Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Beschluss, 27. Aug. 2010 - 2 B 235/10

bei uns veröffentlicht am27.08.2010

Tenor

Die Beschwerde der Antragsstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 6. Juli 2010 – 10 L 446/10 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die 1978 in Gjakove (Djakovica) im heutigen Kosovo geborene Antragstellerin wendet sich gegen die Rücknahme einer ihr im Juli 2008 erteilten Niederlassungserlaubnis. Im vorliegenden Verfahren begehrt sie die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres dagegen eingelegten Rechtsbehelfs.

Die Antragstellerin heiratete im November 2002 in der Schweiz den deutschen Staatsangehörigen Ibrahim H, reiste im April 2005 in die Bundesrepublik Deutschland ein und erhielt im Mai 2005 zunächst eine befristete Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft mit dem damals in St. Ingbert lebenden Ehemann, die 2006 bis zum Mai 2008 verlängert wurde.

Nachdem die Antragstellerin und der Ehemann am 8.7.2008 im Rahmen einer gemeinsamen Vorsprache beim Antragsgegner erklärt hatten, dass sie weiterhin in ehelicher Gemeinschaft lebten, deren Aufgabe nicht beabsichtigten und insbesondere kein Scheidungsverfahren eingeleitet worden sei, (vgl. insoweit die von beiden (damaligen) Ehepartnern unterzeichnete Erklärung vom 8.7.2008, Blatt 106 der Ausländerakte) wurde der Antragstellerin unter demselben Datum eine unbefristete Niederlassungserlaubnis erteilt.

Im November 2008 wurde die kinderlos gebliebene Ehe auf übereinstimmenden Antrag beider Eheleute rechtskräftig geschieden. Im Tatbestand des Scheidungsurteils des Amtsgerichts St. Ingbert (vgl. das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht – St. Ingbert vom 28.11.2008 – 4 F 163/08 S – mit entsprechendem Rechtskraftvermerk, Blätter 122 ff. der Ausländerakte) heißt es, die persönliche Anhörung habe ergeben, dass die Ehegatten zum Scheidungszeitpunkt seit mindestens einem Jahr getrennt lebten.

Mit Datum vom 16.4.2010 nahm der Antragsgegner die Niederlassungserlaubnis der Antragstellerin unter Hinweis auf die Angaben im Scheidungsverfahren zurück und erklärte diese Entscheidung gleichzeitig für sofort vollziehbar. Auf dieser Grundlage könne entgegen den seinerzeitigen Angaben der Antragstellerin nicht vom Vorliegen beziehungsweise dem Fortbestand einer ehelichen Lebensgemeinschaft im Zeitpunkt der Erteilung des Titels ausgegangen werden. An diesen Aussagen müsse sich die Antragstellerin festhalten lassen. Da mithin bereits im Juli 2008 von einem Getrenntleben auszugehen gewesen sei, habe die Antragstellerin die Erteilung der Niederlassungserlaubnis durch falsche Angaben erwirkt.

Die Antragstellerin hat im Mai 2010 Widerspruch erhoben und gleichzeitig einen Aussetzungsantrag beim Verwaltungsgericht gestellt. Sie hat geltend gemacht, die Niederlassungserlaubnis sei aufgrund zutreffender Angaben erteilt worden. Eine Trennung sei erst nach der Antragstellung ins Auge gefasst worden. Der damalige Ehemann habe vor dem Familiengericht erklärt, er habe sich erst im August 2008 entschieden, „getrennte Wege zu gehen“, ihr – der Antragstellerin – diese Absicht bis dahin nicht mitgeteilt und im Oktober 2008 die Scheidung beantragt. Erst als die Niederlassungserlaubnis bereits erteilt gewesen sei, habe sie vermutet, dass ihr Mann in der Schweiz, wo er seit Ende 2006 gearbeitet habe, eine andere Frau kennen gelernt hatte. Sie sei mehr als sechs Jahre mit einem deutschen Staatsbürger verheiratet gewesen, erwerbstätig und in der Lage den eigenen Unterhalt zu sichern. Inzwischen sei sie wieder verheiratet. Der neue Ehemann lebe noch im Kosovo.

Das Verwaltungsgericht hat den Aussetzungsantrag im Juli 2010 zurückgewiesen. In der Begründung heißt es unter anderem, die Rechtmäßigkeit der Rücknahmeentscheidung des Antragsgegners unterliege keinen durchgreifenden Zweifeln. Die der Erteilung des Titels zugrunde liegende Erklärung der Antragstellerin erweise sich aufgrund der vom Familiengericht im Scheidungsverfahren getroffenen Feststellungen als „fehlerhaft“. Die im Sitzungsprotokoll des Amtsgerichts wiedergegebenen Äußerungen des damaligen Ehemannes befassten sich ausschließlich mit der Frage, wann sich dieser zur Scheidung entschlossen habe, nicht hingegen mit dem hier allein entscheidenden Zeitpunkt der Trennung. Dass entsprechend der Darstellung der Antragstellerin bis August 2008 eine eheliche Lebensgemeinschaft bestanden haben sollte, lasse sich auch seinen übrigen Einlassungen nicht entnehmen. Dieser habe sogar in seinem Scheidungsantrag vom Oktober 2008 ausgeführt, dass es „eigentlich nie zu einer Lebensgemeinschaft der Ehegatten gekommen“ beziehungsweise eine solche „lediglich kurzzeitig … hergestellt“ worden sei und dass die Ehepartner im Übrigen immer getrennt gelebt und nie füreinander Verantwortung übernommen hätten. Die Antragstellerin habe selbst vorgetragen, sie sei im „Juni oder Juli 2008 aus der ehelichen Wohnung ausgezogen“. Soweit die Antragstellerin auf „taktische Erwägungen“ für ihren Vortrag verweise, so könne diese nicht im ausländerrechtlichen sowie im Scheidungsverfahren diametral entgegen gesetzte Angaben machen und sich in dem jeweiligen Verfahren die zur Erlangung der jeweils vorteilhafteren Rechtsstellung günstigen Tatsachen „heraussuchen“.

Gegen diesen Beschluss richtet sich das Rechtsmittel der Antragstellerin.

II.

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 6.7.2010 – 10 L 446/10 – muss erfolglos bleiben. Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht abgelehnt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Rücknahmebescheid des Antragsgegners vom 16.4.2010 wieder herzustellen. Das nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO den gerichtlichen Prüfungsumfang abschließend bestimmende Vorbringen in der Beschwerdebegründung vom 16.7.2010 rechtfertigt keine abweichende Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsschutzbegehrens in der Hauptsache. Auch auf dieser Grundlage unterliegt die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Verwaltungsentscheidung am Maßstab des einschlägigen § 48 SVwVfG (vgl. dazu zuletzt allgemein OVG des Saarlandes, Urteil vom 11.3.2010 – 2 A 491/09 –) keinen ernsthaften Bedenken.

Das Verwaltungsgericht hat zutreffend dargelegt, dass nach gegenwärtigem Erkenntnisstand alles dafür spricht, dass bei der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis (§ 9 AufenthG) am 8.7.2009 die rechtlichen Voraussetzungen, hier speziell des § 28 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, nicht vorgelegen haben, weil für diesen Zeitpunkt bereits nicht (mehr) vom Fortbestehen der familiären Lebensgemeinschaft mit dem damaligen Ehemann Ibrahim H ausgegangen werden kann.

Insoweit mag dahinstehen, ob eine in den Schutzbereich des Art. 6 GG27 Abs. 1 AufenthG) fallende und daher von den Ausländerbehörden bei ihren Entscheidungen zu berücksichtigende Lebensgemeinschaft, die Grundlage der aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen über den Ehegattennachzug ist, zwischen der Antragstellerin und Herr H entgegen dessen Angaben im Scheidungsantrag an das Amtsgericht St. Ingbert vom 15.10.2008 jemals bestanden hat. Die Antragstellerin ist unstreitig nach der im November 2002 in der Schweiz erfolgten Heirat im Jahre 2003 zunächst in den Kosovo zurückgekehrt und hat dort bis zur Einreise nach Deutschland im Mai 2005 ohne den Ehemann, der sich damals in der Bundesrepublik aufhielt, gelebt. Seit Ende 2006 hat Herr H seinen Lebensmittelpunkt – ebenfalls unstreitig – wieder in die Schweiz verlegt, wo er eine Arbeitsstelle gefunden hatte. Die Antragstellerin lebte in dieser Zeit (ausschließlich) in Deutschland.

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass derartige – insbesondere beruflich bedingte – auch längere räumliche Trennungen von Ehepartnern nicht automatisch die Annahme einer Aufgabe der familiären Lebensgemeinschaft rechtfertigen. Diese erfordert nicht unbedingt das Vorliegen einer ständigen häuslichen Gemeinschaft der Ehepartner, allerdings im Falle einer dauerhaften räumlichen Trennung die Feststellung zusätzlicher Anhaltspunkte, um das Fehlen eines gemeinsamen Lebensmittelpunkts weitgehend auszugleichen. (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 27.1.1998 – 1 C 28.96 –, NVwZ 1998, 279, und allgemein beispielsweise Göbel-Zimmermann in: Huber, Aufenthaltsgesetz, 1. Auflage 2010, § 27 Rn 6 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung;) Bei einer berufs- und ausbildungsbedingten Trennung der Familienmitglieder setzt die Anerkennung einer familiären Lebensgemeinschaft daher zwingend voraus, dass die Angehörigen regelmäßigen Kontakt zueinander pflegen, der über bloße Besuche hinausgeht und in dem die besondere persönliche und emotionale Verbundenheit im Sinne einer Beistandsgemeinschaft zum Ausdruck kommt. (vgl. insoweit zur Eltern-Kind-Beziehung bei einem wegen Besuchs eines Internats dauerhaft im Heimatland lebenden Sohn OVG des Saarlandes, Beschluss vom 9.11.2009 – 2 B 449/09 –, SKZ 2010, 72, Leitsatz Nr. 65)

Dass davon hier für die im Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung nicht ausgegangen werden kann, hat das Verwaltungsgericht eingehend begründet. Es hat insbesondere zu Recht darauf hingewiesen, dass sich die Betroffenen in aufenthaltsrechtlichen Verfahren in aller Regel an ihren Angaben in einem Ehescheidungsverfahren, insbesondere zum Zeitpunkt der tatsächlichen Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft, festhalten lassen müssen. Das gilt auch für gerichtliche Aussetzungsersuchen der vorliegenden Art. Danach kann für den Juli 2008 entgegen den Angaben der Antragstellerin keine fortbestehende familiäre Lebensgemeinschaft zwischen ihr und Herrn H angenommen werden.

Was die Antragstellerin mit der Beschwerde einwendet, rechtfertigt keine andere Entscheidung. Kaum nachzuvollziehen ist der Einwand, es sei „eine Tatsache“, dass die persönliche Anhörung vor dem Familiengericht nicht ergeben habe, dass die Eheleute bei Ausspruch der Scheidung im November 2008 seit einem Jahr getrennt gelebt hätten. Mit Blick auf § 1566 Abs. 1 BGB, der bei – wie hier – übereinstimmenden Scheidungsbegehren beider Ehepartner nach Ablauf des Trennungsjahres eine unwiderlegliche Vermutung für das Scheitern der Ehe begründet, kann die Feststellung des Familiengerichts, dass die Antragstellerin und Herr H damals „seit mindestens einem Jahr… getrennt“ lebten sicher nicht, wie die Antragstellerin das jetzt gern verstanden wissen will, als bloße „nachrichtliche“ und insoweit fallbezogen sinnlose Mitteilung der gesetzlichen Voraussetzungen für die Scheidung „ohne Beweiskraft“ verstanden werden, sondern als – im Übrigen rechtskräftige – Feststellung ihres tatsächlichen Vorliegens. Danach bestand spätestens seit November 2007 keine eheliche Lebensgemeinschaft mehr. Der frühere Ehemann der Antragstellerin hat ausweislich des Anhörungsprotokolls vom 28.11.2008 auf die ausdrückliche Rückfrage des Familienrichters eindeutig klargestellt, dass der von ihm zuvor genannte Zeitpunkt im August 2008, ab dem er den Entschluss gefasst habe, „getrennte Wege zu gehen“, sich auf das Scheidungsbegehren, nicht – wie die Antragstellerin nun erneut vorträgt – auf den Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft bezog. Genau das hat das Verwaltungsgericht in der in der Beschwerdebegründung zitierten Passage des angegriffenen Beschlusses zutreffend ausgeführt.

Auf die durch die Schilderung der Verlegung seines Wohnsitzes in die Schweiz Ende des Jahres 2006 nachvollziehbar veranlasste Frage, ob er in dieser Zeit die Antragstellerin besucht habe, hat Herr H, nach dessen – von der Antragstellerin bestrittener – Darstellung im Scheidungsantrag es „eigentlich nie zu einer ehelichen Lebensgemeinschaft … gekommen“ sein soll, sogar nicht einmal solche Besuche bestätigt, sondern lediglich ausgeführt, dass die Antragstellerin „bei ihrem Onkel gelebt“ habe. Die Antragstellerin selbst hat bei der Anhörung ebenfalls keine Tatsachen vorgetragen, aus denen das Familiengericht auf einen späteren Zeitpunkt der tatsächlichen Aufhebung der Lebensgemeinschaft oder gar auf die Nichteinhaltung des Trennungsjahres im Sinne des § 1566 Abs. 1 BGB hätte schließen können. Sie hat berichtet, sie habe Ende 2006 „zunächst“ mit dem damaligen Ehemann in die Schweiz ziehen wollen. „Irgendwann“ sei es dann aber „nicht mehr wie vorher“ gewesen, so dass sie „glaube“, im Juni oder Juli (2008) aus der Wohnung in St. Ingbert ausgezogen zu sein. Auf den letztgenannten Zeitpunkt beziehungsweise auf den Auszug als solchen kommt es nach dem zuvor Gesagten nicht an. Er lässt keinen Rückschluss zu, dass bis dahin eine eheliche Lebensgemeinschaft (fort)bestanden hat. Schon von daher käme es auf die Aussagen der für den Zeitpunkt des „Auszugs“ der Antragstellerin aus der Wohnung in St. Ingbert allgemein angekündigten Zeugen – auch hauptsachebezogen – nicht an. Für eine Beweisaufnahme im Rahmen des Aussetzungsverfahrens ist – zusätzlich – auch mit Blick auf das verfassungsrechtliche Effektivitätsgebot (Art. 19 Abs. 4 GG) regelmäßig kein Raum. (vgl. hierzu etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 15.1.2009 – 2 B 376/08 –, SKZ 2009, 240, Leitsatz Nr. 31)

Was die nunmehr abweichende Darstellung der Antragstellerin, wonach sie mit Herrn H bis zur Erteilung der Niederlassungserlaubnis im Juli 2008 eine „Wochenendehe“ geführt habe, was im Übrigen eine Scheidung im November desselben Jahres nach den Fallumständen nicht zugelassen hätte, und ihren Hinweis auf lediglich „verfahrenstaktisch“ veranlasste nun angeblich unwahre Angaben vor dem Familiengericht anbelangt, so könnte angesichts der zuvor geschilderten Erkenntnislage auch der nunmehr abweichende Vortrag gegenüber dem Antragsgegner und in dem vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren als „taktisch“ bedingt erheblich in Zweifel gezogen werden. Vertieft werden muss das hier nach dem zuvor Gesagten nicht.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in den §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 3, 52 Abs. 2, 47 GKG 2004, wobei eine Halbierung des Auffangstreitwerts gerechtfertigt erscheint.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

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(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

Tenor

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 11.3.2009 – 5 K 1724/08 – werden der Rücknahmebescheid des Beklagten vom 27.8.2007 und der Widerspruchsbescheid vom 29.7.2008 aufgehoben.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten des Klägers im Widerspruchsverfahren war notwendig.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der 1957 geborene Kläger ist indischer Staatsangehöriger hinduistischen Glaubens, reiste im August 1980 in die Bundesrepublik Deutschland ein und ersuchte zunächst erfolglos um Anerkennung als Asylberechtigter. (vgl. VG des Saarlandes, Urteil vom 11.6.1982 – 10 K 551/81 –, mit dem die Klage gegen den Ablehnungsbescheid des Bundesamts vom 2.7.1981 als offensichtlich unbegründet abgewiesen wurde)

Am 1.10.1982 heiratete er in Homburg die deutsche Staatsangehörige M und erhielt in der Folge zunächst befristete, später unbefristete Aufenthaltserlaubnisse und schließlich am 5.10.1987 eine Aufenthaltsberechtigung, die nach Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes in eine Niederlassungserlaubnis übertragen wurde. Im Januar 1989 wurde die Ehe geschieden.

Im August 2006 beantragte die indische Staatsangehörige U bei der deutschen Botschaft in Neu Delhi die Erteilung eines Einreisevisums zum Zweck der Familienzusammenführung (Ehegattennachzug) mit dem Kläger. Dabei legte sie einen Auszug aus dem Heiratsbuch des Hindutempels von Hoshiarpur vom 20.3.2006 vor, wonach sie am 13.2.1990 die Ehe mit dem Kläger geschlossen habe. In einem auf die Remonstration von Frau U gegen die Ablehnung des Antrags verfassten Schreiben der Botschaft heißt es, eine Überprüfung habe ergeben, dass die vorgelegte Urkunde inhaltlich unrichtig sei und dass die nach dem Hindugesetz ( Hindu Marriage Act, 1955) zur Eheschließung erforderliche religiöse Zeremonie mit dem Kläger bereits am 29.5.1980 stattgefunden habe.

Im Juli 2007 hat Frau U beim Verwaltungsgericht Berlin Klage gegen die Ablehnung ihres Visumsantrags erhoben. In diesem Verfahren wurde mit Blick auf den vorliegenden Rechtsstreit das Ruhen angeordnet. (vgl. VG Berlin, Beschluss vom 31.1.2008 – VG 11 V 55.07 –)

Mit Bescheid vom 27.8.2007 nahm der Beklagte alle vier dem Kläger ab 1982 erteilten Aufenthaltstitel zurück, forderte ihn zur Ausreise binnen sechs Wochen auf und drohte ihm für den Fall der Nichtbefolgung die Abschiebung nach Indien an. In der Begründung heißt es, aufgrund der Ermittlungen der deutschen Auslandsvertretung sei davon auszugehen, dass im August 1980 eine wirksame Ehe mit Frau U geschlossen worden sei, aus der die Söhne S (7.3.1981) und M (28.10.1985) hervorgegangen seien. Dagegen habe der Kläger bei der Meldung als Asylsuchender als Familienstand „ledig“ angegeben. Bei Kenntnis des wahren Sachverhalts hätten das Standesamt in Homburg die Eheschließung mit Frau K nicht vorgenommen und die Ausländerbehörde keine Aufenthaltserlaubnisse erteilen können. Daher habe sich der Kläger sein Aufenthaltsrecht durch unrichtige Angaben erschlichen. Dass der Kläger inzwischen lange Zeit im Bundesgebiet gelebt und gearbeitet habe, gebiete keine andere Entscheidung. Aufenthalt des Klägers und Zugang zum Arbeitsmarkt seien nur aufgrund seiner falschen Angaben möglich gewesen. Bindungen an Personen in Deutschland, die eine Ausreise und die Wiedereingliederung in Indien unzumutbar erscheinen lassen könnten, seien nicht vorgetragen. Die Unrichtigkeit des angegebenen Heiratsdatums im Jahre 1990 sei durch die Ermittlungen der deutschen Botschaft erwiesen und von Frau U inzwischen auch eingeräumt worden.

Der Widerspruch des Klägers, mit dem dieser auf eine Heirat an dem sich aus der im Visumsverfahren vorgelegten Urkunde ergebenden Datum („13.2.1990“) verwiesen hatte, wurde im Juli 2008 zurückgewiesen. (vgl. den Widerspruchsbescheid des Stadtrechtsausschusses bei der Landeshauptstadt Saarbrücken vom 29.7.2008 – 219/07 –) In der Begründung heißt es, die vier im Bescheid der Ausländerbehörde ausgesprochenen Rücknahmen beträfen rechtswidrige Verwaltungsakte. Die erste Aufenthaltserlaubnis aus dem Jahr 1982 sei dem Kläger nach dem damals einschlägigen Ausländerrecht mit Blick auf eine Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen erteilt worden, die in Wahrheit eine verbotene Doppelehe gewesen und daher nicht in den Schutzbereich des Art. 6 GG gefallen sei, weil er bereits 1980 in Indien rechtskräftig eine Ehe geschlossen habe. Das Prinzip der Einehe gehöre zu den grundlegenden Wertevorstellungen in der Bundesrepublik. Entsprechendes gelte auch für die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis im Oktober 1983 zur Fortführung der familiären Lebensgemeinschaft und für die Erteilung der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis im Oktober 1985. Durch die Rücknahme dieser Aufenthaltserlaubnisse seien die Voraussetzungen für die im Oktober 1987 erteilte Aufenthaltsberechtigung entfallen. Diese habe einen zuvor rechtmäßigen Aufenthalt von mindestens 5 Jahren vorausgesetzt. Die Rücknahmeentscheidung der Ausländerbehörde sei frei von Ermessensfehlern. Diese habe das Interesse des Klägers an der Aufrechterhaltung seiner beruflichen und sozialen Existenz in Deutschland berücksichtigt. Da der Grund für die „fehlerhaften“ Aufenthaltstitel wegen der wissentlich falschen Angaben allein in seinem Verantwortungsbereich liege und er auf deren Bestand nicht hätte vertrauen dürfen, seien seine Interessen weniger gewichtig. Die Ausländerbehörde habe bei der Abwägung auch berücksichtigt, dass der Kläger schon über 25 Jahre in Deutschland lebe und seit langer Zeit auch arbeite. Dies beruhe allerdings auf der nicht dem Schutzbereich des Art. 6 GG unterfallenden früheren Ehe. Seine Familie lebe größtenteils in Indien, Verwandte in Deutschland habe er nicht. Die Rückkehrverpflichtung begründe auch keine unzumutbare Härte, da dem Kläger eine Wiedereingliederung in Indien nicht schwer fallen dürfte. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass der Kläger als Niederlassungsberechtigter seine indische Ehefrau nach Deutschland nachziehen lassen könne. Mit Belassen der Aufenthaltstitel würde ihm daher eine Bevorzugung gegenüber ehrlichen Ausländern gewährt.

Zur Begründung seiner daraufhin im November 2008 erhobenen Klage hat der Kläger erneut vorgetragen, dass die Eheschließung in Indien erst im Jahr 1990 stattgefunden habe. Unabhängig davon genüge die Rücknahme der Aufenthaltstitel nach nunmehr über 25 Jahre währendem Aufenthalt in Deutschland nicht mehr den rechtlichen Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung.

Der Kläger hat beantragt,

die Rücknahmeverfügung des Beklagten vom 27.8.2007 und den Widerspruchsbescheid vom 29.7.2008 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen verteidigt und hinsichtlich der Heirat im Heimatland auf die Ermittlungsergebnisse der Deutschen Botschaft in Indien verwiesen.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage im März 2009 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, die fristgerecht getroffene Rücknahmeentscheidung auf der Grundlage des § 48 SVwVfG sei rechtlich nicht zu beanstanden. Die Aufenthaltstitel seien rechtswidrig erteilt worden. Die 1982 mit Frau K geschlossene Ehe sei eine nach dem deutschen Ehegesetz verbotene und nichtige Doppelehe gewesen. Der Kläger sei seit 1980 rechtswirksam mit Frau U verheiratet. Der von einem Detektivbüro im Auftrag der Botschaft ermittelte Sachverhalt sei, anders als das Vorbringen des Klägers, in jeder Hinsicht stimmig. Der Kläger habe danach kurz nach seiner Hochzeit mit Frau U und vor der Geburt des ersten gemeinsamen Sohnes sein Heimatland in Richtung Europa verlassen, um die Familie zu ernähren. In Deutschland habe er unter Vortäuschung seiner Ledigkeit eine deutsche Staatsangehörige geheiratet. Anschließend sei der Kläger regelmäßig zu Besuchen seiner Familie nach Indien gefahren. Nach Erlangung eines unbefristeten Aufenthaltsrechts und der Ehescheidung Ende der 1980er Jahre hätten der Kläger und Frau U im März 2006 deren Nachzug nach Deutschland beschlossen. Zu dem Zweck hätten sie den Vorsitzenden des Tempelrats überredet, ihre Ehe unter dem Datum 13.2.1990 zu registrieren. Anschließend habe Frau U die Erteilung des Visums zum Ehegattennachzug beantragt. Neben der Plausibilität spreche insbesondere der Bericht der durch die Botschaft eingeschalteten Detektei vom 5.10.2006 für die Richtigkeit dieses Geschehensablaufs. Darin sei detailliert ausgeführt, dass im Heimatort von Frau U allgemein bekannt sei, dass diese seit mindestens 25 Jahren mit dem sich ebenso lange im Ausland aufhaltenden Kläger verheiratet sei. Das hätten mehrere in dem Bericht namentlich benannte Zeugen und letztlich dann auch Frau U bestätigt. Sie habe darüber hinaus nachvollziehbar angegeben, dass sie während der gesamten Zeit ihrer Ehe allein gelebt und die inzwischen erwachsenen Kinder sowie die Schwiegereltern versorgt habe, dass sie nun aber nach Deutschland zu ihrem Ehemann wolle. Für die Richtigkeit spreche mit Nachdruck der zutreffende Hinweis der Botschaft, dass es im ländlichen und konservativen Punjab gesellschaftlich völlig inakzeptabel sei, ein uneheliches Kind zu haben. Der vom Kläger angegebene Zeitpunkt der Eheschließung erst im Jahr 1990 mache nur unter dem Gesichtspunkt Sinn, dass dann die Eheschließung zeitlich nach der Scheidung von der deutschen Ehefrau erfolgt wäre. Ansonsten sei aber nicht erkennbar, weshalb die Ehe zu einem Zeitpunkt geschlossen worden sein sollte, zu dem die gemeinsamen Kinder bereits knapp 9 beziehungsweise 4 Jahre alt gewesen seien, und dass sie dann nochmals erst 16 Jahre später, im März 2006 registriert worden sein sollte. Der Beweiswert des Registerauszugs sei auch durch die Aussage des Vorsitzenden des Tempelrats durchgreifend erschüttert. Dieser habe erklärt, von der Familie des Klägers gebeten worden zu sein, die vorgefertigte Urkunde vom März 2006 mit dem Heiratsdatum 1990 zu unterzeichnen. Damit stehe fest, dass diese Ehe bereits 1980 geschlossen worden und dass die Ehe mit Frau K eine nichtige Doppelehe gewesen sei. Eine nach deutschem Recht unzulässige Doppelehe könne ausländerrechtlich kein Aufenthaltsrecht unter dem Gesichtspunkt des Art. 6 GG begründen. Die vom Kläger angeführte Rechtsprechung des Bundesverwaltungs- und des Bundesverfassungsgerichts zur zeitnahen Rücknahme erschlichener Einbürgerungen sei vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Verbots eines Entzugs der deutschen Staatsbürgerschaft zu sehen und auf das Ausländerrecht nicht übertragbar. Die Ermessensentscheidung begegne keinen Bedenken. Zutreffend habe sich die Widerspruchsbehörde darauf gestützt, dass der Kläger keine familiären Bindungen in Deutschland habe, seine Familie mit Ausnahme des in Belgien befindlichen ältesten Sohnes in Indien lebe, dass er seine Frau und die Kinder in der Vergangenheit regelmäßig besucht und dass ihm deswegen eine Wiedereingliederung in die dortigen Lebensverhältnisse nicht schwer fallen dürfte.

Zur Begründung der vom Senat gegen diese Entscheidung zugelassenen Berufung (vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 3.11.2009 – 2 A 315/09 –) trägt der Kläger vor, es sei mit dem verfassungsrechtlich verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht vereinbar, wenn bei einem Ausländer, der seit fast 30 Jahren in Deutschland lebe, ein jahrzehntelang zurückliegendes Fehlverhalten durch eine ausländerrechtliche Entscheidung zur Vernichtung der wirtschaftlichen und persönlichen Lebensperspektiven führe. In den vergangenen 20 Jahren, in denen er eine Aufenthaltserlaubnis besessen habe, habe er sich in beispielgebender Weise in hiesige Lebensverhältnisse integriert und sei konstant in dieser ganzen Zeit im Ristorante M in A-Stadt beschäftigt. Derzeit verdiene er über 1.200,- EUR netto pro Monat. In dieser Erwerbstätigkeit in Deutschland liege die wirtschaftliche Basis seiner Familie. Bei einer Rückkehr nach Indien stünde er „buchstäblich vor dem Nichts“, was mit den Grundwerten der Verfassung nicht zu vereinbaren sei. Wenn selbst schwerste Straftaten nach 15 Jahren verjährt seien, ein aufenthaltsrechtlich relevantes Fehlverhalten – hier eine Täuschung über den Familienstand – dem Betroffenen aber zeitlich unbegrenzt bis zum „St. Nimmerleinstag“ vorgehalten werden könne, so passe das nicht zusammen. Das Berufungsgericht habe die Aufgabe, insoweit eine zeitliche Grenze zu finden, wie dies die höchstrichterliche Rechtsprechung für die Rücknahme von Einbürgerungen getan habe. Diese könne beispielsweise in Anlehnung an Verjährungsfristen oder an die Tilgungsfristen beim Bundeszentralregister bestimmt werden. Bei zeitnaher Aufdeckung des Täuschungstatbestands und strafrechtlicher Verurteilung wäre zwischenzeitlich das Register selbst bei Verhängung einer höheren Strafe „längst wieder sauber“.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 11.3.2009 – 5 K 1724/08 – die Rücknahmeverfügung des Beklagten vom 27.8.2007 in der Form des Widerspruchsbescheids vom 29.7.2008 aufzuheben, und

die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten für das Widerspruchsverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Er verteidigt die angegriffene Entscheidung und macht geltend, der § 48 SVwVfG sehe lediglich eine Frist von einem Jahr seit Kenntnis der die Rücknahme rechtfertigenden Umstände vor, die hier eingehalten worden sei. Damit sei der Behörde mit Blick auf den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung die Möglichkeit eingeräumt, einen unter Verletzung der Rechtsordnung erlassenen Verwaltungsakt wieder zu beseitigen. Eine weitere zeitliche Beschränkung erscheine auch nicht angebracht, da andernfalls eine über Jahrzehnte begangene und wiederholte Täuschung der Ausländerbehörde durch den Kläger letzten Endes belohnt werde. Die Dauer der Aufrechterhaltung der Täuschung bis zur Kenntniserlangung der Behörde könne dem Täuschenden nicht zugute kommen. Bei der Einbürgerung, bei der inzwischen grundsätzlich auch eine Rücknahmemöglichkeit anerkannt sei, sei der dadurch begründete Rechtsstatus von besonderer Bedeutung. Das gebiete eine abweichende Betrachtung. Die Berufung des Klägers auf strafrechtliche Verjährungs- und Tilgungsfristen könne wegen insoweit anderweitiger Zielrichtung verwaltungsrechtlich ebenfalls nicht durchgreifen.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte dieses Verfahrens, der Akte 18 V 55.07 des Verwaltungsgerichts Berlin sowie der beigezogenen Verwaltungsunterlagen Bezug genommen. Er war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

I.

Die vom Senat zugelassene, auch ansonsten hinsichtlich ihrer Zulässigkeit keinen Bedenken unterliegende Berufung des Klägers ist begründet.

Das Verwaltungsgericht hat seine Klage zu Unrecht abgewiesen. Der angefochtene ausländerbehördliche Bescheid vom 27.8.2007, durch den insgesamt vier dem Kläger in den Jahren 1982 bis 1987 erteilte Aufenthaltstitel – ergänzt durch Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung – zurückgenommen wurden, und der dies bestätigende Widerspruchsbescheid vom 29.7.2008, die aus Sicht des Senats als behördliche Entscheidungen nicht bereits mit Blick auf § 44 Abs. 2 Nr. 6 SVwVfG als nichtig angesehen werden können, (vgl. hingegen VG Regensburg, Urteil vom 27.5.2009 – RN 9 K 08.01658 –, juris, dort im Zusammenhang mit der Beurteilung von Einbürgerungsvoraussetzungen) sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die Ermächtigungsgrundlage für die Rücknahme der genannten Aufenthaltstitel ergibt sich aus § 48 SVwVfG. Wie der an die allgemeine verwaltungsverfahrensrechtliche Terminologie anknüpfende § 51 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG verdeutlicht, geht der Gesetzgeber davon aus, dass auch rechtswidrig erteilte bestandskräftige Aufenthaltstitel von der zuständigen Behörde aufgehoben werden können. Da die in Betracht kommende Rücknahme, anders als der Widerruf rechtmäßig erteilter Titel (vgl. dazu § 52 AufenthG), im Aufenthaltsrecht keiner speziellen Regelung unterworfen wurde, ist insoweit auf die allgemeine Vorschrift in § 48 SVwVfG zurückzugreifen. Die formalen Voraussetzungen und die der Vorschrift zu entnehmenden tatbestandlichen Anforderungen für die Rücknahme liegen zwar vor (A.); die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen genügen indes nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Ermessensausübung im Sinne des § 40 SVwVfG (B.).

A.

1. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SVwVfG können unanfechtbare rechtswidrige Verwaltungsakte (auch) mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Dem Bescheid der Ausländerbehörde vom 27.8.2007 lässt sich zwar nicht ausdrücklich entnehmen, dass eine Rücknahme für die Vergangenheit erfolgt ist. Dies ergibt sich jedoch eindeutig aus der Begründung und dem Gesamtzusammenhang. (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 12.4.2005 – 1 C 9.04 –, AuAS 2005, 218, wonach an die Bejahung eines nicht ausdrücklich zum Ausdruck gebrachten Willens der Ausländerbehörde zur Rücknahme auch für die Vergangenheit geringe Anforderungen zu stellen sind) Besonders deutlich wird das im Widerspruchsbescheid, wo aus der Rücknahme der ersten drei Aufenthaltserlaubnisse (1982 bis 1985) das Entfallen der zeitlichen Voraussetzung eines rechtmäßigen Voraufenthalts von mindestens fünf Jahren für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung (§ 8 Abs. 1 AuslG 1965) im Oktober 1987 abgeleitet wird. Daher steht der Anwendung des § 48 SVwVfG auch nicht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entgegen, wonach die bundesrechtliche Spezialvorschrift des § 7 Abs. 4 AuslG 1965, nach der auf der Grundlage des Ausländergesetzes (1965) erteilte Aufenthaltserlaubnisse nachträglich räumlich und zeitlich beschränkt sowie mit Bedingungen und Auflagen versehen werden konnten, den Rückgriff auf die landesrechtlichen Vorschriften über die Rücknahme rechtswidriger Aufenthaltstitel für die Zukunft ausschloss. (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.3.1982 – 1 C 20.81 –, DÖV 1982, 739 )

2. Bei den zurückgenommenen (vier) Aufenthaltstiteln handelte es sich um rechtswidrige Verwaltungsakte im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SVwVfG. Nach dem bei der Erteilung der Aufenthaltserlaubnisse an den Kläger ab dem Jahr 1982 maßgeblichen § 2 Abs. 1 Satz 2 AuslG 1965 durfte einem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Anwesenheit Belange der Bundesrepublik Deutschland nicht beeinträchtigte (sog. Negativschranke). War letzteres nicht der Fall, stand die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde. Sie hatte die im Einzelfall für und gegen den Aufenthalt sprechenden Belange gerecht gegeneinander abzuwägen. Im Fall des Klägers als abgelehnter Asylbewerber, der zur Bestreitung des eigenen Lebensunterhalts damals noch auf die Inanspruchnahme öffentlicher Hilfen angewiesen war, kam die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ernsthaft nur mit Blick auf seine am 1.10.1982 vor dem Standesamt in Homburg/Saar geschlossene Ehe mit der deutschen Staatsangehörigen K (vgl. die Heiratsurkunde vom selben Tag, Blatt 86 der Ausländerakte) in Betracht.

Bei einem mit deutschem Partner verheirateten Ausländer hatten durch seine Anwesenheit berührte Belange der Bundesrepublik gegenüber dem durch die Wert setzende Bedeutung des Art. 6 GG vorgegebenen staatlichen Belang, Ehe und Familie zu schützen, grundsätzlich zurückzutreten, sofern nicht Ausweisungsgründe im Sinne des § 10 Abs. 1 AuslG 1965 erfüllt waren. (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 27.9.1978 – I C 79.76 –, BVerwGE 56, 246, ebenso Ziffer 4a. der einschlägigen Verwaltungsvorschriften (AuslVwV), GMBl. 1977, 202, abgedruckt bei Kanein, Ausländerrecht, 4. Auflage 1988, zu § 2 AuslG) Entgegen der im Widerspruchsbescheid anklingenden Auffassung kann allerdings heute – fast 30 Jahre später – nicht bereits tragend darauf abgestellt werden, dass zumindest 1982 und 1983 mit Blick auf eine damals noch fehlende Eigensicherung des Lebensunterhalts des Klägers wohl ein Ausweisungsgrund nach § 10 Abs. 1 Nr. 10 AuslG 1965 vorgelegen habe. Die Ausländerbehörde hat diesem Aspekt seinerzeit im Rahmen des § 2 Abs. 1 Satz 2 AuslG 1965 aus ihrer Sicht gegenüber dem Gesichtspunkt des „Familiennachzugs“ – zu Recht – nachrangige Bedeutung beigemessen. Letztlich entscheidungserheblich ist dies vorliegend ebenso wenig wie die Frage, ob ein Ausweisungsgrund auch mit Blick auf einen Verstoß gegen die Strafvorschriften nach § 172 StGB (damals noch § 171 StGB) und § 47 Abs. 1 Nr. 6 AuslG 1965 im Raum stand, obwohl der § 10 AuslG 1965 insoweit noch keine den Nachfolgebestimmungen in §§ 46 Nr. 2 AuslG 1990, 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG entsprechende Vorschrift enthielt. (vgl. OVG Münster, Urteil vom 3.12.2009 – 18 A 1787/06 –, juris)

Der Kläger war jedenfalls vor seiner Heirat mit Frau K aufgrund einer im August 1980 in Indien im Tempel von Hoshiarpur vollzogenen Zeremonie nach dem Hindu Marriage Act 1955 (HMA) (vgl. das Hindu-Ehegesetz Nr. 25 vom 18.5.1955, abgedruckt bei Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht; speziell zu den Zeremonien des Saptapadi nach Section 7 des Gesetzes VGH Mannheim, Urteil vom 11.1.2006 – 13 S 2345/05 –, FamRZ 2007, 144) mit der indischen Staatsangehörigen U eine rechtswirksame Ehe eingegangen. Das hat das Verwaltungsgericht unter ausführlicher Berücksichtigung der insoweit „erdrückenden“ Tatsachenlage detailliert herausgearbeitet. Diesen überzeugenden Ausführungen, die sich der Senat zu Eigen macht, ist der Kläger im Rechtsmittelverfahren nicht mehr entgegengetreten. Eine möglicherweise seinerzeit (1980) zunächst unterbliebene Registrierung der Heirat berührt die Gültigkeit der Hindu-Ehe nicht; sie ist zwar vorgesehen, dient aber nach Sec. 8 Abs. 5 HMA lediglich Beweiszwecken. Im Ausland begründete familienrechtliche Verhältnisse sind im Inland anzuerkennen, sofern sie nicht dem ordre public (Art. 6 EGBGB) zuwiderlaufen. Dafür gibt es hier – bezogen auf die Hochzeit des Klägers mit Frau U – keine Anhaltspunkte. (Frau U ist ausweislich der Akten des VG Berlin 1959 geboren, so dass auch vom Alter her keine Bedenken bezüglich einer gegen den ordre public verstoßenden Heirat bestehen; speziell zu Altersgrenzen und Folgeregelungen bei Nichtbeachtung nach Section 11, 12, 13 des Hindu-Ehegesetzes VGH Mannheim, Urteil vom 11.1.2006 – 13 S 2345/05 –, FamRZ 2007, 144)

Die (zweite) Heirat in Deutschland im Jahre 1982 verstieß vor dem Hintergrund gegen das seinerzeit dem § 5 EheG (heute § 1306 BGB) zu entnehmende, bei Nichtbeachtung gemäß § 20 EheG unheilbar zur Nichtigkeit der Ehe führende Verbot der Doppelehe. Danach durfte ein lediger Inländer die Ehe mit einem verheirateten Ausländer auch dann nicht eingehen, wenn dessen Heimatrecht das Verbot der Doppelehe nicht kannte. (vgl. etwa Müller-Gindullis in Münchner Kommentar zum BGB, Band 5, Familienrecht, 1978, Anm 1 zu § 5 EheG) Der ausländerrechtlichen „Verwertbarkeit“ dieses Umstands steht nicht entgegen, dass nach dem bis 1998 geltenden § 23 EheG, (vgl. für die Folgezeit das Gesetz zur Neuordnung des Eheschließungsrechts vom 4.5.1998, BGBl I, 833 ff.) wonach sich niemand auf die Nichtigkeit der Ehe berufen konnte, bis diese durch Urteil des zuständigen Familiengerichts – was hier unstreitig nie geschehen ist – für nichtig erklärt worden war, die Nichtigkeit einer verbotswidrig vor dem deutschen Standesamt geschlossenen Doppelehe nur als rückwirkende Vernichtbarkeit ausgestaltet war. Nach gegenwärtigem Recht unterliegt die nach § 1306 BGB verbotene bigamische Ehe oder Doppelehe sogar nur noch einer Aufhebbarkeit (§ 1314 Abs. 1 BGB) durch gerichtliches Urteil mit Wirkung für die Zukunft (§ 1313 Satz 2 BGB). Das gilt nach der Überleitungsbestimmung in Art. 226 Abs. 3 EGBGB auch für – wie im Fall der Ehe des Klägers mit Frau K – vor der Rechtsänderung zum 1.7.1998 geschlossene „Altehen“, bei denen bis zu dem genannten Zeitpunkt keine Nichtigkeitsklage anhängig gemacht worden war, so dass aus heutiger Sicht hinsichtlich der inzwischen lange – seit 1989 – geschiedenen Ehe eine rückwirkende Nichtigerklärung (§ 23 EheG) ohnehin nicht mehr in Betracht käme. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind fehlerhaft zustande gekommene Ehen bis zu diesem Zeitpunkt als (voll) gültig zu behandeln. (vgl. etwa Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 3. Auflage 2008, Vor §§ 1313 bis 1320 Rn 2, unter Verweis auf BGH Urteile vom 17.1.2001 – XII ZR 266/98 –, FamRZ 2001, 685 und vom 9.1.2002 – XII ZR 58/00 –, MDR 2002, 250 ) Eine nachträgliche Aufhebung der bereits geschiedenen Ehe kommt hier ohnehin nicht in Betracht (§ 1317 Abs. 3 BGB). (vgl. auch OLG Nürnberg, Urteil vom 30.6.1997 – 7 UF 1117/97, juris)

Die familienrechtlichen Vorschriften stehen indes – wie im Falle der so genannten Zweck- oder Scheinehe, die nur zur Erlangung eines Aufenthaltsrechts in der Bundesrepublik Deutschland und damit zu einem nach deutschem Verständnis ehefremden Zweck geschlossen wird, (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 5.5.2003 – 2 BvR 2042/02 –, FamRZ 2003, 1000) ebenfalls zivilrechtlich wirksam ist und hinsichtlich ihrer Auflösung ohne Einschränkung dem Scheidungsrecht (heute §§ 1564 ff. BGB) unterliegt (vgl. etwa Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 3. Auflage 2008, § 1564 Rn 2) -einer „Verwertbarkeit“ des Verstoßes gegen das gesetzliche Verbot der Doppelehe im Rahmen der ausländerrechtlichen Vorschriften über den Familiennachzug (§§ 2 Abs. 1 Satz 2 AuslG 1965, heute § 27 Abs. 1 AufenthG), die materiell an den Schutzbereich des Art. 6 GG anknüpfen, nicht entgegen. Das Ausländerrecht ist vielmehr in Anlehnung an das bereits verfassungsrechtlich vorgegebene Verbot der Doppelehe auszulegen. Daher ist in der ausländerrechtlichen Verweigerung der auf das Institut der Ehe gründenden Möglichkeiten eines Familiennachzugs beziehungsweise eines aus der Ehe mit einem deutschen Staatsangehörigen abgeleiteten Bleiberechts durch die Ausländerbehörde bei Schein- und Doppelehen kein Verstoß gegen die familienrechtlichen Folgenregelungen in den §§ 23 EheG, 1314 Abs. 1 BGB zu erblicken. (vgl. etwa VGH Mannheim, Beschlüsse vom 21.8.2007 – 11 S 995/07 –, NJW 2007, 3453, unter Verweis auf die Gesetzesmaterialien zu § 17 AuslG 1990, BT-Drs. 11/6321, Setie 60, wonach der Hinweis auf Art. 6 GG im Wortlaut der Vorschrift begrenzende Funktion hat, um eine Nachzugsberechtigung vom Familienangehörigen aus einer Mehrehe auszuschließen, vom 11.1.2006 – 13 S 2345/05 –, FamRZ 2007, 144, und vom 15.8.2005 – 13 S 951/04 –, Justiz 2006, 147) Aufenthaltsrechtlicher Nachzug soll nur in dem durch Art. 6 Abs. 1 GG gebotenen Umfang erfolgen und damit grundsätzlich auch begrenzt werden. Zu dem begünstigten Personenkreis zählt der doppelt verheiratete Ausländer nicht. (vgl. OVG Münster, Urteil vom 3.12.2009 – 18 A 1787/06 –, juris, unter Verweis auf die Beschlüsse vom 6.1.2009 – 18 B 1914/08 – und vom 11.12.2006 – 19 B 883/06 –, ebenso OVG Koblenz, Urteil vom 12.3.2004 – 10 A 11717/03 –, bei juris) Der verfassungsrechtliche Begriff der Ehe in Art. 6 Abs. 1 GG und die dadurch ausgefüllte, im genannten Sinne in allen bisherigen Gesetzesfassungen ausländerrechtlich beachtliche grundrechtliche Schutzgarantie (heute § 27 Abs. 1 AufenthG) basieren auf dem Prinzip der Einehe. (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 30.11.1982 – 1 BvR 818/81 –, BVerfGE 62, 323, BVerwG, Urteil vom 30.4.1985 – 1 C 33.81 –, BVerwGE 71, 228)

Im Ergebnis ist daher von der Rechtswidrigkeit der dem Kläger zwischen 1982 und 1987 erteilten Aufenthaltstitel und damit vom Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigung zur Rücknahme in § 48 Abs. 1 Satz 1 SVwVfG auszugehen.

3. Weder aus den in § 48 Abs. 1 Satz 2 SVwVfG in Verbindung mit den Absätzen 2 und 3 geregelten Einschränkungen für die Rücknahme begünstigender, insbesondere auf Geld- oder Sachleistungen gerichteter Verwaltungsakte, noch unter formellen Gesichtspunkten ergeben sich im konkreten Fall weiter gehende Anforderungen. Der Kläger wurde insbesondere vor Erlass des Rücknahmebescheids angehört (§ 28 Abs. 1 SVwVfG) und die Ermessensentscheidung wurde begründet (§ 39 Abs. 1 SVwVfG). Die ab Kenntnis der die Rücknahme rechtfertigenden Umstände laufende Jahresfrist (vgl. dazu im Einzelnen BVerwG, Beschluss vom 19.12.1984 – Gr.Sen 1 und 2.84 –, BVerwGE 70, 356, und Urteil vom 24.1.2001 – 8 C 8.00 –, DVBl. 2001, 1221) des § 48 Abs. 4 Satz 1 SVwVfG wurde eingehalten. (vgl. die Aktennotiz vom 21.11.2006, Blatt 161 der Ausländerakte, aus der sich erstmals Hinweise auf eine Kenntnis der damals zuständigen Ausländerbehörde (Landeshauptstadt Saarbrücken) ergeben)

Über die am Grundsatz der Rechtssicherheit orientierte Ausschlussfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 SVwVfG hinaus lassen sich entgegen der Auffassung des Klägers weder dem einfachen Gesetz noch verfassungsrechtlichen Anforderungen weiter gehende, auf den Erteilungszeitpunkt bezogene Fristen für die Rücknahme rechtswidriger, insbesondere – wie hier – durch falsche Angaben des Ausländers gegenüber den deutschen Behörden erwirkter Aufenthaltstitel entnehmen. Die seit 2009 im Gefolge der Umsetzung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, Urteil vom 24.5.2006 – 2 BvR 669/04 –, DVBl. 2006, 910) im Staatsangehörigkeitsrecht normierte absolute zeitliche Grenze von fünf Jahren ab Bekanntgabe für die Rücknahme von durch arglistige Täuschung, Drohung, Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben erwirkte rechtswidrige Einbürgerungen (§ 35 Abs. 3 StAG n.F.) ist vor dem Hintergrund der besonderen statusrechtlichen Auswirkungen der Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit auch für Dritte und des verfassungsrechtlichen Verbots einer Entziehung in Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG zu sehen. Ein vergleichbarer normativer Wert ist für aufenthaltsrechtliche Titel, die einem Ausländer die Berechtigung zum – gegebenenfalls auch unbefristeten – Aufenthalt vermitteln, in der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland nicht verankert. Dies verdeutlichen bereits die in § 51 AufenthG vorgesehenen zahlreichen Tatbestände für ein Erlöschen von Aufenthaltstiteln, unter anderem durch die Rücknahme (§ 51 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG). Diesen Vorschriften ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber dem im allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht regelmäßig durch die Unanfechtbarkeit von Verwaltungsakten gewährleisteten Grundsatz der Rechtssicherheit im Aufenthaltsrecht kein im Vergleich zu anderen Rechtsbereichen besonderes Gewicht beigemessen hat. Für eine vom Kläger in Anlehnung an strafrechtliche Verjährungs- oder Tilgungsfristen geforderte, an den Zeitpunkt der Bekanntgabe oder der Unanfechtbarkeit der Aufenthaltstitel anknüpfende richterrechtliche „Fristfindung“ ist daher – anders als im Einbürgerungsrecht – weder Veranlassung noch Raum. (vgl. hierzu für den Bereich der Einbürgerung BVerwG, Urteil vom 14.2.2008 – 5 C 4.07 –, NVwZ 2008, 685, vor Erlass des § 35 Abs. 3 StAG 2009) Die Tilgung einer Bestrafung im Bundeszentralregister knüpft im Übrigen auch bei einer langen Frist zwischen Tatbegehung und strafgerichtlicher Ahndung an den letztgenannten Zeitpunkt an. (vgl. hierzu OVG des Saarlandes, Urteil vom 15.10.2009 – 2 A 329/09 – zur Verwertbarkeit im Rahmen des gesetzlichen Ausschlussgrundes nach § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AufenthG bei der gesetzlichen Altfallregelung)

Der Kläger kann sich gegenüber der Rücknahmeentscheidung schließlich auch nicht auf eine Verwirkung der der Behörde durch § 48 SVwVfG grundsätzlich eingeräumten Rücknahmebefugnis infolge bloßen „Zeitablaufs“ berufen.

B.

Der Rücknahmeentscheidung der damals zuständigen Ausländerbehörde bei der Landeshauptstadt A-Stadt vom 27.8.2007 liegt jedoch eine gerichtlicher Überprüfung auch in den Grenzen des § 114 VwGO nicht standhaltende Ermessensausübung (§ 40 SVwVfG) zugrunde. Entscheidend abzustellen ist insoweit auf den Widerspruchsbescheid vom 29.7.2008 des hier im Rahmen der Überprüfung nach § 68 VwGO uneingeschränkt in die Position der Ausgangsbehörde eingetretenen Stadtrechtsausschusses (§§ 5, 8 AGVwGO). Die Frage, ob in solchen Fällen hinsichtlich des Tatsachenmaterials auf die Sachlage im Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens oder auf den Entscheidungszeitpunkt des Gerichts abzustellen ist, kann dahinstehen. Wesentliche Veränderungen sind abgesehen vom weiteren Zeitablauf insoweit nicht eingetreten. Bei einer Rücknahme bereits unanfechtbar gewordener Verwaltungsakte hat die Behörde im Rahmen ihrer Ermessensausübung zu prüfen, ob es aufgrund besonderer Umstände erforderlich erscheint, von der grundsätzlichen Entscheidung des Gesetzes zugunsten der Bestandskraft und damit der Rechtssicherheit ausnahmsweise abzuweichen. Dabei sind neben den in Rede stehenden öffentlichen Interessen sowie der Art und Intensität des mit der Rücknahme zu korrigierenden Rechtsverstoßes auch die Auswirkungen für den Betroffenen in den Blick zu nehmen und nach ihrer Bedeutung angemessen zu berücksichtigen.

Einschränkungen ergeben sich im Fall der Rücknahme der Aufenthalterlaubnisse (1982 bis 1985) und der seinen Status verfestigenden Aufenthaltsberechtigung (1987) des Klägers (§ 8 AuslG 1965) nicht nach den allgemeinen Grundsätzen über das so genannte intendierte Ermessen, für dessen Betätigung vom Gesetzgeber eine „Richtung“ beziehungsweise ein bestimmtes Ergebnis gewissermaßen bereits als vom Gesetz „gewollt“ vorgezeichnet ist und bei dem es vorbehaltlich vom Regelfall abweichender Besonderheiten des Einzelfalls keiner besonderen Erwägungen des „Für und Wider“ bedarf. (vgl. für den Bereich bauaufsichtsbehördlicher Beseitigungsanordnungen grundlegend BVerwG, Beschluss vom 28.8.1980 – 4 B 67.80 –, BRS 36 Nr. 93) Ein derart intendiertes Ermessen der Ausländerbehörden ergibt sich in diesen Fällen insbesondere nicht aus dem § 48 Abs. 2 Satz 4 SVwVfG. (vgl. hierzu allgemein BVerwG, Urteil vom 23.5.1996 – 3 C 13.94 –, ESLR 4, ÖR 45, betreffend die Rücknahme von Subventionsbescheiden (EU)) Die ausländerrechtliche Aufenthaltserlaubnis ist nicht auf Geldleistung oder teilbare Sachleistungen gerichtet (§ 48 Abs. 2 Satz 1 SVwVfG) und die Verweisung in § 48 Abs. 3 SVwVfG für sonstige begünstigende Verwaltungsakte erfasst zum einen den § 48 Abs. 2 Satz 4 SVwVfG gerade nicht; sie ist zum anderen als Anschlussregelung zu § 48 Abs. 3 Satz 1 SVwVfG zu sehen, der nur den Anspruch des Adressaten der Rücknahme auf Ausgleich von Vermögensnachteilen betrifft und insoweit durch die Bezugnahme auf § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 bis 3 SVwVfG ein dabei zu forderndes schutzwürdiges Vertrauen ausschließt. (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 11.1.2006 – 13 S 2345/05 –, FamRZ 2007, 144, zum einschlägigen Landesrecht und zu einem vom Sachverhalt vergleichbaren Fall, in dem die Ausländerbehörde bei der Rücknahme der Aufenthaltserlaubnis keine besonderen Ermessenserwägungen angestellt hatte; so auch OVG Münster, Urteil vom 3.12.2009 – 18 A 1787/06 –, juris)

Hiervon ausgehend ist zunächst festzustellen, dass der Stadtrechtsausschuss ungeachtet des einleitenden auf den Ausgangsbescheid bezogenen Hinweises auf eine „ermessensfehlerfrei erfolgte“ Rücknahme der Aufenthaltstitel des Klägers durch die Ausländerbehörde inhaltlich die gebotene (eigene) Ermessensentscheidung getroffen hat und dabei auch von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist. Die Widerspruchsbehörde hat jedoch in dem Zusammenhang ausdrücklich hervorgehoben, dass der Grund für die „fehlerhaften“ Aufenthaltstitel wegen der wissentlich falschen Angabe des Klägers hinsichtlich seiner Ledigkeit bei der Heirat mit Frau K allein in seinem Verantwortungsbereich liege und dass er deshalb auf deren Bestand nicht habe vertrauen dürfen. Deswegen seien seine Interessen weniger gewichtig.

Der Kläger lebt seit nunmehr knapp 30 Jahren in Deutschland, arbeitet seit Jahrzehnten – auch gegenwärtig – bei demselben Arbeitgeber in A-Stadt im Ristorante M., bestreitet damit dauerhaft seinen Lebensunterhalt selbst und ist in der gesamten Zeit seines Aufenthalts in Deutschland ersichtlich – von dem Rücknahmeanlass abgesehen – nie mit dem Gesetz in Konflikt geraten oder gar strafrechtlich in Erscheinung getreten. Vor dem Hintergrund ist in dieser Hinsicht von einer „gelungenen“ sozialen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Integration in hiesige Lebensverhältnisse auszugehen, die in den Schutzbereich des „Privatlebens“ nach Art. 8 Abs. 1 EMRK fällt, (vgl. zur Begrifflichkeit und dem Inhalt dieser letztlich auf das Recht auf Selbstbestimmung und freie Entfaltung der Persönlichkeit und der Lebensführung des Menschen zurückzuführenden Garantie etwa Meyer-Ladewig, EMRK – Handkommentar, 2. Auflage 2006, Art. 8 Rn 3, Grabenwarter, EMRK, 3. Auflage 2008, Rn 6 ff.) der Eingriffe nur in den Schranken des Art. 8 Abs. 2 EMRK zulässt. Danach muss der Eingriff in ein nach Art. 8 Abs. 1 EMRK geschütztes Recht „gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig“ sein, das heißt einem dringenden sozialen Bedürfnis entsprechen und insbesondere in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Ziel einer dauerhaften Aufenthaltsbeendigung stehen. Um letztere geht es in der Sache bei dem Kläger, wie die im Rücknahmebescheid enthaltene Ausreiseaufforderung mit Abschiebungsandrohung zeigt.

Mit dieser grundsätzlichen Wertentscheidung, wegen der die nationalen Gerichte nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) beispielsweise in Ausweisungsverfahren selbst bei Vorliegen schwerster Straftaten des betroffenen Ausländers aus dem Katalog der – nach dem Verständnis des deutschen Bundesgesetzgebers – „zwingend“ eine Aufenthaltsbeendigung gebietenden Delikte (§ 53 AufenthG) gehalten sind, derartige Integrationsleistungen und speziell etwa die Dauer des Aufenthalts im Einzelfall, das Verhalten des Betroffenen seit der Tatbegehung sowie die sozialen, kulturellen und familiären Beziehungen angemessen in die Fallbeurteilung einzustellen, (vgl. hierzu zuletzt OVG des Saarlandes, Urteil vom 4.2.2010 – 2 A 448/08 –, dort insbesondere zu den in der Rechtsprechung des EGMR, Urteile vom 28.6.2007 – 31753/02, InfAuslR 2007, 325, zum Fall eines unter anderem wegen mehrfachen versuchten schweren Menschenhandels, Zuhälterei, Drogendelikten, Trunkenheit im Verkehr und nach den Feststellungen des (nationalen) Strafgerichts mit „äußerster Brutalität“ begangener mehrfacher gefährlicher Körperverletzung zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilten Ausländers, und vom 23.6.2008 – 1638/03 –, InfAuslR 2008, 333 entwickelten allgemeinen Leitlinien zur Einzelfallbewertung) lässt es sich nicht vereinbaren, dass die Widerspruchsbehörde zwar formal auf eine „Berücksichtigung“ des Interesses des Klägers „an einem weiteren Aufenthalt und an der Aufrechterhaltung seiner beruflichen und sozialen Existenz in Deutschland“ hinweist, sodann „jedoch“ deren geringeres Gewicht herausstellt, weil er „wissentlich falsche Angaben zu seinem Familienstand“ gemacht habe und deswegen der „Grund der fehlerhaften Aufenthaltstitel allein in seinem Bereich“ liege. Dies wie auch der anschließende, wohl generalpräventiv motivierte Hinweis einer gebotenen Vermeidung der Besserstellung gegenüber anderen Ausländern lässt die notwendige angemessene Berücksichtigung der genannten Rechtsstellung des Klägers vermissen. Gleiches gilt für den Hinweis, dass ebenfalls „berücksichtigt“ worden sei, dass der Kläger schon seit mehr als 25 Jahren in Deutschland lebe und seit langer Zeit auch arbeite. Direkt im anschließenden Satz weist die Widerspruchsbehörde darauf hin, „jedoch“ basierten langer Aufenthalt und Zugang zum Arbeitsmarkt „unberechtigter Weise auf der nicht dem Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG unterfallenden“ früheren Ehe mit Frau K. Beide Gegenüberstellungen machen deutlich, dass die sich quasi aufdrängende Problematik des Falles hinsichtlich Aufenthaltsdauer, Integrationsleistungen, sonstiger strafrechtlicher „Unbescholtenheit“ und langjähriger wirtschaftlicher Eigensicherung des Lebensunterhalts durch den Kläger zwar gesehen, indes jeweils sofort unter Hinweis darauf zumindest sehr stark relativiert, wenn nicht gänzlich mit der Erwägung „vom Tisch gewischt“ worden ist, dass es sich dabei um die nicht schutzwürdigen Früchte eines Fehlverhaltens des Klägers zu Beginn seines Aufenthalts in Deutschland handele. Das Verschweigen der Heirat mit Frau U vor nunmehr fast 30 Jahren rechtfertigt es aber im Ergebnis nicht, dass dem Kläger heute schutzwürdige Belange im Sinne des Art. 8 EMRK und der dazu allgemein vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) aufgestellten Leitlinien und Beurteilungskriterien (vgl. hierzu OVG des Saarlandes, Urteil vom 4.2.2010 – 2 A 448/08 –, unter Verweis auf EGMR, Urteil vom 28.6.2007 – 31753/02 –, InfAuslR 2007, 325) grundsätzlich abgesprochen werden. Nach dem in der Festlegung des Schutzbereichs des Art. 8 Abs. 1 EMRK durch die Vertragsstaaten zum Ausdruck gebrachten Grundanliegen kann es hierbei nicht darum gehen, ein – vom Kläger inzwischen eingestandenes – Fehlverhalten bei der Eheschließung im Jahre 1982 durch unzutreffende Angabe seines Familienstandes nunmehr nachträglich im Wege der Rücknahme seiner Aufenthaltstitel zu ahnden und den Kläger so nachträglich (doch noch) zu „bestrafen“. Vor diesem Hintergrund haben der Beklagte beziehungsweise die Widerspruchsbehörde auch bei Berücksichtigung des ihnen hinsichtlich der Gewichtung der beteiligten Interessen im Rahmen der Ermessensausübung zuzubilligenden Beurteilungsspielraums die Bedeutung der gegen einen Widerruf sprechenden Belange des seit Jahrzehnten „unbescholten“ in Deutschland lebenden und insbesondere beruflich und wirtschaftlich integrierten Klägers verkannt. Eine grundlegend abweichende Beurteilung erscheint auch nicht schon deswegen gerechtfertigt, weil die Täuschung bei der Erteilung der anschließenden Aufenthaltstitel in den Jahren 1983 bis 1987 „fortwirkte“ oder weil sie bei Stellung des Visumsantrags von Frau U (2006) wohl mit Wissen des Klägers „verschleiert“ werden sollte.

Klarstellend sei hinzugefügt, dass diese Entscheidung maßgeblich bestimmt wird durch die Umstände des konkreten Einzelfalles, insbesondere die sehr lange Dauer seines Aufenthalts mit der Folge des entsprechenden zeitlichen Abstands zur ihm nunmehr vom Beklagten vorgehaltenen „Lüge“, die allein Anlass für ein behördliches Tätigwerden bot, und das – jedenfalls aktenkundig – tadellose Verhalten des Klägers über diesen langen Zeitraum. Der Widerspruchsbehörde ist sicher zuzugestehen, dass der Kläger in Deutschland keine Verwandten hat. Dass dieser Aspekt von der Behörde als ausreichend tragend für die Rücknahmeentscheidung angesehen worden wäre, kann allerdings nach dem zuvor Gesagten ausgeschlossen werden. Maßgebender Grund für die Entschließung zum Widerruf war vielmehr allein die genannte grundlegende Relativierung aller langjährig erbrachten Integrationsleistungen des Klägers durch den Verweis auf den Umstand, dass sein Aufenthalt allein auf die Heirat im Jahr 1982 beziehungsweise die seinerzeitige unrichtige Angabe des Familienstands zurückzuführen sei.

Die Frage, ob der Ehefrau des Klägers nach den einschlägigen aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen in dem § 30 AufenthG bei seinem Verbleib in Deutschland ein Anspruch auf Ehegattennachzug zustünde, ist selbständig anhand der insoweit geltenden gesetzlichen Anforderungen zu beantworten, rechtfertigt es aber ebenfalls nicht, dem Interesse des Klägers an einem weiteren Leben in Deutschland ein deutlich gemindertes Gewicht beizumessen. Wie jeder andere Ausländer hat auch der Kläger bei Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben das Recht auf Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet. Das gilt auch für die in anderem Zusammenhang, nämlich bei der Beurteilung der Rücknahmevoraussetzungen, als gültige (erste) Heirat berücksichtigte Eheschließung zwischen dem Kläger und Frau U. Schließlich ist auch den in den Behördenentscheidungen anklingenden generalpräventiven Gesichtspunkten keine derart herausgehobene Bedeutung beizumessen, dass sie eine Zurückstellung der gewichtigen Interessen des Klägers rechtfertigen könnten. Soweit insoweit die Schaffung eines „Berufungsfalls“ befürchtet wird, bleibt festzustellen, dass ein inhaltlich vergleichbarer Fall – wenn überhaupt – doch allenfalls sehr selten praktisch werden dürfte. Die starke Einzelfallabhängigkeit dieser Betrachtung zeigt beispielhaft der Fall eines Landsmanns des Klägers, in dem das OVG Münster (vgl. OVG Münster, Urteil vom 3.12.2009 – 18 A 1787/06 –, juris, dort Rn 181 bis 185) die Rücknahme der Aufenthaltserlaubnisse – nachvollziehbar – als (auch) ermessensgerecht gebilligt hat. Dieser hatte bei vergleichbarer Ausgangslage zuvor seinen Aufenthalt im Wege der Asylantragstellung unter Täuschung gegenüber dem Bundesamt über seine Identität zu sichern versucht, an dem Versuch der Täuschung über seinen Familienstand bis zum Abschluss des gerichtlichen Verfahrens festgehalten, Unterhaltspflichten gegenüber der (zweiten) deutschen Ehefrau vernachlässigt, war in Deutschland lediglich befristet zu Hilfstätigkeiten beschäftigt gewesen und war auch ansonsten straffällig geworden.

Vor diesem Hintergrund waren die Rücknahmeentscheidungen im Fall des Klägers wegen einer in dieser Form den besonderen Sachverhaltsumständen nicht gerecht werdenden Ermessensbetätigung und der sich daraus ergebenden Nichtbeachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne aufzuheben.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus dem § 154 Abs. 1 VwGO. Der vom Kläger gesondert beantragte Ausspruch nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO ist gerechtfertigt, da er angesichts der Schwierigkeit der durch den Rechtsbehelf zur Beurteilung gestellten Sach- und Rechtslage die Hinzuziehung seines Bevollmächtigten bereits im Widerspruchsverfahren für geboten erachten durfte.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

Beschluss

Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 5.000,- EUR festgesetzt (§§ 52 Abs. 1, 47 Abs. 2, 63 Abs. 2 GKG, ebenso bereits die vorläufige Festsetzung im Beschluss vom 3.11.2009 – 2 A 315/09 –).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

I.

Die vom Senat zugelassene, auch ansonsten hinsichtlich ihrer Zulässigkeit keinen Bedenken unterliegende Berufung des Klägers ist begründet.

Das Verwaltungsgericht hat seine Klage zu Unrecht abgewiesen. Der angefochtene ausländerbehördliche Bescheid vom 27.8.2007, durch den insgesamt vier dem Kläger in den Jahren 1982 bis 1987 erteilte Aufenthaltstitel – ergänzt durch Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung – zurückgenommen wurden, und der dies bestätigende Widerspruchsbescheid vom 29.7.2008, die aus Sicht des Senats als behördliche Entscheidungen nicht bereits mit Blick auf § 44 Abs. 2 Nr. 6 SVwVfG als nichtig angesehen werden können, (vgl. hingegen VG Regensburg, Urteil vom 27.5.2009 – RN 9 K 08.01658 –, juris, dort im Zusammenhang mit der Beurteilung von Einbürgerungsvoraussetzungen) sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die Ermächtigungsgrundlage für die Rücknahme der genannten Aufenthaltstitel ergibt sich aus § 48 SVwVfG. Wie der an die allgemeine verwaltungsverfahrensrechtliche Terminologie anknüpfende § 51 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG verdeutlicht, geht der Gesetzgeber davon aus, dass auch rechtswidrig erteilte bestandskräftige Aufenthaltstitel von der zuständigen Behörde aufgehoben werden können. Da die in Betracht kommende Rücknahme, anders als der Widerruf rechtmäßig erteilter Titel (vgl. dazu § 52 AufenthG), im Aufenthaltsrecht keiner speziellen Regelung unterworfen wurde, ist insoweit auf die allgemeine Vorschrift in § 48 SVwVfG zurückzugreifen. Die formalen Voraussetzungen und die der Vorschrift zu entnehmenden tatbestandlichen Anforderungen für die Rücknahme liegen zwar vor (A.); die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen genügen indes nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Ermessensausübung im Sinne des § 40 SVwVfG (B.).

A.

1. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SVwVfG können unanfechtbare rechtswidrige Verwaltungsakte (auch) mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Dem Bescheid der Ausländerbehörde vom 27.8.2007 lässt sich zwar nicht ausdrücklich entnehmen, dass eine Rücknahme für die Vergangenheit erfolgt ist. Dies ergibt sich jedoch eindeutig aus der Begründung und dem Gesamtzusammenhang. (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 12.4.2005 – 1 C 9.04 –, AuAS 2005, 218, wonach an die Bejahung eines nicht ausdrücklich zum Ausdruck gebrachten Willens der Ausländerbehörde zur Rücknahme auch für die Vergangenheit geringe Anforderungen zu stellen sind) Besonders deutlich wird das im Widerspruchsbescheid, wo aus der Rücknahme der ersten drei Aufenthaltserlaubnisse (1982 bis 1985) das Entfallen der zeitlichen Voraussetzung eines rechtmäßigen Voraufenthalts von mindestens fünf Jahren für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung (§ 8 Abs. 1 AuslG 1965) im Oktober 1987 abgeleitet wird. Daher steht der Anwendung des § 48 SVwVfG auch nicht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entgegen, wonach die bundesrechtliche Spezialvorschrift des § 7 Abs. 4 AuslG 1965, nach der auf der Grundlage des Ausländergesetzes (1965) erteilte Aufenthaltserlaubnisse nachträglich räumlich und zeitlich beschränkt sowie mit Bedingungen und Auflagen versehen werden konnten, den Rückgriff auf die landesrechtlichen Vorschriften über die Rücknahme rechtswidriger Aufenthaltstitel für die Zukunft ausschloss. (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.3.1982 – 1 C 20.81 –, DÖV 1982, 739 )

2. Bei den zurückgenommenen (vier) Aufenthaltstiteln handelte es sich um rechtswidrige Verwaltungsakte im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SVwVfG. Nach dem bei der Erteilung der Aufenthaltserlaubnisse an den Kläger ab dem Jahr 1982 maßgeblichen § 2 Abs. 1 Satz 2 AuslG 1965 durfte einem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Anwesenheit Belange der Bundesrepublik Deutschland nicht beeinträchtigte (sog. Negativschranke). War letzteres nicht der Fall, stand die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde. Sie hatte die im Einzelfall für und gegen den Aufenthalt sprechenden Belange gerecht gegeneinander abzuwägen. Im Fall des Klägers als abgelehnter Asylbewerber, der zur Bestreitung des eigenen Lebensunterhalts damals noch auf die Inanspruchnahme öffentlicher Hilfen angewiesen war, kam die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ernsthaft nur mit Blick auf seine am 1.10.1982 vor dem Standesamt in Homburg/Saar geschlossene Ehe mit der deutschen Staatsangehörigen K (vgl. die Heiratsurkunde vom selben Tag, Blatt 86 der Ausländerakte) in Betracht.

Bei einem mit deutschem Partner verheirateten Ausländer hatten durch seine Anwesenheit berührte Belange der Bundesrepublik gegenüber dem durch die Wert setzende Bedeutung des Art. 6 GG vorgegebenen staatlichen Belang, Ehe und Familie zu schützen, grundsätzlich zurückzutreten, sofern nicht Ausweisungsgründe im Sinne des § 10 Abs. 1 AuslG 1965 erfüllt waren. (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 27.9.1978 – I C 79.76 –, BVerwGE 56, 246, ebenso Ziffer 4a. der einschlägigen Verwaltungsvorschriften (AuslVwV), GMBl. 1977, 202, abgedruckt bei Kanein, Ausländerrecht, 4. Auflage 1988, zu § 2 AuslG) Entgegen der im Widerspruchsbescheid anklingenden Auffassung kann allerdings heute – fast 30 Jahre später – nicht bereits tragend darauf abgestellt werden, dass zumindest 1982 und 1983 mit Blick auf eine damals noch fehlende Eigensicherung des Lebensunterhalts des Klägers wohl ein Ausweisungsgrund nach § 10 Abs. 1 Nr. 10 AuslG 1965 vorgelegen habe. Die Ausländerbehörde hat diesem Aspekt seinerzeit im Rahmen des § 2 Abs. 1 Satz 2 AuslG 1965 aus ihrer Sicht gegenüber dem Gesichtspunkt des „Familiennachzugs“ – zu Recht – nachrangige Bedeutung beigemessen. Letztlich entscheidungserheblich ist dies vorliegend ebenso wenig wie die Frage, ob ein Ausweisungsgrund auch mit Blick auf einen Verstoß gegen die Strafvorschriften nach § 172 StGB (damals noch § 171 StGB) und § 47 Abs. 1 Nr. 6 AuslG 1965 im Raum stand, obwohl der § 10 AuslG 1965 insoweit noch keine den Nachfolgebestimmungen in §§ 46 Nr. 2 AuslG 1990, 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG entsprechende Vorschrift enthielt. (vgl. OVG Münster, Urteil vom 3.12.2009 – 18 A 1787/06 –, juris)

Der Kläger war jedenfalls vor seiner Heirat mit Frau K aufgrund einer im August 1980 in Indien im Tempel von Hoshiarpur vollzogenen Zeremonie nach dem Hindu Marriage Act 1955 (HMA) (vgl. das Hindu-Ehegesetz Nr. 25 vom 18.5.1955, abgedruckt bei Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht; speziell zu den Zeremonien des Saptapadi nach Section 7 des Gesetzes VGH Mannheim, Urteil vom 11.1.2006 – 13 S 2345/05 –, FamRZ 2007, 144) mit der indischen Staatsangehörigen U eine rechtswirksame Ehe eingegangen. Das hat das Verwaltungsgericht unter ausführlicher Berücksichtigung der insoweit „erdrückenden“ Tatsachenlage detailliert herausgearbeitet. Diesen überzeugenden Ausführungen, die sich der Senat zu Eigen macht, ist der Kläger im Rechtsmittelverfahren nicht mehr entgegengetreten. Eine möglicherweise seinerzeit (1980) zunächst unterbliebene Registrierung der Heirat berührt die Gültigkeit der Hindu-Ehe nicht; sie ist zwar vorgesehen, dient aber nach Sec. 8 Abs. 5 HMA lediglich Beweiszwecken. Im Ausland begründete familienrechtliche Verhältnisse sind im Inland anzuerkennen, sofern sie nicht dem ordre public (Art. 6 EGBGB) zuwiderlaufen. Dafür gibt es hier – bezogen auf die Hochzeit des Klägers mit Frau U – keine Anhaltspunkte. (Frau U ist ausweislich der Akten des VG Berlin 1959 geboren, so dass auch vom Alter her keine Bedenken bezüglich einer gegen den ordre public verstoßenden Heirat bestehen; speziell zu Altersgrenzen und Folgeregelungen bei Nichtbeachtung nach Section 11, 12, 13 des Hindu-Ehegesetzes VGH Mannheim, Urteil vom 11.1.2006 – 13 S 2345/05 –, FamRZ 2007, 144)

Die (zweite) Heirat in Deutschland im Jahre 1982 verstieß vor dem Hintergrund gegen das seinerzeit dem § 5 EheG (heute § 1306 BGB) zu entnehmende, bei Nichtbeachtung gemäß § 20 EheG unheilbar zur Nichtigkeit der Ehe führende Verbot der Doppelehe. Danach durfte ein lediger Inländer die Ehe mit einem verheirateten Ausländer auch dann nicht eingehen, wenn dessen Heimatrecht das Verbot der Doppelehe nicht kannte. (vgl. etwa Müller-Gindullis in Münchner Kommentar zum BGB, Band 5, Familienrecht, 1978, Anm 1 zu § 5 EheG) Der ausländerrechtlichen „Verwertbarkeit“ dieses Umstands steht nicht entgegen, dass nach dem bis 1998 geltenden § 23 EheG, (vgl. für die Folgezeit das Gesetz zur Neuordnung des Eheschließungsrechts vom 4.5.1998, BGBl I, 833 ff.) wonach sich niemand auf die Nichtigkeit der Ehe berufen konnte, bis diese durch Urteil des zuständigen Familiengerichts – was hier unstreitig nie geschehen ist – für nichtig erklärt worden war, die Nichtigkeit einer verbotswidrig vor dem deutschen Standesamt geschlossenen Doppelehe nur als rückwirkende Vernichtbarkeit ausgestaltet war. Nach gegenwärtigem Recht unterliegt die nach § 1306 BGB verbotene bigamische Ehe oder Doppelehe sogar nur noch einer Aufhebbarkeit (§ 1314 Abs. 1 BGB) durch gerichtliches Urteil mit Wirkung für die Zukunft (§ 1313 Satz 2 BGB). Das gilt nach der Überleitungsbestimmung in Art. 226 Abs. 3 EGBGB auch für – wie im Fall der Ehe des Klägers mit Frau K – vor der Rechtsänderung zum 1.7.1998 geschlossene „Altehen“, bei denen bis zu dem genannten Zeitpunkt keine Nichtigkeitsklage anhängig gemacht worden war, so dass aus heutiger Sicht hinsichtlich der inzwischen lange – seit 1989 – geschiedenen Ehe eine rückwirkende Nichtigerklärung (§ 23 EheG) ohnehin nicht mehr in Betracht käme. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind fehlerhaft zustande gekommene Ehen bis zu diesem Zeitpunkt als (voll) gültig zu behandeln. (vgl. etwa Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 3. Auflage 2008, Vor §§ 1313 bis 1320 Rn 2, unter Verweis auf BGH Urteile vom 17.1.2001 – XII ZR 266/98 –, FamRZ 2001, 685 und vom 9.1.2002 – XII ZR 58/00 –, MDR 2002, 250 ) Eine nachträgliche Aufhebung der bereits geschiedenen Ehe kommt hier ohnehin nicht in Betracht (§ 1317 Abs. 3 BGB). (vgl. auch OLG Nürnberg, Urteil vom 30.6.1997 – 7 UF 1117/97, juris)

Die familienrechtlichen Vorschriften stehen indes – wie im Falle der so genannten Zweck- oder Scheinehe, die nur zur Erlangung eines Aufenthaltsrechts in der Bundesrepublik Deutschland und damit zu einem nach deutschem Verständnis ehefremden Zweck geschlossen wird, (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 5.5.2003 – 2 BvR 2042/02 –, FamRZ 2003, 1000) ebenfalls zivilrechtlich wirksam ist und hinsichtlich ihrer Auflösung ohne Einschränkung dem Scheidungsrecht (heute §§ 1564 ff. BGB) unterliegt (vgl. etwa Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 3. Auflage 2008, § 1564 Rn 2) -einer „Verwertbarkeit“ des Verstoßes gegen das gesetzliche Verbot der Doppelehe im Rahmen der ausländerrechtlichen Vorschriften über den Familiennachzug (§§ 2 Abs. 1 Satz 2 AuslG 1965, heute § 27 Abs. 1 AufenthG), die materiell an den Schutzbereich des Art. 6 GG anknüpfen, nicht entgegen. Das Ausländerrecht ist vielmehr in Anlehnung an das bereits verfassungsrechtlich vorgegebene Verbot der Doppelehe auszulegen. Daher ist in der ausländerrechtlichen Verweigerung der auf das Institut der Ehe gründenden Möglichkeiten eines Familiennachzugs beziehungsweise eines aus der Ehe mit einem deutschen Staatsangehörigen abgeleiteten Bleiberechts durch die Ausländerbehörde bei Schein- und Doppelehen kein Verstoß gegen die familienrechtlichen Folgenregelungen in den §§ 23 EheG, 1314 Abs. 1 BGB zu erblicken. (vgl. etwa VGH Mannheim, Beschlüsse vom 21.8.2007 – 11 S 995/07 –, NJW 2007, 3453, unter Verweis auf die Gesetzesmaterialien zu § 17 AuslG 1990, BT-Drs. 11/6321, Setie 60, wonach der Hinweis auf Art. 6 GG im Wortlaut der Vorschrift begrenzende Funktion hat, um eine Nachzugsberechtigung vom Familienangehörigen aus einer Mehrehe auszuschließen, vom 11.1.2006 – 13 S 2345/05 –, FamRZ 2007, 144, und vom 15.8.2005 – 13 S 951/04 –, Justiz 2006, 147) Aufenthaltsrechtlicher Nachzug soll nur in dem durch Art. 6 Abs. 1 GG gebotenen Umfang erfolgen und damit grundsätzlich auch begrenzt werden. Zu dem begünstigten Personenkreis zählt der doppelt verheiratete Ausländer nicht. (vgl. OVG Münster, Urteil vom 3.12.2009 – 18 A 1787/06 –, juris, unter Verweis auf die Beschlüsse vom 6.1.2009 – 18 B 1914/08 – und vom 11.12.2006 – 19 B 883/06 –, ebenso OVG Koblenz, Urteil vom 12.3.2004 – 10 A 11717/03 –, bei juris) Der verfassungsrechtliche Begriff der Ehe in Art. 6 Abs. 1 GG und die dadurch ausgefüllte, im genannten Sinne in allen bisherigen Gesetzesfassungen ausländerrechtlich beachtliche grundrechtliche Schutzgarantie (heute § 27 Abs. 1 AufenthG) basieren auf dem Prinzip der Einehe. (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 30.11.1982 – 1 BvR 818/81 –, BVerfGE 62, 323, BVerwG, Urteil vom 30.4.1985 – 1 C 33.81 –, BVerwGE 71, 228)

Im Ergebnis ist daher von der Rechtswidrigkeit der dem Kläger zwischen 1982 und 1987 erteilten Aufenthaltstitel und damit vom Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigung zur Rücknahme in § 48 Abs. 1 Satz 1 SVwVfG auszugehen.

3. Weder aus den in § 48 Abs. 1 Satz 2 SVwVfG in Verbindung mit den Absätzen 2 und 3 geregelten Einschränkungen für die Rücknahme begünstigender, insbesondere auf Geld- oder Sachleistungen gerichteter Verwaltungsakte, noch unter formellen Gesichtspunkten ergeben sich im konkreten Fall weiter gehende Anforderungen. Der Kläger wurde insbesondere vor Erlass des Rücknahmebescheids angehört (§ 28 Abs. 1 SVwVfG) und die Ermessensentscheidung wurde begründet (§ 39 Abs. 1 SVwVfG). Die ab Kenntnis der die Rücknahme rechtfertigenden Umstände laufende Jahresfrist (vgl. dazu im Einzelnen BVerwG, Beschluss vom 19.12.1984 – Gr.Sen 1 und 2.84 –, BVerwGE 70, 356, und Urteil vom 24.1.2001 – 8 C 8.00 –, DVBl. 2001, 1221) des § 48 Abs. 4 Satz 1 SVwVfG wurde eingehalten. (vgl. die Aktennotiz vom 21.11.2006, Blatt 161 der Ausländerakte, aus der sich erstmals Hinweise auf eine Kenntnis der damals zuständigen Ausländerbehörde (Landeshauptstadt Saarbrücken) ergeben)

Über die am Grundsatz der Rechtssicherheit orientierte Ausschlussfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 SVwVfG hinaus lassen sich entgegen der Auffassung des Klägers weder dem einfachen Gesetz noch verfassungsrechtlichen Anforderungen weiter gehende, auf den Erteilungszeitpunkt bezogene Fristen für die Rücknahme rechtswidriger, insbesondere – wie hier – durch falsche Angaben des Ausländers gegenüber den deutschen Behörden erwirkter Aufenthaltstitel entnehmen. Die seit 2009 im Gefolge der Umsetzung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, Urteil vom 24.5.2006 – 2 BvR 669/04 –, DVBl. 2006, 910) im Staatsangehörigkeitsrecht normierte absolute zeitliche Grenze von fünf Jahren ab Bekanntgabe für die Rücknahme von durch arglistige Täuschung, Drohung, Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben erwirkte rechtswidrige Einbürgerungen (§ 35 Abs. 3 StAG n.F.) ist vor dem Hintergrund der besonderen statusrechtlichen Auswirkungen der Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit auch für Dritte und des verfassungsrechtlichen Verbots einer Entziehung in Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG zu sehen. Ein vergleichbarer normativer Wert ist für aufenthaltsrechtliche Titel, die einem Ausländer die Berechtigung zum – gegebenenfalls auch unbefristeten – Aufenthalt vermitteln, in der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland nicht verankert. Dies verdeutlichen bereits die in § 51 AufenthG vorgesehenen zahlreichen Tatbestände für ein Erlöschen von Aufenthaltstiteln, unter anderem durch die Rücknahme (§ 51 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG). Diesen Vorschriften ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber dem im allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht regelmäßig durch die Unanfechtbarkeit von Verwaltungsakten gewährleisteten Grundsatz der Rechtssicherheit im Aufenthaltsrecht kein im Vergleich zu anderen Rechtsbereichen besonderes Gewicht beigemessen hat. Für eine vom Kläger in Anlehnung an strafrechtliche Verjährungs- oder Tilgungsfristen geforderte, an den Zeitpunkt der Bekanntgabe oder der Unanfechtbarkeit der Aufenthaltstitel anknüpfende richterrechtliche „Fristfindung“ ist daher – anders als im Einbürgerungsrecht – weder Veranlassung noch Raum. (vgl. hierzu für den Bereich der Einbürgerung BVerwG, Urteil vom 14.2.2008 – 5 C 4.07 –, NVwZ 2008, 685, vor Erlass des § 35 Abs. 3 StAG 2009) Die Tilgung einer Bestrafung im Bundeszentralregister knüpft im Übrigen auch bei einer langen Frist zwischen Tatbegehung und strafgerichtlicher Ahndung an den letztgenannten Zeitpunkt an. (vgl. hierzu OVG des Saarlandes, Urteil vom 15.10.2009 – 2 A 329/09 – zur Verwertbarkeit im Rahmen des gesetzlichen Ausschlussgrundes nach § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AufenthG bei der gesetzlichen Altfallregelung)

Der Kläger kann sich gegenüber der Rücknahmeentscheidung schließlich auch nicht auf eine Verwirkung der der Behörde durch § 48 SVwVfG grundsätzlich eingeräumten Rücknahmebefugnis infolge bloßen „Zeitablaufs“ berufen.

B.

Der Rücknahmeentscheidung der damals zuständigen Ausländerbehörde bei der Landeshauptstadt A-Stadt vom 27.8.2007 liegt jedoch eine gerichtlicher Überprüfung auch in den Grenzen des § 114 VwGO nicht standhaltende Ermessensausübung (§ 40 SVwVfG) zugrunde. Entscheidend abzustellen ist insoweit auf den Widerspruchsbescheid vom 29.7.2008 des hier im Rahmen der Überprüfung nach § 68 VwGO uneingeschränkt in die Position der Ausgangsbehörde eingetretenen Stadtrechtsausschusses (§§ 5, 8 AGVwGO). Die Frage, ob in solchen Fällen hinsichtlich des Tatsachenmaterials auf die Sachlage im Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens oder auf den Entscheidungszeitpunkt des Gerichts abzustellen ist, kann dahinstehen. Wesentliche Veränderungen sind abgesehen vom weiteren Zeitablauf insoweit nicht eingetreten. Bei einer Rücknahme bereits unanfechtbar gewordener Verwaltungsakte hat die Behörde im Rahmen ihrer Ermessensausübung zu prüfen, ob es aufgrund besonderer Umstände erforderlich erscheint, von der grundsätzlichen Entscheidung des Gesetzes zugunsten der Bestandskraft und damit der Rechtssicherheit ausnahmsweise abzuweichen. Dabei sind neben den in Rede stehenden öffentlichen Interessen sowie der Art und Intensität des mit der Rücknahme zu korrigierenden Rechtsverstoßes auch die Auswirkungen für den Betroffenen in den Blick zu nehmen und nach ihrer Bedeutung angemessen zu berücksichtigen.

Einschränkungen ergeben sich im Fall der Rücknahme der Aufenthalterlaubnisse (1982 bis 1985) und der seinen Status verfestigenden Aufenthaltsberechtigung (1987) des Klägers (§ 8 AuslG 1965) nicht nach den allgemeinen Grundsätzen über das so genannte intendierte Ermessen, für dessen Betätigung vom Gesetzgeber eine „Richtung“ beziehungsweise ein bestimmtes Ergebnis gewissermaßen bereits als vom Gesetz „gewollt“ vorgezeichnet ist und bei dem es vorbehaltlich vom Regelfall abweichender Besonderheiten des Einzelfalls keiner besonderen Erwägungen des „Für und Wider“ bedarf. (vgl. für den Bereich bauaufsichtsbehördlicher Beseitigungsanordnungen grundlegend BVerwG, Beschluss vom 28.8.1980 – 4 B 67.80 –, BRS 36 Nr. 93) Ein derart intendiertes Ermessen der Ausländerbehörden ergibt sich in diesen Fällen insbesondere nicht aus dem § 48 Abs. 2 Satz 4 SVwVfG. (vgl. hierzu allgemein BVerwG, Urteil vom 23.5.1996 – 3 C 13.94 –, ESLR 4, ÖR 45, betreffend die Rücknahme von Subventionsbescheiden (EU)) Die ausländerrechtliche Aufenthaltserlaubnis ist nicht auf Geldleistung oder teilbare Sachleistungen gerichtet (§ 48 Abs. 2 Satz 1 SVwVfG) und die Verweisung in § 48 Abs. 3 SVwVfG für sonstige begünstigende Verwaltungsakte erfasst zum einen den § 48 Abs. 2 Satz 4 SVwVfG gerade nicht; sie ist zum anderen als Anschlussregelung zu § 48 Abs. 3 Satz 1 SVwVfG zu sehen, der nur den Anspruch des Adressaten der Rücknahme auf Ausgleich von Vermögensnachteilen betrifft und insoweit durch die Bezugnahme auf § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 bis 3 SVwVfG ein dabei zu forderndes schutzwürdiges Vertrauen ausschließt. (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 11.1.2006 – 13 S 2345/05 –, FamRZ 2007, 144, zum einschlägigen Landesrecht und zu einem vom Sachverhalt vergleichbaren Fall, in dem die Ausländerbehörde bei der Rücknahme der Aufenthaltserlaubnis keine besonderen Ermessenserwägungen angestellt hatte; so auch OVG Münster, Urteil vom 3.12.2009 – 18 A 1787/06 –, juris)

Hiervon ausgehend ist zunächst festzustellen, dass der Stadtrechtsausschuss ungeachtet des einleitenden auf den Ausgangsbescheid bezogenen Hinweises auf eine „ermessensfehlerfrei erfolgte“ Rücknahme der Aufenthaltstitel des Klägers durch die Ausländerbehörde inhaltlich die gebotene (eigene) Ermessensentscheidung getroffen hat und dabei auch von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist. Die Widerspruchsbehörde hat jedoch in dem Zusammenhang ausdrücklich hervorgehoben, dass der Grund für die „fehlerhaften“ Aufenthaltstitel wegen der wissentlich falschen Angabe des Klägers hinsichtlich seiner Ledigkeit bei der Heirat mit Frau K allein in seinem Verantwortungsbereich liege und dass er deshalb auf deren Bestand nicht habe vertrauen dürfen. Deswegen seien seine Interessen weniger gewichtig.

Der Kläger lebt seit nunmehr knapp 30 Jahren in Deutschland, arbeitet seit Jahrzehnten – auch gegenwärtig – bei demselben Arbeitgeber in A-Stadt im Ristorante M., bestreitet damit dauerhaft seinen Lebensunterhalt selbst und ist in der gesamten Zeit seines Aufenthalts in Deutschland ersichtlich – von dem Rücknahmeanlass abgesehen – nie mit dem Gesetz in Konflikt geraten oder gar strafrechtlich in Erscheinung getreten. Vor dem Hintergrund ist in dieser Hinsicht von einer „gelungenen“ sozialen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Integration in hiesige Lebensverhältnisse auszugehen, die in den Schutzbereich des „Privatlebens“ nach Art. 8 Abs. 1 EMRK fällt, (vgl. zur Begrifflichkeit und dem Inhalt dieser letztlich auf das Recht auf Selbstbestimmung und freie Entfaltung der Persönlichkeit und der Lebensführung des Menschen zurückzuführenden Garantie etwa Meyer-Ladewig, EMRK – Handkommentar, 2. Auflage 2006, Art. 8 Rn 3, Grabenwarter, EMRK, 3. Auflage 2008, Rn 6 ff.) der Eingriffe nur in den Schranken des Art. 8 Abs. 2 EMRK zulässt. Danach muss der Eingriff in ein nach Art. 8 Abs. 1 EMRK geschütztes Recht „gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig“ sein, das heißt einem dringenden sozialen Bedürfnis entsprechen und insbesondere in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Ziel einer dauerhaften Aufenthaltsbeendigung stehen. Um letztere geht es in der Sache bei dem Kläger, wie die im Rücknahmebescheid enthaltene Ausreiseaufforderung mit Abschiebungsandrohung zeigt.

Mit dieser grundsätzlichen Wertentscheidung, wegen der die nationalen Gerichte nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) beispielsweise in Ausweisungsverfahren selbst bei Vorliegen schwerster Straftaten des betroffenen Ausländers aus dem Katalog der – nach dem Verständnis des deutschen Bundesgesetzgebers – „zwingend“ eine Aufenthaltsbeendigung gebietenden Delikte (§ 53 AufenthG) gehalten sind, derartige Integrationsleistungen und speziell etwa die Dauer des Aufenthalts im Einzelfall, das Verhalten des Betroffenen seit der Tatbegehung sowie die sozialen, kulturellen und familiären Beziehungen angemessen in die Fallbeurteilung einzustellen, (vgl. hierzu zuletzt OVG des Saarlandes, Urteil vom 4.2.2010 – 2 A 448/08 –, dort insbesondere zu den in der Rechtsprechung des EGMR, Urteile vom 28.6.2007 – 31753/02, InfAuslR 2007, 325, zum Fall eines unter anderem wegen mehrfachen versuchten schweren Menschenhandels, Zuhälterei, Drogendelikten, Trunkenheit im Verkehr und nach den Feststellungen des (nationalen) Strafgerichts mit „äußerster Brutalität“ begangener mehrfacher gefährlicher Körperverletzung zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilten Ausländers, und vom 23.6.2008 – 1638/03 –, InfAuslR 2008, 333 entwickelten allgemeinen Leitlinien zur Einzelfallbewertung) lässt es sich nicht vereinbaren, dass die Widerspruchsbehörde zwar formal auf eine „Berücksichtigung“ des Interesses des Klägers „an einem weiteren Aufenthalt und an der Aufrechterhaltung seiner beruflichen und sozialen Existenz in Deutschland“ hinweist, sodann „jedoch“ deren geringeres Gewicht herausstellt, weil er „wissentlich falsche Angaben zu seinem Familienstand“ gemacht habe und deswegen der „Grund der fehlerhaften Aufenthaltstitel allein in seinem Bereich“ liege. Dies wie auch der anschließende, wohl generalpräventiv motivierte Hinweis einer gebotenen Vermeidung der Besserstellung gegenüber anderen Ausländern lässt die notwendige angemessene Berücksichtigung der genannten Rechtsstellung des Klägers vermissen. Gleiches gilt für den Hinweis, dass ebenfalls „berücksichtigt“ worden sei, dass der Kläger schon seit mehr als 25 Jahren in Deutschland lebe und seit langer Zeit auch arbeite. Direkt im anschließenden Satz weist die Widerspruchsbehörde darauf hin, „jedoch“ basierten langer Aufenthalt und Zugang zum Arbeitsmarkt „unberechtigter Weise auf der nicht dem Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG unterfallenden“ früheren Ehe mit Frau K. Beide Gegenüberstellungen machen deutlich, dass die sich quasi aufdrängende Problematik des Falles hinsichtlich Aufenthaltsdauer, Integrationsleistungen, sonstiger strafrechtlicher „Unbescholtenheit“ und langjähriger wirtschaftlicher Eigensicherung des Lebensunterhalts durch den Kläger zwar gesehen, indes jeweils sofort unter Hinweis darauf zumindest sehr stark relativiert, wenn nicht gänzlich mit der Erwägung „vom Tisch gewischt“ worden ist, dass es sich dabei um die nicht schutzwürdigen Früchte eines Fehlverhaltens des Klägers zu Beginn seines Aufenthalts in Deutschland handele. Das Verschweigen der Heirat mit Frau U vor nunmehr fast 30 Jahren rechtfertigt es aber im Ergebnis nicht, dass dem Kläger heute schutzwürdige Belange im Sinne des Art. 8 EMRK und der dazu allgemein vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) aufgestellten Leitlinien und Beurteilungskriterien (vgl. hierzu OVG des Saarlandes, Urteil vom 4.2.2010 – 2 A 448/08 –, unter Verweis auf EGMR, Urteil vom 28.6.2007 – 31753/02 –, InfAuslR 2007, 325) grundsätzlich abgesprochen werden. Nach dem in der Festlegung des Schutzbereichs des Art. 8 Abs. 1 EMRK durch die Vertragsstaaten zum Ausdruck gebrachten Grundanliegen kann es hierbei nicht darum gehen, ein – vom Kläger inzwischen eingestandenes – Fehlverhalten bei der Eheschließung im Jahre 1982 durch unzutreffende Angabe seines Familienstandes nunmehr nachträglich im Wege der Rücknahme seiner Aufenthaltstitel zu ahnden und den Kläger so nachträglich (doch noch) zu „bestrafen“. Vor diesem Hintergrund haben der Beklagte beziehungsweise die Widerspruchsbehörde auch bei Berücksichtigung des ihnen hinsichtlich der Gewichtung der beteiligten Interessen im Rahmen der Ermessensausübung zuzubilligenden Beurteilungsspielraums die Bedeutung der gegen einen Widerruf sprechenden Belange des seit Jahrzehnten „unbescholten“ in Deutschland lebenden und insbesondere beruflich und wirtschaftlich integrierten Klägers verkannt. Eine grundlegend abweichende Beurteilung erscheint auch nicht schon deswegen gerechtfertigt, weil die Täuschung bei der Erteilung der anschließenden Aufenthaltstitel in den Jahren 1983 bis 1987 „fortwirkte“ oder weil sie bei Stellung des Visumsantrags von Frau U (2006) wohl mit Wissen des Klägers „verschleiert“ werden sollte.

Klarstellend sei hinzugefügt, dass diese Entscheidung maßgeblich bestimmt wird durch die Umstände des konkreten Einzelfalles, insbesondere die sehr lange Dauer seines Aufenthalts mit der Folge des entsprechenden zeitlichen Abstands zur ihm nunmehr vom Beklagten vorgehaltenen „Lüge“, die allein Anlass für ein behördliches Tätigwerden bot, und das – jedenfalls aktenkundig – tadellose Verhalten des Klägers über diesen langen Zeitraum. Der Widerspruchsbehörde ist sicher zuzugestehen, dass der Kläger in Deutschland keine Verwandten hat. Dass dieser Aspekt von der Behörde als ausreichend tragend für die Rücknahmeentscheidung angesehen worden wäre, kann allerdings nach dem zuvor Gesagten ausgeschlossen werden. Maßgebender Grund für die Entschließung zum Widerruf war vielmehr allein die genannte grundlegende Relativierung aller langjährig erbrachten Integrationsleistungen des Klägers durch den Verweis auf den Umstand, dass sein Aufenthalt allein auf die Heirat im Jahr 1982 beziehungsweise die seinerzeitige unrichtige Angabe des Familienstands zurückzuführen sei.

Die Frage, ob der Ehefrau des Klägers nach den einschlägigen aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen in dem § 30 AufenthG bei seinem Verbleib in Deutschland ein Anspruch auf Ehegattennachzug zustünde, ist selbständig anhand der insoweit geltenden gesetzlichen Anforderungen zu beantworten, rechtfertigt es aber ebenfalls nicht, dem Interesse des Klägers an einem weiteren Leben in Deutschland ein deutlich gemindertes Gewicht beizumessen. Wie jeder andere Ausländer hat auch der Kläger bei Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben das Recht auf Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet. Das gilt auch für die in anderem Zusammenhang, nämlich bei der Beurteilung der Rücknahmevoraussetzungen, als gültige (erste) Heirat berücksichtigte Eheschließung zwischen dem Kläger und Frau U. Schließlich ist auch den in den Behördenentscheidungen anklingenden generalpräventiven Gesichtspunkten keine derart herausgehobene Bedeutung beizumessen, dass sie eine Zurückstellung der gewichtigen Interessen des Klägers rechtfertigen könnten. Soweit insoweit die Schaffung eines „Berufungsfalls“ befürchtet wird, bleibt festzustellen, dass ein inhaltlich vergleichbarer Fall – wenn überhaupt – doch allenfalls sehr selten praktisch werden dürfte. Die starke Einzelfallabhängigkeit dieser Betrachtung zeigt beispielhaft der Fall eines Landsmanns des Klägers, in dem das OVG Münster (vgl. OVG Münster, Urteil vom 3.12.2009 – 18 A 1787/06 –, juris, dort Rn 181 bis 185) die Rücknahme der Aufenthaltserlaubnisse – nachvollziehbar – als (auch) ermessensgerecht gebilligt hat. Dieser hatte bei vergleichbarer Ausgangslage zuvor seinen Aufenthalt im Wege der Asylantragstellung unter Täuschung gegenüber dem Bundesamt über seine Identität zu sichern versucht, an dem Versuch der Täuschung über seinen Familienstand bis zum Abschluss des gerichtlichen Verfahrens festgehalten, Unterhaltspflichten gegenüber der (zweiten) deutschen Ehefrau vernachlässigt, war in Deutschland lediglich befristet zu Hilfstätigkeiten beschäftigt gewesen und war auch ansonsten straffällig geworden.

Vor diesem Hintergrund waren die Rücknahmeentscheidungen im Fall des Klägers wegen einer in dieser Form den besonderen Sachverhaltsumständen nicht gerecht werdenden Ermessensbetätigung und der sich daraus ergebenden Nichtbeachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne aufzuheben.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus dem § 154 Abs. 1 VwGO. Der vom Kläger gesondert beantragte Ausspruch nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO ist gerechtfertigt, da er angesichts der Schwierigkeit der durch den Rechtsbehelf zur Beurteilung gestellten Sach- und Rechtslage die Hinzuziehung seines Bevollmächtigten bereits im Widerspruchsverfahren für geboten erachten durfte.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

Beschluss

Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 5.000,- EUR festgesetzt (§§ 52 Abs. 1, 47 Abs. 2, 63 Abs. 2 GKG, ebenso bereits die vorläufige Festsetzung im Beschluss vom 3.11.2009 – 2 A 315/09 –).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Die Niederlassungserlaubnis ist ein unbefristeter Aufenthaltstitel. Sie kann nur in den durch dieses Gesetz ausdrücklich zugelassenen Fällen mit einer Nebenbestimmung versehen werden. § 47 bleibt unberührt.

(2) Einem Ausländer ist die Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn

1.
er seit fünf Jahren die Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
sein Lebensunterhalt gesichert ist,
3.
er mindestens 60 Monate Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung geleistet hat oder Aufwendungen für einen Anspruch auf vergleichbare Leistungen einer Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung oder eines Versicherungsunternehmens nachweist; berufliche Ausfallzeiten auf Grund von Kinderbetreuung oder häuslicher Pflege werden entsprechend angerechnet,
4.
Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung unter Berücksichtigung der Schwere oder der Art des Verstoßes gegen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung oder der vom Ausländer ausgehenden Gefahr unter Berücksichtigung der Dauer des bisherigen Aufenthalts und dem Bestehen von Bindungen im Bundesgebiet nicht entgegenstehen,
5.
ihm die Beschäftigung erlaubt ist, sofern er Arbeitnehmer ist,
6.
er im Besitz der sonstigen für eine dauernde Ausübung seiner Erwerbstätigkeit erforderlichen Erlaubnisse ist,
7.
er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt,
8.
er über Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet verfügt und
9.
er über ausreichenden Wohnraum für sich und seine mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen verfügt.
Die Voraussetzungen des Satzes 1 Nr. 7 und 8 sind nachgewiesen, wenn ein Integrationskurs erfolgreich abgeschlossen wurde. Von diesen Voraussetzungen wird abgesehen, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht erfüllen kann. Im Übrigen kann zur Vermeidung einer Härte von den Voraussetzungen des Satzes 1 Nr. 7 und 8 abgesehen werden. Ferner wird davon abgesehen, wenn der Ausländer sich auf einfache Art in deutscher Sprache mündlich verständigen kann und er nach § 44 Abs. 3 Nr. 2 keinen Anspruch auf Teilnahme am Integrationskurs hatte oder er nach § 44a Abs. 2 Nr. 3 nicht zur Teilnahme am Integrationskurs verpflichtet war. Darüber hinaus wird von den Voraussetzungen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 abgesehen, wenn der Ausländer diese aus den in Satz 3 genannten Gründen nicht erfüllen kann.

(3) Bei Ehegatten, die in ehelicher Lebensgemeinschaft leben, genügt es, wenn die Voraussetzungen nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 3, 5 und 6 durch einen Ehegatten erfüllt werden. Von der Voraussetzung nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 3 wird abgesehen, wenn sich der Ausländer in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder einem Hochschulabschluss führt. Satz 1 gilt in den Fällen des § 26 Abs. 4 entsprechend.

(4) Auf die für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis erforderlichen Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis werden folgende Zeiten angerechnet:

1.
die Zeit des früheren Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis oder Niederlassungserlaubnis, wenn der Ausländer zum Zeitpunkt seiner Ausreise im Besitz einer Niederlassungserlaubnis war, abzüglich der Zeit der dazwischen liegenden Aufenthalte außerhalb des Bundesgebiets, die zum Erlöschen der Niederlassungserlaubnis führten; angerechnet werden höchstens vier Jahre,
2.
höchstens sechs Monate für jeden Aufenthalt außerhalb des Bundesgebiets, der nicht zum Erlöschen der Aufenthaltserlaubnis führte,
3.
die Zeit eines rechtmäßigen Aufenthalts zum Zweck des Studiums oder der Berufsausbildung im Bundesgebiet zur Hälfte.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist dem ausländischen

1.
Ehegatten eines Deutschen,
2.
minderjährigen ledigen Kind eines Deutschen,
3.
Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge
zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Sie ist abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 zu erteilen. Sie soll in der Regel abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 erteilt werden. Sie kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 dem nicht personensorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen erteilt werden, wenn die familiäre Gemeinschaft schon im Bundesgebiet gelebt wird. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 ist in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Dem Ausländer ist in der Regel eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er drei Jahre im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Deutschen im Bundesgebiet fortbesteht, kein Ausweisungsinteresse besteht und er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. § 9 Absatz 2 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend. Im Übrigen wird die Aufenthaltserlaubnis verlängert, solange die familiäre Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(3) Die §§ 31 und 34 finden mit der Maßgabe Anwendung, dass an die Stelle des Aufenthaltstitels des Ausländers der gewöhnliche Aufenthalt des Deutschen im Bundesgebiet tritt. Die einem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge erteilte Aufenthaltserlaubnis ist auch nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes zu verlängern, solange das Kind mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und das Kind sich in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder Hochschulabschluss führt.

(4) Auf sonstige Familienangehörige findet § 36 entsprechende Anwendung.

(5) (weggefallen)

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet für ausländische Familienangehörige (Familiennachzug) wird zum Schutz von Ehe und Familie gemäß Artikel 6 des Grundgesetzes erteilt und verlängert.

(1a) Ein Familiennachzug wird nicht zugelassen, wenn

1.
feststeht, dass die Ehe oder das Verwandtschaftsverhältnis ausschließlich zu dem Zweck geschlossen oder begründet wurde, dem Nachziehenden die Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen, oder
2.
tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme begründen, dass einer der Ehegatten zur Eingehung der Ehe genötigt wurde.

(2) Für die Herstellung und Wahrung einer lebenspartnerschaftlichen Gemeinschaft im Bundesgebiet finden die Absätze 1a und 3, § 9 Abs. 3, § 9c Satz 2, die §§ 28 bis 31, 36a, 51 Absatz 2 und 10 Satz 2 entsprechende Anwendung.

(3) Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs kann versagt werden, wenn derjenige, zu dem der Familiennachzug stattfindet, für den Unterhalt von anderen Familienangehörigen oder anderen Haushaltsangehörigen auf Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch angewiesen ist. Von § 5 Abs. 1 Nr. 2 kann abgesehen werden.

(3a) Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs ist zu versagen, wenn derjenige, zu dem der Familiennachzug stattfinden soll,

1.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuches bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuches vorbereitet oder vorbereitet hat,
2.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
3.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
4.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs darf längstens für den Gültigkeitszeitraum der Aufenthaltserlaubnis des Ausländers erteilt werden, zu dem der Familiennachzug stattfindet. Sie ist für diesen Zeitraum zu erteilen, wenn der Ausländer, zu dem der Familiennachzug stattfindet, eine Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18d, 18f oder § 38a besitzt, eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte oder eine Mobiler-ICT-Karte besitzt oder sich gemäß § 18e berechtigt im Bundesgebiet aufhält. Im Übrigen ist die Aufenthaltserlaubnis erstmals für mindestens ein Jahr zu erteilen.

(5) (weggefallen)

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 7. September 2009 – 10 L 617/09 – abgeändert und der Antrag zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der am … 1993 in B-Stadt geborene Antragsteller ist türkischer Staatsangehöriger. Seine Eltern Ö und Ü A. besitzen jeweils eine Niederlassungserlaubnis und leben in A-Stadt. Unter dieser Adresse ist auch der Antragsteller, der dort einen Kindergarten und bis 2004 die Grundschule besucht hat, gemeldet. Ihm wurde 1998 eine altersbezogen auf den 14.6.2009 befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt. Am 8.6.2009 beantragten die Eltern für diesen die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis.

Ausweislich eines Aktenvermerks des Antragsgegners vom 9.6.2009 erklärten die Eltern des Antragstellers im Rahmen erneuter Vorsprache in seinem Beisein, dass dieser seit 2004 – wie seine 1999 ebenfalls in Deutschland geborene Schwester A. – Schulen in der Türkei besuche, in dieser Zeit dort bei Verwandten lebe und jeweils an Weihnachten sowie in den Sommerferien zu ihnen nach Deutschland komme. Ausweislich einer vorgelegten Schülerbescheinigung des Direktorats des privaten naturwissenschaftlichen Gymnasiums T. vom Mai 2009 ging der Antragsteller damals in die 2. Klasse und wird voraussichtlich 2011 diese Schule nach der 4. Klasse abschließen.

Nachdem der Antragsgegner noch im Juni 2009 schriftlich darauf hingewiesen hatte, dass er den Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis abzulehnen beabsichtige, weil der Titel aufgrund des Schulbesuchs in der Türkei erloschen sei, hat der Antragsteller im Juli 2009 das vorliegende Anordnungsverfahren eingeleitet. Er begehrt die Verpflichtung des Antragsgegners, ihm eine Aufenthaltserlaubnis „zum Zwecke des regelmäßigen Schulbesuchs in der Türkei zu erteilen“. Er hat geltend gemacht, er habe seit dem Schuljahr 2004/2005 zunächst das private College K. in der Türkei besucht, sei 2007 auf das Gymnasium T. gewechselt, gehe in die Klasse 10a, werde voraussichtlich 2011 dort sein Abitur machen und beabsichtige anschließend, in Deutschland zu studieren. Er sei in Deutschland geboren und habe 11 Jahre lang eine Aufenthaltserlaubnis besessen. Er halte sich auch keine sechs Monate ununterbrochen im Ausland auf, da er jeweils in den Sommer-, den Weihnachts- und den Osterferien bei seinen Eltern in Deutschland sei. Auch ein längerer Auslandsaufenthalt führe nicht zum Erlöschen des Aufenthaltstitels, wenn der Zeitraum – wie hier – überschaubar sei.

Der Antragsgegner hat vorgetragen, bei einem nunmehr fünf Jahre währenden Schulbesuch in der Türkei könne nicht mehr von einem vorübergehenden Grund für das Verlassen der Bundesrepublik ausgegangen werden. Für das daran anknüpfende Erlöschen der Aufenthaltserlaubnis sei es ohne Bedeutung, ob der Antragsteller regelmäßig seine Eltern in Deutschland besucht habe und ob zwischen den Besuchen mehr als 6 Monate vergangen seien oder nicht.

Durch Beschluss vom 7.9.2009 hat das Verwaltungsgericht dem Antragsgegner aufgegeben, dem Antragsteller die Aufenthaltserlaubnis zum Kindernachzug „vorläufig zu verlängern“. In den Gründen ist ausgeführt, der Antragsteller habe einen Anspruch auf vorläufige Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Kindernachzugs jedenfalls auf der Grundlage des § 32 Abs. 2 AufenthG glaubhaft gemacht. Diese Vorschrift sei allein anwendbar, wenn man wegen des mehrjährigen, nur durch Ferienaufenthalte unterbrochenen Schulbesuchs in der Türkei davon ausgehe, dass sein aufgrund des früheren ständigen Aufenthalts in Deutschland entstandener Anspruch auf Familiennachzug nach Art. 7 ARB Nr. 1/80 entfallen sei, weil er die Bundesrepublik für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigten Grund verlassen habe. Insoweit sollten nach der Rechtsprechung bereits Abwesenheiten, die über einen kurzen Urlaubsaufenthalt oder einen Familienbesuch im Heimatland hinausgingen, anspruchsschädlich sein. Die Voraussetzungen des § 32 Abs. 2 AufenthG lägen hier vor. Der in Deutschland geborene Antragsteller habe das 16. Lebensjahr vollendet, habe hier den Kindergarten und bis zum 11. Lebensjahr die Schule besucht, sei daher integriert, beide Eltern besäßen eine Niederlassungserlaubnis und die Mutter strebe sogar den kurz bevorstehenden Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit an. Die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen seien ebenfalls erfüllt. Der Antragsgegner nehme zu Unrecht an, dass der Antragsteller aufgrund eines Erlöschens seiner Aufenthaltserlaubnis infolge des Aufenthalts in der Türkei unerlaubt eingereist sei. Das sei nach der im Zeitpunkt der Aufnahme des Schulbesuchs (2004) maßgeblichen Vorschrift (§ 44 Abs. 1 Nr. 1 AuslG) beziehungsweise gemäß dem nunmehr einschlägigen § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG nur der Fall, wenn der Ausreisegrund nach den Umständen des Einzelfalls seiner Natur nach nicht nur vorübergehend sei. Das sei anzunehmen, wenn sich der Zweck der Ausreise nicht auf einen überschaubaren Zeitraum beziehe, sondern langfristig und völlig unbestimmt, also auf unabsehbare Zeit angelegt sei. Besuche ein Minderjähriger entsprechend der seinen Eltern zustehenden Entscheidung über seinen Bildungsgang im Heimatstaat oder im sonstigen Ausland eine allgemeinbildende Schule, so liege eine nicht nur vorübergehende Abwesenheit im Bundesgebiet vor, wenn das Ende der Ausbildung nicht absehbar sei. Etwas anderes gelte dagegen, wenn nach den Gesamtumständen die Rückkehrabsicht nicht in Frage und die zeitlich begrenzte Dauer der Ausbildung von vorneherein feststehe. Nach diesen Maßstäben sei der Antragsteller aufgrund seines Schulbesuchs in der Türkei, der gerade nicht auf unabsehbare Zeit angelegt sei, nur vorübergehend abwesend. Da der Antragsteller zudem glaubhaft vorgetragen habe, dass er regelmäßig jeweils in den Ferien zu den Eltern nach Deutschland reise, könne auch nicht vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG ausgegangen werden, der ein Erlöschen unabhängig von den Ausreisemotiven daran knüpfe, dass der Ausländer nicht spätestens nach 6 Monaten wieder einreise. Im Ergebnis sei festzuhalten, dass die Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers nicht erloschen und dass der Antragsgegner gehalten sei, über den rechtzeitig gestellten Antrag auf Verlängerung zu entscheiden und dass bis zu dieser Entscheidung der Aufenthalt nach § 81 Abs. 4 AufenthG als rechtmäßig gelte. Die mit der Entscheidung verbundene Vorwegnahme der Hauptsache sei gerechtfertigt, weil dem Antragsteller der geltend gemachte Anspruch mit hoher Wahrscheinlichkeit zustehe und weil ihm ein Verweis auf das Visumsverfahren nicht zugemutet werden könne. Dem minderjährigen Antragsteller stehe aufgrund des Art. 6 Abs. 1 GG beziehungsweise nach Art. 8 EMRK ein „nahezu zwingender“ Anspruch auf Zuzug zu seinen in Deutschland lebenden Eltern zu. Es erscheine formalistisch, ihn auf das persönlich und finanziell aufwändige Visumsverfahren zu verweisen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners. Durch Beschluss vom 14.9.2009 – 2 B 449/09 – hat der Senat seinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der angegriffenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidung zurückgewiesen.

II.

Die gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 7.9.2009 – 10 L 617/09 – gerichtete Beschwerde des Antragsgegners, durch den ihm aufgegeben wurde, dem Antragsteller „die Aufenthaltserlaubnis zum Kindernachzug vorläufig zu verlängern“, ist zulässig und begründet.

Dem Antragsteller steht der geltend gemachte Anordnungsanspruch (§ 123 Abs. 1 VwGO) nicht zu. Für das vorliegende Rechtsmittelverfahren kann dahinstehen, ob die Erteilung einer befristeten Aufenthaltserlaubnis in Befolgung des angegriffenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts (vgl. zur entsprechenden Interpretation und Klarstellung des Entscheidungstenors den Beschluss des Senats vom 14.9.2009 – 2 B 449/09 –, mit dem der Antrags des Antragsgegners auf Zwischenentscheidung nach den §§ 149, 173 VwGO, 570 Abs. 3 ZPO zurückgewiesen wurde) als Entscheidung über den jedenfalls ersichtlich nie förmlich abschlägig beschiedenen, am 8.6.2009 für den Antragsteller gestellten Verlängerungsantrag zu sehen ist beziehungsweise ob dieser Antrag noch die Wirkungen des § 81 Abs. 4 AufenthG hatte, so dass dem Antragsteller bis zu einer abschließenden Entscheidung (erneut) eine entsprechende Bescheinigung auszustellen wäre (§ 81 Abs. 5 AufenthG). Für das vorliegende Verfahren kann im Ergebnis insbesondere offen bleiben, ob die dem Antragsteller im Jahr 1998 befristet bis zu seinem 16. Geburtstag (... 2009) erteilte Aufenthaltserlaubnis – was das Verwaltungsgericht verneint hat und von dem Antragsgegner ungeachtet der Ausstellung der Fiktionsbescheinigung in erster Linie vorgetragen wird – bereits nach Maßgabe des § 51 Abs. 1 Nr. 6 oder Nr. 7 AufenthG oder erst durch den Ablauf der Geltungsdauer (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) erloschen ist.

Da für die begehrte Verlängerung eines Aufenthaltstitels nach § 8 Abs. 1 AufenthG in materiellrechtlicher Hinsicht dieselben Anforderungen gelten wie für die (erstmalige) Erteilung ist mit Blick auf den für den Erfolg des Rechtsbehelfs des Antragsteller glaubhaft zu machenden Anordnungsanspruch (§ 123 Abs. 1 VwGO) entscheidend darauf abzustellen, ob dieser aus den Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes einen Anspruch auf Erteilung (Verlängerung) einer Aufenthaltserlaubnis für einen künftigen Aufenthalt in der Bundesrepublik herzuleiten vermag. Das ist entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu verneinen.

Ein entsprechender Anspruch ergibt sich nicht aus der üblicherweise den Fall minderjähriger Ausländer, die bereits eine Aufenthaltserlaubnis aus Gründen des Familiennachzugs, das heißt zur Wahrung oder Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft (§ 27 Abs. 1 AufenthG) mit den Eltern, besitzen, regelnden Bestimmung in § 34 Abs. 1 AufenthG. Zwar sind beide in Deutschland lebenden Elternteile des nach wie vor minderjährigen Antragstellers im Besitz eines unbefristeten Aufenthaltstitels nach den §§ 4 Abs. 1 Nr. 3, 9 Abs. 1 AufenthG. Dieser lebt indes weder gegenwärtig mit den Eltern in einer familiären Lebensgemeinschaft (Alt. 1), noch kann nach gegenwärtigem Erkenntnisstand vom Vorliegen der Voraussetzungen für ein Wiederkehrrecht nach § 37 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ausgegangen werden (Alt. 2).

Grundlage für die als Ausfluss des grundrechtlichen Schutzes der Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) zu sehende und deshalb der Anerkennung des „familiären“ Aufenthaltszwecks in den §§ 27 ff. AufenthG zugrunde liegende Lebensgemeinschaft ist grundsätzlich eine häusliche Gemeinschaft zwischen den Familienmitgliedern. Diese besteht mit den Eltern seit dem Sommer 2004 nicht mehr. Damals hat der Antragsteller seinen Lebensmittelpunkt zumindest für einen inzwischen über 5 Jahre währenden Schulbesuch in die Türkei verlegt. Fehlt es an einem Zusammenleben im Sinne einer gemeinsamen Wohnung, kommt die Annahme einer familiären Lebensgemeinschaft nur in Betracht, wenn die für die Lebensgemeinschaft kennzeichnende Beistands- oder Betreuungsgemeinschaft, etwa bei einer erforderlichen Unterbringung eines Familienmitglieds in einem Behinderten- oder Pflegeheim, auf andere Weise verwirklicht wird. Bei einer berufs- und ausbildungsbedingten Trennung der Familienmitglieder setzt die Anerkennung einer familiären Lebensgemeinschaft zwingend voraus, dass die Angehörigen regelmäßigen Kontakt zueinander pflegen, der über bloße Besuche hinausgeht. Davon kann nach dem vorgetragenen Sachverhalt hier nicht ausgegangen werden. Der Antragsteller lebt seit Jahren in der Türkei und besucht seine Eltern lediglich – wenn auch nach seinem Vorbringen regelmäßig – in den Schulferien. Weiter gehende Kontakte, wie sie etwa regelmäßig zwischen Eltern und ihren in Internaten im Inland in Schulausbildung befindlichen Kindern, stattfinden, sind aufgrund der räumlichen Trennung nicht zu erwarten und auch im konkreten Fall nicht vorgetragen. Vor diesem Hintergrund spricht hier bei der gebotenen Einzelfallbetrachtung alles für das Vorliegen einer nach Artikel 6 GG und daher auch aufenthaltsrechtlich nicht als schutzwürdig, jedenfalls nicht als anspruchsbegründend anzuerkennenden Begegnungsgemeinschaft zwischen dem Antragsteller und seinen Eltern.

Dass im Falle des in Deutschland geborenen und bis zum 11. Lebensjahr hier aufgewachsenen Antragstellers die normalerweise für Erwachsene geltenden, wegen des Verweises in § 34 Abs. 1 Satz 1 AufenthG vorliegend aber entsprechend anzuwendenden Voraussetzungen für ein Wiederkehrrecht nach § 37 AufenthG erfüllt sind, kann ebenfalls nicht angenommen werden. Insoweit dürfte es schon an dem insoweit geforderten mindestens sechsjährigen Schulbesuch im Bundesgebiet (§ 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) fehlen. Der Antragsteller hat nach eigenem Vorbringen lediglich die Grundschule in A-Stadt durchlaufen, bevor der Wechsel auf eine Schule im Heimatland, konkret das College K., vollzogen wurde. Insoweit sind hier auch keine Umstände erkennbar, die ausnahmsweise die Annahme eines besonderen Härtefalles rechtfertigen könnten (§ 37 Abs. 2 Satz 1 AufenthG).

In jedem Fall scheidet aber die Erteilung beziehungsweise eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 34 AufenthG deswegen aus, weil der Antragsteller gegenwärtig überhaupt keinen (dauerhaften) Aufenthalt in der Bundesrepublik anstrebt und das gilt insbesondere auch für die vom Verwaltungsgericht im Falle des Antragstellers zu seinen Gunsten in Ansatz gebrachte Vorschrift des § 32 Abs. 2 AufenthG. Dies wird deutlich vor dem Hintergrund des bereits erwähnten, den Regelungen des gesamten Abschnitts 6 in Kapitel 2 des Aufenthaltsgesetzes (§§ 27 bis 36 AufenthG) zugrunde liegenden Zwecks des vom Gesetzgeber grundrechtlich geforderten Schutzes von Ehe und Familie im Sinne einer familiären Lebensgemeinschaft. Hier begehrt der Antragsteller, der absehbar noch Jahre, mindestens bis ins Jahr 2011, seine Schulausbildung in der Türkei fortsetzen möchte, die Aufenthaltserlaubnis nur aus dem Grund, um jederzeit problemlos in die Bundesrepublik ein- und ausreisen zu können. Die Absicht, seinen Lebensmittelpunkt aktuell wieder nach Deutschland zu den Eltern zurückzuverlegen, steht dagegen nach eigenem Vortrag auch nach dem Willen der das Aufenthaltsbestimmungsrecht ausübenden Eltern nicht im Raum. Wäre dies der Fall, so hätte der Antragsteller – wie das Verwaltungsgericht bezogen auf die Tatbestandsmerkmale des § 32 Abs. 2 AufenthG für minderjährige Ausländer ab 16 Jahren zutreffend gesehen hat – einen Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis, da nach seinem Lebenslauf keine durchgreifenden Zweifel hinsichtlich der danach geforderten, wesentlich am Sprachkriterium orientierten positiven Integrationsprognose bestehen. Zwar setzt ein Kindernachzug nach dieser Bestimmung einerseits nicht generell einen „Umzug“ voraus, kann also auch vom in Inland lebenden minderjährigen Ausländer bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen rechtlich geltend gemacht werden. Andererseits ist aber bei sich (bisher) regelmäßig im Ausland aufhaltenden Kindern von rechtmäßig in Deutschland lebenden Ausländern Voraussetzung, dass diese zu den Eltern zu- oder nachziehen, das heißt ihren Lebensmittelpunkt ins Inland verlagern wollen. Die Regelungen über den Zu- und Nachzug zur Herstellung oder Wahrung einer familiären Lebensgemeinschaft (§§ 27 ff. AufenthG) dienen nicht dazu, einem regelmäßig im Ausland verbleibenden Kind erleichterte Besuchsmöglichkeiten zu verschaffen.

Auch der § 32 Abs. 2 AufenthG verlangt daher von dem minderjährigen Ausländer, der die Regelungen über den Familiennachzug für sich in Anspruch nehmen möchte, die Verlegung seines Lebensmittelpunktes in die Bundesrepublik, konkret zu den hier bleibeberechtigten Eltern. Das erfordert eine Verlagerung des bisher im Ausland angesiedelten Schwerpunktes der persönlichen Lebens- und Arbeitsbeziehungen ins Inland. Bei in der Schulausbildung befindlichen Kindern und Jugendlichen liegt dieser Schwerpunkt in aller Regel in dem Land, in dem diese Ausbildung absolviert wird. Das ist im Falle des Antragstellers seit 2004 und nach eigenen Angaben mindestens bis zum Jahr 2011 eindeutig die Türkei. Der Aufenthalt des Antragstellers in der Bundesrepublik ist absehbar neben seiner Ausbildung auch künftig nur in einem begrenzten Zeitraum, nämlich während der Schulferien überhaupt möglich. Dabei handelt es sich rechtlich um Besuche bei den in Deutschland lebenden Eltern, die nicht die Grundlage für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 27 ff. AufenthG bilden können. Weshalb dem Antragsteller, der sich „aus freien Stücken“ für die Fortsetzung seiner Schulausbildung nach der in Deutschland absolvierten Grundschule in der Türkei entschieden hat, eine Verweisung auf das für Besuchsaufenthalte einschlägige Visumsverfahren unzumutbar sein sollte, erschließt sich nicht.

Dass der Antragsteller schließlich keinen Anspruch auf Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis aufgrund seiner Nationalität aus den sozialen Bestimmungen des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei (ARB 1/80), hier konkret dem die Rechtsstellung der Familienangehörigen assoziationsberechtigter, in den inländischen Arbeitsmarkt integrierter türkischer Arbeitnehmer regelnden Art. 7 ARB 1/80, für sich herleiten kann, hat bereits das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) festgestellt. Hierauf kann Bezug genommen werden. Nach der mangels weiterer Vorgaben durch die nationalen Gerichte einer Konkretisierung bedürftigen Rechtsprechung des EuGH verliert (auch) der Familienangehörige, der die Voraussetzungen des Art. 7 ARB 1/80 erfüllte, dieses Recht unter anderem dann, wenn er das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaates – hier also die Bundesrepublik – „für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlässt“. (vgl. etwa EuGH, Urteil (Vorabentscheidung) vom 16.2.2006 – C-502/04 –, Slg. Rspr. 2006, Seite I-01563) Mit dem mangels der in Satz 2 des Art. 7 ARB 1/80 vorausgesetzten abgeschlossenen Ausbildung in Deutschland (Aufnahmestaat) hier allein in Betracht kommenden Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 sollen günstige Voraussetzungen für eine Familienzusammenführung im Aufnahmemitgliedstaat geschaffen werden. Deshalb wird den Familienangehörigen zunächst gestattet, bei dem dem regulären Arbeitsmarkt angehörenden Arbeitnehmer zu leben und ihre Stellung wird später durch Verleihung des Rechts gestärkt, in diesem Staat auch selbst eine Beschäftigung aufzunehmen. (vgl. etwa EuGH, Urteil (Vorabentscheidung) vom 17.4.1997 – C-351/95 –, Slg. Rspr. 1997, Seite I-02133, wonach selbst bei einem im Inland befindlichen Familienangehörigen, der die Rechte des Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 beansprucht, die Vorschrift dahin auszulegen ist, dass die Mitgliedstaaten berechtigt sind, den Anspruch davon abhängig zu machen, dass sich die Familienzusammenführung, die Grund für die Einreise war, in einem tatsächlichen Zusammenleben mit dem Arbeitnehmer in häuslicher Gemeinschaft manifestiert) Eine mehrjährige, inzwischen über 5 Jahre andauernde, lediglich durch Besuchsaufenthalte in den Schulferien unterbrochene Abwesenheit des Antragstellers vom Bundesgebiet kann weder als eine einem Urlaubsaufenthalt oder einem Familienbesuch im Heimatland vergleichbare lediglich kurzfristige Unterbrechung des Aufenthalts im Aufnahmestaat (hier: Deutschland) angesehen werden, noch ist sie durch „berechtigte“ Gründe getragen, weil eine derart dauerhafte Verlagerung des Lebensmittelpunkts nicht der genannten Zielsetzung des Art. 7 ARB 1/80 entspricht (vgl. dazu etwa OVG Lüneburg, Urteil vom 11.1.2008 – 11 ME 418/07 –, InfAuslR 2008, 151, mit weiteren Nachweisen) und auch aus Sicht des Antragstellers bezogen auf die Eingliederung in hiesige Lebensverhältnisse zumindest nicht als integrationsfördernd begriffen werden kann.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in den §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 3, 52 Abs. 2, 47 GKG 2004, wobei eine Halbierung des Auffangstreitwerts gerechtfertigt erscheint.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Es wird unwiderlegbar vermutet, dass die Ehe gescheitert ist, wenn die Ehegatten seit einem Jahr getrennt leben und beide Ehegatten die Scheidung beantragen oder der Antragsgegner der Scheidung zustimmt.

(2) Es wird unwiderlegbar vermutet, dass die Ehe gescheitert ist, wenn die Ehegatten seit drei Jahren getrennt leben.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.