des Bruders zum Anlass zu nehmen, die Frage zu prüfen, ob diese die Vergabe von Sozialpunkten rechtfertigt und die zuständige Personalvertretung nach Maßgabe der Ziffer II.8 DV mit der Angelegenheit zu befassen. Durch die Nichtberücksichtigung der geltend gemachten Belastungen hat die Beklagte die ihr gegenüber dem Kläger obliegende Fürsorgepflicht verletzt. Dies ergibt sich aus der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts.

Die Regelungen der Dienstvereinbarung und des Sozialkriterienkataloges und deren Anwendung durch die Beklagte auf die jeweils zu treffende Auswahlentscheidung müssen gewährleisten, dass alle fürsorgepflichtrelevanten Umstände der privaten Lebensführung der einzelnen Beamten vor einer den Ort der Dienstverrichtung berührenden Personalentscheidung ermittelt und mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Abwägung eingestellt werden können. Nach der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts(BVerwG, Beschluss vom 18.2.2013 - 2 B 51/12 -, juris Rdnrn. 8 ff.) ist der Dienstherr aufgrund der ihm obliegenden Fürsorgepflicht gehalten, die ihm untergebenen Beamten mit Gerechtigkeit zu behandeln, ihnen die Erfüllung ihres Dienstes nach Möglichkeit zu erleichtern und ihre Belange wohlwollend zu berücksichtigen und zu wahren. Demgemäß muss der Dienstherr - so das Bundesverwaltungsgericht - zur Vorbereitung einer Versetzungsentscheidung nicht nur - wie in der Rechtsprechung seit langem anerkannt (BVerwG, Urteile vom 7.3.1968 – 2 C 137/67 -, Buchholz 232 § 26 BBG Nr. 9 S. 50 f., und vom 13.2.1969 - 2 C 114/65 -, Buchholz 232 § 26 BBG Nr. 11 S. 4 f.)- prüfen, ob es substantiierte Anhaltspunkte für eine eventuelle Schädigung der körperlichen oder seelischen Gesundheit des Beamten infolge der Personalmaßnahme gibt, sondern auch besondere Schutzbedürfnisse des Beamten aus dem von Art. 6 GG geschützten Bereich von Ehe und Familie sowie andere, mit dem Wechsel des Dienstortes verbundene Nachteile für die private Lebensführung des Beamten ermitteln und bei seiner Auswahlentscheidung berücksichtigen. Er kann sich durch eine Dienstvereinbarung nicht von Verpflichtungen, die ihm im Verhältnis zu jedem einzelnen Beamten von Verfassungs wegen oder kraft Gesetzes obliegen, befreien.

Dies gilt uneingeschränkt auch in Fallgestaltungen der vorliegenden Art, in denen es nicht um eine (Weg-) Versetzung zu einem anderen für den betroffenen Beamten mit Blick auf seine private Lebensführung potentiell ungünstigeren Dienstort geht, sondern ein freier Dienstposten nach der von der Zielsetzung, die Zufriedenheit innerhalb der Bediensteten zu steigern, getragenen Grundsatzentscheidung des Dienstherrn an denjenigen Beamten vergeben werden soll, der aufgrund seiner privaten Lebensverhältnisse das schutzwürdigste Interesse an einer wohnortnahen dienstlichen Verwendung hat. Auch unter diesen Voraussetzungen kann der Dienstherr eine gerechte, die jeweiligen privaten Belange angemessen und wohlwollend berücksichtigende Auswahlentscheidung zwischen mehreren Bewerbern um einen mit einem Dienstortwechsel verbundenen Dienstposten nur treffen, wenn er alle fürsorgepflichtrelevanten Umstände der privaten Lebensführung ermittelt und sie ihrem Gewicht entsprechend in seine Abwägung einbezieht. Entwickelt der Dienstherr zu diesem Zweck gemeinsam mit dem zuständigen Personalrat einen Katalog von Sozialkriterien und ein entsprechendes Punktesystem, so müssen deren Inhalt, Auslegung und einzelfallbezogene Anwendung gewährleisten, dass kein aufgrund der Fürsorgepflicht zu beachtender Umstand der privaten Lebensführung des einzelnen Beamten unberücksichtigt bleibt.

Gemessen an diesem rechtlichen Rahmen ist festzustellen, dass Ziffer 5 des zur Umsetzung der verfahrensgegenständlichen Dienstvereinbarung erlassenen Sozialkriterienkatalogs in der von der Beklagten vertretenen Auslegung des Regelungsinhalts und der hierauf basierenden Handhabung der Vorschrift durch die Beklagte nicht den Anforderungen entspricht, die eine Dienstvereinbarung nach der in Bezug genommenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erfüllen muss, um eine ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung des Dienstherrn im Falle der Konkurrenz mehrerer Bewerber um einen konkreten Dienstposten zu ermöglichen. Ist nämlich der Dienstherr aufgrund seiner Fürsorgepflicht gehalten, alle relevanten Lebensumstände des Beamten in eine nach Sozialkriterien zu treffende Entscheidung einzubeziehen, so ist ihm versagt, seine Fürsorgepflicht im Wege einer Dienstvereinbarung nur auf ganz bestimmte Lebensumstände zu beschränken und allein diese als ermessensrelevant anzuerkennen.

Fallbezogen hat die Beklagte im Verlauf sowohl des Verwaltungs- als auch des Gerichtsverfahrens immer wieder bekräftigt, der Regelung unter Ziffer 5 des Sozialkriterienkatalogs liege eine Ermessensentscheidung des Inhalts zugrunde, dass besondere Belastungen eines Beamten infolge gesundheitlicher Beeinträchtigungen eines Angehörigen nur in den beiden ausdrücklich aufgeführten Fallgestaltungen – Schwerbehinderung des Ehe- bzw. Lebenspartners bzw. eines Kindes oder Pflegefall der Pflegestufe 1, 2 oder 3 im eigenen Haushalt bzw. in der unmittelbaren Umgebung – in die Ermittlung des Gewichts der Standortbindung einbezogen werden dürften. Dieses Verständnis der Vorschrift verbietet sich, denn Ermessensentscheidungen, die im Widerspruch zu der Fürsorgepflicht des Dienstherrn nicht alle abwägungsrelevanten Belange einbeziehen, dürfen auch nicht unter dem Etikett einer Dienstvereinbarung getroffen werden.

So wie von der Beklagten verstanden würde die Regelung dazu führen, dass eine wohl beträchtliche Anzahl nach der Lebenserfahrung vorkommender besonderer Belastungen eines Beamten infolge familiärer Verpflichtungen gegenüber hilfebedürftigen Verwandten ungeachtet eventueller gravierender Auswirkungen auf die private Lebensführung von vornherein nicht zur Zuerkennung von Sozialpunkten führen kann. So verstanden wären die Dienstvereinbarung und der zugehörige Sozialkriterienkatalog nicht rechtens. Denn durch Abschluss einer Dienstvereinbarung kann der Dienstherr sich nicht von seiner Verpflichtung befreien, alle potentiell fürsorgepflichtrelevanten Umstände der privaten Lebensführung des Beamten in Entscheidungen einzubeziehen, die sich erschwerend oder erleichternd unmittelbar auf die private Lebensgestaltung des Beamten auswirken. Indes rechtfertigt die Dienstvereinbarung von ihrem Wortlaut sowie Sinn und Zweck her durchaus ein Verständnis ihrer Vorgaben, das mit der Fürsorgepflicht des Dienstherrn in Einklang steht.

Gerade zur Vermeidung einer Kollision des Sozialkriterienkatalogs mit den dem Dienstherrn aus der Fürsorgepflicht erwachsenen Pflichten dürfte die Regelung unter Ziffer II.8 DV Eingang in die Dienstvereinbarung gefunden haben. Hiernach werden besondere Fälle, die durch den Sozialkriterienkatalog nicht angemessen geregelt werden können, im Einzelfall mit Zustimmung der zuständigen Personalvertretung entschieden. Dies wirkt - soweit es um soziale Belastungen aufgrund familiärer Bindungen geht - einer schablonenhaften Beschränkung der Berücksichtigungsfähigkeit familiärer Verpflichtungen eines Beamten auf bestimmte typische Fallgestaltungen entgegen. Die Regelung dient zum Ausgleich des Umstandes, dass es den Rahmen eines handhabbaren Sozialkriterienkataloges sprengen würde, wenn in ihm jede denkbare, vielleicht nur in seltenen Einzelfällen vorkommende Hilfe für Angehörige, deren Ausmaß eine Punktvergabe rechtfertigen oder gar gebieten könnte, aufgeführt sein müsste. Ein Sozialkriterienkatalog kann nur typische Fallgruppen aufgreifen und angemessen regeln. In allen anderen Konstellationen kann der Dienstherr seiner Fürsorgepflicht nur mittels einer Einzelfallprüfung gerecht werden. Zwar wird sicherlich nicht jedes mehr oder weniger regelmäßige Tätigwerden zugunsten eines in irgendeiner Weise auf Unterstützung angewiesenen Angehörigen Anlass zur Vergabe eines oder mehrerer Sozialpunkte geben können, weil viele Hilfeleistungen für nahe Angehörige ihrem Umfang nach den Rahmen sozialadäquater - oftmals auch gegenseitiger - Unterstützung nicht überschreiten und sich mithin nicht als besondere vom Dienstherrn bei Wahrnehmung seiner Fürsorgepflicht zu berücksichtigende Belastung darzustellen vermögen.

So macht der Kläger nicht geltend, infolge von Hilfestellungen zugunsten seines schwerbehinderten Vaters und seiner Mutter, die in einem eigenen Haushalt leben, in besonderer den sozialüblichen Rahmen übersteigender Weise belastet zu sein. Er beruft sich vielmehr darauf, dass er in die Fürsorge für seinen zu 100 v.H. schwerbehinderten Bruder eingebunden sei. Dieser lebe zwar bei den Eltern und werde von diesen, was Essen und Haushaltsführung angehe, auch versorgt, sei aber aufgrund seiner Behinderung auf bestimmte tagtägliche Kontakte mit einer engen Bezugsperson - dem Kläger - angewiesen und könne seine außerhäuslichen Angelegenheiten, wie etwa geschäftliche Dinge, Arztbesuche oder Behördengänge, nicht ohne Hilfe bewältigen. Demgemäß stehe er unter Betreuung, wobei zunächst der Vater als Betreuer und er, der Kläger, als Ersatzbetreuer bestellt gewesen seien und - nachdem der Vater dieser Aufgabe aus gesundheitlichen Gründen zunehmend nicht mehr gewachsen gewesen sei - er durch Amtsgerichtsbeschluss vom 13.9.2011 als Betreuer eingesetzt worden sei. Diese Situation ist sicherlich keine typische, so dass ihre Berücksichtigung in einem Sozialkriterienkatalog nicht erwartet werden kann. Dies entbindet den Dienstherrn aber nicht von der Prüfung der Frage, ob die durch sie bedingte Belastung des Beamten es von ihrer Intensität her erforderlich macht, sie mit einem oder mehreren Sozialpunkten zu belegen.

Diese Frage hat die Beklagte nach Aktenlage - insbesondere dem Inhalt des Vermerks vom 15.6.2011 und ihren Bekundungen im Verlauf des Gerichtsverfahrens zufolge - nicht geprüft, obwohl der Kläger Umstände vorgetragen hat, die nicht von vornherein ungeeignet zur Darlegung einer besonderen Belastung erscheinen. Ihr Standpunkt, dass der Sozialkriterienkatalog abschließend regele, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen von Angehörigen zur Vergabe von Sozialpunkten führen, und dass alle anderen Belastungen infolge von Hilfeleistungen für Angehörige bei der Ermittlung der Standortbindung nicht - auch nicht über den Auffangtatbestand der Ziffer II.8 DV - berücksichtigt werden könnten, widerspricht den durch die Fürsorgepflicht des Dienstherrn geprägten rechtlichen Anforderungen. So erscheint es im Vergleich mit Lebensumständen, die nach dem Sozialkriterienkatalog eine Punktevergabe zur Folge haben, nicht ausgeschlossen, sondern nach Dafürhalten des Senats naheliegend, wenn nicht geboten, der Belastung des Klägers aufgrund der Behinderung seines Bruders ein Gewicht zuzusprechen, das die Vergabe von einem oder mehreren Sozialpunkten rechtfertigen könnte. Hierfür spricht insbesondere die unter Ziffer 7 des Sozialkriterienkatalogs getroffene Regelung, wonach Ehrenämter in der Betreuung behinderter Personen die Vergabe eines Sozialpunktes zur Folge haben. Insoweit erschließt sich dem Senat nicht, aus welchen sachlichen mit Blick auf den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz tragfähigen Gründen Betreuungsaufwand, der seine Ursache nicht in einem Ehrenamt, sondern in den engen familiären Bindungen unter Geschwistern hat – ohne dass es auf das konkrete Ausmaß des Aufwandes ankäme –, von vornherein nicht als sozialrelevante Belastung in Betracht kommen sollte.

2.2. Die von der Beklagten aufgeworfene Frage, ob es auf all dies angesichts des Zeitpunkts, zu dem der Kläger erstmals die Anerkennung von Sozialpunkten wegen der Hilfebedürftigkeit seines Bruders beantragt hat, überhaupt ankommen kann, ist zu bejahen.

Die Beklagte verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass der Kläger seinen Einsatz zur (Mit-)Betreuung des Bruders anfänglich bei Ausfüllen des Sozialfragebogens am 14.3.2011 nicht als besondere soziale Belastung geltend gemacht und diesen Aspekt auch bei der ersten Korrektur seiner Angaben am 5.5.2011 anlässlich der Bitte um zusätzliche Berücksichtigung der zwischenzeitlich anerkannten Schwerbehinderung seiner Ehefrau nicht angesprochen hat. Dementsprechend sei die in dem Stellenbesetzungsvermerk vom 8.6.2011 dokumentierte Personalauswahlentscheidung unter der Prämisse getroffen worden, dass die sozialen Belange aller Bewerber, also auch des Klägers, vollständig ermittelt und berücksichtigt worden seien. Erst am 15.6.2011 habe der Kläger geltend gemacht, wichtige Punkte vergessen zu haben, und sein ehrenamtliches Engagement im Kindergarten sowie seinen Einsatz für seinen Bruder als zusätzlich zu berücksichtigende Belastungen angeführt. Diese Angaben seien geprüft worden, obwohl nach der Dienstvereinbarung keine Verpflichtung mehr hierzu bestanden habe. Denn nach Ziffer II.5 DV sei die zum Zeitpunkt der Personalauswahlentscheidung bestehende Sozialpunktezahl für den Vergleich unter mehreren Bewerbern maßgeblich. Dieser Zeitpunkt sei bei erstmaliger Geltendmachung der nunmehr strittigen Belange bereits verstrichen gewesen. Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden.

Fest steht insoweit zwar, dass der mit der Auswahlentscheidung befasste Bedienstete der Beklagten die ihm vorgelegten Bewerbungen um den Dienstposten am 8.6.2011 ausgewertet hat, auf dieser Grundlage zum Ergebnis gelangt ist, dass der Dienstposten wegen Erreichens der höchsten Sozialpunktezahl mit dem Beigeladenen zu besetzen ist, und einen entsprechenden, seine Erwägungen im Einzelnen festhaltenden Stellenbesetzungsvermerk gefertigt hat, der am 9.6.2011 von seinen beiden Vorgesetzten gegengezeichnet worden ist. Allerdings hatte diese Entscheidung noch internen Charakter; insbesondere stand die Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten und des Gesamtpersonalrates noch aus. Bevor die diesbezüglich notwendigen Schritte am 17.6.2011 (Anschreiben an die Gleichstellungsbeauftragte/Zustimmung am 21.6.2011) bzw. am 27.6.2011 (Anschreiben an den Gesamtpersonalrat/Zustimmung am 14.7.2011) eingeleitet und abgeschlossen waren und den Betroffenen die Auswahlentscheidung jeweils mit Schreiben vom 20.7.2011 mitgeteilt worden ist, ist der Kläger mit dem Anliegen der Berücksichtigung u.a. der Hilfebedürftigkeit seines Bruders am 15.6.2011 an die Beklagte herangetreten. Völlig zu Recht hat die Beklagte dieses Anliegen damals – allerdings mit dem bekannten Ergebnis – zum Anlass der Überprüfung der zu vergebenden Sozialpunkte genommen.

Zu diesem Zeitpunkt und auch anlässlich der Überprüfung des Widerspruchs des Klägers gegen die Auswahlentscheidung hat die Beklagte ausweislich des Widerspruchsbescheids vom 1.9.2011 selbst nicht angenommen, dass das neue Vorbringen des Klägers zu spät geltend gemacht worden sei. Vielmehr hat sie dem Kläger in den Gründen ihrer Widerspruchsentscheidung einleitend mitgeteilt, dass die von ihm am 15.6.2011 nachgereichten Unterlagen zur Schwerbehinderung seines Bruders geprüft und in die Stellenbesetzungsentscheidung eingeflossen seien. Hieran muss sie sich festhalten lassen.

Erstmals im gerichtlichen Verfahren hat die Beklagte argumentiert, das Vorbringen des Klägers vom 15.6.2011 habe ohnehin - unabhängig von seiner rechtlichen Relevanz - keine Verpflichtung zu einer Erhöhung der vergebenen Sozialpunkte begründen können, weil gemäß Ziffer II.5 Satz 3 DV allein die zur Zeit der Personalauswahlentscheidung bestehende Sozialpunktezahl maßgeblich sei. Dieses Argument verfängt nicht.

Die Beklagte verkennt, dass eine Personalentscheidung erst getroffen ist, wenn die zu beteiligenden Mitbestimmungsgremien ihr zugestimmt haben und der Dienstherr sich entschließt, an ihr festzuhalten und sie durch Bekanntgabe an den hiernach erfolgreichen Bewerber und seine unterlegenen Konkurrenten umzusetzen. Dementsprechend musste das Vorbringen des Klägers vom 15.6.2011 - wie geschehen - geprüft werden. Dass dabei die rechtliche Tragweite der unter Ziffer II.8 DV getroffenen Regelung verkannt und diese Vorschrift als nicht einschlägig erachtet wurde, führt zur Fehlerhaftigkeit der Auswahlentscheidung.

Dieser Fehler wurde im Rahmen des Widerspruchsverfahrens nicht behoben.

Nach § 126 Abs. 3 Nrn. 1 und 4 BRRG setzen alle Klagen eines Beamten aus dem Beamtenverhältnis einschließlich der Leistungs- und Feststellungsklage - sofern gesetzlich nichts anderes bestimmt ist - die vorherige Durchführung eines Widerspruchsverfahrens voraus. Zu der Zielsetzung dieser Regelung hat das Bundesverwaltungsgericht(BVerwG, Urteil vom 30.10.2013 - 2 C 23/12 -, juris Rdnr. 20) erst kürzlich ausgeführt, der Gesetzgeber habe das Erfordernis des Widerspruchsverfahrens auf alle Streitigkeiten aus dem Beamtenverhältnis erstreckt, um sicherzustellen, dass Beamte vor der Anrufung der Verwaltungsgerichte den Dienstherrn mit ihren Anliegen befassen. Das Widerspruchsverfahren diene unter anderem der Selbstkontrolle des Dienstherrn. Diesem solle stets die Möglichkeit eröffnet werden, einen gerichtlichen Rechtsstreit zu vermeiden, sei es durch Abhilfe, durch gütliche Einigung, soweit dies rechtlich möglich ist, oder durch nähere Begründung seines Rechtsstandpunktes.

Der Kläger hat in seinem Widerspruchsschreiben vom 8.8.2011 in Ergänzung seines Schreibens vom 15.6.2011, wenn auch nur mit knapp gehaltenen Ausführungen, den Grund und das Ausmaß der Behinderung seines Bruders sowie den Umstand dargelegt, dass er in dessen Betreuung eingebunden sei, und damit substantiiert Anhaltspunkte für das eventuelle Bestehen einer besonderen sozialen Belastung vorgetragen.

Die Beklagte war im Rahmen der Bearbeitung des Widerspruchs gehalten, alle ihr bekannt gewordenen standortbezogenen Lebensumstände des Klägers auf ihre eventuelle Relevanz für die Vergabe von Sozialpunkten zu überprüfen und gegebenenfalls – sofern der Sozialkriterienkatalog dies vorsieht (Ehrenamt) – zu berücksichtigen bzw. bei Vorliegen substantiierter Anhaltspunkte für eine im Sozialkriterienkatalog nicht erfasste besondere Belastung eine Einzelfallentscheidung nach Ziffer II.8 DV zu ermöglichen. Sie hätte den Umfang der vorgetragenen und nicht grundsätzlich angezweifelten Belastung des Klägers infolge der Behinderung seines Bruders in tatsächlicher Hinsicht aufklären und durch einen wertenden Vergleich mit den im Sozialkriterienkatalog geregelten Tatbeständen unter Einbeziehung aufgetretener Referenzfälle gewichten müssen. Diese Notwendigkeit hat die Beklagte indes nicht erkannt und fürsorgepflichtwidrig – ebenso wie im Prozess – an ihrer der angegriffenen Auswahlentscheidung zu Grunde liegenden Rechtsansicht festgehalten, die in Bezug auf den Bruder des Klägers bekannt gewordenen Umstände seien von vornherein nicht von Relevanz.

Hinsichtlich Entscheidungen, die unter Beachtung des Art. 33 Abs. 2 GG zu treffen sind, ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt, dass deren Rechtmäßigkeit sich grundsätzlich(anders (Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz), wenn zu entscheiden ist, ob einem Einstellungsantrag im Hinblick auf ein gesetzliches Tatbestandsmerkmal aus Rechtsgründen stattgegeben werden muss oder nicht stattgegeben werden darf: BVerwG, Urteil vom 24.6.2004 - 2 C 45/03 -, juris Rdnr. 18; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 22.1.2002 - 1 C 6/01 -, juris Rdnr. 9) nach der Sach- und Rechtslage zur Zeit der letzten Behördenentscheidung bestimmt, sie also im gerichtlichen Verfahren nicht mit einer neuen Auswahlbegründung aufrechterhalten werden können.(BVerwG, Urteile vom 27.11.1980 - 2 C 38/79 -, BVerwGE 61, 176, 191 f., und vom 25.11.2004 -  2 C 17/03 -, juris Rdnrn. 17 und 20; Beschlüsse vom 16.12.2008 - 1 WB 19/08 -, juris Rdnrn. 46 ff., und vom 27.1.2010 - 1 WB 52/08 -, juris Rdnr. 37) Ob dies bei einer nach sozialen Kriterien zu treffenden Auswahlentscheidung genauso zu sehen ist, kann fallbezogen dahinstehen. Denn die Beklagte hat im gerichtlichen Verfahren keinen – zumindest keinen sachlich vertretbaren – Versuch unternommen, die klägerseits geltend gemachte Belastung infolge der Behinderung des Bruders in ihr Sozialpunktesystem einzureihen.

Nach alldem hat die Beklagte ihre Fürsorgepflicht verletzt. Auswahlentscheidung und Widerspruchsbescheid unterliegen der Aufhebung.

3. Das weitere mit dem Hauptantrag der Klage verfolgte Begehren, die Beklagte zur Übertragung des angestrebten Dienstpostens an den Kläger zu verurteilen, kann – anders als der auf erneute Auswahlentscheidung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats zielende Hilfsantrag – keinen Erfolg haben.

Der Senat ist nicht befugt, die nach Ziffer II.8 DV der Beklagten und der zuständigen Personalvertretung vorbehaltene Einzelfallwürdigung und -entscheidung selbst zu treffen. Denn ob eine sozialpunkterelevante Konstellation – gegebenenfalls mit welcher in Punkten auszudrückenden Intensität – gegeben ist oder nicht, obliegt nicht primär der Beurteilung durch den Senat, sondern der vergleichenden Würdigung durch die Beklagte und die zuständige Personalvertretung. Dass das Ermessen – ausnahmsweise – zu Gunsten des Klägers auf Null reduziert wäre, also allein die Vergabe des Dienstpostens an ihn in Betracht käme, ist nicht annehmbar.

Denn ein Erfolg der Klage mit dem Hauptantrag, dem Kläger den begehrten Dienstposten zu übertragen, würde zwingend voraussetzen, dass die erneute Überprüfung der Sozialrelevanz der mit Schreiben vom 15.6.2011 geltend gemachten Belastungen zu dem Ergebnis führen würde, dass dem Kläger - aktuell - zumindest die gleiche Zahl an Sozialpunkten zustünde wie dem Beigeladenen. Indes ist derzeit nicht absehbar, sondern vielmehr offen, zu welchem Ergebnis die nach Ziffer II.8 DV notwendige vergleichende Betrachtung führen wird, so dass die Klage mit ihrem Hauptantrag der Zurückweisung unterliegt.

Der auf erneute Entscheidung der Beklagten über die Bewerbung des Klägers zielende Hilfsantrag hat Erfolg. Die Auswahlentscheidung muss wiederholt werden.

Sie ist unter Zugrundelegung der aktuellen Gegebenheiten zu treffen. Denn die Zuweisung des verfahrensgegenständlichen Dienstpostens an den Beigeladenen konnte infolge des Rechtsstreits im Verhältnis zu dem Kläger keine Verbindlichkeit erlangen. In Konsequenz der Rechtswidrigkeit der Auswahlentscheidung ist der Dienstposten nach wie vor zu vergeben. Da die Auswahlentscheidung nach der Organisationsgrundentscheidung der Beklagten nach Sozialkriterien, insbesondere dem Kriterium der Standortbindung zu treffen ist, ist für die neu zu treffende Auswahlentscheidung maßgeblich, welcher der beiden verbliebenen Bewerber die intensivere Standortbindung geltend machen kann. Insoweit legt das maßgebliche materielle Recht den Schluss nahe, dass eine an Sozialkriterien zu orientierende Dienstpostenvergabe die zur Zeit der Auswahlentscheidung aktuellen Lebensumstände der Bewerber in den Blick nehmen muss. Es widerspräche Sinn und Zweck dieser Organisationsgrundentscheidung, einen Bewerber wegen der Intensität seiner Sozialbindung zur Zeit der Stellenausschreibung und des Auswahlverfahrens zu bevorzugen, obwohl er im Zeitpunkt der (neu vorzunehmenden) Auswahlentscheidung nicht die höchste Sozialpunktezahl vorzuweisen hat und damit aktuell nicht der Bewerber mit der intensivsten Standortbindung ist.

Die Beklagte ist nach alldem im Rahmen der neuen Auswahlentscheidung zur vollständigen Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts verpflichtet und aufgrund der ihr gegenüber dem Kläger und gleichermaßen gegenüber dem Beigeladenen obliegenden Fürsorgepflicht gehalten, alle aktuell standortbindungsrelevanten Umstände an den Vorgaben der mit dem Hauptpersonalrat getroffenen Dienstvereinbarung und dem gemeinsam entwickelten Sozialkriterienkatalog zu messen. Hinsichtlich im Sozialkriterienkatalog nicht erfasster Belastungen wird – unter Beteiligung des zuständigen Personalrat – zu prüfen sein, ob ihnen ein Gewicht zukommt, das eine Berücksichtigung bei der Zuerkennung der Sozialpunkte erforderlich macht und bejahendenfalls zu ermitteln sein, welche Anzahl von Sozialpunkten der Intensität der Belastung bei der gebotenen vergleichenden Betrachtung gerecht wird.

Im Rahmen der Bewertung des Betreuungsaufwands für den Bruder und dem hiermit begründeten Wunsch des Klägers, möglichst nicht im Schichtdienst arbeiten zu müssen, wird die Beklagte auch zu erwägen haben, ob und wenn ja welche Relevanz die Regelung unter Ziffer V.7 DV, eventuell auch die Regelung unter Ziffer V.9 DV, in diesem Zusammenhang haben kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 155 Abs. 1 Satz 1 2. Alt., 154 Abs. 3 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit rechtfertigt sich aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11 ZPO.

Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§§ 132 Abs. 2 VwGO, 127 BRRG).

Beschluss

Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 5.000,-- Euro festgesetzt (§§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 und Abs. 2, 47 Abs. 1 GKG).

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist nach Maßgabe des Urteilstenors teilweise begründet und im Übrigen unbegründet.

Das mit dem Hauptantrag verfolgte Klagebegehren, die Beklagte unter Aufhebung von Bescheid und Widerspruchsbescheid zu verurteilen, dem Kläger den verfahrensgegenständlichen Dienstposten zu übertragen, ist – wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat – zulässig.

Soweit die Klage auf die Aufhebung des Bescheids vom 20.7.2011 und des Widerspruchsbescheids vom 1.9.2011 gerichtet ist, ist sie begründet. Ferner ist die Beklagte auf den Hilfsantrag hin zu verpflichten, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats erneut über die verfahrensgegenständliche Bewerbung des Klägers zu entscheiden. Insoweit unterliegt das angegriffene Urteil der Abänderung. Hinsichtlich des weitergehenden Antrags, die Beklagte zur Übertragung des angestrebten Dienstpostens an den Kläger zu verurteilen, bleibt die Berufung ohne Erfolg.

1. Dem Verwaltungsgericht ist zunächst darin zuzustimmen, dass die grundsätzliche Entscheidung der Beklagten, den vom Kläger erstrebten und - nur - unter Versetzungs- und Umsetzungsbewerbern zu vergebenden Dienstposten nicht nach den Kriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung, sondern nach dem sozialen Gesichtspunkt der Standortbindung zu übertragen, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist. Das Verwaltungsgericht hat überzeugend herausgearbeitet, dass die Beklagte die Organisationsgrundentscheidung getroffen hat, den in Rede stehenden Dienstposten nicht als Beförderungsdienstposten auszuschreiben, sondern Versetzungs- und Umsetzungsinteressierten zwecks einer sozialverträglichen personellen Umsetzung der Neuorganisation der Bundespolizei die Möglichkeit zu eröffnen, sich unter Hinweis auf ihre Wohnortnähe und Standortbindung auf diesen Dienstposten zu bewerben.

Zulässig ist ferner, dass die Beklagte sich angesichts der Vielzahl der im Rahmen der Neuorganisation der Bundespolizei zu treffenden Auswahlentscheidungen entschlossen hat, im Wege einer Dienstvereinbarung mit dem Hauptpersonalrat einen Sozialkriterienkatalog zu erstellen, um eine Grundlage für die Anlegung möglichst gleichmäßiger Auswahlkriterien in Bezug auf das Merkmal Standortbindung zu schaffen. Hiernach ist die Auswahl zwischen mehreren Bewerbern mit Standortbindung nach der anhand des Sozialkriterienkataloges zu ermittelnden Sozialpunktezahl zu treffen.

2. Die zu Ungunsten des Klägers getroffene Auswahlentscheidung ist mangels hinreichender Einbeziehung des entscheidungserheblichen Sachverhalts in die Ermittlung der zu vergebenden Sozialpunkte – auch in der Gestalt, die sie durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat – rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

2.1. Sie wird ausschließlich damit begründet, dass sich bei der anhand der Dienstvereinbarung und des Sozialkriterienkataloges zu ermittelnden Standortbindung ein Vorsprung des Beigeladenen ergeben habe, weil diesem 28 Sozialpunkte und dem Kläger nur 25 Sozialpunkte zuzuerkennen seien. Nach den dortigen Vorgaben könne das Vorbringen des Klägers, er sei aufgrund der Schwerbehinderung seines Bruders einer zusätzlichen besonderen Belastung ausgesetzt, keine Berücksichtigung finden. Denn der Umstand, dass die diesbezüglich geschilderten Belastungen zwar Eingang in den Sozialkriterienkatalog hätten finden können, aber nicht gefunden haben, habe zur Folge, dass sie nicht berücksichtigungsfähig seien. Die so begründete Umsetzung der Vorgaben der Dienstvereinbarung und des Sozialkriterienkataloges auf die konkreten Lebensumstände des Klägers ist fehlerbehaftet.

Die Beklagte war aus Gründen der ihr gegenüber dem Kläger obliegenden Fürsorgepflicht gehalten, die mit dessen Schreiben vom 15.6.2011 zusätzlich geltend gemachte Belastung durch das Ehrenamt zusätzlich mit einem Sozialpunkt zu belegen und die Belastung infolge der Behinderung des Bruders zum Anlass zu nehmen, die Frage zu prüfen, ob diese die Vergabe von Sozialpunkten rechtfertigt und die zuständige Personalvertretung nach Maßgabe der Ziffer II.8 DV mit der Angelegenheit zu befassen. Durch die Nichtberücksichtigung der geltend gemachten Belastungen hat die Beklagte die ihr gegenüber dem Kläger obliegende Fürsorgepflicht verletzt. Dies ergibt sich aus der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts.

Die Regelungen der Dienstvereinbarung und des Sozialkriterienkataloges und deren Anwendung durch die Beklagte auf die jeweils zu treffende Auswahlentscheidung müssen gewährleisten, dass alle fürsorgepflichtrelevanten Umstände der privaten Lebensführung der einzelnen Beamten vor einer den Ort der Dienstverrichtung berührenden Personalentscheidung ermittelt und mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Abwägung eingestellt werden können. Nach der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts(BVerwG, Beschluss vom 18.2.2013 - 2 B 51/12 -, juris Rdnrn. 8 ff.) ist der Dienstherr aufgrund der ihm obliegenden Fürsorgepflicht gehalten, die ihm untergebenen Beamten mit Gerechtigkeit zu behandeln, ihnen die Erfüllung ihres Dienstes nach Möglichkeit zu erleichtern und ihre Belange wohlwollend zu berücksichtigen und zu wahren. Demgemäß muss der Dienstherr - so das Bundesverwaltungsgericht - zur Vorbereitung einer Versetzungsentscheidung nicht nur - wie in der Rechtsprechung seit langem anerkannt (BVerwG, Urteile vom 7.3.1968 – 2 C 137/67 -, Buchholz 232 § 26 BBG Nr. 9 S. 50 f., und vom 13.2.1969 - 2 C 114/65 -, Buchholz 232 § 26 BBG Nr. 11 S. 4 f.)- prüfen, ob es substantiierte Anhaltspunkte für eine eventuelle Schädigung der körperlichen oder seelischen Gesundheit des Beamten infolge der Personalmaßnahme gibt, sondern auch besondere Schutzbedürfnisse des Beamten aus dem von Art. 6 GG geschützten Bereich von Ehe und Familie sowie andere, mit dem Wechsel des Dienstortes verbundene Nachteile für die private Lebensführung des Beamten ermitteln und bei seiner Auswahlentscheidung berücksichtigen. Er kann sich durch eine Dienstvereinbarung nicht von Verpflichtungen, die ihm im Verhältnis zu jedem einzelnen Beamten von Verfassungs wegen oder kraft Gesetzes obliegen, befreien.

Dies gilt uneingeschränkt auch in Fallgestaltungen der vorliegenden Art, in denen es nicht um eine (Weg-) Versetzung zu einem anderen für den betroffenen Beamten mit Blick auf seine private Lebensführung potentiell ungünstigeren Dienstort geht, sondern ein freier Dienstposten nach der von der Zielsetzung, die Zufriedenheit innerhalb der Bediensteten zu steigern, getragenen Grundsatzentscheidung des Dienstherrn an denjenigen Beamten vergeben werden soll, der aufgrund seiner privaten Lebensverhältnisse das schutzwürdigste Interesse an einer wohnortnahen dienstlichen Verwendung hat. Auch unter diesen Voraussetzungen kann der Dienstherr eine gerechte, die jeweiligen privaten Belange angemessen und wohlwollend berücksichtigende Auswahlentscheidung zwischen mehreren Bewerbern um einen mit einem Dienstortwechsel verbundenen Dienstposten nur treffen, wenn er alle fürsorgepflichtrelevanten Umstände der privaten Lebensführung ermittelt und sie ihrem Gewicht entsprechend in seine Abwägung einbezieht. Entwickelt der Dienstherr zu diesem Zweck gemeinsam mit dem zuständigen Personalrat einen Katalog von Sozialkriterien und ein entsprechendes Punktesystem, so müssen deren Inhalt, Auslegung und einzelfallbezogene Anwendung gewährleisten, dass kein aufgrund der Fürsorgepflicht zu beachtender Umstand der privaten Lebensführung des einzelnen Beamten unberücksichtigt bleibt.

Gemessen an diesem rechtlichen Rahmen ist festzustellen, dass Ziffer 5 des zur Umsetzung der verfahrensgegenständlichen Dienstvereinbarung erlassenen Sozialkriterienkatalogs in der von der Beklagten vertretenen Auslegung des Regelungsinhalts und der hierauf basierenden Handhabung der Vorschrift durch die Beklagte nicht den Anforderungen entspricht, die eine Dienstvereinbarung nach der in Bezug genommenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erfüllen muss, um eine ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung des Dienstherrn im Falle der Konkurrenz mehrerer Bewerber um einen konkreten Dienstposten zu ermöglichen. Ist nämlich der Dienstherr aufgrund seiner Fürsorgepflicht gehalten, alle relevanten Lebensumstände des Beamten in eine nach Sozialkriterien zu treffende Entscheidung einzubeziehen, so ist ihm versagt, seine Fürsorgepflicht im Wege einer Dienstvereinbarung nur auf ganz bestimmte Lebensumstände zu beschränken und allein diese als ermessensrelevant anzuerkennen.

Fallbezogen hat die Beklagte im Verlauf sowohl des Verwaltungs- als auch des Gerichtsverfahrens immer wieder bekräftigt, der Regelung unter Ziffer 5 des Sozialkriterienkatalogs liege eine Ermessensentscheidung des Inhalts zugrunde, dass besondere Belastungen eines Beamten infolge gesundheitlicher Beeinträchtigungen eines Angehörigen nur in den beiden ausdrücklich aufgeführten Fallgestaltungen – Schwerbehinderung des Ehe- bzw. Lebenspartners bzw. eines Kindes oder Pflegefall der Pflegestufe 1, 2 oder 3 im eigenen Haushalt bzw. in der unmittelbaren Umgebung – in die Ermittlung des Gewichts der Standortbindung einbezogen werden dürften. Dieses Verständnis der Vorschrift verbietet sich, denn Ermessensentscheidungen, die im Widerspruch zu der Fürsorgepflicht des Dienstherrn nicht alle abwägungsrelevanten Belange einbeziehen, dürfen auch nicht unter dem Etikett einer Dienstvereinbarung getroffen werden.

So wie von der Beklagten verstanden würde die Regelung dazu führen, dass eine wohl beträchtliche Anzahl nach der Lebenserfahrung vorkommender besonderer Belastungen eines Beamten infolge familiärer Verpflichtungen gegenüber hilfebedürftigen Verwandten ungeachtet eventueller gravierender Auswirkungen auf die private Lebensführung von vornherein nicht zur Zuerkennung von Sozialpunkten führen kann. So verstanden wären die Dienstvereinbarung und der zugehörige Sozialkriterienkatalog nicht rechtens. Denn durch Abschluss einer Dienstvereinbarung kann der Dienstherr sich nicht von seiner Verpflichtung befreien, alle potentiell fürsorgepflichtrelevanten Umstände der privaten Lebensführung des Beamten in Entscheidungen einzubeziehen, die sich erschwerend oder erleichternd unmittelbar auf die private Lebensgestaltung des Beamten auswirken. Indes rechtfertigt die Dienstvereinbarung von ihrem Wortlaut sowie Sinn und Zweck her durchaus ein Verständnis ihrer Vorgaben, das mit der Fürsorgepflicht des Dienstherrn in Einklang steht.

Gerade zur Vermeidung einer Kollision des Sozialkriterienkatalogs mit den dem Dienstherrn aus der Fürsorgepflicht erwachsenen Pflichten dürfte die Regelung unter Ziffer II.8 DV Eingang in die Dienstvereinbarung gefunden haben. Hiernach werden besondere Fälle, die durch den Sozialkriterienkatalog nicht angemessen geregelt werden können, im Einzelfall mit Zustimmung der zuständigen Personalvertretung entschieden. Dies wirkt - soweit es um soziale Belastungen aufgrund familiärer Bindungen geht - einer schablonenhaften Beschränkung der Berücksichtigungsfähigkeit familiärer Verpflichtungen eines Beamten auf bestimmte typische Fallgestaltungen entgegen. Die Regelung dient zum Ausgleich des Umstandes, dass es den Rahmen eines handhabbaren Sozialkriterienkataloges sprengen würde, wenn in ihm jede denkbare, vielleicht nur in seltenen Einzelfällen vorkommende Hilfe für Angehörige, deren Ausmaß eine Punktvergabe rechtfertigen oder gar gebieten könnte, aufgeführt sein müsste. Ein Sozialkriterienkatalog kann nur typische Fallgruppen aufgreifen und angemessen regeln. In allen anderen Konstellationen kann der Dienstherr seiner Fürsorgepflicht nur mittels einer Einzelfallprüfung gerecht werden. Zwar wird sicherlich nicht jedes mehr oder weniger regelmäßige Tätigwerden zugunsten eines in irgendeiner Weise auf Unterstützung angewiesenen Angehörigen Anlass zur Vergabe eines oder mehrerer Sozialpunkte geben können, weil viele Hilfeleistungen für nahe Angehörige ihrem Umfang nach den Rahmen sozialadäquater - oftmals auch gegenseitiger - Unterstützung nicht überschreiten und sich mithin nicht als besondere vom Dienstherrn bei Wahrnehmung seiner Fürsorgepflicht zu berücksichtigende Belastung darzustellen vermögen.

So macht der Kläger nicht geltend, infolge von Hilfestellungen zugunsten seines schwerbehinderten Vaters und seiner Mutter, die in einem eigenen Haushalt leben, in besonderer den sozialüblichen Rahmen übersteigender Weise belastet zu sein. Er beruft sich vielmehr darauf, dass er in die Fürsorge für seinen zu 100 v.H. schwerbehinderten Bruder eingebunden sei. Dieser lebe zwar bei den Eltern und werde von diesen, was Essen und Haushaltsführung angehe, auch versorgt, sei aber aufgrund seiner Behinderung auf bestimmte tagtägliche Kontakte mit einer engen Bezugsperson - dem Kläger - angewiesen und könne seine außerhäuslichen Angelegenheiten, wie etwa geschäftliche Dinge, Arztbesuche oder Behördengänge, nicht ohne Hilfe bewältigen. Demgemäß stehe er unter Betreuung, wobei zunächst der Vater als Betreuer und er, der Kläger, als Ersatzbetreuer bestellt gewesen seien und - nachdem der Vater dieser Aufgabe aus gesundheitlichen Gründen zunehmend nicht mehr gewachsen gewesen sei - er durch Amtsgerichtsbeschluss vom 13.9.2011 als Betreuer eingesetzt worden sei. Diese Situation ist sicherlich keine typische, so dass ihre Berücksichtigung in einem Sozialkriterienkatalog nicht erwartet werden kann. Dies entbindet den Dienstherrn aber nicht von der Prüfung der Frage, ob die durch sie bedingte Belastung des Beamten es von ihrer Intensität her erforderlich macht, sie mit einem oder mehreren Sozialpunkten zu belegen.

Diese Frage hat die Beklagte nach Aktenlage - insbesondere dem Inhalt des Vermerks vom 15.6.2011 und ihren Bekundungen im Verlauf des Gerichtsverfahrens zufolge - nicht geprüft, obwohl der Kläger Umstände vorgetragen hat, die nicht von vornherein ungeeignet zur Darlegung einer besonderen Belastung erscheinen. Ihr Standpunkt, dass der Sozialkriterienkatalog abschließend regele, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen von Angehörigen zur Vergabe von Sozialpunkten führen, und dass alle anderen Belastungen infolge von Hilfeleistungen für Angehörige bei der Ermittlung der Standortbindung nicht - auch nicht über den Auffangtatbestand der Ziffer II.8 DV - berücksichtigt werden könnten, widerspricht den durch die Fürsorgepflicht des Dienstherrn geprägten rechtlichen Anforderungen. So erscheint es im Vergleich mit Lebensumständen, die nach dem Sozialkriterienkatalog eine Punktevergabe zur Folge haben, nicht ausgeschlossen, sondern nach Dafürhalten des Senats naheliegend, wenn nicht geboten, der Belastung des Klägers aufgrund der Behinderung seines Bruders ein Gewicht zuzusprechen, das die Vergabe von einem oder mehreren Sozialpunkten rechtfertigen könnte. Hierfür spricht insbesondere die unter Ziffer 7 des Sozialkriterienkatalogs getroffene Regelung, wonach Ehrenämter in der Betreuung behinderter Personen die Vergabe eines Sozialpunktes zur Folge haben. Insoweit erschließt sich dem Senat nicht, aus welchen sachlichen mit Blick auf den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz tragfähigen Gründen Betreuungsaufwand, der seine Ursache nicht in einem Ehrenamt, sondern in den engen familiären Bindungen unter Geschwistern hat – ohne dass es auf das konkrete Ausmaß des Aufwandes ankäme –, von vornherein nicht als sozialrelevante Belastung in Betracht kommen sollte.

2.2. Die von der Beklagten aufgeworfene Frage, ob es auf all dies angesichts des Zeitpunkts, zu dem der Kläger erstmals die Anerkennung von Sozialpunkten wegen der Hilfebedürftigkeit seines Bruders beantragt hat, überhaupt ankommen kann, ist zu bejahen.

Die Beklagte verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass der Kläger seinen Einsatz zur (Mit-)Betreuung des Bruders anfänglich bei Ausfüllen des Sozialfragebogens am 14.3.2011 nicht als besondere soziale Belastung geltend gemacht und diesen Aspekt auch bei der ersten Korrektur seiner Angaben am 5.5.2011 anlässlich der Bitte um zusätzliche Berücksichtigung der zwischenzeitlich anerkannten Schwerbehinderung seiner Ehefrau nicht angesprochen hat. Dementsprechend sei die in dem Stellenbesetzungsvermerk vom 8.6.2011 dokumentierte Personalauswahlentscheidung unter der Prämisse getroffen worden, dass die sozialen Belange aller Bewerber, also auch des Klägers, vollständig ermittelt und berücksichtigt worden seien. Erst am 15.6.2011 habe der Kläger geltend gemacht, wichtige Punkte vergessen zu haben, und sein ehrenamtliches Engagement im Kindergarten sowie seinen Einsatz für seinen Bruder als zusätzlich zu berücksichtigende Belastungen angeführt. Diese Angaben seien geprüft worden, obwohl nach der Dienstvereinbarung keine Verpflichtung mehr hierzu bestanden habe. Denn nach Ziffer II.5 DV sei die zum Zeitpunkt der Personalauswahlentscheidung bestehende Sozialpunktezahl für den Vergleich unter mehreren Bewerbern maßgeblich. Dieser Zeitpunkt sei bei erstmaliger Geltendmachung der nunmehr strittigen Belange bereits verstrichen gewesen. Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden.

Fest steht insoweit zwar, dass der mit der Auswahlentscheidung befasste Bedienstete der Beklagten die ihm vorgelegten Bewerbungen um den Dienstposten am 8.6.2011 ausgewertet hat, auf dieser Grundlage zum Ergebnis gelangt ist, dass der Dienstposten wegen Erreichens der höchsten Sozialpunktezahl mit dem Beigeladenen zu besetzen ist, und einen entsprechenden, seine Erwägungen im Einzelnen festhaltenden Stellenbesetzungsvermerk gefertigt hat, der am 9.6.2011 von seinen beiden Vorgesetzten gegengezeichnet worden ist. Allerdings hatte diese Entscheidung noch internen Charakter; insbesondere stand die Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten und des Gesamtpersonalrates noch aus. Bevor die diesbezüglich notwendigen Schritte am 17.6.2011 (Anschreiben an die Gleichstellungsbeauftragte/Zustimmung am 21.6.2011) bzw. am 27.6.2011 (Anschreiben an den Gesamtpersonalrat/Zustimmung am 14.7.2011) eingeleitet und abgeschlossen waren und den Betroffenen die Auswahlentscheidung jeweils mit Schreiben vom 20.7.2011 mitgeteilt worden ist, ist der Kläger mit dem Anliegen der Berücksichtigung u.a. der Hilfebedürftigkeit seines Bruders am 15.6.2011 an die Beklagte herangetreten. Völlig zu Recht hat die Beklagte dieses Anliegen damals – allerdings mit dem bekannten Ergebnis – zum Anlass der Überprüfung der zu vergebenden Sozialpunkte genommen.

Zu diesem Zeitpunkt und auch anlässlich der Überprüfung des Widerspruchs des Klägers gegen die Auswahlentscheidung hat die Beklagte ausweislich des Widerspruchsbescheids vom 1.9.2011 selbst nicht angenommen, dass das neue Vorbringen des Klägers zu spät geltend gemacht worden sei. Vielmehr hat sie dem Kläger in den Gründen ihrer Widerspruchsentscheidung einleitend mitgeteilt, dass die von ihm am 15.6.2011 nachgereichten Unterlagen zur Schwerbehinderung seines Bruders geprüft und in die Stellenbesetzungsentscheidung eingeflossen seien. Hieran muss sie sich festhalten lassen.

Erstmals im gerichtlichen Verfahren hat die Beklagte argumentiert, das Vorbringen des Klägers vom 15.6.2011 habe ohnehin - unabhängig von seiner rechtlichen Relevanz - keine Verpflichtung zu einer Erhöhung der vergebenen Sozialpunkte begründen können, weil gemäß Ziffer II.5 Satz 3 DV allein die zur Zeit der Personalauswahlentscheidung bestehende Sozialpunktezahl maßgeblich sei. Dieses Argument verfängt nicht.

Die Beklagte verkennt, dass eine Personalentscheidung erst getroffen ist, wenn die zu beteiligenden Mitbestimmungsgremien ihr zugestimmt haben und der Dienstherr sich entschließt, an ihr festzuhalten und sie durch Bekanntgabe an den hiernach erfolgreichen Bewerber und seine unterlegenen Konkurrenten umzusetzen. Dementsprechend musste das Vorbringen des Klägers vom 15.6.2011 - wie geschehen - geprüft werden. Dass dabei die rechtliche Tragweite der unter Ziffer II.8 DV getroffenen Regelung verkannt und diese Vorschrift als nicht einschlägig erachtet wurde, führt zur Fehlerhaftigkeit der Auswahlentscheidung.

Dieser Fehler wurde im Rahmen des Widerspruchsverfahrens nicht behoben.

Nach § 126 Abs. 3 Nrn. 1 und 4 BRRG setzen alle Klagen eines Beamten aus dem Beamtenverhältnis einschließlich der Leistungs- und Feststellungsklage - sofern gesetzlich nichts anderes bestimmt ist - die vorherige Durchführung eines Widerspruchsverfahrens voraus. Zu der Zielsetzung dieser Regelung hat das Bundesverwaltungsgericht(BVerwG, Urteil vom 30.10.2013 - 2 C 23/12 -, juris Rdnr. 20) erst kürzlich ausgeführt, der Gesetzgeber habe das Erfordernis des Widerspruchsverfahrens auf alle Streitigkeiten aus dem Beamtenverhältnis erstreckt, um sicherzustellen, dass Beamte vor der Anrufung der Verwaltungsgerichte den Dienstherrn mit ihren Anliegen befassen. Das Widerspruchsverfahren diene unter anderem der Selbstkontrolle des Dienstherrn. Diesem solle stets die Möglichkeit eröffnet werden, einen gerichtlichen Rechtsstreit zu vermeiden, sei es durch Abhilfe, durch gütliche Einigung, soweit dies rechtlich möglich ist, oder durch nähere Begründung seines Rechtsstandpunktes.

Der Kläger hat in seinem Widerspruchsschreiben vom 8.8.2011 in Ergänzung seines Schreibens vom 15.6.2011, wenn auch nur mit knapp gehaltenen Ausführungen, den Grund und das Ausmaß der Behinderung seines Bruders sowie den Umstand dargelegt, dass er in dessen Betreuung eingebunden sei, und damit substantiiert Anhaltspunkte für das eventuelle Bestehen einer besonderen sozialen Belastung vorgetragen.

Die Beklagte war im Rahmen der Bearbeitung des Widerspruchs gehalten, alle ihr bekannt gewordenen standortbezogenen Lebensumstände des Klägers auf ihre eventuelle Relevanz für die Vergabe von Sozialpunkten zu überprüfen und gegebenenfalls – sofern der Sozialkriterienkatalog dies vorsieht (Ehrenamt) – zu berücksichtigen bzw. bei Vorliegen substantiierter Anhaltspunkte für eine im Sozialkriterienkatalog nicht erfasste besondere Belastung eine Einzelfallentscheidung nach Ziffer II.8 DV zu ermöglichen. Sie hätte den Umfang der vorgetragenen und nicht grundsätzlich angezweifelten Belastung des Klägers infolge der Behinderung seines Bruders in tatsächlicher Hinsicht aufklären und durch einen wertenden Vergleich mit den im Sozialkriterienkatalog geregelten Tatbeständen unter Einbeziehung aufgetretener Referenzfälle gewichten müssen. Diese Notwendigkeit hat die Beklagte indes nicht erkannt und fürsorgepflichtwidrig – ebenso wie im Prozess – an ihrer der angegriffenen Auswahlentscheidung zu Grunde liegenden Rechtsansicht festgehalten, die in Bezug auf den Bruder des Klägers bekannt gewordenen Umstände seien von vornherein nicht von Relevanz.

Hinsichtlich Entscheidungen, die unter Beachtung des Art. 33 Abs. 2 GG zu treffen sind, ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt, dass deren Rechtmäßigkeit sich grundsätzlich(anders (Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz), wenn zu entscheiden ist, ob einem Einstellungsantrag im Hinblick auf ein gesetzliches Tatbestandsmerkmal aus Rechtsgründen stattgegeben werden muss oder nicht stattgegeben werden darf: BVerwG, Urteil vom 24.6.2004 - 2 C 45/03 -, juris Rdnr. 18; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 22.1.2002 - 1 C 6/01 -, juris Rdnr. 9) nach der Sach- und Rechtslage zur Zeit der letzten Behördenentscheidung bestimmt, sie also im gerichtlichen Verfahren nicht mit einer neuen Auswahlbegründung aufrechterhalten werden können.(BVerwG, Urteile vom 27.11.1980 - 2 C 38/79 -, BVerwGE 61, 176, 191 f., und vom 25.11.2004 -  2 C 17/03 -, juris Rdnrn. 17 und 20; Beschlüsse vom 16.12.2008 - 1 WB 19/08 -, juris Rdnrn. 46 ff., und vom 27.1.2010 - 1 WB 52/08 -, juris Rdnr. 37) Ob dies bei einer nach sozialen Kriterien zu treffenden Auswahlentscheidung genauso zu sehen ist, kann fallbezogen dahinstehen. Denn die Beklagte hat im gerichtlichen Verfahren keinen – zumindest keinen sachlich vertretbaren – Versuch unternommen, die klägerseits geltend gemachte Belastung infolge der Behinderung des Bruders in ihr Sozialpunktesystem einzureihen.

Nach alldem hat die Beklagte ihre Fürsorgepflicht verletzt. Auswahlentscheidung und Widerspruchsbescheid unterliegen der Aufhebung.

3. Das weitere mit dem Hauptantrag der Klage verfolgte Begehren, die Beklagte zur Übertragung des angestrebten Dienstpostens an den Kläger zu verurteilen, kann – anders als der auf erneute Auswahlentscheidung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats zielende Hilfsantrag – keinen Erfolg haben.

Der Senat ist nicht befugt, die nach Ziffer II.8 DV der Beklagten und der zuständigen Personalvertretung vorbehaltene Einzelfallwürdigung und -entscheidung selbst zu treffen. Denn ob eine sozialpunkterelevante Konstellation – gegebenenfalls mit welcher in Punkten auszudrückenden Intensität – gegeben ist oder nicht, obliegt nicht primär der Beurteilung durch den Senat, sondern der vergleichenden Würdigung durch die Beklagte und die zuständige Personalvertretung. Dass das Ermessen – ausnahmsweise – zu Gunsten des Klägers auf Null reduziert wäre, also allein die Vergabe des Dienstpostens an ihn in Betracht käme, ist nicht annehmbar.

Denn ein Erfolg der Klage mit dem Hauptantrag, dem Kläger den begehrten Dienstposten zu übertragen, würde zwingend voraussetzen, dass die erneute Überprüfung der Sozialrelevanz der mit Schreiben vom 15.6.2011 geltend gemachten Belastungen zu dem Ergebnis führen würde, dass dem Kläger - aktuell - zumindest die gleiche Zahl an Sozialpunkten zustünde wie dem Beigeladenen. Indes ist derzeit nicht absehbar, sondern vielmehr offen, zu welchem Ergebnis die nach Ziffer II.8 DV notwendige vergleichende Betrachtung führen wird, so dass die Klage mit ihrem Hauptantrag der Zurückweisung unterliegt.

Der auf erneute Entscheidung der Beklagten über die Bewerbung des Klägers zielende Hilfsantrag hat Erfolg. Die Auswahlentscheidung muss wiederholt werden.

Sie ist unter Zugrundelegung der aktuellen Gegebenheiten zu treffen. Denn die Zuweisung des verfahrensgegenständlichen Dienstpostens an den Beigeladenen konnte infolge des Rechtsstreits im Verhältnis zu dem Kläger keine Verbindlichkeit erlangen. In Konsequenz der Rechtswidrigkeit der Auswahlentscheidung ist der Dienstposten nach wie vor zu vergeben. Da die Auswahlentscheidung nach der Organisationsgrundentscheidung der Beklagten nach Sozialkriterien, insbesondere dem Kriterium der Standortbindung zu treffen ist, ist für die neu zu treffende Auswahlentscheidung maßgeblich, welcher der beiden verbliebenen Bewerber die intensivere Standortbindung geltend machen kann. Insoweit legt das maßgebliche materielle Recht den Schluss nahe, dass eine an Sozialkriterien zu orientierende Dienstpostenvergabe die zur Zeit der Auswahlentscheidung aktuellen Lebensumstände der Bewerber in den Blick nehmen muss. Es widerspräche Sinn und Zweck dieser Organisationsgrundentscheidung, einen Bewerber wegen der Intensität seiner Sozialbindung zur Zeit der Stellenausschreibung und des Auswahlverfahrens zu bevorzugen, obwohl er im Zeitpunkt der (neu vorzunehmenden) Auswahlentscheidung nicht die höchste Sozialpunktezahl vorzuweisen hat und damit aktuell nicht der Bewerber mit der intensivsten Standortbindung ist.

Die Beklagte ist nach alldem im Rahmen der neuen Auswahlentscheidung zur vollständigen Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts verpflichtet und aufgrund der ihr gegenüber dem Kläger und gleichermaßen gegenüber dem Beigeladenen obliegenden Fürsorgepflicht gehalten, alle aktuell standortbindungsrelevanten Umstände an den Vorgaben der mit dem Hauptpersonalrat getroffenen Dienstvereinbarung und dem gemeinsam entwickelten Sozialkriterienkatalog zu messen. Hinsichtlich im Sozialkriterienkatalog nicht erfasster Belastungen wird – unter Beteiligung des zuständigen Personalrat – zu prüfen sein, ob ihnen ein Gewicht zukommt, das eine Berücksichtigung bei der Zuerkennung der Sozialpunkte erforderlich macht und bejahendenfalls zu ermitteln sein, welche Anzahl von Sozialpunkten der Intensität der Belastung bei der gebotenen vergleichenden Betrachtung gerecht wird.

Im Rahmen der Bewertung des Betreuungsaufwands für den Bruder und dem hiermit begründeten Wunsch des Klägers, möglichst nicht im Schichtdienst arbeiten zu müssen, wird die Beklagte auch zu erwägen haben, ob und wenn ja welche Relevanz die Regelung unter Ziffer V.7 DV, eventuell auch die Regelung unter Ziffer V.9 DV, in diesem Zusammenhang haben kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 155 Abs. 1 Satz 1 2. Alt., 154 Abs. 3 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit rechtfertigt sich aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11 ZPO.

Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§§ 132 Abs. 2 VwGO, 127 BRRG).

Beschluss

Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 5.000,-- Euro festgesetzt (§§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 und Abs. 2, 47 Abs. 1 GKG).

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Eine Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften dieses Gesetzbuchs ist für die Rechtswirksamkeit des Flächennutzungsplans und der Satzungen nach diesem Gesetzbuch nur beachtlich, wenn

1.
entgegen § 2 Absatz 3 die von der Planung berührten Belange, die der Gemeinde bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen, in wesentlichen Punkten nicht zutreffend ermittelt oder bewertet worden sind und wenn der Mangel offensichtlich und auf das Ergebnis des Verfahrens von Einfluss gewesen ist;
2.
die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 3 Absatz 2, § 4 Absatz 2, § 4a Absatz 3, Absatz 4 Satz 2, nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3, auch in Verbindung mit § 13a Absatz 2 Nummer 1 und § 13b, nach § 22 Absatz 9 Satz 2, § 34 Absatz 6 Satz 1 sowie § 35 Absatz 6 Satz 5 verletzt worden sind; dabei ist unbeachtlich, wenn
a)
bei Anwendung der Vorschriften einzelne Personen, Behörden oder sonstige Träger öffentlicher Belange nicht beteiligt worden sind, die entsprechenden Belange jedoch unerheblich waren oder in der Entscheidung berücksichtigt worden sind,
b)
einzelne Angaben dazu, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind, gefehlt haben,
c)
(weggefallen)
d)
bei Vorliegen eines wichtigen Grundes nach § 3 Absatz 2 Satz 1 nicht für die Dauer einer angemessenen längeren Frist im Internet veröffentlicht worden ist und die Begründung für die Annahme des Nichtvorliegens eines wichtigen Grundes nachvollziehbar ist,
e)
bei Anwendung des § 3 Absatz 2 Satz 5 der Inhalt der Bekanntmachung zwar in das Internet eingestellt wurde, aber die Bekanntmachung und die nach § 3 Absatz 2 Satz 1 zu veröffentlichenden Unterlagen nicht über das zentrale Internetportal des Landes zugänglich gemacht wurden,
f)
bei Anwendung des § 13 Absatz 3 Satz 2 die Angabe darüber, dass von einer Umweltprüfung abgesehen wird, unterlassen wurde oder
g)
bei Anwendung des § 4a Absatz 3 Satz 4 oder des § 13, auch in Verbindung mit § 13a Absatz 2 Nummer 1 und § 13b, die Voraussetzungen für die Durchführung der Beteiligung nach diesen Vorschriften verkannt worden sind;
3.
die Vorschriften über die Begründung des Flächennutzungsplans und der Satzungen sowie ihrer Entwürfe nach §§ 2a, 3 Absatz 2, § 5 Absatz 1 Satz 2 Halbsatz 2 und Absatz 5, § 9 Absatz 8 und § 22 Absatz 10 verletzt worden sind; dabei ist unbeachtlich, wenn die Begründung des Flächennutzungsplans oder der Satzung oder ihr Entwurf unvollständig ist; abweichend von Halbsatz 2 ist eine Verletzung von Vorschriften in Bezug auf den Umweltbericht unbeachtlich, wenn die Begründung hierzu nur in unwesentlichen Punkten unvollständig ist;
4.
ein Beschluss der Gemeinde über den Flächennutzungsplan oder die Satzung nicht gefasst, eine Genehmigung nicht erteilt oder der mit der Bekanntmachung des Flächennutzungsplans oder der Satzung verfolgte Hinweiszweck nicht erreicht worden ist.
Soweit in den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 die Begründung in wesentlichen Punkten unvollständig ist, hat die Gemeinde auf Verlangen Auskunft zu erteilen, wenn ein berechtigtes Interesse dargelegt wird.

(2) Für die Rechtswirksamkeit der Bauleitpläne ist auch unbeachtlich, wenn

1.
die Anforderungen an die Aufstellung eines selbständigen Bebauungsplans (§ 8 Absatz 2 Satz 2) oder an die in § 8 Absatz 4 bezeichneten dringenden Gründe für die Aufstellung eines vorzeitigen Bebauungsplans nicht richtig beurteilt worden sind;
2.
§ 8 Absatz 2 Satz 1 hinsichtlich des Entwickelns des Bebauungsplans aus dem Flächennutzungsplan verletzt worden ist, ohne dass hierbei die sich aus dem Flächennutzungsplan ergebende geordnete städtebauliche Entwicklung beeinträchtigt worden ist;
3.
der Bebauungsplan aus einem Flächennutzungsplan entwickelt worden ist, dessen Unwirksamkeit sich wegen Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften einschließlich des § 6 nach Bekanntmachung des Bebauungsplans herausstellt;
4.
im Parallelverfahren gegen § 8 Absatz 3 verstoßen worden ist, ohne dass die geordnete städtebauliche Entwicklung beeinträchtigt worden ist.

(2a) Für Bebauungspläne, die im beschleunigten Verfahren nach § 13a, auch in Verbindung mit § 13b, aufgestellt worden sind, gilt ergänzend zu den Absätzen 1 und 2 Folgendes:

1.
(weggefallen)
2.
Das Unterbleiben der Hinweise nach § 13a Absatz 3 ist für die Rechtswirksamkeit des Bebauungsplans unbeachtlich.
3.
Beruht die Feststellung, dass eine Umweltprüfung unterbleiben soll, auf einer Vorprüfung des Einzelfalls nach § 13a Absatz 1 Satz 2 Nummer 2, gilt die Vorprüfung als ordnungsgemäß durchgeführt, wenn sie entsprechend den Vorgaben von § 13a Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 durchgeführt worden ist und ihr Ergebnis nachvollziehbar ist; dabei ist unbeachtlich, wenn einzelne Behörden oder sonstige Träger öffentlicher Belange nicht beteiligt worden sind; andernfalls besteht ein für die Rechtswirksamkeit des Bebauungsplans beachtlicher Mangel.
4.
Die Beurteilung, dass der Ausschlussgrund nach § 13a Absatz 1 Satz 4 nicht vorliegt, gilt als zutreffend, wenn das Ergebnis nachvollziehbar ist und durch den Bebauungsplan nicht die Zulässigkeit von Vorhaben nach Spalte 1 der Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung begründet wird; andernfalls besteht ein für die Rechtswirksamkeit des Bebauungsplans beachtlicher Mangel.

(3) Für die Abwägung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Flächennutzungsplan oder die Satzung maßgebend. Mängel, die Gegenstand der Regelung in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 sind, können nicht als Mängel der Abwägung geltend gemacht werden; im Übrigen sind Mängel im Abwägungsvorgang nur erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind.

(4) Der Flächennutzungsplan oder die Satzung können durch ein ergänzendes Verfahren zur Behebung von Fehlern auch rückwirkend in Kraft gesetzt werden.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Gründe

1

A. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das auf die mündlichen Verhandlungen vom 28., 29. Juni und 4. Juli 2016 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

2

I.Die von dem Kläger erhobenen Verfahrensrügen bleiben ohne Erfolg. Der Zulassungsschrift sind keine Verfahrensmängel zu entnehmen, auf denen das angefochtene Urteil beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).

3

1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts leidet nicht an einem rechtserheblichen Verfahrensmangel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO aufgrund eines von dem Kläger behaupteten gröblichen Verstoßes des Gerichts gegen die Grundmaximeeiner unvoreingenommenen und fairen Verhandlungsführung.

4

Dabei ist zunächst grundsätzlich festzustellen, dass ein Verfahrensfehler, wie z. B. die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör oder ein Verstoß gegen die in § 86 Abs. 1 VwGO normierte Aufklärungspflicht, nicht ohne weiteres auf die Voreingenommenheit und mangelnde Fairness des Richters oder der Mitglieder des Spruchkörpers schließen lässt, dem er unterlaufen ist. Insoweit können Verfahrensfehler ebenso wie sonstige Rechtsfehler grundsätzlich auch nicht per se zur Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit führen; denn die Richterablehnung dient nicht der Fehlerkontrolle und ist deshalb kein Rechtsbehelf gegen unrichtige oder für unrichtig gehaltene Rechtsauffassungen eines Richters. Um solche Rechtsauffassungen überprüfen zu lassen, müssen sich die Betroffenen vielmehr der dafür vorgesehenen Rechtsbehelfe bedienen (BayVGH, Beschluss vom 12. Januar 2015 - 10 ZB 14.1874 -, juris Rn. 26, m. w. N.). Die Annahme der Voreingenommenheit und mangelnden Fairness rechtfertigen Rechts- und Verfahrensfehler daher lediglich dann, wenn Gründe dargelegt werden, die dafür sprechen, dass die mögliche Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegenüber dem betroffenen Beteiligten oder auf Willkür beruht (vgl. BFH, Beschluss vom 16. April 1993 - I B 155/92 -, juris Rn. 16). Dies kommt etwa in Betracht, wenn der betreffende Richter die seiner richterlichen Tätigkeit gesetzten Grenzen missachtet oder wenn in einer Weise gegen Verfahrensregeln verstoßen wurde, dass sich bei den Beteiligten der Eindruck der Voreingenommenheit bzw. bewusst fehlenden Fairness aufdrängen konnte. Eine Besorgnis der Befangenheit besteht insbesondere, wenn sich die Gestaltung des Verfahrens oder die Entscheidungen des Richters so weit von den anerkannten rechtlichen und verfassungsrechtlichen Grundsätzen entfernen, dass sie aus der Sicht der Beteiligten bei verständiger Würdigung nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar erscheinen und dadurch den Eindruck einer willkürlichen oder doch sachfremden Einstellung des Richters erwecken (vgl. BayVGH, a. a. O., und Beschluss vom 3. November 2014 - 22 CS 14.2157 -, juris Rn. 16).

5

Nach diesen Maßstäben ist ein Verstoß gegen eine unvoreingenommene und faire Verhandlungsführung durch das Verwaltungsgericht hier weder dargelegt noch anderweitig erkennbar.

6

a. Der Kläger rügt insoweit zunächst, dass das Verwaltungsgericht die Hinweise des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt in seinem Beschluss vom 16. April 2015 - 3 M 517/14 -, es bedürfe zunächst weiterer Sachverhaltsaufklärung, um die Richtigkeit der gegen den Kläger in dem Bescheid und den dazu beigefügten Anlagen vorgebrachten Vorwürfe zu klären, unbeachtet gelassen habe. Die mündliche Verhandlung habe sich vielmehr darin erschöpft, dem Beklagten vor der Öffentlichkeit ein Forum für die Darstellung der von ihm getroffenen Feststellungen zu verschaffen, und alle Versuche des Klägers, die Validität der erhobenen Vorwürfe in Zweifel zu ziehen und zu erschüttern, von vornherein abzublocken, so dass die Grundvoraussetzungen für die Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes und des Gebotes einer Fairness des Verfahrens nicht mehr gegeben seien.

7

Dieses Vorbringen rechtfertigt die Annahme, das Verwaltungsgericht habe den Grundsatz des unvoreingenommenen und fairen Verfahrens verletzt, nicht, denn weder die Gestaltung der mündlichen Verhandlungen durch den Vorsitzenden Richter noch die in den einzelnen Verhandlungen getroffenen Entscheidungen vermögen den Eindruck einer willkürlichen oder zumindest sachfremden Einstellung der Richter gegenüber dem Kläger zu erwecken. Ausweislich der Protokolle über die öffentlichen Sitzungen vom 28., 29. Juni und 4. Juli 2016 wurde die Sach- und Rechtslage im Verlauf der dreitägigen mündlichen Verhandlung mit den Beteiligten ausführlich erörtert; insbesondere hatten auch die Prozessbevollmächtigten des Klägers an jeder Stelle des Verfahrensgangs Gelegenheit, sich zur Sach- und Rechtslage zu äußern, und haben hiervon auch umfassend, insbesondere auch durch die Stellung von Beweisanträgen, Gebrauch gemacht. Zudem ist aus dem Umstand, dass das Gericht auch den von dem Kläger benannten Fachtierarzt für Schweine, Dr. med. vet. (D.), Schweinegesundheitsdienst Niedersachsen bzw. Landwirtschaftskammer des Landes Niedersachsen, zu den Ergebnissen der von ihm durchgeführten Kontrollen befragt hat, zu ersehen, dass das Verwaltungsgericht nicht nur dem Beklagten Gelegenheit gegeben hat, sich zu den gegen den Kläger erhobenen Vorwürfen, den von ihm gehaltenen und betreuten Tieren erhebliche oder länger anhaltende Schmerzen oder Leiden oder erhebliche Schäden zugefügt zu haben, zu äußern, sondern auch dem Kläger die Möglichkeit eröffnet hat, sich zum Sachverhalt zu äußern und seine Rechtsauffassung vor der Öffentlichkeit darzulegen. Eine Voreingenommenheit und fehlende Fairness des Gerichts lässt sich mithin allein aus dem Umstand, dass das Gericht den im Hinblick auf den Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) lediglich als Anregung zu verstehenden Hinweisen des Oberverwaltungsgerichtes des Landes Sachsen-Anhalt zur weiteren Sachverhaltsaufklärung nicht gefolgt ist, nicht ableiten.

8

Soweit mit dem Zulassungsantrag durch den Verweis auf den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 16. April 2015 - 3 M 517/14 - eine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes gerügt worden sein sollte, ist eine solche nicht ersichtlich.

9

§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO enthält als prozessrechtliche Vorschrift Vorgaben, die die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Gerichts als Vorgang steuern(BVerwG, Beschluss vom 2. November 1995 - BVerwG 9 B 710.94 -, Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266 S. 18 f.). Das Gericht hat seiner Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde zu legen. Die Einhaltung der daraus folgenden verfahrensmäßigen Verpflichtungen ist nicht schon dann in Frage gestellt, wenn ein Beteiligter ein aus seiner Sicht fehlerhaftes Ergebnis der gerichtlichen Verwertung des vorliegenden Tatsachenmaterials rügt, aus dem er andere Schlüsse ziehen will als das angefochtene Urteil. Die Beweiswürdigung des Tatsachengerichts darf vom Berufungsgericht nicht daraufhin überprüft werden, ob sie überzeugend ist, ob festgestellte Einzelumstände mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die abschließende Würdigung des Sachverhalts eingegangen sind und ob solche Einzelumstände ausreichen, die Würdigung zu tragen. Solche Fehler sind regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem materiellen Recht zuzuordnen und können einen Verfahrensmangel i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr.5 VwGO deshalb grundsätzlich nicht begründen(stRspr, vgl. u.a. BVerwG, Beschluss vom 10. Dezember 2003 - BVerwG 8 B 154.03 -, juris Rn. 3). Ein Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz hat jedoch dann den Charakter eines Verfahrensfehlers, wenn das Tatsachengericht allgemeine Sachverhalts- und Beweiswürdigungsgrundsätze verletzt.

10

Eine Verletzung der allgemeinen Auslegungs-, Beweiswürdigungs- oder Erfahrungsgrundsätze oder ein Verstoß gegen Denkgesetze im Rahmen der Tatsachenwürdigung der Vorinstanz, die ausnahmsweise als Verfahrensmangel in Betracht gezogen werden könnten, ist von dem Kläger indes nicht im Sinne von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt worden und liegt im Übrigen ersichtlich nicht vor(zu den insoweit geltenden strengen Voraussetzungen vgl. BVerwG, a. a. O., Rn. 3).

11

Soweit der Kläger des Weiteren eine Aufklärungsrüge gemäß § 86 Abs. 1 VwGO erheben will, fehlt es schon an einer prozessordnungsgemäßen Darlegung im Sinne des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO.

12

Der Umfang der Ermittlungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO wird entscheidend durch das Klagebegehren im Sinne von § 88 VwGO, den Streitgegenstand und vor allem nach dem anzuwendenden materiellen Recht bestimmt(vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Juli 1992 - BVerwG 5 B 134.91 -, Buchholz 310 § 86 VwGO Nr. 246; vgl. auch Urteil vom 22. Oktober 1987 - BVerwG 7 C 4.85 -, DVBl. 1988, 148; Urteil vom 7. Oktober 1990 - BVerwG 7 C 55 und 56.89 -, BVerwGE 85, 368 [379 f.]). Die Sachverhaltserforschungspflicht geht mithin nur soweit, als dies für die Entscheidung des Gerichtes erforderlich ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Oktober 1998 - BVerwG 1 B 103.98 -, Buchholz 310 § 96 VwGO Nr. 42; Urteil vom 22. Oktober 1987, a. a. O.; Urteil vom 19. Januar 1989 - BVerwG 7 C 31.87 -, NVwZ 1989, 864), also wenn und soweit es nach der Rechtsauffassung des Gerichts (siehe hierzu: BVerwG, Beschluss vom 18. Juni 1993 - BVerwG 1 B 82.92 -, juris) - selbst wenn diese unzutreffend sein sollte (so ausdrücklich: BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 1984 - BVerwG 6 C 49.84 -, BVerwGE 70, 216 [221 f.]; siehe auch Urteil vom 24. November 1982 - BVerwG 6 C 64.82 -, juris) - hierauf entscheidungserheblich ankommt (siehe: BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 1984, a. a. O.). Ein Gericht verletzt seine Aufklärungspflicht aus § 86 Abs. 1 VwGO daher grundsätzlich nicht, wenn es den aus seiner Sicht entscheidungserheblichen Sachverhalt aufgrund der beigezogenen Verwaltungsvorgänge oder einer Beweisaufnahme für aufgeklärt hält und von einer Beweiserhebung absieht. Etwas anderes gilt nur dann, wenn sich dem Gericht die Beweiserhebung, die ein anwaltlich nicht vertretener Prozessbeteiligter nicht beantragt hat, offensichtlich hätte aufdrängen müssen (ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes, vgl. etwa: Beschluss vom 5. August 1997 - BVerwG 1 B 144.97 -, NVwZ-RR 1998, 784; Beschluss vom 13. Mai 2004 - BVerwG 4 B 27.04 -, juris; siehe zum Vorstehenden im Übrigen auch: OVG LSA, Beschluss vom 6. Juni 2006 - 1 L 35/06 -, JMBl. LSA 2006, 386).

13

Hiernach ist weder seitens des Klägers nachvollziehbar dargelegt noch anderweitig ersichtlich, dass das Verwaltungsgericht die ihm gemäß § 86 Abs. 1 VwGO obliegende Aufklärungspflicht verletzt hat.

14

Die Rüge einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht aus § 86 Abs. 1 VwGO erfordert die substantiierte Darlegung, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts - allein auf diese und nicht auf die Auffassung des Beschwerde- und Berufungsgerichts kommt es an - aufklärungsbedürftig waren, welche für erforderlich oder geeignet gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des Erstgerichts zu einer für den Rechtsmittelführer günstigeren Entscheidung hätten führen können(vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 20. Juli 2015 - BVerwG 5 B 36.14 -, juris Rn. 7; BayVGH, Beschluss vom 25. Januar 2016 - 10 ZB 14.1486 -, juris Rn. 17 m. w. N.). Zudem ist darzulegen, dass die Nichterhebung der Beweise vor dem Tatsachengericht rechtzeitig gerügt worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich die unterbliebene Beweisaufnahme dem Gericht hätte aufdrängen müssen (BVerwG, a. a. O., juris Rn. 4). Hierzu enthält der Zulassungsantrag unter Ziffer 1a) indes keinerlei Ausführungen. Dem bloßen Hinweis auf den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 16. April 2015 lässt sich jedenfalls nicht entnehmen, welches Ergebnis die unterbliebene Sachverhaltsaufklärung unter Berücksichtigung der materiell-rechtlichen Auffassung der Vorinstanz konkret erbracht hätte, welche Ermittlungsmaßnahmen erforderlich gewesen wären und dass und inwieweit das unterstellte Beweisergebnis für den Kläger günstig gewesen wäre.

15

b. Anhaltspunkte für den von dem Kläger erhobenen Vorwurf der Voreingenommenheit und mangelnden Fairness des erkennenden Gerichts, weil es die auf die Erhebung eines Zeugenbeweises gerichteten Beweisanträge mit der vorgeschobenen Begründung zurückgewiesen habe, es handele sich um Ausforschungsbeweisanträge, und damit das gesamte Verfahren in Bezug auf die Waffengleichheit in Schieflage geraten sei, existieren nicht.

16

Unabhängig davon, dass für den Senat mangels Substantiierung durch den Kläger schon nicht ohne weiteres erkennbar ist, auf welche abgelehnten Beweisanträge das Vorbringen des Klägers im Einzelnen abzielt, legt die Zulassungsschrift schon nicht dar, worin eine Voreingenommenheit des Gerichts liegen soll, das einen Beweisantrag mit der zulässigen, im Prozessrecht eine Stütze findenden Begründung ablehnt (vgl. dazu nur BVerwG, Beschluss vom 13. Juni 2007 - BVerwG 4 BN 6.07 -, juris Rn.10), der Beweisantrag laufe auf eine unzulässige Beweiserforschung hinaus.

17

Ohne Hinzutreten weiterer Umstände, die bei objektiver Betrachtung befürchten lassen, dass der Richter der Sache nicht unparteilich oder unvoreingenommen gegenübersteht, lässt sich daher auch ein Ablehnungsgesuch von vornherein nicht darauf stützen, dass der Richter bestimmten Beweisanträgen nicht gefolgt ist. Daran ändert sich auch nichts, wenn der Richter gleichzeitig z. B. Beweisanträgen der Gegenseite oder deren Beweisanregungen nachgeht. Denn es gibt keine Regel dahingehend, dass aus Gründen der „Waffengleichheit“ stets dem Vorbringen sämtlicher Verfahrensbeteiligter in gleichem Umfang nachzugehen wäre; entscheidend ist allein, welches Vorgehen das Gericht selbst nach pflichtgemäßem Ermessen für sachdienlich und (rechtlich) geboten hält, um eine Entscheidung treffen zu können.

18

c. Ohne Erfolg macht der Kläger eine Voreingenommenheit der Kammer geltend, weil diese trotz des im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 29. Juni 2016 gegen den Kammervorsitzenden gestellten und begründeten Befangenheitsantrags unter Hinweis auf § 47 Abs. 2 ZPO die mündliche Verhandlung fortgesetzt habe; denn § 47 Abs. 2 Satz 1 ZPO sieht ausdrücklich vor, dass der Termin unter Mitwirkung des abgelehnten Richters fortgesetzt werden kann, wenn ein Richter während der Verhandlung abgelehnt wird und die Entscheidung über die Ablehnung eine Vertagung der Verhandlung erfordern würde.

19

Die Annahme einer Voreingenommenheit wäre allenfalls dann gerechtfertigt, wenn der Kläger Gründe dargelegt hätte, die dafür sprechen, dass die Anwendung des § 47 Abs. 2 ZPO auf einer unsachlichen Einstellung der Richter gegenüber dem betroffenen Beteiligten oder auf Willkür beruht. Letzteres ist hier nicht erkennbar; denn die Entscheidung der Kammer, die mündliche Verhandlung gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 ZPO fortzusetzen, begegnet keinen rechtlichen Bedenken, da der erst im Termin zur mündlichen Verhandlung vom Kläger gestellte Befangenheitsantrag schon aufgrund seines Umfangs und der Fülle der gegen den Kammervorsitzenden erhobenen Vorwürfe eine Vertagung der Verhandlung erfordert hätte, um der für die Entscheidung über den Befangenheitsantrag zuständigen Kammer eine sachgerechte Prüfung des Befangenheitsantrags zu ermöglichen. Insbesondere bedarf es keiner Bemühungen und Anstrengungen der Kammer, noch in der mündlichen Verhandlung desselben Tages eine Entscheidung über das Ablehnungsgesuch herbeizuführen; denn eine etwaig erforderliche Rechtswahrung wird durch § 47 Abs. 2 Satz 2 ZPO sichergestellt, wonach der nach Anbringung des Ablehnungsgesuchs liegende Teil der Verhandlung zu wiederholen ist, wenn die Ablehnung für begründet erklärt wird(OVG LSA, Beschluss vom 9. März 2010 - 1 L 96/09 -, juris Rn. 5), was vorliegend aber gerade nicht der Fall war (vgl. VG Magdeburg, Beschluss vom 1. Juli 2016 - 1 A 1198/14 MD -). Aus diesem Grund kann der Kläger auch nicht damit gehört werden, die Entscheidung des Vorsitzenden, den Termin fortzusetzen, sei verfahrensfehlerhaft und offenbare erneut "das unzulässige Bemühen der Kammer, das vorgenommene Programm der mündlichen Verhandlung wie geplant abzuwickeln".

20

d. Auch aus dem Erlass der prozessleitenden Verfügung vom 4. Juli 2016 im Sinne des § 146 Abs. 2 VwGO, die sich in der Sache auf den äußeren, förmlichen Fortgang des Verfahrens - hier des weiteren Ablaufs der mündlichen Verhandlung - bezieht und keine Entscheidung über den Streitgegenstand darstellt, lässt sich eine Voreingenommenheit des Kammervorsitzenden zu Lasten des Klägers nicht ableiten, zumal sich die Verfügung - wie der Kläger selbst einräumt - an alle Beteiligten des Rechtsstreits richtete. Zudem entspricht Ziffer 1 der prozessleitenden Verfügung § 105 VwGO i. V. m. § 160 Abs. 2 ZPO, wonach in das Protokoll die wesentlichen Vorgänge der Verhandlung aufzunehmen sind. Auch die Ziffern 2 und 3 der prozessleitenden Verfügung sollen ausschließlich den ordnungsgemäßen, vor allem sinnvoll strukturierten Gang der mündlichen Verhandlung sicherstellen, indem den Beteiligten die Stellung von Anträgen nicht abgeschnitten, sondern lediglich zu einem von dem Kammervorsitzenden zu bestimmenden Zeitpunkt bzw. am letzten Sitzungstag vor den Sachanträgen ermöglicht wird. Entspricht aber eine prozessleitende Verfügung - wie hier - dem Prozessrecht, ist eine voreingenommene und unfaire Verhandlungsführung der Vorinstanz von vornherein nicht anzunehmen.

21

Soweit der Kläger mit seinem Einwand, mit dieser verfahrensfehlerhaften Weise habe die Kammer ihre grundlegende Pflicht verletzt, die Waffengleichheit der Beteiligten zu wahren, in der Sache eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) geltend machen will, legt er schon nicht dar, welche Sach- und Beweisanträge er nicht habe stellen können bzw. welche Vorgänge nicht oder nicht umfassend protokolliert worden sind oder welche Tatsachen oder Rechtsauffassungen er aufgrund dieser Verfahrensweise nicht haben vortragen können, die zu einer anderen Entscheidung des Verwaltungsgerichts hätten führen können.

22

e. Eine Voreingenommenheit der Kammer des Verwaltungsgerichts Magdeburg ist schließlich nicht darin zu sehen, dass das am 4. Juli 2016 verkündete Urteil in dem 39-seitigen Text seiner Entscheidungsgründe auf 33 Seiten eine vertiefte Darstellung des angefochtenen Verwaltungsakts unter zusätzlicher Berücksichtigung einer gutachterlichen Stellungnahme von Herrn Prof. Dr. Dr. (E.), LMU München, die der Beklagte im Gerichtsverfahren zu den Akten gereicht habe, die aber in der dreitägigen Verhandlung mit keinem Wort erwähnt worden sei, enthalte.

23

Zunächst ist festzustellen, dass das Gericht sich in den Entscheidungsgründen nicht nur - wie vom Kläger behauptet - auf eine Wiedergabe des angefochtenen Verwaltungsakts und der von dem Beklagten eingereichten Stellungnahme von Herrn Prof. Dr. Dr. (E.) vom 27. Januar 2015 (vgl. Band XVII, Bl. 6186 ff.) beschränkt hat. Vielmehr setzt sich das Gericht in dem angefochtenen Urteil auch ausführlich mit dem Vorbringen des Klägers auseinander (so z. B. auf S. 7 UA zu der geltend gemachten Voreingenommenheit der Mitarbeiter des Beklagten, auf S. 10/11 UA zur Tierhaltereigenschaft des Klägers, auf S. 13 UA zur Frage des Beurteilungsspielraums von Amtstierärzten und auf S. 15 ff. UA zu den Einwänden des Klägers gegen die Bewertungen des Amtstierarztes des Beklagten) und bezieht in seine Erwägungen insbesondere auch die von dem Kläger vorgelegte Stellungnahme des Amtstierarztes Dr. (P.) vom 2. Februar 2015 (Beiakte J, Seite 1 ff.) ein. Auch die Berücksichtigung der gutachterlichen Stellungnahme von Herrn Prof. Dr. Dr. (E.) war nicht willkürlich, weil sie Inhalt der Gerichtsakten geworden ist und der Kläger, dem die Stellungnahme mit richterlicher Verfügung vom 11. April 2016 übersandt worden ist, mit einer Verwertung der dort gewonnenen Erkenntnisse hat rechnen können.

24

Im Übrigen rechtfertigt das Vorbringen des Klägers, die Stellungnahme von Herrn Prof. Dr. Dr. (E.) vom 27. Januar 2015 sei mit keinem Wort in der dreitägigen mündlichen Verhandlung erwähnt worden, nicht die Annahme, das Verwaltungsgericht habe seine richterliche Hinweispflicht (§ 86 Abs. 3 VwGO) verletzt.

25

Die Hinweispflicht (§ 86 Abs. 3 VwGO) konkretisiert den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) und zielt mit dieser Funktion insbesondere auf die Vermeidung von Überraschungsentscheidungen(BVerwG, Beschluss vom 21. September 2011 - BVerwG 5 B 11.11 -, juris Rn. 3 m. w. N.). Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör folgt jedoch auch in der Ausprägung, die er in § 86 Abs. 3 VwGO gefunden hat, grundsätzlich keine Pflicht des Gerichts, den Beteiligten vorab mitzuteilen, wie es bestimmte Erkenntnismittel in Bezug auf Einzelheiten des Parteivortrags versteht und rechtlich bewertet, weil sich die tatsächliche und rechtliche Würdigung regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung ergibt(BVerwG, a. a. O.). Eine Ausnahme hiervon gilt zwar dann, wenn das Gericht in seiner Entscheidung auf einen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt abstellt, der weder im Verwaltungsverfahren noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erörtert wurde und der zunächst als fernliegend anzusehen war und damit dem Rechtsstreit eine unerwartete Wende gibt (BVerwG, Beschluss vom 19. Juli 2010 - BVerwG 6 B 20.10 -, juris; Beschluss vom 19. Juni 1998 - BVerwG 6 B 70.97 -, NVwZ-RR 1998, 759). Hiervon kann im vorliegenden Fall allerdings schon deswegen nicht die Rede sein, weil die gutachterliche Stellungnahme von Herrn Prof. Dr. Dr. (E.) vom 27. Januar 2015 - wie oben bereits erläutert - Gegenstand der Gerichtsakten geworden ist und dem Kläger spätestens seit Mitte April 2016 bekannt war, so dass der Kläger auch mit einer Verwertung dieser Erkenntnisquelle durch das Verwaltungsgericht rechnen konnte. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht weder einen für den Kläger überraschend neuen noch einen unerörtert gebliebenen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht; denn die Bewertung der Ergebnisse der polizeilichen Durchsuchung vom 18. bis 20. März 2014 war von Anfang an Gegenstand des hier anhängigen Rechtsstreits und der Kläger hat dazu seine Rechtsauffassung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auch ausführlich vorgetragen.

26

Schließlich ist auch aus dem Umstand, dass das Verwaltungsgericht die Beweisanträge zusammenhängend am Ende der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils abgelehnt hat, keine Voreingenommenheit der Kammer zu erkennen, insbesondere ist weder ersichtlich noch wird vom Kläger dargetan, dass die inhaltliche Gestaltung des angefochtenen Urteils, die grundsätzlich der richterlichen Freiheit unterfällt, mit anerkannten rechtlichen und verfassungsrechtlichen Grundsätzen unvereinbar ist oder den Eindruck einer sachfremden Einstellung der Kammer erweckt.

27

Auch die Begründungspflicht des § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO verlangt (nur), dass in den Urteilsgründen die (wesentlichen) tatsächlichen Umstände und rechtlichen Erwägungen wiedergegeben werden, die das Gericht bestimmt haben, die Voraussetzungen für seine Entscheidung als erfüllt anzusehen. Sie ist erst dann verletzt, wenn die Entscheidungsgründe insgesamt rational nicht nachvollziehbar, sachlich inhaltslos oder sonst wie unbrauchbar sind (BVerwG, Beschluss vom 1. Juni 2010 - BVerwG 6 B 77.09 -, juris Rn. 15, m. w. N.). Hierfür ist indes nichts ersichtlich. Das Verwaltungsgericht hat vielmehr jeden einzelnen Beweisantrag des Klägers geprüft und die für seine Ablehnung im Wesentlichen leitenden Gründe offengelegt. Zu mehr war es durch § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht verpflichtet.

28

2. Soweit der Kläger für sich genommen einen Verfahrensmangel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO damit zu begründen versucht, dass er im Termin zur mündlichen Verhandlung einen Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter gestellt und dieser unter Hinweis auf § 47 Abs. 2 ZPO die mündliche Verhandlung fortgesetzt hat, vermag er damit nicht durchzudringen.

29

Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 ZPO, der gemäß § 54 Abs. 1 VwGO in Verwaltungsgerichtsverfahren entsprechend anzuwenden ist, kann der Termin unter Mitwirkung des abgelehnten Richters fortgesetzt werden, wenn ein Richter während der Verhandlung abgelehnt wird und die Entscheidung über die Ablehnung eine Vertagung der Verhandlung erfordern würde. Diese mit Wirkung vom 1. September 2004 durch das 1. Justizmodernisierungsgesetz (BGBl. I S. 2198) eingefügte Vorschrift soll missbräuchlichen, nur der Verzögerung dienenden Ablehnungsgesuchen vorbeugen und Vertagungen bei letztlich unbegründeten Ablehnungen vermeiden (vgl. BT-Drucksache 15/1508, S. 16).

30

Die Entscheidung der Kammer, die mündliche Verhandlung gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 ZPO unter Beteiligung des Vorsitzenden fortzusetzen, begegnet - wie oben bereits erläutert - keinen rechtlichen Bedenken, da der erst im Termin zur mündlichen Verhandlung vom Kläger gestellte Befangenheitsantrag schon aufgrund seines Umfangs eine Vertagung der Verhandlung erfordert hätte, um der für die Entscheidung über den Befangenheitsantrag zuständigen Kammer eine sachgerechte Prüfung des Antrags zu ermöglichen. Insoweit ist ein oberflächlicher Umgang der Kammer mit der Ausnahmevorschrift des § 47 Abs. 2 Satz 1 ZPO, der einen Verfahrensmangel im Sinne des
§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO begründen könnte, entgegen der Auffassung des Klägers nicht erkennbar.

31

3. Mit der Rüge des Klägers, der Erlass der prozessleitenden Verfügung des Kammervorsitzenden vom 4. Juli 2016 stelle einen schwerwiegenden Verfahrensfehler dar, ist der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO schon nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt worden.

32

Die Darlegung eines Verfahrensmangels i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO erfordert nämlich die konkrete Bezeichnung des Verfahrensmangels in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht und die Darlegung, inwiefern die Entscheidung des Verwaltungsgerichts auf dem Verfahrensmangel beruhen kann. Das Vorbringen des Klägers lässt allerdings nicht erkennen, gegen welchen prozessrechtlichen Verfahrensgrundsatz das Verwaltungsgericht mit dem Erlass der prozessleitenden Verfügung im Sinne des § 146 Abs. 2 VwGO verstoßen haben soll und inwieweit die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann.

33

Soweit der Kläger mit seinem Einwand, er sei durch die (verfahrensrechtlich wertlose) Anhörung der Vertreterinnen und Vertreter des amtsärztlichen Dienstes des Beklagten und die als unanfechtbar deklarierte prozessleitende Verfügung, die ihm direkte Nachfragen an einen der erschienenen Beklagtenvertreter verbeten habe, in seinem fundamentalen Beweisantragsrecht beschränkt worden, in der Sache eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) geltend machen will, legt er schon nicht im Sinne des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO substantiiert dar, welche Sach- und Beweisanträge er nicht hat stellen können bzw. welche Nachfragen er dem erschienen Beklagtenvertreter nicht hat stellen können und inwieweit die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann.

34

Rechtliche Bedenken gegen die prozessleitende Verfügung bestehen im Übrigen - wie oben bereits erläutert - nicht.Unter prozessleitenden Verfügungen sind richterliche Maßnahmen einschließlich Beschlüssen zu verstehen, die dem gesetz- und zweckmäßigen Ablauf des Verfahrens zur Vorbereitung der abschließenden Entscheidung dienen und ihrer Bedeutung nach den anderen in § 146 Abs. 2 VwGO genannten Maßnahmen entsprechen(NdsOVG, Beschluss vom 9. Januar 2015 - 10 OB 109/14 -, juris Rn. 9 m. w. N.). Ausgehend von diesen Grundsätzen liegt in dem Erlass der prozessleitenden Verfügung schon deswegen kein Verfahrensfehler, weil Ziffer 1 der prozessleitenden Verfügung § 105 VwGO i. V. m. § 160 Abs. 2 ZPO entspricht, wonach in das Protokoll die wesentlichen Vorgänge der Verhandlung aufzunehmen sind, und die Ziffern 2 und 3 ausschließlich den ordnungsgemäßen, vor allem sinnvoll strukturierten Gang der mündlichen Verhandlung sicherstellen sollen, indem den Beteiligten die Stellung von Anträgen nicht abgeschnitten, sondern lediglich zu einem von dem Kammervorsitzenden zu bestimmenden Zeitpunkt bzw. am letzten Sitzungstag vor den Sachanträgen ermöglicht wird.

35

4. Soweit der Kläger aus der seiner Ansicht nach fehlerhaften Zurückweisung von Beweisanträgen einen Verfahrensfehler im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO herzuleiten sucht, legt er ebenfalls schon nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO gerecht werdenden Weise dar, gegen welchen prozessrechtlichen Verfahrensgrundsatz das Verwaltungsgericht mit der Zurückweisung der Beweisanträge verstoßen haben soll und inwieweit die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann.

36

Aber selbst wenn davon auszugehen wäre, der Kläger mache mit seinem Vortrag geltend, das Verwaltungsgericht habe gegen seine Pflicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) und seine Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) verstoßen, indem es die vom Kläger in seiner Zulassungsschrift bezeichneten, in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge abgelehnt und insoweit von einer weiteren Sachaufklärung abgesehen habe, hat sein Zulassungsantrag keinen Erfolg.

37

Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) verpflichtet das Gericht, Anträge und Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in seine Erwägungen einzubeziehen(vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Oktober 2004 - 2 BvR 779/04 -, EuGRZ 2004, 656). Damit soll gewährleistet werden, dass die Gerichtsentscheidung frei von Fehlern ergeht, die ihren Grund in einer unterlassenen Kenntnisnahme und einer Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Verfahrensbeteiligten haben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Februar 1980 - 1 BvR 277/78 - BVerfGE 53, 219). Die Pflicht des Gerichts, Anträge und Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen, besteht allerdings nicht, soweit das Vorbringen aus Gründen des formellen und materiellen Rechts unberücksichtigt bleiben muss oder kann (vgl. BVerfG, Entscheidung vom 19. Juli 1967 - 2 BvR 639/66 -, BVerfGE 22, 267 [273]). Der Anspruch auf rechtliches Gehör schützt auch nicht vor jeder aus Sicht eines Beteiligten sachlich unrichtigen Ablehnung eines Beweisantrags (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Oktober 1987 - BVerwG 9 CB 20.87 -, NJW 1988, 722). Holt das Gericht einen beantragten Beweis nicht ein, so liegt hierin grundsätzlich nur dann eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör bzw. der richterlichen Aufklärungspflicht, wenn die unter Beweis gestellte Tatsachenbehauptung nach dem Rechtsstandpunkt des entscheidenden Gerichts erheblich ist und die Nichtberücksichtigung des Beweisangebots im Prozessrecht keine Stütze findet. Eine tragfähige Stütze im Prozessrecht findet die Ablehnung eines Beweisantrags im Verwaltungsprozess regelmäßig dann, wenn der Beweisantrag entweder unzulässig ist oder die Gründe, auf die sich das Verwaltungsgericht im Beschluss nach § 86 Abs. 2 VwGO stützt, nach einfachem Verfahrensrecht die Zurückweisung des Beweisantrags rechtfertigen(BVerfG, Beschluss vom 8. November 1978 - 1 BvR 158/78 -, BVerfGE 50, 32 [36]; BVerwG, Beschluss vom 25. Januar 2016 - BVerwG 2 B 34.14 u. a. -, juris Rn. 32 m. w. N.).

38

Dies ist hier der Fall. Das Verwaltungsgericht hat die Beweisanträge aus den im Protokoll über die öffentliche Sitzung vom 28. Juni 2016 angeführten prozessualen Gründen ohne Rechtsfehler abgelehnt.

39

a. Dies gilt zunächst für die nach dem Vortrag des Klägers allein gerügte Ablehnung des in der mündlichen Verhandlung vom 28. Juni 2016 gestellten Beweisantrags zu II. Ziffer 4,

40

"dass im Anschluss die hinzugezogenen Polizeibeamten selbstständig, ohne Weisung oder Absprache mit einem Veterinär Eintragungen vorgenommen haben",

41

dessen Zurückweisung der Kläger für unzulässig und verfahrensfehlerhaft hält.

42

Das Verwaltungsgericht hat diesen Antrag ohne Rechtsfehler u. a. als unzulässig abgelehnt, weil er auf die Ausforschung eines Sachverhalts abzielt.

43

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Beschluss vom 25. Januar 2016, a. a. O. Rn. 39) sind Beweisanträge als Ausforschungsbegehren unzulässig, wenn sie dazu dienen sollen, Behauptungen und Vermutungen zu stützen, die erkennbar ohne jede tatsächliche Grundlage erhoben werden. Die gebotene Substantiierung eines Beweisantrags erschöpft sich dabei nicht in der Behauptung einer bestimmten Tatsache, die das Beweisthema bezeichnet, und der Nennung eines bestimmten Beweismittels. Es ist einem Verfahrensbeteiligten und seinem Prozessbevollmächtigten verwehrt, unter formalem Beweisantritt Behauptungen aufzustellen, deren Wahrheitsgehalt nicht eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich haben könnten, und auf diese Weise eine Beweiserhebung zu erzwingen (BVerwG, Beschlüsse vom 13. Juni 2007 - BVerwG 4 BN 6.07 -, juris Rn. 10, und vom 6. Januar 2011 - BVerwG 4 B 51.10 -, juris Rn. 14). Vielmehr bedarf es der Darlegung greifbarer Anhaltspunkte (sog. Anknüpfungstatsachen), die dem Gericht Anlass für die begehrte Beweiserhebung geben können.

44

Der Kläger sieht diese (greifbaren) Anhaltspunkte (wohl) in dem Umstand, dass das Verwaltungsgericht die Beweisanträge zu den Ziffern 1., 2. und 3. mit der Begründung abgelehnt hat, es komme auf die Beweisaufnahmen nicht an, und damit nach Auffassung des Klägers gemeint habe, die Behauptungen könnten als wahr unterstellt werden. Damit habe für die Entscheidungsfindung der Kammer festgestanden, dass die hinzugezogenen Polizeibeamten nicht an einer Vorbesprechung teilgenommen hätten, ihnen keine schriftliche Handlungsanweisung ausgehändigt worden sei und sie auch vor Beginn der Aktion im Stall keine fachliche Unterweisung erhalten hätten. Da entscheidend sei, ob die Eintragungen in die zahlreichen vorbereiteten Listen durch eine dazu fachlich autorisierte Person vorgenommen, angeordnet oder jedenfalls begleitet worden seien und der Kläger davon Kenntnis erhalten habe, dass Polizeibeamte nach ihrer eigenen Anschauung und nach ihrem eigenen Gutdünken gehandelt hätten, widerspreche die Ablehnung des Beweisantrags zu 4., der exakt auf diesen Vorgang abgezielt habe, dem Beweisantragsrecht.

45

Diese Einwände rechtfertigen nicht die Annahme einer rechtsfehlerhaften Zurückweisung des Beweisantrags zu 4.

46

Schon die Grundannahme des Klägers, die Ablehnung eines Beweisantrags "als unerheblich" bedeute, dass die unter Beweis gestellten Behauptungen "als wahr" unterstellt werden könnten, geht fehl. Zwar trifft es zu, dass eine Wahrunterstellung für nicht entscheidungserhebliche Umstände in Betracht kommt (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. März 1987 - BVerwG 9 C 47.85 -, juris, Rn. 16 ff.). Allerdings liegt - umgekehrt - nicht in jeder Ablehnung eines Beweisantrags mangels Entscheidungserheblichkeit eine Wahrunterstellung. Vielmehr kann nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, abgesehen von den Fällen, in denen nach gesetzlicher Regelung eine Beweiserhebung entbehrlich ist, bzw. wegen Ungeeignetheit, Untauglichkeit oder Unzulässigkeit der Beweismittel entfällt, eine Beweiserhebung abgelehnt werden, wenn entweder (1.) die Beweistatsache als wahr unterstellt wird oder es - wie hier - (2.) auf die unter Beweis gestellte Tatsache nicht ankommt bzw. (3.) der mit dem Beweisanerbieten umschriebene Sachverhalt für die Entscheidung des Rechtsstreits unerheblich ist oder (4.) das Beweismittel aus besonderen Gründen nicht erfolgreich sein kann (BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1974 - BVerwG V CB 13.74 -, juris Rn. 21). Stehen die o. g. Ablehnungsgründe mithin eigenständig nebeneinander, kann aus der Ablehnung des Beweisantrags mangels Entscheidungserheblichkeit nicht zugleich auch von einer Wahrunterstellung der unter Beweis gestellten Tatsachenbehauptungen durch die
Vorinstanz ausgegangen werden.

47

Gibt es folglich mangels ausdrücklicher oder konkludenter Wahrunterstellung der von dem Kläger unter II. 1., 2. und 3. unter Beweis gestellten Tatsachen schon keine greifbaren Anhaltspunkte für seine Annahme, die hinzugezogenen Polizeibeamten hätten ohne Weisung oder Absprache mit einem Veterinär Eintragungen vorgenommen, stellt sich der Beweisantrag zu Ziffer 4. als ein "ins Blaue hinein" gestellter Ausforschungsantrag dar, den das Verwaltungsgericht zu Recht abgelehnt hat.

48

Im Übrigen enthält auch der Zulassungsantrag nach wie vor keinen schlüssigen Vortrag dazu, dass und warum das Verwaltungsgericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung Anlass zu weiterer Aufklärung, dass die hinzugezogenen Polizeibeamten selbstständig, ohne Weisung oder Absprache mit einem Veterinär Eintragungen vorgenommen haben, gehabt haben sollte und inwieweit sich die getroffenen Feststellung auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ausgewirkt hätte.

49

b. Soweit der Kläger auch die Zurückweisung der Beweisanträge zu II. Ziffern 1. bis 3.,

50

"1. dass vor Beginn der Durchsuchen vom 18.-21.03.2014 eine Vorbesprechung stattgefunden hat, an der neben den Beamten der Staatsanwaltschaft, Frau (B.) von der Polizei und den Veterinären des Landkreises die daneben in den Teams zugezogenen Polizeibeamten nicht teilgenommen haben,

51

2. dass in der Vorbesprechung keine schriftliche Handlungsanweisung, sondern lediglich von der Staatsanwaltschaft vorbereitete Listen verteilt worden sind, in die, unterteilt nach Rubriken, Eintragungen vorgenommen werden sollten,

52

3. dass die in den sechs Untersuchungsteams hinzugezogenen Polizeibeamten vor Beginn der Aktion keine fachliche Weisung erhalten haben, sodass sie nicht orientiert darüber waren, worauf sie ihre Aufmerksamkeit richten sollten",

53

mangels Entscheidungserheblichkeit rügen will, ist diese Rüge ebenfalls nicht erfolgreich, denn diese Zurückweisung rechtfertigt sich aus den materiell-rechtlichen Erwägungen des Verwaltungsgerichts zum Haltungs- und Betreuungsverbot von Schweinen, das sich neben den Erkenntnissen aus den staatsanwaltlichen Ermittlungen vom 18. bis 20. März 2014 maßgeblich auch auf die tatsächlichen Feststellungen (nebst Fotodokumentation) des Amtstierarztes (G.) sowie weiterer Bediensteter des Beklagten im Rahmen seiner Untersuchung vom 18. bis 20. März 2014 (S. 13, 19 UA) und seiner Kontrolle vom 29. bis 30. Juli 2014 (S. 13 UA) zur tierschutzwidrigen Haltung von Schweinen in insbesondere zu engen Kastenständen [S. 15 ff. UA] sowie zu den weiteren erheblichen Verstößen gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen (z. B. Tötung ohne vernünftigen Grund und ohne Betäubung [S. 21 ff. UA], nicht ordnungsgemäße Amputationen des Schwanzes [S. 27 ff. UA], mangelnde und unzureichende tierärztliche Behandlung und Versorgung [S. 29 ff., 34 f. UA], Feststellung von haltungsbedingten Erkrankungen und Verletzungen [S. 30 ff. UA], keine ordnungsgemäßen Krankenbuchten [S. 33 f.] und Verladung nicht transportfähiger Ferkel [S. 35 UA]) gestützt hat. Ausgehend von diesen tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen des Verwaltungsgerichts kam es mithin für dieses erkennbar auf die Eintragungen in die von der Staatsanwaltschaft vorbereiteten Listen nicht bzw. nicht mehr entscheidungserheblich an mit der Folge, dass es auch unerheblich ist, ob die Polizeibeamten an der Vorbesprechung teilgenommen haben, lediglich Listen verteilt worden sind oder die hinzugezogenen Polizeibeamten keine fachliche Weisung erhalten haben.

54

Auch der Zulassungsantrag legt im Übrigen nicht dar, inwieweit die von dem Kläger beantragten Beweise II. Ziffern 1. bis 3. im Hinblick auf die Erwägungen des Verwaltungsgerichts entscheidungserheblich hätten sein können.

55

c. Gleiches gilt, soweit der Kläger einwendet, die Begründung der Ablehnung der Beweisanträge,

56

"1. dass die Verantwortlichen für die Durchsuchung und die verantwortlichen Veterinäre am 18.-21.03.2014 hingenommen haben, dass in den Untersuchungsteams eingesetzte Polizeibeamte in die Überprüfungslisten ohne vorherige fachliche Unterweisung Eintragungen und Bewertungen vorgenommen haben, ohne dazu in jedem Einzelfall durch einen Veterinär aufgefordert oder ermächtigt zu sein,

57

2. dass die Listen mit den Durchsuchungskriterien dem Landkreis nicht bekannt und nicht mit ihm abgestimmt waren und auch nicht durch Beratung fachkundiger Veterinäre wie z. B. Prof. (H.) erstellt worden waren,

58

3. dass die verwendeten Listen ungeeignet sind, die Feststellungen des amtstierärztlichen Gutachtens, insbesondere die Feststellungen von langanhaltenden Schmerzen und Leiden sowie von erblichen Schäden zu begründen, weil sie z. B. keine Kriterien für die Feststellung von Verletzungen oder die Ordnungsgemäßheit von Kastenständen erhalten",

59

als unerheblich bzw. als unzulässiger Ausforschungsbeweis sei nicht nachvollziehbar und verfahrensfehlerhaft. Denn - wie oben bereits erläutert - kam es nach der Auffassung des Verwaltungsgerichts auf die Art der Erstellung und den Inhalt der von dem Kläger gerügten Überprüfungslisten im Rahmen der angefochtenen Entscheidung der Vorinstanz nicht entscheidungserheblich an.

60

Eine Beweiserhebung über Tatsachen, die nach Auffassung des Gerichts nicht entscheidungserheblich sind, ist prozessrechtlich unter keinen Umständen geboten. Anhaltspunkte dafür, dass die Vorinstanz die rechtliche Bedeutung der Listeneintragungen bzw. deren Entscheidungserheblichkeit verkannt hat, zeigt der Kläger in seinem Zulassungsantrag im Übrigen nicht auf.

61

Auch aus der (übergreifenden) Rüge, ihm sei unter den von der Kammer des Verwaltungsgerichts festgelegten Voraussetzungen jede ernsthafte und substantielle Verteidigungschance genommen worden, lässt sich nicht entnehmen, welche rechtsstaatlichen Anforderungen an das Gerichtsverfahren die Vorinstanz nicht beachtet haben soll und inwieweit die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann.

62

II. Die von dem Kläger gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung rechtfertigen die Zulassung der Berufung ebenfalls nicht.

63

„Ernstliche Zweifel“ an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung bestehen nur dann, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, 1458). Da gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO der Zulassungsgrund zudem in der gebotenen Weise darzulegen ist, erfordert dies, dass sich der Zulassungsantrag substantiiert inhaltlich mit den Gründen der angegriffenen Entscheidung auseinandersetzt und u. a. konkret ausgeführt wird, dass die erhobenen Einwände entscheidungserheblich sind (vgl. OVG LSA in ständiger Rechtsprechung, etwa: Beschluss vom 3. Januar 2007 - 1 L 245/06 -, juris [m. w. N.]). Dabei reicht es nicht aus, wenn Zweifel lediglich an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen bestehen, auf welche das Urteil gestützt ist. Diese müssen vielmehr zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses begründen(vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 - BVerwG 7 AV 4.03 -, Buchholz 310 § 124 VwGO Nr. 33). Das ist vorliegend nicht der Fall.

64

Der Kläger wendet sich mit der Behauptung des Vorliegens ernstlicher Zweifel sowohl gegen "die maßgeblichen tatsächlichen Feststellungen der Verwaltungsentscheidun-gen und des erstinstanzlichen Urteils" als auch gegen die vom Verwaltungsgericht angenommene Rechtswidrigkeit der Breite des Kastenstandes zur Sauenhaltung und die für gegeben angesehene Haltereigenschaft des Klägers sowie die Verhältnismäßig-keitsprüfung des Verwaltungsgerichts.Eine den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO gerecht werdende Darlegung des Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt in den nach Art einer Berufungsbegründung gestalteten allgemeinen Ausführungen und Verweisungen auf bisheriges Vorbringen zu diesen Punkten, ohne dass der Kläger sich im Einzelnen substantiiert mit einzelnen Sachverhalts-feststellungen und den tragenden Erwägungen des erstinstanzlichen Urteils auseinandersetzt, allerdings nicht, so dass schon dieser Gesichtspunkt dem Erfolg des Zulassungsantrags entgegensteht, da es nicht Aufgabe des Gerichts ist, aus den ungeordneten Ausführungen und pauschalen Verweisungen auf im Rahmen der Zulassungsschrift oder der Nichtzulassungsbeschwerde an anderer Stelle angestellten Erwägungen die passenden und möglicherweise deshalb gewollten Gesichtspunkte zusammenzusuchen.

65

1. Darüber hinaus führt der Einwand des Klägers, die Bestandserhebung über das Tierwohl in seiner Anlage sei ohne fachliches Konzept und ohne fachliche Sorgfalt unter der Zuhilfenahme von Personen gelegt worden, die dazu fachlich nicht in der Lage gewesen seien, so dass die maßgeblichen tatsächlichen Feststellungen der Verwaltungsentscheidungen und des erstinstanzlichen Urteils nicht nur ernstlichen, sondern massiven Zweifeln unterlägen, auch deswegen nicht zum Erfolg des Zulassungsantrags, weil sich der Kläger in dem Zulassungsantrag weder substantiiert inhaltlich mit den Gründen der angegriffenen Entscheidung auseinandersetzt noch konkret ausführt, dass insbesondere die erhobenen Einwände zur Tatsachengrundlage entscheidungserheblich sind (vgl. OVG LSA in ständiger Rechtsprechung, etwa: Beschluss vom 3. Januar 2007 - 1 L 245/06 -, juris [m. w. N.]).

66

Wie oben bereits erläutert hat sich das Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung maßgeblich auf die tatsächlichen Feststellungen des Amtstierarztes (G.) sowie weiterer Bediensteter des Beklagten einschließlich der Erkenntnisse aus dem staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren zur tierschutzwidrigen Haltung von Schweinen in zu engen Kastenständen sowie zu weiteren erheblichen Verstößen gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen im Rahmen seiner Untersuchungen vom 18. bis 20. März 2014 und 29. bis 30. Juli 2014 gestützt, und mit der Ablehnung der Beweisanträge zu II. und III. insbesondere zum Ausdruck gebracht, dass es auf die Begleitumstände der Bestandserhebung (z. B. den vom Kläger erwähnten Einsatz von Polizeibeamten) nicht entscheidungserheblich ankommt. Unabhängig davon, dass der Kläger bereits die seiner Ansicht nach ernstlich zweifelhaften Tatsachenfeststellungen des angefochtenen Urteils nicht konkret benennt, zeigt der Zulassungsantrag nicht einmal ansatzweise auf, dass und warum die Vorinstanz die Frage der Entscheidungserheblichkeit verkannt hat.

67

2. Soweit der Kläger einwendet, bei der Frage nach der richtigen Breite eines Kastenstandes handele es sich mit Blick auf die Entscheidung des beschließenden Senats in dem Verfahren OVG 3 L 386/14 und der dagegen erhobenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zum Bundesverwaltungsgericht unverändert um eine schwierige und umstrittene Rechtsfrage, legt er damit keine ernstlichen Zweifel dar, da dieser Einwand erneut eine substanzielle Auseinandersetzung mit dem verwaltungsgerichtlichen Urteil vermissen lässt (vgl. Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 124a Rn. 68). Das schlichte Aufzeigen einer nach Ansicht des Klägers schwierigen Rechtsfrage, die der Senat in dem zitierten Urteil vom 24. November 2015 - 3 L 386/14 - im Übrigen beantwortet hat, ohne dass der Kläger sich - wie erforderlich - substantiiert mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzt und seine eigene rechtliche Wertung darlegt, genügt den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht(vgl. OVG B-Stadt-Brandenburg, Beschluss vom 12. Juni 2015 – OVG 10 N 78.12 –, juris Rn. 4).

68

Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht seine Entscheidung, der Kläger habe wiederholt und zum Teil auf gröbliche Weise gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen verstoßen, nicht nur auf die Unterbringung der Schweine in zu engen bzw. zu kleinen Kastenständen gestützt, sondern das Haltungs- und Betreuungsverbot von Schweinen maßgeblich auch mit den zahlreichen weiteren erheblichen Verstöße gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen begründet. Der Zulassungsantrag des Klägers lässt allerdings jeden schlüssigen Vortrag dazu vermissen, inwieweit der bloße Teilaspekt zur richtigen Breite eines Kastenstandes zur Sauenhaltung im Hinblick auf diese Ausführungen des Verwaltungsgerichts entscheidungserheblich ist.

69

3. Mit seinem Vortrag, ernstliche Zweifel seien auch darin begründet, dass das Verwaltungsgericht die Frage der Tierhaltereigenschaft des Klägers ohne weitere Klärung - wie in dem Beschluss des Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt vom 16. April 2015, 3 M 517/14, zum Ausdruck gebracht - und auch ohne Würdigung der von ihm als Gesellschafter getroffenen Sicherungsmaßnahmen bejaht habe, legt der Kläger ebenfalls den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO gerecht werdenden Weise dar. Allein mit der Bezugnahme auf den Beschluss vom 16. April 2015 und dem Hinweis auf nicht näher bezeichnete Sicherungsmaßnahmen kann eine substanzielle Auseinandersetzung mit der ausführlichen Begründung der Vorinstanz, dem Kläger stehe das Bestimmungsrecht über die Tiere und deren Haltung zu mit der Folge, dass er auch verantwortlicher Tierhalter im Sinne des Tierschutzgesetzes gewesen sei (S. 11 UA), nicht gesehen werden.

70

Soweit der Kläger im Hinblick auf den Senatsbeschluss vom 16. April 2015 bemängelt, das Verwaltungsgericht habe nicht geklärt, "ob der Kläger in Bezug auf die in den von der (...) betriebenen (Anlagen?) gehaltenen Schweine als verantwortlicher Halter angesehen werden könne", macht er in der Sache keine ernstlichen Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, sondern eine unzureichende Aufklärung des Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 VwGO) durch das Verwaltungsgericht geltend. Dies hätte allerdings eine Darlegung erfordert, welche tatsächlichen Umstände hätten aufgeklärt werden müssen, welche Ermittlungen sich dem Gericht hierfür hätten aufdrängen müssen, welches mutmaßliche Ergebnis die Sachaufklärung gehabt hätte und inwiefern dieses Ergebnis zu einer ihm günstigeren Entscheidung geführt hätte (vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 20. Juli 2015 - BVerwG 5 B 36.14 -, juris Rn. 7). Diesen Anforderungen wird die Antragsschrift mangels entsprechender Ausführungen in keiner Weise gerecht.

71

4. Soweit der Kläger schließlich die Verhältnismäßigkeitsprüfung des Verwaltungsgerichts in Zweifel zieht, weil sich - wie er dargelegt habe - die gesamte Tatsachengrundlage der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen als brüchig erwiesen habe, führt dieser Einwand schon deswegen nicht zum Erfolg, weil der Kläger - wie unter a. ausgeführt - schon mit seinen Darlegungen zur Tatsachenfeststellung keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung dargelegt hat.

72

III. Die Zulassung der Berufung rechtfertigt sich auch nicht wegen der gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO geltend gemachten besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache.

73

Der Kläger beschränkt sein Vorbringen unter III. Ziffern 1. bis 3. der Antragsbegründungsschrift darauf, die besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache in den „Sachverhaltsfeststellungen der Verwaltungsentscheidung und deren Bestätigung im angefochtenen Urteil" zu sehen und geltend zu machen, dass „die Frage der zutreffenden Auslegung des § 24 Abs. 4 Nr. 2 TierSchNutzV unverändert eine rechtliche Schwierigkeit sei" und „die Voraussetzungen, unter denen es verhältnismäßig sein kann, einem Tierhalter, der die Betreuung von mehreren tausend Tieren zu verantworten hat, ein uneingeschränktes, bundesweit wirkendes Tierhaltungsverbot aufzuerlegen, bedürfen im Hinblick auf den Grundrechtsschutz aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG intensiver und gründlicher Klärung".

74

Diesen Vortrag zugrunde gelegt, hat er bereits nicht in gebotener Weise das Vorliegen des Zulassungsgrundes dargelegt.

75

„Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten“ der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO bestehen dann, wenn die Rechtssache wegen einer erheblich über dem Durchschnitt liegenden Komplexität des Verfahrens oder aufgrund der zugrunde liegenden Rechtsmaterie in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht größere, also das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht, mithin signifikant vom Spektrum der in verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu entscheidenden Streitsachen abweicht(vgl. OVG LSA in ständiger Rechtsprechung, etwa: Beschluss vom 26. Juni 2006 - 1 L 71/08 -, juris [m. w. N.]). Im Hinblick auf die Darlegungsanforderungen gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO ist es erforderlich, im Einzelnen darzulegen, hinsichtlich welcher Fragen und aus welchen Gründen aus der Sicht des Rechtsschutzsuchenden die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist(vgl. OVG LSA, a. a. O. [m. w. N.]), denn der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO soll eine allgemeine Fehlerkontrolle nur in solchen Fällen ermöglichen, die dazu besonderen Anlass geben(vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des 1. Senates vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, NVwZ 2000, 1163). Außerdem bedarf es Darlegungen dazu, dass die aufgeworfenen Fragen für den zu entscheidenden Rechtsstreit entscheidungserheblich sind (vgl.: BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des 1. Senates vom 8. März 2001 - 1 BvR 1653/99 -, NVwZ 2001, 552). Nur wenn sich schon aus dem Begründungsaufwand des erstinstanzlichen Urteiles ergibt, dass eine Sache in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht schwierig ist, genügt ein Antragsteller der ihm gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO obliegenden Darlegungslast bereits regelmäßig mit erläuternden Hinweisen auf die einschlägigen Passagen des Urteiles(vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des 1. Senates vom 23. Juni 2000, a. a. O.) . Soweit ein Zulassungsantragsteller hingegen die Schwierigkeiten des Falles darin erblickt, dass das Gericht auf bestimmte tatsächliche Aspekte nicht eingegangen ist oder notwendige Rechtsfragen nicht oder unzutreffend beantwortet hat, hat er diese Gesichtspunkte in nachvollziehbarer Weise darzustellen und ihren Schwierigkeitsgrad plausibel zu machen (BVerfG, a. a. O.).

76

Den vorstehenden Anforderungen wird das Vorbringen in der Antragsbegründungs-schrift zum Vorliegen besonderer sowohl tatsächlicher als auch rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache nicht gerecht. Die Antragsbegründungsschrift legt nicht einmal ansatzweise zulassungsbegründend dar, dass die Beantwortung der aufgeworfenen Fragen wegen einer erheblich über dem Durchschnitt liegenden Komplexität des Verfahrens oder aufgrund der zugrunde liegenden Rechtsmaterie in rechtlicher Hinsicht größere, also das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht und damit signifikant vom Spektrum der in verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu entscheidenden Streitsachen abweicht. Dies ist im Übrigen für den beschließenden Senat auch nicht ersichtlich. Auch aus dem Begründungsaufwand des angefochtenen Urteiles ergibt sich nicht, dass die Sache in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht besonders schwierig ist. Abgesehen davon, dass die Zulassungsbegründung die erforderlichen erläuternden Hinweise auf die einschlägigen Urteilspassagen nicht enthält, bedürfen Rechtsstreitigkeiten über die Rechtmäßigkeit eines Tierhaltungsverbots mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG grundsätzlich einer umfassenden und eingehenden Prüfung der Sach- und Rechtslage und erfordern deshalb entsprechende Ausführungen in der jeweiligen Entscheidung.Der Umfang der Entscheidungsgründe trägt im Übrigen maßgeblich dem Umfang der rechtlichen Ausführungen des Klägers im Klageverfahren sowie dem Bemühen des Verwaltungsgerichts Rechnung, die Argumente der Beteiligten gebührend zu würdigen. Er ist deswegen vorliegend kein Indiz dafür, dass die vorliegende Rechtssache - objektiv gesehen - besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufweist.

77

1. Darüber hinaus verweist der Kläger hinsichtlich der geltend gemachten besonderen tatsächlichen Schwierigkeiten auf seine Einwendungen gegen die Sachverhaltsfeststellungen der Verwaltungsentscheidung und deren Bestätigung im angefochtenen Urteil im Zusammenhang mit seinen Ausführungen zu den übrigen Zulassungsgründen. Danach weise diese Rechtssache in einer geradezu exemplarischen Weise besondere tatsächliche Schwierigkeiten auf.

78

Dieses Vorbringen wird den Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht gerecht, denn allein eine Bezugnahme auf bereits erfolgte Einwendungen des Klägers genügt, ohne die besonderen tatsächlichen Schwierigkeiten darzustellen, den Darlegungsanforderungen jedenfalls nicht. Erst recht ist es nicht Aufgabe des Berufungsgerichts, aus einem zur Vermeidung von Wiederholungen in Bezug genommenen Vorbringen die zur Begründung eines Zulassungsgrundes rechtlich relevanten Aspekte eigenständig herauszuarbeiten.

79

Ungeachtet dessen ist das Vorliegen des Zulassungsgrundes aus der Sicht des Berufungsgerichts im Zeitpunkt seiner Zulassungsentscheidung zu beurteilen. Zu diesem Zeitpunkt liegt dem Senat aber ein vom Verwaltungsgericht aufgeklärter und nicht überdurchschnittlich komplexer Sachverhalt vor.

80

2. Soweit der Kläger meint, die Frage der zutreffenden Auslegung des § 24 Abs. 4 Nr. 2 TierSchNutzV sei unverändert "eine rechtliche Schwierigkeit" und zur Erläuterung dieser Position auf die gegenüber dem Bundesverwaltungsgericht abgegebene Beschwerde Bezug nimmt, macht er schon keinerlei Ausführungen, die den Schwierigkeitsgrad dieser Frage plausibel zu machen versuchen; insbesondere ist es - wie oben bereits dargelegt - nicht Aufgabe des Gerichts, sich aus den Verweisungen auf im Rahmen der Zulassungsschrift oder der umfangreichen Nichtzulassungsbeschwerde an anderer Stelle angestellten Erwägungen die passenden und möglicherweise deshalb gewollten Gesichtspunkte zusammenzusuchen, um der Zulassung zum Erfolg zu verhelfen.

81

3. Besondere rechtliche Schwierigkeiten sind schließlich auch nicht mit dem Vortrag des Klägers dargelegt, die Voraussetzungen, unter denen es verhältnismäßig sein könne, einem Tierhalter, der die Betreuung von mehreren tausend Tieren zu verantworten habe, ein uneingeschränktes, bundesweit wirkendes Tierhaltungsverbot aufzuerlegen, bedürften im Hinblick auf den Grundrechtsschutz aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG intensiver und gründlicher Klärung. Auch insoweit lässt der Zulassungsantrag keinerlei Ausführungen zum Schwierigkeitsgrad der aufgeworfenen Frage zur Verhältnismäßigkeit eines Tierhaltungsverbots in Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung erkennen. In diesem Vortrag liegt vielmehr erneut sinngemäß die Rüge der mangelnden Sachaufklärung und fehlerhaften Rechtsanwendung des Gerichts.

82

IV. Überdies rechtfertigt sich die Zulassung der Berufung nicht wegen der von dem Kläger gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache.

83

„Grundsätzliche Bedeutung“ im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO besitzt eine Rechtssache nur dann, wenn zu erwarten ist, dass die Entscheidung im angestrebten Rechtsmittelverfahren zur Beantwortung von entscheidungserheblichen konkreten Rechts- oder Tatsachenfragen beitragen kann, die eine über den Einzelfall hinausgehende Tragweite besitzen und die im Interesse der Rechtseinheit oder Weiterentwicklung des Rechts einer Klärung bedürfen(vgl. OVG LSA in ständiger Rechtsprechung, etwa: Beschluss vom 21. Januar 2008 - 1 L 166/07 -, juris [m. w. N.]; vgl. zudem: BVerwG, Beschluss vom 17. Juli 1987 - BVerwG 1 B 23.87 -, InfAuslR 1987, 278). Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO zudem im Zulassungsantrag darzulegen. „Dargelegt" im Sinne der genannten Vorschrift ist eine grundsätzliche Bedeutung nur dann, wenn in der Antragsbegründung eine konkrete rechtliche oder tatsächliche Frage formuliert und zugleich substantiiert vorgetragen wird, inwiefern der Klärung dieser Frage eine im Interesse der Rechtssicherheit, Vereinheitlichung oder Fortbildung des Rechts über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung zukommt und warum es auf die Klärung der zur Überprüfung gestellten Frage im konkreten Fall entscheidungserheblich ankommt (OVG LSA, a. a. O. [m. w. N.]; vgl. zudem BVerwG, Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - BVerwG VIII B 78.61 -, BVerwGE 13, 90, vom 9. März 1993 - BVerwG 3 B 105.92 -, Buchholz 310 § 133 n. F. VwGO Nr.11 und Beschluss vom 10. November 1992 - BVErwG 2 B 137.92 -, Buchholz 303 § 314 ZPO Nr. 5). Hiernach ist es zunächst erforderlich, dass in der Antragsschrift eine konkrete - entscheidungserhebliche und klärungsbedürftige - rechtliche oder tatsächliche Frage „aufgeworfen und ausformuliert” wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. September 1995 - BVerwG 6 B 61.95 -, juris). Darüber hinaus obliegt es dem Rechtsschutzsuchenden, im Einzelnen darzulegen, inwiefern die aufgeworfene Frage im Interesse der Rechtssicherheit, Vereinheitlichung oder Fortbildung des Rechts über den Einzelfall hinaus einer fallübergreifenden Klärung bedarf und im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Hierbei sind - neben der Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffes, welche die Begründung erkennen lassen muss - die genannten Voraussetzungen für die Zulassung des Rechtsmittels in der Weise unter Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung, der einschlägigen Rechtsprechung sowie unter Angabe der maßgeblichen tatsächlichen und/oder rechtlichen Überlegungen zu erläutern und aufzuarbeiten, dass das Berufungsgericht hierdurch in die Lage versetzt wird, anhand der Antragsschrift darüber zu befinden, ob die Zulassung des Rechtsmittels gerechtfertigt ist (vgl. OVG LSA, a. a. O. [m. w. N.]; vgl. zudem: BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 -, Buchholz 310 VwGO § 133 (n. F.) Nr. 26).

84

In Anlegung dieser Maßstäbe ist eine rechtsgrundsätzliche Bedeutung der Rechtssache von dem Kläger nicht in der gebotenen Weise dargelegt worden; denn es fehlt schon an der Formulierung einer oder mehrerer von dem Kläger als klärungsbedürftig und -fähig angesehener Rechts- oder Tatsachenfragen. Vor allem ist es nicht die Aufgabe des Oberverwaltungsgerichts, sich die grundsätzlich bedeutsamen Fragen aus vorhergehenden Formulierungen oder Anträgen jeweils zusammenzusuchen, sondern es obliegt vielmehr dem Rechtsbehelfsführer, seine Darlegungen hinreichend klar zu ordnen.

85

Darüber hinaus genügt es im Hinblick auf den von dem Kläger angesprochenen Problemkreis der Kastenstandsbreiten (1.) vorliegend nicht, pauschal auf die Darlegung eines anderen Zulassungsgrundes oder auf die im Rahmen einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision aufgeworfenen Rechts- oder Tatsachenfragen zu verweisen. Vielmehr hätte er im Hinblick auf die vom Verwaltungsgericht festgestellten zahlreichen weiteren erheblichen Verstöße gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen zugleich substantiiert vortragen müssen, warum es auf die Klärung allein des Teilaspekts der Kastenstandsbreiten im konkreten Fall entscheidungserheblich ankommt. Dem verwaltungsgerichtlichen Urteil lässt sich jedenfalls nicht entnehmen, dass die Frage der Unterbringung der Schweine in zu engen bzw. zu kleinen Kastenständen - wie der Kläger meint - ein wesentliches, vor allem nicht hinwegzudenkendes Begründungselement des Tierhaltungsverbotes ist.

86

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

87

C. Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwerts für das Zulassungsverfahren beruht auf den §§ 47, 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nrn. 35.2 und 54.2.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NVwZ-Beilage 2013, 57). Der Senat folgt insoweit der erstinstanzlichen Streitwertbemessung.

88

D. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 124a Abs. 5 Satz 4, § 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.

(1) Über Erinnerungen des Kostenschuldners und der Staatskasse gegen den Kostenansatz entscheidet das Gericht, bei dem die Kosten angesetzt sind. Sind die Kosten bei der Staatsanwaltschaft angesetzt, ist das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig. War das Verfahren im ersten Rechtszug bei mehreren Gerichten anhängig, ist das Gericht, bei dem es zuletzt anhängig war, auch insoweit zuständig, als Kosten bei den anderen Gerichten angesetzt worden sind. Soweit sich die Erinnerung gegen den Ansatz der Auslagen des erstinstanzlichen Musterverfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz richtet, entscheidet hierüber das für die Durchführung des Musterverfahrens zuständige Oberlandesgericht.

(2) Gegen die Entscheidung über die Erinnerung findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde ist auch zulässig, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt.

(3) Soweit das Gericht die Beschwerde für zulässig und begründet hält, hat es ihr abzuhelfen; im Übrigen ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Beschwerdegericht ist das nächsthöhere Gericht. Eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes findet nicht statt. Das Beschwerdegericht ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden; die Nichtzulassung ist unanfechtbar.

(4) Die weitere Beschwerde ist nur zulässig, wenn das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden und sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zugelassen hat. Sie kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht; die §§ 546 und 547 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Über die weitere Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht. Absatz 3 Satz 1 und 4 gilt entsprechend.

(5) Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Für die Bevollmächtigung gelten die Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensordnung entsprechend. Die Erinnerung ist bei dem Gericht einzulegen, das für die Entscheidung über die Erinnerung zuständig ist. Die Erinnerung kann auch bei der Staatsanwaltschaft eingelegt werden, wenn die Kosten bei dieser angesetzt worden sind. Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Entscheidung angefochten wird.

(6) Das Gericht entscheidet über die Erinnerung durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter; dies gilt auch für die Beschwerde, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren der Kammer oder dem Senat, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Das Gericht entscheidet jedoch immer ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter. Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.

(7) Erinnerung und Beschwerde haben keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht oder das Beschwerdegericht kann auf Antrag oder von Amts wegen die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen; ist nicht der Einzelrichter zur Entscheidung berufen, entscheidet der Vorsitzende des Gerichts.

(8) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.