Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 09. Juni 2016 - 1 BvR 2453/12

ECLI:ECLI:DE:BVerfG:2016:rk20160609.1bvr245312
bei uns veröffentlicht am09.06.2016

Tenor

1. Der Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 20. September 2012 - 2 LA 234/11 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.

2. Das Land Niedersachsen hat die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers zu erstatten.

3. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 10.000 € (in Worten: zehntausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft ein verwaltungsgerichtliches Verfahren aus dem Bereich des Schulrechts.

2

1. a) Der Beschwerdeführer besuchte ein öffentliches technisches Fachgymnasium. Da er an einer Lese- und Rechtschreibstörung (Legasthenie) leidet, beantragte er zum Nachteilsausgleich eine Schreibzeitverlängerung für die Anfertigung von Klausuren sowie die Nichtbewertung der Rechtschreibung (sog. Notenschutz). Die Schule lehnte dies ab.

3

b) Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren verpflichtete das Oberverwaltungsgericht die Schule, dem Beschwerdeführer bis zur Entscheidung in der Hauptsache bei der Anfertigung schriftlicher Leistungsüberprüfungen außer in naturwissenschaftlich-mathematischen Fächern eine Schreibzeitverlängerung von 10 % der jeweiligen Bearbeitungszeit zu gewähren. Soweit der Eilantrag darüber hinaus auf vorläufige Gewährung eines Zeitzuschlages von 25 % und Notenschutz bezüglich der Rechtschreibleistung in allen Fächern sowie auf die ebenfalls bereits vorgerichtlich geltend gemachte Verpflichtung der Schule gerichtet war, ihn in Mathematik anwendungsbezogen auf das erste Prüfungsfach Elektronik zu unterrichten, blieb er ohne Erfolg. Eine vom Beschwerdeführer in dieser Sache erhobene Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen (1 BvR 2129/08).

4

c) In der Hauptsache fasste das Verwaltungsgericht zunächst einen Beweisbeschluss zur Frage der medizinischen Notwendigkeit eines weitergehenden Nachteilsausgleichs. Dieser wurde jedoch nicht mehr ausgeführt, nachdem der Beschwerdeführer die Allgemeine Hochschulreife erworben hatte. Der Beschwerdeführer stellte seine Klage daraufhin um. Neben Feststellungsanträgen begehrte er, seine unter anderem auf Klausurabwertungen wegen Schreibfehlern (sog. "GRZ-Abzug") beruhenden Kursnoten im Fach Deutsch in der Jahrgangsstufe 12 anzuheben.

5

Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit der Begründung ab, die in der Jahrgangsstufe 12 erteilten Einzelnoten seien bestandskräftig geworden und daher nicht mehr anfechtbar. Der Zulässigkeit der Feststellungsanträge stehe teilweise der Subsidiaritätsgrundsatz und teilweise das Fehlen eines Feststellungsinteresses entgegen.

6

d) Den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung lehnte das Oberverwaltungsgericht mit dem hier angegriffenen Beschluss ab.

7

aa) Es könne offenbleiben, ob das Verwaltungsgericht die halbjährlichen Kursabschlussnoten als eigenständig anfechtbare Regelungen habe ansehen dürfen. Die Versäumung der Widerspruchsfrist sei insoweit jedenfalls unschädlich, da die Widerspruchsbehörde eine Sachentscheidung getroffen habe. Von der Bestandskraft der Einzelnoten könne daher nicht ausgegangen werden.

8

An der Richtigkeit der Ablehnung des Verpflichtungsantrags bestünden im Ergebnis gleichwohl keine ernstlichen Zweifel, da nicht ersichtlich sei, dass die den Kursnoten zugrunde liegenden Bewertungen fehlerhaft gewesen sein könnten. Es sei in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung geklärt, dass unter einer Legasthenie leidenden Schülern zum Nachteilsausgleich nur Schreibzeitverlängerungen gewährt werden könnten oder die Nutzung technischer Hilfsmittel gestattet werden könne. Die Gewährung von Notenschutz (durch Nichtbewertung der Rechtschreibung) sei demgegenüber in der Regel nicht zulässig, da sie zu einer Benachteiligung von Schülern führen könne, denen aus sonstigen Gründen Rechtschreibfehler in größerem Umfang unterliefen. Darüber hinaus komme ein Ausgleich durch Notenschutz deswegen nicht in Betracht, weil sich die vom Beschwerdeführer beanstandeten Noten gerade auf das Fach Deutsch bezögen und in diesem unter anderem Rechtschreibung und Zeichensetzung zu den allgemein vorausgesetzten Kompetenzen gehörten. Ein Anspruch auf Notenschutz folge selbst bei einem den Behinderungsbegriff erfüllenden Ausmaß der Legasthenie auch nicht aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG, da sich hieraus ein originärer subjektiver Leistungsanspruch nicht ableiten lasse. Unmittelbar aus Art. 24 des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention, BGBl 2008 II S. 1419) ergäben sich ebenfalls keine entsprechenden Rechte. Schließlich sehe die geltende Erlasslage in gewissem Umfang eine differenzierte Bewertung vor und eröffne einen pädagogischen Bewertungsspielraum, der eine einzelfallgerechte Berücksichtigung des Erscheinungsbildes der Legasthenie ermögliche. Es sei nicht ersichtlich, dass bei der Bewertung der den beanstandeten Kursnoten zugrunde liegenden Deutschklausuren hiervon in willkürlicher Weise abgewichen worden sei.

9

bb) Auch das Feststellungsinteresse habe das Verwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht verneint. Ein Rehabilitationsinteresse könne nicht bejaht werden, da von den Einzelnoten und der Durchschnittsnote des Abiturzeugnisses keine den Beschwerdeführer in seiner Persönlichkeit diskriminierende Wirkung ausgehe. Die Bewertung im Fach Deutsch in der Jahrgangsstufe 12 könne für sich gesehen nicht als diskriminierend angesehen werden, zumal sich die begehrte Anhebung nicht auf die Durchschnittsnote auswirken würde. Hinsichtlich anderer Einzelnoten habe der Beschwerdeführer nicht näher dargelegt, welche Punktzahl er für angemessen halte. Soweit er sein Feststellungsbegehren auf eine beabsichtigte Amtshaftungsklage stütze, habe das Verwaltungsgericht zu Recht darauf abgestellt, dass eine solche mangels Verschuldens offensichtlich aussichtslos sei.

10

2. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 19 Abs. 4 GG, aus Art. 3 Abs. 1 und 3 GG in Verbindung mit der UN-Behindertenrechtskonvention sowie aus Art. 12 GG und führt dies näher aus. Insbesondere rügt er, das Ausgangsgericht habe zu keinem Zeitpunkt in einem ordentlichen Hauptsacheverfahren durch Beweisaufnahme geprüft, welche Maßnahmen notwendig gewesen seien, um die behinderungsbedingten Nachteile auszugleichen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei es aber uneingeschränkt gerichtlich überprüfbar, ob ein in Prüfungen gewährter Nachteilsausgleich die Störung vollständig ausgeglichen habe, was gegebenenfalls mit Hilfe von Sachverständigen zu ermitteln sei (Hinweis auf BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 21. Dezember 1992 - 1 BvR 1295/90 -, NJW 1993, S. 917 <918>). Das Oberverwaltungsgericht habe zudem verkannt, dass er durch die Anlegung desselben Leistungsbemessungsmaßstabs wie bei seinen nicht behinderten Mitschülern in einem Bereich, in dem er aufgrund seiner Funktionsstörung nicht gleichermaßen leistungsfähig sein könne, benachteiligt worden sei. Aus fachärztlicher Sicht habe er in allen Fächern zusätzlich 25 % der üblichen Bearbeitungszeit benötigt, um die gleichen Chancen bei der Bearbeitung der anstehenden Aufgaben zu haben. Ein reiner Nachteilsausgleich führe, auch wenn er den Verzicht auf die Benotung der Rechtschreibung beinhalte, keineswegs zu einer Beeinträchtigung der Chancengleichheit nichtbehinderter Mitschüler. Dadurch, dass es das Oberverwaltungsgericht versäumt habe, seine willkürliche Entscheidung aus dem Eilverfahren im Berufungszulassungsverfahren zu korrigieren, nehme es ihm die Möglichkeit der Rehabilitation und verschärfe damit die bereits erfolgte Diskriminierung. Damit werde zudem eine Amtshaftungsklage bewusst ausgeschlossen und würden legasthene Schüler in Niedersachsen im Ergebnis rechtlos gestellt.

11

3. Die Verfassungsbeschwerde ist dem Niedersächsischen Justizministerium und der Beklagten des Ausgangsverfahrens, der vormaligen Schule des Beschwerdeführers, zugestellt worden. Diese haben von einer Stellungnahme abgesehen. Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen der Kammer vor.

II.

12

1. Die Kammer nimmt die zulässige Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG; vgl. BVerfGE 90, 22 <25>). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG liegen vor. Das Bundesverfassungsgericht hat die hier maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden. Die Verfassungsbeschwerde ist danach offensichtlich begründet.

13

2. Die Auslegung und Anwendung der Vorschriften über die Zulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht wird der verfassungsrechtlichen Verbürgung effektiven Rechtsschutzes nicht gerecht.

14

a) Das Gebot effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleistet zwar keinen Anspruch auf die Errichtung eines bestimmten Instanzenzuges (vgl. BVerfGE 104, 220 <231>; 125, 104 <136 f.>; stRspr). Hat der Gesetzgeber jedoch mehrere Instanzen geschaffen, darf der Zugang zu ihnen nicht in unzumutbarer und durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 104, 220 <232>; 125, 104 <137>; stRspr). Das Gleiche gilt, wenn das Prozessrecht - wie hier die §§ 124, 124a VwGO - den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit gibt, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten (vgl. BVerfGE 125, 104 <137>). Aus diesem Grund dürfen die Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe nicht derart erschwert werden, dass sie auch von einem durchschnittlichen, nicht auf das gerade einschlägige Rechtsgebiet spezialisierten Rechtsanwalt mit zumutbarem Aufwand nicht mehr erfüllt werden können und die Möglichkeit, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten, für den Rechtsmittelführer leerläuft. Dies gilt nicht nur hinsichtlich der Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, sondern in entsprechender Weise für die Auslegung und Anwendung der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO selbst (vgl. BVerfGE 125, 104 <137>). Mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes unvereinbar ist eine Auslegung und Anwendung des § 124 Abs. 2 VwGO danach dann, wenn sie sachlich nicht zu rechtfertigen ist, sich damit als objektiv willkürlich erweist und den Zugang zur nächsten Instanz unzumutbar erschwert (vgl. BVerfGE 125, 104 <137>; 134, 106 <117 f. Rn. 34>).

15

b) Das Oberverwaltungsgericht hat durch seine Handhabung des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO den Zugang zur Berufungsinstanz in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise verengt und dadurch das Gebot effektiven Rechtsschutzes verletzt.

16

aa) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sind immer schon dann begründet, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. BVerfGE 125, 104 <140>). Dies hat der Beschwerdeführer getan. Er hat aufgezeigt, dass das Verwaltungsgericht seinen Verpflichtungsantrag rechtsfehlerhaft als unzulässig behandelt hat und die angenommene Unzulässigkeit der Feststellungsanträge betreffend den Notenschutz und den Umfang des ihm zustehenden Nachteilsausgleichs aus Subsidiaritätsgründen zumindest ernstlichen - vom Oberverwaltungsgericht selbst näher aufgezeigten - Zweifeln begegnet. Das Oberverwaltungsgericht hat mit einer verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Begründung gleichwohl die Berufung nicht zugelassen.

17

bb) Es begegnet zwar keinen grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn das Berufungsgericht bei der Überprüfung des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) auf andere rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte abstellt als das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen seines Urteils und wenn es - soweit rechtliches Gehör gewährt ist - die Zulassung der Berufung deshalb ablehnt, weil sich das Urteil aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig erweist. Es widerspricht jedoch sowohl dem Sinn und Zweck des dem Berufungsverfahren vorgeschalteten Zulassungsverfahrens als auch der Systematik der in § 124 Abs. 2 VwGO geregelten Zulassungsgründe und kann den Zugang zur Berufung in sachlich nicht mehr zu rechtfertigender Weise einschränken, wenn das Berufungsgericht auf andere Gründe entscheidungstragend abstellt als das Verwaltungsgericht, die nicht ohne Weiteres auf der Hand liegen und deren Heranziehung deshalb über den mit Blick auf den eingeschränkten Zweck des Zulassungsverfahrens von ihm vernünftigerweise zu leistenden Prüfungsumfang hinausgeht (vgl. BVerfGE 134, 106 <119 f. Rn. 40>; siehe auch BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 - BVerwG 7 AV 4.03 -, NVwZ-RR 2004, S. 542 <543>).

18

Dass dem Beschwerdeführer vor Erlass der angegriffenen Entscheidung im Hinblick auf die neue Begründung des Oberverwaltungsgerichts im Berufungszulassungsverfahren rechtliches Gehör gewährt worden wäre, lässt sich den beigezogenen Akten des Ausgangsverfahrens nicht entnehmen. Darüber hinaus lagen die Voraussetzungen für einen Austausch der Begründung hiernach auch nicht vor.

19

(1) Hinsichtlich der auf den Notenschutz bezogenen Klageanträge ergibt sich dies schon daraus, dass das Oberverwaltungsgericht die angenommene inhaltliche Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils auf Gründe stützt, denen ihrerseits grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zukommt. Denn die Heranziehung von Erwägungen mit Grundsatzbedeutung zur Ablehnung des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel verkürzt den vom Gesetzgeber für Fragen von grundsätzlicher Bedeutung vorgesehenen Rechtsschutz im Berufungsverfahren in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise (vgl. BVerfGK 10, 208 <213 f. m.w.N.>).

20

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtsfrage immer dann, wenn es maßgebend auf eine konkrete, über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage ankommt, deren Klärung im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts geboten erscheint. Der Begriff der grundsätzlichen Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO entspricht danach weitgehend dem der grundsätzlichen Bedeutung in der revisionszulassungsrechtlichen Bestimmung des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (vgl. BVerfGK 10, 208 <214>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 10. September 2009 - 1 BvR 814/09 -, NJW 2009, S. 3642 <3643>; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. August 2011 - 1 BvR 1764/09 -, NVwZ-RR 2011, S. 963 <964>).

21

Nach diesen Maßstäben kam der vom Oberverwaltungsgericht verneinten Frage, ob der Beschwerdeführer im Hinblick auf seine Legasthenie so genannten Notenschutz in Form der Nichtbewertung der Rechtschreibung verlangen konnte, grundsätzliche Bedeutung zu. Denn ihre Beantwortung hat Bedeutung weit über den Einzelfall des Beschwerdeführers hinaus und betrifft den Umfang des verfassungsrechtlich sowohl unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit im Prüfungsrecht (BVerfGE 52, 380 <388>) als auch des Benachteiligungsverbots gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG (BVerfGE 96, 288<301 ff.>) bestehenden Anspruchs auf behinderungsbezogenen Nachteilsausgleich (zu der namentlich aus den verfassungsrechtlichen Bezügen abgeleiteten Grundsatzbedeutung der Rechtmäßigkeit der Bemerkung der Nichtberücksichtigung von Rechtschreibleistungen im Abiturzeugnis vgl. BayVGH, Urteile vom 28. Mai 2014 - 7 B 14.22 u.a. -, juris, Rn. 27). Die umstrittene Frage des Umfangs des Nachteilsausgleichs, der an Legasthenie leidenden Schülern zusteht, war zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts noch nicht höchstrichterlich geklärt. Erst im Jahr 2015 hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass aus dem Gebot der Chancengleichheit nur Ansprüche auf Änderung der Prüfungsbedingungen (Nachteilsausgleich), nicht aber solche auf Änderung des Maßstabs der Leistungsbewertung (Notenschutz) abgeleitet werden könnten (BVerwGE 152, 330). Hiergegen sind beim Bundesverfassungsgericht mittlerweile Verfassungsbeschwerden anhängig (Az. 1 BvR 2577/15, 1 BvR 2578/15 und 1 BvR 2579/15), über die noch nicht entschieden ist.

22

Das Oberverwaltungsgericht konnte die Nichtzulassung der Berufung wegen inhaltlicher Richtigkeit daher hierauf nicht stützen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der flankierenden Erwägungen, im Fach Deutsch gehörten Rechtschreibung und Zeichensetzung gerade zu den allgemein vorausgesetzten Kompetenzen und der Schutz des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG beschränke sich auf seine Funktion als Abwehrrecht. Gleiches gilt für den Hinweis auf den nach den einschlägigen schulrechtlichen Ausführungsbestimmungen bestehenden pädagogischen Spielraum. Ob die erfolgten Abwertungen unter Berücksichtigung des Spielraums der Behinderung des Beschwerdeführers hinreichend Rechnung trugen, wäre gegebenenfalls erst in einem Berufungsverfahren zu klären gewesen.

23

(2) Auch mit Blick auf das (verneinte) Feststellungsinteresse verkürzt das Oberverwaltungsgericht die verfassungsrechtlich garantierten Zugangsmöglichkeiten zum Berufungsverfahren. Soweit es ausführt, es fehle an dem (vom Verwaltungsgericht insoweit nicht geprüften) Feststellungsinteresse, weil die Ausweisung der Deutschnoten in der Jahrgangsstufe 12 mit Blick auf deren Auswirkungen auf das Abiturergebnis keinen diskriminierenden Charakter hätten und der Beschwerdeführer hinsichtlich der anderen Einzelnoten schon nicht näher dargelegt habe, welche Punktzahl er für erforderlich halte, lagen diese Erwägungen nicht ohne Weiteres auf der Hand und überschritten den statthaften Prüfungsumfang im Berufungszulassungsverfahren. Inhaltlich liegen sie auch eher fern, weil der Beschwerdeführer dargelegt hat, dass die Feststellung, welche Noten er mit der von ihm für notwendig gehaltenen längeren Schreibzeitverlängerung in allen Fächern erreicht hätte, im Nachhinein nicht möglich ist. Gerade deswegen blieb ihm aber nur die Möglichkeit eines Feststellungsantrags, um eine in den erreichten Noten gegebenenfalls fortwirkende Benachteiligung durch einen entsprechenden Feststellungsausspruch zu beseitigen. In der fachgerichtlichen Rechtsprechung ist im Übrigen geklärt, dass sich das notwendige Feststellungsinteresse in einer solchen Situation bereits aus der Geltendmachung einer fortdauernden faktischen Grundrechtsbeeinträchtigung ergeben kann (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 2014 - BVerwG 1 WB 59.13 -, juris, Rn. 20; Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 113 Rn. 146 m.w.N.), die hier insbesondere im Hinblick auf Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG gerügt wird.

24

3. Auf die Beantwortung der weiteren vom Beschwerdeführer aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen kommt es nicht an, da der angegriffene Beschluss die Berufungszulassung behandelt und keine Entscheidung zur Sache enthält.

III.

25

1. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts beruht auf dem Verfassungsverstoß. Er ist daher gemäß § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben und die Sache ist an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen.

26

2. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG und den Grundsätzen für die Festsetzung des Gegenstandswerts im verfassungsgerichtlichen Verfahren (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>; BVerfGK 20, 336 <337 ff.>).

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(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

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(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

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(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Liegen die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 Buchstabe b vor und ist die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgebliche verfassungsrechtliche Frage durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, kann die Kammer der Verfassungsbeschwerde stattgeben, wenn sie offensichtlich begründet ist. Der Beschluß steht einer Entscheidung des Senats gleich. Eine Entscheidung, die mit der Wirkung des § 31 Abs. 2 ausspricht, daß ein Gesetz mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht unvereinbar oder nichtig ist, bleibt dem Senat vorbehalten.

(2) Auf das Verfahren finden § 94 Abs. 2 und 3 und § 95 Abs. 1 und 2 Anwendung.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Tenor

I.

Der Beklagte wird unter Abänderung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 26. Februar 2013 verpflichtet, dem Kläger ein Abiturzeugnis ohne Bemerkungen zur Nichtbewertung von Rechtschreibleistungen und zur Bewertung der schriftlichen und mündlichen Leistungen in den Fremdsprachen im Verhältnis 1:1 auszustellen.

II.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen folgende Bemerkungen der Schule (staatliches Gymnasium in G.) in seinem Abiturzeugnis vom 25. Juni 2010: „Aufgrund einer fachärztlich festgestellten Legasthenie wurden Rechtschreibleistungen nicht bewertet. In den Fremdsprachen wurden die schriftlichen und mündlichen Leistungen im Verhältnis 1:1 bewertet.“

Das Bayerische Verwaltungsgericht München hat auf Klage des Klägers den Beklagten mit Urteil vom 26. Februar 2013 verpflichtet, dem Kläger ein neues Abiturzeugnis auszustellen, in dem kein Hinweis mehr auf die „fachärztlich festgestellte Legasthenie“ enthalten ist. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die streitgegenständlichen Bemerkungen seien als allgemeine Beurteilung zulässig, welche das Abschlusszeugnis nach Maßgabe des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) enthalten könne (Art. 54 Abs. 4 Satz 3 BayEUG). Zudem seien gemäß den Richtlinien des (ehemaligen) Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus zur Förderung von Schülern mit besonderen Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens und des Rechtschreibens vom 16. November 1999, geändert am 11. August 2000, sowie entsprechend dem Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 4. Dezember 2003 in der Fassung vom 15. November 2007, Abweichungen von den allgemeinen Grundsätzen der Leistungsbewertung - wie vorliegend in Bezug auf die Bewertung der Rechtschreibleistungen und das Verhältnis der Bewertung der schriftlichen und mündlichen Leistungen in den Fremdsprachen - im Abschlusszeugnis zu vermerken. Bei solchen Abweichungen von allgemeinen Grundsätzen der Leistungsbewertung handele es sich für die betroffenen Schüler um „Notenschutz“, der anders als der „Nachteilsausgleich“, der lediglich Chancengleichheit mit nichtbehinderten Schülern herstelle, eine Bevorzugung des behinderten Schülers darstelle. Der Notenschutz sei aus Gründen der „Notenwahrheit“ und zur Wahrung der Chancengleichheit aller Schüler im Zeugnis zu vermerken. Demgegenüber sei es nicht geboten, den Hinweis auf eine „fachärztlich festgestellte Legasthenie“, der in die Privatsphäre des Klägers unverhältnismäßig eingreife, in das Abiturzeugnis aufzunehmen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil Bezug genommen.

Mit der vom Senat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Berufung wendet sich der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts, soweit die Klage abgewiesen wurde. Die streitgegenständlichen Bemerkungen knüpften ohne gesetzliche Grundlage in diskriminierender Weise unmittelbar an die Legasthenie des Klägers an und erschwerten diesem ohne sachlichen Grund den Übertritt in das Berufsleben. Sie seien nicht aus Gründen der Notenwahrheit gerechtfertigt, weil das Abiturzeugnis dem Kläger keine Kompetenzen bescheinige, über die er nicht verfüge und zudem die Noten in einzelnen Fächern weder bei behinderten noch bei nichtbehinderten Schülern Auskunft über deren tatsächliche Rechtschreibleistungen gäben. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts handele es sich bei der Nichtbewertung von Rechtschreibleistungen und bei der Bewertung der schriftlichen und mündlichen Leistungen in den Fremdsprachen im Verhältnis 1:1 auch nicht um eine Bevorzugung des Klägers, sondern lediglich um einen Ausgleich der mit dessen Legasthenie im Rahmen der schulischen Ausbildung verbundenen Nachteile. Von Bedeutung sei in diesem Zusammenhang auch, dass der Beklagte Fördermaßnahmen für Legastheniker in der gymnasialen Oberstufe nur in einem „Gesamtpaket“ gewähre und er dem betroffenen Schüler nicht erlaube, sich auf einzelne Fördermaßnahmen, etwa auf die Gewährung eines Zeitzuschlages zu beschränken, die als anerkannte Maßnahme des Nachteilsausgleichs unstreitig nicht zu einer Bemerkung im Abiturzeugnis führe. Die streitgegenständlichen Bemerkungen dürften im Übrigen wegen ihrer nachteiligen Wirkungen für den Kläger schon nach Maßgabe einschlägiger Regelungen der Gymnasialschulordnung (GSO) nicht in das Abiturzeugnis aufgenommen werden. Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Beklagten unter Abänderung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 26. Februar 2013 zu verpflichten, das Abiturzeugnis ohne die streitgegenständlichen Bemerkungen auszustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die streitgegenständlichen Bemerkungen im Abiturzeugnis bedürften keiner gesetzlichen Grundlage, weil sie allein der „Kenntlichmachung einer Abweichung von der regulären Leistungsbewertung“ dienten. Ihre Notwendigkeit ergebe sich unmittelbar aus prüfungsrechtlichen Grundsätzen, da Legastheniker bei Maßnahmen des Notenschutzes geringeren Leistungsanforderungen als nichtbehinderte Schüler genügen müssten und diesen gegenüber somit bevorzugt würden. Diese Ungleichbehandlung werde durch die streitgegenständlichen Bemerkungen, die der Zeugniswahrheit dienten und in die der Kläger bzw. dessen Erziehungsberechtigte vor Eintritt in die Oberstufe des Gymnasiums bereits eingewilligt hätten, ausgeglichen. Ein milderes Mittel zur Herstellung der Chancengleichheit aller Schüler sei nicht ersichtlich. Allerdings sei einzuräumen, dass bei Schülern mit anderen Behinderungen nicht in gleicher Weise (Bemerkungen über Maßnahmen des Notenschutzes in Abschlusszeugnissen) verfahren werde.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in beiden Rechtszügen und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Gründe

Die Berufung des Klägers hat Erfolg.

Der Kläger hat Anspruch auf Ausstellung eines Abiturzeugnisses, das frei ist von Bemerkungen, die nicht auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen. Für die streitgegenständlichen Bemerkungen, die auf dem Kläger gewährte Maßnahmen des Notenschutzes hinweisen sollen, gibt es keine gesetzliche Grundlage.

1. Die streitgegenständlichen Bemerkungen im Abiturzeugnis beruhen nicht auf Regelungen des Bayerischen Schulrechts.

a) Das Bayerische Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Mai 2000 (GVBl S. 414, BayRS 22301-K), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Mai 2014 (GVBl S. 186), enthält sowohl in der aktuellen als auch in der für das streitgegenständliche Abiturzeugnis maßgeblichen (bis zum 31.7.2010 geltenden) Fassung des Gesetzes (= a. F.) keine Rechtsgrundlage für die streitgegenständlichen Bemerkungen.

Nach Maßgabe des Gesetzes erhält der Prüfling nach bestandener Abschlussprüfung ein Abschlusszeugnis. Dieses enthält die Noten in den einzelnen Fächern und die Feststellung, welche Berechtigung das Zeugnis verleiht. Zusätzlich kann das Zeugnis eine allgemeine Beurteilung enthalten (Art. 54 Abs. 4 Satz 1 bis 3 BayEUG). In den Abiturzeugnissen wird - wie der Beklagte einräumt - jedoch gemäß den Bestimmungen der einschlägigen Schulordnung für die Gymnasien in Bayern (Gymnasialschulordnung - GSO) vom 23. Juli 2007 (GVBl S. 68, BayRS 22351K), zuletzt geändert durch Verordnung vom 12. Juni 2013 (GVBl S. 390), keine allgemeine Beurteilung im Sinn des Art. 54 Abs. 4 Satz 3 BayEUG aufgenommen (vgl. auch LT-Drs. 16/4814 S. 3).

b) Die auf Grundlage des Gesetzes (Art. 89 BayEUG) erlassene Gymnasialschulordnung sieht - sowohl in der aktuellen als auch in der vorliegend maßgeblichen (bis zum 31.7.2010 geltenden) Fassung der Verordnung (= a. F.) - die Aufnahme von Vermerken in das Abiturzeugnis nur in besonders geregelten Fällen vor. So erhalten etwa Schüler, die das Latinum oder Graecum erworben haben, im Abiturzeugnis einen entsprechenden Vermerk (§ 86 Abs. 4 Satz 1 GSO = § 86a Abs. 4 Satz 1 GSO a. F. für das vom Kläger besuchte neunjährige Gymnasium). Ebenso können auf Antrag des Schülers herausragende Leistungen in Vokalensemble (Chor) oder Instrumentalensemble (Orchester) sowie die Tätigkeit in der Schülermitverantwortung oder ähnliche Tätigkeiten im Abiturzeugnis vermerkt werden (§ 86 Abs. 3 Satz 2 GSO = § 86a Abs. 3 Satz 2 GSO a. F.). Bemerkungen über die Gesamtpersönlichkeit des Schülers und damit auch Bemerkungen etwa über dessen Anlagen oder Verhalten werden in das Abiturzeugnis hingegen nicht aufgenommen (§ 86 Abs. 3 Satz 1 GSO = § 86a Abs. 3 Satz 1 GSO a. F.). Auch in Bezug auf die Nichtbewertung von Rechtschreibleistungen oder das Verhältnis der Bewertung der schriftlichen und mündlichen Leistungen in den Fremdsprachen sind Vermerke weder in der Gymnasialschulordnung noch in dem vom Staatsministerium nach Maßgabe des § 86 Abs. 1 GSO (= § 86a Abs. 1 GSO a. F.) herausgegebenen Muster des Abiturzeugnisses (Zeugnis der allgemeinen Hochschulreife) vorgesehen.

2. Die streitgegenständlichen Bemerkungen können auch nicht auf „prüfungsrechtliche Grundsätze“ gestützt werden. Für sie ist eine gesetzliche Grundlage nicht deshalb entbehrlich, weil sie nach Ansicht des Beklagten der „Kenntlichmachung einer Abweichung von der regulären Leistungsbewertung“ dienen und zum Ausgleich einer Bevorzugung des Legasthenikers („Notenschutz“) notwendig sein sollen. Denn Notenschutz seinerseits darf nur aufgrund einer vorliegend fehlenden ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung gewährt werden.

a) Als Notenschutz werden nach gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung im Prüfungsrecht allgemein und im Schulrecht in Bezug auf die Bewertung schulischer Leistungen einschließlich der jeweiligen Prüfungsleistungen alle Maßnahmen angesehen, die auf die Bevorzugung des einzelnen Prüflings gerichtet sind, weil diesem gegenüber auf bestimmte Leistungsanforderungen verzichtet wird, die allen anderen Prüflingen abverlangt werden. Notenschutz berührt den anerkannten und insbesondere im Prüfungsrecht maßgeblichen Grundsatz der Chancengleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG, ggf. i. V. m. Art. 12 Abs. 1 GG) aller Prüflinge (vgl. z. B. zuletzt OVG LSA, B.v. 10.2.2014 - 3 M 358/13 - juris Rn. 13 f. m. w. N.; NdsOVG, B.v. 10.7.2008 - 2 ME 309/08 - NVwZ-RR 2009, 68; BayVGH, B.v. 25.10.2007 - 7 CE 07.2374 - juris Rn. 15). Auf Notenschutz gibt es auch im Hinblick auf das in Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG geregelte Benachteiligungsverbot für körperlich eingeschränkte oder sonst behinderte Prüfungsteilnehmer keinen verfassungsrechtlich begründeten Anspruch (vgl. z. B. HessVGH, B.v. 5.2.2010 - 7 A 2406/09.Z - NVwZ-RR 2010, 767; NdsOVG, B.v. 10.7.2008 - 2 ME 309/08 - NVwZ-RR 2009, 68; zum Meinungsstand in Rechtsprechung und Literatur, vgl. Cremer/Kolok, DVBl 2014, 333).

Der Notenschutz ist vom „Nachteilsausgleich“ zu unterscheiden, auf den - seinerseits gestützt auf den Grundsatz der Chancengleichheit - ein verfassungsrechtlicher Anspruch deshalb besteht, weil der Nachteilsausgleich es dem behinderten Prüfungsteilnehmer lediglich unter Wahrung der für alle Prüflinge geltenden Leistungsanforderungen ermöglichen soll, sein tatsächlich vorhandenes („wahres“) Leistungsvermögen nachzuweisen (vgl. z. B. Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 5. Aufl. 2010, Rn. 249/259 ff. m. w. N.). Nachteilsausgleich darf nur insoweit gewährt werden, als dies zur Herstellung der Chancengleichheit erforderlich ist. Die „Überkompensation“ der Behinderungen des Prüfungsteilnehmers durch Art oder Umfang des gewährten Nachteilsausgleichs führt zu einer Verletzung der Chancengleichheit der anderen Prüfungsteilnehmer und ist insoweit unzulässig (vgl. z. B. BayVGH, B.v. 28.6.2012 - 7 CE 12.1324 - juris Rn. 18). Die Abgrenzung zwischen Maßnahmen des Nachteilsausgleichs und des Notenschutzes ist dann besonders schwierig, wenn sich die körperlichen Einschränkungen oder sonstigen Behinderungen auf das spezifische Leistungsvermögen des Prüfungsteilnehmers auswirken, das - wie etwa im Fach Deutsch die Fehlerfreiheit der Rechtschreibleistungen des Schülers - gerade Gegenstand der von ihm geforderten Prüfungsleistung ist. So sollen nach dem Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 4. Dezember 2003 in der Fassung vom 15. November 2007 über „Grundsätze zur Förderung von Schülerinnen und Schülern mit besonderen Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben oder im Rechnen“ im Rahmen des Nachteilsausgleichs Maßnahmen wie die Ausweitung der Arbeitszeit oder die Bereitstellung von technischen und didaktischen Hilfsmitteln in Betracht kommen, während es sich etwa bei der stärkeren Gewichtung mündlicher Leistungen oder dem Verzicht auf eine Bewertung der Lese- und Rechtschreibleistung um Abweichungen von den allgemeinen Grundsätzen der Leistungsbewertung und damit um Maßnahmen des Notenschutzes handeln soll. Fehlt eine nähere gesetzliche Regelung über Art und Umfang von Maßnahmen des Nachteilsausgleichs und des Notenschutzes, so ist bei Rechtsstreitigkeiten über deren Zulässigkeit die Abgrenzung zwischen Nachteilsausgleich und Notenschutz unverzichtbar, weil Prüfungsteilnehmer (Schüler) einen verfassungsrechtlich begründeten Anspruch nur auf den zur Herstellung der Chancengleichheit im Einzelfall erforderlichen Nachteilsausgleich, nicht jedoch auf Notenschutz haben.

b) Maßnahmen des Notenschutzes kommen danach nur auf der Grundlage einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung in Betracht. Nach der Rechtsprechung der Verfassungsgerichte verpflichten dabei das Rechtsstaatsprinzip, das Demokratieprinzip sowie der Grundsatz der Gewaltenteilung den parlamentarischen Gesetzgeber, die wesentlichen Entscheidungen im Schulwesen selbst zu treffen oder durch eine nach Inhalt, Zweck und Ausmaß begrenzte Ermächtigungsnorm inhaltlich mitzubestimmen und diese nicht allein der Schulverwaltung zu überlassen (Parlamentsvorbehalt). Der Umfang des Parlamentsvorbehalts bestimmt sich dabei von Fall zu Fall nach der Intensität, mit welcher die Grundrechte der Regelungsadressaten betroffen sind (vgl. BVerfG, B.v. 20.10.1981 - 1 BvR 640/80 - BVerfGE 58, 257; BayVerfGH, E.v. 27.3.1980 - Vf. 4-VII-79 - VerfGH 33, 33/37; vgl. zuletzt auch BayVerfGH, E.v. 21.5.2014 - Vf. 7-VII-13 - Rn. 35). Über die Zulässigkeit von Maßnahmen des Notenschutzes einschließlich ihrer Folgen (etwa in Bezug auf das auszustellende Zeugnis) hat dementsprechend, jedenfalls bei schulischen Abschlussprüfungen, die für den beruflichen Werdegang bedeutsam sind, wegen der mit Maßnahmen des Notenschutzes verbundenen und den Anspruch aller Prüflinge auf Chancengleichheit, der aus den Grundrechten des Art. 3 Abs. 1 GG (Gleichbehandlung) und des Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsfreiheit) resultiert, in erheblicher Weise berührenden Abweichungen von den allgemein geltenden Leistungsanforderungen, der parlamentarische Gesetzgeber zu entscheiden (zum Vorbehalt des Gesetzes im Schulrecht allgemein, den notwendigen parlamentarischen Leitentscheidungen und dem Problem individueller Leistungsanforderungen beim gemeinsamen Unterricht behinderter und nichtbehinderter Schüler im Rahmen des inklusiven Schulsystems, vgl. auch Rux/Niehus, Schulrecht, 5. Aufl. 2013, Rn. 27 ff., 507 ff.). Auf die Erforderlichkeit einer landesrechtlichen Ermächtigung bei Abweichungen von den allgemeinen Grundsätzen der Leistungsbewertung namentlich bei Abschlussprüfungen hat im Übrigen bereits die Kultusministerkonferenz in ihrem genannten Beschluss vom 4. Dezember 2003 in der Fassung vom 15. November 2007 hingewiesen, wobei nach Ansicht der Kultusministerkonferenz Maßnahmen der individuellen Förderung von Legasthenikern in allgemeinbildenden Schulen grundsätzlich bis zum Ende der Jahrgangsstufe 10 abgeschlossen sein sollen. Dem Anliegen des Beklagten, entsprechend befähigten Legasthenikern durch Fördermaßnahmen des Notenschutzes den Besuch weiterführender Schulen einschließlich des Gymnasiums und die Möglichkeit des Erwerbs der allgemeinen Hochschulreife im Wege der Abiturprüfung zu eröffnen, kann somit nur durch den parlamentarischen Gesetzgeber entsprochen werden, der eine verbindliche Entscheidung darüber zu treffen hat, ob und in welchem Umfang Notenschutz gewährt werden darf und welche weiteren schulrechtlichen Folgen damit verbunden sind.

c) Der Bayerische Landesgesetzgeber sieht im Schulrecht generell und insbesondere auch bei schulischen Abschlussprüfungen Maßnahmen des Notenschutzes gegenwärtig nicht vor. Er hat sich vielmehr ausdrücklich (lediglich) für Maßnahmen des Nachteilsausgleichs sowie des „Notenausgleichs“ entschieden, die aufgrund der mit Wirkung vom 16. Dezember 2011 in Kraft getretenen geänderten Bestimmungen des Art. 52 Abs. 4 BayEUG und des Art. 54 Abs. 3 Satz 2 BayEUG in den jeweiligen Schulordnungen der unterschiedlichen Schularten konkret und differenziert geregelt werden können (vgl. auch LT-Drs. 16/9412 S. 6). Der in den genannten gesetzlichen Bestimmungen erwähnte „Notenausgleich“ betrifft den seit jeher möglichen Ausgleich mangelhafter oder ungenügender Leistungen in einzelnen Fächern durch sehr gute, gute oder befriedigende Leistungen in anderen Fächern und ist nunmehr ausdrücklich auch im Rahmen der jeweiligen Abschlussprüfungen möglich (vgl. Lindner/Stahl, Das Schulrecht in Bayern, Stand 15.11.2013, Art. 52 BayEUG Rn. 18). Der in den Schulordnungen zu regelnde Notenausgleich bezweckt - anders als der Notenschutz - nicht, einzelnen Schülern „bessere“ Noten zu geben, als diesen nach den allgemein geltenden Bewertungsmaßstäben in Bezug auf ihre schulischen Leistungen (Prüfungsleistungen) zukommen würden. Er kann allerdings ebenso wie der Notenschutz geeignet sein, Schülern trotz ungenügender Leistungen in einzelnen Fächern das Vorrücken in den Jahrgangsstufen, den Besuch weiterführender Schulen und das Bestehen schulischer Abschlussprüfungen zu ermöglichen.

Die seit dem 1. August 2011 (vor Inkrafttreten des Änderungsgesetzes) geltende Neuregelung des § 53 Abs. 4 GSO, wonach das Staatsministerium zur Frage eines Nachteilsausgleichs oder Notenschutzes für Schülerinnen und Schüler mit besonderen Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens und des Rechtschreibens gesonderte Festlegungen trifft, hat der Verordnungsgeber danach in Bezug auf den Notenschutz ohne die erforderliche gesetzliche Ermächtigung vorgenommen. Sie ist - unbeschadet weiterer Einwände gegen die fehlende Bestimmtheit der Regelung - auf das bereits am 25. Juni 2010 erteilte streitgegenständliche Abiturzeugnis allerdings ohnehin nicht anwendbar.

d) Aus dem Umstand, dass in Bayern - anders als in anderen Bundesländern - in der Oberstufe des Gymnasiums zugunsten von Legasthenikern Notenschutz gewährt wird und es hierfür, ebenso wie für die streitgegenständlichen Bemerkungen im Abiturzeugnis an der gebotenen gesetzlichen Grundlage fehlt, folgt, dass sich die Zeugnisbemerkungen nicht allein mit Hilfe des vom Beklagten betonten Gedanken der „Zeugniswahrheit“ („Notenwahrheit“) oder der vermeintlichen Wahrung der Chancengleichheit rechtfertigen lassen. Das den Legasthenikern verliehene Abiturzeugnis ist auch nicht ohne weiteres „unwahr“. Es bescheinigt die Befähigung zum Hochschulstudium, die nach Ansicht des Beklagten entsprechend befähigten Legasthenikern nicht allein wegen individueller Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens und des Rechtschreibens abgesprochen werden soll, zumal während des Studiums oder im beruflichen Alltag eingeschränkte Fähigkeiten in diesen Bereichen durch Hilfsmittel weitgehend ausgeglichen werden können. Die Bemerkungen geben zudem keinen Hinweis darauf, in welchem Umfang und in Bezug auf welche Fächer die angegebenen Noten tatsächlich nicht den hierfür maßgebenden Leistungsanforderungen entsprechen und deshalb „unwahr“ sein sollen. Im Verhältnis zu den anderen Abiturienten wird schließlich, solange der Gesetzgeber im Rahmen seiner weiten Gestaltungsfreiheit hierfür keine gesetzliche Grundlage geschaffen hat, die durch Maßnahmen des Notenschutzes erfolgte Bevorzugung der Legastheniker nicht notwendigerweise durch Bemerkungen ausgeglichen, die sich auf den beruflichen Werdegang der Legastheniker negativ auswirken können.

e) Der Beklagte kann die streitgegenständlichen Bemerkungen im Abiturzeugnis schließlich nicht mit der Erwägung rechtfertigen, der Kläger bzw. dessen Erziehungsberechtigte hätten in die Gewährung von Maßnahmen des Notenschutzes und damit in die Zeugnisbemerkungen eingewilligt.

Der Beklagte gewährt in der Oberstufe des Gymnasiums „Fördermaßnahmen“ für Legastheniker auf der Grundlage der Bekanntmachung des (ehemaligen) Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 16. November 1999 (KWMBl I S. 379) zur „Förderung von Schülern mit besonderen Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens und des Rechtschreibens“, zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 11. August 2000 (KWMBl I S. 403), sowie aufgrund ergänzender Ministerialschreiben (KMS). Die Fördermaßnahmen werden dabei als unteilbares „Gesamtpaket“ - mit der Folge streitgegenständlicher Zeugnisbemerkungen - gewährt. Das Gesamtpaket umfasst die Befreiung von der Teilnahme an schriftlichen Leistungserhebungen, die ausschließlich der Feststellung der Rechtschreibkenntnisse dienen, die Gewährung eines Zeitzuschlags, die Nichtbewertung von Rechtschreibleistungen sowie die Bewertung schriftlicher und mündlicher Leistungen im Verhältnis 1:1 bei Fremdsprachen. Nur dann, wenn Schüler (bzw. deren Erziehungsberechtigte) vor Eintritt in die Oberstufe des Gymnasiums schriftlich beantragen, während der restlichen Schulzeit und in der Abschlussprüfung keine Fördermaßnahmen und damit keinen Nachteilsausgleich und Notenschutz zu erhalten, entfallen die Zeugnisbemerkungen (vgl. KMS vom 28.5.2008). In dem nach Ansicht des Beklagten nicht teilbaren Gesamtpaket der Fördermaßnahmen sind - wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist - auch Maßnahmen des Nachteilsausgleichs enthalten, auf deren Gewährung im Einzelfall ein verfassungsrechtlicher Anspruch besteht. Das „Einverständnis“ des Maßnahmen des Nachteilsausgleichs begehrenden Schülers mit weitergehenden und gegenwärtig rechtlich unzulässigen Maßnahmen des Notenschutzes, rechtfertigt die Zeugnisbemerkungen daher nicht. Die Koppelung von Maßnahmen des Nachteilsausgleichs an Maßnahmen des Notenschutzes birgt im Übrigen die Gefahr ebenso unzulässiger Überkompensation, weil nicht sämtliche Fördermaßnahmen zum individuellen Ausgleich einer Legasthenie erforderlich sein müssen.

3. Für die streitgegenständlichen Zeugnisbemerkungen fehlt nicht nur eine hinreichende gesetzliche Grundlage. Sie widersprechen gegenwärtig auch einschlägigen Regelungen der Gymnasialschulordnung.

Unbeschadet dessen, dass Bemerkungen über die Gesamtpersönlichkeit des Schülers in das Abiturzeugnis nicht aufgenommen werden (§ 86 Abs. 3 Satz 1 GSO = § 86s Abs. 3 Satz 1 GSO) und zur Gesamtpersönlichkeit eines Schülers auch dessen persönliche Anlagen wie Legasthenie gehören, dürfen bereits in den Jahrgangsstufen 9 und 10 des Gymnasiums die Jahreszeugnisse keine Bemerkungen enthalten, die den Übertritt in das Berufsleben erschweren (§ 70 Abs. 2 Satz 4 GSO). Dies gilt erst recht für das Abiturzeugnis, das bei Bewerbungen um ein Hochschulstudium, eine Berufsausbildung oder einen Arbeitsplatz während des gesamten beruflichen Werdegangs von erheblicher Bedeutung ist. Zeugnisbemerkungen, die auch bei Streichung der Worte der „fachärztlich festgestellten Legasthenie“ unverändert auf die Legasthenie des betroffenen Abiturienten hindeuten, sind geeignet, den Übertritt in das Berufsleben zu erschweren. Der Abiturient ist auch keineswegs verpflichtet, seine Legasthenie durch die Zeugnisbemerkung im Berufsleben einem unbestimmten Personenkreis gegenüber zu offenbaren. Es ist vielmehr von den Umständen des Einzelfalles abhängig, ob etwa ein (potentieller) Arbeitgeber in Bezug auf eine konkrete Beschäftigung nach einer Legasthenie (oder anderen Beeinträchtigungen oder Behinderungen) des Bewerbers fragen darf und dieser zu deren Offenbarung verpflichtet ist oder nicht (vgl. z. B. Linck in Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 15. Aufl. 2013, § 26 Rn. 8 ff, 16 ff. m. w. N.).

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.

5. Die Revision wird zugelassen, weil die Rechtssache wegen ihres verfassungsrechtlichen Bezugs über das Bayerische Landesrecht hinaus grundsätzliche Bedeutung hat (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Wird der Verfassungsbeschwerde stattgegeben, so ist in der Entscheidung festzustellen, welche Vorschrift des Grundgesetzes und durch welche Handlung oder Unterlassung sie verletzt wurde. Das Bundesverfassungsgericht kann zugleich aussprechen, daß auch jede Wiederholung der beanstandeten Maßnahme das Grundgesetz verletzt.

(2) Wird der Verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung stattgegeben, so hebt das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung auf, in den Fällen des § 90 Abs. 2 Satz 1 verweist es die Sache an ein zuständiges Gericht zurück.

(3) Wird der Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz stattgegeben, so ist das Gesetz für nichtig zu erklären. Das gleiche gilt, wenn der Verfassungsbeschwerde gemäß Absatz 2 stattgegeben wird, weil die aufgehobene Entscheidung auf einem verfassungswidrigen Gesetz beruht. Die Vorschrift des § 79 gilt entsprechend.

(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen einschließlich der Kosten der Verteidigung zu ersetzen.

(2) Erweist sich eine Verfassungsbeschwerde als begründet, so sind dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen ganz oder teilweise zu erstatten.

(3) In den übrigen Fällen kann das Bundesverfassungsgericht volle oder teilweise Erstattung der Auslagen anordnen.

(1) Die Vorschriften für die Revision in Teil 4 Abschnitt 1 Unterabschnitt 3 des Vergütungsverzeichnisses gelten entsprechend in folgenden Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht oder dem Verfassungsgericht (Verfassungsgerichtshof, Staatsgerichtshof) eines Landes:

1.
Verfahren über die Verwirkung von Grundrechten, den Verlust des Stimmrechts, den Ausschluss von Wahlen und Abstimmungen,
2.
Verfahren über die Verfassungswidrigkeit von Parteien,
3.
Verfahren über Anklagen gegen den Bundespräsidenten, gegen ein Regierungsmitglied eines Landes oder gegen einen Abgeordneten oder Richter und
4.
Verfahren über sonstige Gegenstände, die in einem dem Strafprozess ähnlichen Verfahren behandelt werden.

(2) In sonstigen Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht oder dem Verfassungsgericht eines Landes gelten die Vorschriften in Teil 3 Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 des Vergütungsverzeichnisses entsprechend. Der Gegenstandswert ist unter Berücksichtigung der in § 14 Absatz 1 genannten Umstände nach billigem Ermessen zu bestimmen; er beträgt mindestens 5 000 Euro.

(1) Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Ein besonderes Haftungsrisiko des Rechtsanwalts kann bei der Bemessung herangezogen werden. Bei Rahmengebühren, die sich nicht nach dem Gegenstandswert richten, ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.

(2) Ist eine Rahmengebühr auf eine andere Rahmengebühr anzurechnen, ist die Gebühr, auf die angerechnet wird, so zu bestimmen, als sei der Rechtsanwalt zuvor nicht tätig gewesen.

(3) Im Rechtsstreit hat das Gericht ein Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer einzuholen, soweit die Höhe der Gebühr streitig ist; dies gilt auch im Verfahren nach § 495a der Zivilprozessordnung. Das Gutachten ist kostenlos zu erstatten.