Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Beschluss, 27. Okt. 2017 - 1 MR 4/17

ECLI:ECLI:DE:OVGSH:2017:1027.1MR4.17.00
bei uns veröffentlicht am27.10.2017

Tenor

Auf den Antrag der Antragstellerin wird die Kreisverordnung des Antragsgegners zur einstweiligen Sicherstellung des geplanten Landschaftsschutzgebietes „Hohe Geest“ vom 01. Juli 2016 bis zur Entscheidung des Senats über den Normenkontrollantrag im Verfahren 1 KN 8/17 vorläufig außer Vollzug gesetzt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert beträgt 52.500,00 €.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin wendet sich im Normenkontrollverfahren 1 KN 8/17 (dort: Antragstellerin zu 1) u. a. gegen die Verordnung des Antragsgegners über die einstweilige Sicherstellung des geplanten Landschaftsschutzgebiets „Hohe Geest“ vom 01. Juli 2016 [im Folgenden: Sicherstellungsverordnung]. Der Geltungsbereich des geplanten Landschaftsschutzgebiets umfasst Flächen östlich von Heide und Meldorf, südlich der Eider und nördlich der Gemeinden Kuden und Burg/D. im Umfang von 29.394 ha; im Geltungsbereich liegt auch eine Fläche südlich von Tensbüttel und westlich von Schafstedt. Im Bereich der dort gelegenen Fläche „Krumstedter Viert“ plant die Antragstellerin die Errichtung von drei Windkraftanlagen (Vestas 117 [NH 116,5 m, RD 130 m, GH 180 m]).

2

Im Februar 2016 beantragte die Antragstellerin die Genehmigung der Windkraftanlagen. Die Genehmigungsbehörde leitete daraufhin das Genehmigungsverfahren ein, teilte aber mit, dass „durch die Sicherstellungsverordnung zur Hohen Geest … eine Aussicht auf Genehmigung nicht gegeben sei.“

3

Die am 01.07.2016 ausgefertigte und verkündete Sicherstellungsverordnung enthält in § 2 eine Beschreibung ihres Geltungsbereichs (mit Abgrenzungskarte); weiter ist darin u. a. bestimmt:

4

§ 3 Schutzzweck

5

(1) Die hügeligen Altmoränen der Geest stellen den ältesten charakteristischen Landschaftsraum des Kreises Dithmarschen dar. … Für die Bewahrung der Vielfalt, Eigenart und Schönheit dieser Landschaft bedarf es insbesondere des Schutzes vor einer weiteren Überprägung mit technischen Bauwerken wie Windkraftanlagen und Masten, von denen eine visuelle Fernwirkung ausgeht.

6

(2) Der Schutzzweck dieser Verordnung ist:

7

1. der Erhalt des Landschaftsbildes …
2. die Freihaltung dieses Landschaftsraumes von technischen Bauwerken, von denen eine visuelle Fernwirkung ausgeht (insbesondere Windkraftanlagen, Masten und andere Anlagen mit vergleichbaren Auswirkungen).

8

§ 4 Verbote

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(1) In dem einstweilig sichergestellten Gebiet sind alle Handlungen verboten, die den Charakter des Gebiets verändern können oder dem besonderen Schutzzweck zuwiderlaufen, … . Insbesondere ist es verboten:

10

1. bauliche Anlagen … zu errichten …
2. …
3. oberirdische Leitungen zu verlegen oder … wesentlich zu ändern.

11

(2) ….

12

§ 5 Zulässige Handlungen

13

(1) Unberührt von den Verboten des § 4 bleiben

14

1. - 12. …

15

(2) Zulässig ist die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen … im Außenbereich (§ 35 BauGB) mit folgenden Einschränkungen:

16

a) § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB
Nicht zulässig ist die Errichtung von Windkraftanlagen als Nebenanlagen zu landwirtschaftlichen Betrieben.

17

b) § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB
Der Bau neuer oder die wesentliche Änderung bestehender oberirdischer Leitungen ≥ 110 kV ist nicht zulässig.

18

c) § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB

19

- Kiesabbauvorhaben sind nicht zulässig.
- Nicht zulässig sind Ausschüttungen/Abgrabungen mit einer betroffenen Fläche von über 1000 m² oder einer zu verbringenden Menge von mehr als 30 m³.

20

d) § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB
Nicht zulässig ist die Errichtung von Windkraftanlagen.

21

e) Nicht zulässig ist die Errichtung von Masten oder anderen mastartigen Anlagen mit einer Höhe von über 10 m.

22

(3) …

23

§ 6 Ausnahmen, Befreiungen

24

(1) Die untere Naturschutzbehörde kann Ausnahmen zulassen, soweit sich dies mit dem Schutzzweck nach § 3 Abs. 2 vereinbaren lässt. …

25

(2) …

26

§ 7 Ordnungswidrigkeiten …

27

§ 8 Übergangsvorschrift

28

Vorhaben, die vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung genehmigt, aber noch nicht begonnen oder nicht beendet worden sind, können nach Maßgabe der Genehmigung verwirklicht werden.

29

Auf Vorhaben, für die vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung das Planfeststellungsverfahren eröffnet und die Bekanntgabe der Planauslegung veranlasst ist oder im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren ein entsprechender Stand erreicht ist (§ 10 Abs. 3 BImSchG), findet diese Verordnung keine Anwendung.

30

Der Normenkontrollantrag gegen die Sicherstellungsverordnung ist am 17.03.2017 gestellt worden; mit dem vorliegenden Antrag wird erstrebt, die Sicherstellungsverordnung vorläufig außer Vollzug zu setzen.

31

Die Antragstellerin ist der Ansicht, ihr Vorhaben sei im Hinblick auf die Vorbelastungen im Geltungsbereich der Verordnung landschaftsverträglich. Die Verordnung sei formell rechtswidrig, da sie in der verkündeten Fassung - insbesondere hinsichtlich ihres Geltungsbereichs - dem Kreistag nicht vorgelegen habe. Es sei auch nicht ersichtlich, dass die zugehörigen Karten ausgefertigt und ordnungsgemäß verkündet worden seien. Die Verordnung sei auch materiell unwirksam. Entgegen § 22 Abs. 3 BNatSchG werde nicht die Erhaltung von Natur und Landschaft bezweckt, sondern eine Regelung zur Steuerung der Windkraft im Kreisgebiet. Dies belege § 5 der Verordnung, wonach allein Windkraftanlagen gänzlich ausgeschlossen würden. Für einen weiträumigen Gebietsschutz bestehe wegen der Heterogenität der Gebietsstruktur kein Bedürfnis, so dass eine fachliche Begründung und Abgrenzung des Gesamtgebiets kaum möglich sei. Die Verordnung missachte auch die Verhältnismäßigkeit; eine abwägende Berücksichtigung von Nutzungsinteressen habe nicht stattgefunden. Es werde allein das Ziel verfolgt, in dem betroffenen - hervorragend geeigneten - Gebiet eine Windenergienutzung vollständig und ausschließlich zu unterbinden. Ohne Kenntnis des Gebiets würden in der Sicherstellungsverordnung Konkretisierungen der späteren Landschaftsschutzverordnung vorweggenommen. Die Sicherstellungsverordnung solle auch als „Hilfsinstrument“ dienen, um die laufende Regionalplanung des Landes für den Planungsraum III zu beeinflussen. Die Gebietsabgrenzung perpetuiere die Fehler der unwirksamen Regionalplanung 2012. Im unmittelbaren Grenzbereich zum Geltungsbereich der Verordnung befänden sich bereits Windparks, deren „Wirkraum“ weit in das Schutzgebiet reiche, außerdem auch Deponie- und Rohstoffabbauflächen sowie Hochspannungsfreileitungen. Warum angesichts dessen das Landschaftsbild noch schützenswert sei, werde nicht begründet.

32

Die erstrebte einstweilige Anordnung sei dringlich. Die Sicherstellungsverordnung stehe einer positiven Entscheidung ihrer Genehmigungsanträge entgegen; insoweit sei eine Umweltverträglichkeitsprüfung nicht erforderlich. Ohne die Sicherstellungsverordnung könne das Genehmigungsverfahren fortgeführt werden. Jede weitere Verzögerung führe zu Gewinneinbußen. Wegen des Zusammenhangs zur Regionalplanung bestehe auch ein öffentliches Interesse an der Klärung der Rechtmäßigkeit der Sicherstellungsverordnung. Die mit der Sicherstellungsverordnung verfolgten öffentlichen Belange seien auch im Rahmen der Raumordnungsplanung des Landes zu berücksichtigen. Die charakteristischen Landschaftsräume in Dithmarschen seien dort als Abwägungskriterium einzustellen.

33

Die Antragsgegnerin erwidert, dem Antrag fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Die von der Antragstellerin beantragten Anlagen seien raumbedeutsam, so dass § 18a LaPlaG Anwendung finde. Ob von dem dortigen Verbot eine Ausnahme erteilt werde, sei nicht gesichert und könne im vorliegenden Verfahren auch nicht geklärt werden. Die Sicherstellungsverordnung trete spätestens im Juli 2018 außer Kraft, also vor Ablauf der Sperrfrist nach § 18a LaPlaG am 30.09.2018; eine einstweilige Anordnung könne der Antragstellerin somit nichts nutzen. Zudem könnten sich im Beteiligungsverfahren Tatbestände ergeben, die der Genehmigung entgegenstünden. Die Übergangsvorschrift nach § 8 der Verordnung greife vorliegend nicht ein, da noch kein entsprechender Verfahrensstand erreicht worden sei.

34

Für eine Sicherstellung sei es bereits ausreichend, wenn der sichergestellte Bereich nach überschlägiger fachlicher Einschätzung für eine endgültige Unterschutzstellung in Betracht komme, was hier der Fall sei: Die Dithmarscher Geest sei ein besonders werthaltiger Landschaftsraum. Das gelte auch im Hinblick auf Vorbelastungen durch bestehende Windkraftanlagen, Windparks, Sendemasten, Silotürme, Freileitungen sowie Rohstoffabbau- bzw. Abfallbehandlungsanlagen. Das charakteristische Landschaftsbild der Geest sei gleichwohl weitgehend gewahrt worden. Für den Erlass der Sicherstellungsverordnung habe Handlungsbedarf bestanden, weil im Frühjahr 2016 die Gefahr einer regionalplanerischen Ausweisung von Potentialflächen für Windenergie im Bereich der Dithmarscher Geest bestanden habe. Zur Abwendung evtl. Negativfolgen sei der Erlass der Sicherstellungsverordnung das einzige adäquate Mittel gewesen. Die für die Anlagen der Antragstellerin vorgesehene Fläche befinde sich in einem an den Kernbereich des charakteristischen Landschaftsraumes angrenzenden Pufferbereich. Abgesehen von den Windparks Tensbüttel-Röst und Süderhastedt/Eggstedt sei das Landschaftsbild im fraglichen Bereich noch weitgehend intakt. Eine weitere Belastung sei aber nicht mehr verträglich. Das Vorhaben der Antragstellerin führe zu einem 6,5 km langen Riegel in Nord-Süd-Ausdehnung und schaffe einen Präzedenzfall. Für die Gebietsabgrenzung gelte ein großzügiger Maßstab. Freileitungen mit weniger massiven Gittermasten komme ein geringeres Gewicht zu, so dass sie aus dem Geltungsbereich der Verordnung nicht herausgenommen worden seien. Das Gleiche gelte für Sendemasten und Rohstoffabbauflächen. Eine Autobahn belaste das Landschaftsbild bei weitem nicht so wie Windkraftanlagen mit drehenden Rotoren.

35

Die Sicherstellungsverordnung sei formell und materiell rechtmäßig. Eine Gefährdung des Schutzzwecks (§ 22 Abs. 3 BNatSchG) habe vorgelegen, da durch die Teilaufstellung des Regionalplanes und die dortige Ausweisung von Potential- bzw. Vorrangflächen unwiderrufliche Tatsachen entstehen könnten. Wegen des engen Zeitrahmens sei von einer Beteiligung von Gemeinden, Verbänden und der Öffentlichkeit abgesehen worden; ein ausreichendes Beteiligungsverfahren werde im Rahmen des Verfahrens zum Erlass der Landschaftsschutzverordnung durchgeführt werden; dieses Verfahren solle im November 2017 eingeleitet werden. Die von der Antragstellerin vorgesehene Fläche sei nie für eine Windenergienutzung vorgesehen gewesen. Die Landesplanungsbehörde nehme eine Genehmigungsfähigkeit nach § 18a LaPlaG an, wenn eine Fläche ehemals Eignungsgebiet war und heute als Vorrangfläche dargestellt werden solle. Das sei hier nicht der Fall. Die Genehmigungsanträge der Antragstellerin hätten deshalb zurückgestellt werden müssen.

36

Für die Sicherung des Landschaftsbildes kämen allein die Instrumente des Bundes- bzw. Landesnaturschutzgesetzes in Betracht. Die Instrumente des Raumordnungsrechts seien dafür nicht geeignet. Der Schutz des in die Sicherstellungsverordnung einbezogenen Raumes könne durch § 18a LaPlaG nicht erreicht werden.

II.

37

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist gemäß § 47 Abs. 6 VwGO zulässig und begründet.

38

1. Eine einstweilige Anordnung kann ergehen, nachdem die Antragstellerin ihren Normenkontrollantrag (1 KN 8/17) innerhalb der Jahresfrist nach Bekanntmachung der Sicherstellungsverordnung im Juli 2016 gestellt hat (vgl. § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Die Antragstellerin ist antragsbefugt (1.1); sie kann auch ein anzuerkennendes Rechtsschutzbedürfnis für sich in Anspruch nehmen (1.2).

39

1.1 Die Antragstellerin ist unmittelbar von der angegriffenen Norm betroffen, da die für ihr Vorhaben in Aussicht genommene Fläche („…“) ausweislich der bei den Akten befindlichen Karten (B. 15, 16, 56 d. A.) im Geltungsbereich der angegriffenen Sicherstellungsverordnung liegt. Damit gelten das Verbot nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung sowie die Bestimmungen über die (Un-) Zulässigkeit von Windkraftanlagen im Geltungsbereich der angegriffenen Verordnung (§ 5 Abs. 2 lit. d der Verordnung), die einer Erteilung der beantragten Genehmigung von drei Windkraftanlagen entgegenstehen (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 22.11.2012, 12 LB 64/11, NuR 2013, 196 ff. [bei Juris Rn. 64 ff.]). Das wäre nur im Wege einer Ausnahme oder Befreiung nach § 6 der Verordnung zu überwinden. Dies stellt die Antragsbefugnis indes nicht in Frage.

40

Die angegriffene Verordnung findet auch auf das zur Genehmigung beantragte Vorhaben der Antragstellerin Anwendung. Das ist allerdings nicht, wie der Antragsgegner meint, daraus abzuleiten, dass das von der Antragstellerin betriebene Genehmigungsverfahren den nach § 8 Abs. 2 der Verordnung maßgeblichen Verfahrensstand noch nicht erreicht hat. Im vereinfachten immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren ist keine öffentliche Bekanntmachung des Vorhabens gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 BImSchG durch die zuständige Behörde (LLUR) erforderlich (§ 19 Abs. 2 BImSchG). Die Anwendbarkeit der angegriffenen Verordnung auf das von der Antragstellerin betriebene Genehmigungsverfahren folgt aber daraus, dass für vereinfachte Genehmigungsverfahren keine Übergangsvorschrift besteht, so dass sie ohne Weiteres für diesbezügliche Genehmigungsanträge gilt.

41

1.2 Die Einwände des Antragsgegners gegen ein Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin sind unbegründet.

42

1.2.1 Der Antragsgegner stützt seine Einwände im Wesentlichen auf § 18a LaPlaG. Dem ist nicht zu folgen:

43

Die genannte Vorschrift findet auf das Vorhaben der Antragstellerin zwar Anwendung, weil die geplanten Windkraftanlagen „raumbedeutsam“ sind. Das folgt aus ihrer Höhe (NH 116,5 m, RD 130 m, GH 180 m), die nach den Kriterien, die der Senat seinem Urteil vom 29.03.2017 - 1 LB 2/15 (zu 2.1.2.1 der Gründe) - zu Grunde gelegt hat, die Raumbedeutsamkeit begründet (ebenso: Mitschang/Schwarz/Kluge, UPR 2012, 404 [zu 2.1, Tab. 1]).

44

Nach § 18a Abs. 1 Satz 2 LaPlaG sind raumbedeutsame Windkraftanlagen im gesamten Landesgebiet bis zum 30.09.2018 „vorläufig unzulässig“. Daraus leitet der Antragsgegner ab, dass auch bei einem Erfolg des vorliegenden Antrags keine Genehmigung für die von der Antragstellerin beantragten Windkraftanlagen ergehen könnte.

45

Das mag zutreffen, allerdings ist dies - allein - aus § 18a Abs. 1 Satz 2 LaPlaG nicht abzuleiten, da die Landesplanungsbehörde nach § 18a Abs. 2 LaPlaG „für räumlich abgegrenzte Gebiete des Planungsraums oder im Einzelfall“ Ausnahmen zulassen kann. Der Antragsgegner meint zwar, die Erteilung einer Ausnahme sei weder gesichert noch könne dies vorliegend geklärt werden, doch kommt es darauf im Zusammenhang mit dem - vorliegend zu prüfenden - Rechtsschutzbedürfnis nicht an. Hier ist entscheidend, ob die Antragstellerin ihre Rechtsposition durch eine stattgebende Entscheidung im vorliegenden Verfahren verbessern kann (oder nicht). Diese Möglichkeit ist sowohl im Hinblick auf den (aktuellen) Stand des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens als auch auf die Relevanz der angegriffenen Sicherstellungsverordnung für eine (Ausnahme-) Entscheidung der Landesplanungsbehörde gegeben:

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Für das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren folgt eine (mögliche) Verbesserung der Rechtsposition der Antragstellerin daraus, dass die Genehmigungsbehörde derzeit dem Genehmigungsantrag schon wegen der angegriffenen Sicherstellungsverordnung keine Erfolgsaussichten beimisst, wie sich - klar - aus ihrer Mitteilung (E-Mail) vom 19.08.2016 (Bl. 21 d. A.) ergibt. Bei einem Erfolg des vorliegenden Antrages würde - damit - für das Genehmigungsverfahren die Folge eintreten, dass dieses fortgesetzt würde.

47

Eine Außervollzugsetzung der angegriffenen Sicherstellungsverordnung hätte - weiterhin - Auswirkungen auf eine (Ausnahme-) Entscheidung der Landesplanungsbehörde. Diese hat mit Runderlass vom 29.04.2016 (ABl. SH S. 424) die Kriterien zur Flächenermittlung bzw. zum Flächenausschluss zur raumordnerischen Steuerung der Windenergienutzung bekannt gegeben; danach werden einstweilig sichergestellte Gebiete den „harten“ oder „weichen“ Tabukriterien zugeordnet (s. Nr. 1, 10. Spiegelstrich und Nr. 2, 19. und 20. Spiegelstrich des Runderlasses). Wenngleich diese Zuordnung primär für die - abwägungsgesteuerte (§ 7 Abs. 2 S. 1 ROG) - Flächenauswahl und -abgrenzung maßgeblich sein wird, wird sie auch die Beantwortung der im Zusammenhang mit § 18a Abs. 2 LaPlaG zu beurteilenden Frage beeinflussen (müssen), ob die Zulassung einer Ausnahme die Verwirklichung der in Aufstellung befindlichen Ziele der Raumordnung befürchten lässt. Diese Befürchtung wäre, wenn die Sicherstellungsverordnung zu einem „harten“ oder „weichen“ Tabukriterium führt, voraussichtlich begründet. Insofern kommt dem „Vollzug“ der hier angegriffenen Verordnung auch für eine Ausnahmeentscheidung der Landesplanungsbehörde eine präjudizielle Wirkung zu.

48

1.2.2 Der allgemeine Einwand des Antragsgegners, wonach sich auch bei vollständigen Genehmigungsunterlagen im (weiteren) immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren noch Einwände ergeben könnten, die einer Genehmigungserteilung entgegenstünden, greift nicht durch. Abgesehen davon, dass einer Genehmigungserteilung letztlich nur solche Einwände entgegenstehen können, die - auch durch Nebenbestimmungen (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 1 BImSchG) - nicht ausräumbar sind, erfordert das Rechtsschutzbedürfnis im vorliegenden Verfahren keine „zu 100%“ sichere Prognose für einen Erfolg des Genehmigungsantrages der Antragstellerin. Es genügt, wenn sie durch einen Erfolg ihres Antrags ihre Rechtsposition verbessern kann, was - wie ausgeführt - bereits deshalb der Fall ist, weil das Genehmigungsverfahren in diesem Falle fortgeführt werden wird (s. o. 1.2.1). Aus diesem Grunde kann hier auch dahingestellt bleiben, ob der Genehmigung der von der Antragstellerin geplanten Windkraftanlagen eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorauszugehen hat; dieser Frage ist im Rahmen des weiteren immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens nachzugehen (s. dazu Nr. 1.6.3 der Anlage 1 zum UVPG).

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1.2.3 Die Ansicht des Antragsgegners, die Genehmigungsbehörde (LLUR) hätte die Entscheidung über die Genehmigungsanträge der Antragstellerin „mindestens bis zum Abschluss der ersten Runde des Beteiligungsverfahrens zur Teilaufstellung des Regionalplans“ zurückstellen müssen (Pkt. 4.2 des Schriftsatzes vom 28.09.2017), findet im Gesetz keine Stütze (vgl. § 10 Abs. 6a BImSchG, § 24 i. V. m. § 20 der 9. BImSchV).

50

1.3 Gegen die Zulässigkeit bestehen nach alledem keine durchgreifenden Bedenken.

51

2. Der Antrag der Antragstellerin ist auch begründet. Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann eine einstweilige Anordnung zur Außervollzugsetzung eine untergesetzlichen Norm ergehen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.

52

2.1 Allerdings ist der Erlass der begehrten Anordnung nicht (bereits) zur Abwehr „schwerer Nachteile“ geboten. Insofern ist auf rechtlich geschützte Interessen der Antragstellerin abzustellen, nicht dagegen auf eine Beeinträchtigung von Belangen der Allgemeinheit oder von Interessen Dritter (vgl. Giesberts, in: BeckOK VwGO, 2017, § 47 Rn. 92).

53

Die Antragstellerin leitet - für sie - bestehende Nachteile aus dem Vollzug der angegriffenen Verordnung ab, da diese - zum einen - einer „positiven“ Bescheidung ihres Genehmigungsantrages entgegenstehe und - zum anderen - jede weitere Verzögerung des Genehmigungsverfahrens zu Gewinneinbußen führe. Diese Gründe sind für die Annahme eines „schweren Nachteils“ unzureichend:

54

2.1.1 Ob der Genehmigungsantrag der Antragstellerin ohne die angegriffene Verordnung „positiv“ beschieden werden wird (oder kann), lässt sich derzeit nicht feststellen.

55

Das vereinfachte (§ 19 BImSchG i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 2 und Anhang 1 Nr. 1.6.2 der 4. BImSchV) Genehmigungsverfahren für die beantragten Windkraftanlagen ist, wie sich aus der Mitteilung (E-Mail) der Genehmigungsbehörde vom 19.08.2016 (Bl. 21 d. A.) ergibt, im Anschluss an das Inkrafttreten der angegriffenen Verordnung „stecken geblieben“, so dass - abgesehen von der Bestätigung der Genehmigungsbehörde, dass die erforderlichen Unterlagen vollständig sind (vgl. § 24 i.V.m. § 7 Abs. 2 der 9. BImSchV) - eine behördliche Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen noch nicht stattgefunden hat. Zu dieser Prüfung gehört - auch - die (gem. §§ 19 Abs. 2, 13 BImSchG „aufkonzentrierte“) Frage, ob im vorliegenden Einzelfall zur Überwindung der Unzulässigkeit der Vorhaben nach § 18a Abs. 1 Satz 2 LaPlaG eine Ausnahme zugelassen wird, ferner die Frage, ob und ggf. in welcher Weise etwaige (andere) Genehmigungshindernisse durch Nebenbestimmungen ausgeräumt werden können (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 1 BImSchG).

56

2.1.2 Soweit die angegriffene Verordnung bzw. der Streit um ihre Rechtswirksamkeit zu einer Verzögerung des Genehmigungsverfahrens führt, begründet auch dies keinen „schweren Nachteil“ i. S. d. § 47 Abs. 6 VwGO. Die Anwendung der angegriffenen Norm durch die Genehmigungsbehörde begründet - als solche - keinen „schweren Nachteil“ (vgl. Beschl. des Senats v. 21.08.2014, 1 MR 7/14, NordÖR 2015, 37). Zwar streitet zu Gunsten der Antragstellerin der das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren beherrschende Beschleunigungsgrundsatz (vgl. § 19 Abs. 2 i. V. m. § 10 Abs. 6a BImSchG; § 24 i. V. m. §§ 7, 20 Abs. 1 Satz 1 der 9. BImSchV), so dass sie unnötige Verzögerungen bei der Bearbeitung ihres Genehmigungsantrages bzw. bei der Entscheidung darüber nicht hinzunehmen braucht. Sie kann indes nicht beanspruchen, dass die Genehmigungsbehörde die angegriffene Verordnung unangewendet lässt, da dieser insoweit keine Verwerfungskompetenz zukommt. Dementsprechend sind Verzögerungen, die durch gerichtliche Verfahren zur Frage der Gültigkeit bzw. der Vollzugsaussetzung der angegriffenen Verordnung entstehen, hinzunehmen.

57

2.1.3 Die von der Antragstellerin befürchteten „Gewinneinbußen“ infolge einer Verzögerung des Genehmigungsverfahrens begründen ebenfalls keinen „schweren Nachteil“ i. S. d. § 47 Abs. 6 VwGO. Soweit die Verzögerung auf der (bloßen) Anwendung der angegriffenen Verordnung durch die Genehmigungsbehörde beruht, müsste zur Annahme eines „schweren Nachteils“ hinzukommen, dass infolgedessen eine schwerwiegende Beeinträchtigung rechtlich geschützter Positionen der Antragstellerin konkret zu erwarten ist (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 29.02. 2016, 10 B 134/16.NE, Juris [Rn. 5]). Das ist in Bezug auf „Gewinneinbußen“ nicht der Fall (vgl. OVG Schleswig, Urt. v. 28.04.2016, 4 LB 9/15, NordÖR 2016, 330 VGH Kassel, Urt. v. 18.03.2004, 4 N 348/99, NVwZ-RR 2005, 800).

58

Der Senat übersieht nicht, dass die Höhe der Einspeisevergütung für Strom aus Windkraftanlagen infolge einer Verzögerung ihrer Genehmigung (und Inbetriebnahme) sinken kann, da diese ab 2017 über Ausschreibungen und nicht mehr über feste Einspeisetarife festgelegt wird (vgl. § 22 EEG 2017 [BGBl. I 2017, 2532]). Diesem (neuen) „Regime“ werden die von der Antragstellerin geplanten Anlagen ohnehin unterliegen. Wie sich die Ausschreibungsergebnisse zu Einspeisevergütung künftig entwickeln werden, ist nicht absehbar. Ein Interesse der Antragstellerin, durch eine „schnellere“ Genehmigung (und Inbetriebnahme) ihrer Anlagen früher an Ausschreibungsverfahren zur Einspeisung von „Windstrom“ teilnehmen zu können, betrifft - wiederum - nur eine rechtlich nicht geschützte Erwerbschance und ist damit für das Vorliegen eines „schweren Nachteils“ unergiebig.

59

2.1.4 Der Hinweis der Antragstellerin darauf, dass auch öffentliche Interessen eine Klärung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Sicherstellungsverordnung verlangen, weil diese für die laufende Landesentwicklungsplanung zum Sachthema Windenergie relevant sei, mag zutreffen, vermag aber keinen „schweren Nachteil“ i. S. d. § 47 Abs. 6 VwGO zu begründen, weil es insoweit nur auf rechtlich geschützte Interessen der Antragstellerin ankommen kann (s. o. 2.1).

60

2.2 Demgegenüber ist die begehrte einstweilige Anordnung wegen anderer „wichtiger Gründe“ dringend geboten.

61

Der Erlass der einstweiligen Anordnung aus anderen „wichtigen Gründen“ setzt - zunächst - voraus, dass der (im Hauptsacheverfahren gestellte) Normenkontrollantrag zulässig und voraussichtlich begründet sein wird. Damit das Gewicht eines „wichtigen Grundes“ in etwa dem eines „schweren Nachteils“ entspricht, ist zu fordern, dass bereits im einstweiligen Rechtsschutzverfahren eine offensichtliche Erfolgsaussicht des Normenkontrollantrags angenommen werden kann (vgl. Beschl. des Senats vom 31.03.2015, 1 MR 2/15, n. v.; OVG Münster, Beschl. v. 10.02.2015, 2 B 1323/14.NE, Juris [Rn. 42 m. w. N.]). Wenn dies der Fall ist, liegt darin ein wesentliches Indiz dafür, dass die angegriffene Verordnung bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. Allerdings muss - damit die (begehrte) einstweilige Anordnung i. S. d. § 47 Abs. 6 VwGO auch „dringend geboten“ ist - hinzukommen, dass ein Tätigwerden des Gerichts bereits im einstweiligen Rechtsschutzverfahren erforderlich ist, weil eine (vorläufige) Weitergeltung der angegriffenen Norm nicht zumutbar ist (vgl. Beschlüsse des Senats vom 17.01.2017, 1 MR 6/16, Juris [Rn. 16 ] und vom 25.01.2017, 1 MR 5/16, Juris [Rn. 26]; vgl. auch VGH München, Beschl. v. 08.09.2017, 9 NE.17.1392, Juris [Rn. 23], OVG Greifswald, Beschl. v. 04.05.2017, 3 M 152/17, Juris [Rn. 50]). Insoweit ist auf die zu prognostizierenden tatsächlichen sowie rechtlichen Entwicklungen abzustellen und die daraus resultierenden Konsequenzen, die eintreten, wenn die einstweilige Anordnung nicht ergeht (Schoch, in: Schoch u. a., VwGO, Kommentar, 2016, § 47 Rn. 168).

62

Ausgehend von diesen Maßstäben ist festzustellen, dass sowohl offensichtliche Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags bestehen (2.2.1) als auch Gründe für eine Dringlichkeit der Suspendierung der angegriffenen Verordnung (2.2.2) vorliegen.

63

2.2.1 Die angegriffene Sicherstellungsverordnung wird zwar voraussichtlich keinen durchgreifenden formellen Einwänden ausgesetzt sein (2.2.1.1), doch spricht Überwiegendes dafür, dass sie einer - im Normenkontrollverfahren gebotenen - materiellen Rechtmäßigkeitskontrolle nicht standhalten wird (2.2.1.2).

64

2.2.1.1. Die (von der Antragstellerin geltend gemachten) Beteiligungs- und Ausfertigungsmängel werden voraussichtlich nicht durchgreifen.

65

Ob dem Kreistag bei dessen Befassung mit der Verordnung die sog. Gebietskarten (un-)vollständig vorgelegt worden sind, ist unerheblich. Der Kreistag nimmt insoweit nur eine Beratungsfunktion wahr; erlassendes Organ der Verordnung ist der Landrat (§ 55 Abs. 1 LVwG; vgl. Friedersen, in PdK [2014], § 55 LVwG Anm. 2). Im Hinblick darauf, dass der Kreistag sich - über die Angaben in der Vorlage (Drs.-Nr. 2016/0072) hinaus – durch eine Übersichtskarte zum Geltungsbereich der angegriffenen Verordnung informieren konnte, ist der Vorlagepflicht gemäß § 55 Abs. 3 Satz 1 LVwG hinreichend entsprochen worden. Der Umstand, dass die (genauen) Abgrenzungskarten wegen der szt. noch ausstehenden „Endbearbeitung“ (Anpassung an Flurstücksgrenzen) noch nicht vorlagen, ist für die dem Kreistag zugewiesene Beratungsfunktion unschädlich.

66

Den vom Antragsgegner vorgelegten Akten ist zu entnehmen, dass die angegriffene Verordnung einschließlich der Gebietsabgrenzungskarte ausgefertigt und bekannt gemacht (§ 60 Abs. 2 LVwG) worden ist. Zwar liegen die Ausfertigungen dem Senat lediglich in Kopie vor, doch hat der Antragsgegner angeboten, diese im Original vorzulegen. Der Senat sieht von einer solchen Anforderung im vorliegenden Verfahren ab, da keine vernünftigen Zweifel an der Einhaltung der formellen Anforderungen bestehen. Das gilt auch für die Ausfertigung der Abgrenzungskarten.

67

Andere formelle Bedenken gegen die angegriffene Verordnung sind nicht ersichtlich.

68

2.2.1.2. In materieller Hinsicht folgt der Senat dem Antragsgegner - im Ausgangspunkt - darin, dass für den Erlass einer Sicherstellungsverordnung nach § 22 Abs. 3 Satz 1 BNatSchG noch nicht gefordert werden kann, dass die Schutzwürdigkeit und -bedürftigkeit der betroffenen Landschaft bereits abschließend geprüft worden ist und feststeht. Ähnlich wie im Fall einer baurechtlichen Veränderungssperre (§ 14 BauGB) genügt es, dass das von der Sicherstellungsverordnung erfasste Gebiet (Geltungsbereich) seiner Qualität nach geeignet ist, einen „besonderen“ Schutz von Natur und Landschaft, wie er mit der künftigen Landschaftsschutzgebietsverordnung geplant ist, zu rechtfertigen, wobei auf die drei alternativ genannten gesetzlichen Schutzzwecke in § 26 Abs. 1 Nr. 1 - 3 BNatSchG bzw. den (davon) vom Antragsgegner ausgewählten Schutzzweck abzustellen ist.

69

Vorliegend soll die geplante Landschaftsschutzgebietsverordnung der „Bewahrung der Vielfalt, Eigenart und Schönheit“ der Landschaft dienen (vgl. § 3 Abs. 1 S. 4 der angegriffenen Verordnung), folglich einem nach § 26 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG gesetzlich zulässigen Schutzzweck.

70

Der Antragsgegner sieht hinreichende Gründe für einen „besonderen“ Landschaftsschutz darin, dass der älteste „charakteristische Landschaftsraum“ des Kreises mit einer engmaschigen bäuerlichen Knicklandschaft, weiträumigen Niederungen mit Dauergrünland auf Moorböden, alten Bauernwäldern, naturbelassenen Autälern sowie Geesthochmooren und Sandheiden geschützt werden solle. Die genannten Gründe sind - im Grundsatz - dem angegebenen Schutzzweck nach § 26 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG zuzuordnen.

71

Wenngleich danach eine Eignung des geplanten Schutzgebiets im o. g. Sinne in Betracht kommt, wirft dessen außerordentliche Weiträumigkeit nicht nur die Frage auf, ob das Erfordernis eines „besonderen“ Landschaftsschutzes - flächendeckend und gleichermaßen - für den gesamten Geltungsbereich der angegriffenen Verordnung zu begründen ist, sondern führt auch zu erhöhten Anforderungen an eine Prüfung bzw. Berücksichtigung der Auswirkungen des geplanten Landschaftsschutzes auf die Landesentwicklungsplanung, deren Beginn (s. Bekanntmachung vom 23.06.2015; Amtsbl. S. 772) dem Antragsgegner bekannt war und die - ersichtlich (s. Kreistagsvorlage vom 09.06.2016, Drs. Nr. 2016/0072) - zum (beschleunigten) Erlass der angegriffenen Verordnung geführt hat.

72

Hinsichtlich der (flächendeckenden) Erforderlichkeit eines „besonderen“ Landschaftsschutzes hat der Senat bereits Bedenken, ob dem Antragsgegner darin gefolgt werden kann, dass insoweit die weitere (Detail-) Prüfung komplett dem Verfahren zum Erlass der Landschaftsschutzgebietsverordnung (und einer evtl. gerichtlichen Überprüfung) vorbehalten bleiben kann (2.2.1.2.1). Jedenfalls hätte der Erlass der angegriffenen Verordnung in Anbetracht der dem Antragsgegner bekannten Landesentwicklungsplanung einer eingehenderen Prüfung und - vor allem - Abstimmung bedurft, die zumindest die Landesplanungsbehörde hätte einbeziehen müssen. Indem dies unterblieben ist, liegt ein offensichtlicher Fehler vor, der nach den o. g. Maßstäben (s. o. 2.2) den Erlass der einstweiligen Anordnung begründet (2.2.1.2.2).

73

2.2.1.2.1 Die angegriffene Verordnung führt in ihrem weiträumigen Geltungsbereich bereits zu erheblichen Bau- und Nutzungsbeschränkungen für die betroffenen Grundstückseigentümer. Sowohl für die (künftige) Landschaftsschutzgebietsverordnung als auch für die vorliegend angegriffene Sicherstellungsverordnung gilt, dass in ihrem Geltungsbereich ein „besonderer Schutz von Natur und Landschaft erforderlich“ sein muss (§ 26 Abs. 1 BNatSchG). Dementsprechend ist für Bereiche, in denen kein „besonderer“ Schutz erforderlich ist, weder der Erlass einer Sicherstellungs- noch einer Landschaftsschutzgebietsverordnung zulässig.

74

Insbesondere im (vorliegenden) Fall eines großflächigen Schutzgebiets ist differenziert zu prüfen, ob die vorgesehenen Schutzzwecke auf alle seine Teile in gleicher Weise zutreffen. Der Antragsgegner deutet eine solche Prüfung an, indem er „Kernbereiche“ und „Pufferbereiche“ anspricht. Andererseits hat er sich zum Erlass der - großflächig geltenden - Verordnung bereits deshalb entschlossen, weil er „Negativfolgen“ einer ansonsten befürchteten regionalplanerischen Ausweisung von Flächen für Windenergieanlagen abwenden wollte. Das deutet - eher - darauf hin, dass eine differenzierte Prüfung im eingangs genannten Sinn unterblieben ist und der Erlass der angegriffenen Verordnung zumindest stark vom Verlauf der Landesplanung bzw. deren - aus Sicht des Antragsgegners zu befürchtenden - Ergebnissen bestimmt war.

75

Die Prüfung der Erforderlichkeit ist nach der Eigenart des betroffenen Landschaftsraums (unter Berücksichtigung unterschiedlicher Gebietsteile und -strukturen) vorzunehmen; sie dient der Klärung, in welchem geografischen Bereich der beabsichtigte Schutz - orientiert an den gesetzlich zulässigen Schutzzwecken – (noch) erreichbar ist. Damit wird gleichzeitig eine wesentliche Grundlage für die Abgrenzung des Schutzgebiets und - auch - für das Schutzregime (i. S. des Konzepts von Bau- oder Nutzungsbeschränkungen) gewonnen. Insoweit wird zwischen Bereichen zu differenzieren sein, die für den beabsichtigten Schutz unverzichtbar sind, und solchen Flächen, die - auch dann, wenn sie (selbst) nicht schutzbedürftig sind - den „Kernbereich“ des Schutzgebiets arrondieren bzw. abpuffern (vgl. zur - begrenzten - Einbeziehung von „Pufferzonen“ in ein Landschaftsschutzgebiet Urt. des Senats vom 08.07.2004, 1 KN 42/03, NVwZ 2005, 703).

76

Die Erforderlichkeit eines „besonderen“ Landschaftsschutzes fehlt, wenn und soweit die „Vielfalt, Eigenart und Schönheit“ oder die „besondere kulturhistorische Bedeutung der Landschaft“ durch dauerhafte und im Landschaftsbild hervortretende Bauwerke oder Veränderungen beeinträchtigt ist. Da Landschaftsschutzgebiete einem „besonderen“ Schutzregime unterliegen, müssen sie sich hinsichtlich ihres Charakters, ihrer Eigenart und Qualität von - außerhalb davon gelegenen - Landschaftsräumen (die im Übrigen nicht ungeschützt sind [vgl. z. B. § 35 Abs. 3 Nr. 2 und Nr. 5 BauGB; §§ 14 ff. BNatSchG; §§ 8 ff. LNatSchG]) deutlich unterscheiden.

77

Das ist für die - vom Antragsgegner angesprochenen - „Kernbereiche“ des - wie auch immer abgegrenzten - „charakteristischen Landschaftsraums“ anders zu beurteilen als für einen sog. „Pufferbereich“, zu denen nach Angaben des Antragsgegners die Fläche der Antragstellerin gehört, und zwar sowohl in Bezug auf die Gebietsabgrenzung wie auch hinsichtlich des „Maßes“ bestimmter Nutzungseinschränkungen (vgl. Urt. des Senats vom 08.07.2004, a.a.O.). Ob der vom Antragsgegner vorgenommenen, einem „großzügigen Maßstab“ folgenden Gebietsabgrenzung auch in Bezug auf Freileitungen, Gitter- bzw. Sendemasten, Rohstoffabbauflächen) oder auf die das Schutzgebiet durchquerende Autobahn (A 23), die bislang als weniger „gewichtig“ beurteilt worden sind, gefolgt werden kann, mag ebenfalls zweifelhaft sein.

78

Die angesprochenen Fragen können im weiteren Verfahren des Antragsgegners zum Erlass der Landschaftsschutzgebietsverordnung geprüft werden. Dabei wird zu beachten sein, dass eine mit dem geplanten Landschaftsschutz verbundene Beschränkung der Baufreiheit jeweils einer sachlichen Rechtfertigung bedarf und - ferner - eine am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientierte Würdigung der betroffenen Interessen des Natur- und Landschaftsschutzes, insbesondere des (hier) relevanten Schutzzwecks nach § 26 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG einerseits und der Bau- und Nutzungsinteressen der betroffenen Eigentümer andererseits erfordert (vgl. VGH München, Urt. v. 13.12.2016, 14 N 14.2400, NJOZ 2017, 925/933, Rn. 83 m. w. N.; BVerwG, Urt. v. 11.12.2003, 4 CN 10.02, BVerwGE 119, 312).

79

2.2.1.2.2 Dem Antragsgegner hätte es sich bei Erlass der angegriffenen Verordnung aufdrängen müssen, dass sich im Hinblick auf deren außerordentlich weiträumigen Geltungsbereich Auswirkungen auf den „Raum“ sowohl in dem Sinne ergeben, dass die Schutzverordnung für die (laufende und weitere) Landesentwicklungsplanung bedeutsam ist als auch in dem Sinne, dass sie die Zulässigkeit raumbedeutsamer Vorhaben, zu denen auch, aber nicht nur Windkraftanlagen gehören, beeinflusst. Er hätte die angegriffene Verordnung deshalb (vor ihrem Erlass) raumordnerisch mit der Landesplanungsbehörde abstimmen müssen (§ 12 Abs. 1 LaPlaG)

80

Die erhebliche Flächengröße des Geltungsbereichs der angegriffenen Schutzverordnung begründet ihre Raumbedeutsamkeit i. S. d. § 12 Abs. 1 LaPlaG. Die Schutzgebietsfläche von ca. 29.000 ha umfasst mehr als 20 % der Fläche des gesamten Kreisgebietes; wird nur auf die im Kreisgebiet gelegenen Geestflächen abgestellt, ergibt sich ein (weit) höherer Flächenanteil des geplanten Schutzgebiets (und des benachbarten Schutzgebiets „Rüsdorfer Moor“). Die Flächengröße überschreitet - auch unabhängig von Kreisgrenzen - die Grenze der Raumbedeutsamkeit; sie wirkt insbesondere für die laufende Landesplanung zum Sachgebiet Windenergie über die Kreisgrenzen hinaus. Dies musste dem Antragsgegner gerade in Anbetracht der laufenden Landesplanung, die aus seiner Sicht den „Handlungsbedarf“ begründet hat, Veranlassung geben, die raumplanerischen Auswirkungen einer Schutzgebietsausweisung bzw. Sicherstellung auf die Raumordnung zu berücksichtigen und abzustimmen.

81

Das Gebot zu einer Abstimmung ergibt sich für den Antragsgegner - verpflichtend - aus § 12 Abs. 1 LaPlaG; das gilt insbesondere in Bezug auf die Landesplanungsbehörde. Die Abstimmung beginnt mit einer Information über den (beabsichtigten) Erlass einer Sicherstellungs- bzw. Landschaftsschutzverordnung durch den zuständigen Landrat. Eine solche Information mag hier erfolgt sein, jedoch erfordert eine Abstimmung i. S. d. § 12 Abs. 1 LaPLaG - darüber hinaus - das Bemühen, das eigene Vorgehen mit demjenigen der Landesplanungsbehörde zu koordinieren. Dazu gehört, im Rahmen der eigenen Rechtsetzung Belange der Landesplanung zu berücksichtigen, zu beachten und nach Möglichkeit in Deckung zu bringen, um dadurch insgesamt zu einem bestmöglichen „Zusammenspiel“ von Landesplanung und Landschaftsschutz beizutragen (vgl. Dyong, ROG [2002], § 14 ROG a. F., Rn. 5).

82

Belange der kommunalen Selbstverwaltung (Art. 54 Abs. 2 LVerf SH) stehen einer Abstimmungspflicht des Antragsgegners nicht entgegen, da der hier betroffene Bereich des Natur-und Landschaftsschutzes nicht dem eigenen Wirkungskreis des Antragsgegners zuzurechnen ist. Vielmehr ist der Landschaftsschutz dem „staatlichen“ Aufgabenkreis zuzurechnen. Daraus ergibt sich eine - die Verpflichtung nach § 12 LaPlaG zusätzlich stützende - Abstimmungspflicht unter dem Aspekt der dem Antragsgegner gegenüber der Landesplanungsbehörde obliegenden Kooperationspflicht.

83

Der Antragsgegner ist nicht berechtigt, der (ihm bekannten) Landesplanung und der dort vorzunehmenden Prüfung, Auswahl und Abgrenzung von Vorrang-, Vorbehalts- oder Eignungsgebieten für die Windenergienutzung (vgl. § 8 Abs. 7 ROG) sowie der diesbezüglich erforderlichen Abwägung, die - soweit Ziele betroffen sind - abschließend zu erfolgen hat (§ 7 Abs. 2 S. 1 ROG), mit dem Mittel des Erlasses einer Sicherstellungsverordnung (bzw. Landschaftsschutzgebietsverordnung) vorzugreifen.

84

Der Landesplanung werden dadurch weiträumige Bereiche entzogen mit der Folge, dass diese für eine Auswahl als Vorrang-, Vorbehalts- oder Eignungsgebiet für die Windenergienutzung nicht mehr oder allenfalls noch (sehr) eingeschränkt zur Verfügung stehen und der - weiteren – Folge, dass insoweit die gemäß § 7 Abs. 2 S. 1 ROG erforderliche landesplanerische Abwägung (vorab) gebunden, zumindest aber vorgeprägt wird. Das kann die für den Gesamtbereich des Planungsraums III vorzunehmende landesplanerische Entscheidung „infizieren“, was nicht nur in Bezug auf die Abwägung der privaten Belange (sowohl der an einer Windenergienutzung Interessierten als auch der ggf. betroffener Nachbarn), sondern auch in Bezug auf die relevanten öffentlichen Belange (überörtlich: im Hinblick auf die effiziente Nutzung erneuerbarer Energien; örtlich: im Hinblick auf die „Belastung“ von [außerhalb der angegriffenen Verordnung gelegener] Gemeinden oder von [anderen] Kreisen mit Windenergieanlagen) vermieden werden muss. Wenn - wie hier - bei einem laufenden Landesplanungsprozess für den gesamten Bereich des Planungsraums III ein einzelner Kreis „vorprescht“ und durch die angegriffene Verordnung einen großflächigen Bereich sowohl der Auswahl- als auch der (planerischen) Abwägungsentscheidung der insoweit allein zuständigen Landesplanungsbehörde entzieht, wird dadurch eine für den Planungsraum insgesamt problemgerechte, angemessene und gegenüber allen betroffenen Belangen ausgewogene Planungsentscheidung des Landes zumindest gefährdet, wenn nicht sogar vereitelt.

85

Die Landesplanungsbehörde hat - überdies - keine Möglichkeit, den durch die Rechtsetzung des Antragsgegners entstehenden Wirkungen zu entgehen. Würde sie im Bereich des Landschaftsschutzgebietes (bzw. der Sicherstellung) - regionalplanerisch Flächen für Windenergieanlagen (mit den Wirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB) ausweisen, würde dies wegen der einer Genehmigung entgegenstehenden Kreisverordnung leerlaufen. Eine Rechtsgrundlage für die Anpassung „raumplanungswidriger“ Landschaftsschutzverordnungen besteht nicht; § 18 Abs. 4 LaPlaG gilt nur für Bauleitpläne. Dieser Zusammenhang spricht (ebenfalls) dafür, dass die Belange des örtlichen (kreisgebietsbezogenen) Natur- und Landschaftsschutzes in die überörtliche Planung des Landes „einzubringen“ sind, damit sie dort - abwägungsgesteuert - bei der Festlegung von raumordnerischen Zielen oder Grundsätzen berücksichtigt werden können. Für lokale oder kreisgebietsbezogene Regelungen des Natur- und Landschaftsschutzes bleibt dann die Möglichkeit, den raumordnerischen Festlegungen im Rahmen der jeweiligen Schutzverordnung zu entsprechen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.01.2007, 7 B 68.06, NVwZ 2007, 268 [zu Abgrabungen]).

86

Dem Antragsgegner bleibt es im Übrigen unbenommen, als untere Naturschutzbehörde (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 LNatSchG) seine Vorstellungen zu den für richtig befundenen Maßnahmen zum Landschaftsschutz der Landesplanungsbehörde mitzuteilen, damit diese sie - wie alle anderen öffentlichen und privaten Belange auch - im Rahmen der für den Erlass des Regionalplans gebotenen Abwägung gewichten und ggf. berücksichtigen kann. Vorliegend hat der Antragsgegner demgegenüber den Versuch unternommen, die Abwägung der Landesplanungsbehörde mithilfe des Erlasses der angegriffenen Verordnung einseitig an seine (partikularen) Vorstellungen zu binden. Das ist ohne vorherige formelle (verfahrensmäßige) und materielle Abstimmung i. S. d. § 12 Abs. 1 LaPlaG unzulässig.

87

Für die Landesplanung hat der Senat bereits entschieden, dass der bloße Wille einer Gemeinde kein maßgebliches Kriterium für die regionalplanerische Abwägung sein darf (Urt. v. 20.01.2015, 1 KN 6/13, NordÖR 2015, 261). Diese Entscheidung betraf die Konstellation, dass sich die Landesplanungsbehörde an gemeindliche Willensbekundungen gebunden glaubte. Vorliegend geht es - umgekehrt - um den Versuch, die Landesplanungsbehörde durch eine auf kommunaler Ebene erlassene Verordnung zu binden. Das ist ohne vorherige Abstimmung gemäß § 12 Abs. 1 LaPlaG unzulässig.

88

2.2.1.3. Die erforderliche, aber unterbliebene Abstimmung des Erlasses der angegriffenen Verordnung gemäß § 12 Abs. 1 LaPlaG begründet offensichtliche Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags im oben (2.2) genannten Sinn. Der Antragsgegner konnte die ihm obliegende Abstimmungspflicht ohne Weiteres dem maßgeblichen Landesraumordnungsrecht entnehmen; ihm war - insbesondere zum Sachthema Windenergie - die raumordnungsrechtliche Relevanz seiner Rechtsetzung klar. Das belegen die dem Senat vorliegenden Verfahrensakten sowie die Gründe, die für den Erlass der angegriffenen Verordnung in der Kreistagsvorlage vom 09.06.2016 (Drs.-Nr. 2016/0072) angeführt worden sind. Dass eine Abstimmung - insbesondere - mit der Landesplanungsbehörde nicht stattgefunden hat, ergibt sich ebenfalls aus den Verfahrensvorgängen.

89

2.2.2 Nach den bisherigen Ausführungen ist der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung bereits indiziert. Der Antragstellerin ist eine vorläufige Weitergeltung der angegriffenen Norm nicht zumutbar.

90

Ob die Unzumutbarkeit bereits daraus abgeleitet werden kann, dass sich durch eine weitere Anwendung der angegriffenen Verordnung das Genehmigungsverfahren verzögern würde und insoweit - in zeitlicher Hinsicht - irreversible Folgen einträten, kann hier offen bleiben. Jedenfalls sind der Antragstellerin die - absehbaren - Folgen, die sich ergäben, wenn die einstweilige Anordnung nicht, wie beantragt, ergehen würde, nicht zuzumuten. Das gilt in Bezug auf das „stecken gebliebene“ immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren, das entweder „liegen“ bliebe oder - evtl. auch vor einer Entscheidung des Senats im Normenkontrollverfahren - zu einer Ablehnung des Genehmigungsantrages führen würde. Es gilt - weiterhin - auch in Bezug auf die Aussichten, eine zu Gunsten der Antragstellerin ergehende Ausnahmeentscheidung der Landesplanungsbehörde nach § 18a Abs. 2 LaPlaG zu erlangen; bei fortwirkendem „Vollzug“ der angegriffenen Verordnung bestünde darauf keine Aussicht. Ob - darüber hinaus - auch die Folgen einer Anwendung der angegriffenen Verordnung auf den Fortgang des Planungsprozesses der Landesplanungsbehörde zu berücksichtigen sind, mag offen bleiben; auch insoweit ist zumindest wahrscheinlich, dass sich die Anwendung der Verordnung zu Ungunsten der Fläche auswirkt, auf der die Antragstellerin ihre Windkraftanlagen plant. Insgesamt würde eine Ablehnung der begehrten einstweiligen Anordnung dazu führen, dass sowohl die die Fläche „…“ betreffenden Genehmigungsverfahren als auch der diesbezügliche Planungsprozess auf Landesebene zu Ungunsten der Antragstellerin „weiterlaufen“ würden.

91

2.3 Die einstweilige Anordnung war - nach alledem - wie aus dem Tenor ersichtlich zu erlassen.

92

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

93

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Betroffen sind drei Windkraftanlagen, für die ein Hauptsachewert von je 35.000 € anzusetzen ist. Dieser Wert ist zu halbieren, da es vorliegend um ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren geht. Eine weitere Halbierung im Hinblick darauf, dass vorliegend (nur) eine Sicherstellungsverordnung betroffen ist, findet nicht statt (vgl. Beschl. des Senats vom 05.10.2016, 1 KN 20/15, n. v.).

94

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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den Darstellungen eines Landschaftsplans oder sonstigen Plans, insbesondere des Wasser-, Abfall- oder Immissionsschutzrechts, widerspricht,
3.
schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann oder ihnen ausgesetzt wird,
4.
unwirtschaftliche Aufwendungen für Straßen oder andere Verkehrseinrichtungen, für Anlagen der Versorgung oder Entsorgung, für die Sicherheit oder Gesundheit oder für sonstige Aufgaben erfordert,
5.
Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet,
6.
Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur beeinträchtigt, die Wasserwirtschaft oder den Hochwasserschutz gefährdet,
7.
die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt oder
8.
die Funktionsfähigkeit von Funkstellen und Radaranlagen stört.
Raumbedeutsame Vorhaben dürfen den Zielen der Raumordnung nicht widersprechen; öffentliche Belange stehen raumbedeutsamen Vorhaben nach Absatz 1 nicht entgegen, soweit die Belange bei der Darstellung dieser Vorhaben als Ziele der Raumordnung abgewogen worden sind. Öffentliche Belange stehen einem Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 in der Regel auch dann entgegen, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist.

(4) Den nachfolgend bezeichneten sonstigen Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 kann nicht entgegengehalten werden, dass sie Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans widersprechen, die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lassen, soweit sie im Übrigen außenbereichsverträglich im Sinne des Absatzes 3 sind:

1.
die Änderung der bisherigen Nutzung eines Gebäudes, das unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 errichtet wurde, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben dient einer zweckmäßigen Verwendung erhaltenswerter Bausubstanz,
b)
die äußere Gestalt des Gebäudes bleibt im Wesentlichen gewahrt,
c)
die Aufgabe der bisherigen Nutzung liegt nicht länger als sieben Jahre zurück,
d)
das Gebäude ist vor mehr als sieben Jahren zulässigerweise errichtet worden,
e)
das Gebäude steht im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Hofstelle des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs,
f)
im Falle der Änderung zu Wohnzwecken entstehen neben den bisher nach Absatz 1 Nummer 1 zulässigen Wohnungen höchstens fünf Wohnungen je Hofstelle und
g)
es wird eine Verpflichtung übernommen, keine Neubebauung als Ersatz für die aufgegebene Nutzung vorzunehmen, es sei denn, die Neubebauung wird im Interesse der Entwicklung des Betriebs im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 erforderlich,
2.
die Neuerrichtung eines gleichartigen Wohngebäudes an gleicher Stelle unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das vorhandene Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden,
b)
das vorhandene Gebäude weist Missstände oder Mängel auf,
c)
das vorhandene Gebäude wurde oder wird seit längerer Zeit vom Eigentümer selbst genutzt und
d)
Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des bisherigen Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird; hat der Eigentümer das vorhandene Gebäude im Wege der Erbfolge von einem Voreigentümer erworben, der es seit längerer Zeit selbst genutzt hat, reicht es aus, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird,
3.
die alsbaldige Neuerrichtung eines zulässigerweise errichteten, durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstörten, gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle,
4.
die Änderung oder Nutzungsänderung von erhaltenswerten, das Bild der Kulturlandschaft prägenden Gebäuden, auch wenn sie aufgegeben sind, wenn das Vorhaben einer zweckmäßigen Verwendung der Gebäude und der Erhaltung des Gestaltwerts dient,
5.
die Erweiterung eines Wohngebäudes auf bis zu höchstens zwei Wohnungen unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden,
b)
die Erweiterung ist im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse angemessen und
c)
bei der Errichtung einer weiteren Wohnung rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass das Gebäude vom bisherigen Eigentümer oder seiner Familie selbst genutzt wird,
6.
die bauliche Erweiterung eines zulässigerweise errichteten gewerblichen Betriebs, wenn die Erweiterung im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen ist.
In begründeten Einzelfällen gilt die Rechtsfolge des Satzes 1 auch für die Neuerrichtung eines Gebäudes im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1, dem eine andere Nutzung zugewiesen werden soll, wenn das ursprüngliche Gebäude vom äußeren Erscheinungsbild auch zur Wahrung der Kulturlandschaft erhaltenswert ist, keine stärkere Belastung des Außenbereichs zu erwarten ist als in Fällen des Satzes 1 und die Neuerrichtung auch mit nachbarlichen Interessen vereinbar ist; Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis g gilt entsprechend. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 und 3 sowie des Satzes 2 sind geringfügige Erweiterungen des neuen Gebäudes gegenüber dem beseitigten oder zerstörten Gebäude sowie geringfügige Abweichungen vom bisherigen Standort des Gebäudes zulässig.

(5) Die nach den Absätzen 1 bis 4 zulässigen Vorhaben sind in einer flächensparenden, die Bodenversiegelung auf das notwendige Maß begrenzenden und den Außenbereich schonenden Weise auszuführen. Für Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6, 8 Buchstabe b und Nummer 9 ist als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung eine Verpflichtungserklärung abzugeben, das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückzubauen und Bodenversiegelungen zu beseitigen; bei einer nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 und 8 Buchstabe b zulässigen Nutzungsänderung ist die Rückbauverpflichtung zu übernehmen, bei einer nach Absatz 1 Nummer 1 oder Absatz 2 zulässigen Nutzungsänderung entfällt sie. Die Baugenehmigungsbehörde soll durch nach Landesrecht vorgesehene Baulast oder in anderer Weise die Einhaltung der Verpflichtung nach Satz 2 sowie nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe g sicherstellen. Im Übrigen soll sie in den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 sicherstellen, dass die bauliche oder sonstige Anlage nach Durchführung des Vorhabens nur in der vorgesehenen Art genutzt wird.

(6) Die Gemeinde kann für bebaute Bereiche im Außenbereich, die nicht überwiegend landwirtschaftlich geprägt sind und in denen eine Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden ist, durch Satzung bestimmen, dass Wohnzwecken dienenden Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 nicht entgegengehalten werden kann, dass sie einer Darstellung im Flächennutzungsplan über Flächen für die Landwirtschaft oder Wald widersprechen oder die Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lassen. Die Satzung kann auch auf Vorhaben erstreckt werden, die kleineren Handwerks- und Gewerbebetrieben dienen. In der Satzung können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Voraussetzung für die Aufstellung der Satzung ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar ist,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
Bei Aufstellung der Satzung sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. § 10 Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden. Von der Satzung bleibt die Anwendung des Absatzes 4 unberührt.

(1) Das Genehmigungsverfahren setzt einen schriftlichen oder elektronischen Antrag voraus. Dem Antrag sind die zur Prüfung nach § 6 erforderlichen Zeichnungen, Erläuterungen und sonstigen Unterlagen beizufügen. Reichen die Unterlagen für die Prüfung nicht aus, so hat sie der Antragsteller auf Verlangen der zuständigen Behörde innerhalb einer angemessenen Frist zu ergänzen. Erfolgt die Antragstellung elektronisch, kann die zuständige Behörde Mehrfertigungen sowie die Übermittlung der dem Antrag beizufügenden Unterlagen auch in schriftlicher Form verlangen.

(1a) Der Antragsteller, der beabsichtigt, eine Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie zu betreiben, in der relevante gefährliche Stoffe verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden, hat mit den Unterlagen nach Absatz 1 einen Bericht über den Ausgangszustand vorzulegen, wenn und soweit eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück durch die relevanten gefährlichen Stoffe möglich ist. Die Möglichkeit einer Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers besteht nicht, wenn auf Grund der tatsächlichen Umstände ein Eintrag ausgeschlossen werden kann.

(2) Soweit Unterlagen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, sind die Unterlagen zu kennzeichnen und getrennt vorzulegen. Ihr Inhalt muss, soweit es ohne Preisgabe des Geheimnisses geschehen kann, so ausführlich dargestellt sein, dass es Dritten möglich ist, zu beurteilen, ob und in welchem Umfang sie von den Auswirkungen der Anlage betroffen werden können.

(3) Sind die Unterlagen des Antragstellers vollständig, so hat die zuständige Behörde das Vorhaben in ihrem amtlichen Veröffentlichungsblatt und außerdem entweder im Internet oder in örtlichen Tageszeitungen, die im Bereich des Standortes der Anlage verbreitet sind, öffentlich bekannt zu machen. Der Antrag und die vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen, mit Ausnahme der Unterlagen nach Absatz 2 Satz 1, sowie die entscheidungserheblichen Berichte und Empfehlungen, die der Behörde im Zeitpunkt der Bekanntmachung vorliegen, sind nach der Bekanntmachung einen Monat zur Einsicht auszulegen. Weitere Informationen, die für die Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens von Bedeutung sein können und die der zuständigen Behörde erst nach Beginn der Auslegung vorliegen, sind der Öffentlichkeit nach den Bestimmungen über den Zugang zu Umweltinformationen zugänglich zu machen. Bis zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist kann die Öffentlichkeit gegenüber der zuständigen Behörde schriftlich oder elektronisch Einwendungen erheben; bei Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie gilt eine Frist von einem Monat. Mit Ablauf der Einwendungsfrist sind für das Genehmigungsverfahren alle Einwendungen ausgeschlossen, die nicht auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen. Einwendungen, die auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen, sind auf den Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten zu verweisen.

(3a) Nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz anerkannte Vereinigungen sollen die zuständige Behörde in einer dem Umweltschutz dienenden Weise unterstützen.

(4) In der Bekanntmachung nach Absatz 3 Satz 1 ist

1.
darauf hinzuweisen, wo und wann der Antrag auf Erteilung der Genehmigung und die Unterlagen zur Einsicht ausgelegt sind;
2.
dazu aufzufordern, etwaige Einwendungen bei einer in der Bekanntmachung zu bezeichnenden Stelle innerhalb der Einwendungsfrist vorzubringen; dabei ist auf die Rechtsfolgen nach Absatz 3 Satz 5 hinzuweisen;
3.
ein Erörterungstermin zu bestimmen und darauf hinzuweisen, dass er auf Grund einer Ermessensentscheidung der Genehmigungsbehörde nach Absatz 6 durchgeführt wird und dass dann die formgerecht erhobenen Einwendungen auch bei Ausbleiben des Antragstellers oder von Personen, die Einwendungen erhoben haben, erörtert werden;
4.
darauf hinzuweisen, dass die Zustellung der Entscheidung über die Einwendungen durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden kann.

(5) Die für die Erteilung der Genehmigung zuständige Behörde (Genehmigungsbehörde) holt die Stellungnahmen der Behörden ein, deren Aufgabenbereich durch das Vorhaben berührt wird. Hat eine zu beteiligende Behörde bei einem Verfahren zur Genehmigung einer Anlage zur Nutzung erneuerbarer Energien innerhalb einer Frist von einem Monat keine Stellungnahme abgegeben, so ist davon auszugehen, dass die beteiligte Behörde sich nicht äußern will. Die zuständige Behörde hat die Entscheidung in diesem Fall auf Antrag auf der Grundlage der geltenden Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Ablaufs der Monatsfrist zu treffen. Soweit für das Vorhaben selbst oder für weitere damit unmittelbar in einem räumlichen oder betrieblichen Zusammenhang stehende Vorhaben, die Auswirkungen auf die Umwelt haben können und die für die Genehmigung Bedeutung haben, eine Zulassung nach anderen Gesetzen vorgeschrieben ist, hat die Genehmigungsbehörde eine vollständige Koordinierung der Zulassungsverfahren sowie der Inhalts- und Nebenbestimmungen sicherzustellen.

(5a) Betrifft das Vorhaben eine Anlage, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie (EU) 2018/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen (Neufassung) (ABl. L 328 vom 21.12.2018, S. 82) fällt, gilt ergänzend Folgendes:

1.
Auf Antrag des Trägers des Vorhabens wird das Genehmigungsverfahren sowie alle sonstigen Zulassungsverfahren, die für die Durchführung des Vorhabens nach Bundes- oder Landesrecht erforderlich sind, über eine einheitliche Stelle abgewickelt.
2.
Die einheitliche Stelle nach Nummer 1 stellt ein Verfahrenshandbuch für Träger von Vorhaben bereit und macht diese Informationen auch im Internet zugänglich. Dabei geht sie gesondert auch auf kleinere Vorhaben und Vorhaben zur Eigenversorgung mit Elektrizität ein, soweit sich das Genehmigungserfordernis nach § 1 Absatz 2 der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen darauf erstreckt. In den im Internet veröffentlichten Informationen weist die einheitliche Stelle auch darauf hin, für welche Vorhaben sie zuständig ist und welche weiteren einheitlichen Stellen im jeweiligen Land für Vorhaben nach Satz 1 zuständig sind.
3.
Die zuständige und die zu beteiligenden Behörden sollen die zur Prüfung des Antrags zusätzlich erforderlichen Unterlagen in einer einmaligen Mitteilung an den Antragsteller zusammenfassen. Nach Eingang der vollständigen Antragsunterlagen erstellt die Genehmigungsbehörde einen Zeitplan für das weitere Verfahren und teilt diesen Zeitplan in den Fällen der Nummer 1 der einheitlichen Stelle, andernfalls dem Antragsteller mit.

(6) Nach Ablauf der Einwendungsfrist kann die Genehmigungsbehörde die rechtzeitig gegen das Vorhaben erhobenen Einwendungen mit dem Antragsteller und denjenigen, die Einwendungen erhoben haben, erörtern.

(6a) Über den Genehmigungsantrag ist nach Eingang des Antrags und der nach Absatz 1 Satz 2 einzureichenden Unterlagen innerhalb einer Frist von sieben Monaten, in vereinfachten Verfahren innerhalb einer Frist von drei Monaten, zu entscheiden. Die zuständige Behörde kann die Frist um jeweils drei Monate verlängern, wenn dies wegen der Schwierigkeit der Prüfung oder aus Gründen, die dem Antragsteller zuzurechnen sind, erforderlich ist. Die Fristverlängerung soll gegenüber dem Antragsteller begründet werden.

(7) Der Genehmigungsbescheid ist schriftlich zu erlassen, schriftlich zu begründen und dem Antragsteller und den Personen, die Einwendungen erhoben haben, zuzustellen. Er ist, soweit die Zustellung nicht nach Absatz 8 erfolgt, öffentlich bekannt zu machen. Die öffentliche Bekanntmachung erfolgt nach Maßgabe des Absatzes 8.

(8) Die Zustellung des Genehmigungsbescheids an die Personen, die Einwendungen erhoben haben, kann durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden. Die öffentliche Bekanntmachung wird dadurch bewirkt, dass der verfügende Teil des Bescheides und die Rechtsbehelfsbelehrung in entsprechender Anwendung des Absatzes 3 Satz 1 bekannt gemacht werden; auf Auflagen ist hinzuweisen. In diesem Fall ist eine Ausfertigung des gesamten Bescheides vom Tage nach der Bekanntmachung an zwei Wochen zur Einsicht auszulegen. In der öffentlichen Bekanntmachung ist anzugeben, wo und wann der Bescheid und seine Begründung eingesehen und nach Satz 6 angefordert werden können. Mit dem Ende der Auslegungsfrist gilt der Bescheid auch gegenüber Dritten, die keine Einwendung erhoben haben, als zugestellt; darauf ist in der Bekanntmachung hinzuweisen. Nach der öffentlichen Bekanntmachung können der Bescheid und seine Begründung bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist von den Personen, die Einwendungen erhoben haben, schriftlich oder elektronisch angefordert werden.

(8a) Unbeschadet der Absätze 7 und 8 sind bei Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie folgende Unterlagen im Internet öffentlich bekannt zu machen:

1.
der Genehmigungsbescheid mit Ausnahme in Bezug genommener Antragsunterlagen und des Berichts über den Ausgangszustand sowie
2.
die Bezeichnung des für die betreffende Anlage maßgeblichen BVT-Merkblatts.
Soweit der Genehmigungsbescheid Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthält, sind die entsprechenden Stellen unkenntlich zu machen. Absatz 8 Satz 3, 5 und 6 gilt entsprechend.

(9) Die Absätze 1 bis 8 gelten entsprechend für die Erteilung eines Vorbescheides.

(10) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Genehmigungsverfahren zu regeln; in der Rechtsverordnung kann auch das Verfahren bei Erteilung einer Genehmigung im vereinfachten Verfahren (§ 19) sowie bei der Erteilung eines Vorbescheides (§ 9), einer Teilgenehmigung (§ 8) und einer Zulassung vorzeitigen Beginns (§ 8a) geregelt werden. In der Verordnung ist auch näher zu bestimmen, welchen Anforderungen das Genehmigungsverfahren für Anlagen genügen muss, für die nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist.

(11) Das Bundesministerium der Verteidigung wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Genehmigungsverfahren für Anlagen, die der Landesverteidigung dienen, abweichend von den Absätzen 1 bis 9 zu regeln.

(1) Die Unterschutzstellung von Teilen von Natur und Landschaft erfolgt durch Erklärung. Die Erklärung bestimmt den Schutzgegenstand, den Schutzzweck, die zur Erreichung des Schutzzwecks notwendigen Gebote und Verbote, und, soweit erforderlich, die Pflege-, Entwicklungs- und Wiederherstellungsmaßnahmen oder enthält die erforderlichen Ermächtigungen hierzu. Schutzgebiete können in Zonen mit einem entsprechend dem jeweiligen Schutzzweck abgestuften Schutz gegliedert werden; hierbei kann auch die für den Schutz notwendige Umgebung einbezogen werden.

(2) Soweit in den Absätzen 2a und 2b nichts Näheres bestimmt ist, richten sich Form und Verfahren der Unterschutzstellung, die Beachtlichkeit von Form- und Verfahrensfehlern und die Möglichkeit ihrer Behebung sowie die Fortgeltung bestehender Erklärungen zum geschützten Teil von Natur und Landschaft nach Landesrecht. Die Unterschutzstellung kann auch länderübergreifend erfolgen.

(2a) Erklärungen zur Unterschutzstellung nach Absatz 1, die

1.
durch Gesetz, Rechtsverordnung oder Satzung erfolgt sind und
2.
mit Vorgaben der Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (ABl. L 197 vom 21.7.2001, S. 30) unvereinbar sind, weil eine danach erforderliche Strategische Umweltprüfung nicht durchgeführt wurde,
gelten fort, wenn sich die Unvereinbarkeit mit diesen Vorgaben aus einer Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union ergibt und soweit und solange nach der Entscheidung eine Fortgeltung zulässig ist. Die zur Beseitigung der Unvereinbarkeit mit den Vorgaben der Richtlinie 2001/42/EG erforderlichen Handlungen müssen im Rahmen eines ergänzenden Verfahrens unverzüglich nachgeholt werden. Die Erklärung zur Unterschutzstellung muss, sofern sich infolge der nachgeholten Handlungen eine Erforderlichkeit dafür ergibt, angepasst werden. Für die Nachholung der erforderlichen Handlungen nach Satz 2 und Anpassungen nach Satz 3 gelten die Bestimmungen dieses Gesetzes sowie des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder entsprechender landesrechtlicher Vorschriften entsprechend. Der Zeitraum, innerhalb dessen die erforderlichen Handlungen nach Satz 2 und Anpassungen nach Satz 3 nachgeholt werden müssen, richtet sich nach der Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union und hat nur den Zeitraum zu umfassen, der zwingend notwendig ist, um Maßnahmen zu treffen, die die Beseitigung der Unvereinbarkeit mit den Vorgaben der Richtlinie 2001/42/EG ermöglichen. Sind die erforderlichen Handlungen nach Satz 2 und Anpassungen nach Satz 3 innerhalb der Frist nach Satz 5 nachgeholt, ist die Unvereinbarkeit mit den Vorgaben der Richtlinie 2001/42/EG geheilt. Sind die erforderlichen Handlungen nach Satz 2 und Anpassungen nach Satz 3 bei Ablauf der Frist nach Satz 5 nicht nachgeholt worden, tritt die Erklärung zur Unterschutzstellung außer Kraft.

(2b) Absatz 2a findet auch Anwendung auf Erklärungen zur Unterschutzstellung nach der rahmenrechtlichen Vorschrift des § 22 Absatz 1 und 2 des Bundesnaturschutzgesetzes in der bis zum 28. Februar 2010 geltenden Fassung sowie nach ausfüllendem Landesrecht. Pläne zur Durchführung von Pflege-, Entwicklungs- und Wiederherstellungsmaßnahmen im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 bleiben gültig.

(3) Teile von Natur und Landschaft, deren Schutz beabsichtigt ist, können für einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren einstweilig sichergestellt werden, wenn zu befürchten ist, dass durch Veränderungen oder Störungen der beabsichtigte Schutzzweck gefährdet wird. Die einstweilige Sicherstellung kann unter den Voraussetzungen des Satzes 1 einmalig bis zu weiteren zwei Jahren verlängert werden. In dem einstweilig sichergestellten Teil von Natur und Landschaft sind Handlungen und Maßnahmen nach Maßgabe der Sicherstellungserklärung verboten, die geeignet sind, den Schutzgegenstand nachteilig zu verändern. Die einstweilige Sicherstellung ist ganz oder teilweise aufzuheben, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr oder nicht mehr in vollem Umfang gegeben sind. Absatz 2 gilt entsprechend.

(4) Geschützte Teile von Natur und Landschaft sind zu registrieren und zu kennzeichnen. Das Nähere richtet sich nach Landesrecht.

(5) Die Erklärung zum Nationalpark oder Nationalen Naturmonument einschließlich ihrer Änderung ergeht im Benehmen mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit und dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur.

(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit

1.
von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 des Baugesetzbuchs
2.
von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

(2) Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen. Er ist gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, welche die Rechtsvorschrift erlassen hat. Das Oberverwaltungsgericht kann dem Land und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, deren Zuständigkeit durch die Rechtsvorschrift berührt wird, Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist geben. § 65 Abs. 1 und 4 und § 66 sind entsprechend anzuwenden.

(2a) (weggefallen)

(3) Das Oberverwaltungsgericht prüft die Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift mit Landesrecht nicht, soweit gesetzlich vorgesehen ist, daß die Rechtsvorschrift ausschließlich durch das Verfassungsgericht eines Landes nachprüfbar ist.

(4) Ist ein Verfahren zur Überprüfung der Gültigkeit der Rechtsvorschrift bei einem Verfassungsgericht anhängig, so kann das Oberverwaltungsgericht anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht auszusetzen sei.

(5) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet durch Urteil oder, wenn es eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluß. Kommt das Oberverwaltungsgericht zu der Überzeugung, daß die Rechtsvorschrift ungültig ist, so erklärt es sie für unwirksam; in diesem Fall ist die Entscheidung allgemein verbindlich und die Entscheidungsformel vom Antragsgegner ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre. Für die Wirkung der Entscheidung gilt § 183 entsprechend.

(6) Das Gericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.

(1) Das Genehmigungsverfahren setzt einen schriftlichen oder elektronischen Antrag voraus. Dem Antrag sind die zur Prüfung nach § 6 erforderlichen Zeichnungen, Erläuterungen und sonstigen Unterlagen beizufügen. Reichen die Unterlagen für die Prüfung nicht aus, so hat sie der Antragsteller auf Verlangen der zuständigen Behörde innerhalb einer angemessenen Frist zu ergänzen. Erfolgt die Antragstellung elektronisch, kann die zuständige Behörde Mehrfertigungen sowie die Übermittlung der dem Antrag beizufügenden Unterlagen auch in schriftlicher Form verlangen.

(1a) Der Antragsteller, der beabsichtigt, eine Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie zu betreiben, in der relevante gefährliche Stoffe verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden, hat mit den Unterlagen nach Absatz 1 einen Bericht über den Ausgangszustand vorzulegen, wenn und soweit eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück durch die relevanten gefährlichen Stoffe möglich ist. Die Möglichkeit einer Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers besteht nicht, wenn auf Grund der tatsächlichen Umstände ein Eintrag ausgeschlossen werden kann.

(2) Soweit Unterlagen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, sind die Unterlagen zu kennzeichnen und getrennt vorzulegen. Ihr Inhalt muss, soweit es ohne Preisgabe des Geheimnisses geschehen kann, so ausführlich dargestellt sein, dass es Dritten möglich ist, zu beurteilen, ob und in welchem Umfang sie von den Auswirkungen der Anlage betroffen werden können.

(3) Sind die Unterlagen des Antragstellers vollständig, so hat die zuständige Behörde das Vorhaben in ihrem amtlichen Veröffentlichungsblatt und außerdem entweder im Internet oder in örtlichen Tageszeitungen, die im Bereich des Standortes der Anlage verbreitet sind, öffentlich bekannt zu machen. Der Antrag und die vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen, mit Ausnahme der Unterlagen nach Absatz 2 Satz 1, sowie die entscheidungserheblichen Berichte und Empfehlungen, die der Behörde im Zeitpunkt der Bekanntmachung vorliegen, sind nach der Bekanntmachung einen Monat zur Einsicht auszulegen. Weitere Informationen, die für die Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens von Bedeutung sein können und die der zuständigen Behörde erst nach Beginn der Auslegung vorliegen, sind der Öffentlichkeit nach den Bestimmungen über den Zugang zu Umweltinformationen zugänglich zu machen. Bis zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist kann die Öffentlichkeit gegenüber der zuständigen Behörde schriftlich oder elektronisch Einwendungen erheben; bei Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie gilt eine Frist von einem Monat. Mit Ablauf der Einwendungsfrist sind für das Genehmigungsverfahren alle Einwendungen ausgeschlossen, die nicht auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen. Einwendungen, die auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen, sind auf den Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten zu verweisen.

(3a) Nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz anerkannte Vereinigungen sollen die zuständige Behörde in einer dem Umweltschutz dienenden Weise unterstützen.

(4) In der Bekanntmachung nach Absatz 3 Satz 1 ist

1.
darauf hinzuweisen, wo und wann der Antrag auf Erteilung der Genehmigung und die Unterlagen zur Einsicht ausgelegt sind;
2.
dazu aufzufordern, etwaige Einwendungen bei einer in der Bekanntmachung zu bezeichnenden Stelle innerhalb der Einwendungsfrist vorzubringen; dabei ist auf die Rechtsfolgen nach Absatz 3 Satz 5 hinzuweisen;
3.
ein Erörterungstermin zu bestimmen und darauf hinzuweisen, dass er auf Grund einer Ermessensentscheidung der Genehmigungsbehörde nach Absatz 6 durchgeführt wird und dass dann die formgerecht erhobenen Einwendungen auch bei Ausbleiben des Antragstellers oder von Personen, die Einwendungen erhoben haben, erörtert werden;
4.
darauf hinzuweisen, dass die Zustellung der Entscheidung über die Einwendungen durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden kann.

(5) Die für die Erteilung der Genehmigung zuständige Behörde (Genehmigungsbehörde) holt die Stellungnahmen der Behörden ein, deren Aufgabenbereich durch das Vorhaben berührt wird. Hat eine zu beteiligende Behörde bei einem Verfahren zur Genehmigung einer Anlage zur Nutzung erneuerbarer Energien innerhalb einer Frist von einem Monat keine Stellungnahme abgegeben, so ist davon auszugehen, dass die beteiligte Behörde sich nicht äußern will. Die zuständige Behörde hat die Entscheidung in diesem Fall auf Antrag auf der Grundlage der geltenden Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Ablaufs der Monatsfrist zu treffen. Soweit für das Vorhaben selbst oder für weitere damit unmittelbar in einem räumlichen oder betrieblichen Zusammenhang stehende Vorhaben, die Auswirkungen auf die Umwelt haben können und die für die Genehmigung Bedeutung haben, eine Zulassung nach anderen Gesetzen vorgeschrieben ist, hat die Genehmigungsbehörde eine vollständige Koordinierung der Zulassungsverfahren sowie der Inhalts- und Nebenbestimmungen sicherzustellen.

(5a) Betrifft das Vorhaben eine Anlage, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie (EU) 2018/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen (Neufassung) (ABl. L 328 vom 21.12.2018, S. 82) fällt, gilt ergänzend Folgendes:

1.
Auf Antrag des Trägers des Vorhabens wird das Genehmigungsverfahren sowie alle sonstigen Zulassungsverfahren, die für die Durchführung des Vorhabens nach Bundes- oder Landesrecht erforderlich sind, über eine einheitliche Stelle abgewickelt.
2.
Die einheitliche Stelle nach Nummer 1 stellt ein Verfahrenshandbuch für Träger von Vorhaben bereit und macht diese Informationen auch im Internet zugänglich. Dabei geht sie gesondert auch auf kleinere Vorhaben und Vorhaben zur Eigenversorgung mit Elektrizität ein, soweit sich das Genehmigungserfordernis nach § 1 Absatz 2 der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen darauf erstreckt. In den im Internet veröffentlichten Informationen weist die einheitliche Stelle auch darauf hin, für welche Vorhaben sie zuständig ist und welche weiteren einheitlichen Stellen im jeweiligen Land für Vorhaben nach Satz 1 zuständig sind.
3.
Die zuständige und die zu beteiligenden Behörden sollen die zur Prüfung des Antrags zusätzlich erforderlichen Unterlagen in einer einmaligen Mitteilung an den Antragsteller zusammenfassen. Nach Eingang der vollständigen Antragsunterlagen erstellt die Genehmigungsbehörde einen Zeitplan für das weitere Verfahren und teilt diesen Zeitplan in den Fällen der Nummer 1 der einheitlichen Stelle, andernfalls dem Antragsteller mit.

(6) Nach Ablauf der Einwendungsfrist kann die Genehmigungsbehörde die rechtzeitig gegen das Vorhaben erhobenen Einwendungen mit dem Antragsteller und denjenigen, die Einwendungen erhoben haben, erörtern.

(6a) Über den Genehmigungsantrag ist nach Eingang des Antrags und der nach Absatz 1 Satz 2 einzureichenden Unterlagen innerhalb einer Frist von sieben Monaten, in vereinfachten Verfahren innerhalb einer Frist von drei Monaten, zu entscheiden. Die zuständige Behörde kann die Frist um jeweils drei Monate verlängern, wenn dies wegen der Schwierigkeit der Prüfung oder aus Gründen, die dem Antragsteller zuzurechnen sind, erforderlich ist. Die Fristverlängerung soll gegenüber dem Antragsteller begründet werden.

(7) Der Genehmigungsbescheid ist schriftlich zu erlassen, schriftlich zu begründen und dem Antragsteller und den Personen, die Einwendungen erhoben haben, zuzustellen. Er ist, soweit die Zustellung nicht nach Absatz 8 erfolgt, öffentlich bekannt zu machen. Die öffentliche Bekanntmachung erfolgt nach Maßgabe des Absatzes 8.

(8) Die Zustellung des Genehmigungsbescheids an die Personen, die Einwendungen erhoben haben, kann durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden. Die öffentliche Bekanntmachung wird dadurch bewirkt, dass der verfügende Teil des Bescheides und die Rechtsbehelfsbelehrung in entsprechender Anwendung des Absatzes 3 Satz 1 bekannt gemacht werden; auf Auflagen ist hinzuweisen. In diesem Fall ist eine Ausfertigung des gesamten Bescheides vom Tage nach der Bekanntmachung an zwei Wochen zur Einsicht auszulegen. In der öffentlichen Bekanntmachung ist anzugeben, wo und wann der Bescheid und seine Begründung eingesehen und nach Satz 6 angefordert werden können. Mit dem Ende der Auslegungsfrist gilt der Bescheid auch gegenüber Dritten, die keine Einwendung erhoben haben, als zugestellt; darauf ist in der Bekanntmachung hinzuweisen. Nach der öffentlichen Bekanntmachung können der Bescheid und seine Begründung bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist von den Personen, die Einwendungen erhoben haben, schriftlich oder elektronisch angefordert werden.

(8a) Unbeschadet der Absätze 7 und 8 sind bei Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie folgende Unterlagen im Internet öffentlich bekannt zu machen:

1.
der Genehmigungsbescheid mit Ausnahme in Bezug genommener Antragsunterlagen und des Berichts über den Ausgangszustand sowie
2.
die Bezeichnung des für die betreffende Anlage maßgeblichen BVT-Merkblatts.
Soweit der Genehmigungsbescheid Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthält, sind die entsprechenden Stellen unkenntlich zu machen. Absatz 8 Satz 3, 5 und 6 gilt entsprechend.

(9) Die Absätze 1 bis 8 gelten entsprechend für die Erteilung eines Vorbescheides.

(10) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Genehmigungsverfahren zu regeln; in der Rechtsverordnung kann auch das Verfahren bei Erteilung einer Genehmigung im vereinfachten Verfahren (§ 19) sowie bei der Erteilung eines Vorbescheides (§ 9), einer Teilgenehmigung (§ 8) und einer Zulassung vorzeitigen Beginns (§ 8a) geregelt werden. In der Verordnung ist auch näher zu bestimmen, welchen Anforderungen das Genehmigungsverfahren für Anlagen genügen muss, für die nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist.

(11) Das Bundesministerium der Verteidigung wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Genehmigungsverfahren für Anlagen, die der Landesverteidigung dienen, abweichend von den Absätzen 1 bis 9 zu regeln.

(1) Durch Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 3 kann vorgeschrieben werden, dass die Genehmigung von Anlagen bestimmter Art oder bestimmten Umfangs in einem vereinfachten Verfahren erteilt wird, sofern dies nach Art, Ausmaß und Dauer der von diesen Anlagen hervorgerufenen schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstigen Gefahren, erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen mit dem Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vereinbar ist. Satz 1 gilt für Abfallentsorgungsanlagen entsprechend.

(2) In dem vereinfachten Verfahren sind § 10 Absatz 2, 3, 3a, 4, 6, 7 Satz 2 und 3, Absatz 8 und 9 sowie die §§ 11 und 14 nicht anzuwenden.

(3) Die Genehmigung ist auf Antrag des Trägers des Vorhabens abweichend von den Absätzen 1 und 2 nicht in einem vereinfachten Verfahren zu erteilen.

(4) Die Genehmigung einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, kann nicht im vereinfachten Verfahren erteilt werden, wenn durch deren störfallrelevante Errichtung und Betrieb der angemessene Sicherheitsabstand zu benachbarten Schutzobjekten unterschritten wird oder durch deren störfallrelevante Änderung der angemessene Sicherheitsabstand zu benachbarten Schutzobjekten erstmalig unterschritten wird, der bereits unterschrittene Sicherheitsabstand räumlich noch weiter unterschritten wird oder eine erhebliche Gefahrenerhöhung ausgelöst wird. In diesen Fällen ist das Verfahren nach § 10 mit Ausnahme von Absatz 4 Nummer 3 und Absatz 6 anzuwenden. § 10 Absatz 3 Satz 4 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass nur die Personen Einwendungen erheben können, deren Belange berührt sind oder Vereinigungen, welche die Anforderungen des § 3 Absatz 1 oder des § 2 Absatz 2 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes erfüllen. Bei störfallrelevanten Änderungen ist § 16 Absatz 3 entsprechend anzuwenden. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht, soweit dem Gebot, den angemessenen Sicherheitsabstand zu wahren, bereits auf Ebene einer raumbedeutsamen Planung oder Maßnahme durch verbindliche Vorgaben Rechnung getragen worden ist.

Tenor

Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Windenergieanlage auf dem Flurstück .../2 der Flur 6 der Gemeinde A-Stadt. Die vorgesehene Anlage (Typ Enercon E70/E4) mit einer Nennleistung von 2.300 kW soll eine Nabenhöhe von 64 m, einen Rotordurchmesser von 71 m und eine Gesamthöhe von 99,5 m aufweisen.

2

Der Kläger ist Landwirt und betreibt auf 150 ha Fläche einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Mais- und Getreideanbau sowie Milchviehhaltung und Rindermast. Das für die Versorgung der Tiere benötigte Futter erzeugt er selbst.

3

Die Hofstelle des Klägers liegt am Südrand der Gemeinde A-Stadt. An der Straße „To Osten“ befinden sich Wohn-, Wirtschafts- und Stallgebäude des Klägers sowie Hofflächen. In gut 350 m Entfernung liegt – südöstlich der Hofstelle, im E... Feld – die für eine Aquakulturanlage vorgesehene Halle, die bisher u. a. zur Strohlagerung genutzt wurde. Er beabsichtigt dort den Neubau einer Aquakulturanlage mit Zucht- und Produktionswasserbecken, welche zum Teil innerhalb der bestehenden Halle und zum Teil unter freiem Himmel vor der Halle errichtet werden soll. Zur Energieversorgung der Anlage beantragte er einen Vorbescheid für eine Windkraftanlage (330 kW, Gesamthöhe unter 50 m), der ihm unter dem 03.04.2009 erteilt wurde.

4

Am 19. September 2011 genehmigte der Kreis Dithmarschen den Bau der Aquakulturanlage auf der Grundlage des § 35 Abs. 4 Nr. 1 BauGB.

5

Am 23. Juli 2010beantragte der Kläger eine Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer 99,5 m hohen Windenergieanlage mit einer Nennleistung 2,3 kW in der Nähe der Halle. Der erzeugte Strom soll unter anderem zum Betrieb der Aquakulturanlage verwendet werden.

6

Das dem Antrag beigefügte Konzept zur Energieversorgung legte die Fischproduktion von Garnelen und Barramundi-Barschen zugrunde und berechnete den Gesamtenergiebedarf dafür auf 2,5 Mio. kWh pro Jahr. Die Jahresproduktion der Windenergieanlage wurde auf 3,5 bis 4 Mio. kWh pro Jahr geschätzt. Nach dem „Energiekonzept“ des Klägers ergab sich eine Eigenverbrauchsrate von 62 %, wobei von einer - durch Strom aufzuheizenden - Wassertemperatur in den (Fisch-)Becken von 26° C ausgegangen wurde. In dem „Energiekonzept“ heißt es u. a.:

7

„Die Entscheidung über die zu produzierende Fischart hat direkten Einfluss auf die bereitzustellende Wassertemperatur … und den dafür notwendigen Energiebedarf … Die nachfolgenden Berechnungen basieren auf … dem angestrebten Mindestproduktionsvolumen von 250 t Speisefisch pro Jahr. …“ (S. 11)

8

Im Genehmigungsverfahren führte der Fachdienst Naturschutz aus, der Errichtung und dem Betrieb der Windenergieanlage stehe § 44 BNatSchG entgegen, da die Windenergieanlage ein zusätzliches Risiko und erhebliche Störungen streng geschützter Arten bewirke. Zudem werde das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigt.

9

Der Beklagte lehnte den Genehmigungsantrag - nach Anhörung des Klägers - mit Bescheid vom 23. Januar 2013 u. a. mit der Begründung ab, die Anlage widerspreche Zielen der Raumordnung und sei auch nicht als Nebenanlage zu einem im Außenbereich privilegierten Betrieb gemäß § 35 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB einzuordnen. Die geplante Fischzuchtanlage sei keine berufsmäßige Binnenfischerei und kein landwirtschaftlicher Betrieb in Form einer Hofstelle, da der Hauptbetrieb sich in 350 m Entfernung befinde. Die Windenergieanlage sei in unmittelbarer Nähe zu den Zuchtbecken geplant; sie sei deshalb dem landwirtschaftlichen Betrieb nicht zu- oder untergeordnet.

10

Den dagegen erhobenen Widerspruch wies das beklagte Landesamt mit Widerspruchsbescheid vom 16. Mai 2013 als unbegründet zurück. Dabei erfolgte der Hinweis, dass sich Barramundi und Garnelen nicht von Pflanzen ernährten.

11

Zur Begründung seiner am 4. Juni 2013 erhobenen Klage hat der Kläger die Ansicht vertreten, die Fisch- und Krustentierzucht in künstlichen Becken sei, solange die Tiere auf eigener Futtergrundlage ernährt würden, der Landwirtschaft i.S.d. § 201 BauGB zuzuordnen. Die Fische würden mittels eigener Getreide- und Maisanbauflächen gefüttert werden. Diese Flächen dienten auch der Entsorgung der Fischgülle. Es sei i. Ü. nicht mehr die Zucht von Barramundi-Barschen beabsichtigt, sondern von Jadebarschen. Diese Fische seien „Allesfresser“ und könnten auch pflanzlich ernährt werden. Eine Zufütterung von Fischmehl werde nicht, schon gar nicht überwiegend erfolgen. Für das Wasser werde eine Temperatur von 25° bis 28°C benötigt. In der Aquakultur werde es durch Rapsschrot substituiert. Die Aquakulturanlage selbst sei privilegiert zulässig, da sie einem landwirtschaftlichen Betrieb diene.

12

Zudem befinde sich der landwirtschaftliche Betrieb nicht in einer Entfernung von 350 m zur Aquakulturanlage. Die Rinder würden direkt neben der Anlage aufgestallt.

13

Der Kläger hat beantragt,

14

den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 22. Januar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Mai 2013 zu verpflichten, ihm die beantragte Genehmigung zum Betrieb und zur Errichtung einer Windenergieanlage auf dem Flurstück .../2 der Flur 6 der Gemarkung A-Stadt zu erteilen,

15

hilfsweise,

16

den Beklagten zu verpflichten, seinen Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

17

Das beklagte Landesamt hat beantragt,

18

die Klage abzuweisen.

19

Es hat die Ansicht vertreten, § 201 BauGB sei eine Spezialregelung für den Bereich des Fischfanges und der Fischzucht. Die Haltung von Fischen sei nicht unter den allgemeinen Begriff der Tierhaltung zu subsumieren. Indem sich der Kläger nicht auf eine Fischart festlege, könne er keinen Nachweis über die Fütterung der Tiere mit eigenerzeugtem Getreide führen. Überdies müssten bei einer Änderung der zu züchtenden Fischart auch die Genehmigungsunterlagen geändert werden. Unabhängig davon könne die Aquakulturanlage allenfalls als mitgezogene Nutzung zu einem privilegierten Landwirtschaftsbetrieb angesehen werden. Die Windenergieanlage wäre dann eine Nebenanlage zur Nebenanlage und damit nicht privilegiert.

20

Das Verwaltungsgericht hat am 18. November 2014 eine Ortsbesichtigung durchgeführt. Der Kläger hat dort erklärt, er könne sich nicht genau festlegen, welche Tiere in der Aquakultur gezüchtet werden sollen. Je nach Fischart komme die Fütterung mit Roggen, Raps, Weizen oder Soja in Betracht. Zur Produktion von jährlich 250 t Speisefisch seien ca. 250 t Futter erforderlich, für deren Erzeugung voraussichtlich 25 ha Ackerflächen benötigt würden. Der Futterbedarf werde zu ca. 10 % durch Zukauf (z. B. Fischöl, Fischmehl) gedeckt.

21

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil am 4. Dezember 2014 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der geplante Standort sei im Regionalplan nicht als Windeignungsfläche ausgewiesen. Auch stehe nicht fest, dass die geplante Anlage einem landwirtschaftlichen Betrieb diene. Zwar könne eine Aquakulturanlage grundsätzlich ein landwirtschaftlicher Betrieb i.S.d. § 35 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 201 BauGB sein. Dieser Einordnung stehe auch nicht entgegen, dass die Baugenehmigung vom 19. September 2011 für die Halle nach § 35 Abs. 2 und 4 BauGB erteilt worden sei, da die Begründung der Genehmigung nicht von ihrer Regelungswirkung umfasst sei. Allerdings sei im konkreten Fall nicht festzustellen, dass die Aquakultur Landwirtschaft sei, denn der Kläger lege sich nicht fest, welche Tiere er züchten wolle. Die Benennung der zu züchtenden Fischart sei aber essentiell, denn es gebe Fische, deren Proteinbedarf ausschließlich durch unbehandelte Getreide- oder Hülsenfrüchte gedeckt werden könne und andere Fischarten, die einen höheren Bedarf hätten. Ohne Angabe der Fischart sei es nahezu unmöglich festzustellen, wie viel Ertrag und wie viel Fläche zur Futtererzeugung benötigt werde und ob die klägerischen Flächen ausreichten. Überdies könne mangels Benennung der Fischart auch keine Wirtschaftlichkeitsprognose gestellt werden. Die Gewinnerzielungsabsicht sei aber ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 201 BauGB. Es fehle somit am Nachweis der Dauerhaftigkeit und der Nachhaltigkeit der Aquakulturanlage. Überdies sei das Energiekonzept unschlüssig, da lediglich die theoretischen Jahresverbrauchswerte den Jahresertragswerten gegenüber gestellt würden, ohne die für die Windenergieanlagen typischen Schwankungen der Energieerzeugung, z.B. in Form von Sicherheitszu- oder -abschlägen, zu berücksichtigen.

22

Vor dem Hintergrund der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs seien an die Erfordernisse der ausnahmsweise zulässigen Vorhaben strenge Anforderungen zu stellen. Die pauschalen Berechnungen und Vorhabenbeschreibungen des Klägers genügten diesen Anforderungen nicht. Da die Aquakulturanlage noch nicht errichtet worden sei, seien erhöhte Anforderungen an den Nachweis der Dauerhaftigkeit und der Ernsthaftigkeit des zu errichtenden Betriebes zu stellen, die nur durch präzise Konzepte erfüllt werden könnten. Aufgrund des unpräzisen Gesamtkonzepts könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die geplante Windenergieanlage der Aquakultur i. S. d. § 35 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB diene. Das „Dienen“ erfordere, dass die Windenergieanlage dem landwirtschaftlichen Betrieb zu- und untergeordnet und bodenrechtliche Nebensache sei. Die Windenergieanlage habe eine Entfernung von 50 m zu der geplanten Aquakultur. Auf die 350 m Entfernung zum übrigen Hof komme es nicht an, denn diesem solle die Windenergieanlage nicht dienen. Vorliegend scheitere das „Dienen“ daran, dass nicht sicher feststehe, dass der überwiegende Teil der erzeugten Energie in den Betrieb der Aquakulturanlage fließe. Das sei auch für eine „mitgezogene“ Nutzung zu fordern.

23

Dem Vorhaben stünden schließlich öffentliche Belange entgegen, denn es widerspreche den Zielen der Raumordnung. Ein Widerspruch bestehe zur Ziffer 3.5.2 Nr. 5 des Landesentwicklungsplanes (LEP), wo festgelegt sei, dass Windenergieanlagen als Nebenanlagen i.S.d. § 35 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB i.d.R. nicht höher als 70 m sein dürften. Dieses Ziel sei gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG verbindlich. Die geplante Anlage überschreite die festgesetzte Gesamthöhe mit 99,5 m deutlich.

24

Gegen das ihm am 30. Dezember 2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 30. Januar 2015 die Zulassung der Berufung beantragt.

25

Im Zulassungsverfahren hat der Kläger eine neue „Wirtschaftlichkeitsanalyse“ – Stand Februar 2015 – eingereicht. Danach sollen 201 – 250 t Karpfen produziert und zum größten Teil als Setzkarpfen für die Weitermast in Teichanlagen verkauft werden. Die Fütterung soll durch pflanzlich basierte Futtermischungen und einen „geringen Anteil von Zukaufkomponenten“ erfolgen. Vom Gesamt-Futterbedarf (320 t) könnten „gut 175 t“ selbst erzeugt werden. Für eine Temperatur im Gebäude von 20°C und in den Wasserbecken von 26°C entstehe ein Energiebedarf von 2,44 Mio kWh pro Jahr, der Eigenverbrauch des von der Windenergieanlage erzeugten Stroms für die Aquakultur und den Hof liege bei 56,69 %.

26

Der Senat hat dem Zulassungsantrag mit Beschluss vom 25. März 2015 stattgegeben.

27

Der Kläger ist der Ansicht, auf eine landwirtschaftliche Privilegierung der Windenergieanlage komme es mangels Wirksamkeit des Regionalplans IV nicht an. Die Anlage sei nach § 35 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 BauGB zulässig, denn weder die Darstellungen eines Flächennutzungsplanes noch die eines Regionalplanes stünden dem Vorhaben gemäß § 35 Abs. 3 S. 2 BauGB entgegen. Auch § 18a Landesplanungsgesetz könne dem klägerischen Vorhaben nicht entgegengehalten werden, denn die Norm sei verfassungswidrig. Die Ungültigkeitsgründe, die das Gericht zu den Regionalplänen für die Planungsräume I und III gefunden habe, seien auch auf den Regionalplan IV zu übertragen. Daher könne auch der LEP nicht mehr herangezogen werden. Im Übrigen folge aus der Formulierung „in der Regel“ in Nr. 3.5.2 Nr. 5 LEP, dass die Genehmigung einem Abwägungsvorgang zugänglich sein müsse. Der Begriff der Landwirtschaft in § 201 BauGB könne nicht über die Raumordnung definiert werden. Maßgeblich sei alleine die Frage, ob das Bauvorhaben einem landwirtschaftlichen Betrieb diene und nicht wie hoch es sei.

28

Privilegierte Stromerzeugungsanlagen i. S. d. § 35 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB dürften auch Strom in das öffentliche Netz einspeisen, ohne ihre Privilegierung zu verlieren. Die Feststellung einer deutlich überwiegenden Eigennutzung könne nicht in Zweifel gezogen werden, wenn zu bestimmten Zeiten und unter bestimmten Umständen ein höherer Anteil in das öffentliche Netz eingespeist werde. Theoretisch sei eine Stromerzeugung von 4,6 Mio kWh pro Jahr möglich, davon werde auf dem Hof und in der Aquakultur ein Anteil von 2.443.992 kWh pro Jahr verbraucht. Vor dem Hintergrund des Wertes der Vergütung von Strom (4,95 Ct/kWh) bestehe kein Interesse daran, die Menge der in das öffentliche Netz einzuspeisenden Energie künstlich zu erhöhen. Der maximal anzulegende Wert in den ersten fünf Jahren liege bei 8,9 Ct/kWh Strom, während der Bezug von Strom aus dem öffentlichen Netz ca. 24 Ct/kWh koste. In seinem Konzept zur Energieversorgung sei nachvollziehbar dargelegt worden, für die Fischzuchtanlage 62% des erzeugten Stromes zu benötigen. Aus seiner Faktensammlung aus März 2016, in der er den Eigenverbrauch der letzten drei Jahre berechnet habe, ergebe sich aufgrund der Trafo-Aussteuerung („Abregelung“) im Jahr 2014 ein Eigenverbrauch von 79,0 % und im Jahr 2015 von 119,8 %.

29

Der Kläger beantragt,

30

unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 23. Januar 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Mai 2013 zu verpflichten, ihm die beantragte Genehmigung zum Betrieb und zur Errichtung seiner Windenergieanlage Enercon E70 E4, Rotordurchmesser 71 m, Nabenhöhe 64 m, Gesamthöhe 99,5 m auf dem Flurstück .../2 der Flur 6 der Gemarkung A-Stadt zu erteilen,

31

hilfsweise,

32

den Beklagten unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts zu verpflichten, seinen Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu verbescheiden.

33

Das beklagte Landesamt beantragt,

34

die Berufung zurückzuweisen.

35

Es hält an seiner Ansicht fest, die Anlage könne weder nach § 35 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 noch nach Nr. 5BauGB genehmigt werden. Eine Genehmigung nach § 35 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB entfalle, weil die Fischzucht kein landwirtschaftlicher Betrieb sei. Die Windenergieanlage „diene“ einem solchen Betrieb auch nicht. Es fehle an ausreichenden Belegen für einen dauerhaft geplanten und wirtschaftlichen Betrieb, weil sich der Kläger nicht endgültig auf ein bestimmtes Zuchttier habe festlegen wollen. Er lege seiner Wirtschaftlichkeitsanalyse nunmehr den Einsatz von Karpfen zugrunde. Sein ständig wechselnder Vortrag begründe Zweifel an einer ernsthaft geplanten und langfristigen Betriebsführung. Die Ernsthaftigkeit des klägerischen Vorhabens sei auch deshalb zweifelhaft, weil die mit der Nutzungsänderung der Halle genehmigten Maßnahmen nach vier Jahren - bis heute - noch nicht abgeschlossen seien. Hinsichtlich des vorgelegten (neuen) Konzepts zur Energieversorgung bestünden Zweifel an dessen Plausibilität, zumal dessen Verfasser nicht erkennbar sei.

36

Eine Wirtschaftlichkeit der nunmehr geplanten Karpfenzucht könne nicht angenommen werden. Alle Ergebnisse bisher betriebener Warmwasser-Aquakulturanlagen hätten keine Wirtschaftlichkeit zeigen können. Bisher würden in Europa Karpfen ausschließlich in Teichen kommerziell gemästet. Für die vom Kläger geplanten Produktionsmengen fehle ein Absatzmarkt. Eine Weitermast von K3-Karpfen in Teichen sei ökonomisch unsinnig.

37

Selbst wenn die Aquakulturanlage als landwirtschaftlicher Betrieb im Sinne des § 35 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB eingeordnet werde, „diene“ die geplante Windenergieanlage diesem nicht. Ausgehend von der zweitinstanzlich eingereichten (neuen) Wirtschaftlichkeitsanalyse betrage der Eigenverbrauch des erzeugten Stromes 56,69 %. Dieser Prozentsatz belege keine deutlich überwiegende Eigennutzung. Eine Grenze für einen deutlich überwiegenden Eigenverbrauch dürfe nicht unterhalb von 2/3 gezogen werden. Auf die Frage, inwieweit „überschüssiger“ Strom in das Netz eingespeist werde, komme es nicht an, zumal der künftige Umfang sog. Abregelungen keinesfalls sicher sei.

38

Einer Genehmigung nach § 35 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 BauGB stehe § 18a Landesplanungsgesetz entgegen. Diese Vorschrift sei wirksam; eine Ausnahmegenehmigung nach dessen Abs. 2 liege nicht vor und könne auch nicht erteilt werden, da sich die Windkraftanlage innerhalb eines „weichen Tabukriteriums“ der in Aufstellung befindlichen Regionalplanung befinde und den Abstand von 800 m zu Siedlungsbereichen unterschreite.

39

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge des beklagten Landesamtes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

40

Die zugelassene Berufung hat keinen Erfolg. Der Kläger hat die Berufung nach der Zulassung innerhalb der Frist gem. § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO bis zum 1. Juni 2015 begründet. Die am 26. Februar 2016 erfolgte weitere Begründung ergänzt lediglich die fristgerecht vorgetragenen Berufungsgründe.

41

1. Der Kläger hat erstmals im Berufungsverfahren auch die Verpflichtung des Beklagten zur Genehmigung einer „selbständig“ privilegierten Windenergieanlage nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB erstrebt.

42

Zuvor war - mit Antrag vom 23. Juni 2006 - die Genehmigung einer „betriebseigenen“ Windkraftanlage für die Stromversorgung einer Aquakulturanlage beantragt worden (vgl. auch das szt. vorgelegte „Energiekonzept“ zur Begründung der „Privilegierung der Windkraftanlage“ [Beiakte A, Bl. 29 ff.]). Auf den Genehmigungsantrag hatte der Kläger erstinstanzlich mit seinem Verpflichtungsantrag und in seiner Klagebegründung sowie in dem (schriftsätzlich) angekündigten Berufungsantrag Bezug genommen.

43

Es kann offen bleiben, ob darin eine Klageänderung i.S.d. § 91 VwGO liegt, nachdem sich das beklagte Amt darauf - ohne Widerspruch - sowohl schriftsätzlich als auch in der mündlichen Berufungsverhandlung eingelassen hat. Es hat in seiner Berufungserwiderung vom 24. Februar 2016 (Bl. 201/203 d. A.) zu der nach seiner Ansicht fehlenden Genehmigungsfähigkeit der Windkraftanlage nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB Stellung genommen. Auch in der mündlichen Berufungsverhandlung hat das beklagte Amt einer Klageänderung nicht widersprochen. Sie wäre damit zulässig, ohne dass es noch auf die Frage ankommt, ob sie auch „sachdienlich“ ist (§ 91 Abs. 2 VwGO).

44

2. Der Kläger kann weder eine Genehmigung der Windkraftanlage noch – im Sinne seines Hilfsantrages – eine neue „Verbescheidung“ seines Genehmigungsantrages beanspruchen. Rechtsgrundlage für die begehrte Genehmigungserteilung zur Errichtung und zum Betrieb einer Windenergieanlage ist § 6 Abs. 1 i.V.m. § 4 BImSchG und Nr. 1.6.2 der Anlage 1 zur 4. BImSchV. Danach kommt es für den Genehmigungsanspruch darauf an, ob der Errichtung und dem Betrieb der geplanten Anlage öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegenstehen.

45

Hier stehen der Genehmigung Vorschriften des Bauplanungsrechts entgegen: Die Windenergieanlage ist weder nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB (unten 2.1) noch nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB (unten 2.2) zulässig; auch als „sonstiges Vorhaben“ i. S. d. § 35 Abs. 2 BauGB ist die Anlage nicht genehmigungsfähig (unten 2.3).

46

2.1 Der Kläger weist – im Ausgangspunkt – zutreffend darauf hin, dass eine Windenergieanlage nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB im Außenbereich privilegiert zulässig ist.

47

2.1.1 Der Zulässigkeit kann – derzeit – die Vorschrift in § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB nicht entgegengehalten werden. Zwar sah der – hier maßgebliche - Regionalplan für den Planungsraum IV (Schleswig-Holstein Süd-West: Kreise Dithmarschen und Steinburg; Teilfortschreibug zur Ausweisung von Eignungsgebieten für die Windenergienutzung vom 06.11.2012 [Amtsbl. SH S. 1336]) für Windkraftanlagen eine „Ausweisung an anderer Stelle“ vor. Diese regionalplanerische Grundlage ist jedoch unwirksam. Der Senat hat durch Urteile vom 20.01.2015 – 1 KN 6/13 u.a. (NordÖR 2015, 261 ff.) – die Teilfortschreibungen des Regionalplans für die Planungsräume I und III für unwirksam erklärt. Die dazu festgestellten formellen und materiellen Unwirksamkeitsgründe, insbesondere die nicht ordnungsgemäß erfolge Differenzierung zwischen harten und weichen Tabukriterien, die fehlerhafte Abwägung zu Mindestabstandsregelungen und die Ausklammerung potenzieller Eignungsflächen nur wegen eines entgegenstehenden Gemeindewillens, gelten auch in Bezug auf die hier maßgebliche Teilfortschreibung des Regionalplans für den Planungsraum IV. Dem entsprechend ist die Unwirksamkeit dieser Teilfortschreibung hier inzident festzustellen. Die Frage, ob der im Erlasswege erfolgten Erklärung der Landesplanungsbehörde zur Nichtanwendung der Teilfortschreibung des Regionalplans IV (s. Erlass vom 23.06.2015, zu III. [Amtsbl. SH S. 772]) verbindliche Rechtswirkung zukommt, kann danach offen bleiben.

48

2.1.2 Dem auf § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB gestützten Verpflichtungs- bzw. Bescheidungsanspruch des Klägers steht aber die - genehmigungsrechtliche - Vorschrift des § 18a Abs. 1 Satz 2 LPLaG SH entgegen. Danach sind zur Sicherung der Raumordnungsplanung bis zum 05.06.2017 (maßgebliche Gesetzesfassung vom 22.05.2015 [GVOBl. S. 132] zur Zeit der mündlichen Verhandlung) raumbedeutsame Windkraftanlagen im gesamten Landesgebiet unzulässig, nachdem Verfahren zur Neuaufstellung von Raumordnungsplänen oder zur Fortschreibung bestehender Raumordnungsplänen eingeleitet worden sind.

49

2.1.2.1 Die hier zu beurteilende Windkraftanlage ist „raumbedeutsam“ i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 6 ROG. Insofern sind in erster Linie die Dimension (Höhe, Rotordurchmesser), der Standort und die Auswirkungen auf die Raumordnung maßgeblich; diese bestimmen im Einzelfall die Wirkungen der Anlage auf das Landschaftsbild. Bei einer Anlage, die – wie hier – mit 64 m Nabenhöhe und einer Gesamthöhe von 99,5 m in der flachen Marschenlandschaft weithin sichtbar ist, liegt eine erhebliche Auswirkung auf den Raum und dessen Funktionen vor (vgl. BVerwG, Beschl. v. 02.08.2002, 4 B 26.02, BauR 2003, 837 [bei Juris Rn. 6], OVG Magdeburg, Urt. v. 20.04.2007, 2 L 110/04, ZNER 2007, 234 [bei Juris Rn. 29]; OVG Koblenz, Urt. v. 20.02.2003, 1 A 11406/01, NVwZ-RR 2003, 619; OVG Lüneburg, Urt. v. 29.04.2004, 1 LB 28/04, BauR 2004, 1579; vgl. auch Runkel DVBl. 997, 275/278 [zu 3.3.1])

50

2.1.2.2 Das Land hat auch Verfahren zur Neuaufstellung bzw. Fortschreibung von Raumordnungsplänen in Bezug auf Windenergieanlagen eingeleitet (Runderlass der Landesplanungsbehörde vom 23.06.2015 [Amtsbl. SH S. 772], i.d.F. vom 14.12.2016 [Amtsbl. SH S. 1853]).

51

2.1.2.3 Eine Ausnahme von der Unzulässigkeit nach § 18a Abs. 1 LaPlaG hat die Landesplanungsbehörde vorliegend nicht zugelassen. Sie kommt, wie sich aus dem Schriftsatz des beklagten Landesamtes vom 27.03.2017 (S. 2) ergibt, auch nicht in Betracht, weil die Windkraftanlage in einem Bereich errichtet werden soll, der einem „weichen Tabukriterium“ des in Aufstellung befindlichen (neuen) Regionalplans unterfällt und – zudem – den vorgesehenen sog. Siedlungsabstand von 800 m deutlich unterschreitet.

52

2.1.2.4 Der Ansicht des Klägers, § 18a Abs. 1 LaPlaG stehe seinem Vorhaben nicht entgegen, weil diese (Landes-)Norm verfassungswidrig sei, ist nicht zu folgen. Der Senat sieht keine Veranlassung, das Verfahren insoweit auszusetzen und die Entscheidung des Landesverfassungsgerichts einzuholen, da die genannte Vorschrift mit der Landesverfassung vereinbar ist (§ 44 LVerfGG). Ebenso besteht kein Grund, eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, weil § 18a LaPlaG auch mit übergeordneten Normen des Bundesrechts, insbesondere des Grundgesetzes, vereinbar ist (§ 13 Nr. 11, § 80 BVerfGG).

53

Die Zweifel des Klägers an der Gesetzgebungskompetenz des Landes zum Erlass des § 18a LaPlaG sind unbegründet.

54

Das Raumordnungsrecht gehört nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 31 GG zur konkurrierenden Gesetzgebung, also zur Landeskompetenz, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz keinen Gebrauch gemacht hat (Art. 72 Abs. 1 GG). Vorliegend hat der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht, indem er in § 14 Abs. 2 ROG eine sog. „Sicherungsuntersagung“ vorgesehen hat, die der Raumordnungsbehörde für den Fall, dass sich ein Raumordnungsplan in Aufstellung befindet, die Möglichkeit zu einer - auf bis zu zwei Jahre befristeten - Untersagung von raumbedeutsamen Maßnahmen gibt. Allerdings darf das Land nach Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GG von dieser Regelung durch Gesetz abweichen; im Falle einer Abweichung geht im Verhältnis von Bundes- und Landesrecht das jeweils spätere Gesetz vor (Art. 72 Abs. 3 Satz 3 GG). Das ist vorliegend § 18a LaPlaG. Die Kompetenz des Landes, von dem 2008 erlassenen (neuen) Raumordnungsgesetz des Bundes abzuweichen, ist durch Art. 125 b Abs. 1 GG eröffnet. Sie ist durch das Grundgesetz nicht eingeschränkt; anders, als es etwa für das Naturschutz- oder Wasserhaushaltsrecht der Fall ist (vgl. Art. 72 Abs. 3 Nr. 2, 5 GG), gibt es für den Bereich der Raumordnung keinen verfassungsrechtlich bestimmten „abweichungsfesten Kern“ (vgl. BT-Drs. 17/813, S. 11 [zu b]; Hoppe, DVBl. 2007, 144). Die Abweichungskompetenz umfasst auch Instrumente zur Sicherung der (Landes-)Raumordnungsplanung. Die in § 18a LaPlaG getroffene landesrechtliche Regelung ist auch eine „echte“ Abweichung von § 14 Abs. 2 ROG und nicht etwa (nur) eine Wiederholung der bundesrechtlichen Reglung. § 18a Abs. 2 LaPlaG trifft eine inhaltlich weitergehende Regelung als § 14 Abs. 2 ROG, da sie abweichend von § 14 Abs. 2 ROG in § 18a Abs. 2 LaPlaG - befristet - die generelle, vorläufige Unzulässigkeit vorsieht (vgl. LT-Drs. 18/2983, S. 6, IV.).

55

Die in § 18a LaPlaG getroffene Regelung steht auch nicht im Konflikt mit dem Kompetenztitel in Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG („Bodenrecht“). Der dazu von Bringewat (NordÖR 2016, 240/245) vertretenen - gegenteiligen - Ansicht folgt der Senat nicht. Die boden- bzw. bauplanungsrechtlichen Voraussetzungen für die Zulassung von Windkraftanlagen sind in § 35 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 5, Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 und 3 BauGB geregelt. Soweit es nach § 35 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 BauGB auf raumordnungsrechtliche Ziele ankommt, „öffnet“ sich das Bauplanungsrecht für – weitere – raumordnungsrechtliche Regelungen und damit auch für die Raumordnungsplanung des Landes. Damit bleibt auch die Möglichkeit des Landesgesetzgebers erhalten, die (Neu-)Aufstellung von Raumordnungsplänen zu sichern. Genau diesem Zweck dient § 18a LaPlaG, indem - nur - zur Sicherung der Raumordnungsplanung raumbedeutsame Windkraftanlagen für vorläufig unzulässig erklärt werden. Damit betrifft § 18a LaPlaG ausschließlich Genehmigungsverfahren, regelt also nicht die planungsrechtliche (Un-)Zulässigkeit von Windkraftanlagen. Die nach § 18a LaPlaG geltende zeitlich begrenzte raumordnerische Unzulässigkeit hält die Frage der endgültigen raumordnerischen Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der Anlage „offen“; ihre Antwort ergibt sich (erst) aus den schlussabgewogenen Raumordnungsinstrumenten der Landesplanung (vgl. LVerfG SH, Beschl. vom 17.06.2016, LVerfG 3/15, NVwZ-RR 2016, 801 [Rn. 33, 34, 36]).

56

Die in § 18a LaPlaG getroffene Regelung begegnet auch keinen materiell-rechtlichen Einwänden des Verfassungsrechts.

57

Das Landesverfassungsgericht hat bereits entschieden, dass die Vorschrift die gemeindliche Planungshoheit (Art. 54 Abs. 1 LVerf SH) nicht verletzt; die gemeindliche Planungshoheit wird durch die Norm nicht betroffen (LVerfG, Beschl. v. 17.06.2016, a.a.O., Rn. 32 f.). Der Senat folgt dieser Beurteilung.

58

Darüber hinaus verletzt § 18a LaPlaG auch keine Grundrechte des Klägers.

59

Die durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Baufreiheit wird nicht verletzt. Zwar wird der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG durch die nach § 18a LaPlaG geltende zeitlich begrenzte, raumordnerische Unzulässigkeit der Windkraftanlage betroffen. Doch liegt darin - ebenso wie im Fall einer baurechtlichen Veränderungssperre (§ 14 Abs. 1 BauGB) – eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG. Die Regelung in § 18a LaPlaG ist eine notwendige Ergänzung der auf Landesebene erfolgenden Raumordnungsplanung. Sie wahrt und sichert den planerischen „Spielraum“ des Landes und trägt damit gleichzeitig dazu bei, die (raum-)planerische Abwägung möglichst frei von „Fakten“ vornehmen zu können, die während des Planungsprozesses (gänzlich) unbeeinflusst von raumplanerischen Regelungen geschaffen worden sind. Im Interesse einer sachgerechten Raumordnungsplanung bestehen keine Bedenken, den Eigentümern diese Wirkungen für einen zeitlich begrenzten Zeitraum entschädigungslos aufzuerlegen (vgl. - zum Baurecht - Stock in: Ernst/Zinkahn u. a., BauGB, 2017 § 14 BauGB, Rn. 143 m. w. N.). Durch die nach § 18a Abs. 2 LaPlaG bestehenden Entscheidungsbefugnisse der Landesplanungsbehörde kann – bei sachgerechter Handhabung – erreicht werden, dass Ausnahmen von der Unzulässigkeit nach § 18a Abs. 1 LaPlaG zugelassen werden, wenn (sobald) die Raumordnungsplanung fortgeschritten ist und die Verwirklichung ihrer Ziele nicht oder nur unwesentlich erschwert wird. Diese Vorschrift sowie die befristete Geltung des § 18a Abs. 1 LaPlaG tragen zur Verhältnismäßigkeit der Inhalts- und Schrankenbestimmung bei.

60

Soweit demgegenüber eingewandt wird, der Gesetzgeber habe in § 18a Abs. 1 LaPlaG eine Plansicherung eingeführt, ohne den Willen, ein „relevantes Ziel aufzustellen, hinreichend manifestiert zu haben“ und ohne dass eine „sicherungsfähige Regionalplanung … (nicht einmal) in Grundzügen“ vorgelegen habe (Bringewat, a.a.O., S. 244), vermag dies die Verfassungsmäßigkeit der Norm nicht in Frage zu stellen. Es trifft zwar zu, dass bei (Verabschiedung und) Inkrafttreten des § 18a LaPlaG am 05.06.2015 (GVOBl. SH S. 132) noch kein „Entwurf des zu sichernden Raumordnungsplans“ vorlag, sondern zunächst nur die allgemeine Planungsabsicht zur Teilaufstellung der Regionalpläne (Sachthema Windenergie) für die Planungsräume I bis III bekannt gemacht worden ist (Runderlass vom 23.06.2015, Amtsbl. SH S. 772). Damit stand aber fest, dass eine neue Regionalplanung zum (speziellen) Sachbereich der Windenergie erfolgen wird. Dem – aus der Bauleitplanung bekannten – Erfordernis einer „sicherungsfähigen“ Planung, die ein Mindestmaß des Inhalts der beabsichtigten Planung erkennen lässt, wird im Allgemeinen (schon) genügt, wenn die Ziele und Zwecke der Planung bekannt sind, aber noch (verschiedene) Planungsalternativen bestehen (vgl. Stock, in: Ernst/Zinkahn u.a., BauGB, 2017, § 14 BauGB Rn. 43). Die Anforderungen sind im Einzelfall vom jeweiligen Planungsraum abhängig. Wenn - wie hier - die Fläche eines großen Teilraums des Landes betroffen ist und - zudem - die raumplanerische Entscheidung der Landesplanungsbehörde über die Festlegung von Vorrang-, Vorbehalts- oder Eignungsgebieten (§ 7 Abs. 4 ROG) insbesondere im Bereich sog. „weicher Tabuzonen“ (vgl. zum Begriff: BVerwG, Urt. v. 13.12.2012, 4 CN 1.11, BVerwGE 145, 231) aus einem gesamträumlichen Planungskonzept und einer Abwägung (§ 7 Abs. 7 ROG) abgeleitet werden muss, kann für die Angabe eines „Mindestmaßes“ an Planungszielen nicht – wie vertreten wird (Bringewat, a.a.O., S. 244) – bereits ein Entwurf eines Raumordnungsplans verlangt werden. Nachdem die Landesplanungsbehörde ihre Planungsabsicht bekannt gegeben und zugleich angekündigt hat, die Kriterien zur Ermittlung geeigneter bzw. ausgeschlossener Flächen auf Regionalplanebene zu überarbeiten, ist dem – auch im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 GG bestehenden – Erfordernis einer hinreichend konkreten Angabe von Planungszielen Genüge getan. Der Umstand, dass die Überarbeitung der „Kriterien“ erst mit Erlass vom 29.04.2016 (Amtsbl. SH S. 424), also ca. 10 Monate nach Inkrafttreten des § 18a LaPlaG, erfolgt ist, ist unschädlich; auch die Entscheidung über diese Kriterien ist Teil des – zu sichernden – Planungsprozesses. Die Bekanntgabe der Planungsabsicht für eine (neue) Regionalplanung zur Windenergie und die – bald darauf – erfolgte Angabe von diesbezüglichen „Kriterien“ genügen gem. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung des § 18a LaPlaG.

61

Die Verfassungsmäßigkeit des § 18a LaPlaG ist auch im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG nicht in Frage zu stellen. Der Senat folgt insoweit der rechtlichen Beurteilung, die das Verwaltungsgericht seinem Beschluss vom 10.09.2015 (6 A 190/13; NVwZ-RR 2016, 212/213) zugrunde gelegt hat. Der Kritik von Bringewat (a.a.O., S. 247) – auch daran – ist nicht zu folgen; sie wiederholt den bereits zu Art. 14 GG angeführten Einwand, es fehle an einer „ausreichend konkretisierten überörtlichen Planung“, weshalb ein legitimer Zweck zur Einschränkung der Berufsfreiheit fehle. Damit wird übersehen, dass der legitime Zweck bereits in der Sicherung der Raumordnungsplanung einschließlich des zugehörigen Planungsprozesses besteht; zu dieser Sicherung liegen genügend „sicherungsfähige“ Grundlagen vor.

62

2.2 Dem Genehmigungsanspruch nach § 6 Abs. 1 BImSchG steht § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB entgegen.

63

Die vom Kläger geplante Windkraftanlage ist nicht Teil eines landwirtschaftlichen Betriebs (2.2.1). Sie „dient“ einem solchen auch nicht (2.2.2) und kann auch nicht als eine sog. „mitgezogene Nutzung“ zugelassen werden (2.2.3).

64

2.2.1 Der Kläger ist unzweifelhaft Landwirt, soweit er (auf seiner „Hofstelle“) Milchviehhaltung und Rindermast auf einer Flächengrundlage von 150 ha betreibt und Mais bzw. Getreide anbaut. Die streitige Windenergieanlage will er für seinen (künftigen) Betriebsteil „Aquakultur“ einsetzen. Von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB wäre dies abgedeckt, wenn die „Aquakultur“ als Landwirtschaft i. S. der Legaldefinition des § 201 BauGB anerkannt werden könnte. Insoweit sind die für den zu „gründenden“ (neuen) Betriebsteil relevanten Umstände Grundlage der rechtlichen Beurteilung (vgl. Söfker, in: Ernst/Zinkahn u. a., BauGB, 2017, § 35 BauGB Rn. 34).

65

Die Genehmigung zur Nutzungsänderung der Halle und zur Errichtung der Aquakulturanlage ist im Bescheid vom 19.09.2011 (Bl. 173 der Beiakte A) nicht auf der Grundlage des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, sondern nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB erteilt worden. Damit geht von dem genannten Bescheid schon im Ansatz keine Tatbestandswirkung für das Vorliegen einer Landwirtschaft i. S. d. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB aus.

66

Die Aquakultur des Klägers ist nicht als Landwirtschaft anzuerkennen.

67

2.2.1.1 Zur Landwirtschaft i. S. d. § 201 BauGB gehört bei Tierhaltungsbetrieben die überwiegende Erzeugung des Futters auf zum Betrieb gehörenden Flächen (unmittelbare Bodenertragsnutzung; vgl. BVerwG, Urt. v. 14.05.1969, 4 C 19.68, BVerwGE 34, 1 ff.; Urt. v. 13.12.1974, 4 C 22.73, BauR 1975, 104). Auch Fischzuchtanlagen können danach Landwirtschaft sein, wenn deren überwiegende Futtergrundlage aus dem Ackerbau, der Wiesen- und Weidewirtschaft stammt bzw. stammen kann. Die in Betracht kommenden Tierarten sind nicht auf traditionell in der Landwirtschaft gehaltene Tiere begrenzt. Allein entscheidend ist, ob das Futter (für die Fische) überwiegend auf den zum landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden, landwirtschaftlich genutzten Flächen erzeugt werden kann; auch dann liegt eine unmittelbare Bodenertragsnutzung (Urproduktion) vor. Eine Einschränkung auf bestimmte Tierarten ist daraus indes nicht abzuleiten, zumal die Inanspruchnahme von Flächen durch traditionell „landwirtschaftliche“ Tierarten gleich oder gar intensiver sein kann als bei neu eingesetzten Tierarten. Nach der Novellierung des BauGB durch das Europarechtsanpassungsgesetz Bau (EAG Bau) vom 23.09.2004 (BGBl I, S. 2414) sollte der „Strukturwandel in der Landwirtschaft“ gefördert werden (vgl. BT-Drs. 15/2250, S. 33), was auch die Nutzung neuer Produktionsmöglichkeiten – bei unmittelbarer Bodenertragsnutzung – einschließen sollte (VG Hamburg, Urt. v. 28.11.2012, 7 K 656/12, NVwZ-RR 2013, m. w. N.; vgl. auch VG Darmstadt, Urt. v. 19.03.2015, 7 K 923/12.DA, Juris). Soweit das OVG Lüneburg (Urt. v. 27.02.1984, 1 A 103/82, BRS 42 Nr. 88) eine Fischproduktion in Mastbehältern aus Stahl nicht als „Landwirtschaft“ i.S.d. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB anerkannt hat, ist dies im Hinblick auf den (in § 201 BauGB genannten) Begriff der „Binnenfischerei“ erfolgt, die keine Aquakultur in künstlichen „Hälterbecken“ umfasse. Dieser Auffassung folgt der Senat nicht. Ebenso, wie es (auch) bei der „terrestrischen“ Produktion von Tieren keinen Unterschied macht, ob diese in „künstlichen“ Vorrichtungen oder in der „Natur“ erfolgt, ist dies auch bei Fischen der Fall; maßgebliches Kriterium bleibt – wie oben ausgeführt – die unmittelbare Nutzung des Bodenertrags für die Tierproduktion. Soweit das OVG Lüneburg (a.a.O.) für eine Fischproduktion in „Hälterbecken“ das Vorliegen eines „ortsgebundenen“ Betriebs verneint hat, bezieht sich dies auf § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB, hat also keine Relevanz für die Zuordnung der Aquakultur zur Landwirtschaft.

68

2.2.1.2 Die Aquakultur wäre – danach – als „Landwirtschaft“ anzuerkennen, wenn der Kläger das für die Fische erforderliche Futter – bei Fortführung der anderen Betriebszweige (Milchviehhaltung, Rindermast) – überwiegend auf eigener Flächen-/Futtergrundlage erzeugen kann; die eigene Futtergrundlage muss überwiegen, d.h. mehr als 50 % abdecken (vgl. Söfker, in: Ernst/Zinkahn u. a., BauGB, 2017, § 201 BauGB, Rdnr. 17). Dies nachzuweisen, obliegt dem Kläger.

69

Dazu hat der Kläger im Laufe des Verfahrens (höchst) unterschiedliche Zahlen „geliefert“, die sich (womöglich) auf die wechselnden Zuchtfische (zuerst Garnelen und Barramundi-Barsche, sodann Jadebarsche, schließlich Karpfen) bezogen. Der Senat legt seiner Entscheidung – im Hinblick darauf, dass eine Verpflichtung des beklagten Amtes begehrt wird, so dass es auf die Sach- und Rechtslage zur Zeit der Berufungsverhandlung ankommt – die Bedürfnisse für eine Karpfenzucht bzw. -produktion zugrunde.

70

Für eine Produktionsmenge von 250 t Karpfen werden – den Angaben des Klägers zufolge - 320 t Futter benötigt, wovon 175 t auf eigenen landwirtschaftlichen Flächen erzeugt werden sollen (entsprechend 54,68 %). Diese Angabe erscheint – zunächst – plausibel:

71

Für die Futtererzeugung der (z. Zt.) 70 Milchkühe und 469 Mastrinder gibt der Kläger einen Flächenbedarf von 108 ha an (s. „Wirtschaftlichkeitsanalyse“ vom Februar 2015, S. 4). Ausgehend von 150 ha Gesamtagrarfläche verbleiben [150 - 108 =] 42 ha einschließlich Grünland. Vor dem Hintergrund des spezifischen Futterbedarfs kann das Grünland der Fischproduktion nicht zugeordnet werden. Wenn für die Fütterung der Karpfen mithin Getreide (Weizen, Gerste) verwendet werden soll, müsste auf der - nach den Angaben des Klägers - für „Marktfrucht“ verbleibenden Fläche von 28,96 ha (s. „Wirtschaftlichkeitsanalyse“, S. 12 [Bl. 173 d. A.]), die nicht für die Milchvieh- bzw. Rinderhaltung benötigt wird, ein Ertrag von [175/28,9 =] ca. 6 t pro Hektar erreichbar sein, um die für das Produktionsziel von 250 t Karpfen erforderliche Futtermenge von 175 t p.a. zu erreichen. Das ist für Getreide erreichbar.

72

Allerdings lässt der Kläger bei der Ermittlung des Futterbedarfs für die Karpfen unberücksichtigt, dass ernährungsphysiologisch nicht der gesamte Futterbedarf mit Getreidefutter bzw. aus Pflanzen gefertigten Pellets gedeckt werden kann.

73

Karpfen benötigen außer pflanzlichen Futtermitteln auch tierische Eiweiße und Fette oder „aufkonzentrierte pflanzliche Proteinprodukte“ (vgl. Stellungnahme „Rohstoffeinsatz in der Fischernährung“, CAU: Prof. Dr. Schulz, Anlage K 4, S. 2). Allein aus pflanzlicher Erzeugung kann der Eiweißbedarf von Karpfen nicht gedeckt werden (vgl. Füllner u. a., Karpfenteichwirtschaft, Sächsische Landesanstalt für Landwirtschaft, 2007, S. 23 [zu 5.1.3] sowie S. 61 [zu 9.9.2]). Karpfen benötigen zum Wachstum natürliches Protein, welches sie in einem Teich in Form von Wasserflöhen, Insektenlarven, Muscheln, Würmern oder Schnecken aufnehmen. Durch tierisches Eiweiß entsteht die Grundlage des Wachstums der Fische (Aufbau des Fischfleisches). Eine alleinige Fütterung mit Getreide in Beckenanlagen – ohne Naturnahrung – würde zu akuten Stoffwechselstörungen bis hin zum Tod der Karpfen führen. Karpfen können in Aquakulturen ihren Eiweißbedarf nicht allein durch pflanzlich erzeugtes Futter decken; sie sind auf zugekaufte Fischfutterprodukte angewiesen, die tierische Proteine und Fette enthalten. Dem wird in der Praxis durch zugekauftes spezielles Futter bzw. Fischmehl, Fischöl oder (sog.) Mischfutter Rechnung getragen; Getreide bzw. Futter auf pflanzlicher Basis wird (nur) als „Ergänzungsfuttermittel“ oder „Beifutter“ bezeichnet, das „als Energielieferant für den Stoffwechsel … den Luxusverbrauch von Nährtiereiweiß zur Energiegewinnung auf ein physiologisch mögliches Minimum“ reduziert; Getreide ist somit kein Ersatz für fehlende (tierische) Naturnahrung (Füllner, a.a.O., S. 61, 63 [zu 7.9.2]).

74

Nach der Konzeption des Klägers sollen die zu produzierenden Karpfen in den (vorgesehenen) 1.800 m³-Becken in der Halle aufgezogen werden. Die Karpfen sind deshalb auf Futtermittel aus tierischen Proteinen und Fetten angewiesen. Diese können nicht auf eigener Futtergrundlage produziert werden. In der vom Kläger vorgelegten Gewinn- und Verlustrechnung für die Aquakulturanlage werden Futterkosten von 236.522 € ansetzt (Bl. 168 d. A.); es ist nicht ersichtlich, dass dieser Betrag nur „eigenerzeugtes“ Futter betrifft. Der auf pflanzliches (Zusatz- oder Bei-) Futter entfallende Futteranteil liegt bei artgerechter Tierhaltung in der Teichwirtschaft bei 5 – 10 %, nur im Sommer kann er mehr als 25 % erreichen; der Großteil des Futters muss also tierische Proteine und Fette anbieten (vgl. Schlott u. a., Bedarfsorientierte Fütterung in der Karpfenteichwirtschaft, Wien 2011, S. 12 ff., S. 14 [Tab. 3.1]). Bei einer Beckenaufzucht, die kein natürliches Angebot tierischer Proteine und Fette ermöglicht, muss somit die überwiegende Futtergrundlage tierische Proteine und Fette anbieten; der „pflanzliche“ Anteil des Futters wird jedenfalls nicht höher ausfallen können, als es in Teichwirtschaften der Fall ist.

75

Damit bestehen Zweifel, ob die Produktion der Karpfen – in der vorgesehenen Menge von 250 t – überwiegend auf eigener Boden-/Flächengrundlage erfolgen kann.

76

Diese Zweifel gehen zu Lasten des Klägers. Es obliegt ihm, die Voraussetzungen einer Privilegierung i.S.d. § 35 Abs. 1 Nr. 1 und des § 201 BauGB darzulegen und durch ein schlüssiges Konzept zu belegen. Er hätte dazu im Hinblick auf die im erstinstanzlichen Urteil und in den vom beklagten Amt angeführten Zweifel Anlass zu konkrete(re)n Angaben gehabt. Auch in der mündlichen Berufungsverhandlung sind dazu schlüssige Angaben ausgeblieben. Der Senat konnte sich damit keine Überzeugung darüber bilden, dass die Aquakultur überwiegend auf einer eigenen Futtergrundlage aufbaut und damit als „Landwirtschaft“ i.S.d. § 201 BauGB anerkannt werden kann.

77

2.2.1.3 Abgesehen vom Erfordernis einer eigenen, überwiegenden Futtergrundlage ist für einen „landwirtschaftlichen Betrieb“ – auch – zu fordern, dass dieser ein Betriebskonzept und eine betriebliche Organisation aufweist, die bei objektiver Betrachtung auf eine nachhaltige Ertrags- und Gewinnerzielung ausgerichtet ist. Auch das ist vorliegend nicht festzustellen.

78

Ein „landwirtschaftlicher“ Betrieb i.S.d. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB muss auf Dauer angelegt und zur Gewinnerzielung geeignet sein. Der zu schonende Außenbereich darf in der Regel nur für eine langfristig ausgerichtete und gewinnversprechende landwirtschaftlichen Betätigung in Anspruch genommen werden (BVerwG, Urt. v. 19.04.1985, 4 C 13.82, NVwZ 1986, 201 [bei Juris Rn. 14] sowie Urt. v. 11.10.2012, 4 C 9.11, NVwZ 2013, 155; Urt. des Senats v. 27.04.1994, 1 L 141/92, Juris [Rn. 30, 32]).

79

Der Senat hat insoweit – einerseits – zu Gunsten des Klägers berücksichtigt, dass die Eröffnung eines neuen „Betriebszweigs“ mit mehr oder weniger großen Ungewissheiten und Risiken behaftet sein kann, die nicht von vorneherein als gewinnschädlich bewertet werden dürfen. Dazu gehört auch die Berücksichtigung einer gewissen „Durststrecke“ in der Gründungs- bzw. Startphase. Dem gegenüber ist nicht zu übersehen, dass das vom Kläger entworfene Projekt „Aquakultur + Windenergie“ in beträchtlichem Umfang die Möglichkeit eröffnet, landwirtschaftsfremde Erträge aus der Einspeisung von Strom in das öffentliche Netz zu erwirtschaften. Um solchen - nicht durch die Privilegierung der Landwirtschaft nach § 35 Abs. 1 Nr. 1, § 201 BauGB gerechtfertigten – Effekten entgegenzuwirken, ist ein strenger Maßstab an die Nachhaltigkeits- und Wirtschaftlichkeitsprüfung anzulegen.

80

Weder die vom Kläger vorgelegten Konzepte („Konzept zur Energieversorgung“, Februar 2010 [Beiakte A, Bl. 33 ff.]; „Wirtschaftlichkeitsanalyse“, Februar 2015 [Anlage BK 1, Bl. 162 ff. d. A.]; „Wind- und Ertragsabschätzung“ vom 14. März 2016 [Anlage BK 2, Bl. 208 ff. d. A.]) noch die dazu in der mündlichen Berufungsverhandlung vorgetragenen mündlichen Erläuterungen vermochten den Senat davon zu überzeugen, dass die geplante Aquakultur nachhaltig auf eine solide - positive - Ertrags- und Gewinnerzielung ausgerichtet ist.

81

Das im Februar 2010 vorgelegte Konzept betrachtet (noch) eine „Produktionsausrichtung“ auf Garnelen und Barramundis, ohne (dazu) Rentabilitätsprognosen zu geben; für die – jetzt – geplante Karpfenzucht ist das Konzept unergiebig.

82

Das Gleiche gilt für die (zuletzt) vorgelegte „Wind- und Ertragsabschätzung“ vom 14. März 2016 (Bl. 208 ff. d. A.). Daraus ist nur der Energieertrag der Windenergieanlage zu entnehmen, die lediglich eine „Hilfsfunktion“ für die Karpfenzucht haben soll. Ob die Windenergieanlage – für sich betrachtet Gewinne erwarten lässt, ist unerheblich, weil sie - allein – keine „Landwirtschaft“ i.S.d. § 201 BauGB ist.

83

Für die – unterstellte – landwirtschaftliche Aquakultur bzw. Karpfenproduktion, deren Wirtschaftlichkeit und die daraus resultierende Gewinnerwartung liefert allein die vom Kläger vorgelegten „Wirtschaftlichkeitsanalyse“ (Bl. 162 ff. d. A.) Datengrundlagen. Der Kläger erwartet danach, dass die Karpfenzucht bei anteiliger Energieversorgung aus der eigenen Windkraftanlage zu einer nachhaltigen Gewinnerzielung führen wird; er beziffert diese auf ein positives Betriebsergebnis von jährlich 89.728 €, wohingegen das Betriebsergebnis bei einem Strombezug aus „fremden“ Quellen negativ ausfalle.

84

Die Berechnung des Klägers ist allerdings erheblichen Einwänden ausgesetzt, die – auch – in der mündlichen Berufungsverhandlung nicht ausgeräumt werden konnten:

85

Die schon im erstinstanzlichen Urteil angesprochenen Zweifel daran, dass die Aquakultur eine - nachhaltige - Gewinnerwartung begründet, hat der Kläger nicht ausräumen können. Soweit die „Neugründung“ eines Betriebszweiges mit Anlaufschwierigkeiten verbunden ist, kann diesen sowohl auf der Kosten- als auch auf der Erlösseite durch seriöse Ansätze für Risiken und Wagnisse Rechnung getragen werden. Solche Ansätze sind der vorliegenden Gewinn- und Verlustrechnung (S. 7 der „Wirtschaftlichkeitsanalyse“ [Bl.- 168 d. A.]) nicht zu entnehmen.

86

Aus betriebswirtschaftlicher Sicht fällt auf, dass der Kläger auf der Kostenseite keine „Abschreibungen“ für Gebäude ansetzt, da diese „bereits vorhanden“ seien. Damit werden für den Wertverzehr der Gebäude einschließlich evtl. Instandhaltungen keine Rückstellungen gebildet. Kapitaldienst und Zinsen werden nur für die Aquakulturanlage angesetzt (18.800 € pro Jahr), nicht aber für die Windkraftanlage; ob und ggf. inwieweit in den „variablen“ Kosten für Strom aus der eigenen Windkraftanlage (135.715 € pro Jahr) Anteile für Kapitaldienst und Zinsen der Windkraftanlage, die ca. 2,3 Mio. Euro kostet, enthalten sind, ist unklar.

87

Ebenso unklar bleibt, ob Arbeitskosten ausreichend berücksichtigt worden sind. Da der Kläger auch Milch produziert und Rinder mästet, was - gerichtsbekannt - sehr zeitintensiv ist, hätte erläutert werden müssen, ob der Zeit- und Arbeitskräftebedarf für die Aquakultur durch zusätzlichen Arbeitskrafteinsatz abgedeckt werden muss. Bei der Beurteilung einer nachhaltigen Gewinnerwartung der Aquakultur sind die dafür anfallenden Kosten zu berücksichtigen.

88

Die „Wirtschaftlichkeitsanalyse“ erwartet einen jährlichen Gesamterlös für Zuchtkarpfen in Höhe von 738.137,-- Euro. Auch insoweit fehlt in der Berechnung ein Ansatz für (anfangstypische) Risiken und Wagnisse (Rückstellungen). Dazu gehören - zum einen - Anlaufprobleme, insbesondere in Bezug auf die Verfahrens- und Anlagetechnik und die Wasserqualität (O2-, CO2-, NO2- und NH4-Konzentration, Schlammablagerungen), und - zum anderen - Risiken, wie Wachstumsdepressionen, Fischseuchen oder andere Tierkrankheiten (Parasitosen, Bakteriosen, Gasblasen u. a.).

89

Unabhängig davon fehlen zur Absatzerwartung in Bezug auf eine Produktionsmenge von 250 t jährlich nachvollziehbare Grundlagen. Auch in der mündlichen Berufungsverhandlung konnte der Kläger dazu keine schlüssige Erklärung geben.

90

Vor dem Hintergrund einer wechselhaften Entwicklung der Erzeugung von Karpfen in Aquakulturanlagen (inkl. Teichanlagen; vgl. Pressemitteilung Nr. 183 des Statistischen Bundesamtes vom 02.06.2016), den Import-/Exportzahlen und der Entwicklung der Erzeugerpreise für Karpfen (vgl. dazu: Brämick, Jahresbericht zur Deutschen Binnenfischerei und Binnenaquakultur, 2015, Seite 29, Abb. 7 sowie Seite 42, Tab. 11) kann eine Prognose der aus einer Karpfenproduktion von - hier - jährlich 250 t realistisch erreichbaren Erlöse nur auf der Grundlage eines schlüssigen Konzepts für den Absatz der produzierten Karpfen erfolgen. Dazu bzw. zu möglichen Vermarktungswegen findet sich in der vom Kläger vorgelegten Wirtschaftlichkeitsanalyse nichts. In der mündlichen Berufungsverhandlung hat der Kläger lediglich mitgeteilt, die Fische sollten über Dänemark bzw. nach China verkauft werden. Verträge, Vorverträge o. ä. konnte er weder benennen noch vorlegen, ebenso keine inländischen Absatzkonzepte. In Anbetracht der für die Aquakultur und die – zur Genehmigung beantragte – Windkraftanlage aufzuwendenden erheblichen Investitionssumme ist ein plausibles Absatzkonzept auch in betriebswirtschaftlicher Hinsicht zu fordern, um die Prognose einer dauerhaften (unterstellt) landwirtschaftlichen Betätigung zu stützen und damit – zugleich – zu belegen, dass die Windkraftanlage gerade wegen ihrer Zuordnung zur Aquakultur – und nicht etwa als (nicht privilegierte) eigene Einnahmequelle geplant wird. Das gilt umso mehr, als der Kläger in seinem (ersten) „Energiekonzept“ (S. 10 [Bl. 42 der Beiakte A]) selbst davon ausgegangen ist, dass das Marktpotenzial für heimische Süßwasserfische – wozu auch Karpfen gehören – „zu ca. 85 % ausgeschöpft“ ist und „bestehende Produktionen … neben den Importen die Nachfrage auf den hiesigen Märkten überwiegend abdecken“ können.

91

Die Last, das Gericht von einer nachhaltigen Gewinnerwartung - und damit zugleich - von der wirtschaftlichen Tragfähigkeit der geplanten Aquakultur zu überzeugen, obliegt dem Kläger. Er hat dazu ausreichende und schlüssige Angaben zu „liefern“ und trägt insoweit die Beweislast (Urt. des Senats v. 27.04.1994, 1 L 141/92, Juris [Rn. 32]; vgl. auch VGH München, Beschl. v. 18.02.2013, 1 ZB 11.1389, Juris [Rn. 15] sowie VGH Mannheim, Urt. v. 07.08.1991, 3 S 1075/90, BauR 1992, 208). Das gilt insbesondere in einem Fall - wie hier - , in dem mit der Aquakultur zugleich eine Windkraftanlage realisiert werden soll, so dass die landwirtschaftlich erwarteten Erlöse aus dem Absatz von Fischen und die landwirtschaftsfremde „Rendite“ der Windkraftanlage strikt unterschieden werden müssen.

92

Für die Aquakultur ist nach alledem kein schlüssiges Betriebskonzept festzustellen, das objektiv auf Ertrags- und Gewinnerzielung ausgerichtet ist. Damit kann die vom Kläger geplante, mit einer Windkraftanlage „beheizte“ Aquakultur nicht als nachhaltige, auf Gewinnerzielung ausgerichtete „Landwirtschaft“ i.S.d. § 201 BauGB anerkannt werden.

93

2.2.2 Selbst wenn die Aquakultur des Klägers - unbeschadet der vorstehenden Gründe - als „Landwirtschaft“ i.S.d. § 201 BauGB anzusehen wäre, müsste – weiter – festzustellen sein, dass die zur Genehmigung beantragte Windenergieanlage dem landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers i.S.d § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB „dient“. Eine solche Feststellung ist nicht möglich.

94

2.2.2.1 Das „Dienen“ i.S.d. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB erfordert eine bestimmte äußerlich erkennbare funktionale Beziehung der Windkraftanlage zum Betrieb und einen sachlichen Zusammenhang mit der landwirtschaftlichen Tätigkeit. Die „dienende“ Zweckbestimmung muss objektiv gegeben sein. Als „dienend“ können - im Grundsatz - auch Energieerzeugungsanlagen anerkannt werden, sofern die erzeugte Energie von dem landwirtschaftlichen Betrieb abgenommen und tatsächlich überwiegend in dem Betrieb verwendet wird (Söfker, in: Ernst/Zinkahn u.a., BauGB, 2017, § 35 BauGB Rn. 34c).

95

2.2.2.2 Das beklagte Landesamt meint, bereits wegen der Entfernung der Windkraftanlage zur „Hofstelle“ fehle es an einer (prägenden) Beziehung zum landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers. Dem ist nicht zu folgen:

96

Eine räumliche Nähe zum „Schwerpunkt des Betriebes“ (Söfker, a.a.O., § 35 BauGB, Rn. 35) wird zwar in der Regel eine „dienende Funktion des Vorhabens indizieren, doch schließt dies nicht aus, dass ein Vorhaben einem landwirtschaftlichen Betrieb auch dann dient, wenn es – wie hier – einem Betriebsteil „abseits“ der traditionellen Hofstelle zugeordnet ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.11.1985, 4 C 71.82, NVwZ 1986, 644 [bei Juris Rn. 16, a. E.]). Dabei kann es keine Rolle (mehr) spielen, ob der „abseits“ gelegene Betriebsteil – hier die auf dem Flurstück .../2 gelegene Halle des Klägers – unter Vernachlässigung des Gebots größtmöglicher Schonung des Außenbereichs genehmigt worden ist. Wenn dort eine – unterstellt – landwirtschaftliche Aquakultur betrieben werden soll, ist die in 50 m Entfernung dazu vorgesehene Windkraftanlage diesem Betriebsteil auch - untergeordnet - räumlich-funktional zugeordnet (vgl. BVerwG, Beschl. v. 04.11.2008, 4 B 44.08, BauR 2009, 473 [bei Juris Rn. 8]; OVG Lüneburg, Urt. v. 29.10.2015, 12 LC 73/15, NordÖR 2016, 75 [bei Juris Rn. 24 f.]). Insofern unterscheidet sich die vorliegende Sachlage von dem Fall, der der Entscheidung des Senats vom 07.03.1995 (1 L 191/94, Juris) zugrunde lag; in jenem Fall sollte die Windkraftanlage 320 m entfernt von den betrieblichen Stromabnahmestellen errichtet werden. Einer „dienenden“ Funktion steht auch nicht entgegen, dass der von der Windkraftanlage erzeugte Strom zu einem geringen Teil (lt. Berechnung des Klägers: 0,95 %) auch zur Deckung des Strombedarfs der Wohn- und Wirtschaftsgebäude der 350 m entfernten Hofstelle eingesetzt werden soll. Die übrige Stromproduktion soll für die Bewirtschaftung der Fischzucht genutzt oder in das öffentliche Netz eingespeist werden. Auf die Entfernung von 350 m zum Wohnhaus und den in dessen Nähe gelegenen anderen landwirtschaftlichen Gebäuden kommt es somit entscheidend nicht an.

97

2.2.2.3 Der Annahme einer „dienenden“ Funktion der knapp 100 m hohen Windkraftanlage steht auch ihre (äußere) Größe nicht entgegen. Es mag sein, dass zur Deckung des Strombedarfs der geplanten Aquakultur auch eine „kleinere“ Anlage hätte ausreichen können (vgl. das gerichtliche Schreiben vom 03.02.2016, Bl. 199 d. A.). Für die Beurteilung der „dienenden“ Funktion kommt es aber nicht auf die „metrische“ Größe der Windkraftanlage oder ihr Verhältnis zu benachbarten Gebäuden an. Maßgeblich ist vielmehr, in welchem Umfang der erzeugte Strom dem landwirtschaftlichen Betrieb zugeführt wird. Auch bei einer (äußerlich) „großen“ Anlage kann dieser Umfang überwiegen, so dass (dann) auch eine „dienende“ Funktion gegeben ist (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 29.04.2008, 12 LB 48/07, BauR 2008, 1858 [bei Juris Rn.40-41]).

98

2.2.2.4 Entscheidend ist, dass eine „dienende“ Funktion der zur Genehmigung beantragten Windkraftanlage für die – unterstellt – landwirtschaftliche Aquakultur des Klägers nur anerkannt werden kann, wenn der betriebsbezogene Anteil der Energieerzeugung gemessen an der Gesamtkapazität der Anlage erheblich ins Gewicht fällt (BVerwG, Urt. v. 16.06.1994, 4 C 20.93, BVerwGE 96, 95). Wenn dies der Fall ist, steht es einer Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB nicht entgegen, wenn der „überschüssige“ (geringere) Teil des erzeugten Stroms an das öffentliche Netz oder an Dritte abgegeben wird.

99

2.2.2.4.1 Eine der Aquakultur „dienende“ Funktion erfordert, dass der betriebsbezogene Anteil der Stromproduktion der Windkraftanlage den zur Einspeisung in das öffentliche Netz oder zur Abgabe an Dritte verbleibenden Anteil deutlich überwiegt (BVerwG, Beschl. v. 04.11.2008, a.a.O., Rn. 8 [betrieblicher Anteil: 2/3]; ebenso: OVG Lüneburg, Urt. v. 29.04.2008, a.a.O., Rn.34, 38 [„ganz überwiegend“] sowie Urt. v. 29.10.2015, a.a.O. [betrieblicher Anteil: 2/3]). Es genügt nicht, wenn die erzeugte Energie nur gut zur Hälfte, also zu 51 % bis etwa 60 %, im landwirtschaftlichen Betrieb genutzt wird (vgl. Söfker, a.a.O., § 35 BauGB, Rn. 34c).

100

Damit ist eine betriebliche Verwendung von mindestens 65 % der Stromerzeugung erforderlich. Ein solcher Eigenanteil ist signifikant höher, als die Stromabgabe an Dritte oder an das öffentliche Netz. Er liegt auf der „sicheren Seite“ und gewährleistet damit ein deutliches Überwiegen der landwirtschaftlichen Energienutzung. Für eine „Schwelle“ von 65 % der Stromproduktion spricht auch die Erwägung, dass damit Anlagenkonzeptionen mit einer Stromerzeugung entgegengewirkt wird, die den Energiebedarf für den landwirtschaftlichen Betrieb von vornherein – erheblich – übersteigen, um dadurch die für eine Einspeisung ins Netz mögliche „Spitze“ zu vergrößern. Umgekehrt hat es der Bauherr einer „dienenden“ Windkraftanlage in der Hand, durch eine betriebsangemessene Dimensionierung der Anlage eine deutlich überwiegende betriebliche Verwendung der Stromproduktion sicherzustellen.

101

2.2.2.4.2 Aus dem Konzept des Klägers bzw. der „Wirtschaftlichkeitsanalyse“ müsste sich – hinreichend überzeugend - entnehmen lassen, welchen Strombedarf die geplante Aquakultur auslöst und wie sich dieser zur Gesamtkapazität der Windkraftanlage verhält. Nach den Angaben des Klägers ergibt sich danach, dass der betriebliche Stromverbrauch die für eine Einspeisung in das öffentliche Netz bzw. eine Abgabe an Dritte zur Verfügung stehende Strommenge nicht – i.S.d. Ausführungen zu 2.2.2.4.1 – „deutlich“ überwiegt.

102

In seinem (ersten), mit Schriftsatz vom 16. April 2015 vorgelegten „Energiekonzept“ geht der Kläger (noch) von einem Eigenverbrauchsanteil von 62 % aus. Dieses Konzept bezog sich allerdings noch auf die Produktion von Garnelen und Barramundi-Barschen, die – jetzt – nicht mehr geplant ist. In der – später vorgelegten – sog. „Faktensammlung WKA E70/E4 und Stellungnahme Eigenverbrauch“ (Anlage BK 3 [Bl. 215 – 220 d. A.]) berechnet der Kläger den Eigenverbrauchsanteil auf der Grundlage einer Jahresleistung der Winderzeugung von 4.058.150 kWh und eines jährlichen Eigenverbrauchs in der Aquakulturanlage von 2.443.992 kWh; das ergäbe ca. 60,2 % (der Kläger gibt nur 55,74 % an). In seinem Schriftsatz vom 27. April 2016 wird – auf der Basis 4,6 Mio. kWh pro Jahr Windkraftstrom und 2.552.992 kWh pro Jahr Strombedarf für die Aquakultur – der Eigenverbrauchsanteil mit 55,5 % angegeben. In seiner „Wirtschaftlichkeitsanalyse“ (Anlage B 1 [Bl. 162 ff. d. A.]) – dort Anhang 5 - errechnet der Kläger - bei einer Jahresstromerzeugung der Windkraftanlage von 4,6 Mio kWh pro Jahr und einem betrieblichen Verbrauch der Aquakultur zur Produktion von Karpfen von 2.443.992 kWh pro Jahr - eine Eigenverbrauchsquote von 55,74 % ab (rechnerisch ergäben sich 53,13 %); unter Berücksichtigung eines - weiteren - Eigenverbrauchs für den (übrigen) landwirtschaftlichen Betrieb gibt er die (Gesamt-)Eigenverbrauchsquote mit 56,69 % an (Bl. 176 d. A.).

103

Die Quoten des Eigenverbrauchs für die Aquakultur und den Gesamtbetrieb bleiben damit nach allen Berechnungen - erheblich - unterhalb der Grenze, von der ab - nach den o. g. (2.2.2.4.1) Maßstäben - ein „deutliches“ Überwiegen des betrieblichen Verbrauchs der Stromproduktion anzunehmen ist.

104

2.2.2.4.3 Unabhängig davon bestehen Anhaltspunkte dafür, dass die Ansätze für den der Aquakultur zugeordneten Stromverbrauch zu hoch sind, so dass sich auch eine überhöhte Eigenverbrauchsquote errechnet. Der vom Kläger insoweit angesetzte Energiebedarf hält einer kritischen Überprüfung nicht stand.

105

Der Kläger geht – im Ausgangspunkt zutreffend – davon aus, dass für den betrieblichen Energiebedarf der Aquakultur die für die Karpfen bereitzustellende Wassertemperatur den entscheidenden Faktor darstellt (s. S. 11 des „Energiekonzepts“ [Bl. 43 der Beiakte A]). Dann aber bedarf die „geplante“ Wassertemperatur einer fachlich nachvollziehbaren Begründung. Diese fehlt.

106

Der Kläger legt seinen Energiebedarfsberechnungen eine Wassertemperatur von 26° C in den (Indoor-)Becken und eine Lufttemperatur in der Halle von 20° C zugrunde (Bl. 166 d. A.). Für die früher geplante Zucht von Garnelen und Barramundi-Barschen, die Temperaturbereiche von 25-32 °C bzw. 25-30° C erfordern, ist dies – fachlich – begründet worden (s. 10, 12 des „Energiekonzepts“ [Bl. 42, 44 der Beiakte A]). Eine entsprechende Begründung für die für Karpfen erforderliche Wassertemperatur fehlt.

107

Den vorgelegten Berechnungen des Klägers ist auch nicht zu entnehmen, dass der (höchst) unterschiedliche Energiebedarf während der Sommer- bzw. der Winterzeit berücksichtigt worden ist. Unberücksichtigt bleibt auch, ob und ggf. inwieweit sich der Energiebedarf durch Wärmeisolierung reduzieren lässt. Dadurch kann der Strombedarf - insbesondere in der Sommerzeit - erheblich sinken.

108

Gründe dafür, dass eine (ganzjährige) Beheizung des Wassers auf 26°C für die Karpfenproduktion in einer Aquakultur erforderlich ist, sind auch nicht ersichtlich. Aus allgemein zugänglichen Quellen (z. B. fischerzeugerring-niederbayern.de) ist zu entnehmen, dass die „Vorzugstemperatur“ bei Karpfen zwischen 19 und 24°C liegt; der (ganzjährige) „Optimalbereich“ wird beginnend mit 23°C angegeben (vgl. Rümmler u.a., Kombinierte Satzkarpfen-Edelfischaufzucht in geschlossenen Kreislaufanlagen, Schriftenreihe 13/2006 der Sächs. Landesanstalt für Landwirtschaft, S. 15; Rümmler u. a., Warmwasseraufzucht von Karpfen …, in: Fischer & Teichwirt 2011, 170 [zu 2.]).

109

Die für die Karpfenproduktion „optimale“ Wassertemperatur ist i.Ü. nicht nur eine (fisch-)biologische Größe, sondern - vor allem - ein ökonomischer Faktor. Die Wassertemperatur hat für die Fischvermehrung eine größere Bedeutung als für die Fischmast, für letztere trägt sie zu einer schnelleren Gewichtszunahme der Fische bei. Dem entsprechend ist – ökonomisch – der „Gewinn“ einer schnelleren Gewichtszunahme der Fische mit den Kosten für den erhöhten Energieeinsatz für Beheizung und Aufbereitung des Wassers zu vergleichen. Erst daraus ergibt sich ein – betriebswirtschaftliches – Optimum.

110

Den Berechnungen des Klägers bzw. der diesen zugrundliegenden Konzeption sind zu (allen) diesen Fragen keinerlei Angaben oder Erläuterungen zu entnehmen. Dabei sind die Auswirkungen der („Soll“-) Temperatur von 26°C auf den Energieverbrauch keineswegs zu vernachlässigen, da für die Wassererwärmung und -warmhaltung ein deutlich geringerer Energieeinsatz anzusetzen wäre, wenn die Anlage auf eine (mittlere) Temperatur von 23°C (oder weniger) ausgelegt würde. Das ergibt sich – deutlich – aus dem „Energiekonzept“ (a.a.O., S. 18, 21 [Beiakte A, Bl. 50, 53]) und den dort angegebenen Werten für den Energieeinsatz in Abhängigkeit von der „konstanten Beckentemperatur“ von 18, 20, 22, 24, 26°C und mehr: Bei 2°C „weniger“ Beckentemperatur sinkt der Energieverbrauch um ca. 10, 9 %; bei 4 °C weniger um ca. 21,8 %. Entsprechend ergäbe sich bei einer konstanten Beckentemperatur von (statt 26°C) 24°C und einem dafür erforderlichen Energiebedarf von 2.181.691 kWh pro Jahr auf der Basis von 4,6 Mio. kWh pro Jahr Windkraftstrom eine Eigenverbrauchsquote von ca. 47 %, die nach den o. g. (2.2.2.4.1) Maßstäben – sicher – nicht mehr als „deutlich überwiegend“ anzuerkennen ist.

111

Das Gleiche wäre der Fall, wenn der Kläger - zumindest einen Teil der Fische - in den Außenbecken hält, was – jedenfalls in der wärmeren Jahreszeit – möglich ist und insoweit den Bedarf für eine (elektrische) Wassererwärmung und die Wasseraufbereitung in den („Indoor“-)Wasserbecken weiter reduziert.

112

Was die im Konzept des Klägers vorgesehene Lufttemperatur in der Halle (20°C) anbetrifft, wird der Stromenergiebedarf insoweit nicht gesondert angegeben. Dieser – wie auch der Strombedarf für die in der Halle geplante Kreislaufanlage (z. B. für Pumpen, Sauerstoffzufuhr etc.) - kann indes vernachlässigt werden, weil er nur einen relativ geringen Teil des gesamten betrieblichen Energiebedarfs ausmacht. Die Lufttemperatur in der Halle wird in der „warmen“ Jahreszeit ohne weiteres erreicht werden können; in der „kalten“ Jahreszeit wird sie sich einstellen, wenn das Wasser in den Becken auf (23°C oder) 26°C aufgeheizt wird.

113

2.2.2.4.4 Auf die hypothetischen Berechnungen des Klägers zum Einfluss des sog. „Trafo-Abschlags“ (genauer: der Abregelung der Stromeinspeisung in das Stromnetz z. B. in Fällen einer Netzüberlastung) auf die für die Jahre 2013 – 2015 anzusetzenden Eigenverbrauchswerte kommt es schon im Ansatz nicht an. Maßgeblich für eine überwiegende Nutzung des in der Windkraftanlage erzeugten Stroms zur landwirtschaftlichen Betriebsführung ist der Anteil des Eigenverbrauchs an der Jahreserzeugung. In welchem Ausmaß der nicht betrieblich benötigte Strom im Rahmen eines sog. „Einspeisemanagements“ nicht in das öffentliche Netz eingespeist (und vergütet) wird, ist für die Frage, inwieweit die Windkraftanlage dem Betreibsteil „Karpfenzucht“ dient, unerheblich. Dem beklagten Landesamt ist darin zu folgen, dass es allein auf einen Vergleich der betrieblich benötigten und einsetzbaren Strommenge mit der Gesamt-Strommenge ankommt, die von der Windkraftanlage erzeugt wird. Die vom Kläger für die Jahre 2013 – 2015 errechneten hypothetischen Eigenverbrauchsquoten von 60,3 %, 79 % bzw. 119,8 % (GA 206, 217 [Tabelle, rechte Spalte]) sind damit nicht maßgeblich.

114

2.2.2.4.5 Insgesamt genügen – somit – die Angaben des Klägers nicht für die Annahme, dass die Stromerzeugung der geplanten Windkraftanlage „deutlich“ überwiegend für den betrieblich veranlassten Energiebedarf der Aquakultur bzw. des übrigen landwirtschaftlichen Betriebes eingesetzt werden wird.

115

2.2.3 Die Windenergieanlage kann – schließlich – auch nicht als eine sog. „mitgezogene Nutzung“ zugelassen werden.

116

2.2.3.1 Als „mitgezogene Nutzungen“ können Vorhaben an der Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB auch dann teilnehmen, wenn sie – für sich betrachtet – nicht-landwirtschaftlicher Art sind. Dazu müssten sie als „bodenrechtliche Nebensache“ wie ein „Anhängsel“ dem landwirtschaftlichen Betrieb zu- und untergeordnet sein (BVerwG, Beschl. v. 28.08.1998, 4 B 66.98, NVwZ-RR 1999, 106 sowie Urt. v. 30.11.1984, 4 C 27.81, NVwZ 1986, 203). Die Landwirtschaft muss nach Umfang und Bedeutung für den Gesamtbetrieb deutlich überwiegen. Eine „bodenrechtliche Nebensache“ ist nicht (mehr) anzunehmen, wenn das Vorhaben nach seiner Zweckbestimmung nicht überwiegend im Rahmen der landwirtschaftlichen Betriebsführung genutzt werden soll. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB bietet keine Handhabe dafür, einen landwirtschaftlichen Betrieb unter erleichterten Voraussetzungen um einen von der landwirtschaftlichen Nutzung unabhängigen gewerblich-kaufmännischen Betriebsteil zu erweitern (BVerwG, Beschl. v. 04.11.2008, 4 B 44.08, a.a.O. [bei Juris Rn. 7 ff.]; vgl. auch OVG Lüneburg, Urt. v. 29.10.2015, a.a.O. [bei Juris Rn. 21]).

117

2.2.3.2 Die vom Kläger geplante Windkraftanlage käme – danach – als „mitgezogene Nutzung“ im o. g. Sinne in Betracht, wenn die Aquakultur als Landwirtschaft i. S. d. § 201 BauGB anerkannt werden könnte. Das ist – wie ausgeführt – nicht der Fall.

118

Als ein nicht landwirtschaftliches Vorhaben ist die Aquakultur nicht mehr untergeordnete „Nebensache“ des landwirtschaftlichen Betriebs anzusehen. Da die Karpfenproduktion – wie ausgeführt – nicht mehr überwiegend auf eigener Futtergrundlage erfolgen kann, stellt sie einen gewerblichen Betriebsteil dar, der nicht als „mitgezogene“ Nutzung zugelassen werden kann. Der Betriebsteil ist i. Ü. auch nicht als solche zugelassen worden, sondern nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB, wie sich aus dem Bescheid des Kreises vom 19.09.2011 (Bl. 173 der Beiakte A) ergibt. Der Versuch der Klägers, eine Genehmigung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB zu erlangen, ist erfolglos geblieben (Urteil des VG Schleswig vom 04.06.2013, 2 A 29/12, NordÖR 2014, 29; Beschluss des Senats vom 12.08.2013, 1 LA 53/13).

119

Unter Zugrundelegung eines nicht landwirtschaftlichen Betriebsteils ist dem beklagten Landesamt (Schriftsatz vom 01.07.2013, S. 2) darin zu folgen, dass zur Deckung der dafür benötigten Energie nicht eine weitere Nebenanlage im Außenbereich zugelassen werden kann.

120

2.2.3.3 Mangels Zulässigkeit der zur Genehmigung gestellten Windenergieanlage nach § 35 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB kommt es auf Nr. 3.5.2. Nr. 5 (Z) des am 13. Juli 2010 veröffentlichen Landesentwicklungsplans nicht mehr an. Nach der genannten Bestimmung ist die Errichtung von Windkraftanlagen außerhalb festgelegter Eignungsgebiete ausgeschlossen, ausgenommen solche, die „einem Vorhaben nach § 35 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 4 BauGB dienen, mit in der Regel einer Gesamthöhe bis zu 70 m.“ Da die Anlage des Klägers – wie ausgeführt – keine „dienende“ Anlage ist (s.o. 2.2.2), erübrigen sich weitere Ausführungen zu dieser raumordnungsrechtlichen Aussage.

121

2.2.3.4 Eine Zulassung der Windkraftanlage des Klägers nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB kommt nach alledem nicht in Betracht. Ebenso scheidet ihre Zulassung nach § 35 Abs. 4 Nr. 1 BauGB aus; diese Vorschrift wird hier durch § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB verdrängt, die – wie ausgeführt (oben 2.1) – keinen Genehmigungsanspruch vermittelt.

122

2.3 Die Windenergieanlage ist auch als „sonstiges Vorhaben“ i.S.d. § 35 Abs. 2 BauGB nicht genehmigungsfähig. Sie ist – wie ausgeführt (oben 2.1.2.1) – ein raumbedeutsames Vorhaben. Damit ergibt sich ihre Unzulässigkeit aus § 18a Abs. 1 Satz 2 LaPlaG.

123

3. Der Hilfsantrag des Klägers ist ebenfalls unbegründet. Er hat aus den oben genannten Gründen keinen Anspruch darauf, dass das beklagte Landesamt seinen Antrag neu bescheidet. Die Ablehnung der begehrten Genehmigung ist rechtmäßig (§ 113 Abs. 5 S. 2 VwGO).

124

4. Die Berufung ist nach alledem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.

125

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO.i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

126

Die Revision ist nicht zuzulassen. Zulassungsgründe i.S.d. § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

127

BESCHLUSS

128

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 218.00,00 Euro festgesetzt.


(1) In Raumordnungsplänen sind für einen bestimmten Planungsraum und einen regelmäßig mittelfristigen Zeitraum Festlegungen als Ziele und Grundsätze der Raumordnung zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums, insbesondere zu den Nutzungen und Funktionen des Raums, zu treffen. Es kann festgelegt werden, dass bestimmte Nutzungen und Funktionen des Raums nur für einen bestimmten Zeitraum oder ab oder bis zum Eintritt bestimmter Umstände vorgesehen sind; eine Folge- oder Zwischennutzung kann festgelegt werden. Die Festlegungen nach Satz 1 und 2 können auch in räumlichen und sachlichen Teilplänen getroffen werden. Ziele und Grundsätze der Raumordnung sind als solche zu kennzeichnen.

(2) Bei der Aufstellung der Raumordnungspläne sind die öffentlichen und privaten Belange, soweit sie auf der jeweiligen Planungsebene erkennbar und von Bedeutung sind, gegeneinander und untereinander abzuwägen. Das Ergebnis der Umweltprüfung nach § 8 sowie die Stellungnahmen im Beteiligungsverfahren nach § 9 sind in der Abwägung nach Satz 1 zu berücksichtigen. Raumordnungspläne benachbarter Planungsräume sind aufeinander abzustimmen.

(3) Die Festlegungen nach Absatz 1 können auch Gebiete bezeichnen. Insbesondere können dies Gebiete sein,

1.
die für bestimmte raumbedeutsame Funktionen oder Nutzungen vorgesehen sind und andere raumbedeutsame Funktionen oder Nutzungen in diesem Gebiet ausschließen, soweit diese mit den vorrangigen Funktionen oder Nutzungen nicht vereinbar sind (Vorranggebiete),
2.
die bestimmten raumbedeutsamen Funktionen oder Nutzungen vorbehalten bleiben sollen, denen bei der Abwägung mit konkurrierenden raumbedeutsamen Funktionen oder Nutzungen besonderes Gewicht beizumessen ist (Vorbehaltsgebiete),
3.
in denen bestimmten raumbedeutsamen Maßnahmen oder Nutzungen, die städtebaulich nach § 35 des Baugesetzbuchs zu beurteilen sind, andere raumbedeutsame Belange nicht entgegenstehen, wobei diese Maßnahmen oder Nutzungen an anderer Stelle im Planungsraum ausgeschlossen sind (Eignungsgebiete),
4.
die im Meeresbereich liegen, und in denen bestimmten raumbedeutsamen Funktionen oder Nutzungen andere raumbedeutsame Belange nicht entgegenstehen, wobei diese Funktionen oder Nutzungen an anderer Stelle im Planungsraum ausgeschlossen sind (Eignungsgebiete für den Meeresbereich).
Bei Vorranggebieten kann festgelegt werden, dass sie zugleich die Wirkung von Eignungsgebieten nach Satz 2 Nummer 3 oder 4 haben.

(4) Die Raumordnungspläne sollen auch diejenigen Festlegungen zu raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen von öffentlichen Stellen und Personen des Privatrechts nach § 4 Absatz 1 Satz 2 enthalten, die zur Aufnahme in Raumordnungspläne geeignet und zur Koordinierung von Raumansprüchen erforderlich sind und die durch Ziele oder Grundsätze der Raumordnung gesichert werden können.

(5) Den Raumordnungsplänen ist eine Begründung beizufügen.

(6) Soweit ein Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung oder ein europäisches Vogelschutzgebiet in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen erheblich beeinträchtigt werden kann, sind bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen nach den § 13 und § 17 Absatz 1 und 2 die Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes über die Zulässigkeit und Durchführung von derartigen Eingriffen einschließlich der Einholung der Stellungnahme der Europäischen Kommission anzuwenden.

(7) Die Vorschriften dieses Gesetzes über die Aufstellung von Raumordnungsplänen gelten auch für ihre Änderung, Ergänzung und Aufhebung.

(8) Raumordnungspläne nach § 13 Absatz 6 und § 17 sind mindestens alle zehn Jahre zu überprüfen.

(1) Die Genehmigung kann unter Bedingungen erteilt und mit Auflagen verbunden werden, soweit dies erforderlich ist, um die Erfüllung der in § 6 genannten Genehmigungsvoraussetzungen sicherzustellen. Zur Sicherstellung der Anforderungen nach § 5 Absatz 3 soll bei Abfallentsorgungsanlagen im Sinne des § 4 Absatz 1 Satz 1 auch eine Sicherheitsleistung auferlegt werden.

(1a) Für den Fall, dass eine Verwaltungsvorschrift nach § 48 für die jeweilige Anlagenart keine Anforderungen vorsieht, ist bei der Festlegung von Emissionsbegrenzungen für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie in der Genehmigung sicherzustellen, dass die Emissionen unter normalen Betriebsbedingungen die in den BVT-Schlussfolgerungen genannten Emissionsbandbreiten nicht überschreiten.

(1b) Abweichend von Absatz 1a kann die zuständige Behörde weniger strenge Emissionsbegrenzungen festlegen, wenn

1.
eine Bewertung ergibt, dass wegen technischer Merkmale der Anlage die Anwendung der in den BVT-Schlussfolgerungen genannten Emissionsbandbreiten unverhältnismäßig wäre, oder
2.
in Anlagen Zukunftstechniken für einen Gesamtzeitraum von höchstens neun Monaten erprobt oder angewendet werden sollen, sofern nach dem festgelegten Zeitraum die Anwendung der betreffenden Technik beendet wird oder in der Anlage mindestens die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionsbandbreiten erreicht werden.
Bei der Festlegung der Emissionsbegrenzungen nach Satz 1 sind insbesondere mögliche Verlagerungen von nachteiligen Auswirkungen von einem Schutzgut auf ein anderes zu berücksichtigen; ein hohes Schutzniveau für die Umwelt insgesamt ist zu gewährleisten. Emissionsbegrenzungen nach Satz 1 dürfen die in den Anhängen der Richtlinie 2010/75/EU festgelegten Emissionsgrenzwerte nicht überschreiten und keine schädlichen Umwelteinwirkungen hervorrufen.

(2) Die Genehmigung kann auf Antrag für einen bestimmten Zeitraum erteilt werden. Sie kann mit einem Vorbehalt des Widerrufs erteilt werden, wenn die genehmigungsbedürftige Anlage lediglich Erprobungszwecken dienen soll.

(2a) Die Genehmigung kann mit Einverständnis des Antragstellers mit dem Vorbehalt nachträglicher Auflagen erteilt werden, soweit hierdurch hinreichend bestimmte, in der Genehmigung bereits allgemein festgelegte Anforderungen an die Errichtung oder den Betrieb der Anlage in einem Zeitpunkt nach Erteilung der Genehmigung näher festgelegt werden sollen. Dies gilt unter den Voraussetzungen des Satzes 1 auch für den Fall, dass eine beteiligte Behörde sich nicht rechtzeitig äußert.

(2b) Im Falle des § 6 Absatz 2 soll der Antragsteller durch eine Auflage verpflichtet werden, der zuständigen Behörde unverzüglich die erstmalige Herstellung oder Verwendung eines anderen Stoffes innerhalb der genehmigten Betriebsweise mitzuteilen.

(2c) Der Betreiber kann durch Auflage verpflichtet werden, den Wechsel eines im Genehmigungsverfahren dargelegten Entsorgungswegs von Abfällen der zuständigen Behörde anzuzeigen. Das gilt ebenso für in Abfallbehandlungsanlagen erzeugte Abfälle. Bei Abfallbehandlungsanlagen können außerdem Anforderungen an die Qualität und das Schadstoffpotential der angenommenen Abfälle sowie der die Anlage verlassenden Abfälle gestellt werden.

(3) Die Teilgenehmigung kann für einen bestimmten Zeitraum oder mit dem Vorbehalt erteilt werden, dass sie bis zur Entscheidung über die Genehmigung widerrufen oder mit Auflagen verbunden werden kann.

(1) Das Genehmigungsverfahren setzt einen schriftlichen oder elektronischen Antrag voraus. Dem Antrag sind die zur Prüfung nach § 6 erforderlichen Zeichnungen, Erläuterungen und sonstigen Unterlagen beizufügen. Reichen die Unterlagen für die Prüfung nicht aus, so hat sie der Antragsteller auf Verlangen der zuständigen Behörde innerhalb einer angemessenen Frist zu ergänzen. Erfolgt die Antragstellung elektronisch, kann die zuständige Behörde Mehrfertigungen sowie die Übermittlung der dem Antrag beizufügenden Unterlagen auch in schriftlicher Form verlangen.

(1a) Der Antragsteller, der beabsichtigt, eine Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie zu betreiben, in der relevante gefährliche Stoffe verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden, hat mit den Unterlagen nach Absatz 1 einen Bericht über den Ausgangszustand vorzulegen, wenn und soweit eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück durch die relevanten gefährlichen Stoffe möglich ist. Die Möglichkeit einer Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers besteht nicht, wenn auf Grund der tatsächlichen Umstände ein Eintrag ausgeschlossen werden kann.

(2) Soweit Unterlagen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, sind die Unterlagen zu kennzeichnen und getrennt vorzulegen. Ihr Inhalt muss, soweit es ohne Preisgabe des Geheimnisses geschehen kann, so ausführlich dargestellt sein, dass es Dritten möglich ist, zu beurteilen, ob und in welchem Umfang sie von den Auswirkungen der Anlage betroffen werden können.

(3) Sind die Unterlagen des Antragstellers vollständig, so hat die zuständige Behörde das Vorhaben in ihrem amtlichen Veröffentlichungsblatt und außerdem entweder im Internet oder in örtlichen Tageszeitungen, die im Bereich des Standortes der Anlage verbreitet sind, öffentlich bekannt zu machen. Der Antrag und die vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen, mit Ausnahme der Unterlagen nach Absatz 2 Satz 1, sowie die entscheidungserheblichen Berichte und Empfehlungen, die der Behörde im Zeitpunkt der Bekanntmachung vorliegen, sind nach der Bekanntmachung einen Monat zur Einsicht auszulegen. Weitere Informationen, die für die Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens von Bedeutung sein können und die der zuständigen Behörde erst nach Beginn der Auslegung vorliegen, sind der Öffentlichkeit nach den Bestimmungen über den Zugang zu Umweltinformationen zugänglich zu machen. Bis zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist kann die Öffentlichkeit gegenüber der zuständigen Behörde schriftlich oder elektronisch Einwendungen erheben; bei Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie gilt eine Frist von einem Monat. Mit Ablauf der Einwendungsfrist sind für das Genehmigungsverfahren alle Einwendungen ausgeschlossen, die nicht auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen. Einwendungen, die auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen, sind auf den Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten zu verweisen.

(3a) Nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz anerkannte Vereinigungen sollen die zuständige Behörde in einer dem Umweltschutz dienenden Weise unterstützen.

(4) In der Bekanntmachung nach Absatz 3 Satz 1 ist

1.
darauf hinzuweisen, wo und wann der Antrag auf Erteilung der Genehmigung und die Unterlagen zur Einsicht ausgelegt sind;
2.
dazu aufzufordern, etwaige Einwendungen bei einer in der Bekanntmachung zu bezeichnenden Stelle innerhalb der Einwendungsfrist vorzubringen; dabei ist auf die Rechtsfolgen nach Absatz 3 Satz 5 hinzuweisen;
3.
ein Erörterungstermin zu bestimmen und darauf hinzuweisen, dass er auf Grund einer Ermessensentscheidung der Genehmigungsbehörde nach Absatz 6 durchgeführt wird und dass dann die formgerecht erhobenen Einwendungen auch bei Ausbleiben des Antragstellers oder von Personen, die Einwendungen erhoben haben, erörtert werden;
4.
darauf hinzuweisen, dass die Zustellung der Entscheidung über die Einwendungen durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden kann.

(5) Die für die Erteilung der Genehmigung zuständige Behörde (Genehmigungsbehörde) holt die Stellungnahmen der Behörden ein, deren Aufgabenbereich durch das Vorhaben berührt wird. Hat eine zu beteiligende Behörde bei einem Verfahren zur Genehmigung einer Anlage zur Nutzung erneuerbarer Energien innerhalb einer Frist von einem Monat keine Stellungnahme abgegeben, so ist davon auszugehen, dass die beteiligte Behörde sich nicht äußern will. Die zuständige Behörde hat die Entscheidung in diesem Fall auf Antrag auf der Grundlage der geltenden Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Ablaufs der Monatsfrist zu treffen. Soweit für das Vorhaben selbst oder für weitere damit unmittelbar in einem räumlichen oder betrieblichen Zusammenhang stehende Vorhaben, die Auswirkungen auf die Umwelt haben können und die für die Genehmigung Bedeutung haben, eine Zulassung nach anderen Gesetzen vorgeschrieben ist, hat die Genehmigungsbehörde eine vollständige Koordinierung der Zulassungsverfahren sowie der Inhalts- und Nebenbestimmungen sicherzustellen.

(5a) Betrifft das Vorhaben eine Anlage, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie (EU) 2018/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen (Neufassung) (ABl. L 328 vom 21.12.2018, S. 82) fällt, gilt ergänzend Folgendes:

1.
Auf Antrag des Trägers des Vorhabens wird das Genehmigungsverfahren sowie alle sonstigen Zulassungsverfahren, die für die Durchführung des Vorhabens nach Bundes- oder Landesrecht erforderlich sind, über eine einheitliche Stelle abgewickelt.
2.
Die einheitliche Stelle nach Nummer 1 stellt ein Verfahrenshandbuch für Träger von Vorhaben bereit und macht diese Informationen auch im Internet zugänglich. Dabei geht sie gesondert auch auf kleinere Vorhaben und Vorhaben zur Eigenversorgung mit Elektrizität ein, soweit sich das Genehmigungserfordernis nach § 1 Absatz 2 der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen darauf erstreckt. In den im Internet veröffentlichten Informationen weist die einheitliche Stelle auch darauf hin, für welche Vorhaben sie zuständig ist und welche weiteren einheitlichen Stellen im jeweiligen Land für Vorhaben nach Satz 1 zuständig sind.
3.
Die zuständige und die zu beteiligenden Behörden sollen die zur Prüfung des Antrags zusätzlich erforderlichen Unterlagen in einer einmaligen Mitteilung an den Antragsteller zusammenfassen. Nach Eingang der vollständigen Antragsunterlagen erstellt die Genehmigungsbehörde einen Zeitplan für das weitere Verfahren und teilt diesen Zeitplan in den Fällen der Nummer 1 der einheitlichen Stelle, andernfalls dem Antragsteller mit.

(6) Nach Ablauf der Einwendungsfrist kann die Genehmigungsbehörde die rechtzeitig gegen das Vorhaben erhobenen Einwendungen mit dem Antragsteller und denjenigen, die Einwendungen erhoben haben, erörtern.

(6a) Über den Genehmigungsantrag ist nach Eingang des Antrags und der nach Absatz 1 Satz 2 einzureichenden Unterlagen innerhalb einer Frist von sieben Monaten, in vereinfachten Verfahren innerhalb einer Frist von drei Monaten, zu entscheiden. Die zuständige Behörde kann die Frist um jeweils drei Monate verlängern, wenn dies wegen der Schwierigkeit der Prüfung oder aus Gründen, die dem Antragsteller zuzurechnen sind, erforderlich ist. Die Fristverlängerung soll gegenüber dem Antragsteller begründet werden.

(7) Der Genehmigungsbescheid ist schriftlich zu erlassen, schriftlich zu begründen und dem Antragsteller und den Personen, die Einwendungen erhoben haben, zuzustellen. Er ist, soweit die Zustellung nicht nach Absatz 8 erfolgt, öffentlich bekannt zu machen. Die öffentliche Bekanntmachung erfolgt nach Maßgabe des Absatzes 8.

(8) Die Zustellung des Genehmigungsbescheids an die Personen, die Einwendungen erhoben haben, kann durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden. Die öffentliche Bekanntmachung wird dadurch bewirkt, dass der verfügende Teil des Bescheides und die Rechtsbehelfsbelehrung in entsprechender Anwendung des Absatzes 3 Satz 1 bekannt gemacht werden; auf Auflagen ist hinzuweisen. In diesem Fall ist eine Ausfertigung des gesamten Bescheides vom Tage nach der Bekanntmachung an zwei Wochen zur Einsicht auszulegen. In der öffentlichen Bekanntmachung ist anzugeben, wo und wann der Bescheid und seine Begründung eingesehen und nach Satz 6 angefordert werden können. Mit dem Ende der Auslegungsfrist gilt der Bescheid auch gegenüber Dritten, die keine Einwendung erhoben haben, als zugestellt; darauf ist in der Bekanntmachung hinzuweisen. Nach der öffentlichen Bekanntmachung können der Bescheid und seine Begründung bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist von den Personen, die Einwendungen erhoben haben, schriftlich oder elektronisch angefordert werden.

(8a) Unbeschadet der Absätze 7 und 8 sind bei Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie folgende Unterlagen im Internet öffentlich bekannt zu machen:

1.
der Genehmigungsbescheid mit Ausnahme in Bezug genommener Antragsunterlagen und des Berichts über den Ausgangszustand sowie
2.
die Bezeichnung des für die betreffende Anlage maßgeblichen BVT-Merkblatts.
Soweit der Genehmigungsbescheid Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthält, sind die entsprechenden Stellen unkenntlich zu machen. Absatz 8 Satz 3, 5 und 6 gilt entsprechend.

(9) Die Absätze 1 bis 8 gelten entsprechend für die Erteilung eines Vorbescheides.

(10) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Genehmigungsverfahren zu regeln; in der Rechtsverordnung kann auch das Verfahren bei Erteilung einer Genehmigung im vereinfachten Verfahren (§ 19) sowie bei der Erteilung eines Vorbescheides (§ 9), einer Teilgenehmigung (§ 8) und einer Zulassung vorzeitigen Beginns (§ 8a) geregelt werden. In der Verordnung ist auch näher zu bestimmen, welchen Anforderungen das Genehmigungsverfahren für Anlagen genügen muss, für die nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist.

(11) Das Bundesministerium der Verteidigung wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Genehmigungsverfahren für Anlagen, die der Landesverteidigung dienen, abweichend von den Absätzen 1 bis 9 zu regeln.

(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit

1.
von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 des Baugesetzbuchs
2.
von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

(2) Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen. Er ist gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, welche die Rechtsvorschrift erlassen hat. Das Oberverwaltungsgericht kann dem Land und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, deren Zuständigkeit durch die Rechtsvorschrift berührt wird, Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist geben. § 65 Abs. 1 und 4 und § 66 sind entsprechend anzuwenden.

(2a) (weggefallen)

(3) Das Oberverwaltungsgericht prüft die Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift mit Landesrecht nicht, soweit gesetzlich vorgesehen ist, daß die Rechtsvorschrift ausschließlich durch das Verfassungsgericht eines Landes nachprüfbar ist.

(4) Ist ein Verfahren zur Überprüfung der Gültigkeit der Rechtsvorschrift bei einem Verfassungsgericht anhängig, so kann das Oberverwaltungsgericht anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht auszusetzen sei.

(5) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet durch Urteil oder, wenn es eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluß. Kommt das Oberverwaltungsgericht zu der Überzeugung, daß die Rechtsvorschrift ungültig ist, so erklärt es sie für unwirksam; in diesem Fall ist die Entscheidung allgemein verbindlich und die Entscheidungsformel vom Antragsgegner ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre. Für die Wirkung der Entscheidung gilt § 183 entsprechend.

(6) Das Gericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.

(1) Durch Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 3 kann vorgeschrieben werden, dass die Genehmigung von Anlagen bestimmter Art oder bestimmten Umfangs in einem vereinfachten Verfahren erteilt wird, sofern dies nach Art, Ausmaß und Dauer der von diesen Anlagen hervorgerufenen schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstigen Gefahren, erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen mit dem Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vereinbar ist. Satz 1 gilt für Abfallentsorgungsanlagen entsprechend.

(2) In dem vereinfachten Verfahren sind § 10 Absatz 2, 3, 3a, 4, 6, 7 Satz 2 und 3, Absatz 8 und 9 sowie die §§ 11 und 14 nicht anzuwenden.

(3) Die Genehmigung ist auf Antrag des Trägers des Vorhabens abweichend von den Absätzen 1 und 2 nicht in einem vereinfachten Verfahren zu erteilen.

(4) Die Genehmigung einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, kann nicht im vereinfachten Verfahren erteilt werden, wenn durch deren störfallrelevante Errichtung und Betrieb der angemessene Sicherheitsabstand zu benachbarten Schutzobjekten unterschritten wird oder durch deren störfallrelevante Änderung der angemessene Sicherheitsabstand zu benachbarten Schutzobjekten erstmalig unterschritten wird, der bereits unterschrittene Sicherheitsabstand räumlich noch weiter unterschritten wird oder eine erhebliche Gefahrenerhöhung ausgelöst wird. In diesen Fällen ist das Verfahren nach § 10 mit Ausnahme von Absatz 4 Nummer 3 und Absatz 6 anzuwenden. § 10 Absatz 3 Satz 4 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass nur die Personen Einwendungen erheben können, deren Belange berührt sind oder Vereinigungen, welche die Anforderungen des § 3 Absatz 1 oder des § 2 Absatz 2 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes erfüllen. Bei störfallrelevanten Änderungen ist § 16 Absatz 3 entsprechend anzuwenden. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht, soweit dem Gebot, den angemessenen Sicherheitsabstand zu wahren, bereits auf Ebene einer raumbedeutsamen Planung oder Maßnahme durch verbindliche Vorgaben Rechnung getragen worden ist.

(1) Die Genehmigung kann unter Bedingungen erteilt und mit Auflagen verbunden werden, soweit dies erforderlich ist, um die Erfüllung der in § 6 genannten Genehmigungsvoraussetzungen sicherzustellen. Zur Sicherstellung der Anforderungen nach § 5 Absatz 3 soll bei Abfallentsorgungsanlagen im Sinne des § 4 Absatz 1 Satz 1 auch eine Sicherheitsleistung auferlegt werden.

(1a) Für den Fall, dass eine Verwaltungsvorschrift nach § 48 für die jeweilige Anlagenart keine Anforderungen vorsieht, ist bei der Festlegung von Emissionsbegrenzungen für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie in der Genehmigung sicherzustellen, dass die Emissionen unter normalen Betriebsbedingungen die in den BVT-Schlussfolgerungen genannten Emissionsbandbreiten nicht überschreiten.

(1b) Abweichend von Absatz 1a kann die zuständige Behörde weniger strenge Emissionsbegrenzungen festlegen, wenn

1.
eine Bewertung ergibt, dass wegen technischer Merkmale der Anlage die Anwendung der in den BVT-Schlussfolgerungen genannten Emissionsbandbreiten unverhältnismäßig wäre, oder
2.
in Anlagen Zukunftstechniken für einen Gesamtzeitraum von höchstens neun Monaten erprobt oder angewendet werden sollen, sofern nach dem festgelegten Zeitraum die Anwendung der betreffenden Technik beendet wird oder in der Anlage mindestens die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionsbandbreiten erreicht werden.
Bei der Festlegung der Emissionsbegrenzungen nach Satz 1 sind insbesondere mögliche Verlagerungen von nachteiligen Auswirkungen von einem Schutzgut auf ein anderes zu berücksichtigen; ein hohes Schutzniveau für die Umwelt insgesamt ist zu gewährleisten. Emissionsbegrenzungen nach Satz 1 dürfen die in den Anhängen der Richtlinie 2010/75/EU festgelegten Emissionsgrenzwerte nicht überschreiten und keine schädlichen Umwelteinwirkungen hervorrufen.

(2) Die Genehmigung kann auf Antrag für einen bestimmten Zeitraum erteilt werden. Sie kann mit einem Vorbehalt des Widerrufs erteilt werden, wenn die genehmigungsbedürftige Anlage lediglich Erprobungszwecken dienen soll.

(2a) Die Genehmigung kann mit Einverständnis des Antragstellers mit dem Vorbehalt nachträglicher Auflagen erteilt werden, soweit hierdurch hinreichend bestimmte, in der Genehmigung bereits allgemein festgelegte Anforderungen an die Errichtung oder den Betrieb der Anlage in einem Zeitpunkt nach Erteilung der Genehmigung näher festgelegt werden sollen. Dies gilt unter den Voraussetzungen des Satzes 1 auch für den Fall, dass eine beteiligte Behörde sich nicht rechtzeitig äußert.

(2b) Im Falle des § 6 Absatz 2 soll der Antragsteller durch eine Auflage verpflichtet werden, der zuständigen Behörde unverzüglich die erstmalige Herstellung oder Verwendung eines anderen Stoffes innerhalb der genehmigten Betriebsweise mitzuteilen.

(2c) Der Betreiber kann durch Auflage verpflichtet werden, den Wechsel eines im Genehmigungsverfahren dargelegten Entsorgungswegs von Abfällen der zuständigen Behörde anzuzeigen. Das gilt ebenso für in Abfallbehandlungsanlagen erzeugte Abfälle. Bei Abfallbehandlungsanlagen können außerdem Anforderungen an die Qualität und das Schadstoffpotential der angenommenen Abfälle sowie der die Anlage verlassenden Abfälle gestellt werden.

(3) Die Teilgenehmigung kann für einen bestimmten Zeitraum oder mit dem Vorbehalt erteilt werden, dass sie bis zur Entscheidung über die Genehmigung widerrufen oder mit Auflagen verbunden werden kann.

(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit

1.
von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 des Baugesetzbuchs
2.
von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

(2) Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen. Er ist gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, welche die Rechtsvorschrift erlassen hat. Das Oberverwaltungsgericht kann dem Land und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, deren Zuständigkeit durch die Rechtsvorschrift berührt wird, Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist geben. § 65 Abs. 1 und 4 und § 66 sind entsprechend anzuwenden.

(2a) (weggefallen)

(3) Das Oberverwaltungsgericht prüft die Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift mit Landesrecht nicht, soweit gesetzlich vorgesehen ist, daß die Rechtsvorschrift ausschließlich durch das Verfassungsgericht eines Landes nachprüfbar ist.

(4) Ist ein Verfahren zur Überprüfung der Gültigkeit der Rechtsvorschrift bei einem Verfassungsgericht anhängig, so kann das Oberverwaltungsgericht anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht auszusetzen sei.

(5) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet durch Urteil oder, wenn es eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluß. Kommt das Oberverwaltungsgericht zu der Überzeugung, daß die Rechtsvorschrift ungültig ist, so erklärt es sie für unwirksam; in diesem Fall ist die Entscheidung allgemein verbindlich und die Entscheidungsformel vom Antragsgegner ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre. Für die Wirkung der Entscheidung gilt § 183 entsprechend.

(6) Das Gericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.

(1) Das Genehmigungsverfahren setzt einen schriftlichen oder elektronischen Antrag voraus. Dem Antrag sind die zur Prüfung nach § 6 erforderlichen Zeichnungen, Erläuterungen und sonstigen Unterlagen beizufügen. Reichen die Unterlagen für die Prüfung nicht aus, so hat sie der Antragsteller auf Verlangen der zuständigen Behörde innerhalb einer angemessenen Frist zu ergänzen. Erfolgt die Antragstellung elektronisch, kann die zuständige Behörde Mehrfertigungen sowie die Übermittlung der dem Antrag beizufügenden Unterlagen auch in schriftlicher Form verlangen.

(1a) Der Antragsteller, der beabsichtigt, eine Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie zu betreiben, in der relevante gefährliche Stoffe verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden, hat mit den Unterlagen nach Absatz 1 einen Bericht über den Ausgangszustand vorzulegen, wenn und soweit eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück durch die relevanten gefährlichen Stoffe möglich ist. Die Möglichkeit einer Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers besteht nicht, wenn auf Grund der tatsächlichen Umstände ein Eintrag ausgeschlossen werden kann.

(2) Soweit Unterlagen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, sind die Unterlagen zu kennzeichnen und getrennt vorzulegen. Ihr Inhalt muss, soweit es ohne Preisgabe des Geheimnisses geschehen kann, so ausführlich dargestellt sein, dass es Dritten möglich ist, zu beurteilen, ob und in welchem Umfang sie von den Auswirkungen der Anlage betroffen werden können.

(3) Sind die Unterlagen des Antragstellers vollständig, so hat die zuständige Behörde das Vorhaben in ihrem amtlichen Veröffentlichungsblatt und außerdem entweder im Internet oder in örtlichen Tageszeitungen, die im Bereich des Standortes der Anlage verbreitet sind, öffentlich bekannt zu machen. Der Antrag und die vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen, mit Ausnahme der Unterlagen nach Absatz 2 Satz 1, sowie die entscheidungserheblichen Berichte und Empfehlungen, die der Behörde im Zeitpunkt der Bekanntmachung vorliegen, sind nach der Bekanntmachung einen Monat zur Einsicht auszulegen. Weitere Informationen, die für die Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens von Bedeutung sein können und die der zuständigen Behörde erst nach Beginn der Auslegung vorliegen, sind der Öffentlichkeit nach den Bestimmungen über den Zugang zu Umweltinformationen zugänglich zu machen. Bis zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist kann die Öffentlichkeit gegenüber der zuständigen Behörde schriftlich oder elektronisch Einwendungen erheben; bei Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie gilt eine Frist von einem Monat. Mit Ablauf der Einwendungsfrist sind für das Genehmigungsverfahren alle Einwendungen ausgeschlossen, die nicht auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen. Einwendungen, die auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen, sind auf den Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten zu verweisen.

(3a) Nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz anerkannte Vereinigungen sollen die zuständige Behörde in einer dem Umweltschutz dienenden Weise unterstützen.

(4) In der Bekanntmachung nach Absatz 3 Satz 1 ist

1.
darauf hinzuweisen, wo und wann der Antrag auf Erteilung der Genehmigung und die Unterlagen zur Einsicht ausgelegt sind;
2.
dazu aufzufordern, etwaige Einwendungen bei einer in der Bekanntmachung zu bezeichnenden Stelle innerhalb der Einwendungsfrist vorzubringen; dabei ist auf die Rechtsfolgen nach Absatz 3 Satz 5 hinzuweisen;
3.
ein Erörterungstermin zu bestimmen und darauf hinzuweisen, dass er auf Grund einer Ermessensentscheidung der Genehmigungsbehörde nach Absatz 6 durchgeführt wird und dass dann die formgerecht erhobenen Einwendungen auch bei Ausbleiben des Antragstellers oder von Personen, die Einwendungen erhoben haben, erörtert werden;
4.
darauf hinzuweisen, dass die Zustellung der Entscheidung über die Einwendungen durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden kann.

(5) Die für die Erteilung der Genehmigung zuständige Behörde (Genehmigungsbehörde) holt die Stellungnahmen der Behörden ein, deren Aufgabenbereich durch das Vorhaben berührt wird. Hat eine zu beteiligende Behörde bei einem Verfahren zur Genehmigung einer Anlage zur Nutzung erneuerbarer Energien innerhalb einer Frist von einem Monat keine Stellungnahme abgegeben, so ist davon auszugehen, dass die beteiligte Behörde sich nicht äußern will. Die zuständige Behörde hat die Entscheidung in diesem Fall auf Antrag auf der Grundlage der geltenden Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Ablaufs der Monatsfrist zu treffen. Soweit für das Vorhaben selbst oder für weitere damit unmittelbar in einem räumlichen oder betrieblichen Zusammenhang stehende Vorhaben, die Auswirkungen auf die Umwelt haben können und die für die Genehmigung Bedeutung haben, eine Zulassung nach anderen Gesetzen vorgeschrieben ist, hat die Genehmigungsbehörde eine vollständige Koordinierung der Zulassungsverfahren sowie der Inhalts- und Nebenbestimmungen sicherzustellen.

(5a) Betrifft das Vorhaben eine Anlage, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie (EU) 2018/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen (Neufassung) (ABl. L 328 vom 21.12.2018, S. 82) fällt, gilt ergänzend Folgendes:

1.
Auf Antrag des Trägers des Vorhabens wird das Genehmigungsverfahren sowie alle sonstigen Zulassungsverfahren, die für die Durchführung des Vorhabens nach Bundes- oder Landesrecht erforderlich sind, über eine einheitliche Stelle abgewickelt.
2.
Die einheitliche Stelle nach Nummer 1 stellt ein Verfahrenshandbuch für Träger von Vorhaben bereit und macht diese Informationen auch im Internet zugänglich. Dabei geht sie gesondert auch auf kleinere Vorhaben und Vorhaben zur Eigenversorgung mit Elektrizität ein, soweit sich das Genehmigungserfordernis nach § 1 Absatz 2 der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen darauf erstreckt. In den im Internet veröffentlichten Informationen weist die einheitliche Stelle auch darauf hin, für welche Vorhaben sie zuständig ist und welche weiteren einheitlichen Stellen im jeweiligen Land für Vorhaben nach Satz 1 zuständig sind.
3.
Die zuständige und die zu beteiligenden Behörden sollen die zur Prüfung des Antrags zusätzlich erforderlichen Unterlagen in einer einmaligen Mitteilung an den Antragsteller zusammenfassen. Nach Eingang der vollständigen Antragsunterlagen erstellt die Genehmigungsbehörde einen Zeitplan für das weitere Verfahren und teilt diesen Zeitplan in den Fällen der Nummer 1 der einheitlichen Stelle, andernfalls dem Antragsteller mit.

(6) Nach Ablauf der Einwendungsfrist kann die Genehmigungsbehörde die rechtzeitig gegen das Vorhaben erhobenen Einwendungen mit dem Antragsteller und denjenigen, die Einwendungen erhoben haben, erörtern.

(6a) Über den Genehmigungsantrag ist nach Eingang des Antrags und der nach Absatz 1 Satz 2 einzureichenden Unterlagen innerhalb einer Frist von sieben Monaten, in vereinfachten Verfahren innerhalb einer Frist von drei Monaten, zu entscheiden. Die zuständige Behörde kann die Frist um jeweils drei Monate verlängern, wenn dies wegen der Schwierigkeit der Prüfung oder aus Gründen, die dem Antragsteller zuzurechnen sind, erforderlich ist. Die Fristverlängerung soll gegenüber dem Antragsteller begründet werden.

(7) Der Genehmigungsbescheid ist schriftlich zu erlassen, schriftlich zu begründen und dem Antragsteller und den Personen, die Einwendungen erhoben haben, zuzustellen. Er ist, soweit die Zustellung nicht nach Absatz 8 erfolgt, öffentlich bekannt zu machen. Die öffentliche Bekanntmachung erfolgt nach Maßgabe des Absatzes 8.

(8) Die Zustellung des Genehmigungsbescheids an die Personen, die Einwendungen erhoben haben, kann durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden. Die öffentliche Bekanntmachung wird dadurch bewirkt, dass der verfügende Teil des Bescheides und die Rechtsbehelfsbelehrung in entsprechender Anwendung des Absatzes 3 Satz 1 bekannt gemacht werden; auf Auflagen ist hinzuweisen. In diesem Fall ist eine Ausfertigung des gesamten Bescheides vom Tage nach der Bekanntmachung an zwei Wochen zur Einsicht auszulegen. In der öffentlichen Bekanntmachung ist anzugeben, wo und wann der Bescheid und seine Begründung eingesehen und nach Satz 6 angefordert werden können. Mit dem Ende der Auslegungsfrist gilt der Bescheid auch gegenüber Dritten, die keine Einwendung erhoben haben, als zugestellt; darauf ist in der Bekanntmachung hinzuweisen. Nach der öffentlichen Bekanntmachung können der Bescheid und seine Begründung bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist von den Personen, die Einwendungen erhoben haben, schriftlich oder elektronisch angefordert werden.

(8a) Unbeschadet der Absätze 7 und 8 sind bei Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie folgende Unterlagen im Internet öffentlich bekannt zu machen:

1.
der Genehmigungsbescheid mit Ausnahme in Bezug genommener Antragsunterlagen und des Berichts über den Ausgangszustand sowie
2.
die Bezeichnung des für die betreffende Anlage maßgeblichen BVT-Merkblatts.
Soweit der Genehmigungsbescheid Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthält, sind die entsprechenden Stellen unkenntlich zu machen. Absatz 8 Satz 3, 5 und 6 gilt entsprechend.

(9) Die Absätze 1 bis 8 gelten entsprechend für die Erteilung eines Vorbescheides.

(10) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Genehmigungsverfahren zu regeln; in der Rechtsverordnung kann auch das Verfahren bei Erteilung einer Genehmigung im vereinfachten Verfahren (§ 19) sowie bei der Erteilung eines Vorbescheides (§ 9), einer Teilgenehmigung (§ 8) und einer Zulassung vorzeitigen Beginns (§ 8a) geregelt werden. In der Verordnung ist auch näher zu bestimmen, welchen Anforderungen das Genehmigungsverfahren für Anlagen genügen muss, für die nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist.

(11) Das Bundesministerium der Verteidigung wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Genehmigungsverfahren für Anlagen, die der Landesverteidigung dienen, abweichend von den Absätzen 1 bis 9 zu regeln.

(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit

1.
von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 des Baugesetzbuchs
2.
von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

(2) Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen. Er ist gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, welche die Rechtsvorschrift erlassen hat. Das Oberverwaltungsgericht kann dem Land und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, deren Zuständigkeit durch die Rechtsvorschrift berührt wird, Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist geben. § 65 Abs. 1 und 4 und § 66 sind entsprechend anzuwenden.

(2a) (weggefallen)

(3) Das Oberverwaltungsgericht prüft die Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift mit Landesrecht nicht, soweit gesetzlich vorgesehen ist, daß die Rechtsvorschrift ausschließlich durch das Verfassungsgericht eines Landes nachprüfbar ist.

(4) Ist ein Verfahren zur Überprüfung der Gültigkeit der Rechtsvorschrift bei einem Verfassungsgericht anhängig, so kann das Oberverwaltungsgericht anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht auszusetzen sei.

(5) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet durch Urteil oder, wenn es eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluß. Kommt das Oberverwaltungsgericht zu der Überzeugung, daß die Rechtsvorschrift ungültig ist, so erklärt es sie für unwirksam; in diesem Fall ist die Entscheidung allgemein verbindlich und die Entscheidungsformel vom Antragsgegner ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre. Für die Wirkung der Entscheidung gilt § 183 entsprechend.

(6) Das Gericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21

Tenor

Die Berufung gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 19. Mai 2015 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen eine Allgemeinverfügung des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Technologie des Landes Schleswig-Holstein, mit der die Einziehung des Landeshafens Friedrichskoog verfügt wird.

2

Der Hafen Friedrichskoog ist ein an der Nordseeküste gelegener Landeshafen im Eigentum des Landes Schleswig-Holstein. Der Hafen besteht aus einem etwa 700 m langen Hafenbecken mit Kaianlage, einer Hochwasserschutzschleuse und seeseitig einem ca. 2 km langen Hafenpriel mit einem Leitdamm. Über den Hafen werden 2 Köge entwässert, er dient damit auch als Vorfluter.

3

Ein Vorläufer des Hafens entstand um das Jahr 1854 herum nach der vollendeten Eindeichung des Friedrichskooges im Außentief. Seit 1883 siedelten sich dort Krabbenkutter an. In den Jahren 1934/1935 wurde im Rahmen der Eindeichung der Dieksander Bucht vor dem Hafenbecken eine Hochwasserschleuse mit zwei Fluttorpaaren gebaut. Dadurch erlangte der Hafen seine heutige Form eines sturmflutsicheren Binnenhafens. Im Jahre 1937 ging die Hafenunterhaltung aus der preußischen Staats- und Domänenverwaltung wegen der Bedeutung für die Fischerei in die Zuständigkeit der Wasserstraßenverwaltung des Deutschen Reiches über.

4

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde der Hafen vom Land Schleswig-Holstein als Rechtsnachfolgerin übernommen und wird seitdem als landeseigener Hafen betrieben.

5

Im Jahre 1950 wurde der Hafendamm um weitere 200 m Basaltleitdamm bis zum Hafenfeuer verlängert, um die Strömung, die zur Verschlickung des Hafens führt, noch weitergehend abzufangen. Diese bauliche Maßnahme hat die Verschlickung nicht aufgehalten. Mit der Flut gelangen jeweils mehr Sedimente in den Hafenpriel und das Hafenbecken, als bei dem langsameren Abfluss des Wassers bei Ebbe wieder weggetragen werden.

6

Zur Aufrechterhaltung des Hafenbetriebes werden seit Jahrzehnten laufend Baggerungen durchgeführt. Die Baggerungen finden im Hafenbecken und im Bereich des Sperrwerkes auch im Hafenpriel statt. Da auch damit bisher keine Fahrwassertiefe von 2,5 m in Hafen, Hafenpriel und vorgelagerten Wattgebieten gewährleistet ist, sind viele Fischer nach Büsum ausgewichen, wo der Hafen tideunabhängig auch von Fischkuttern mit einem Tiefgang von mehr als 1,90 m sicher genutzt werden kann. In Friedrichskoog wurden deshalb im Jahre 2013 nur rd. 52 t Krabben angelandet. In einer Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage vom 22.06.2010 (Drs. 17/613) heißt es, es seien noch 27 Haupterwerbsfischereibetriebe (Krabbenkutter) mit Heimathafen in Friedrichskoog gemeldet, aber lediglich neun Betriebe, die Kutter mit geringem Tiefgang hätten, nutzten den Hafen noch regelmäßig.

7

Nachdem im Hafen immer weniger Anlandungen von Fisch und Krabben stattfanden, bemängelte der Landesrechnungshof schon in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts, dass der Hafen unwirtschaftlich sei. Das Marschenbauamt Heide wies 1973 auf eine starke Verlandungstendenz hin. Die Gesamtsituation werde sich weiter nachteilig entwickeln. Die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Kiel und das Landesamt für Wasserhaushalt und Küsten kamen 1974 ebenfalls zu dem Schluss, Hafen und Zufahrt würden in überschaubarer Zeit Opfer der Anlandungsprozesse werden. Es sollten rechtzeitig Folgerungen gezogen werden, indem auf die unabänderliche Entwicklung und eine Entwidmung des Hafens hingewiesen werde.

8

Als dies an die Öffentlichkeit gelangte, kam es bereits damals zu heftigen Protesten der Bevölkerung vor Ort, insbesondere seitens der Fischer, die eine Bedrohung der Existenzgrundlage beklagten.

9

Mit Rücksicht hierauf ließ die Landesregierung technische Lösungsmöglichkeiten zur kostengünstigeren Aufrechterhaltung des Hafenbetriebes prüfen. Prof. F... kam in einem Gutachten aus Oktober 1975 zu dem Ergebnis, die Analyse der Ämter sei richtig. Man könne jedoch die Strömungsverhältnisse verbessern, indem mit einem Aufwand von 6 Mio. DM ein Spülpolder gebaut werde; das sei eine „unkonventionelle Baumaßnahme, die mit Risiken behaftet ist“. Die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Kiel nahm dazu kritisch Stellung: Die Idee eines solchen Spülpolders sei nicht neu, sie sei schon 1963 vom Wasser- und Schifffahrtsamt Tönning erwogen worden, Probespülungen hätten dazu geführt, diesen Versuch aufzugeben, weil nicht habe erhärtet werden können, dass die Investition in einem vernünftigen Verhältnis zum Erfolg stehe. Eine Entscheidung für einen Polder wurde daraufhin nicht getroffen, es wurden weiterhin Baggerungen durchgeführt. Maßgeblich war damals ein Kabinettsbeschluss vom April 1974.

10

Im Jahre 1990 wurden dann im Zusammenhang mit einer Deichbaumaßnahme im Dieksanderkoog vom Amt für Land- und Wasserwirtschaft Sedimentationsbecken vor dem Hafen -also eine Art Spülpolder- durch Entnahme von 350.000 cbm Sand geschaffen. Zu den Erfahrungen damit heißt es in einer Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage (Drs. 17/613 vom 22.06.2010), diese Becken seien sehr schnell verlandet.

11

Im September 1997 bemängelte der Landesrechnungshof nochmals, unbedeutende Umsätze im Hafen und hohe Aufwendungen dafür würden das Engagement des Landes nicht rechtfertigen. Das Wirtschaftsministerium sei gefordert, eine Lösung zu finden, um die dauerhafte Kostenbelastung zu beenden; hierbei sei auch die Möglichkeit einer Entwidmung als öffentlicher Hafen einzubeziehen.

12

Es wurden daraufhin nochmals technische Lösungen zur Minderung des Aufwandes geprüft. (u.a. Gutachten Prof. M... 2010).

13

Der Landesbetrieb Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz (LKN SH) kam im Dezember 2012 zu dem Ergebnis, dass keine der Alternativen eine signifikante Entlastung von den hohen Bagger- und Hafenbetriebskosten erwarten lasse.

14

Im Jahre 2012 empfahl die Haushaltsstrukturkommission des Landes die Schließung des Hafens.

15

In der Folgezeit wurde von der Landesregierung mit dem Kreis Dithmarschen, der Gemeinde Friedrichskoog und der örtlichen Wirtschaft über eine andere Eigentümer- und Betreiberstruktur verhandelt. Das Land machte dabei deutlich, dass es eine einvernehmliche Lösung anstrebe, eine weitere Trägerschaft für den Hafen jedoch ablehne. Es wurden Möglichkeiten in Betracht gezogen, den Hafen in Trägerschaft der Gemeinde über den Erlös aus noch zu errichtenden Windkraftanlagen zu finanzieren. Es kam zu einem „letter of intent“ im Juni 2012, der die Prüfung einer Kompromisslösung vorsah: Das Eigentum am Hafen sollte auf die Gemeinde übergehen, das Land wollte einen Kostenanteil (Betriebskosten für das Sperrwerk) übernehmen. Als eine Voraussetzung wurde die Rechtskraft des Regionalplans IV (Eignungsflächen für Windenergie) festgehalten. Diese Lösung kam nicht zu Stande, weil wegen der Kostenrisiken keine Bereitschaft bestand, die Trägerschaft des Hafens zu übernehmen.

16

Im April 2012 gab das Land Schleswig-Holstein die Entwidmungsabsicht für den Hafen Friedrichskoog öffentlich bekannt und legte einen Erläuterungsbericht vom 02.04.2012 im Zeitraum vom 26.04.2012 bis 29.05.2012 öffentlich aus. Wegen der daraufhin erhobenen 79 Einwendungen wird auf Beiakte B Bezug genommen.

17

Mit Allgemeinverfügung vom 07.07.2014 traf das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Technologie des Landes Schleswig-Holstein folgende Entscheidung:

18

1. Der Hafen Friedrichskoog wird als öffentlicher Hafen innerhalb der am 21. Mai 1993 bekannt gemachten Hafengrenzen mit Wirkung vom 01. Januar 2015 eingezogen.

19

2. Diese Entscheidung ergeht unter dem Vorbehalt des Widerrufs gemäß § 107 Abs. 2 Nr. 3 Landesverwaltungsgesetz Schleswig-Holstein (LVwG).

20

3. Bis zum Baubeginn eines Schöpfwerkes wird das Hafensperrwerk als Entwässerungsanlage weiter betrieben.

21

4. Die Widmung von landseitigen Verkehrsflächen innerhalb der Hafengrenzen bleibt unberührt.“

22

Zur Begründung führte der Beklagte im Wesentlichen aus, der Hafen Friedrichskoog stelle eine dem Gemeingebrauch gewidmete öffentliche Sache dar. Die Einziehung des Hafens werde gemäß § 8 Abs. 1 StrWG SH analog verfügt. Die Fortführung des Hafens sei dem Land aus Steuermitteln nicht mehr zumutbar. In Abwägung mit privaten Interessen sei die Einziehung des Hafens aus Gründen des öffentlichen Wohles erforderlich. Betrieb und Instandhaltung des Hafens und des Sperrwerkes führten zu jährlichen Kosten von ca. 700.000 bis 1 Mio. Euro. Dem stünden jährliche Einnahmen in der Größenordnung von ca. 40.000 Euro gegenüber. Es bestehe im Mittelwert ein jährlicher Zuschussbedarf von knapp 800.000 Euro. Zudem müssten kurzfristig rund 2 Mio. Euro in die bestehenden Anlagen investiert werden. Mittelfristig sei ein weiterer Sanierungsbedarf von rund 1,8 Mio. Euro vorhanden. Für die Versorgung der Bevölkerung sei der Hafen nicht mehr erforderlich. Die Umschlagsmengen seien zu gering. Sie dienten auch nicht der Versorgung der Bevölkerung. Der Hafen sei auch nicht zur Erschließung der angrenzenden Flurstücke erforderlich. Die Entwässerung des angrenzenden Einzugsgebietes werde durch den mit einer Hafenschließung notwendigerweise verbundenen Bau eines Schöpfwerkes insgesamt verbessert. Die Tideniedrigwasserstände am Außenpegel des Sperrwerkes Friedrichskoog würden seit Jahren um mehr als 2 cm pro Jahr ansteigen, so dass angesichts der Höhenlage des Einzugsgebietes die Entwässerung des Binnenlandes in freier Vorflut in 10 - 15 Jahren nicht mehr möglich wäre.

23

Belange der Nutzer des Hafens (Fischer, Werft, Sportboote, hafenaffine Dienstleistungen) seien zwar beeinträchtigt, das öffentliche Wohl überwiege aber.

24

Eine schwerwiegende negative Veränderung der unmittelbaren hafenbezogenen wirtschaftlichen Aktivitäten sei nicht anzunehmen. Die Kutter, die noch den Hafen anliefen, könnten auf andere Häfen, wie etwa Büsum, ausweichen.

25

Für den Werftbetrieb stelle die Einschränkung des gepachteten wasserseitigen Zuganges eine Beeinträchtigung seiner Belange dar. Dem Werftbetrieb sei aber insgesamt zuzumuten, seine Aktivitäten auf andere Standorte zu verlagern. Angesichts der geringen Verkehrsbedeutung und der erheblichen Kosten für den Betrieb des Hafens bei geringen Erträgen stellten sich bei einer Gesamtabwägung die Schließung des Landeshafens und der Bau eines Schöpfwerkes als vorzugswürdig dar. Der Bau des Schöpfwerkes werde rd. 3,5 Mio € kosten bei jährlichen Betriebskosten von rd. 160.000,- €; ein Kostenvergleich ergebe die Vorzugswürdigkeit eines Schöpfwerkes, das die Entwässerungssituation zudem verbessere, da die Entwässerung nicht mehr von Außenwasserständen abhängig wäre.

26

Am 25. September 2014 hat die Klägerin Klage erhoben.

27

Sie hat geltend gemacht, die Entwidmung verstoße gegen den Vorbehalt des Gesetzes, da eine gesetzliche Grundlage, die die Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Einziehung eines Hafens regele, fehle. Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 8 StrWG SH lägen nicht vor. Die Vorschriften des Straßen- und Wegegesetzes würden die wasserrechtlichen Besonderheiten und Härten nicht erfassen. Der Hafen habe zudem noch eine Verkehrsbedeutung. Die privaten Interessen, die gegen die Einziehung sprächen, würden überwiegen, da für die Klägerin die Verbindung zur Nordsee entfallen würde.

28

Der Hafen werde noch für die Fischerei und den Wassersport genutzt. Seine Einziehung sei unverhältnismäßig. Richtig sei, dass die Zahl der Anläufe von Wasserfahrzeugen und der Anlandungen von Krabben rückläufig sei. Dies sei jedoch auf mangelnde Unterhaltung des Hafens durch den Beklagten in der Vergangenheit zurückzuführen. Deutlich sei, dass die Zahl der Anläufe und Anlandungen parallel zu den rückläufigen Baggermengen und Baggerkosten zurückgegangen seien. Es sei rechtsmissbräuchlich, den Hafen durch rückläufige Baggermengen erst versanden zu lassen und später die Einziehung damit zu begründen, dass die Anzahl der Anläufe von Wasserfahrzeugen zurückgegangen sei. Obwohl dem Beklagten - wie beispielsweise durch seine Einlassungen im Planfeststellungsverfahren zur Fahrrinnenanpassung der Unter- und Außenelbe belegt werde - die zunehmende Versandungsproblematik des Hafens bewusst gewesen sei, habe er die Baggermengen nicht angepasst. Der Beklagte gehe von zu hohen Kosten für den Hafenbetrieb aus. Es sei nicht von einem durchschnittlichen Zuschussbedarf von 800.000,- € sondern von rund 700.000,- € im Jahr auszugehen. Ob das Sperrwerk tatsächlich den vom Beklagten angegebenen Sanierungsaufwand benötige, sei zweifelhaft. Möglichkeiten der Kostenreduzierung seien nicht ausreichend ausgelotet worden. In der Vergangenheit seien Empfehlungen etwa des Landesbetriebes für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz zum Bau eines Spülpolders im Vorlandbereich südlich des Hafenpriels nicht aufgegriffen worden. Zudem sei die Anlegung eines zu niedrigen Drempels beim Umbau des Sperrwerks in den 80er Jahren nachteilig für den Verlauf des Ebbstroms. Eine bauliche Veränderung könne einen besseren Rückfluss der Sedimente ermöglichen. Auch die Schließung eines “Schachtpriels“ südlich des Hafenpriels im Jahre 2000 habe sich ungünstig auf die Sedimentablagerung ausgewirkt. Insgesamt lägen Versäumnisse bei der Instandhaltung des Hafens in der Vergangenheit vor. Dieser Umstand hätte im Rahmen der Abwägung zugunsten der Klägerin gewichtet werden müssen.

29

Die vom Beklagten angenommene Verbesserung der Entwässerung durch das künftige Schöpfwerk könne nicht als Argument für die Einziehung des Hafens herangezogen werden. Das Planfeststellungsverfahren für das Schöpfwerk sei noch nicht abgeschlossen. Darüber hinaus würde aber durch ein Schöpfwerk das Hafenbecken zu einem Binnengewässer ohne Fließbewegung werden mit negativen Folgen etwa hinsichtlich einer stärkeren Algenentwicklung und Geruchsbelästigung in den Sommermonaten. Infolge des im Hafenbecken abgesenkten Wasserstandes werde das Grundwasser in der Umgebung des Hafens um mehrere Meter sinken, was erfahrungsgemäß zur Absenkung des Bodens und zu Schäden an Häusern in der Umgebung führen werde.

30

Die Grundstücke in Friedrichskoog würden an Wert verlieren. Die Klägerin sei mit ihrer Werft auf den Hafen angewiesen. Die Werft sei gut ausgelastet und mit ihren Spezialmaschinen für die Fischer alternativlos. Der Hafen sei der einzige Zufahrtsweg zur Nordsee. Eine wasserseitige Erreichbarkeit der Werft sei für deren Betrieb essentiell. Im Falle des Baus eines Schöpfwerkes wäre eine Hafeneinfahrt für die Kunden der Werft gänzlich unmöglich. Die Werft werde in ihren Anliegerrechten beeinträchtigt. Auch stelle die Einziehung einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar. Der Seehundstation Friedrichskoog sei eine Kompensation bzw. eine Ausgleichsmaßnahme angeboten worden, der Werft jedoch nicht. So wäre es beispielsweise möglich gewesen, ein Schiffshebewerk für die Kunden der Werft zu errichten, um so das Schöpfwerk zu überbrücken. Es bestehe eine gegen Art. 3 GG verstoßende Ungleichbehandlung.

31

Die Klägerin hat beantragt,

32

die Entscheidung des Beklagten über die Einziehung des Hafens Friedrichskoog als Landeshafen vom 7. Juli 2014 aufzuheben.

33

Der Beklagte hat beantragt,

34

die Klage abzuweisen.

35

Der Beklagte hat geltend gemacht, die Klage sei unbegründet.

36

Er habe seine Unterhaltungspflicht in der Vergangenheit nicht verletzt. Die Unterhaltungspflicht bestehe nur im Rahmen der Leistungsfähigkeit. Es gebe keinen Rechtssatz, dass das Land auf veränderte Umweltbedingungen durch massiv ausgeweitete Baggerungen reagieren müsse. Für die Baggerungen habe ein sachgerechtes Konzept vorgelegen. Es habe auch in erheblichem Umfang Baggerungen gegeben. Dabei sei es schon im Interesse des Küstenschutzes unabdingbar gewesen, im Bereich des Sperrwerks eine größere Tiefe zu halten, um den Betrieb der Tore zu gewährleisten. Von einer Ausdehnung der Baggerungen noch weiter in den Hafenpriel hinein habe man sich keinen nachhaltigen Erfolg versprochen. Diese Einschätzung habe sich im Jahre 2012 bestätigt, als man im Hafenpriel bis zu 1 km vor dem Sperrwerk gebaggert habe; es sei nämlich schnell wieder zur Auffüllung gekommen. Es wäre deshalb nicht sinnvoll, dort tiefer zu gehen.

37

Bedenken, die sich aus dem Bau des Schöpfwerkes herleiten, z. B. hinsichtlich von Geruchsbelästigungen oder Bodenabsenkungen, seien Gegenstand des entsprechenden Planfeststellungsverfahrens und nicht des Einziehungsverfahrens bezüglich des Landeshafens Friedrichskoog.

38

Hinsichtlich der Werft der Klägerin sei darauf hinzuweisen, dass der wasserseitige Zugang bisher privatrechtlich durch einen Pachtvertrag hinsichtlich der Sliprampe mit dem Land gewährleistet worden sei. Der Pachtvertrag sei aber inzwischen gekündigt. Insoweit bestehe ein rechtlich geschützter Zugangsanspruch nicht mehr. Die Klägerin profitiere insoweit lediglich von einem Lagevorteil, der rechtlich nicht geschützt sei. Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb werde durch die Einziehung nicht verletzt. Auch sei eine Ungleichbehandlung im Hinblick auf die Fortführung der Seehundstation nicht gegeben.

39

Mit Urteil vom 19. Mai 2015 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.

40

Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei unbegründet. Entgegen der Auffassung des Beklagten könne die Einziehung des Hafens allerdings nicht auf eine analoge Anwendung des § 8 StrWG gestützt werden. Die genannte Vorschrift regele ausschließlich die Rechtsverhältnisse der öffentlichen Straßen an Land; die Voraussetzungen einer Analogie lägen nicht vor. Im Straßenrecht fänden sich auf landes- und bundesrechtlicher Ebene durchweg ausführliche Regelungen zu Fragen der Widmung und der Einziehung, was auf speziellen Erwägungen zur Kerngewährleistung von Anliegerrechten im Straßenrecht beruhe. Ein vergleichbarer Hintergrund lasse sich für das Wasserrecht, das stärker gemeinwohlorientiert gestaltet sei, nicht feststellen. Eine Rechtsgrundlage für die Einziehung ergebe sich aber aus der öffentlichen Sachherrschaft des Landes über den landeseigenen Landeshafen. Nach den allgemeinen Grundsätzen des Rechts der öffentlichen Sachen könne die öffentliche Zweckbestimmung einer Sache durch Widmung durch einen entsprechenden Rechtsakt (actus contrarius) wieder aufgehoben werden. Es sei anerkannt, dass eine Widmung zu öffentlichen Zwecken ein Rechtsakt ist, der durch Gesetz, Satzung, Verwaltungsakt, aber auch konkludent vorgenommen werden könne oder deren Bestehen aufgrund einer Vermutung angenommen werden könne. Entscheidend sei der erkennbare Wille des Trägers öffentlicher Gewalt, dass die Sache einem bestimmten öffentlichen Zweck dienen und der Allgemeinheit zur Benutzung zur Verfügung gestellt werden solle. Als Indizien seien der Zweck, zu dem die Einrichtung errichtet wurde und die bisherige Nutzungspraxis anzusehen. All dies spreche im vorliegenden Falle für eine Widmung, auch wenn ein ausdrücklicher Widmungsakt nicht habe festgestellt werden können. Dass der Hafen Friedrichskoog ein öffentlicher Landeshafen sei, werde im Übrigen auch allgemein anerkannt. Ebenso wie die Widmung auf allgemeinen Grundsätzen des öffentlichen Sachenrechts beruhe, könne sie nach den allgemeinen Grundsätzen auch durch eine Einziehung aufgehoben werden, wobei das Land einen großen Entscheidungsspielraum habe. Das Land sei nach dem Landeswassergesetz nicht verpflichtet, einen solchen Hafen zu betreiben. Für die Einziehung setze das Landeswassergesetz auch keine rechtlichen Grenzen. Bezüglich des „Ob“ und „Wie“ des Betriebes eines öffentlichen Hafens habe ein Nutzer oder Anlieger nicht einmal einen Anspruch auf eine ermessenfehlerfreie Entscheidung. Der Handlungsspielraum des Hafenträgers sei nur durch die Grundrechte und das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Verbot willkürlichen staatlichen Handelns begrenzt. Zwar müsse der Gesetzgeber alle wesentlichen Entscheidungen selbst treffen. Eingriffe im grundrechtsrelevanten Bereich müssten durch Gesetz geregelt sein. So seien die Genehmigungsvoraussetzungen für den Betrieb eines Hafens und Ermächtigungsgrundlagen zur Gefahrenabwehr wegen der Grundrechtsbetroffenheit unverzichtbar und im Landeswassergesetz auch geregelt worden. Anders liege es bei der Frage staatlicher Aufgaben im Bereich der Daseinsvorsorge. Hier gebe es keinen Anspruch auf Aufrechterhaltung des Gemeingebrauchs. Die Einziehung eines Hafens sei nicht grundrechtsrelevant. Auch andere tragende Prinzipien des Grundgesetzes geböten keine gesetzliche Regelung zur Frage der Einziehung. Die allgemeinen Grundsätze des öffentlichen Sachenrechts böten deshalb eine ausreichende Grundlage für eine Hafeneinziehung.

41

Eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Einziehungsverfügung beschränke sich deshalb auf die Frage, ob für die Klägerin eine Verletzung von Grundrechten festzustellen sei. Dies sei zu verneinen. Die Einziehung bedeute zwar eine Beeinträchtigung der Erwerbschancen, da ein für den Werftbetrieb wesentlicher Lagevorteil wegfalle. Durch die Unterlassung des weiteren Hafenbetriebes würden jedoch subjektive Rechte nicht verletzt, da kein Anspruch auf Aufrechterhaltung des Hafens bestehe. Das aus § 136 LWG folgende Benutzungsrecht begründe keinen Anspruch auf Gemeingebrauch, sondern setze ihn voraus. Mit der Einziehung eines Gewässers entfalle aber das Substrat für die Ausübung des Gemeingebrauches. Abwehrrechte gegen die Beseitigung öffentlicher Sachen oder deren Einziehung unter Berufung auf die allgemeine Handlungsfreiheit kämen daher nicht in Betracht. Auch das nach Art. 14 GG geschützte Grundeigentum der Klägerin (der Werft) werde nicht berührt. Unmittelbare Rechtsfolgen habe die Einziehung nur für die im Eigentum des Landes Schleswig-Holstein stehenden Grundflächen. Ein Substanzverlust des klägerischen Grundstückes werde durch die Einziehung nicht bewirkt. Auch liege kein mittelbarer Eingriff in den Schutzbereich des Art. 14 GG vor, da kein Handeln des Landes in Rede stehe. Vielmehr unterlasse das Land den weiteren Hafenbetrieb, auf den jedoch kein Anspruch bestehe. Auch unter dem Gesichtspunkt des Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb lasse sich eine Rechtsverletzung nicht begründen. Der Betrieb eines Hafens als öffentliche Einrichtung in der Nähe der Werft sei eine faktische Gegebenheit, welche der Werft Chancen zur Gewinnerzielung eröffne, auf deren Fortbestand sie aber keinen Anspruch habe. Lagevorteile, Erwerbsmöglichkeiten und Gewinnchancen seien durch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nicht geschützt. Die Vorschriften des Landeswassergesetzes enthielten keine Garantie der Aufrechterhaltung einer Verbindung zum Meer für Anlieger eines Hafens. Ein solches Anliegerrecht sei auch verfassungsrechtlich nicht geboten. Ob die Klägerin nach der Kündigung von Pachtverträgen bezüglich der Slipanlage noch über eine rechtlich gesicherte Verbindung zum Hafenbecken verfüge, an die eine Begründung von Anliegerrechten anknüpfen könnte, könne deshalb offen bleiben. Eine Ungleichbehandlung im Verhältnis zur Seehundstation liege nicht vor. Es treffe zwar zu, dass das Land beabsichtige, für die Seehundstation nach Errichtung des Schöpfwerkes eine Versorgung mit Seewasser über eine entsprechende Leitung zu gewährleisten, während für die Werft keine Ausgleichsmaßnahmen vorgesehen seien. Die Sachverhalte seien jedoch nicht vergleichbar. Es sei gerechtfertigt, Ausgleichsmaßnahmen zur Aufrechterhaltung einer dem Gemeinwohl dienenden Einrichtung zu gewähren, während dies für gewerbliche Unternehmungen unterbleibt.

42

Unabhängig von der Frage von Grundrechtsverletzungen sei die Klage auch deshalb unbegründet, weil die Einziehung objektiv rechtmäßig sei. Sie sei auf nachvollziehbare sachliche Gründe gestützt worden. Die Rückläufigkeit der Anläufe von Fischereifahrzeugen und der Umschlagmenge, der erhebliche jährliche Zuschussbedarf und der erhebliche Sanierungsbedarf für die Zukunft habe berücksichtigt werden dürfen. Ferner sei nachvollziehbar, dass eine Investition in ein Schöpfwerk sinnvoller sei, da damit eine Entwässerung der Köge auch in Zukunft sicher gewährleistet sei. Die Einziehungsentscheidung beruhe auf einer an sachlichen Kriterien orientierten Neubewertung des öffentlichen Interesses am Betrieb des Landeshafens in Friedrichskoog. Von einem rechtsmissbräuchlichen Handeln des Landes könne nicht die Rede sein. Die ungünstige Lage des Hafens Friedrichskoog und dessen Versandungsproblematik sei spätestens seit den 70er Jahren in den Blick genommen worden. Bereits 1974 sei die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Kiel und das Landesamt für Wasserhaushalt und Küsten im Bericht vom 28. Mai 1974 übereinstimmend zu dem Schluss gekommen, Hafen und Zufahrt würden in überschaubarer Zeit ein Opfer der Anlandungsprozesse werden, so dass rechtzeitig Folgerungen aus dieser unabänderlichen Entwicklung gezogen werden sollten. Neuere Untersuchungen und Variantenprüfungen hätten kein anderes Ergebnis erbracht. Auch den externen Gutachten von Prof. F... und Prof. M... ließen sich keine Anhaltspunkte für grundlegende Fehler in der fachbehördlichen Einschätzung entnehmen. Ob die Ausbaggerungen in der Vergangenheit stets optimal gestaltet worden seien, sei unerheblich. Entscheidend sei vielmehr, dass den Unterhaltungsarbeiten ausweislich eines Vermerks des LKN SH vom 1. Juli 2013 ein nach Einschätzung der Fachbehörde angemessenes Baggerkonzept zugrunde gelegen habe, das in den Bewertungen der externen Gutachter nicht auf grundlegende Kritik gestoßen sei. Es treffe zwar zu, dass das Volumen des jährlichen Baggeraushubs seit 2006 deutlich gesunken sei, hieraus lasse sich jedoch keine Verantwortung des Landes für die reduzierte Nutzung des Hafens ableiten. Auch in den Jahren 2007 bis 2013 habe das Land trotz rückläufiger Baggermengen die Anstrengungen gegenüber dem Jahr 1954 immerhin verfünffacht. Weder der Umgang mit einem “Schachtpriel“ noch die Absenkung des Drempels beim Umbau des Sperrwerks in den 80er Jahren seien geeignet, den Vorwurf der Willkür zu rechtfertigen. Zu den Umständen, die ein Hafenträger zu bewältigen habe, gehöre auch der Umgang mit nicht optimal gestalteten Bauwerken. Den vorliegenden Akten sei zu entnehmen, dass die in Betracht kommenden Alternativen zur Baggerlösung und alle Optimierungsvorschläge mehrfach von den Fachbehörden unter Hinzuziehung von Wissenschaftlern gründlich geprüft und - in nachvollziehbarer Weise - als zu kostspielig und nicht nachhaltig zielführend bewertet worden seien. Der Vorschlag von Prof. F... zur Errichtung eines Spülpolders sei von diesem selbst als “unkonventionelle“ Baumaßnahme bezeichnet worden, die mit Risiken behaftet sei. Trotz einer nach Auffassung der Klägerin abgegebenen positiveren Prognose der Bundesanstalt für Wasserbau im Jahre 2014 habe der Beklagte - auch aufgrund von Erfahrungen mit Sedimentationsbecken, die 1990 in Zusammenhang mit Deichbaumaßnahmen im Dieksander Koog gemacht worden seien - die Errichtung eines Spülpolders als nicht nachhaltige Lösung einstufen dürfen. Entsprechendes gelte für die vom LKN geprüfte sogenannte Variante 6 (Anschluss des Grüppensystems im Vorlandbereich als Spülpolder). Auch hier habe der Beklagte aufgrund des vorgelegten Berichts des LKN vom 10. Dezember 2009 davon ausgehen können, dass keine signifikante Entlastung der hohen Bagger- und Hafenbetriebskosten im Verhältnis zu den geringen Einnahmen aus den Hafengebühren bei langfristiger Aufrechterhaltung der Schifffahrt zu erwarten seien. Ferner habe berücksichtigt werden dürfen, dass eine - theoretische - Optimierung der baggertechnischen Vertiefung zwar zu einer Reduzierung der Baggervolumina führen würde, dies allerdings auf Kosten einer erhöhten Baggerfrequenz. Auch in einer aktuellen Untersuchung vom 10. März 2014 sei das LKN (erneut) zu dem Ergebnis gekommen, dass der Ersatz des Sperrwerks durch ein Schöpfwerk einschließlich der Seewasserversorgung der Seehundstation die günstigste Variante sei. Hierbei sei entscheidend in den Blick zu nehmen, dass die Wasserstände in den kommenden Jahren ansteigen würden, weshalb die Entwässerung des Binnenlandes in 10 bis 15 Jahren nicht mehr möglich sein werde. Die Zweifel der Klägerin am vom Beklagten veranschlagten Sanierungsbedarf für die Gewährleistung des sicheren Betriebes des Sperrwerks seien nicht substantiiert worden. Angesichts der Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung und der fehlenden Substantiierung habe kein Anlass bestanden, die Richtigkeit der Erläuterungen des Leiters des LKN zu bezweifeln.

43

Das Verwaltungsgericht hat die Berufung zugelassen.

44

Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer Berufung im Wesentlichen wie folgt vor:

45

Die Einziehung sei objektiv rechtswidrig und verletzte die Klägerin in ihren Rechten. Der Einziehung ermangele es an einer Rechtsgrundlage. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, wonach sich die Rechtsgrundlage aus der öffentlichen Sachherrschaft des Landes ergebe, überzeuge nicht. Die Bezugnahme auf die Ausführungen von Papier (Recht der öffentlichen Sachen, 3. Aufl. 1998, S. 56) zur Entwidmung und zur Einziehung als actus contrarius sei unergiebig. Diese Argumentation beziehe sich in erster Linie auf das Straßenrecht. Auf die Frage der Einziehung eines Landeshafens lasse sich dies nicht übertragen. Selbst wenn man aber der Argumentation beitreten wollte, die Einziehung sei als actus contrarius zur Widmung rechtmäßig, so müsse verlangt werden, dass der actus contrarius die gleiche Rechtsnatur haben müsse wie die Widmung. Vorliegend könne aber jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass es in Anbetracht der Historie des Hafens einen ausdrücklichen (schriftlichen) Widmungsakt gegeben hat. Das Verwaltungsgericht berücksichtige auch nicht, dass beispielsweise Bundeswasserstraßen unmittelbar Kraft formellen Gesetzes öffentliche Sachen im Gemeingebrauch seien (§ 5 WaStrG). Aus § 15 Abs. 1 S. 1 LWG folge im Umkehrschluss, dass nur nicht schiffbare Gewässer 1. Ordnung unter einem Genehmigungsvorbehalt stünden, die Benutzung von schiffbaren Gewässern jedoch genehmigungsfrei, damit jedermann zugänglich und somit eine öffentliche Sache im Gemeingebrauch seien. Hieraus sei zu folgern, dass eine Widmung durch Gesetz und nicht (erst) aufgrund eines Gesetzes vorliege. Dem Landeshafen komme als Gewässer 1. Ordnung allein aufgrund der Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen eines Gesetzes ein öffentlich-rechtlicher Sonderstatus zu. Folglich müsse auch die Entwidmung durch Gesetz geregelt werden.

46

Die Erwägungen des Verwaltungsgerichts, wonach eine allein im öffentlichen Interesse vorgenommene Widmung durch Allgemeinverfügung zu vermuten sei, überzeuge nicht. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei der Hafen nicht in erster Linie für die Versorgung der Bevölkerung mit Fisch vorgehalten worden. Vielmehr sei die Trägerschaft auch im Interesse der Fischer erfolgt. Andernfalls hätte nach dem 2. Weltkrieg eine noch sehr viel größere Zahl von Friedrichskooger Fischern ihre Erwerbsgrundlage verloren bzw. die Fischerei von einem anderen Standort aus ausüben müssen. Die Versorgung der örtlichen Bevölkerung mit Fisch sei davon aber nicht betroffen. Auch andere Personen und Interessengruppen seien in ihrer Existenz unmittelbar mit dem Fortbestand des Hafens verknüpft. So habe es zum Zeitpunkt der Aufnahme des Betriebs der Klägerin im Jahre 1962 zu diesem Zeitpunkt noch andere Werftbetriebe gegeben. Die vermutete Widmung durch Allgemeinverfügung sei also nicht allein im öffentlichen Interesse geschehen. Deshalb müssten bei einer Einziehung des Hafens auch andere als nur öffentliche Interessen berücksichtigt werden. Die Grundannahme des Verwaltungsgerichts, nach der die Widmung nach den allgemeinen Grundsätzen des öffentlichen Sachenrechts aufgehoben werden könne, wobei ein großer Entscheidungsspielraum bestehe und nicht einmal ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung durch die Nutzer und Anlieger des Hafens gegeben sei, treffe demnach nicht zu.

47

Auch wenn die vom Verwaltungsgericht angenommene Rechtsgrundlage einschlägig sein sollte, seien hier die Interessen der Nutzer und Anlieger des Hafens nicht ausreichend berücksichtigt worden. Selbst der Beklagte - aufgrund der von ihm für zutreffend erachteten analogen Anwendung des § 8 Abs. 1 StrWG SH - habe sehr viel höhere Anforderungen an die Voraussetzungen einer Einziehungsverfügung gestellt als das Verwaltungsgericht. Der Beklagte habe immerhin darauf abgestellt, dass die Gründe des Fortfalls der Verkehrsbedeutung und Gründe des öffentlichen Wohls private Interessen überwiegen müssten. Letzteres sei aber nicht der Fall. Ein Wegfall der Verkehrsbedeutung könne vom Beklagten nicht geltend gemacht werden, weil er in der Vergangenheit den Hafen ungenügend unterhalten und damit den Wegfall der Verkehrsbedeutung quasi selbst herbeigeführt habe. Auch auf der Basis der angenommenen Rechtsgrundlage des actus contrarius habe eine Abwägung mit den betroffenen privaten Interessen zu erfolgen. Diese sei unterblieben. Sie müsste in einem gesonderten Verfahren nachgeholt werden.

48

Im Übrigen greife der sogenannte Vorbehalt des Gesetzes, das heißt die Einziehung des Landeshafens müsste durch eine ausdrückliche gesetzliche Norm geregelt sein. Ebenso wie bei hoheitlichen Eingriffen führe auch die Einziehung des Hafens zu grundrechtsrelevanten Beeinträchtigungen von Anliegern und Nutzern. Der Landesgesetzgeber habe bei Abfassung des Landeswassergesetzes auch nicht etwa bewusst von der Schaffung einer dem Straßenrecht vergleichbaren Regelung für die Einziehung eines Landeshafens abgesehen. Derartige Erwägungen habe der Gesetzgeber nicht angestellt. An das Problem der Entwidmung/Einziehung eines Hafens sei überhaupt nicht gedacht worden. Die vom Verwaltungsgericht angesprochene Entscheidung des OVG Schleswig (Urt. v. 19.11.1991 Az.: 4 L 76/91) beschäftige sich nicht mit der Frage der Einziehung eines Landeshafens. Zudem sei der Hafen Friedrichskoog auch nicht erst aufgrund eines besonderen Widmungsaktes entstanden; bereits die natürlichen Gegebenheiten hätten die Möglichkeit eröffnet, den Ort Friedrichskoog als Hafen zu nutzen. Jedenfalls bei einem Hafen, der sich lange vor Übernahme der öffentlichen Trägerschaft über einen langen Zeitraum entwickelt habe, dürfe die Übernahme der Trägerschaft durch das Land nicht dazu führen, dass sogar das “Ob“ des Betriebs des Landeshafens in das weitgehend freie Belieben des Trägers gestellt wird. Es sei in Zukunft auch nicht etwa möglich, dass die Gemeinde oder beispielsweise eine Betreibergesellschaft den tatsächlich weiterhin vorhandenen Hafen fortführe. Es fehle nämlich aufgrund des parallel laufenden Planfeststellungsverfahrens betreffend den Umbau des Sperrwerks in ein Schöpfwerk an der Möglichkeit, einen Hafenbetrieb in Zukunft fortzusetzen.

49

Die Klägerin beantragt,

50

unter Abänderung des angefochtenen Urteils vom 19. Mai 2015 die Entscheidung des Beklagten über die Einziehung des Hafens Friedrichskoog als Landeshafen vom 7. Juli 2014 aufzuheben.

51

Der Beklagte beantragt,

52

die Berufung zurückzuweisen.

53

Er ist der Auffassung, die Einziehung des Hafens sei rechtmäßig; insbesondere habe es hierfür keiner ausdrücklichen Rechtsgrundlage bedurft. Die Hinweise auf die im Rahmen einer Analogie zu § 8 StrWG für eine Einziehung beachteten Voraussetzungen machten gerade deutlich, dass der Beklagte die Einziehung keineswegs willkürlich verfügt habe. Richtig sei, dass im Landeswassergesetz keine ausdrückliche Regelung über die Einziehung von Landeshäfen normiert sei. Dem Gesetzgeber könne aber unterstellt werden, dass er die Prinzipien des öffentlichen Sachenrechts kenne und keine Notwendigkeit einer Regelung gesehen habe. Aus den Vorschriften der §§ 3 Abs. 1 Ziff. 1 Buchst. d, 88 und 39 LWG ergebe sich allein noch nicht die “Öffentlichkeit“ eines Hafens. Deshalb könne auch nicht damit argumentiert werden, der in der Literatur erfolgte Hinweis, dass Friedrichskoog “nach allgemeiner Auffassung“ ein öffentlicher Hafen sei, stelle eine auf der Basis der verwaltungsgerichtlichen Argumentation überflüssige Feststellung dar. Faktische Auswirkungen staatlichen Handelns begründeten keinen Gesetzesvorbehalt. Die Einziehung eines Hafens habe rechtlich keine Grundrechtsrelevanz. Auch unter dem Gesichtspunkt der Wesentlichkeitstheorie ergebe sich nichts anderes. Einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage für die Einziehung des Hafens habe es deshalb nicht bedurft. Welche Schlussfolgerungen die Klägerin aus der näheren Eingrenzung des Widmungszweckes ziehen wolle, bleibe unklar. Im Übrigen habe sich das Verwaltungsgericht durchaus und umfassend mit Abwägungsbelangen befasst und diese als sachgerecht bezeichnet. Aus der tatsächlichen Entstehungsgeschichte des Hafens und der Übernahme der Unterhaltungslast durch das Land Schleswig-Holstein könne kein Verbot einer Einziehung abgeleitet werden. Der Hafen sei im Übrigen im Zuge der Eindeichung im Dritten Reich in der heutigen Form entstanden. Die damalige Provinz Preußen habe den Hafen errichtet und ihn betrieben, weil die örtliche Gemeinschaft dazu nicht länger in der Lage gewesen sei. Das Land habe den Hafen dann als Rechtsnachfolger der Provinz Preußen “übernommen“. Hieraus lasse sich kein Verbot einer Einziehung ableiten. Auch zum Beispiel bei Wechsel der Straßenbaulast sei es rechtlich zulässig, wenn der nachfolgende Träger später die Einziehung der Infrastruktur verfüge.

54

Die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts führe auch nicht dazu, dass die Einziehung schlechthin im Belieben stünde. Das staatliche Handeln müsse sich am Willkürverbot messen lassen.

55

Soweit die Klägerin meine, ein Anliegerrecht ergebe sich aus dem Umstand, dass die örtlichen Besonderheiten für das jeweilige Gewerbe unverzichtbar seien, könne dem nicht gefolgt werden. Diese Auffassung würde letztlich für jeglichen Lagevorteil, der maßgeblich für die Ausübung eines Gewerbes ist, gelten und die verfassungsrechtlich gebotene Unterscheidung von Rechtspositionen, die durch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb geschützt sind und derjenigen Positionen, die als Erwerbschancen, Gewinnaussichten, Hoffnungen oder Chancen auf Gewinn nicht geschützt sind, aufheben. Die Klägerin (die Werft) sei nicht 1962, sondern Anfang der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts gegründet worden. Ein Herausbilden von Vertrauen in den dauerhaften Bestand des Hafens stünden schon die bereits unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg bekannten Versandungsschwierigkeiten entgegen. Die Versandungsproblematik sei vorhersehbar gewesen. Soweit sich die Klägerin auf Rechtsprechung (BGHZ 98, S. 341; BVerwGE 95, S. 314, 249) berufen habe, seien die den Entscheidungen zugrunde liegenden Fälle nicht vergleichbar.

56

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte und den Verwaltungsvorgang (Beiakten A-V) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

57

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Anfechtungsklage zu Recht abgewiesen.

58

Die Anfechtungsklage ist zulässig. Insbesondere ist eine Klagebefugnis zu bejahen. Gemäß § 42 Abs. 2 VwGO ist eine Anfechtungsklage nur zulässig, wenn die klagende Partei geltend macht, durch den Verwaltungsakt in ihren Rechten verletzt zu sein. Dabei reicht es aus, wenn eine Verletzung von Rechtsnormen zumindest möglich erscheint, die auch dem Schutz des jeweiligen Klägers beziehungsweise Klägerin zu dienen bestimmt sind. Die Möglichkeit einer Rechtsverletzung reicht aus. Es ist nicht Sinn der Klagebefugnis, ernsthaft streitige Fragen über das Bestehen eines subjektiven Rechts, von deren Beantwortung der Klageerfolg abhängen kann, bereits vorab im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung zu klären. Die Zulässigkeitsvoraussetzung der Klagebefugnis ist allerdings dann zu verneinen, wenn subjektive Rechte des Klägers beziehungsweise der Klägerin offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise verletzt sein können (BVerwG, Urt. v. 24.06.2004 - 4 C 11.03 -, NVwZ 2004, 1229).

59

Gemessen an diesen Grundsätzen ist eine Klagebefugnis hier zu bejahen. Nach dem Vorbringen der Klägerin erscheint es jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen, dass sie als Werftbetrieb in unmittelbarer Nähe zum Hafen durch die streitgegenständliche Verfügung des Beklagten in ihren Rechten als eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb sowie in Anliegerrechten verletzt sein könnte.

60

Die Anfechtungsklage ist jedoch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Aufhebung der streitgegenständlichen Einziehungsverfügung. Gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf, soweit der Verwaltungsakt rechtswidrigund der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Vorliegend lässt sich eine eigene Rechtsverletzung der Klägerin durch die Einziehungsverfügung nicht feststellen, sodass bereits aus diesem Grunde die Berufung keinen Erfolg haben kann.

61

Eine Berufung auf das Recht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) wegen des infolge der Einziehung des Landeshafens entfallenen Rechts, den öffentlichen Hafen für den Verkehr zu benutzen, kommt nicht in Betracht. Allerdings regelt § 136 LWG SH, dass jedermann unter anderem die öffentlichen Häfen für den Verkehr benutzen darf, soweit die Benutzung nach dem Landeswassergesetz oder nach anderen Vorschriften nicht beschränkt ist. Das Recht auf Teilhabe am Gemeingebrauch steht als Recht auf Nutzung eines Gewässers jedoch nur solange unter dem Schutz des Art. 2 Abs. 1 GG, wie der Gemeingebrauch besteht. Es endet dort, wo es um dessen Entzug als solchen geht. Mit der Einziehung eines Gewässers (hier des Hafens) entfällt das Substrat für die Ausübung des Gemeingebrauches. Insoweit gilt, dass sich der Rechtsinhaber - das heißt derjenige, der am Gemeingebrauch teilhat - „mit dem abfinden“ muss, „was - und wie lange es - geboten wird“ (vgl. BVerwG, Beschl. v. 04.10.2007 - 4 BN 40.07 -, BauR 2008, 483 unter Hinweis auf BVerwG, Urt. v. 25.06.1969 - BVerwG 4 C 77.67 -, BVerwGE 32, 222, 225). Der im Straßen- und Wegegesetz (§ 20 Abs. 3 StrWG-SH) ausdrücklich geregelte Grundsatz, dass es keinen Anspruch auf Aufrechterhaltung des Gemeingebrauchs gibt, gilt allgemein für öffentliche Sachen und auch für das Wasserrecht. Rechtsschutz gegen die Beseitigung öffentlicher Sachen oder deren Einziehung unter Berufung auf die allgemeine Handlungsfreiheit ist deshalb nicht möglich (OVG Schleswig, Urt. v. 28.06.2007 - 1 KN 23/06 -; Beschl. v. 09.01.2015 - 1 MB 46/14 -, jeweils unter Hinweis auf Breuer, öffentliches und privates Wasserrecht, 3. Aufl. 2004 Rn. 265; Cychowski, WHG, 7. Aufl. 1997 Rn. 14).

62

Auch aus Art. 14 Abs. 1 GG lässt sich kein subjektives Recht der Klägerin herleiten.

63

Die streitgegenständliche Einziehungsverfügung hat unmittelbare Rechtsfolgen nur für die im Eigentum des Landes Schleswig-Holstein stehenden Grundflächen. Ein Substanzverlust des klägerischen Grundstückes ist hiermit nicht verbunden. Bei dieser Sachlage käme eine Rechtsverletzung im Hinblick auf das grundgesetzlich geschützte Eigentumsrecht (Art. 14 GG) nur in Betracht, wenn in der Einziehung des Landeshafens ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin läge. Dies ist zu verneinen. Zwar gehören zu einem Gewerbebetrieb nicht nur das Betriebsgrundstück und die Betriebsräume sowie Einrichtungsgegenstände, Warenvorräte und Außenstände; auch die geschäftlichen Verbindungen, Beziehungen, der Kundenstamm und alles, was in seiner Gesamtheit den wirtschaftlichen Wert des konkreten Gewerbebetriebes ausmacht, gehört dazu. Das Recht am eingerichteten Gewerbebetrieb umfasst nicht nur den eigentlichen Bestand des Gewerbebetriebes, sondern auch dessen einzelne Erscheinungsform, wozu der gesamte gewerbliche Tätigkeitskreis gehört (BGH, Urt. v. 31.01.1966 - III ZR 110/64 - NJW 1966, 1120). Hierauf erstreckt sich prinzipiell der Eigentumsschutz. Nicht geschützt sind jedoch bloße Erwerbsmöglichkeiten, Gewinnaussichten, Hoffnungen oder Chancen. Das Recht am „eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb“ kann nicht als Recht „auf freie Betätigung als Unternehmer überhaupt“ aufgefasst werden. Das gilt auch für Vorteile, die sich aus dem bloßen Fortbestand einer günstigen Rechtslage ergeben. Es ist von Verfassungs wegen nicht geboten, dass Kunden der Werft diese unverändert wie in der Vergangenheit auf dem Wasserwege ansteuern können. Dabei ist auch die Vorbelastung durch die Situation, in die der Gewerbebetrieb hineingestellt ist und aufgrund deren situationsbedingt mit einer Änderung der Rechtslage gerechnet werden muss, zu beachten (vgl. BVerfG, Beschl. v. 11.09.1990 - 1 BvR 988/90 -, NVwZ 1991, 358). Zu Recht hat das Verwaltungsgericht den Betrieb eines Hafens auf einem Nachbargrundstück lediglich als eine Erwerbsmöglichkeit beziehungsweise Gewinnchance bewertet. Die Klägerin hat ihren Betrieb an einem Hafen eingerichtet, der lagebedingt durch die bekannte Versandungsproblematik risikobehaftet war. Die Möglichkeiten eines erfolgreichen Betriebes waren an die Bereitschaft des Hafenträgers gekoppelt, die mit dem Betrieb verbundenen Kosten aufzubringen, insbesondere die fortschreitende Versandungsproblematik durch entsprechende Baggerarbeiten zu lösen. Die infolgedessen unsicheren Erwerbschancen sind nicht als Bestandteil des Eigentums geschützt. Darüber hinaus liegt ein betriebsbezogener Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb auch deshalb nicht vor, weil die Einziehung des Hafens als solche zunächst keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Anfahrmöglichkeit hat. Die bloße Wahrscheinlichkeit, dass als Folge der Einziehung zukünftig Kunden wegbleiben, begründet keinen betriebsbezogenen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (BGH, Urt. v. 15.11.1982 - II ZR 206/81 -, MDR 1983, 730).

64

Eine aus dem Anliegergebrauch ableitbare wehrfähige Rechtsposition steht der Klägerin nicht zu. Wie weit der Anliegergebrauch gewährleistet ist, richtet sich im Straßenrecht nach dem einschlägigen Straßenrecht, dessen Regelungsbereich das Nachbarschaftsverhältnis zwischen Straße und angrenzendem Grundstück mit umfasst. Die Verfassung gebietet, dass der einfache Gesetzgeber auf die Belange der Anlieger insofern in spezieller Weise Rücksicht nimmt, als dieser Personenkreis in besonderem Maße auf den Gebrauch der Straße angewiesen ist. Die Zufahrt beziehungsweise der Zugang zur Straße schafft die Grundvoraussetzungen, deren es bedarf, um an der verkehrlichen Kommunikation teilzunehmen. Ein Abwehrrecht steht dem Anlieger aber nur soweit zu, wie die angemessene Nutzung des Grundeigentums die Verbindung mit der Straße erfordert. Dabei ist angemessen nicht schon jede Nutzung, zu der das Grundeigentum Gelegenheit bietet. Maßgebend ist, was aus dem Grundstück unter Berücksichtigung der Rechtslage und der tatsächlichen Gegebenheiten als anerkennenswertes Bedürfnis hervorgeht. Eine optimale Erreichbarkeit ist nicht garantiert. Insbesondere besteht kein Anspruch auf Fortbestand einer Verkehrsverbindung, die für eine bestimmte Grundstücksnutzung von besonderem Vorteil ist. Vor Zufahrtserschwernissen, die sich aus der besonderen örtlichen Lage und einer etwaigen situationsbedingten Vorbelastung ergeben, in die das Grundstück hineingestellt ist, gewährt Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG keinen Schutz (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11.05.1999 - 4 VR 7.99 -, DVBl 1999, 1513).

65

Dies gilt erst recht für Anlieger eines öffentlichen Hafens, die nicht die gleiche Rechtsposition wie die Anlieger einer Straße haben. Für das Wasserwegerecht ist zu berücksichtigen, dass dieses mehr noch als die Straße, welche auch der Erschließung der Anliegergrundstücke dient, vor allem dem allgemeinen Verkehrsbedürfnis in seinen unterschiedlichen Ausgestaltungen dient. Dem Anlieger eines Hafens ist die Aufrechterhaltung einer Verbindung zum Meer und damit zu einer Seewasserstraße durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG nicht garantiert. Das Landeswassergesetz sieht im Rahmen der Regelungen über öffentliche Häfen (§§ 136 ff. LWG) keinerlei einfachgesetzliche Rechte für Hafenanlieger vor. Auch der in § 26 Abs. 2 WHG geregelte „Anliegergebrauch“ gewährt dem Eigentümer eines an ein Gewässer angrenzenden Grundstücks keinen Anspruch auf einen verkehrlichen Zugang zum Gewässer, sondern stellt ihm hinsichtlich der Nutzungsrechte mit dem Eigentümer gleich. Im Übrigen bestimmt § 26 Abs. 3 WHG, dass an Bundeswasserstrassen und an sonstigen Gewässern, die der Schifffahrt dienen oder künstlich errichtet sind, ein Anliegergebrauch nicht stattfindet.

66

Dies ist von Verfassungswegen auch nicht zu beanstanden. Zwar muss der Gesetzgeber bei der Wahrung des ihm in Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG erteilten Auftrags, Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen, sowohl die grundgesetzliche Anerkennung des Privateigentums als auch das Sozialstaatsgebot beachten und die damit verbundenen schutzwürdigen Interessen in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis bringen. Die Erhaltung der Substanz des Eigentums und die Beachtung des Gleichheitsgebotes müssen in jedem Falle gewährleistet bleiben (vgl. BVerfGE, Beschl. v. 12.06.1979 - 1 BvL 19/76 -, BVerfGE 52, 1, 29 f.; BVerfG, Beschl. v. 30.11.1988 - 1 BvR 1301/84 -, BVerwGE 79, 174, 198). Im Wasserwegerecht ist jedoch - wie bereits ausgeführt - von Bedeutung, dass insoweit nicht typischerweise - wie im Straßenrecht - die Nutzbarkeit einzelner Grundstücke wesentlich von einer Verbindung zu der öffentlichen Sache abhängt, sondern das Gemeinwohl nur generell eine ausreichende Versorgung des Landes mit solchen Infrastruktureinrichtungen erfordert. Deshalb kann aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG im Wasserwegerecht keine Kerngewährleistung von Anliegerrechten bezüglich Wasserwegen und Häfen als Bestandteil des Grundeigentums hergeleitet werden.

67

Unabhängig hiervon kommt eine wehrfähige Rechtsposition unter dem Gesichtspunkt des Anliegergebrauchs auch deshalb nicht in Betracht, weil das Grundstück der Klägerin nicht direkt an das Gewässer grenzt. Das Nutzungsrecht wurde vielmehr in der Vergangenheit durch Nutzungsverträge begründet, welche jedoch vor dem Hintergrund der Einziehung des Hafens gekündigt worden sind. Ob hierdurch Entschädigungsansprüche ausgelöst werden, ist vorliegend unerheblich. Entscheidend ist, dass der Zugang zum Gewässer, insbesondere zur Slipanlage, von einem vertraglich eingeräumten Recht abhing, welches kündbar war. Auch dieser Umstand spricht gegen eine wehrfähige Rechtsposition gegenüber der Einziehung des Hafens.

68

Ein Abwehrrecht kann die Klägerin auch nicht unter Hinweis auf den Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß Art. 3 GG herleiten. Sie hat in diesem Zusammenhang geltend gemacht, dass das Land Schleswig-Holstein geeignete Maßnahmen zugesagt habe, um die Versorgung der Seehundstation mit Meerwasser dauerhaft sicherzustellen. In der Absicht des Landes, für die Seehundstation nach Errichtung des geplanten Schöpfwerkes eine Versorgung mit Seewasser über eine entsprechende Leitung zu gewährleisten (während für die Klägerin keine Ausgleichsmaßnahmen vorgesehen sind) liegt jedoch keine Ungleichbehandlung. Die Sachverhalte sind nicht vergleichbar. Es ist mit Art. 3 GG zu vereinbaren, wenn einer im Interesse des Gemeinwohls liegenden Einrichtung Ausgleichsmaßnahmen zur Aufrechterhaltung der Einrichtung gewährt werden, während dies für gewerbliche Unternehmungen nicht der Fall ist.

69

Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Anfechtungsklage zu Recht abgewiesen wurde. Die Berufung konnte bereits deshalb keinen Erfolg haben.

70

Ohne dass es hierauf entscheidungserheblich ankommt, erachtet der Senat die streitgegenständliche Einziehungsverfügung in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht für rechtmäßig.

71

Der Friedrichskooger Hafen ist als öffentlicher Hafen gewidmet worden und damit eine öffentliche Sache im Sinne des gewohnheitsrechtlich anerkannten öffentlichen Sachenrechts.

72

Eine Widmung als öffentlicher Hafen des Landes kann grundsätzlich durch formelles Gesetz, Rechtsverordnung, Satzung, Gewohnheitsrechtssatz, öffentlich-rechtliche Vereinbarung oder Verwaltungsakt erfolgen (Petersen, Deutschen Küstenrecht 1989, S. 141).

73

Eine Widmung des Landeshafens durch Gesetz liegt nicht vor. Die in § 136 LWG ausgesprochene Befugnis, die öffentlichen Häfen für den Verkehr zu benutzen, soweit die Benutzung nach dem Landeswassergesetz oder nach anderen Vorschriften nicht beschränkt ist, begründet die Widmung nicht, sondern setzt sie voraus (OVG Schleswig, Beschl. v. 29.01.1992 - 4 L 76/91 -, Juris, zur Vorgängervorschrift § 101 a LWG; Petersen, Deutsches Küstenrecht 1989 Rn. 535). Eine Widmung durch öffentlich-rechtliche Vereinbarung oder schriftliche Allgemeinverfügung liegt nicht vor. In dem vom Beklagten vorgelegten Aktenmaterial (Beiakten A - V) findet sich weder eine entsprechende Verfügung noch irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass es eine ausdrückliche Widmung in der Vergangenheit gegeben hat. Dieses wird vom Beklagten auch nicht vorgetragen.

74

Eine Widmung ist ein hoheitlicher Rechtsakt, durch den die öffentliche Stelle erklärt, dass die Sache einem bestimmten öffentlichen Zweck dienen soll und ihre Benutzung durch die Allgemeinheit geregelt wird. Dies setzt nicht zwingend eine (schriftliche) Widmungsverfügung voraus. Die Widmung kann vielmehr auch hoheitlich durch schlüssiges Verhalten erfolgen (OVG Schleswig, Beschl. v. 29.01.1992 - 4 L 76/91 -, Juris). Es reicht insoweit aus, dass der Wille des Trägers öffentlicher Gewalt erkennbar ist, die Sache sei einem bestimmten öffentlichen Zweck zu dienen bestimmt und werde der Allgemeinheit zur Benutzung zur Verfügung gestellt. Ein derartiger Erklärungswille kann aus Indizien abgeleitet werden. Unter anderem spricht für einen Widmungswillen auch die Erhebung öffentlich-rechtlicher Gebühren. Vorliegend hat das Land Schleswig-Holstein den Hafen Friedrichskoog seit der Übernahme nach dem 2. Weltkrieg als öffentlichen Hafen betrieben und unterhalten. Ob dies in erster Linie für die Versorgung der Bevölkerung mit Fisch zum Zwecke des Allgemeinwohls geschah, ist dabei nicht entscheidend. Das Land Schleswig-Holstein hat den Hafen unterhalten, insbesondere Ausbaggerungsarbeiten auf eigene Kosten durchführen lassen und auch Hafengebühren erhoben. Dies reicht vorliegend für die Annahme einer konkludenten Widmung aus. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass es allgemeiner Auffassung entspricht, dass der Hafen Friedrichskoog ein öffentlicher Landeshafen ist (vgl. Petersen, Küstenrecht 1989, S. 264).

75

Eine hinreichende Rechtsgrundlage für die Allgemeinverfügung, mit der der Beklagte die Einziehung des Landeshafens Friedrichskoog verfügt hat, ergibt sich aus der öffentlichen Sachherrschaft des Landes über den landeseigenen Hafen. Nach den gewohnheitsrechtlich begründeten Grundsätzen des Rechts der öffentlichen Sachen kann der Widmungsumfang einer Sache verändert, erweitert oder reduziert und auch beseitigt werden. Die öffentliche Zweckbestimmung durch Widmung kann durch einen entsprechenden Rechtsakt wieder aufgehoben werden (sogenannter actus contrarius, vgl. Papier, Recht der öffentlichen Sachen, 3. Aufl. 1998, S. 56; Petersen, Deutsches Küstenrecht 1989, Seite 143).

76

Der Beklagte hat demgegenüber die Einziehung auf der Grundlage einer analogen Anwendung von § 8 StrWG Schleswig-Holstein verfügt. Nach dieser Vorschrift kann eine öffentliche Straße, die keine Verkehrsbedeutung mehr hat, eingezogen werden (§ 8 Abs. 1 Satz 1 StrWG). Eine öffentliche Straße ist einzuziehen, wenn Gründe des öffentlichen Wohls vorliegen, die gegenüber privaten Interessen überwiegen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 StrWG). Diese Vorschrift regelt jedoch die Voraussetzungen für eine Einziehung öffentlicher Straßen im Sinne von § 2 StrWG, nicht jedoch die Einziehung von öffentlichen Häfen. Auch eine analoge Anwendung kommt nicht in Betracht. Die Regelungsbereiche sind unterschiedlich. Im Straßenrecht finden sich gesetzliche Normierungen zur Frage der Widmung und der Einziehung vor allem vor dem Hintergrund der zu berücksichtigenden Kerngewährleistung von Anliegerrechten im Straßenrecht, die an die wesentliche Bedeutung der Verbindung mit dem Straßennetz für die Nutzbarkeit eines Grundstücks anknüpfen. Demgegenüber lässt sich für das Wasserrecht, das stärker gemeinwohlorientiert ist, ein vergleichbarer Hintergrund nicht feststellen. Bereits deshalb liegen die Voraussetzungen einer Analogie nicht vor.

77

Das Landeswassergesetz enthält keine gesetzliche Regelung zur Frage der Einziehung öffentlicher Häfen. Auch wenn dies vielleicht wünschenswert wäre, kann von einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes - eine weitere Voraussetzung für eine analoge Anwendung des § 8 StrWG - nicht gesprochen werden. Dabei hat das Verwaltungsgericht zu Recht in den Blick genommen, dass es bei Regelungen zu öffentlichen Infrastruktureinrichtungen nicht zum gesetzlichen Standard gehört, die Voraussetzungen einer Widmung und einer Einziehung ausdrücklich zu regeln. So findet sich beispielsweise zum öffentlichen Eisenbahnverkehr anstelle des Gemeingebrauchs ein spezieller Zugangsanspruch für die Eisenbahninfrastruktur (§ 14 AEG), der mit speziellen Vorschriften zu den Voraussetzungen von Stilllegungen (§ 11 AEG) und der Freistellung von Bahnbetriebszwecken korrespondiert (§ 23 AEG). Über eine Freistellung entscheidet die zuständige Planfeststellungsbehörde, die sich dabei allein am Verkehrsbedürfnis zu orientieren hat. Bei Wasserstraßen sehen die § 1 und 5 WaStrG eine gesetzliche Befugnis zum Befahren mit Wasserfahrzeugen vor. Der Verlust der Eigenschaft als Bundeswasserstraße tritt auf der Grundlage einer Vereinbarung durch ein entsprechendes Bundesgesetz beziehungsweise eine Verordnung ein (§ 2 WaStrG). Vor diesem Hintergrund kann eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes nicht angenommen werden.

78

Der Umstand, dass der Beklagte die Einziehung in entsprechender Anwendung von § 8 StrWG verfügt hat, ist jedoch unschädlich, weil in der Sache die zu beachtenden Grundsätze für die Einziehung eines öffentlichen Hafens beachtet wurden (siehe dazu unten).

79

Die Widmung ist eine Allgemeinverfügung im Sinne von § 106 Abs. 2 LVwG und damit ein Verwaltungsakt. Der Senat hat deshalb erwogen, als Rechtsgrundlage für die Beseitigung der Widmung (Einziehung) die den Widerruf eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes regelnde Vorschrift des § 117 LVwG heranzuziehen. So ist in diesem Zusammenhang in der verwaltungsrechtlichen Literatur teilweise die Auffassung vertreten worden, als gesetzliche Grundlage für die Entwidmung käme § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG in Betracht (vgl. hierzu Axer, Die Widmung als Schlüsselbegriff des Rechts der öffentlichen Sachen, Schriften zum öffentlichen Recht Bd. 651, S. 87). Eine Voraussetzung für die Anwendung des § 117 Abs. 2 Nr. 3 LVwG ist das Vorliegen eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsaktes. Die Widmung ist zwar ein Verwaltungsakt, jedoch kein begünstigender Verwaltungsakt im Sinne des § 117 Abs. 2 LVwG. Diese Vorschrift ist deshalb auf die Beseitigung einer Widmung nicht anwendbar. Durch die Widmung werden Rechte oder rechtlich erhebliche Vorteile weder zugesprochen noch abgesprochen. Derartige adressatlose Verwaltungsakte sind insoweit neutral (Stelkens/Bonk/Sachs VwVfG, Komm. 8. Aufl., § 49 Rn. 21).

80

Zu erwägen bleibt die Anwendung von § 117 Abs. 1 LVwG. Dies überzeugt jedoch letztlich nicht. Die Vorschriften über Rücknahme und Widerruf von Verwaltungsakten sind auf die Entwidmung nicht zugeschnitten. Dementsprechend ist in der Literatur auch darauf hingewiesen worden, dass, wenn die Notwendigkeit einer Entwidmung auf gewohnheitsrechtliche und damit ungeschriebene Grundsätze des Rechts der öffentlichen Sachen gestützt werde, in denselben gewohnheitsrechtlichen Grundsätzen auch die Grundlage für die Entwidmung gesehen werden müsse (vgl. zum Streitstand Angelika Leppin, „Rechtsprobleme bei der Umstrukturierung deutscher Bahnhöfe vor dem Hintergrund der gemeindlichen Planungshoheit, des Fachplanungsrechts sowie des öffentlichen Sachenrechts“, Verfassungs- und Verwaltungsrecht unter dem Grundgesetz, Bd. 29, S. 173 f.) Soweit ersichtlich sind die Vorschriften über Rücknahme und Widerruf von Verwaltungsakten in der obergerichtlichen Rechtsprechung auch bislang nicht als Rechtsgrundlage von Entwidmungen herangezogen worden. Auch die Verfahrensbeteiligten haben dies nicht in Erwägung gezogen. Im Übrigen merkt der Senat an, dass - wollte man entgegen der hier vertretenen Auffassung die Rechtsgrundlage in der Vorschrift des § 117 Abs. 1 LVwG sehen (vgl. hierzu Stelkens/Bonk/Sachs VwVfG, Komm. 8. Aufl., § 49 Rn. 21) - im Ergebnis keine Bedenken an der Rechtmäßigkeit der vom Beklagten verfügten Einziehung bestünden.

81

Richtigerweise hat nach allem das Verwaltungsgericht die Rechtsgrundlage für die Einziehung den allgemeinen Grundsätzen des Rechts der öffentlichen Sachen entnommen, wonach die öffentliche Zweckbestimmung einer Sache durch Widmung durch einen entsprechenden Rechtsakt (actus contrarius) wieder aufgehoben werden kann.

82

Verfahrensfehler bei der Einziehung des Landeshafens sind nicht ersichtlich. Insbesondere war nicht die Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens geboten. Ein solches findet nur statt, wenn es durch Rechtsvorschrift angeordnet ist (§ 139 Abs. 1 LVwG). Dies ist bezüglich der Einziehung eines Hafens nicht der Fall.

83

In welcher Form eine Entwidmung eines Landeshafens zu erfolgen hat, ist nicht geregelt. Der Beklagte hat aber in jedem Falle den hier zu stellenden Publizitätsanforderungen (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 16.12.1988 - 4 C 48.86 - Buchholz 406.11 § 38 BauGB Nr. 4 = BVerwGE 81, 111; zur „Entwidmung“ von nicht planfestgestellten Bahnanlagen nach früherem Recht) Genüge getan, indem er sich hinsichtlich der Bekanntgabe der Einziehungsabsicht, der Auslegung des Erläuterungsberichtes und der Bekanntgabe der Einziehungsentscheidung an das für die Einziehung von Straßen vorgeschriebene Verfahren angelehnt hat.

84

Die Berufung macht geltend, die Einziehung bedürfe einer vom parlamentarischen Gesetzgeber erlassenen Rechtsgrundlage. Die Heranziehung von Gewohnheitsrecht verstoße gegen den Gesetzesvorbehalt. Dem folgt der Senat nicht.

85

Der Vorbehalt des Gesetzes verlangt, dass staatliches Handeln in bestimmten grundlegenden Bereichen durch förmliches Gesetz legitimiert wird. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen und darf sie nicht anderen Normgebern überlassen. Wann es danach einer Regelung durch den parlamentarischen Gesetzgeber bedarf, lässt sich nur mit Blick auf den jeweiligen Sachbereich und auf die Eigenart des betroffenen Regelungsgegenstandes beurteilen. Die verfassungsrechtlichen Wertungskriterien sind dabei den tragenden Prinzipien des Grundgesetzes, insbesondere den darin verbürgten Grundrechten, zu entnehmen. Danach bedeutet wesentlich im grundrechtsrelevanten Bereich in der Regel „wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte“. Die Tatsache, dass eine Frage politisch umstritten ist, führt dagegen für sich genommen nicht dazu, dass diese als wesentlich verstanden werden müsste (BVerwG, Beschl. v. 17.02.2015 - 4 B 56.14 -, Juris). Hiernach bedarf es im Zusammenhang mit dem Betrieb eines öffentlichen Hafens spezieller gesetzlicher Regelungen etwa bezüglich der Ermächtigung zur Gefahrenabwehr sowie der Zulassung von Häfen und Anlagen sowie der Konzessionierung von Seeverkehrsleistungen. Entsprechende Rechtsgrundlagen sehen § 137 und §§ 139 f LWG vor. Ihr Fehlen würde gegen den Gesetzesvorbehalt verstoßen. Anders liegt es bei der Frage der Widmung und Entwidmung. Die Entscheidung der zuständigen Behörde über die Frage des „Ob“ eines öffentlichen Hafens greift nicht unmittelbar in Grundrechte ein. Weder mit der Widmung noch mit der Entwidmung werden Rechte oder rechtlich erhebliche Vorteile unmittelbar zugesprochen oder abgesprochen (Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl., § 49 Rn. 21). Es begegnet im Hinblick auf den Grundsatz des Gesetzesvorbehaltes deshalb keinen Bedenken, als Rechtsgrundlage die gewohnheitsrechtlich anerkannten Grundsätze des öffentlichen Sachenrechts heranzuziehen.

86

Das Verwaltungsgericht hat die Auffassung vertreten, dass das Land bei der Frage der Entwidmung einen großen Entscheidungsspielraum habe, weil es nach dem Landeswassergesetz nicht verpflichtet sei, einen solchen Hafen zu betreiben und das Landeswassergesetz für eine Einziehung keine gesetzlichen Grenzen setze. Das LWG begründe zur Frage des „Ob“ und „Wie“ des Betriebes eines öffentlichen Hafens nicht einmal einen Anspruch für Nutzer und Anlieger auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung. Deshalb werde der Handlungsspielraum des Hafenträgers bei seinen Entscheidungen nur durch die Grundrechte und das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Verbot willkürlichen staatlichen Handels begrenzt. In diesem Zusammenhang wendet die Berufung ein, es könne wegen der Vielzahl der beeinträchtigten Interessen von Hafenanliegern und Hafennutzern nicht angehen, dass bei der Entscheidung über das „Ob“ eines öffentlichen Hafens die Entscheidungen nur durch Grundrechte und das Willkürverbot begrenzt seien. Die Interessen der einzelnen Hafennutzer müssten berücksichtigt und abgewogen werden.

87

Hierzu ist festzustellen, dass sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und damit letztlich aus dem Rechtsstaatsprinzip die Verpflichtung ergibt, über eine Entwidmung ausschließlich nach sachlichen Erwägungen und in ermessensgerechter Weise zu entscheiden. Diesen Vorgaben wird die Einziehungsverfügung gerecht. Sie ist insbesondere auf nachvollziehbare sachliche Gründe gestützt worden. Auch die mit den Einwendungen geltend gemachten Bedenken sind einbezogen worden. Das Verwaltungsgericht hat hierzu folgendes ausgeführt:

88

„Der Beklagte hat dargelegt, dass eine Abwägungsentscheidung getroffen wurde, im Rahmen derer ausschlaggebend war, dass die Zahl der Anläufe von Fischereifahrzeugen ebenso wie die Umschlagmenge in den letzten Jahren auf ein geringes Maß gesunken ist, und dass für den Hafenbetrieb ein erheblicher jährlicher Zuschussbedarf sowie ein erheblicher Sanierungsbedarf in der Zukunft besteht. Der Beklagte hat ferner dargelegt, dass eine Investition in ein Schöpfwerk sinnvoller sei, da damit eine Entwässerung der Köge auch in Zukunft - bei fortschreitender Verlandung des in Rede stehenden Küstenbereiches- sicher gewährleistet sei. Durch die zunehmende Sedimentation im Küstenbereich vor dem südlichen Dithmarschen werde die Entwässerung der Köge zunehmend problematisch; bei anhaltendem Trend werde die Entwässerung des Binnenlandes in freier Vorflut in 10 bis 15 Jahren nicht mehr möglich sein. Hierzu ist in der mündlichen Verhandlung erläutert worden, dass unter dem Gesichtspunkt des Küstenschutzes und einer gesicherten Entwässerung der Umstand in den Blick zu nehmen sei, dass sich zukünftig der Tidenhub und der Einfluss von Stürmen verstärken werde.

89

Diese Gesichtspunkte sind im Rahmen der angefochtenen Entscheidung in Beziehung gesetzt worden zu den Nachteilen für die Betroffenen, insbesondere den Nachteilen für die Gemeinde Friedrichskoog, die Gewerbetreibenden in Friedrichskoog sowie die Bewohnerinnen und Bewohner. Mit allen Einwendungen von Betroffenen hat sich das zuständige Ministerium ausführlich auseinandergesetzt.

90

All dies spricht dafür, dass die Einziehungsentscheidung auf einer an sachlichen Kriterien orientierten Neubewertung des öffentlichen Interesses daran beruht, dass das Land einen Landeshafen in Friedrichskoog betreibt. Die von den Klägern geübte Kritik, es sei nicht gründlich genug nach anderen Lösungen gesucht worden, bzw. es gehe hier um ein rechtsmissbräuchliches Handeln des Landes, hält die Kammer nach Prüfung des Sachverhalts nicht für berechtigt.

91

Wie die aktenkundigen Feststellungen von verschiedenen Fachämtern und Wissenschaftlern zeigen, geht es hier um einen öffentlichen Hafen, dessen Betrieb bereits seit Jahrzehnten wegen des Versandungsproblems nur aufgrund außerordentlicher Anstrengungen aufrechterhalten werden kann. Danach ist der Hafen Friedrichskoog ungünstig gelegen, da er im Bereich der Elbmündung in einem Nordseeküstenabschnitt mit den höchsten Anschlickungs- und Anwachsraten liegt. Bereits im Jahr 1900 scheint es Versandungsprobleme gegeben zu haben, denn dies dürfte einer der Gründe für die damalige Errichtung eines zunächst nur 1000 m langen Leitdamms gewesen sein. Infolge der Eindeichung des Dieksander Koogs und der damit verbundenen Änderung der Verhältnisse im Vorland verstärkte sich das Versandungsproblem noch. Das Marschenbauamt Heide berichtete dann im Jahre 1973 ausführlich über die geomorphologischen Verhältnisse und führte aus, dass eine starke Verlandungstendenz bestehe und sich die Gesamtsituation weiter nachteilig entwickeln werde. Die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Kiel und das Landesamt für Wasserhaushalt und Küsten kamen 1974 (Bericht vom 28.05.1974) übereinstimmend zu dem Schluss, Hafen und Zufahrt würden auch mit „Regelwerken“ in überschaubarer Zeit ein Opfer der Anlandungsprozesse werden, so dass rechtzeitig Folgerungen aus dieser unabänderlichen Entwicklung gezogen werden sollten. Neuere Untersuchungen und Variantenprüfungen haben kein anderes Ergebnis erbracht. Den eingeholten externen Gutachten von Prof. F... und Prof. M... lassen sich keine Anhaltspunkte für grundlegende Fehler in der fachbehördlichen Einschätzung entnehmen. Diesen Gutachten lassen sich auch keine Problemlösungsvorschläge entnehmen, die zwingend hätten aufgegriffen werden müssen.“

92

Diesen Ausführungen tritt der Senat bei und nimmt auf sie zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug. Anzumerken ist lediglich, dass es sich bei der Entscheidung des Beklagten nicht um eine planerische Abwägungsentscheidung handelt. Die vom Beklagten in der Begründung der Einziehungsentscheidung angestellten Erwägungen tragen jedoch die Annahme einer ermessensfehlerfreien Entscheidung des Beklagten.

93

Dieser hat sich auf die Untersuchungen nicht nur der eigenen Fachbehörden, sondern auch externer Gutachter gestützt. Dabei wurden hinsichtlich des Baggerkonzeptes und der Versandungsreduzierung diverse Varianten diskutiert. Im Gutachten von Prof. M... (Modelluntersuchungen zur Bewertung von Maßnahmenalternativen zur Verbesserung der Zufahrtsituation zum Hafen Friedrichskoog und zur Aufrechterhaltung der Binnenentwässerung, Februar 2010) werden insgesamt 7 Varianten gegeneinandergestellt, die nicht nur auf dem bestehenden Hafen-Layout basieren, sondern teilweise auch erhebliche bauliche Veränderungen zum Gegenstand haben. Untersucht wird beispielsweise auch die Effektivität der Verbindung des Hafenbereiches mit dem Außentief über einen zum Hafenpriel abgewinkelten Seitenkanal (Variante 2) und einen Spülpolder (Variante 3), der während der Ebbphase geöffnet wird, um mit dem Spülstrom zuvor abgelagerte Sedimente aus dem Hafenpriel auszuräumen und demzufolge auch den Sedimentaufwuchs im Hafenpriel zu vermindern. Als Schlussfolgerung kommt das Gutachten zum Ergebnis, Varianten mit Optimierung durch baggertechnische Vertiefung könnten zur Reduzierung der Baggervolumina führen - allerdings auf Kosten einer erhöhten Baggerfrequenz. Die Varianten mit Änderung durch Baumaßnahmen ließen insgesamt die geringsten Sedimentationsvolumina erwarten. Es sei aber - etwa bei der Spülpolder-Variante - mit Sedimentation im Polder zu rechnen, was zu erheblichen zusätzlichen Betriebskosten führen könne. Die Varianten mit Änderung durch Baumaßnahmen sollten vor dem Hintergrund, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit Folgeprobleme und -kosten entstehen, mit Vorsicht betrachtet werden.

94

Insgesamt lassen sich den fachlichen Einschätzungen weder der Fachbehörden noch der externen Gutachter Varianten entnehmen, die sich unter Berücksichtigung der damit verbundenen Kosten und Risiken für eine nähere Prüfung dem Beklagten hätten aufdrängen müssen.

95

Die Einschätzung des Landesbetriebs für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz Schleswig-Holstein (LKN-SH) vom 10. Dezember 2009, wonach keine der betrachteten Varianten eine signifikante Entlastung der hohen Bagger- und Hafenbetriebskosten gegenüber den geringen Einnahmen aus den Hafengebühren bei langfristiger Aufrechterhaltung der Schifffahrt beziehungsweise Anpassung an die Schifffahrt erwarten ließen, ist durch das Gutachten M... nicht in Frage gestellt worden.

96

Die Frage der Erforderlichkeit der Schließung des Landeshafens Friedrichskoog ist nicht neu. Die Risiken der Durchführung bisher unerprobter kostspieliger baulicher Veränderungen des Hafens einerseits und der Schwierigkeiten andererseits, den Hafen trotz zunehmender Versandung durch Ausbaggerungsarbeiten für alle Zukunft offenzuhalten, war dem Beklagten seit langem bewusst. Im Gutachten von Prof. F... vom 10. Oktober 1975 wird ausgeführt, dass langfristige Lösungen nur dann gefunden werden könnten, wenn die Gründe für die Verlandung des Hafens beseitigt würden. Der Hafenpriel habe fast alle seitlichen Watteinzugsgebiete verloren und das Tidevolumen des Hafens reiche nicht aus, um durch eine natürliche Räumwirkung den Hafenpriel freizuhalten. Am landseitigen Ende des Hafenprieles würden die Strömungsgeschwindigkeiten so klein, dass sich die Feststoffe bevorzugt auf dieser Strecke des Hafenprieles absetzen würden. Dadurch werde die Tidekurve auf dem Weg durch den Hafenpriel in der Art verformt, dass sich bei einem um rund 0,9 m angehobenen Niedrigwasser ein sehr steiler Flutast ausbilde, der bis zu einer sogenannten Bore aufgesteilt werden könne. Bei dem dadurch bedingten kurzeitigen aber starken Flutstrom würden die Feststoffe dann hafenwärts verfrachtet; eine durch die Verengung im Schleusenquerschnitt bewirkte örtliche Beschleunigung sauge dann die Feststoffe geradezu in den Hafen hinein, indem sie wegen der zwar langdauernden aber viel zu kleinen Ebbströmung abgelagert würden. Wegen dieser Zusammenhänge könnten Unterhaltungsbaggerungen im Hafen wie im Vorhafen, die immer weiter an Umfang zunähmen, keine dauernde Lösung zur Offenhaltung des Hafens sein. Die von ihm vorgeschlagene Errichtung eines Spülpolders sei wirtschaftlicher als bisher vorgeschlagene bauliche Maßnahmen, enthielte allerdings das Risiko, dass für eine Ausführung keine Erfahrungen vorliegen könnten, weshalb eine besonders sorgfältige theoretische Prüfung erforderlich sei.

97

Wenn die Landesregierung durch Kabinettsbeschluss im April 1976 sich seinerzeit sowohl gegen eine ebenfalls diskutierte Entwidmung des Hafens als auch gegen die Durchführung kostenintensiver, unerprobter und von daher risikobehafteter baulicher Maßnahmen und für die Freihaltung des Hafens durch laufende Ausbaggerungsarbeiten entschloss, so handelt es sich hierbei um eine politische Entscheidung, die keine rechtliche Bindungswirkung für die Zukunft entfalten konnte und für sich genommen die Rechtmäßigkeit der nunmehr erfolgten Einziehung nicht in Frage stellt.

98

Zum Vorwurf unterlassener Unterhaltungsarbeiten in der Vergangenheit und unzureichender Überprüfung baulicher Alternativen zur Reduzierung der Versandung des Hafens hat das Verwaltungsgericht folgendes ausgeführt:

99

„Auch die in der Klagebegründung hervorgehobene Übersicht über die Entwicklung der Aushubmengen in den Jahren 2000 bis 2010 (Anlage K5) belegt nicht den Vorwurf pflichtwidrigen Handelns. Zwar trifft es zu, dass das Volumen des jährlichen Baggeraushubs seit dem Jahre 2006 deutlich gesunken ist (von ca. 147.000 cbm in 2006 auf ca. 100.000 cbm in 2013), hieraus lässt sich jedoch keine Verantwortung des Landes für die reduzierte Nutzung des Hafens ableiten. Dagegen spricht bereits der Umstand, dass der stärkste Nutzungsrückgang in den Jahren 2000 - 2007 zu verzeichnen war, als der jährliche Baggeraushub noch bei 120.000 - 147.000 cbm lag. Außerdem besteht kein Anlass, die Anstrengungen des Landes in den Jahren 2007 bis 2013 gering zu schätzen, denn auch in diesen Jahren sind immerhin Aushubmengen von mindestens 100.000 cbm bewältigt worden. Das Land hat damit in diesem Zeitraum die Anstrengungen gegenüber dem Jahr 1954 (20.000 cbm) immerhin verfünffacht. Größere Anstrengungen sind aufgrund nachvollziehbarer Erwägungen unterblieben. Hierzu ist dargelegt worden, die Gewährleistung einer Fahrwassertiefe von 2,5 m würde wahrscheinlich auch Baggerarbeiten im Hafenpriel und im vorgelagerten Watt erfordern, was zur Erhöhung der Baggerkosten auf rd. 950.000,- € p.a. führen würde (Vermerk vom 19.12.2013, Beiakte G). Dass man dies auch mit Blick auf die Situation im Wattwasserfahrbereich vor dem Hafenpriel nicht für angemessen erachtete, ist somit mit vertretbaren Überlegungen begründet worden.

100

Entsprechendes gilt angesichts der Erläuterungen von Beklagtenseite zu den Vorwürfen bezüglich des Umgangs mit einem „Schachtpriel“, zumal dem Beitrag dieses Schachtpriels zur Problemlösung in den Untersuchungen des LKN und auch dem Gutachten von Prof. M... keine wesentliche Bedeutung beigemessen wurde.

101

Auch der Argumentation bezüglich der Schlüsse, die aus einer ungünstigen Gestaltung des Sperrwerks (niedriger Drempel) zu ziehen sind, folgt die Kammer nicht. Die Beklagtenvertreter haben in der mündlichen Verhandlung zwar bestätigt, dass auch sie in der Absenkung des Drempels in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts ein Problem sehen, weil dies die Gewährleistung einer besonders niedrigen Sohle am Sperrwerk erfordert; möglicherweise habe man damit damals die Zugänglichkeit für Schiffe mit größerem Tiefgang gewährleisten wollen. Den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs bzw. der Willkür rechtfertigt dieser Aspekt nicht. Zu den Umständen, die ein Hafenträger zu bewältigen hat, gehört auch der Umgang mit nicht optimal gestalteten Bauwerken; dazu gehört auch die Entscheidung, ob etwaige Nachteile dauerhaft hingenommen werden, oder eine bauliche Veränderung vorgenommen wird. Im Übrigen sind die Versandungsprobleme nicht erst nach dem Umbau des Sperrwerks in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts aufgetreten, sondern waren bereits 1973/1974 vom Marschenbauamt Heide, von der WSD Nord und vom Landesamt für Wasserhaushalt und Küsten problematisiert worden. Die Kammer sieht auch in diesem Zusammenhang keine Anhaltspunkte für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Landes.

102

Soweit die Kläger darauf hinweisen, im Planfeststellungsverfahren zur Fahrrinnenanpassung der Unter- und Außenelbe sei vom Beklagten angemahnt worden, dass die Verbringung des Elbschlicks in die Elbmündung zu einer Versandung des Hafens Friedrichskoog führen werde, ist nicht ersichtlich, warum diese Problematik rechtlich relevant sein sollte. Selbst wenn es im Zusammenhang mit dem planfestgestellten Vorhaben zu einer weiteren Verstärkung der Versandungsproblematik in Friedrichskoog gekommen sein sollte, ist zu bedenken, dass dies auf einem Planfeststellungsbeschluss beruht und damit Folge einer rechtmäßigen Maßnahme wäre. Dies kann daher nicht dem Land Schleswig-Holstein als Fehlverhalten zugerechnet werden.

103

Nicht überzeugend ist auch die Auffassung der Kläger, das Land Schleswig-Holstein habe die Möglichkeiten zu Kosteneinsparungen nicht genutzt, die sich in baulicher Hinsicht (Maßnahmen im Vorlandbereich) ergeben hätten. Den vorliegenden Akten ist vielmehr zu entnehmen, dass die in Betracht kommenden Alternativen zur Baggerungslösung und alle Optimierungsvorschläge mehrfach von den Fachbehörden unter Hinzuziehung von Wissenschaftlern gründlich geprüft, und - in nachvollziehbarer Weise - als zu kostspielig und nicht nachhaltig zielführend bewertet wurden.

104

Dass das Land z. B. den Vorschlag von Prof. F... zur Errichtung eines Spülpolders nicht aufgriff, ist nachvollziehbar, da der Sachverständige selbst von einer „unkonventionellen“ Baumaßnahme gesprochen hat, die mit Risiken behaftet sei. Die Befürchtung, dass ein solcher Spülpolder keine nachhaltige Lösung ist, ist nachvollziehbar, zumal dies die Fachbehörden schon 1974 -gestützt auf Erfahrungen mit entsprechenden Versuchen- eingewendet haben. Die Erfahrungen mit Sedimentationsbecken, die 1990 im Zusammenhang mit Deichbaumaßnahmen im Dieksander Koog gemacht wurden (vgl. Drucksache 17/613), bestätigten diese Einschätzung. Auch wenn die Bundesanstalt für Wasserbau im Jahr 2014 eine positivere Prognose gestellt haben mag, wie die Kläger berichten, ist die ablehnende Haltung des Beklagten hierzu angesichts der eigenen Erfahrungen jedenfalls nachvollziehbar.

105

Entsprechendes gilt auch für die vom LKN am 10.12.2009 geprüfte Variante 6 (Anschluss des Grüppensystems im Vorlandbereich als Spülpolder), auf die mit der Klagebegründung besonders hingewiesen wird. Der LKN hat hierzu zwar ausgeführt, bei vergleichsweise geringen Investitionskosten von 270.000 € sei ein vergleichsweise günstiger Effekt in Form einer Reduktion der Baggermengen von rund 35 % zu erwarten. Insgesamt gelangt der Bericht jedoch zu dem Ergebnis, keine der betrachteten Varianten lasse eine signifikante Entlastung der hohen Bagger- und Hafenbetriebskosten gegenüber den geringen Einnahmen aus den Hafengebühren bei langfristiger Aufrechterhaltung der Schifffahrt bzw. Anpassung an die Schifffahrt erwarten.

106

Auch das Gutachten von Prof. M... von der CAU Kiel aus Februar 2010 (Beiakte T) ergab keine bessere Perspektive. In der Stellungnahme heißt es, Baumaßnahmen zur Lösung des Problems wären mit hoher Wahrscheinlichkeit mit Folgeproblemen und Folgekosten verbunden, und sollten daher mit Vorsicht betrachtet werden. Eine Optimierung der baggertechnischen Vertiefung könne zur Reduzierung der Baggervolumina führen, allerdings auf Kosten einer erhöhten Baggerfrequenz.

107

In einer aktuellen Untersuchung mit Variantenerörterung vom 10.03.2014 ist das LKN erneut zu dem Ergebnis gelangt, dass der Ersatz des Sperrwerks durch ein Schöpfwerk einschließlich der Seewasserversorgung der Seehundstation die günstigste Variante sei; die entscheidenden Argumente ergäben sich aus dem zu erwartenden Anstieg der Wasserstände, wonach die Entwässerung des Binnenlandes in 10 -15 Jahren nicht mehr möglich sein werde.

108

Die Kammer teilt auch nicht die Zweifel der Klägerin zu 2) an den Angaben des Beklagten zu anstehenden Sanierungsmaßnahmen am Sperrwerk. Hierzu ist in der mündlichen Verhandlung vom Leiter des LKN erläutert worden, dass ein entsprechender Sanierungsbedarf von den Fachleuten des Amtes festgestellt worden sei; eine Untersuchung im Rahmen einer Trockenlegung im Jahre 2013 habe diesen Befund bestätigt. Zur Gewährleistung des sicheren Betriebs des Sperrwerkes müssten die festgestellten Schäden und Undichtigkeiten behoben werden. Da die Kläger für ihre Vermutung, dass ein Sanierungsbedarf nur vorgeschoben werde, keine konkreten Anhaltspunkte benannt haben, sieht die Kammer keinen Anlass, die Richtigkeit der Erläuterungen des Leiters des LKN zu bezweifeln.“

109

Diesen Ausführungen folgt der Senat und nimmt auf sie zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug. Lediglich ergänzend sei ausgeführt, dass sich der Beklagte auch nach Vorlage des Gutachtens M... vor der Einziehungsverfügung noch mit den verschiedenen Varianten zur Reduzierung der Versandung auseinandergesetzt hat. Dies zeigt der Vermerk des LKN SH vom 10. März 2014. Dort heißt es - zusammenfassend - die Auswertung der flächenhaften Vermessungen der Friedrichskoog vorgelagerten Watten des Elbmündungstrichters zeigten, dass die Watten und Vorländer im Elbeästuar stark angewachsen seien. Damit würden sich auch die mit jeder Tide ein- und ausströmenden Wassermengen reduzieren. Dies wiederum führe zu einer Verkleinerung der Querschnitte der Priele und damit zu erschwerten Bedingen für die ein- und auslaufenden Kutter. Sollten die Tidenniedrigwasserstände auch weiterhin um mehr als 2 cm pro Jahr steigen, so werde die Entwässerung aufgrund der Höhenlage des Einzugsgebietes zunehmend problematisch werden. Bei anhaltendem Trend werde die Entwässerung des Binnenlandes in 10 bis 15 Jahren nicht mehr möglich sein. Auch nach Aussage der Bundesanstalt für Wasserwirtschaft sei der Bau eines Schöpfwerkes in den nächsten Jahren unumgänglich. Die erwogene Maßnahme der Herstellung eines Spülpolders könne auch nach Aussage der Bundesanstalt für Wasserwirtschaft nur dann eine nachhaltige Wirkung erzielen, wenn der Spülpolder bei jeder Tide vollständig gefüllt werde. Dies bedeute, dass mit jeder Füllung Sediment eingetragen werde und sich im Spülpolder ablagere. Damit sei eine regelmäßige Unterhaltung des Spülpolders unumgänglich. Die von der Bundesanstalt für Wasserwirtschaft geschätzte Erfolgswahrscheinlichkeit von 80 % für diese bauliche Variante sei aus Sicht des LKN SH zu bezweifeln. Unabhängig von den damit verbundenen Kosten gab es jedenfalls keine „Erfolgsgarantie“ dieser (oder einer anderen) baulichen Variante.

110

Insgesamt teilt der Senat die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass der Beklagte rechtsfehlerfrei zu der Entscheidung kommen durfte, den Hafen wegen der geringen Verkehrsbedeutung und der auch künftig zu befürchtenden hohen Unterhaltungskosten einzuziehen.

111

Weder der in der Einziehungsverfügung darüber hinaus geregelte Widerrufsvorbehalt noch die Regelungen zu Ziffer 3 und 4 der Verfügung verletzen Rechte der Klägerin. Ob durch Ziffer 3 und Ziffer 4 der Einziehungsverfügung über eine deklaratorische Aussage hinaus überhaupt etwas geregelt wird, kann deshalb unerörtert bleiben.

112

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

113

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

114

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe hierfür (§ 132 Abs. 2 VwGO) nicht gegeben sind.


(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit

1.
von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 des Baugesetzbuchs
2.
von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

(2) Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen. Er ist gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, welche die Rechtsvorschrift erlassen hat. Das Oberverwaltungsgericht kann dem Land und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, deren Zuständigkeit durch die Rechtsvorschrift berührt wird, Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist geben. § 65 Abs. 1 und 4 und § 66 sind entsprechend anzuwenden.

(2a) (weggefallen)

(3) Das Oberverwaltungsgericht prüft die Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift mit Landesrecht nicht, soweit gesetzlich vorgesehen ist, daß die Rechtsvorschrift ausschließlich durch das Verfassungsgericht eines Landes nachprüfbar ist.

(4) Ist ein Verfahren zur Überprüfung der Gültigkeit der Rechtsvorschrift bei einem Verfassungsgericht anhängig, so kann das Oberverwaltungsgericht anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht auszusetzen sei.

(5) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet durch Urteil oder, wenn es eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluß. Kommt das Oberverwaltungsgericht zu der Überzeugung, daß die Rechtsvorschrift ungültig ist, so erklärt es sie für unwirksam; in diesem Fall ist die Entscheidung allgemein verbindlich und die Entscheidungsformel vom Antragsgegner ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre. Für die Wirkung der Entscheidung gilt § 183 entsprechend.

(6) Das Gericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.

Tenor

Die am 10.11.2016 beschlossene und am 16.11.2016 bekannt gemachte Satzung der Antragsgegnerin über die Veränderungssperre für den in Aufstellung befindlichen Bebauungsplan Nr. 4 für das Gebiet „Windpark L... – östlich des Gutes ...hof und südlich N...“ wird bis zur Entscheidung über den Normenkontrollantrag der Antragstellerin - 1 KN 23/16 - außer Vollzug gesetzt.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 150.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin begehrt die vorläufige Außervollzugsetzung der Satzung der Antragsgegnerin über die Veränderungssperre für den in Aufstellung befindlichen Bebauungsplan Nr. 4 für das Gebiet „Windpark L... – östlich des Gutes ...hof und südlich N...“, die sie mit ihrem parallel anhängig gemachten Normenkontrollantrag vom 23.12.2016 (1 KN 23/16) angreift.

2

Am 17.03.2016 stellte die Antragstellerin einen Antrag auf Genehmigung einer Windkraftanlage auf dem Flurstück … der Flur … der Gemarkung … . Der Standort der Anlage befindet sich in einem Gebiet, das bis zur Entscheidung des Senats vom 20.01.2015 (u.a. 1 K 6/13 und 7/13), bei der die Teilfortschreibungen der Regionalpläne 2012 für die Planungsräume I und III mit den Festlegungen zur Steuerung der Windenergienutzung für unwirksam erklärt wurden, in einem Windenergie-Eignungsgebiet lag. Nach dem derzeitigen Entwurf der Teilaufstellung der Regionalpläne I bis III sowie der Teilfortschreibung des Landesentwicklungsplanes zum Sachthema Windenergie ist dieses Gebiet, in dem bereits fünf Windenergieanlagen errichtet sind, nunmehr als Vorranggebiet für Windenergie vorgesehen. Nach den bis Mitte Oktober 2016 eingegangenen Stellungnahmen zum Genehmigungsantrag bestanden dagegen keine Bedenken. Die Antragsgegnerin beschloss in ihrer Gemeindevertretersitzung vom 10.11.2016 die Aufstellung der 3. Änderung ihres Flächennutzungsplanes und des Bebauungsplanes Nr. 4, um damit eine „planerische Feinsteuerung der Errichtung von Windkraftanlagen bezüglich der Anzahl unter Berücksichtigung der bestehenden bzw. bereits genehmigten Windkraftanlagen“, eine „Steuerung des gebietsbezogenen Maßes des Hinnehmbaren in Bezug auf die Immissionen am Standort“ und den „Schutz des Landschaftsbildes durch Standortsteuerung der Windkraftanlagen“ zu erreichen. Ebenfalls am 10.11.2016 beschloss die Antragsgegnerin eine Veränderungssperre für das Gebiet des Bebauungsplanes Nr. 4. Die beiden Aufstellungsbeschlüsse sowie die Satzung über die Veränderungssperre gab diese am 16.11.2016 im Amtsblatt des Amtes …-Ostsee bekannt. Hinsichtlich der Umgrenzung des Planbereiches wird in der Bekanntmachung der Aufstellungsbeschlüsse auf einen jeweils angehängten - identischen - Lageplan verwiesen, in dem in einem Auszug aus dem Liegenschaftskataster (Liegenschaftskarte 1:10000) eine grau unterlegte Fläche dargestellt wird. Der räumliche Geltungsbereich der am Tag nach der Bekanntmachung in Kraft getretenen Veränderungssperre wird durch Verweis auf eine der Satzung als Anlage beigefügte Karte bestimmt, die in ihrer Darstellung den vorbezeichneten Lageplänen entspricht.

3

Am 17.11.2016 versagte die Antragsgegnerin das gemeindliche Einvernehmen zu dem Genehmigungsantrag der Antragstellerin auf der Grundlage der zuvor bekannt gemachten Veränderungssperre. Die Antragstellerin beantragte daraufhin am 05.12.2016 eine Ausnahme von der Veränderungssperre. Über diesen Antrag ist bislang noch nicht entschieden worden.

4

Zur Begründung ihres am 23.12.2016 eingegangenen Normenkontrollantrages sowie des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO trägt die Antragstellerin vor, sie sei im Hinblick auf den gestellten Genehmigungsantrag antragsbefugt. Die Veränderungssperre sei rechtswidrig, denn sie diene einer reinen Negativplanung. Die nur vorgeschobenen Planungsziele seien offensichtlich rechtswidrig und missachteten Vorgaben der Landesplanung. Sie ließen nicht ein Mindestmaß dessen erkennen, was rechtmäßiger Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplanes sein solle. Der Normenkontrollantrag sei deshalb offensichtlich begründet. Zudem drohe ein schwerer Nachteil, da Windenergieanlagen, die bis Ende 2016 genehmigt würden und in 2017 oder 2018 in Betrieb gingen, nach § 102 Nr. 3 EEG noch die gesetzlich festgelegte Vergütung erhalten könnten. Die Genehmigung würde 2016 noch erteilt werden, wenn ihr nicht die Veränderungssperre und die darauf bezogene Versagung des gemeindlichen Einvernehmens entgegenstünde. Jegliche weitere Verzögerung führe zu erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen. Diese gelte auch nach Ablauf des Jahres 2016, wenn sie nicht wenigstens am ersten Ausschreibungstermin für Windenergieanlagen an Land in 2017 teilnehmen könne, wo mit einem wesentlich höheren Zuschlag als bei den Folgeterminen zu rechnen sei.

5

Die Antragsgegnerin hält die Veränderungssperre für rechtmäßig. Auch bei einer Ausweisung einer Windvorrangfläche auf Regionalplanebene blieben für die Gemeinde Planungsmöglichkeiten einer „Feinsteuerung“. Planerische Festsetzungen seien hinsichtlich der zulässigen Anzahl der Anlagen sowie ihrer Standorte und ihrer Höhe möglich. Ob am Ende der Bauleitplanung der Windkraftnutzung substantieller Raum gegeben werde, sei derzeit noch nicht zu entscheiden. Aufgrund der angegebenen positiven Planungsziele habe die Veränderungssperre Bestand.

6

Den am 28.12.2016 ergänzend gestellten Antrag der Antragstellerin, die Satzung der Antragsgegnerin über die Veränderungssperre bis zu einer Entscheidung des Eilrechtsschutzantrages bzw. bis zum 31.12.2016 hilfsweise im Wege eines Hängebeschlusses außer Vollzug zu setzen, hat der Senat mit Beschluss vom selben Tag abgelehnt, da die Antragstellerin selbst bei einem Erfolg des Antrages nach § 47 Abs. 6 VwGO eine positive Genehmigungsentscheidung innerhalb von verbleibenden 2,5 Werktagen nicht werde erreichen können.

II.

7

Das einstweilige Rechtsschutzgesuch der Antragstellerin hat Erfolg. Der Antrag ist zulässig (1.) und begründet (2.).

8

1. Der Antrag ist statthaft und auch sonst zulässig. Insbesondere ist die Antragstellerin im Sinne von § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt.

9

Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann jede natürliche oder juristische Person einen Normenkontrollantrag stellen, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift, die Gegenstand des Antrags ist, oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Dabei genügt es, wenn der Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch den zur Prüfung gestellten Rechtssatz in einem subjektiven Recht verletzt wird. An dieser Möglichkeit fehlt es erst, wenn Rechte des Antragstellers unter Zugrundelegung des Antragsvorbringens offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise verletzt sein können.

10

Gemessen hieran, unterliegt die Antragsbefugnis der Antragstellerin keinem Zweifel. Diese folgt bereits daraus, dass ihrem Genehmigungsantrag für die Errichtung und den Betrieb einer Windenergieanlage durch die Antragsgegnerin im Rahmen deren Entscheidung über das gemeindliche Einvernehmen gerade die Rechtswirkungen der hier streitigen Veränderungssperre entgegengehalten werden. Die auf einen solchen Versagungsgrund bezogene und nicht zweifelhafte Widerspruchs- und Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) der Antragstellerin reicht jedenfalls aus, auch die jenem Rechtsinstitut angepasste Antragsbefugnis im Normenkontrollverfahren nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO zu begründen (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25.11.1997 - 10a D 131/97.NE -, juris [Rn. 16 ff.] m.w.N.).

11

2. Der Antrag ist auch begründet.

12

Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor. Es besteht ein wichtiger Grund für den begehrten Erlass einer einstweiligen Anordnung, weil bereits die im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein mögliche, aber gebotene summarische Prüfung ergibt, dass die angefochtene Satzung der Antragsgegnerin über die Veränderungssperre für den in Aufstellung befindlichen Bebauungsplan Nr. 4 offensichtlich unwirksam ist und das Normenkontrollverfahren in der Hauptsache Erfolg haben wird (a). Die einstweilige Anordnung ist zudem dringend geboten (b).

13

a) Bei summarischer Prüfung spricht alles dafür, dass der Normenkontrollantrag der Antragstellerin Erfolg haben wird. Dabei kann dahin stehen, ob ihre Einwände durchgreifen, die Veränderungssperre diene einer reinen Negativplanung, die Planungsziele seien vorgeschoben, missachteten Vorgaben der Landesplanung und ließen nicht ein Mindestmaß dessen erkennen, was rechtmäßiger Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplanes sein solle, denn die angegriffene Veränderungssperre, die die Antragsgegnerin mit ihrer Einvernehmensversagung dem Vorhaben der Antragstellerin entgegensetzt, ist deshalb offensichtlich unwirksam, weil ihr Geltungsbereich nicht wirksam festgelegt ist.

14

Zwar kann der Geltungsbereich einer Veränderungssperre auch in der Weise geregelt werden, dass im Satzungstext auf eine zum Bestandteil der Satzung erklärte Karte Bezug genommen wird. Dem Bestimmtheitsgebot entspricht eine solche Regelung aber nur dann, wenn sich die Grenzen des Geltungsbereichs der Karte eindeutig entnehmen lassen (vgl. Schl.-H. OVG, Urteil vom 05.10.2016 - 1 KN 20/15 -, juris [Rn. 29 ff.] unter Hinweis auf BayVGH, Urteil vom 11.07.2000 - 26 N 99.3185 - juris [Rn. 16 f.]). Diesen Anforderungen genügt die der Satzung über die Veränderungssperre für den in Aufstellung befindlichen Bebauungsplan Nr. 4 beigefügte Karte nicht. Es ist bereits fraglich, ob der angeführte Maßstab der Liegenschaftskarte (1:10000) dem Maßstab der der Satzung beigefügten Karte entspricht. Jedenfalls aber liegt ein Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz insofern vor, als anhand der Karte nicht festgestellt zu werden vermag, welche Grundstücke von der Veränderungssperre erfasst werden. Eindeutig zu bestimmen ist deren Geltungsbereich nur insoweit, als die Grenze im östlichen Teil des Gebiets der Gemeindegrenze folgt und im Norden durch die Straße „N...“ begrenzt wird. Der übrige Bereich der in der Karte grau unterlegten Fläche ist ohne Rücksicht auf etwaige Grundstücksgrenzen oder andere nachvollziehbare Begrenzungen dargestellt. Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob dies ggf. genügt haben mag, um in der Bekanntmachung der Aufstellungsbeschlüsse für die 3. Änderung des Flächennutzungsplanes und für den Bebauungsplan Nr. 4, bei denen die selbe Karte Verwendung gefunden hat, den Umgriff des Plangebietes so zu umreißen, dass der interessierte Bürger erkennen konnte, welcher Teil des Gemeindegebiets von der eingeleiteten Bebauungsplanung erfasst sein soll. Um den Geltungsbereich einer Veränderungssperre mit der gebotenen Parzellenschärfe zu bestimmen, ist die gewählte Art der Darstellung indes ungeeignet. Selbst ein Rückgriff auf die den Satzungsregelungen vorangestellte Beschreibung des Gebietes des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans Nr. 4 vermittelt vorliegend keine zumindest eindeutige Bestimmbarkeit des räumlichen Geltungsbereichs der Veränderungssperre (vgl. Schl.-H. OVG, Urteil vom 26.05.2009 - 1 KN 22/08 -, juris [Rn. 32 f.]). Der Hinweis zur Belegenheit jenes Gebiets östlich des Gutes ...hof und südlich N..., „umgrenzt von der Kreisstraße 58 im Süden, der Liebesallee im Westen und N... im Norden“, ist seinerseits eine bloß pauschale Skizzierung der Örtlichkeit, ohne konkrete, parzellenscharfe Begrenzungsmarken jenes Gebietsumgriffes zu nennen.

15

b) Die vorläufige Außervollzugsetzung der Satzung der Antragsgegnerin über die Veränderungssperre für den in Aufstellung befindlichen Bebauungsplan Nr. 4 ist auch im Interesse der Antragstellerin geboten.

16

Dass der unter dem Aktenzeichen 1 KN 23/16 anhängige Normenkontrollantrag nach den vorstehenden Ausführungen (II. 2. a)) in der Hauptsache voraussichtlich Erfolg haben wird, ist bereits ein wesentliches Indiz für die Notwendigkeit, den Vollzug der angegriffenen Satzung bis zur Hauptsacheentscheidung zu suspendieren. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann in diesem Fall eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug der Satzung vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16.09.2015 - 4 VR 2/15 -, juris [Rn. 4]). Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass die in § 47 Abs. 6 VwGO geforderte Dringlichkeit voraussetzt, dass Umstände vorliegen, die ein Tätigwerden des Gerichts bereits im einstweiligen Rechtsschutzverfahren verlangen. Die vorläufige Suspendierung einer Satzung im Vorgriff auf die zu erwartende Hauptsacheentscheidung ist auch im Falle eines voraussichtlichen Erfolgs in der Hauptsache nur dann gerechtfertigt und im Sinne des § 47 Abs. 6 VwGO dringend geboten, wenn im Falle des Abwartens bis zu einer Entscheidung über den Normenkontrollantrag im Hauptsacheverfahren konkrete Beeinträchtigungen oder Nachteile drohen, die eine vorläufige Weitergeltung des angegriffenen Rechtssatzes nicht zumutbar erscheinen lassen.

17

Hieran gemessen steht die Notwendigkeit einer vorläufigen Außervollzugsetzung im Interesse der Antragstellerin außer Frage. Hierfür streitet nicht nur der Umstand, dass an dem Vollzug einer offensichtlich unwirksamen Veränderungssperre in der Regel kein schützenswertes öffentliches oder privates Interesse bestehen kann, das einem Interesse der Antragstellerin an der Suspendierung der Satzung erfolgreich entgegengehalten werden könnte; ihre Suspendierung ist vielmehr geeignet, den Rechtsschein einer wirksamen Geltung der mit ihr getroffenen Regelungen zu beseitigen. Der Antragstellerin drohen zudem im Falle des weiteren Vollzugs der Satzung empfindliche - konkrete - Nachteile. Ihrem Antrag auf Genehmigung der Windenergieanlage steht nach überschaubarem Sachstand derzeit allein das ausschließlich auf der Grundlage der streitgegenständlichen Veränderungssperre versagte Einvernehmen der Antragsgegnerin entgegen. Nach den Stellungnahmen der übrigen beteiligten Fachbehörden bestehen gegen die Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens demgegenüber nach Aktenlage keine Bedenken. Auch die Landesplanungsbehörde hat danach - abgesehen vom erforderlichen Einvernehmen der Antragsgegnerin - keine grundsätzlichen Hindernisse für eine Ausnahmezulassung nach dem § 18a Abs. 2 LaplaG geltend gemacht. Ohne die vorläufige Außervollzugsetzung der Veränderungssperre zur Sicherung des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans Nr. 4 muss die Antragstellerin daher befürchten, dass eine Ersetzung des bislang versagten gemeindlichen Einvernehmens und damit eine letztlich positive Bescheidung ihres Genehmigungsantrages nicht erfolgen und sie letzten Endes auf ein ggf. (weiteres) verwaltungsgerichtliches Verfahren verwiesen wird, das mit weiterem Zeitverlust und wirtschaftlichen Nachteilen verbunden ist. Sie wäre absehbar auf längere Zeit gehindert, den wirtschaftlichen Nutzen aus dem von ihr beabsichtigten Vorhaben zu ziehen. Dies ist ihr auf der Grundlage einer offensichtlich unwirksamen gemeindlichen Veränderungssperre nicht zuzumuten.

18

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

19

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG. Sie berücksichtigt nach den regelmäßigen Streitwertannahmen des Senats das wirtschaftliche Interesse der Normenkontrollklägerin, der es um die Erlangung bzw. den Erhalt von „Baurechten“ geht, entsprechend den Wertannahmen in Baugenehmigungsverfahren. Insoweit sind für die Errichtung bzw. Genehmigung der Windenergieanlage 10 % ihrer geschätzten Herstellungskosten (3 Mio. €) in Ansatz gebracht worden. Eine Halbierung dieses Wertes, wie in Nr. 9.8.4 des Streitwertkataloges für Veränderungssperren empfohlen, sehen die Streitwertannahmen des Senats nicht vor. Eine Halbierung des Wertes ist indessen mit Blick auf die Vorläufigkeit des vorliegenden Verfahrens erfolgt.

20

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


Tenor

Der Bebauungsplan Nr. 88 „BusinessPark ... A-Stadt“ wird bis zu einer Entscheidung des Senats im Normenkontrollverfahren 1 KN 20/16 vorläufig außer Vollzug gesetzt.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 7.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller begehrt die vorläufige Außervollzugsetzung des Bebauungsplanes Nr. 88 „BusinessPark ... A-Stadt“ der Antragsgegnerin, den er mit seinem parallel anhängig gemachten Normenkontrollantrag vom 14.11.2016 (1 KN 20/16) angreift.

2

Das Plangebiet des Bebauungsplanes Nr. 88 der Antragsgegnerin umfasst ein in deren Eigentum stehendes, ca. 180.000 m² großes Elbgrundstück im Südosten des Stadtgebietes, das von Anfang des 20. Jahrhunderts bis zur Stilllegung im Jahr 1997 und anschließendem Abriss Standort eines Mineralölwerkes war. Im Westen grenzt das Plangebiet an die Betriebsfläche eines dort befindlichen Kohleheizkraftwerkes, welches durch ein Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerk ersetzt werden soll; im Osten grenzt es unmittelbar an die Stadtgrenze Hamburgs, und dort an den Geltungsbereich des am 05.09.2014 im Hamburgischen Gesetz- und Verordnungsblatt (S. 411) verkündeten Bebauungsplanes „Rissen 11“ der Stadt Hamburg. Dieser setzt für den Bereich der südlich der Straße L... entlang der Elbe gelegenen Wohnbebauung ein reines Wohngebiet (WR) fest. Hier befindet sich - im westlichen Planbereich gelegen - auch das im Eigentum des Antragstellers stehende Wohngrundstück A-Straße, das vor Inkrafttreten des Bebauungsplanes „Rissen 11“ im Baustufenplan Rissen als ein besonders geschütztes Wohngebiet (W 1 o) ausgewiesen war.

3

Für die Errichtung eines Gewerbeparks auf der Eigentumsfläche der Antragsgegnerin, des sog. „BusinessPark ... A-Stadt“, beschloss der Rat der Antragsgegnerin am 15.10.2015 den Bebauungsplan Nr. 88 als Satzung. Die Bekanntmachung erfolgte am 12.02.2016 durch Abdruck im A-Stadt-Schulauer-Tageblatt und im Hamburger Abendblatt - Pinneberger Zeitung - sowie durch Bereitstellung im Internet. Der Plan setzt für den gesamten Elbufer- und Böschungsbereich eine öffentliche Grünfläche fest und weist im nördlichen Bereich Gewerbegebiete aus, die sich durch die als Ringerschließung festgesetzte Planstraße „Loop“ in drei Areale gliedern: Im Osten - entlang der Stadtgrenze Hamburgs - die Gewerbegebiete (GE) GE 5, GE 6 Nord und GE 6 Süd sowie - dem Grundstück … - GE 7; in der Mitte GE 1, GE 2 und GE 3 und im Westen GE 4. Dabei ist als Vorkehrung zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen für die Gewerbegebiete GE 1 bis GE 4 und GE 6 Nord und Süd sowie GE 7 jeweils ein Lärmemissionskontingent mit einem Wert von einheitlich 60 dB(A) tags und mit Werten von 40, 45, 47 bzw. 54 dB(A) für den Nachtzeitraum festgesetzt worden. Grundlage dieser Festsetzungen bildet eine während des Aufstellungsverfahrens von der Antragsgegnerin beauftragte Schalltechnische Untersuchung der ... GmbH (zuletzt) vom 27.01.2015, die unter Berücksichtigung jener Kontingente am Grundstück des Antragstellers zu einer als wohnverträglich eingestuften Gesamtbelastung von 55 dB(A) tags und 42 dB(A) nachts für die Bestandssituation mit dem Heizkraftwerksbetrieb (HKW) und zu einer solchen von tags 54 dB(A) und nachts 42 dB(A) für die Situation nach Ersetzen des HKW durch ein Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerk gelangt. Dabei setzt die Untersuchung für die lärmtechnische Beurteilung u.a. des Grundstücks des Antragstellers einen „Zwischenwert aufgrund Gemengelage nach TA Lärm“ von 57 dB(A) tags und 42 dB(A) nachts mit der Begründung an, die Wohnbebauung entlang des L...s sei schalltechnisch sowohl durch nördlich des Plangebietes gelegene Gewerbeflächen als auch durch das Kraftwerk derart vorbelastet, dass bereits aktuell der Richtwert der TA Lärm für allgemeine Wohngebiete nachts ausgeschöpft und die Werte für ein reines Wohngebiet deutlich überschritten würden.

4

Der Antragsteller, der sich bereits während der öffentlichen Beteiligungsschritte nach § 3 Abs. 1 BauGB, § 3 Abs. 2 BauGB und § 4a Abs. 3 BauGB gegen die Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 88 gewandt und insbesondere gefordert hatte, im Plangebiet eine Lärmemissionskontingentierung vorzunehmen, die nicht im Widerspruch zu der für sein Grundstück maßgeblichen WR-Gebietsfestsetzung im Bebauungsplan „Rissen 11“ steht, begehrt mit seinem Normenkontrollantrag vom 14.11.2016 (1 KN 20/16), den Bebauungsplan Nr. 88 „BusinessPark ... A-Stadt“ für unwirksam zu erklären. Parallel dazu hat er den vorliegenden Antrag auf vorläufige Außervollzugsetzung desselben gestellt.

5

Er ist der Ansicht, seine Antragsbefugnis folge aus dem ihm auch als Planaußenlieger zustehenden Recht auf eine gerechte Abwägung seiner Belange gemäß § 1 Abs. 7 BauGB. Auch das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis sei ihm nicht abzusprechen; es sei ihm nicht zuzumuten, den Erlass einer Vielzahl von Baugenehmigungen abzuwarten und gegen jene Genehmigungen ggf. jeweils mit einstweiligen Rechtsschutzanträgen vorzugehen. Die erstrebte einstweilige Anordnung sei auch aus wichtigen Gründen dringend geboten. Seinem Normenkontrollantrag seien offensichtliche Erfolgsaussichten beizumessen; durch den Vollzug des Bebauungsplans würden zu seinen Lasten vollendete Tatsachen geschaffen, die auch bei einem Obsiegen im Normenkontrollverfahren nicht mehr rückgängig zu machen seien. Der angefochtene Bebauungsplan verstoße gegen § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB, weil der streitgegenständlichen Planung auf Dauer die Vollzugsfähigkeit fehle. Bei der Plan-umsetzung ließen sich die Vorgaben der TA Lärm nicht einhalten. Die der Planung zugrunde liegende Annahme der Schalltechnischen Stellungnahme der ... GmbH vom 27.01.2015, bezogen auf die Wohnbebauung entlang des L...s gelte die für eine Gemengelage einschlägige Reglung Nr. 6.7 TA Lärm und ihm seien daher Lärmwerte in Höhe von 57 dB(A) tags und 42 dB(A) nachts zuzumuten, sei unzutreffend. Dies lasse sich mit dem Schutzanspruch, der zu seinen Gunsten durch die Festsetzung eines reinen Wohngebietes für sein Grundstück vermittelt und in lärmtechnischer Hinsicht derzeit auch eingehalten werde, nicht in Einklang bringen. Jene Gebietsausweisung sei von der Stadt Hamburg bewusst, auch in Ansehung möglicher Lärmkonflikte mit der von der Antragsgegnerin verfolgten angrenzenden Gewerbegebietsausweisung erfolgt. Diese Feststellung habe auch das Oberverwaltungsgericht Hamburg in seinem Urteil vom 08.06.2016 (2 E 11/15.N) getroffen, mit dem es den Normenkontrollantrag der Antragsgegnerin gegen den Bebauungsplan „Rissen 11“ abgelehnt habe. Insoweit sei der Antragsgegnerin das Rechtsschutzbedürfnis für eine gerichtliche Entscheidung über die Gültigkeit jenes Bebauungsplanes abgesprochen worden, weil es sich bei dem Gebiet am L... bauplanungsrechtlich bei jedweder Betrachtungsweise um ein reines Wohngebiet handele, und zwar unabhängig davon, ob hierfür auf den Bebauungsplan „Rissen 11“, den ggf. wieder auflebenden Baustufenplan Rissen oder die vorhandene Bebauung abgestellt werde.

6

Auch mit Blick auf das Rücksichtnahmegebot (§ 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO), in welchem die Gemengelagereglung ihre rechtliche Grundlage habe, sei es nicht zulässig, die WR-Gebietsfestsetzung bzw. die faktische WR-Situation zu ignorieren und eine Zwischenwertbildung bei den Lärmrichtwerten durchzuführen. Indem die Antragsgegnerin verkannt habe, dass keine Gemengelage im Sinne der Nr. 6.7 TA Lärm vorliege und ihm demzufolge Lärmwerte von lediglich 50 dB(A) tagsüber und 35 dB(A) nachts zuzumuten seien, verstoße der Bebauungsplan Nr. 88 auch gegen das in § 1 Abs. 7 BauGB niedergelegte Abwägungsgebot. Von Lärmoptimierungs- und Minderungserwägungen habe sich die Antragsgegnerin überhaupt nicht leiten lassen; das verstoße gegen das Optimierungsgebot und den Trennungsgrundsatz des § 50 BImSchG. Ebenso sei die Außerachtlassung der Orientierungswerte der DIN 18005 nicht sachgerecht. Eine Lärmerhöhung um 7 dB(A) sei keinesfalls gerechtfertigt; dies sei rücksichtlos, führe zu einer Verschlechterung der Immissionssituation und sei daher rechtswidrig. Der hinsichtlich der lärmtechnischen Beurteilung seines Grundstücks gegebene Ermittlungs- bzw. Bewertungsfehler sei offensichtlich und auch im Sinne des § 214 Abs. 1 Nr. 1 BauGB von Einfluss auf das Ergebnis gewesen. Darüber hinaus sei der Bebauungsplan Nr. 88 aus habitatschutzrechtlichen Gründen rechtswidrig. In unmittelbarer Nähe zum Plangebiet befänden sich mehrere Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung (Natura 2000). Insbesondere grenze das FFH-Gebiet DE 2323-392 „Schleswig-Holsteinisches Elbästuar und angrenzende Flächen“ an das Plangebiet an. Das FFH-Gebiet DE 2018-331 „Unterelbe“ (NDS) liege nur ca. 50 m davon entfernt und das EU-Vogelschutzgebiet DE 2323-401 „Unterelbe bis A-Stadt“ befinde sich in einer Entfernung von knapp 300 m zum Plangebiet. Der Planbegründung und dem Umweltbericht sei nicht zu entnehmen, dass eine erforderliche FFH-Vorprüfung mit Blick auf die Schutzziele der betroffenen Gebiete und eine FFH-Verträglichkeitsprüfung erfolgt wären. Der Planbegründung sei vielmehr die Einschätzung zu entnehmen, die Festsetzungen des Bebauungsplanes Nr. 88 ließen keine erkennbaren erheblichen nachteiligen Auswirkungen auf die Erhaltungsziele jener Schutzgebiete erwarten, was eine FFH-Verträglichkeitsprüfung entbehrlich mache. Jene Einschätzung entbehre jeglicher Überzeugungskraft, denn es sei davon auszugehen, dass jene Gebiete im Falle der Planumsetzung, d.h. sowohl während der Bauphase als auch in der Phase der Ausübung der gewerblichen Nutzung, sehr wohl beeinträchtigt würden.

7

Die Antragsgegnerin tritt dem entgegen. Der Antragsteller könne die Einhaltung der Immissionsrichtwerte für ein reines Wohngebiet gemäß TA Lärm nicht beanspruchen. Dies gelte unabhängig von Besonderheiten des Falles bereits aufgrund der Randlage seines Grundstücks, wo er mit einem Wert rechnen müsse, der über den Immissionsrichtwerten für ein reines Wohngebiet liege. Der auf einen Richtwert von 42 dB(A) nachts erhöhte Wert sei nach den Grundsätzen der einschlägigen Mittelwertbildung nicht zu beanstanden. Mit einem Lärmkontingent von 60 dB(A) tags und nur 40 dB(A) nachts im nächstgelegenen Teilgebiet GE 7 würden am Grundstück des Antragstellers die Richtwerte für allgemeine Wohngebiete tags eingehalten und führten allenfalls nachts zu einer Überschreitung um 2 dB(A). Eine Gemengelage bestehe auch in Bezug auf die ehedem industrielle Nutzung des Geländes fort, die insoweit nachwirke und die festgesetzten Lärmkontingente allemal rechtfertige. Eine Folgenutzung auf der zunächst aufwendig zu sanierenden Fläche sei stets beabsichtigt gewesen; auch nach der Verkehrsauffassung habe ohne Weiteres und zu jeder Zeit mit der Wiederaufnahme einer das Wohnen grundsätzlich störenden Nutzung an jenem Standort gerechnet werden müssen. Das vom Antragsteller in Bezug genommene Normenkontrollurteil des Oberverwaltungsgerichts Hamburg vom 08.06.2016 (2 E 11/15.N) gebe für seine Position ebenfalls nichts her. Das Gericht habe das Rechtsschutzbedürfnis nur deshalb verneint, weil auch mit der Festsetzung als reines Wohngebiet kein relevanter Immissionskonflikt verbunden sei, der die Stadt Hamburg von einer entsprechenden Planung abhalten müsste. Das Gericht habe sich ersichtlich von der Erwägung leiten lassen, dass mit der WR-Festsetzung in der vorgefundenen Situation eben ein bestimmter Lärmschutzanspruch nicht verbunden sei.

II.

8

Das einstweilige Rechtsschutzgesuch des Antragstellers hat Erfolg. Der Antrag ist zulässig (1.) und begründet (2.).

9

1. Der Antrag ist statthaft und auch sonst zulässig. Insbesondere ist der Antragsteller im Sinne von § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt.

10

Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann jede natürliche oder juristische Person einen Normenkontrollantrag stellen, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift, die Gegenstand des Antrags ist, oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Dabei genügt es, wenn der Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch die Festsetzungen des Bebauungsplans in einem Recht verletzt wird. An dieser Möglichkeit fehlt es erst, wenn Rechte des Antragstellers unter Zugrundelegung des Antragsvorbringens offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise verletzt sein können.

11

Macht ein Antragsteller - wie hier - eine Verletzung des Abwägungsgebots aus § 1 Abs. 7 BauGB geltend, muss er einen eigenen Belang benennen, der nach Lage der Dinge von der planenden Gemeinde bei der Abwägung zu beachten war. Nicht jeder Belang ist abwägungsbeachtlich, sondern nur solche, die in der konkreten Planungssituation einen städtebaulich relevanten Bezug haben. Die Abwägungsbeachtlichkeit beschränkt sich im Weiteren auf solche schutzwürdigen - planbedingten - Betroffenheiten, die mehr als geringfügig, in ihrem Eintritt zumindest wahrscheinlich und für die planende Stelle bei der Entscheidung über den Plan als abwägungsbeachtlich erkennbar sind. Existiert ein solcher Belang, besteht grundsätzlich auch die Möglichkeit, dass die Gemeinde ihn bei ihrer Abwägung nicht korrekt berücksichtigt hat (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 17.12.2012 - 4 BN 19.12 -, juris [Rn. 3], und vom 08.06.2011 - 4 BN 42.10 -, juris [Rn. 3] m.w.N.). Soweit es die nach § 1 Abs. 6 Nr. 1, Nr. 7 c) und e) BauGB potentiell abwägungsrelevanten Lärmschutzbelange betrifft, begründet danach allerdings nicht jede planbedingte Lärmzunahme die Antragsbefugnis. Dies bewirken nur Veränderungen, die die Geringfügigkeitsschwelle überschreiten, wobei auch eine planbedingte Lärmzunahme unterhalb der maßgeblichen Grenz- bzw. Richtwerte grundsätzlich zum Abwägungsmaterial gehören kann. Was davon ausgehend im Einzelfall zu gelten hat, lässt sich nur unter Einbeziehung des konkreten Sachverhalts wertend beurteilen und nicht anhand fester Maßstäbe (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10.02.2015 - 2 B 1323/14.NE -, juris [Rn. 10]). Dies gilt auch für die Abwägungserheblichkeit von gewerblichem Anlagenlärm, der im Plangebiet verursacht wird. Ihn kann die Gemeinde etwa unter Zuhilfenahme der DIN 18005-1 "Schallschutz im Städtebau" und/oder der TA Lärm bewerten. Abwägungsleitlinie für planbedingten Verkehrslärm können (daneben) die Grenzwerte des § 2 Abs. 1 der Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) sein.

12

Dies zugrunde gelegt, ist der Antragsteller antragsbefugt. Als „Plannachbar“ bzw. „Planaußenlieger“ kann er jedenfalls geltend machen, dass der streitgegenständliche Bebauungsplan ihn in eigenen abwägungserheblichen Belangen des Lärmschutzes (§ 1 Abs. 6 Nr. 1, Nr. 7 c) und e) BauGB) berührt. Der Bebauungsplan, der in insgesamt 8 Teilbereiche aufgegliedert Gewerbegebiete festsetzt, wird sein Grundstück voraussichtlich einer mehr als geringfügigen, d.h. abwägungsrelevanten Lärmzunahme aussetzen. Dies ergibt sich bereits aus der Nähe des Wohngrundstücks des Antragstellers zum unmittelbar angrenzenden, ca. 180.000 m² großen Plangebiet für einen BusinessPark. Die abwägungserhebliche planbedingte Lärmbetroffenheit des Antragstellers durch Gewerbelärm folgt überdies aus der Schalltechnischen Untersuchung der ... GmbH, die das im Bebauungsplan Rissen 11 als reines Wohngebiet ausgewiesene Grundstück des Antragstellers als Immissionsort (IO 10) berücksichtigt und dort zu erwartende Beurteilungspegel von 55 dB(A) bzw. 54 dB(A) tags und 42 dB(A) nachts errechnet hat. Jene Werte liegen über den Orientierungs- bzw. Richtwerten gemäß DIN 18005 und TA Lärm für reine Wohngebiete von tags 50 dB(A) und nachts 35 dB(A) und werden in der Schalltechnischen Untersuchung allein unter Zugrundelegung eines Zwischenwertes „aufgrund Gemengelage nach TA Lärm“ von 57 dB(A) tags und 42 dB(A) nachts als wohnverträglich erachtet. Die prospektive Lärmbetroffenheit des Antragstellers steht bei dieser Sachlage außer Frage; sie ist auch relevant.

13

Dem Antrag fehlt auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Das Rechtsschutzbedürfnis für einen Normenkontrollantrag fehlt (nur), wenn sich die Inanspruchnahme des Gerichts als nutzlos erweisen würde, weil der Antragsteller durch die von ihm angestrebte Unwirksamkeitserklärung des angefochtenen Bebauungsplans keine tatsächlichen Vorteile ziehen und auch seine Rechtsstellung (aktuell) nicht verbessern kann (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 04.06.2008 - 4 BN 13.08 -, juris [Rn. 5] m.w.N.). Dies kann der Fall sein, wenn der Antragsteller ausschließlich Festsetzungen bekämpft, auf deren Grundlage bereits Vorhaben bestandskräftig genehmigt und vollständig verwirklicht worden sind. Anders verhält es sich aber, wenn die Erreichung wesentlicher Planungsziele noch aussteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.04.1999 - 4 CN 5.99 - , juris [Rn. 15]), oder wenn es möglich erscheint, dass die Gemeinde nach einer Unwirksamkeitserklärung des Bebauungsplans zu einer Neuplanung schreitet und die Neuplanung für den Antragsteller günstiger als die für unwirksam erklärte ausfallen könnte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.09.1992 - 4 NB 22.92 -, juris [Rn. 10]. Dieser Ansatz gilt auch für das einstweilige Rechtsschutzverfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10.02.2015 - 2 B 1323/14.NE -, a.a.O. [Rn. 13]).

14

Hieran gemessen fehlt dem Eilantrag des Antragstellers das Rechtschutzbedürfnis nicht. Nach Angabe der Antragsgegnerin ist zwar unter dem 21.10.2016 eine Baugenehmigung für ein Regenrückhaltebecken erteilt und insoweit mit entsprechenden Bauarbeiten auch bereits begonnen worden. Des Weiteren existiert nach deren Angaben eine Teilbaugenehmigung vom 18.11.2016 betreffend den geänderten Standort einer Halle für die Grundwasseraufbereitung im Zuge der seit Jahren laufenden Sanierung des Geländes; auch insoweit ist bereits der Baubeginn erfolgt. Damit aber ist nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand erkennbar, dass der Bebauungsplan allenfalls in marginalen Bereichen, keineswegs aber hinsichtlich der vom Antragsteller zentral angegriffenen Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung und den damit verknüpften lärmtechnischen Vorgaben ausgenutzt worden ist. Der Antragsteller könnte aus einer Unwirksamkeitserklärung des Bebauungsplans Nr. 88 mithin noch den Vorteil ziehen, dass der Bebauungsplan nicht weiter realisiert werden würde, d.h. noch ausstehende bzw. zu erteilende Baugenehmigungen auf der Grundlage des angegriffenen Bebauungsplans (einstweilen) nicht erteilt werden und/oder bei einer etwaigen Neuplanung auf der Grundlage im Normenkontrollverfahren gewonnener rechtlicher Erkenntnisse für ihn sonst günstigere Festsetzungen getroffen würden.

15

2. Der Antrag ist auch begründet.

16

Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Normenkontrollgericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor. Es besteht ein wichtiger Grund für den begehrten Erlass einer einstweiligen Anordnung, weil bereits die im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein mögliche, aber gebotene summarische Prüfung erweist, dass der streitbefangene Bebauungsplan Nr. 88 „BusinessPark ... A-Stadt“ der Antragsgegnerin unwirksam ist und das Normenkontrollverfahren in der Hauptsache Erfolg haben wird (a). Eine einstweilige Anordnung ist zudem dringend geboten (b).

17

a) Bei summarischer Prüfung spricht alles dafür, dass der Normenkontrollantrag des Antragstellers Erfolg haben wird. Der Bebauungsplan Nr. 88 der Antragsgegnerin erweist sich jedenfalls deswegen als unwirksam, weil er auf einem beachtlichen Abwägungsfehler (§ 2 Abs. 3, § 1 Abs. 7, § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 2 BauGB) beruht.

18

§ 2 Abs. 3 BauGB und § 1 Abs. 7 BauGB verpflichten die Gemeinde, die von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange vollständig zu ermitteln, zu bewerten und sie gerecht gegeneinander und untereinander abzuwägen. Das in § 1 Abs. 7 BauGB normierte Abwägungsgebot setzt neben einer sachgerechten Entscheidung voraus, dass in die Abwägung all das an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss. Unbeachtlich sind Belange (nur), wenn sie für die Gemeinde bei der Entscheidung über den Plan nicht erkennbar waren oder wenn sie keinen städtebaulichen Bezug haben, geringwertig oder makelbehaftet oder solche sind, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 09.04.2008 - 4 CN 1.07 -, juris [Rn. 22]). Des Weiteren darf die Bedeutung der Belange nicht verkannt und der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen nicht in einer Weise vorgenommen werden, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens ist dem Abwägungserfordernis schon dann genügt, wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde im Widerstreit verschiedener Belange für die Bevorzugung des einen und damit notwendigerweise für die Zurückstellung des anderen Belangs entscheidet.

19

Gegen diese Abwägungsgrundsätze hat die Antragsgegnerin offensichtlich verstoßen. Sie hat zwar die planbetroffenen Lärmschutzbelange angrenzender Nutzungen, im Besonderen auch diejenigen der Wohnnutzung im Bereich des L...s auf Hamburger Stadtgebiet, gesehen und im Rahmen ihrer Abwägung berücksichtigt. Insofern hat sie als Vorkehrung zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen für die Gewerbegebiete GE 1 bis GE 4 und GE 6 Nord und Süd sowie GE 7 jeweils Lärmemissionskontingente festgesetzt, die nach der der Bauleitplanung zugrunde liegenden Schalltechnischen Untersuchung (Stand: 27.01.2015) dazu führen werden, dass am Wohnhaus des Antragstellers Beurteilungspegel von tags 55 dB(A) - Variante 1, Status Quo mit derzeitigem Heizkraftwerk - bzw. 54 dB(A) - Variante 2, Berücksichtigung eines künftigen Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerks - und 42 dB(A) nachts hervorgerufen werden. Mit diesen Werten liegen die Berechnungsergebnisse ersichtlich über dem, was die DIN 18005-1 „Schallschutz im Städtebau“ als anerkannte Orientierungshilfe bei der Bauleitplanung als (wünschenswert) einzuhaltende oder zu unterschreitende Orientierungswerte für reine Wohngebiete - 50 dB(A) tags und 35 dB(A) nachts - vorgibt (Ziffer 1.1 Satz 2 Buchst. a)). Sie liegen ebenso über den entsprechenden Immissionsrichtwerten für reine Wohngebiete der TA Lärm (Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. e)). Indem die Antragsgegnerin den an das Plangebiet unmittelbar angrenzenden (Wohn-)Grundstücken im Geltungsbereich des Bebauungsplanes „Rissen 11“ der Stadt Hamburg, und damit auch dem Grundstück des Antragstellers einen gegenüber dem Schutzanspruch eines reinen Wohngebietes so deutlich herabgesetzten Schutzstatus bemisst, hat sie den Belang des dort erforderlichen Lärmschutzes indessen nicht mit dem diesem gebührende Gewicht gegenüber den mit der Planung eines Business Parks verfolgten Belangen abwägend ausgeglichen.

20

Wie bereits bei der Antragsbefugnis angesprochen, kann die Zumutbarkeit von Geräuschimmissionen im Rahmen der Bauleitplanung anhand der Orientierungshilfe der Immissionsrichtwerte der DIN 18005-1 und/oder nach Maßgabe der TA Lärm beurteilt werden. Die technischen Vorgaben der DIN sind keine bindenden Grenzwerte, sondern liefern lediglich einen Anhalt; sie lassen damit Abweichungen zu. Eine Überschreitung der Orientierungswerte führt daher für sich genommen noch nicht zu einer Unausgewogenheit der Planung unter Lärmschutzaspekten. Auch ein Überschreiten um 5 dB(A) oder ggf. auch mehr kann durchaus noch das Ergebnis einer gerechten Abwägung sein. Allerdings müssen die für die Planung sprechenden Gesichtspunkte umso gewichtiger sein, je weiter die Orientierungswerte überschritten werden und umso mehr hat die planende Gemeinde die baulichen und technischen Möglichkeiten auszuschöpfen, die ihr zu Gebote stehen, um diese Auswirkungen zu verhindern (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.12.1990 - 4 N 6/88 -, juris [Rn. 29], Beschluss vom 19.08.2015 - 4 BN 24/15 -, juris [Rn. 4] und Beschluss vom 22.03.2007 - 4 CN 2.06 -, juris [Rn. 15]; OVG NRW, Urteil vom 16.09.2016 - 2 D 46/14.NE -, juris [Rn. 102 ff.] und Beschluss vom 30.01.2014 - 2 B 1354/13.NE -, juris [Rn. 45 ff.]). Gleiches muss - wie in der Schalltechnischen Untersuchung vom 27.01.2015 als Beurteilungsgrundlage gewählt - unter Zugrundelegung einer Zwischenwertbildung nach Maßgabe der Regelungen zur Gemengelage nach Nr. 6.7 der TA Lärm gelten. Jener Regelung liegt die Annahme zugrunde, dass das Zusammentreffen baulicher Nutzungen unterschiedlicher Qualität zwangsläufig zur Folge hat, dass sich das Zumutbarkeitsmaß für den einen Nutzer erhöht und für den anderen vermindert. Der Zwischenwert ist der Sache nach nicht das arithmetische Mittel zweier Richtwerte (benachbarter Baugebiete), vielmehr handelt es sich um einen "Richtwert" für die Bestimmung der Zumutbarkeit anhand der Umstände des Einzelfalls. Insofern berücksichtigt er (zunächst) eine vorgefundene Situation, die sich im Rahmen der Bauleitplanung indessen nicht auf eine notwendig „statische“ Betrachtung beschränken darf, sondern vielmehr den mit der Planung gewährten Gestaltungsspielraum für eine „dynamische“ Veränderung vorhandener Immissionssituationen ggf. zu nutzen hat. Dabei ist die Zwischenwertbildung allerdings ihrerseits nicht auf einen Zuschlag von maximal 5 dB(A) beschränkt (BVerwG, Beschluss vom 12.09.2007 - 7 B 24/07 -, juris [Rn. 5]). Die Regelung in Nr. 6.7 Abs. 1 Satz 2 TA Lärm enthält lediglich eine Kappungsgrenze in der Form, dass zum Wohnen dienende Grundstücke in einer Gemengelage mit keinem 60 dB(A) am Tage und 45 dB(A) nachts überschreitenden Immissionsrichtwert belastet werden dürfen.

21

Die Antragsgegnerin hat sich bei der Bestimmung des konkret zu berücksichtigenden Schutzstatus der Wohnbebauung am L... ersichtlich von der dort bereits vorhandenen schalltechnischen Vorbelastung leiten lassen, resultierend aus dem Schiffsbetrieb auf der Elbe, dem Kraftwerksbetrieb auf westlich an das Plangebiet angrenzenden Flächen und aus gewerblichen Nutzungen auf Gewerbeflächen nördlich des Plangebiets. Jene Vorbelastung bedingt nach der Schalltechnischen Untersuchung vom 27.01.2015 an den dem Plangebiet nächstgelegenen Immissionspunkten (IO 10 und IO 11), d.h. dem Grundstück des Antragstellers, zzt. Schallimmissionen von 49,5 dB(A) bzw. 50,0 dB(A) tags und 38,2 dB(A) bzw. 39,7 dB(A) in der Nacht, die sich auf einen Tageswert 44,2 dB(A) und einen Nachtwert von 35,6 dB(A) bzw. 35,5 dB(A) reduzierten, soweit das Heizkraftwerk durch ein Gas- und Dampfturbinen - Kraftwerk ersetzt wird. Die an jenen tatsächlichen Annahmen geübte Kritik des Antragstellers verfängt nicht. Insbesondere sein Einwand, gegenwärtig seien die Lärmrichtwerte eines reinen Wohngebietes weder tags ausgeschöpft noch gar in der Nacht überschritten, ist nicht substantiiert belegt. Der Antragsteller beruft sich auf mehrere Schreiben des Landesamtes für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) aus dem Jahr 2014, in denen ausgeführt wird, auf der Grundlage von Messungen im Grenzweg, d.h. im Bereich der Grenze zum Hamburger Stadtgebiet, sei errechnet worden sei, dass die durch das Heizkraftwerk auf dem Grundstück ...weg ... verursachten Betriebsgeräusche mit 31 dB(A) den nächtlichen Immissionswert für reine Wohngebiete deutlich unterschritten. Jenes Bezugsgrundstück liegt indessen deutlich mehr als 1.000 m Luftlinie vom Grundstück des Antragstellers entfernt, so dass den Angaben des LLUR kein Aussagegehalt für die südlich bzw. südwestlich davon, unmittelbar an der Elbe gelegenen Wohngrundstücke am L... entnommen zu werden vermag, die die lärmtechnischen Annahmen der Schalltechnischen Untersuchung in Frage stellten. Auch ist gegen die Berücksichtigung der genannten Umstände nichts einzuwenden. Jede Bauleitplanung hat sich an den Besonderheiten des jeweiligen Plangebiets und seiner Umgebung auszurichten. Insofern sind tatsächliche Vorbelastungen auch durch benachbarte Betriebe im Rahmen der Bauleitplanung grundsätzlich zu berücksichtigen und rechtlich zu bewerten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.12.1990 - 4 N 6/88 -, juris [Rn. 18 f.]).

22

Zudem hat die Antragsgegnerin für ihren mit 57 dB(A) tags und 42 dB(A) nachts für die Wohnbebauung am L... angesetzten Immissionswert, bezeichnet als „Zwischenwert aufgrund Gemengelage nach TA Lärm“, die Grenzlage jener (Wohn-)Bebauung zu der ehedem industriellen Nutzung des Plangebietes durch einen Mineralölbetrieb angeführt. Auch die Berücksichtigung dieses „vorbelastenden“ Umstandes ist im Grundsatz nicht ausgeschlossen. Allerdings gilt es insoweit zu bedenken, dass das auf der Plangebietsfläche befindliche Mineralölwerk bereits im Jahr 1997 stillgelegt worden. Anschließend erfolgten dann zwar ein Jahre dauernder Rückbau der Anlagen und auf der Grundlage eines am 30.11.2006 für verbindlich erklärten und am 02.10.2009 fortgeschriebenen Sanierungsplans eine aufwendige Sanierung der Fläche mit Blick auf eine intendierte (gewerbliche) Folgenutzung. Dem entsprechend hatte die Antragsgegnerin die Darstellung der Fläche im Flächennutzungsplan - bis zur Neuaufstellung desselben im Jahr 2010 als Industrie- und sodann als Gewerbefläche - auch aufrechterhalten bzw. neu geschaffen. Die Eigentümer der (Wohn-)Grundstücke südlich des L...s mit den Ende der 1960er in unmittelbarer Randlage zu diesem Gebiet mit geringerem Schutzanspruch errichteten Wohnhäusern konnten demzufolge nicht von vornherein damit rechnen, dass in ihrer Nachbarschaft keine emittierenden (Folge-)Nutzungen stattfinden werden oder höchstens ebenfalls nur eine Wohnnutzung entsteht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.12.1990 - 4 N 6/88 -, a.a.O. [Rn. 29]).

23

Die Zusammenschau beider Aspekte rechtfertigt gleichwohl die „Bildung“ eines Immissionsrichtwertes, der die für ein reines Wohngebiet geltenden Immissionsrichtwerte um jeweils 7 dB(A) erhöht und insoweit die Gebietskategorie gemäß Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. d) sogar überspringt, nicht mit der in der Schalltechnischen Untersuchung angenommenen Stringenz bzw. Apodiktik. Was den für den Tag angenommenen Immissionswert anbelangt, wird dieser allerdings durch den am Wohnhaus des Antragstellers, dem am stärksten betroffenen Immissionsaufpunkt am L... berechneten Immissionswert um 2 dB(A) bzw. 3 dB(A) unterschritten und erreicht damit maximal den Orientierungs-/Richtwert für ein allgemeines Wohngebiet. Dies mag angesichts einer gegenwärtig durch gewerbliche Nutzungen bedingten schalltechnischen Vorbelastung, die den Orientierungs- bzw. Immissionsrichtwert von 50 dB(A) erreicht, noch gerechtfertigt erscheinen. Für den deutlich sensibleren Nachtwert kann dies indes nicht angenommen werden. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass vorliegend keine „echte Gemengelage“ in Rede steht, sondern nach der Aufgabe der industriellen Nutzung und nach umfangreicher Sanierung des Plangebietes letztlich die Überplanung einer Industriebrache erfolgte, bei der angrenzende schutzwürdige Nutzungen zu berücksichtigen waren. Insoweit hatte die Planung keinen aktuell ausgeprägten Nutzungskonflikt zu bewältigen, sondern (nur) die situationsbedingte Vorbelastung in den Blick zu nehmen. Bei dieser Sachlage die gegenwärtige schalltechnische Vorbelastung nachts von 38,2 dB(A) bzw. 39,7 dB(A) um weitere gut 2 dB(A) bzw. nahezu 3 dB(A) heraufzusetzen, verkennt das dem Lärmschutz hier zukommende Gewicht. Auch wenn damit der Immissionswert noch unter demjenigen für Kern-, Dorf- und Mischgebiete geltenden Immissionsrichtwert von 45 dB(A) liegt (vgl. Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. c) TA Lärm), bewältigt die Antragsgegnerin damit die bestehende Konfliktsituation nicht. Indem sie zur Lösung der Lärmproblematik allein eine Lärmemissionskontingentierung in den Blick nimmt und andere Möglichkeiten zur Festsetzung lärmschutzbezogener Vorgaben wie etwa eine verbindliche Vorgabe von geschlossenen Gebäuderiegeln, ggf. verknüpft mit bedingten Baurechten nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BauGB, eine (weitere) Gliederung des Baugebiets (§ 1 Abs. 4 – 9 BauNVO) oder Schutzvorkehrungen (§ 9 Abs. Abs. 1 Nr. 24 BauGB) und dergl., die das gesetzte Planungsziel nicht in Frage stellen, ersichtlich nicht einmal erwogen hat, schreibt sie insoweit lärmbedingte Missstände eher für die Zukunft fest, als sie gerecht abwägend zu lösen.

24

Der dargestellte Abwägungsmangel ist auch beachtlich (§ 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bzw. Abs. 3 Satz 2, 2. HS. BauGB). Er ist offensichtlich, weil er sich positiv und klar erkennbar aus den Planunterlagen ergibt. Es besteht auch kein Zweifel, dass er auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen ist. Die Zuerkennung eines höheren Schutzstatus für die an das Plangebiet unmittelbar angrenzenden (Wohn-)Grundstücke im Geltungsbereich des Bebauungsplanes „Rissen 11“ der Stadt Hamburg hätte - jedenfalls - zu anderen (geringeren) Lärmemissionskontingenten und/oder zu alternativ möglichen lärmschutzbezogenen Festsetzungen geführt.

25

b) Die vorläufige Außervollzugsetzung des Bebauungsplans Nr. 88 „BusinessPark ... A-Stadt“ der Antragsgegnerin ist im Interesse des Antragstellers auch dringend geboten.

26

Dass der unter dem Aktenzeichen 1 KN 20/16 anhängige Normenkontrollantrag nach den vorstehenden Ausführungen (II. 2. a)) in der Hauptsache voraussichtlich Erfolg haben wird, ist bereits ein wesentliches Indiz für die Notwendigkeit, den Vollzug des Bebauungsplans bis zur Hauptsacheentscheidung zu suspendieren. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann in diesem Fall eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug des Bebauungsplans vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16.09.2015 - 4 VR 2/15 -, juris [Rn. 4]). Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass die in § 47 Abs. 6 VwGO geforderte Dringlichkeit voraussetzt, dass Umstände vorliegen, die ein Tätigwerden des Gerichts bereits im einstweiligen Rechtsschutzverfahren verlangen. Die vorläufige Suspendierung Bebauungsplans im Vorgriff auf die zu erwartende Hauptsacheentscheidung ist auch im Falle eines voraussichtlichen Erfolgs in der Hauptsache nur dann gerechtfertigt und im Sinne des § 47 Abs. 6 VwGO dringend geboten, wenn im Falle des Abwartens bis zu einer Entscheidung über den Normenkontrollantrag im Hauptsacheverfahren konkrete Beeinträchtigungen oder Nachteile drohen, die eine vorläufige Weitergeltung des angegriffenen Rechtssatzes nicht zumutbar erscheinen lassen.

27

Hieran gemessen steht die Notwendigkeit einer vorläufigen Außervollzugsetzung im Interesse des Antragstellers außer Frage. Hierfür streitet nicht nur der Umstand, dass an dem Vollzug eines offensichtlich unwirksamen Bebauungsplans in der Regel kein schützenswertes öffentliches oder privates Interesse bestehen kann, das einem Interesse des Antragstellers an der Suspendierung des Plans erfolgreich entgegengehalten werden könnte; seine Suspendierung ist vielmehr geeignet, den Rechtsschein einer wirksamen Geltung der darin getroffenen Regelungen zu beseitigen. Dem Antragsteller drohen zudem im Falle des (weiteren) Vollzugs der Satzung empfindliche - konkrete - Nachteile. Der Bebauungsplan böte die Grundlage für bauaufsichtliche Zulassungen nach Maßgabe der getroffenen Festsetzungen. Mit der Zulassung entsprechender Vorhaben würden vollendete, nach Lage der Dinge nicht mehr rückgängig zu machende Tatsachen geschaffen, die das Grundstück des Antragstellers jedenfalls für den Nachtzeitraum nicht (mehr) zumutbaren Geräuschimmissionen aussetzten.

28

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

29

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG. Ausgehend von einem Hauptsachestreitwert von 15.000,00 € ist im Hinblick auf die Vorläufigkeit des Verfahrens der im Tenor genannte (halbierte) Betrag festzusetzen.

30

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 S. 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


(1) Die Unterschutzstellung von Teilen von Natur und Landschaft erfolgt durch Erklärung. Die Erklärung bestimmt den Schutzgegenstand, den Schutzzweck, die zur Erreichung des Schutzzwecks notwendigen Gebote und Verbote, und, soweit erforderlich, die Pflege-, Entwicklungs- und Wiederherstellungsmaßnahmen oder enthält die erforderlichen Ermächtigungen hierzu. Schutzgebiete können in Zonen mit einem entsprechend dem jeweiligen Schutzzweck abgestuften Schutz gegliedert werden; hierbei kann auch die für den Schutz notwendige Umgebung einbezogen werden.

(2) Soweit in den Absätzen 2a und 2b nichts Näheres bestimmt ist, richten sich Form und Verfahren der Unterschutzstellung, die Beachtlichkeit von Form- und Verfahrensfehlern und die Möglichkeit ihrer Behebung sowie die Fortgeltung bestehender Erklärungen zum geschützten Teil von Natur und Landschaft nach Landesrecht. Die Unterschutzstellung kann auch länderübergreifend erfolgen.

(2a) Erklärungen zur Unterschutzstellung nach Absatz 1, die

1.
durch Gesetz, Rechtsverordnung oder Satzung erfolgt sind und
2.
mit Vorgaben der Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (ABl. L 197 vom 21.7.2001, S. 30) unvereinbar sind, weil eine danach erforderliche Strategische Umweltprüfung nicht durchgeführt wurde,
gelten fort, wenn sich die Unvereinbarkeit mit diesen Vorgaben aus einer Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union ergibt und soweit und solange nach der Entscheidung eine Fortgeltung zulässig ist. Die zur Beseitigung der Unvereinbarkeit mit den Vorgaben der Richtlinie 2001/42/EG erforderlichen Handlungen müssen im Rahmen eines ergänzenden Verfahrens unverzüglich nachgeholt werden. Die Erklärung zur Unterschutzstellung muss, sofern sich infolge der nachgeholten Handlungen eine Erforderlichkeit dafür ergibt, angepasst werden. Für die Nachholung der erforderlichen Handlungen nach Satz 2 und Anpassungen nach Satz 3 gelten die Bestimmungen dieses Gesetzes sowie des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder entsprechender landesrechtlicher Vorschriften entsprechend. Der Zeitraum, innerhalb dessen die erforderlichen Handlungen nach Satz 2 und Anpassungen nach Satz 3 nachgeholt werden müssen, richtet sich nach der Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union und hat nur den Zeitraum zu umfassen, der zwingend notwendig ist, um Maßnahmen zu treffen, die die Beseitigung der Unvereinbarkeit mit den Vorgaben der Richtlinie 2001/42/EG ermöglichen. Sind die erforderlichen Handlungen nach Satz 2 und Anpassungen nach Satz 3 innerhalb der Frist nach Satz 5 nachgeholt, ist die Unvereinbarkeit mit den Vorgaben der Richtlinie 2001/42/EG geheilt. Sind die erforderlichen Handlungen nach Satz 2 und Anpassungen nach Satz 3 bei Ablauf der Frist nach Satz 5 nicht nachgeholt worden, tritt die Erklärung zur Unterschutzstellung außer Kraft.

(2b) Absatz 2a findet auch Anwendung auf Erklärungen zur Unterschutzstellung nach der rahmenrechtlichen Vorschrift des § 22 Absatz 1 und 2 des Bundesnaturschutzgesetzes in der bis zum 28. Februar 2010 geltenden Fassung sowie nach ausfüllendem Landesrecht. Pläne zur Durchführung von Pflege-, Entwicklungs- und Wiederherstellungsmaßnahmen im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 bleiben gültig.

(3) Teile von Natur und Landschaft, deren Schutz beabsichtigt ist, können für einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren einstweilig sichergestellt werden, wenn zu befürchten ist, dass durch Veränderungen oder Störungen der beabsichtigte Schutzzweck gefährdet wird. Die einstweilige Sicherstellung kann unter den Voraussetzungen des Satzes 1 einmalig bis zu weiteren zwei Jahren verlängert werden. In dem einstweilig sichergestellten Teil von Natur und Landschaft sind Handlungen und Maßnahmen nach Maßgabe der Sicherstellungserklärung verboten, die geeignet sind, den Schutzgegenstand nachteilig zu verändern. Die einstweilige Sicherstellung ist ganz oder teilweise aufzuheben, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr oder nicht mehr in vollem Umfang gegeben sind. Absatz 2 gilt entsprechend.

(4) Geschützte Teile von Natur und Landschaft sind zu registrieren und zu kennzeichnen. Das Nähere richtet sich nach Landesrecht.

(5) Die Erklärung zum Nationalpark oder Nationalen Naturmonument einschließlich ihrer Änderung ergeht im Benehmen mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit und dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur.

(1) Ist ein Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans gefasst, kann die Gemeinde zur Sicherung der Planung für den künftigen Planbereich eine Veränderungssperre mit dem Inhalt beschließen, dass

1.
Vorhaben im Sinne des § 29 nicht durchgeführt oder bauliche Anlagen nicht beseitigt werden dürfen;
2.
erhebliche oder wesentlich wertsteigernde Veränderungen von Grundstücken und baulichen Anlagen, deren Veränderungen nicht genehmigungs-, zustimmungs- oder anzeigepflichtig sind, nicht vorgenommen werden dürfen.

(2) Wenn überwiegende öffentliche Belange nicht entgegenstehen, kann von der Veränderungssperre eine Ausnahme zugelassen werden. Die Entscheidung über Ausnahmen trifft die Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde.

(3) Vorhaben, die vor dem Inkrafttreten der Veränderungssperre baurechtlich genehmigt worden sind, Vorhaben, von denen die Gemeinde nach Maßgabe des Bauordnungsrechts Kenntnis erlangt hat und mit deren Ausführung vor dem Inkrafttreten der Veränderungssperre hätte begonnen werden dürfen, sowie Unterhaltungsarbeiten und die Fortführung einer bisher ausgeübten Nutzung werden von der Veränderungssperre nicht berührt.

(4) Soweit für Vorhaben im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet oder im städtebaulichen Entwicklungsbereich eine Genehmigungspflicht nach § 144 Absatz 1 besteht, sind die Vorschriften über die Veränderungssperre nicht anzuwenden.

(1) Landschaftsschutzgebiete sind rechtsverbindlich festgesetzte Gebiete, in denen ein besonderer Schutz von Natur und Landschaft erforderlich ist

1.
zur Erhaltung, Entwicklung oder Wiederherstellung der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder der Regenerationsfähigkeit und nachhaltigen Nutzungsfähigkeit der Naturgüter, einschließlich des Schutzes von Lebensstätten und Lebensräumen bestimmter wild lebender Tier- und Pflanzenarten,
2.
wegen der Vielfalt, Eigenart und Schönheit oder der besonderen kulturhistorischen Bedeutung der Landschaft oder
3.
wegen ihrer besonderen Bedeutung für die Erholung.

(2) In einem Landschaftsschutzgebiet sind unter besonderer Beachtung des § 5 Absatz 1 und nach Maßgabe näherer Bestimmungen alle Handlungen verboten, die den Charakter des Gebiets verändern oder dem besonderen Schutzzweck zuwiderlaufen.

(3) In einem Landschaftsschutzgebiet sind die Errichtung und der Betrieb von Windenergieanlagen sowie der zugehörigen Nebenanlagen nicht verboten, wenn sich der Standort der Windenergieanlagen in einem Windenergiegebiet nach § 2 Nummer 1 des Windenergieflächenbedarfsgesetzes vom 20. Juli 2022 (BGBl. I S. 1353) befindet. Satz 1 gilt auch, wenn die Erklärung zur Unterschutzstellung nach § 22 Absatz 1 entgegenstehende Bestimmungen enthält. Für die Durchführung eines im Übrigen zulässigen Vorhabens bedarf es insoweit keiner Ausnahme oder Befreiung. Bis gemäß § 5 des Windenergieflächenbedarfsgesetzes festgestellt wurde, dass das jeweilige Land den Flächenbeitragswert nach Anlage 1 Spalte 2 des Windenergieflächenbedarfsgesetzes oder der jeweilige regionale oder kommunale Planungsträger ein daraus abgeleitetes Teilflächenziel erreicht hat, gelten die Sätze 1 bis 3 auch außerhalb von für die Windenergienutzung ausgewiesenen Gebieten im gesamten Landschaftsschutzgebiet entsprechend. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht, wenn der Standort in einem Natura 2000-Gebiet oder einer Stätte, die nach Artikel 11 des Übereinkommens vom 16. November 1972 zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt (BGBl. 1977 II S. 213, 215) in die Liste des Erbes der Welt aufgenommen wurde, liegt.

(1) Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es

1.
einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt,
2.
einem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung dient,
3.
der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität, Gas, Telekommunikationsdienstleistungen, Wärme und Wasser, der Abwasserwirtschaft oder einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb dient,
4.
wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll, es sei denn, es handelt sich um die Errichtung, Änderung oder Erweiterung einer baulichen Anlage zur Tierhaltung, die dem Anwendungsbereich der Nummer 1 nicht unterfällt und die einer Pflicht zur Durchführung einer standortbezogenen oder allgemeinen Vorprüfung oder einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt, wobei bei kumulierenden Vorhaben für die Annahme eines engen Zusammenhangs diejenigen Tierhaltungsanlagen zu berücksichtigen sind, die auf demselben Betriebs- oder Baugelände liegen und mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden sind,
5.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie nach Maßgabe des § 249 oder der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wasserenergie dient,
6.
der energetischen Nutzung von Biomasse im Rahmen eines Betriebs nach Nummer 1 oder 2 oder eines Betriebs nach Nummer 4, der Tierhaltung betreibt, sowie dem Anschluss solcher Anlagen an das öffentliche Versorgungsnetz dient, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit dem Betrieb,
b)
die Biomasse stammt überwiegend aus dem Betrieb oder überwiegend aus diesem und aus nahe gelegenen Betrieben nach den Nummern 1, 2 oder 4, soweit letzterer Tierhaltung betreibt,
c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben und
d)
die Kapazität einer Anlage zur Erzeugung von Biogas überschreitet nicht 2,3 Millionen Normkubikmeter Biogas pro Jahr, die Feuerungswärmeleistung anderer Anlagen überschreitet nicht 2,0 Megawatt,
7.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken oder der Entsorgung radioaktiver Abfälle dient, mit Ausnahme der Neuerrichtung von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität,
8.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient
a)
in, an und auf Dach- und Außenwandflächen von zulässigerweise genutzten Gebäuden, wenn die Anlage dem Gebäude baulich untergeordnet ist, oder
b)
auf einer Fläche längs von
aa)
Autobahnen oder
bb)
Schienenwegen des übergeordneten Netzes im Sinne des § 2b des Allgemeinen Eisenbahngesetzes mit mindestens zwei Hauptgleisen
und in einer Entfernung zu diesen von bis zu 200 Metern, gemessen vom äußeren Rand der Fahrbahn, oder
9.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie durch besondere Solaranlagen im Sinne des § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 Buchstabe a, b oder c des Erneuerbare-Energien-Gesetzes dient, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit einem Betrieb nach Nummer 1 oder 2,
b)
die Grundfläche der besonderen Solaranlage überschreitet nicht 25 000 Quadratmeter und
c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben.

(2) Sonstige Vorhaben können im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist.

(3) Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt insbesondere vor, wenn das Vorhaben

1.
den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht,
2.
den Darstellungen eines Landschaftsplans oder sonstigen Plans, insbesondere des Wasser-, Abfall- oder Immissionsschutzrechts, widerspricht,
3.
schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann oder ihnen ausgesetzt wird,
4.
unwirtschaftliche Aufwendungen für Straßen oder andere Verkehrseinrichtungen, für Anlagen der Versorgung oder Entsorgung, für die Sicherheit oder Gesundheit oder für sonstige Aufgaben erfordert,
5.
Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet,
6.
Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur beeinträchtigt, die Wasserwirtschaft oder den Hochwasserschutz gefährdet,
7.
die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt oder
8.
die Funktionsfähigkeit von Funkstellen und Radaranlagen stört.
Raumbedeutsame Vorhaben dürfen den Zielen der Raumordnung nicht widersprechen; öffentliche Belange stehen raumbedeutsamen Vorhaben nach Absatz 1 nicht entgegen, soweit die Belange bei der Darstellung dieser Vorhaben als Ziele der Raumordnung abgewogen worden sind. Öffentliche Belange stehen einem Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 in der Regel auch dann entgegen, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist.

(4) Den nachfolgend bezeichneten sonstigen Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 kann nicht entgegengehalten werden, dass sie Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans widersprechen, die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lassen, soweit sie im Übrigen außenbereichsverträglich im Sinne des Absatzes 3 sind:

1.
die Änderung der bisherigen Nutzung eines Gebäudes, das unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 errichtet wurde, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben dient einer zweckmäßigen Verwendung erhaltenswerter Bausubstanz,
b)
die äußere Gestalt des Gebäudes bleibt im Wesentlichen gewahrt,
c)
die Aufgabe der bisherigen Nutzung liegt nicht länger als sieben Jahre zurück,
d)
das Gebäude ist vor mehr als sieben Jahren zulässigerweise errichtet worden,
e)
das Gebäude steht im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Hofstelle des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs,
f)
im Falle der Änderung zu Wohnzwecken entstehen neben den bisher nach Absatz 1 Nummer 1 zulässigen Wohnungen höchstens fünf Wohnungen je Hofstelle und
g)
es wird eine Verpflichtung übernommen, keine Neubebauung als Ersatz für die aufgegebene Nutzung vorzunehmen, es sei denn, die Neubebauung wird im Interesse der Entwicklung des Betriebs im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 erforderlich,
2.
die Neuerrichtung eines gleichartigen Wohngebäudes an gleicher Stelle unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das vorhandene Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden,
b)
das vorhandene Gebäude weist Missstände oder Mängel auf,
c)
das vorhandene Gebäude wurde oder wird seit längerer Zeit vom Eigentümer selbst genutzt und
d)
Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des bisherigen Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird; hat der Eigentümer das vorhandene Gebäude im Wege der Erbfolge von einem Voreigentümer erworben, der es seit längerer Zeit selbst genutzt hat, reicht es aus, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird,
3.
die alsbaldige Neuerrichtung eines zulässigerweise errichteten, durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstörten, gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle,
4.
die Änderung oder Nutzungsänderung von erhaltenswerten, das Bild der Kulturlandschaft prägenden Gebäuden, auch wenn sie aufgegeben sind, wenn das Vorhaben einer zweckmäßigen Verwendung der Gebäude und der Erhaltung des Gestaltwerts dient,
5.
die Erweiterung eines Wohngebäudes auf bis zu höchstens zwei Wohnungen unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden,
b)
die Erweiterung ist im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse angemessen und
c)
bei der Errichtung einer weiteren Wohnung rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass das Gebäude vom bisherigen Eigentümer oder seiner Familie selbst genutzt wird,
6.
die bauliche Erweiterung eines zulässigerweise errichteten gewerblichen Betriebs, wenn die Erweiterung im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen ist.
In begründeten Einzelfällen gilt die Rechtsfolge des Satzes 1 auch für die Neuerrichtung eines Gebäudes im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1, dem eine andere Nutzung zugewiesen werden soll, wenn das ursprüngliche Gebäude vom äußeren Erscheinungsbild auch zur Wahrung der Kulturlandschaft erhaltenswert ist, keine stärkere Belastung des Außenbereichs zu erwarten ist als in Fällen des Satzes 1 und die Neuerrichtung auch mit nachbarlichen Interessen vereinbar ist; Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis g gilt entsprechend. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 und 3 sowie des Satzes 2 sind geringfügige Erweiterungen des neuen Gebäudes gegenüber dem beseitigten oder zerstörten Gebäude sowie geringfügige Abweichungen vom bisherigen Standort des Gebäudes zulässig.

(5) Die nach den Absätzen 1 bis 4 zulässigen Vorhaben sind in einer flächensparenden, die Bodenversiegelung auf das notwendige Maß begrenzenden und den Außenbereich schonenden Weise auszuführen. Für Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6, 8 Buchstabe b und Nummer 9 ist als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung eine Verpflichtungserklärung abzugeben, das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückzubauen und Bodenversiegelungen zu beseitigen; bei einer nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 und 8 Buchstabe b zulässigen Nutzungsänderung ist die Rückbauverpflichtung zu übernehmen, bei einer nach Absatz 1 Nummer 1 oder Absatz 2 zulässigen Nutzungsänderung entfällt sie. Die Baugenehmigungsbehörde soll durch nach Landesrecht vorgesehene Baulast oder in anderer Weise die Einhaltung der Verpflichtung nach Satz 2 sowie nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe g sicherstellen. Im Übrigen soll sie in den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 sicherstellen, dass die bauliche oder sonstige Anlage nach Durchführung des Vorhabens nur in der vorgesehenen Art genutzt wird.

(6) Die Gemeinde kann für bebaute Bereiche im Außenbereich, die nicht überwiegend landwirtschaftlich geprägt sind und in denen eine Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden ist, durch Satzung bestimmen, dass Wohnzwecken dienenden Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 nicht entgegengehalten werden kann, dass sie einer Darstellung im Flächennutzungsplan über Flächen für die Landwirtschaft oder Wald widersprechen oder die Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lassen. Die Satzung kann auch auf Vorhaben erstreckt werden, die kleineren Handwerks- und Gewerbebetrieben dienen. In der Satzung können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Voraussetzung für die Aufstellung der Satzung ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar ist,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
Bei Aufstellung der Satzung sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. § 10 Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden. Von der Satzung bleibt die Anwendung des Absatzes 4 unberührt.

(1) Landschaftsschutzgebiete sind rechtsverbindlich festgesetzte Gebiete, in denen ein besonderer Schutz von Natur und Landschaft erforderlich ist

1.
zur Erhaltung, Entwicklung oder Wiederherstellung der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder der Regenerationsfähigkeit und nachhaltigen Nutzungsfähigkeit der Naturgüter, einschließlich des Schutzes von Lebensstätten und Lebensräumen bestimmter wild lebender Tier- und Pflanzenarten,
2.
wegen der Vielfalt, Eigenart und Schönheit oder der besonderen kulturhistorischen Bedeutung der Landschaft oder
3.
wegen ihrer besonderen Bedeutung für die Erholung.

(2) In einem Landschaftsschutzgebiet sind unter besonderer Beachtung des § 5 Absatz 1 und nach Maßgabe näherer Bestimmungen alle Handlungen verboten, die den Charakter des Gebiets verändern oder dem besonderen Schutzzweck zuwiderlaufen.

(3) In einem Landschaftsschutzgebiet sind die Errichtung und der Betrieb von Windenergieanlagen sowie der zugehörigen Nebenanlagen nicht verboten, wenn sich der Standort der Windenergieanlagen in einem Windenergiegebiet nach § 2 Nummer 1 des Windenergieflächenbedarfsgesetzes vom 20. Juli 2022 (BGBl. I S. 1353) befindet. Satz 1 gilt auch, wenn die Erklärung zur Unterschutzstellung nach § 22 Absatz 1 entgegenstehende Bestimmungen enthält. Für die Durchführung eines im Übrigen zulässigen Vorhabens bedarf es insoweit keiner Ausnahme oder Befreiung. Bis gemäß § 5 des Windenergieflächenbedarfsgesetzes festgestellt wurde, dass das jeweilige Land den Flächenbeitragswert nach Anlage 1 Spalte 2 des Windenergieflächenbedarfsgesetzes oder der jeweilige regionale oder kommunale Planungsträger ein daraus abgeleitetes Teilflächenziel erreicht hat, gelten die Sätze 1 bis 3 auch außerhalb von für die Windenergienutzung ausgewiesenen Gebieten im gesamten Landschaftsschutzgebiet entsprechend. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht, wenn der Standort in einem Natura 2000-Gebiet oder einer Stätte, die nach Artikel 11 des Übereinkommens vom 16. November 1972 zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt (BGBl. 1977 II S. 213, 215) in die Liste des Erbes der Welt aufgenommen wurde, liegt.

Tenor

I. § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 der Verordnung des Landkreises München über das Landschaftsschutzgebiet „Hachinger Tal im Gebiet der Gemeinden Oberhaching und Taufkirchen“ vom 11. April 2014 ist insoweit unwirksam, als eine Erlaubnispflicht für das Fahren und Abstellen von Kraftfahrzeugen auf im Gebietsumgriff liegenden Grundstücken mit baurechtlich zulässigen Nutzungen besteht.

II. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

III. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

IV. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Antragsgegner vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der Verordnung des Landkreises München über das Landschaftsschutzgebiet „Hachinger Tal im Gebiet der Gemeinden Oberhaching und Taufkirchen“ vom 11. April 2014 (nachfolgend: Landschaftsschutzgebietsverordnung).

Die Antragstellerin ist Eigentümerin der Grundstücke FlNr. …, …, …, …, …, …, …, …, …, …, …, …, …, …, …, …, …, …, …, …, …, …, …, …, …, …, …, … und …, jeweils Gemarkung Taufkirchen. Sie betreibt auf den Grundstücken einen landwirtschaftlichen Betrieb. Die Grundstücke sind im nördlichen Teilbereich des Landschaftsschutzgebiets gelegen, im Wesentlichen nördlich, zum Teil aber auch südlich der Bundesautobahn A 995 (nachfolgend: A 995).

Auf den Grundstücken FlNr. …, …, …, … und … befindet sich die landwirtschaftliche Hofstelle (nachfolgend: Hofstelle P …), bestehend aus dem Betriebsleiterwohnhaus, dem Altenteilerwohnhaus und landwirtschaftlichen Nutzgebäuden mit einer überbauten Gesamtfläche von insgesamt ca. 1600 m². Bei einem Teil der landwirtschaftlichen Nutzgebäude erfolgte eine baurechtlich genehmigte Nutzungsänderung von landwirtschaftlicher zu gewerblicher Nutzung. Ebenfalls auf den o.g. Grundstücken befindet sich der zur Hofstelle gehörende Hausgarten sowie auf den Grundstücken FlNr. … und … ein Damwildgehege. Die übrigen Flächen werden, soweit es sich nicht um Wirtschaftswege handelt, überwiegend zum intensiven landwirtschaftlichen Ackerbau genutzt; derzeit wird Winterweizen angebaut.

Die Grundstücke der Antragstellerin, unter anderem auch die Hofstelle P …, die durch den P … Weg erschlossen wird, liegen größtenteils im Umgriff des Bebauungsplans Nr. 43 „Gassenfeld“ der Gemeinde Taufkirchen vom 20. Januar 1986. Laut Begründung sollte mit dem Bebauungsplan sichergestellt werden, dass die Flächen im Geltungsbereich als Freiraum erhalten bleiben. Nach dem Regionalplan der Region München liegen die streitgegenständlichen Grundstücke in einer Fläche, die als Trenngrün Nr. 28 und 29 ausgewiesen ist. Als Ziel ist hierzu unter Nr. 4.2.3. formuliert: „Trenngrün soll das Entstehen großflächiger und bandartiger Siedlungsstrukturen vermeiden und die Freiflächen zwischen aufeinander zuwachsenden Siedlungseinheiten erhalten und sichern“.

Die öffentliche Auslegung des Entwurfs der Landschaftsschutzgebietsverordnung wurde im Amtsblatt des Landkreises München Nr. 30 vom 4. Dezember 2013 erneut bekanntgemacht, nachdem die im ersten Auslegungsverfahren vorgebrachten Bedenken und Anregungen zu erheblichen Änderungen des ursprünglichen Entwurfs geführt hatten. Die öffentliche Auslegung erfolgte in der Zeit vom 12. Dezember 2013 bis 13. Januar 2014. Am 31. März 2014 beschloss der Kreistag des Antragsgegners den Erlass der Landschaftsschutzgebietsverordnung. Die Landschaftsschutzgebietsverordnung wurde am 11. April 2014 ausgefertigt und im Amtsblatt des Antragsgegners Nr. 14 vom 2. Mai 2014 veröffentlicht. Sie trat nach ihrem § 9 am 3. Mai 2014 in Kraft.

Das Landschaftsschutzgebiet umfasst eine Fläche von ca. 193 ha und besteht aus vier Teilgebieten, die größtenteils geographisch nicht miteinander in Verbindung stehen: ein nördliches Teilgebiet südlich von Taufkirchen, ein westliches Teilgebiet (westlich des Ortsteils Furth der Gemeinde Oberhaching) und zwei östlich von Oberhaching gelegene Teilgebiete.

Zweck des Landschaftsschutzgebiets ist nach § 3 der Landschaftsschutzgebietsverordnung,

1. Die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes zu erhalten und wiederherzustellen, sowie die Vielfalt, Eigenart und Schönheit der Landschaft zu bewahren, insbesondere

a) einen landschaftsgeschichtlich bedeutsamen und naturnahen Landschaftsraum, den noch unbebauten Talraum des Hachinger Tals zwischen Oberhaching und Taufkirchen einschließlich des überregional bedeutsamen Feuchtwiesenkomplexes in Taufkirchen und der Hangkanten des Urstromtals der Isar im Naturraum Münchner Schotterebene zu schützen und zu entwickeln,

b) für die dortigen Vorkommen der in Bayern und im Naturraum gefährdeten und rückläufigen Pflanzen- und Tierarten den erforderlichen Lebensraum zu schützen und zu entwickeln,

2. die besondere Bedeutung für die Erholung und den Naturgenuss zu gewährleisten, insbesondere ein bevorzugtes Naherholungsgebiet zu sichern und den Erholungsverkehr zu ordnen und zu lenken.

Mit ihrem am 6. November 2014 beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof gestellten Normenkontrollantrag beantragt die Antragstellerin zuletzt,

die Verordnung des Landkreises München über das Landschaftsschutzgebiet „Hachinger Tal im Gebiet der Gemeinden Oberhaching und Taufkirchen“ für unwirksam zu erklären.

Zur Begründung des Normenkontrollantrags wird in verfahrensrechtlicher Hinsicht vorgetragen, aufgrund wesentlicher Änderungen des ursprünglichen Entwurfs sei eine nochmalige Auslegung der Landschaftsschutzgebietsverordnung erfolgt. Die Änderungen des ersten Entwurfs seien im Verwaltungswege vorgenommen worden, beschlussfassende Organe des Landkreises München seien damit nicht befasst worden.

In materieller Hinsicht könne die Landschaftsschutzgebietsverordnung insbesondere hinsichtlich der Grundstücke der Antragstellerin nicht auf die Ermächtigungsgrundlage des § 26 BNatSchG gestützt werden. Der Schutzbereich des § 26 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG sei nicht eröffnet, da auf den intensiv landwirtschaftlich genutzten Flächen weder Lebensstätten noch Lebensräume bestimmter Tier- und Pflanzenarten zu erwarten oder vorhanden seien. Lediglich in unmittelbarer Nähe des Hachinger Bachs befänden sich Lebensräume bestimmter Tierarten. Für deren Schutz reiche jedoch die Kartierung im Bereich des Hachinger Bachs als Biotop aus. Die Grundstücke der Antragstellerin erfüllten auch nicht die Funktion einer Pufferzone, da die Entfernungen zwischen diesen und den an sich naturschutzwürdigen Bereichen mit bis zu 1000 m zu groß seien. Zum Teil seien die Flächen aber auch durch Infrastrukturbauwerke voneinander so stark abgetrennt, dass es sich bei ihnen nicht um mit den schutzwürdigen Flächen zusammenhängende Schutzstreifen handeln könne.

Eine Schutzgebietsausweisung nach § 26 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG komme ebenfalls nicht in Betracht, da es sich bei den streitgegenständlichen Grundstücken nicht um eine schöne vielfältige Landschaft handele, sondern um intensiv landwirtschaftlich genutzte Grundstücke ohne besondere Topografie, die zudem durch massive menschliche Eingriffe, wie Bundesautobahn (A 995), Staats- und Kreisstraßen (St 2368, M 11) und den Bahndamm, der das Landschaftsschutzgebiet im Nordwesten abgrenze, geprägt seien. Hinzu komme, dass im westlichen Bereich nördlich der A 995 keine prägende Hangkante mehr existiere. Für die im östlichen Bereich noch vorhandene Hangkante - außerhalb der Grundstücke der Antragstellerin - sei ein Schutz der Eigenart der Landschaft nicht mehr möglich, da diese Hangkante durch die hinterliegende Bebauung überprägt sei. Entsprechendes gelte für die südlich der A 995 in einem kurzen Teil sichtbare Hangkante. Auch diese sei durch die daran anschließende Bebauung im Ortsteil Furth überprägt.

Auch eine Unterschutzstellung zu Erholungszwecken (§ 26 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG) komme nicht in Betracht, da es sich bei den Grundstücken nicht um eine besonders schöne Landschaft handele, die frei von störenden Zivilisationserscheinungen sei. Vielmehr sei das gesamte Gebiet optisch von Zivilisationserscheinungen wie Straßenbauten und Straßenbauwerken sowie Siedlungsbauten geprägt und zudem durch die o.g. Verkehrswege stark lärmbeeinflusst. Damit weise das Gebiet keinen herausgehobenen Wert für die natur- und landschaftsverträgliche Erholung auf. Hinzu komme, dass die intensiv landwirtschaftlich genutzten Flächen für Erholungssuchende überhaupt nicht erlebbar seien, weil sie nicht erreichbar bzw. begehbar seien. Zwar bestehe grundsätzlich ein Betretungsrecht nach Art. 27 ff. BayNatSchG. Dieses werde aber durch Art. 30 BayNatSchG für land- und forstwirtschaftliche Flächen während der Nutzzeit eingeschränkt. Aufgrund der ganzjährigen Bodenbedeckung beim Ackerbaubetrieb der Antragstellerin sei ein Betreten der landwirtschaftlichen Fläche grundsätzlich ausgeschlossen. Wegeverbindungen über die landwirtschaftlich genutzten Flächen hinweg, die zu Zwecken der Naherholung in diesem Gebiet begangen werden könnten, gebe es nicht. Bei dem - mit Ausnahme einer an der A 995 endenden Sackgasse - dort allein vorhandenen P … Weg handele es sich um eine öffentlich gewidmete, geteerte Verkehrsfläche, die insbesondere im Frühjahr und Sommer starken landwirtschaftlichen Verkehr aufweise und deshalb nicht zum Spazierengehen geeignet sei. Südlich der A 995 existiere nur ein Feld Weg unmittelbar an der Autobahn. Es erscheine ausgeschlossen, dass dieser von Spaziergängern genutzt werde. Auch unter dem Aspekt der Sicherung von Blickbeziehungen komme eine Unterschutzstellung zu Erholungszwecken nach § 26 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG nicht in Betracht. Das Instrument der Landschaftsschutzgebietsverordnung gebe nicht die Möglichkeit, „Sichtschneisen“ ohne Bezug zum Naturschutz von Bebauung freizuhalten. Zwar könne nach der Rechtsprechung dem Erholungszweck auch dadurch Rechnung getragen werden, dass dem Betrachter aus „angrenzenden Bereichen“ der Anblick einer naturnahen Zone ermöglicht werde. Es sei jedoch nicht möglich, über mehrere 100 m hinweg Blickbeziehungen festzusetzen, um einen im Umland vielfach vorhandenen Hügel sichtbar zu halten. Lediglich begrenzte Areale könnten in den Bereich des Landschaftsschutzgebiets miteinbezogen werden, so etwa die schutzwürdigen Flächen entlang des Hachinger Bachs, östlich des P … Wegs. Hier wäre es denkbar, einzelne kleinere Flächen unter Schutz zu stellen, um die Blickbeziehung zu diesem Bereich vom P … Weg aus sicherzustellen. Die Hangkante im Westen südlich der A 995 sei ebenso wie die östliche Hangkante durch die auf der Hangkante beginnende Wohnbebauung überprägt und für eine Blickbeziehung i.S.d. § 26 BNatSchG wertlos. Wie die Stellungnahme des Büros Dr. … S … vom 20. April 2015 ergebe, sei aus fachlicher Sicht keine Begründung für den Erlass der streitgegenständlichen Verordnung erkennbar.

Es fehle auch an der Erforderlichkeit i.S.d. § 26 Abs. 1 BNatSchG. Die meisten Flächen lägen im Umgriff des Bebauungsplans Nr. 43 der Gemeinde Taufkirchen und seien im Regionalplan für München als regionales Trenngrün Nr. 28 und 29 dargestellt. Bereits dies verhindere die Bebauung dieser Flächen. Die vorhandenen Landschaftsbestandteile seien zudem durch die gesetzlichen Regelungen des Bayerischen Naturschutzgesetzes ausreichend geschützt. So enthalte Art. 16 Abs. 1 BayNatSchG ein Veränderungs- und Beeinträchtigungsverbot für Hecken, lebende Zäune, Feldgehölze oder Gebüsche. Ein weitergehender Schutz ergebe sich aus dem Arten- und Biotopschutzprogramm nach Art. 19 BayNatSchG.

Insgesamt habe die Landschaftsschutzgebietsverordnung nicht rechtswirksam erlassen werden können. Gegenstand eines Landschaftsschutzgebiets sei regelmäßig ein flächenhafter Ausschnitt der Landschaft, während Einzelbestandteile oder Einzelobjekte als Schutzgegenstand nicht in Frage kämen. Die in § 26 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BNatSchG umschriebenen Schutzzwecke ließen sich nur dann erreichen, wenn sich die Ausweisung nicht auf kleinräumige Areale, sondern auf Landschaftsräume oder großflächige Landschaftselemente mit einheitlichem Gesamtcharakter beziehe. Zudem würden die Bereiche in weiten Teilen und auch aufgrund der geringen Flächenausdehnung überprägt von den in der Umgebung vorhandenen Infrastrukturbauwerken und der vielfach vorhandenen Bebauung, wie etwa dem Gewerbegebiet Potzham. Auch sei die Grenzziehung des Landschaftsschutzgebiets willkürlich. Es seien willkürlich Flächen herausgenommen worden, wie z.B. Teilbereiche der FlNr. …, auf denen die Hangkante verlaufe, oder die FlNr. …, jeweils der Gemarkung Oberhaching. Besonders willkürlich sei die Grenzziehung im Bereich südlich der A 995. Dort sei der größte noch unbebaute Teil der Hangkante nicht in den Umgriff der Landschaftsschutzgebietsverordnung mit aufgenommen worden. Die im Bereich von Furth gelegenen (bebauten) Grundstücke reichten bis etwa in die Mitte des Hangs hinein. Die Grenze des Landschaftsschutzgebiets verlaufe entlang der Flurstücksgrenzen und nicht im Bereich der oberen Hangkante. Die obere Hangkante sei in diesem Bereich also nicht vor Bebauung geschützt. Die Tatsache, dass die Hangkante und der Hang bis in etwa zur Hälfte nicht im Umgriff der Landschaftsschutzgebietsverordnung seien, zeige sich auch an der auf dem Grundstück FlNr. … der Gemarkung Oberhaching in Bau befindlichen massiven Mauer mitten im Hang. Zudem seien willkürlich Bereiche einbezogen worden, etwa die Hofstelle P … (anders als andere bebaute Bereiche) oder die gesamten Flächen der Grundstücke der Antragstellerin südlich der A 995.

Einzelne Erlaubnisvorbehalte seien weder im Hinblick auf den Schutzzweck erforderlich noch verhältnismäßig. Dies betreffe insbesondere § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Landschaftsschutzgebietsverordnung. Hiernach seien die Errichtung, Änderung bzw. Nutzungsänderung baulicher Anlagen aller Art, unter anderem auch land- und forstwirtschaftlicher Betriebsgebäude, Bienenhäuser, Einfriedungen aller Art, sowie die Veränderung der Bodengestalt in sonstiger Weise erlaubnispflichtig. Eine Landschaft, die von intensiver Landwirtschaft geprägt werde, werde nicht nachteilig verändert, wenn verfahrensfrei zu errichtende landwirtschaftliche Betriebsgebäude wie Feldstadel errichtet oder geändert würden. Genau diese Bauwerke seien als positiv landschaftsprägend anerkannt und eine Errichtung an exponierter Stelle wäre im Hinblick auf § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB ohnehin nicht möglich. Damit werde der Landwirtschaft auch die Möglichkeit genommen, nicht mehr genutzte Gebäude privilegiert nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB umzunutzen. Der Erlaubnisvorbehalt stelle einen unverhältnismäßigen Eingriff in das nach § 35 Abs. 1 und 4 BauGB bestehende Baurecht der Antragstellerin dar.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Die Landschaftsschutzgebietsverordnung sei formell und materiell rechtmäßig. Sie sei geeignet, die Vielfalt, Eigenart und Schönheit des Landschaftsbildes zu bewahren. Bei dem geschützten Gebiet handele es sich um einen landschaftsgeschichtlich bedeutsamen und naturnahen Landschaftsraum, den noch unbebauten Talraum des Hachinger Bachs einschließlich des überregional bedeutsamen Feuchtwiesenkomplexes in Taufkirchen und der Hangkanten des Urstromtals der Isar im Naturraum der Münchner Schotterebene. Die Ausweisung als Landschaftsschutzgebiet sei auch geeignet, im noch weitgehend naturnahen Talraum des Hachinger Bachs die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts, insbesondere wertvolle Lebensräume für gefährdete Tiere und Pflanzen einschließlich besonders schutzwürdiger Arten, zu erhalten. Zudem habe das Schutzgebiet im Umland der Landeshauptstadt München besondere Bedeutung für die Naherholung. Hinsichtlich der Schutzwürdigkeit des Gebiets werde auf das im Rahmen des Verfahrens erstellte Schutzgutachten vom 17. Januar 2014 verwiesen. Die Schutzbedürftigkeit von Natur und Landschaft liege schon aufgrund des besonderen Siedlungsdrucks im näheren Umland der Stadt München vor.

Die vorhandenen Straßen- und Siedlungsbauwerke führten nicht dazu, dass der im Schutzgebiet vorhandene großflächige Rest unverbauter Landschaft seine Schutzwürdigkeit verloren hätte. In Anbetracht der Ausmaße und der optischen Weite des geschützten Gebiets prägten die Bauten das Gebiet nicht, zumal die Straßen und die angrenzenden Wohngebiete durch Begrünung landschaftsgerecht eingebunden seien. Die Wahrnehmbarkeit der im Schutzzweck angegebenen Hangkanten des Urstromtals werde dadurch allenfalls unwesentlich beeinträchtigt. Auch eine teilweise Beeinflussung des Gebiets durch Straßenlärm stehe der faktischen Erholungsnutzung durch Spaziergänger und Radfahrer nicht entgegen. Für die Erholungsfunktion komme es nicht auf das Betreten eines Grundstücks an. Es sei ausreichend, dass die darauf befindlichen, wertgebenden Landschaftselemente aus der Umgebung betrachtet werden könnten.

Durch die Einbeziehung der landwirtschaftlichen Flächen der Antragstellerin könne die Erhaltung von Blickbeziehungen gewährleistet werden. Der Verordnungsgeber beabsichtige die Sicherung der Erlebbarkeit der gesamten Urstromtalsituation einschließlich der sich an einigen Stellen ergebenden Fernblicke und nicht, wie von der Antragstellerin vorgetragen, die Freihaltung von Sichtschneisen auf einzelne hervorgehobene Elemente der Landschaft oder naturschutzfachlich hochwertige Bereiche. Ein Landschaftsschutzgebiet müsse nicht ausschließlich aus ökologisch wertvollen Flächen bestehen. Da in Ballungsräumen auch landwirtschaftlich genutzten Flächen die Funktion von Erholungsflächen zukomme, seien auch solche Bereiche schützenswert. Die westliche Hangkante nördlich der A 995 sei zwar flach, aber dennoch vorhanden und ebenso ein geologisches Zeugnis der Landschaftsformung durch die Eiszeit wie die höheren Hangkanten. Da sie nicht so markant sei, sei sie noch gefährdeter durch Beeinträchtigungen. Die Einbeziehung der Grundstücke der Antragstellerin sei erforderlich und vernünftigerweise geboten. Die bloße Verfahrenspflicht für die Vornahme bestimmter Handlungen nach Maßgabe der Schutzgebietsverordnung sei keine unverhältnismäßige Eigentumsbeschränkung, sondern vom Eigentümer hinzunehmen. Mit dem präventiven Erlaubnisvorbehalt gehe kein absolutes Verbot einher; daher sei damit auch kein unverhältnismäßiger Eingriff in das bestehende Baurecht verbunden.

Am 24. November 2016 hat der Senat Beweis erhoben durch Einnahme eines Augenscheins. Wegen des Ergebnisses wird auf die Niederschrift vom 24. November 2016 sowie die angefertigten Fotos Bezug genommen.

Ergänzend wird auf die Akten des Aufstellungsverfahrens und den Inhalt der Gerichtsakte mit Ausnahme des Schriftsatzes des Antragsgegners vom 1. Dezember 2016 Bezug genommen; dieser ging nach Schluss der mündlichen Verhandlung ein, ohne dass eine Schriftsatzfrist gewährt worden wäre, und ist daher nicht berücksichtigungsfähig.

Gründe

Der zulässige Normenkontrollantrag ist insoweit begründet, als § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 der Verordnung des Landkreises München über das Landschaftsschutzgebiet „Hachinger Tal im Gebiet der Gemeinden Oberhaching und Taufkirchen“ (nachfolgend: Landschaftsschutzgebietsverordnung) vom 11. April 2014 eine Erlaubnispflicht für das Fahren und Abstellen von Kraftfahrzeugen auf im Gebietsumgriff liegenden Grundstücken mit baurechtlich zulässigen Nutzungen vorsieht. Im Übrigen ist der Antrag unbegründet.

A.

Der Normenkontrollantrag ist statthaft und auch im Übrigen zulässig.

I. Die von der Antragstellerin beanstandete Landschaftsschutzgebietsverordnung ist eine Rechtsvorschrift im Rang unter dem Landesgesetz, über deren Gültigkeit der Bayerische Verwaltungsgerichtshof gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, Art. 5 Satz 1 AGVwGO auf Antrag entscheidet.

II. Die Antragstellerin ist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt. Hiernach kann den Antrag unter anderem jede natürliche Person stellen, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Die Antragsbefugnis der Antragstellerin ergibt sich aus einer möglichen Verletzung ihres Eigentumsrechts aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG hinsichtlich ihrer im Geltungsbereich der Landschaftsschutzgebietsverordnung gelegenen Grundstücke, insbesondere wegen der Erlaubnisvorbehalte in § 5 der Landschaftsschutzgebietsverordnung (vgl. BayVGH, U.v. 24.6.2016 - 14 N 14.1649 - juris Rn. 16; U.v. 17.6.2010 - 14 N 09.229 - VGH n.F. 63, 189).

III. Die Frist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO von einem Jahr nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift ist gewahrt; die Landschaftsschutzgebietsverordnung ist am 2. Mai 2014 im Amtsblatt des Antragsgegners veröffentlicht worden, der Normenkontrollantrag der Antragstellerin ist am 6. November 2014 beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingegangen.

B.

Der Normenkontrollantrag ist insoweit begründet, als § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 der Landschaftsschutzgebietsverordnung eine Erlaubnispflicht für das Fahren und Abstellen von Kraftfahrzeugen auf im Gebietsumgriff liegenden Grundstücken mit baurechtlich zulässigen Nutzungen vorsieht. Im Übrigen ist der Normenkontrollantrag unbegründet, weil die Landschaftsschutzgebietsverordnung mit höherrangigem Recht in Einklang steht, auch soweit sie sich auf die im Eigentum der Antragstellerin stehenden Grundstücke erstreckt.

I. Fehler hinsichtlich der gesetzlichen Bestimmungen über die Zuständigkeit (Art. 51 BayNatSchG) und das Verfahren (Art. 12 Abs. 1 Satz 1, Art. 52 BayNatSchG, Art. 51 LStVG) sind nicht ersichtlich.

Ein Verfahrensfehler liegt insbesondere nicht darin begründet, dass die Änderungen des ersten Entwurfs von der Verwaltung erarbeitet worden sind. Der Kreistag des Antragsgegners als das für den Erlass von Rechtsverordnungen über Landschaftsschutzgebiete nach § 26 BNatSchG zuständige Organ des Antragsgegners (Art. 51 Abs. 1 Nr. 3 BayNatSchG, Art. 22, 23 Abs. 1, Art. 30 Abs. 1 Nr. 9 LKrO) hat den geänderten Entwurf beschlossen und damit die von der Verwaltung vorgeschlagenen Änderungen gebilligt.

II. Die angegriffene Landschaftsschutzgebietsverordnung ist - mit Ausnahme der Re-gelung in § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 (hierzu unten 2 b aa) - materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Für die Ausweisung des Gebiets als Landschaftsschutzgebiet und insbesondere die Einbeziehung der Grundstücke der Antragstellerin in den Umgriff der Landschaftsschutzgebietsverordnung besteht in § 26 Abs. 1 BNatSchG eine ausreichende Rechtsgrundlage. Die Landschaftsschutzgebietsverordnung hält sich mit ihren Gebietsabgrenzungen und - mit der o.g. Ausnahme - ihren Bestimmungen im Einzelnen innerhalb der Grenzen einer rechtmäßigen Abwägung.

Rechtsgrundlage für die Unterschutzstellung ist § 26 des Bundesnaturschutzgesetzes vom 29. Juli 2009 (BGBl I S. 2542). Als Landschaftsschutzgebiete können danach Gebiete festgesetzt werden, in denen ein besonderer Schutz von Natur und Landschaft erforderlich ist (1.) zur Erhaltung, Entwicklung oder Wiederherstellung der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder der Regenerationsfähigkeit und nachhaltigen Nutzungsfähigkeit der Naturgüter, einschließlich des Schutzes von Lebensstätten und Lebensräumen bestimmter wild lebender Tier- und Pflanzenarten, (2.) wegen der Vielfalt, Eigenart und Schönheit oder der besonderen kulturhistorischen Bedeutung der Landschaft oder (3.) wegen ihrer besonderen Bedeutung für die Erholung. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die in § 3 der Landschaftsschutzgebietsverordnung genannten Schutzzwecke entsprechen der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage und rechtfertigen die Unterschutzstellung des von der Landschaftsschutzgebietsverordnung erfassten Gebiets, mag den einzelnen Schutzzielen in jeweils bestimmten Teilbereichen des nicht ganz einheitlichen Schutzgebiets auch unterschiedliches Gewicht zukommen. Die im Geltungsbereich gelegenen Grundstücke sind jedenfalls in der Gesamtbetrachtung schutzwürdig und schutzbedürftig. Im Übrigen steht dem Verordnungsgeber bei der Grenzziehung von Landschaftsschutzgebieten, soweit die normativen Voraussetzungen des § 26 BNatSchG vorliegen, ein weites Gestaltungsermessen zu (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, U.v. 5.2.2009 - 7 CN 1.08 - NuR 2009, 346 Rn. 33; BayVGH, U.v. 24.6.2016 - 14 N 14.1649 - juris Rn. 32). Bei der räumlichen Abgrenzung von Landschaftsschutzgebieten kommt es auf den Gesamtcharakter des schützenswerten Landschaftsraums und nicht auf eine isolierte Betrachtung einzelner Grundstücke an (NdsOVG, U.v. 16.12.2009 - 4 KN 717/07 - NuR 2010, 579). Dabei können auch Landschaften oder Landschaftsteile unterschiedlicher Prägung in einer Verordnung gemeinsam unter Schutz gestellt werden (BayVGH, U.v. 15.12.1987 - 9 N 87.00667 - NuR 1988, 248). Die Unterschutzstellung eines bestimmten Gebiets ist nicht erst bei natur- oder denkgesetzlicher Unabweislichkeit, sondern bereits dann erforderlich, wenn sie als vernünftig geboten erscheint (stRspr, vgl. z.B. BayVGH, U.v. 24.6.2016 - 14 N 14.1649 - juris Rn. 32). Es genügt eine abstrakte Gefährdung der gesetzlichen Schutzgüter, die bereits dann vorliegt, wenn ein Schadenseintritt ohne die vorgesehene Maßnahme nicht nur als entfernte Möglichkeit in Betracht zu ziehen ist. Dies ist hinsichtlich der in die Landschaftsschutzgebietsverordnung einbezogenen Flächen zu bejahen.

1. Die Ausweisung des Landschaftsschutzgebiets findet insgesamt ihre Rechtfertigung in den Schutzzwecken nach § 26 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 3 BNatSchG.

a) Schutzgegenstand der angegriffenen Verordnung ist der im südlichen Landkreis München gelegene Talraum des Hachinger Tals mit den Hangkanten des Urstromtals der Isar (vgl. § 1 der Landschaftsschutzgebietsverordnung). Es handelt sich hierbei um die nördliche Fortsetzung des Gleißentals, das vor etwa 10.000 Jahren gegen Ende der Würmkaltzeit infolge des Abflusses des Schmelzwassers des Isargletschers entstanden ist. Dieses hatte sich zunächst im sogenannten Wolfratshauser See gestaut und sich anschließend auf der Höhe von Schäftlarn ins Vorland ergossen. Eine der Abflussrinnen ist das Hachinger Tal. Das Tal mit seinen markanten Hangkanten hat als „Zeuge des Eiszeitalters“ erdgeschichtliche Bedeutung (vgl. Schutzgutachten vom 17.1.2014, Bl. 1896 V ff. der Aufstellungsakten, nachfolgend: d. A.).

Unschädlich ist dabei, dass es sich nicht um ein zusammenhängendes Landschaftsschutzgebiet handelt, sondern um vier (bzw. bei Berücksichtigung der Durchschneidung durch die A 995 und die St 2368 um sechs) voneinander getrennte Teilgebiete unterschiedlicher Größe. Abgesehen davon, dass weder das Bundesnaturschutzgesetz noch das Bayerische Naturschutzgesetz eine bestimmte Größe eines Landschaftsschutzgebiets vorschreiben, sind die einzelnen Gebiete durch den in der Landschaftsschutzgebietsverordnung festgelegten Schutzgegenstand und die Schutzzwecke verbunden (vgl. zu einem ebenfalls aus mehreren Teilen bestehenden Naturschutzgebiet NdsOVG, U.v. 29.11.2016 - 4 KN 93/14 - juris).

Der einheitliche Charakter der Teilgebiete besteht naturräumlich darin, dass sie im Talraum des Hachinger Bachs mit den westlich und östlich anschließenden Hangkanten gelegen sind. Dieser Landschaftsraum ist durch die im Talbereich und teils an bzw. auf den Hangkanten vorhandene Bebauung schon stark beeinträchtigt. Die Landschaftsschutzgebietsverordnung bezweckt, den noch unbebauten Rest dieses Landschaftsraums zu schützen, also eine weitere Beeinträchtigung des schützenswerten Landschaftsbildes insbesondere durch Bebauung zu verhindern. Die Freihaltung des Talraums von Bebauung dient somit der Sicherung von Freiflächen in einem schon stark beeinträchtigten und einem hohen Siedlungsdruck nahe der Großstadt München ausgesetzten Landschaftsraum; (unzulässige) städtebauliche Ziele werden somit nicht verfolgt (vgl. hierzu VerfGH NW, E.v. 30.10.1987 - VerfGH 19/86 - NuR 1988, 136/137).

b) Die Unterschutzstellung des nördlichen Teilgebiets der Landschaftsschutzgebietsverordnung findet ihre Rechtfertigung in den in § 26 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 3 BNatSchG genannten Schutzzwecken.

aa) Zum Teil ergibt sich die Schutzwürdigkeit aus dem in § 3 Nr. 1 Alt. 1 und Buchst. b der Landschaftsschutzgebietsverordnung (vgl. § 26 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG) genannten Schutzzweck, die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts zu erhalten und wiederherzustellen und den Lebensraum für gefährdete und rückläufige Pflanzen- und Tierarten zu schützen. Schutzwürdig sind hiernach die im nördlichen Teil gelegenen Feuchtwiesengebiete und die Flächen entlang des Hachinger Bachs (vgl. hierzu die Bilder Bl. 1098, 1102, 1550 f. d. A.). Laut Schutzgutachten des Antragsgegners vom 17. Januar 2014, das insoweit von der Antragstellerin nicht in Frage gestellt wird, stellt das Hachinger Bachtal als nördliche Fortsetzung des Gleißentals zusammen mit diesem neben dem Isartal den zweiten größeren linearen Biotopstrang im Naturraum dar. Der Hachinger Bach verläuft ab Deisenhofen innerhalb eines zusammengewachsenen Siedlungsbands, in welchem die Bachaue ihren Auecharakter weitgehend verloren hat. Im Zuge der Ausbreitung der Wohnsiedlungen sowie der Gewerbenutzung gehen nach und nach die letzten Freiflächen entlang des Hachinger Bachs verloren. Umso wichtiger ist der Erhalt der noch vorhandenen Freiflächen, unter denen dem Feuchtwiesenkomplex bei Taufkirchen eine besondere Wertigkeit zukommt. Dieser weist bei über 19 ha erfasster Biotopfläche Feucht- und Nasswiesen unterschiedlicher Nässestufen und Nährstoffversorgung sowie Seggenbestände und Hochstaudenfluren feuchter und nasser Standorte mit einem bemerkenswerten Reichtum an Pflanzen und Tierarten auf. Die Artenschutzkartierung verzeichnet zahlreiche Insektenarten, mehrere bedrohte bzw. naturschutzfachlich hochwertige Pflanzenarten sowie seltene und bedrohte Vogelarten. Hervorzuheben ist auch der überregional bedeutsame Bestand des stark gefährdeten Randring-Perlmuttfalters in verbrachten Nasswiesenbeständen. Das Gebiet ist wegen seiner herausragenden Bedeutung in die Biotopkartierung aufgenommen (Nr. 7935-0030) und zur Ausweisung als Naturschutzgebiet vorgeschlagen. Nördlich und südlich der A 995 (am südöstlichen Rand des Teilgebiets) sind entlang des begradigten Hachinger Bachs noch einige Bereiche mit Auwaldvegetation vorhanden, die ebenfalls in der Biotopkartierung erfasst sind (Nr. 7935-0031). Am nordöstlichen Rand des Teilgebiets befinden sich zudem der Entenbach (vgl. Bild Bl. 1556 d. A.), ein naturnaher Bach mit Quelle und gewässerbegleitendem Gehölzsaum, der die Kriterien der Biotopkartierung erfüllt, sowie extensive Wiesenflächen und nasse Wiesen mit Seggen.

bb) Zum Teil ist die Unterschutzstellung des nördlichen Teilgebiets auch durch den Schutzzweck des § 3 Nr. 1 Alt. 2 der Landschaftsschutzgebietsverordnung (vgl. § 26 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG) gerechtfertigt, wonach die Vielfalt, Eigenart und Schönheit der Landschaft bewahrt werden sollen. § 26 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG ermöglicht es, eine Landschaft, die eines der Merkmale Vielfalt, Eigenart oder Schönheit (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG) aufweist, unter Schutz zu stellen (vgl. J. Schumacher/A. Schumacher/Fischer-Hüftle in Schumacher/Fischer-Hüftle, BNatSchG, 2. Aufl. 2010, § 26 Rn. 15 f.). Die Eigenart der Landschaft betont ihren typischen Charakter, ihre Gestalt, während die Vielfalt auf Elemente bezogen ist. Ästhetische Gesichtspunkte im Sinne von „Schönheit“ spielen keine entscheidende Rolle. Auch wenn § 26 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG im Unterschied zu der bis 3. April 2002 gültigen Vorgängervorschrift des § 15 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG a.F. den Schutz des Landschaftsbildes nicht mehr erwähnt, sondern stattdessen auf den Schutz der Landschaft abstellt, ist nach wie vor das Landschaftsbild der entscheidende Bezugspunkt (vgl. Gellermann in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand September 2016, § 26 BNatSchG Rn. 10 unter Verweis auf BT-Drs. 14/6378 S. 52). Dieses wird maßgeblich durch die optischen Eindrücke für einen Betrachter, d.h. die mit dem Auge wahrnehmbaren Zusammenhänge von einzelnen Landschaftselementen bestimmt (vgl. BVerwG, U.v. 27.9.1990 - 4 C 44.87 - NuR 1991, 124). Gemessen daran sind die im nördlichen Teilgebiet gelegenen Hangkanten einschließlich des unbebauten Talraums zwischen der westlichen Hangkante südlich der A 995 und der östlichen Hangkante unter dem Aspekt der „Eigenart der Landschaft“ schutzwürdig. Die Hangkanten des Isar-Urstromtals stellen einen wertvollen Bestandteil des Landschaftsbildes im Hachinger Bachtal dar, auch weil das sonst ebene Relief durch diese gegliedert wird (vgl. das von der Antragstellerin im Aufstellungsverfahren vorgelegte Gutachten der Dr. … S … vom Juli 2011, nachfolgend: Gutachten Dr. S …, Bl. 1172 ff./1181 d. A.) und der noch unbebaute Talraum dazwischen die Erlebbarkeit der gesamten Urstromsituation ermöglicht.

Unschädlich ist, dass sich die landschaftsprägenden Hangkanten ausschließlich in den Randbereichen des nördlichen Teilgebiets befinden, während im Inneren dieses Schutzgebietsteils, dem Talraum, größere Äcker und Wiesen ohne eigenartige Prägung vorhanden sind (vgl. BayVGH, U.v. 5.7.1983 - 9 N 82 A.365 - NuR 1984, 53). Die Schutzwürdigkeit eines Gebiets ist nicht deshalb zu verneinen, weil es überwiegend durch intensive landwirtschaftliche Nutzung der Grundstücke geprägt ist. Es kommt ausschlaggebend darauf an, ob der fragliche Bereich insgesamt betrachtet die gesetzlichen Anforderungen erfüllt (vgl. BVerwG, B.v. 1.2.2007 - 7 BN 1.07 - juris Rn. 7; BayVGH, U.v. 13.7.2000 - 9 N 98.3587 - juris Rn. 38). Wie sich beim vom Senat durchgeführten Augenschein ergeben hat, ist der zu schützende Talraum im Zusammenspiel mit den Hangkanten von weiten Teilen des geschützten Teilgebiets aus sichtbar (vgl. hierzu auch die Bilder Bl. 1095, 1547 d. A.). So waren Blickbeziehungen vom P … Weg aus, der an der Hofstelle der Antragstellerin vorbeiführt, sowohl zur westlichen Hangkante südlich der A 995 einschließlich der dort gelegenen Flächen der Antragstellerin als auch zur östlichen Hangkante und den Bereichen östlich und westlich der T. Straße vorhanden. Ein Erhalt der Blickbeziehungen ist nur durch den Schutz der Hangkanten und auch des dazwischenliegenden unbebauten Talraums möglich. Die Wahrnehmbarkeit sowohl der Hangkanten als auch des dazwischenliegenden Talraums würde durch eine (weitere) Bebauung maßgeblich beeinträchtigt. Der Umstand, dass die Blickbeziehungen wegen der in Teilbereichen vorhandenen Bebauung bzw. des dortigen Baum- und Staudenbestands immer wieder unterbrochen werden, ist nicht von entscheidender Bedeutung; dies ändert nichts daran, dass einem gegenüber den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachter - auf diesen ist abzustellen (vgl. BVerwG, U.v. 21.1.2016 - 4 A 5.14 - BVerwGE 154, 73 Rn. 146 m.w.N.; Gellermann in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 26 BNatSchG Rn. 10 m.w.N.) - der Umstand, dass er sich in einem Talbereich befindet, bewusst wird.

Auch die Einbeziehung von Flächen oberhalb der westlichen Hangkante südlich der A 995 ist durch den Schutzzweck des § 3 Nr. 1 Alt. 2 der Landschaftsschutzgebietsverordnung gerechtfertigt. Die Einbeziehung ist notwendig, um die optische Wahrnehmbarkeit des letzten unbebauten Teilstücks der westlichen Hangkante im nördlichen Teilgebiet zu sichern. Nur dann, wenn auch Flächen oberhalb des Hangs von Bebauung freigehalten werden, kann eine weitere Überprägung der westlichen Hangkante vermieden werden, wie sie bereits jetzt eindringlich aufgrund der - außerhalb des Schutzgebietsumgriffs - vorhandenen Bebauung des anderen Teilstücks festzustellen ist. Im Gegensatz zu den oberhalb der sog. Further Hangkante gelegenen Flächen, die lediglich bis zu einem Abstand zur Hangkante von ca. 50 m in den Geltungsbereich der Landschaftsschutzgebietsverordnung einbezogen wurden, ist es hier vertretbar, sämtliche im Eigentum der Antragstellerin stehenden Flächen zwischen der A 995, dem Bahndamm und der Bebauung einzubeziehen. Da die westliche Hangkante von geringerer Höhe als die Further Hangkante und sowohl von den Flächen unterhalb des Hangs als auch vom unbebauten Talraum jenseits der A 995 aus größerer Entfernung sichtbar ist, wäre aufgrund des daraus resultierenden flachen Sichtwinkels selbst eine deutlich zurückversetzte Bebauung von dort aus zu sehen (vgl. hierzu Bild 1 Bl. 1095 d. A.). Dadurch könnte eine Überprägung der gesamten westlichen Hangkante südlich der A 995 eintreten.

cc) Noch vertretbar erscheint es, die Ausweisung bestimmter Bereiche des nördlichen Teilgebiets der Landschaftsschutzgebietsverordnung auch mit dem Schutzzweck nach § 3 Nr. 2 der Landschaftsschutzgebietsverordnung (vgl. § 26 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG) zu rechtfertigen. Hiernach soll ein bevorzugtes Naherholungsgebiet gesichert und der Erholungsverkehr geordnet und gelenkt werden.

Dieser Schutzzweck rechtfertigt insbesondere die Unterschutzstellung der Grundstücke der Antragstellerin nördlich der A 995, für die die in der Landschaftsschutzgebietsverordnung angegebenen sonstigen Schutzzwecke teilweise nicht einschlägig sind. Eine Hangkante ist nach dem Ergebnis des vom Senat durchgeführten Augenscheins nördlich der A 995 nicht mehr sichtbar, sodass der Eindruck eines Talraums in diesem Bereich - jedenfalls mit Blick Richtung Westen - optisch in erster Linie durch den Bahndamm entsteht. Allerdings handelt es sich bei diesem Bereich - optisch gesehen - um eine naturnahe landschaftliche Ruhezone, die in einem dicht besiedelten Gebiet auf Erholungssuchende durchaus reizvoll wirkt, weil die landwirtschaftlich genutzten Flächen für den Durchschnittsbetrachter einen wohltuenden Kontrast zur dichten Bebauung darstellen (vgl. BayVGH, U.v. 24.6.2016 - 14 N 14.1649 - juris Rn. 36); dies gilt auch für die vorhandenen Ackerflächen, da insbesondere der Wechsel der Fruchtfolge zu einem abwechslungsreichen Erleben der Landschaft führt. Nach den Zielbestimmungen für den Naturschutz und die Landschaftspflege sind zur Sicherung des Erholungswertes von Natur und Landschaft nach ihrer Beschaffenheit und Lage geeignete Flächen vor allem im besiedelten und siedlungsnahen Bereich zu schützen (§ 1 Abs. 4 Nr. 2 BNatSchG), großflächige, weitgehend unzerschnittene Landschaftsräume vor weiterer Zerschneidung zu bewahren (§ 1 Abs. 5 Satz 1 BNatSchG) und Freiräume im besiedelten und siedlungsnahen Bereich zu erhalten (§ 1 Abs. 6 Alt. 1 BNatSchG). Diesen Zwecken wird die Unterschutzstellung der o.g. Flächen gerecht. Die Einbeziehung der Flächen, unter anderem denen der Antragstellerin, schafft zusammen mit den unstreitig schutzwürdigen Flächen des Feuchtwiesengebiets und des Hachinger Bachs ein abgeschlossenes, relativ weitläufiges und insbesondere für die Bewohner Taufkirchens leicht erreichbares und über den P … Weg erschlossenes Naherholungsgebiet (vgl. hierzu die Bilder Bl. 1095, 1097 f., 1547 ff. sowie Bild 2 Bl. 1099 d. A.). Auch wenn auf diesem Weg im Frühjahr und Sommer reger landwirtschaftlicher Verkehr herrschen sollte, gilt dies sicher nicht für den ganzen Tag und insbesondere nicht für die Abendstunden oder an Sonn- und Feiertagen, in denen Naherholungsgebiete verstärkt genutzt werden. Aufgewertet wird das Naherholungsgebiet im Bereich der A 995 durch den - zum Teil unter der A 995 gelegenen - sog. Autobahnweiher, der sich inmitten einer Grünanlage befindet (vgl. hierzu die Bilder Bl. 1553 d. A.) und - ungeachtet der zweifellos vorhandenen Autobahnemissionen - als Naherholungsfläche tatsächlich genutzt wird. Auch in dem von der Antragstellerin vorgelegten Gutachten Dr. S … wird diesem Bereich ein hoher Erholungswert beigemessen (Bl. 1183 d. A.). Die im westlichen Randbereich des nördlichen Teilgebiets gelegenen Flächen der Antragstellerin grenzen an die Bahnlinie an, sodass es unter Berücksichtigung des dem Normgeber zustehenden weiten Gestaltungsermessens vertretbar erscheint, diese Flächen miteinzubeziehen, um einen zusammenhängenden Erholungsraum zu schaffen und gleichzeitig einer weiteren Zersiedelung des Bereichs vorzubeugen. Nicht erforderlich ist, dass das Gebiet insgesamt durch weitere Wege für Erholungssuchende erschlossen ist oder sonst jederzeit betreten werden kann. Dem besonderen Erholungswert kann auch dadurch Rechnung getragen werden, dass dem Betrachter aus angrenzenden Bereichen der Anblick einer naturnahen Zone bzw. großer Freiflächen ermöglicht wird (vgl. BayVGH, U.v. 24.6.2016 - 4 N 14.1649 - juris Rn. 36; VGH BW, U.v. 15.11.1991 - 5 S 615/91 - NuR 1992, 190).

Nicht zu beanstanden ist die Einbeziehung der Hofstelle P … der Antragstellerin in den Umgriff der Landschaftsschutzgebietsverordnung. Allein der Umstand, dass ein Grundstück bebaut ist, lässt dessen Schutzwürdigkeit nicht entfallen, wenn und soweit das Grundstück gleichwohl noch als Teil der umgebenden schützenswerten Landschaft angesehen werden kann (vgl. VGH BW, U.v. 5.10.1993 - 5 S 1266/92 - NuR 1994, 239). Die Hofstelle P …, die ein landwirtschaftliches Betriebsleiterwohnhaus, ein Altenteilerwohnhaus und - zum Teil umgenutzte - landwirtschaftliche Nutzgebäude mit insgesamt circa 1600 m² überbauter Fläche aufweist, ist in Anbetracht der Größe der dazugehörigen Grundstücke locker bebaut und fügt sich nach dem Ergebnis des vom Senat durchgeführten Augenscheins - auch wegen der sie fast vollständig umgebenden Eingrünung - harmonisch in die Landschaft ein. Die Hofstelle verfügt außerdem über große begrünte Freiflächen, auf denen sich unter anderem ein Hausgarten sowie ein Damwildgehege befinden, das - soweit einsehbar - eine zusätzliche Attraktion insbesondere für Erholung suchende Familien mit Kindern darstellt. Sie wird nicht als Fremdkörper, sondern als ein für das Auge abwechslungsreiches Strukturelement in einer ansonsten optisch eher ebenen Landschaft wahrgenommen.

Der Schutzweck der Erholung rechtfertigt - neben dem Schutzzweck nach § 26 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG - auch die Einbeziehung der südlich der A 995 gelegenen Grundstücke der Antragstellerin. Der Bereich südlich der A 995 ist über die Straßen und Wege unterhalb der Autobahnbrücke mit dem nördlichen Bereich verbunden. Die Grundstücke der Antragstellerin liegen am Weg neben der A 995, der eine Verbindungsfunktion zu den hinter dem Bahndamm liegenden Waldflächen und insbesondere zum Landschaftsschutzgebiet Perlacher Forst innehat (vgl. hierzu BayVGH, U.v. 24.6.2016 - 4 N 14.1649 - juris Rn. 36). Unmaßgeblich ist, dass auch dieser Bereich in erster Linie aus (intensiv) landwirtschaftlich genutzten Ackerflächen besteht. In Landschaftsschutzgebiete können - wie oben unter bb ausgeführt - auch intensiv land- oder forstwirtschaftlich genutzte Flächen miteinbezogen werden, wenn der mit der Festsetzung des Landschaftsschutzgebiets verfolgte Schutzzweck dies rechtfertigt. Der besondere Siedlungsdruck, der generell im näheren Umland der Landeshauptstadt München besteht, erhöht die Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der freien Landschaft (vgl. VGH BW, U.v. 15.11.1991 - 5 S 615/91 - NuR 1992, 190). Dem Zweck der Verordnung, den noch unbebauten Talraum des Hachinger Tals (auch) für die Erholung zu sichern, wird auch die Einbeziehung von Ackerflächen gerecht.

dd) Die Schutzwürdigkeit des nördlichen Teilgebiets wird nicht durch die im Landschaftsraum bereits vorgenommenen Eingriffe in Frage gestellt.

Nach ständiger Rechtsprechung geht die Schutzwürdigkeit eines Gebiets durch eine Bebauung oder eine sonstige landschaftsfremde Nutzung nicht ohne weiteres, sondern erst dann verloren, wenn der Landschaftsteil durch die der natürlichen Eigenart der Landschaft widersprechenden Eingriffe geprägt wird (vgl. BayVGH, U.v. 24.6.2016 - 14 N 14.1649 - juris Rn. 25 m.w.N.). Dies ist vorliegend weder im Hinblick auf die im Gebiet befindlichen Straßenbauwerke (A 995, St 2368, M 11) und den westlich gelegenen Bahndamm noch wegen der im Landschaftsraum - außerhalb des Landschaftsschutzgebiets - vorhandenen Bebauung der Fall.

Wie sich aus dem Ergebnis des vom Senat durchgeführten Augenscheins und aus den Bildern der Aufstellungsakten (Bl. 1547 ff.) ergibt, sind die im Gebiet befindlichen Straßenbauwerke und der westlich gelegene Bahndamm zwar Störfaktoren, sie (über) prägen den relativ großen Landschaftsraum aber nicht. Sie sind insbesondere nicht augenfällig als Fremdkörper wahrnehmbar. Entlang der A 995 und der Bahnlinie befinden sich Gebüsch und Bäume, die sie nicht wesentlich in Erscheinung treten lassen. Die St 2368 und die M 11 liegen jeweils nur mit einem kurzen Teilstück im Schutzgebiet und prägen schon daher das Landschaftsbild nicht. Die von den Straßen ausgehenden Verkehrsgeräusche könnten die Schutzwürdigkeit des Gebiets nur unter dem Gesichtspunkt der Erholungseignung in Frage stellen, was aber nicht der Fall ist. Der vom Senat durchgeführte Augenschein hat ergeben, dass die insbesondere von der A 995 ausgehenden Geräuschemissionen bei der etwa in der Mitte des nördlichen Teilgebiets liegenden Hofstelle P … nur als leichtes Rauschen zu hören waren. Das deckt sich im Wesentlichen mit der von der Antragstellerin vorgelegten Lärmkarte. Auf den direkt neben der A 995 liegenden Grundstücken waren die Verkehrsgeräusche zwar deutlich zu hören, was sich ebenfalls in der o.g. Lärmkarte widerspiegelt. Dies mindert jedoch ihren Erholungswert als optische Ruhezone nicht. Wie auch die bisherige Nutzung des unter der A 995 gelegenen Areals als beliebter Grill Platz zeigt, hält insbesondere in dicht besiedelten Gebieten auch eine erhebliche Lärmbelastung durch Verkehrsgeräusche Erholungssuchende nicht unbedingt davon ab, dort ihre (Feierabend) Freizeit zu verbringen. Hinzu kommt, dass Erholungssuchende insbesondere bei sportlichen Betätigungen vielfach über Kopfhörer Musik hören und schon daher von Verkehrsgeräuschen kaum gestört werden. Die im Bereich der St 2368 liegenden Grundstücke sind zwar unzweifelhaft stark durch Verkehrslärm belastet; dort greift aber nur der Schutzzweck der Eigenart der Landschaft.

Gegen die Schutzwürdigkeit des Gebiets spricht auch nicht, dass - außerhalb des Schutzgebietsumgriffs - stellenweise bereits eine Bebauung oberhalb der Hangkanten vorhanden ist bzw. sich im Talraum - wenn auch vom Schutzgebiet ausgenommen - kleinere bebaute Gebiete befinden. Diese Bebauung ist als gegeben hinzunehmen (vgl. BayVGH, U.v. 29.7.2005 - 9 N 03.690 - juris Rn. 38). Angesichts ihrer Kleinräumigkeit prägen die wenigen bebauten Gebiete den Talraum nicht. Soweit in Teilbereichen eine Bebauung oberhalb der Hangkante vorhanden ist, bleiben die Hangkanten als solche wahrnehmbar. Mit der (Teil) Einbeziehung der Hangkanten und der im Talraum liegenden unbebauten Flächen in den Geltungsbereich der Landschaftsschutzgebietsverordnung wird - soweit möglich, vgl. unten f - gewährleistet, dass jedenfalls eine weitere Beeinträchtigung des zu schützenden Landschaftsbildes unterbleibt.

c) Die Unterschutzstellung des westlichen Teilgebiets der Landschaftsschutzgebietsverordnung findet ihre Rechtfertigung in § 26 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BNatSchG.

aa) In diesem Teilgebiet liegt die sehr prägnante Further Hangkante. Hierbei handelt es sich um die südliche Fortsetzung der nördlich vom Ortsteil Furth gelegenen Hangkante, die das Pendant zu den Hangkanten östlich von Oberhaching und Taufkirchen darstellt. Unschädlich ist die Kleinräumigkeit dieses Teilgebiets mit einer Ausdehnung von 650 m in Nord-Süd-Richtung und von 220 m in Ost-West-Richtung. Wie groß ein Schutzgebiet im Einzelnen zu bemessen ist, hängt im Wesentlichen vom Schutzzweck und den örtlichen Gegebenheiten ab. Dabei kommt dem Verordnungsgeber ein weites Gestaltungsermessen zu (vgl. OVG Bremen, B.v. 29.8.1989 - 1 N 2/88 - juris Rn. 66 m.w.N.).

bb) Die Unterschutzstellung dieses Teilgebiets findet zum einen ihre Rechtfertigung in dem in § 3 Nr. 1 Alt. 1 der Landschaftsschutzgebietsverordnung genannten Schutzzweck des Erhalts der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts (vgl. § 26 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG). Aus dem Schutzgutachten des Antragsgegners vom 17. Januar 2014 ergibt sich, dass es sich bei der hier unter Schutz gestellten Hangkante um ein ökologisch schutzwürdiges Gebiet handelt. Es weist eine wertvolle Vegetation aus extensiven Glatthaferwiesen, Magerrasenbereichen, Altgrasbeständen und einzelnen Gehölzen auf und ist in der amtlichen Biotopkartierung erfasst (Nr. 7935-0033). Die Beurteilung der Schutzwürdigkeit der Hangkante wird durch das von der Antragstellerin vorgelegte Gutachten von Dr. S … (Bl. 1183 d. A.) bestätigt.

cc) Die Unterschutzstellung der Further Hangkante mitsamt den östlich unterhalb des Hangs liegenden landwirtschaftlich genutzten Grundstücken sowie den westlich der Hangkante - also oberhalb des Hangs - liegenden Teilflächen mit ebenfalls landwirtschaftlicher Nutzung rechtfertigt sich zum anderen aus dem Schutzzweck des § 3 Nr. 1 Alt. 2 der Landschaftsschutzgebietsverordnung (vgl. § 26 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG). Geschützt wird vorliegend die durch die Hangkante geprägte Eigenart der Landschaft (vgl. hierzu die Ausführungen unter b bb). Mit der Einbeziehung der oberhalb der Hangkante westlich anschließenden Teilflächen sowie der unterhalb des Hangs liegenden Flächen in die Landschaftsschutzgebietsverordnung wird gewährleistet, dass eine (weitere) Beeinträchtigung der optischen Wahrnehmbarkeit der Hangkante unterbleibt. Dies wäre durch eine weitere Bebauung sowohl unterhalb des Hangs als auch im unmittelbaren Bereich der Hangkante der Fall. Die Wahrnehmbarkeit der Hangkante würde durch bauliche Anlagen maßgeblich beeinträchtigt. Insoweit ist auch die Einbeziehung (intensiv) landwirtschaftlich genutzter Grundstücke nicht zu beanstanden (vgl. die Ausführungen unter b bb).

Nachvollziehbar ist, dass im Bereich westlich der Hangkante, also oberhalb des Hangs, lediglich Teilflächen der angrenzenden Grundstücke, östlich des Hangs im Talbereich jedoch die angrenzenden Grundstücke vollständig in den Schutzgebietsumgriff mit aufgenommen wurden. Bei der Abgrenzung des Schutzgebiets östlich des Hangs im Talbereich wurde das gesamte noch unbebaute Vorland einbezogen, da bei einer auch nur teilweisen weiteren Bebauung dieses Bereichs - je nach Standort und Gewicht dieser Bebauung - die optische Wahrnehmbarkeit der Hangkante vom G. Weg bzw. vom dort anschließenden Ortsteil von Oberhaching aus (stark) beeinträchtigt werden würde. Eine (starke) Beeinträchtigung der optischen Wahrnehmbarkeit der Hangkante würde auch eine Bebauung oberhalb des Hangs mit sich bringen, da dies zu einer Überprägung der Hangkante führen könnte. Eine solche zeigt sich beispielsweise in Teilbereichen der östlichen Hangkante im nördlichen Teilgebiet (vgl. hierzu Bild 2 Bl. 1547 d. A.). Die vom Antragsgegner angestellten Überlegungen, ab circa einem Abstand von 50 m zur Hangkante würden Gebäude diese optisch nicht mehr beeinträchtigen, sind wegen der Höhe der dortigen Hangkante und dem - aus der geringen Entfernung des Gärtnerwegs zur Hangkante resultierenden - steilen Sichtwinkel nachvollziehbar. Es entspricht dem Gebot der Verhältnismäßigkeit, die Grundstücke westlich der Hangkante nicht in vollem Umfang, sondern nur soweit erforderlich in das Landschaftsschutzgebiet miteinzubeziehen. Diese dem Verlauf der Hangkante folgende Grenzziehung verstößt, auch wenn sie nicht an bestimmten Gegebenheiten in der Flur festzumachen ist, nicht gegen den Bestimmtheitsgrundsatz. Bei Landschaftsschutzgebieten mag es zwar wünschenswert sein, dass der Grenzverlauf sich an Straßen und Wegen, den Einfriedungen bebauter Grundstücke oder anderen leicht feststellbaren geografischen Merkmalen orientiert. Notwendig ist dies aber keineswegs und in der Regel kann der Grenzverlauf ohnehin nur anhand einer mitgeführten Schutzgebietskarte in der Natur bestimmt werden (vgl. BayVGH, U.v. 29.7.2005 - 9 N 03.690 - juris Rn. 39). Nach den Ausführungen des Antragsgegners wurde die Grenzlinie nicht exakt parallel zum Verlauf der Hangkante, sondern in begradigter Form gezogen. Nur an der stärksten Biegung der Hangkante macht auch die Schutzgebietsgrenze einen „Knick“, um einen einigermaßen einheitlichen Abstand zur Hangkante zu wahren. Von einer die landwirtschaftliche Bewirtschaftung unzumutbar einschränkenden Grenzziehung ist hierdurch nicht auszugehen.

dd) Die Schutzwürdigkeit des westlichen Teilgebiets wird nicht durch die außerhalb des Schutzgebiets vorhandenen Straßen (M 11 und G. Weg) in Frage gestellt. Wie oben unter b dd ausgeführt, geht die Schutzwürdigkeit eines Gebiets nach ständiger Rechtsprechung durch eine Bebauung oder eine sonstige landschaftsfremde Nutzung nicht ohne weiteres, sondern erst dann verloren, wenn der Landschaftsteil durch die der natürlichen Eigenart der Landschaft widersprechenden Eingriffe geprägt wird (vgl. BayVGH, U.v. 24.6.2016 - 14 N 14.1649 - juris Rn. 25 m.w.N.). Für eine Überprägung des Landschaftsschutzgebiets durch die lediglich am Rande verlaufenden Straßen ist nichts ersichtlich.

d) Die Unterschutzstellung der beiden östlichen Teilgebiete der Landschaftsschutzgebietsverordnung mit dem im unmittelbaren Anschluss an die ehemaligen Kies- und Sandabbauflächen der Kiesgrube Potzham beginnenden und bis nach Deisenhofen reichenden Teil der östlichen Hangkante findet ihre Rechtfertigung in den Schutzzwecken des § 26 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BNatSchG.

aa) Die Schutzwürdigkeit der beiden Teilgebiete folgt zum Teil aus dem in § 3 Nr. 1 Alt. 1 der Landschaftsschutzgebietsverordnung (vgl. § 26 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG) genannten Schutzzweck der Erhaltung und Entwicklung der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts. Nach dem von der Antragstellerin vorgelegten Gutachten Dr. S … (Bl. 1172 ff./1181 d. A.) gehört diese (durch Bebauung bzw. die St 2368 unterbrochene) Hangkante mit ihren artenreichen Wiesen und begleitenden Gehölzstrukturen zu den besonders schützenswerten Gebieten im Untersuchungsraum. Die im Norden an die Hangkante angrenzende, miteinbezogene Fläche ist teilweise ebenfalls unter dem Aspekt der Erhaltung und Entwicklung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts schutzwürdig. Beim östlichen Teil dieser Fläche handelt es sich um die ehemalige Kiesgrube Potzham, in der sich laut Schutzgutachten des Antragsgegners vom 17. Januar 2014 seit Beendigung des Abbaus eine bemerkenswerte Lebensraumvielfalt entwickelt hat. So konnten neben einigen gefährdeten Pflanzen (Sumpfbinse, Schwarze Königskerze und Moschusmalve) zahlreiche Vogelarten und vor allem Amphibien (Feldlerche, Goldammer, Zilpzalp, Zauneidechse, Teichmolch, Laubfrosch und einige Tagfalterarten) festgestellt werden. Das Gebiet ist in der amtlichen Biotopkartierung erfasst (Nr. 7935-0032). Die Einbeziehung der unmittelbar westlich an das Biotop angrenzenden Fläche als Pufferzone zu dessen Sicherung sowie als Verbindungsfläche zum nördlichen Teilgebiet erscheint im Hinblick auf das weite Gestaltungsermessen des Verordnungsgebers ebenfalls vernünftig und geboten. Im Süden befindet sich östlich angrenzend an die Hangkante auf FlNr. … der Gemarkung Oberhaching eine ökologische Ausgleichsfläche mit wertvollen Vegetationsbeständen wie im Landkreis München selten gewordenen artenreichen extensiven Wiesen, die Magerrasen enthalten und seit einigen Jahren im Auftrag des Antragsgegners in Zusammenarbeit bzw. mit Zustimmung der Grundstückseigentümer entsprechend gepflegt werden. Zudem sind auf dieser Fläche Amphibiengewässer vorhanden. Im äußersten südlichen Bereich des östlichen Teilgebiets befindet sich auf FlNr. … der Gemarkung Oberhaching eine naturnahe Hecke, die in der amtlichen Biotopkartierung erfasst ist (Nr. 7935-0039). Zusammen mit dem Gehölzbestand auf FlNr. … der Gemarkung Oberhaching stellt sie eines der wenigen Strukturelemente in der ansonsten ausgeräumten Feldflur dar.

bb) Die Unterschutzstellung der oberhalb und unterhalb des Hangs liegenden Grundstücke rechtfertigt sich aus dem Schutzzweck des § 3 Nr. 1 Alt. 2 der Landschaftsschutzgebietsverordnung (vgl. § 26 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG). Nur durch die Unterschutzstellung dieser Grundstücke kann gewährleistet werden, dass eine (weitere) Beeinträchtigung der optischen Wahrnehmbarkeit dieses Teils der östlichen Hangkante unterbleibt (vgl. hierzu die Bilder Bl. 1096, 1100 d. A.). Dies wäre durch eine weitere Bebauung sowohl im Talbereich als auch im oberen Bereich in der Nähe der Hangkante der Fall. Hinsichtlich der Einbeziehung von (intensiv) landwirtschaftlich genutzten (Teil) Flächen unterhalb und oberhalb des Hangs wird auf die Ausführungen unter c cc Bezug genommen. Der Schutzzweck des § 3 Nr. 1 Alt. 2 der Landschaftsschutzgebietsverordnung (vgl. § 26 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG) rechtfertigt auch die Unterschutzstellung der FlNr. … der Gemarkung Oberhaching. Obwohl die Hangkante auf diesem Grundstück wegen der dort vorgenommenen Veränderungen in ihrer ursprünglichen Gestalt nicht mehr vorhanden ist, ist es nur durch die Einbeziehung dieses Grundstücks möglich, den weiteren Verlauf der - wegen der im Talbereich vorhandenen Bebauung selbst nicht mehr in die Landschaftsschutzgebietsverordnung einbezogenen - Hangkante über die St 2368 hinweg nach Südwesten sichtbar zu erhalten.

cc) Die Schutzwürdigkeit der beiden östlichen Teilgebiete wird nicht durch die auf kurzen Teilstücken innerhalb und ansonsten außerhalb des Schutzgebiets verlaufenden St 2368 und M 11 in Frage gestellt. Wie oben unter b dd ausgeführt, geht die Schutzwürdigkeit eines Gebiets nach ständiger Rechtsprechung durch eine Bebauung oder eine sonstige landschaftsfremde Nutzung nicht ohne weiteres, sondern erst dann verloren, wenn der Landschaftsteil durch die der natürlichen Eigenart der Landschaft widersprechenden Eingriffe geprägt wird (vgl. BayVGH, U.v. 24.6.2016 - 14 N 14.1649 - juris Rn. 25 m.w.N.). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Für eine Überprägung des Landschaftsraums durch die beiden Straßen ist nichts ersichtlich.

e) Gegen die Schutzbedürftigkeit des von der Landschaftsschutzgebietsverordnung umfassten Bereichs bestehen keine durchgreifenden Bedenken.

Diese ist schon deshalb gegeben, weil im gesamten näheren Umland der Landeshauptstadt München ein besonders hoher Siedlungsdruck besteht, so dass schutzwürdige Gebiete generell gefährdet sind (vgl. BayVGH, U.v. 5.7.1983 - 9 N 82 A.365 - NuR 1984, 53). Dieser verstärkt auftretende Siedlungsdruck erhöht die Schutzbedürftigkeit der betroffenen Gebiete (vgl. BayVGH, U.v. 15.12.1987 - 9 N 87.00667 - NuR 1988, 248; VGH BW, U.v. 15.11.1991 - 5 S 615/91 - NuR 1992, 190). Die hohe Gefährdung der im Schutzgebiet gelegenen Flächen zeigt sich eindringlich daran, dass der größte Teil des Talraums und große Teile der Hangkanten bereits bebaut sind.

Die Erforderlichkeit der angegriffenen Landschaftsschutzgebietsverordnung wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass Teilflächen des Schutzgebiets wie z.B. die Feuchtwiesen nahe Taufkirchen, bereits in der Biotopkartierung des Freistaats Bayern erfasst sind. Auch wenn die Biotope bereits dem Schutz des § 30 BNatSchG bzw. Art. 23 BayNatSchG unterliegen, hindert dies den Verordnungsgeber nicht, auch diese Flächen bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 26 BNatSchG in ein räumlich übergreifendes Landschaftsschutzgebiet miteinzubeziehen (vgl. NdsOVG, U.v. 29.11.2016 - 4 KN 93/14 - juris Rn. 41 m.w.N.; VGH BW, U.v. 5.10.1993 - 5 S 1266/92 - NuR 1994, 239).

Die Schutzbedürftigkeit des Gebiets wird zudem nicht vermindert oder aufgehoben, weil sich ein Großteil der Grundstücke des nördlichen Teilgebiets im Bereich des Bebauungsplans Nr. 43 „Gassenfeld“ der Gemeinde Taufkirchen befindet und deren Bebauung bereits nach diesem eingeschränkt ist bzw. im Falle von dessen - nicht auszuschließender - Unwirksamkeit weitgehend über § 35 BauGB verhindert werden kann. Maßnahmen des Natur- und Landschaftsschutzes erübrigen sich nicht schon deshalb, weil auch mit Maßnahmen des Baurechts eine weitere Besiedlung des Gebiets verhindert werden könnte (BayVGH, U.v. 24.6.2016 - 14 N 14.1649 - juris Rn. 39 m.w.N.). Zudem erschöpfen sich die Regelungen der Landschaftsschutzgebietsverordnung nicht in der Freihaltung von Bebauung; durch weitere (präventive) Verbote bzw. Erlaubnisvorbehalte wird sichergestellt, dass Handlungen nicht den Charakter des Gebiets verändern oder dem besonderen Schutzzweck zuwiderlaufen. Auch die Ausweisung als „regionales Trenngrün Nr. 28 und 29“ im Regionalplan der Region München ändert nichts an der Schutzbedürftigkeit der Flächen.

Schließlich kann auch das Argument, eine Unterschutzstellung der Hangkanten als geschützte Landschaftsbestandteile nach § 29 BNatSchG würde diese ausreichend sichern, die Erforderlichkeit nicht widerlegen. Liegen die Voraussetzungen mehrerer der in § 20 Abs. 2 BNatSchG genannten Schutzkategorien vor, hat die Naturschutzbehörde die Auswahl nach pflichtgemäßem Ermessen unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vorzunehmen (vgl. BayVGH, U.v. 28.7.2016 - 14 N 15.1870 - NuR 2016, 790 Rn. 91 m.w.N.). Der Antragsgegner hat ohne Ermessensfehler die Schutzkategorie des Landschaftsschutzgebiets gewählt, weil mit dieser der von ihm beabsichtigte umfassende Schutz des landschaftsgeschichtlich bedeutsamen Talraums des Hachinger Tals mit den Hangkanten des Urstromtals der Isar zu verwirklichen war.

f) Die Grenzziehung begegnet auch im Übrigen keinen durchgreifenden Bedenken.

Die Antragstellerin kann nicht mit Erfolg einwenden, der Umgriff des Landschaftsschutzgebiets sei fehlerhaft gewählt worden, weil verschiedene Grundstücke ohne nachvollziehbaren Grund nicht in den Geltungsbereich der Landschaftsschutzgebietsverordnung miteinbezogen worden seien. Bei der Grenzziehung naturschutzrechtlicher Schutzgebiete kommt dem Verordnungsgeber ein weites Gestaltungsermessen zu (stRspr, vgl. BayVGH, U.v. 15.12.1987 - 9 N 87.00667 - NuR 1988, 248; U.v. 24.6.2016 - 14 N 14.1649 - juris Rn. 32). Er ist insbesondere nicht verpflichtet, alle schutzwürdigen Teile von Natur und Landschaft unter Schutz zu stellen (BVerwG, B.v. 21.7.1997 - 4 BN 10.97 - NuR 1998, 131). Deshalb kann die (Teil) Nichtigkeit grundsätzlich nicht damit begründet werden, dass die Einbeziehung weiterer Flächen von vergleichbarer Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit unterblieben ist (vgl. BayVGH, U.v. 13.7.2000 - 9 N 96.2311 - juris Rn. 53). Allerdings läge ein Verstoß gegen das aus Art. 3 Abs. 1 GG herzuleitende Willkürverbot bzw. den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dann vor, wenn der Verordnungsgeber ohne sachlichen Grund einerseits - in weiten Bereichen - weniger schutzwürdige Flächen miteinbezogen, andererseits besonders schutzwürdige und schutzbedürftige Flächen nicht miteinbezogen hätte. Derartiges ist vorliegend nicht festzustellen.

Die meisten der insbesondere in der mündlichen Verhandlung benannten Grundstücke sind bei der Bestimmung der Grenzen des Schutzgebiets nicht in den Umgriff mit aufgenommen worden, weil dies zu einem Widerspruch zu den - in Auszügen in den Aufstellungsakten befindlichen - Flächennutzungsplänen der Gemeinden Taufkirchen und Oberhaching (Bl. 98 u. 99 d. A.) und damit gegebenenfalls zu einem Verstoß gegen die Anpassungspflicht des § 7 Satz 1 BauGB geführt hätte. Hiernach haben öffentliche Planungsträger ihre Planungen dem Flächennutzungsplan insoweit anzupassen, als sie diesem Plan nicht widersprochen haben. Auch im Übrigen erscheint die Nichteinbeziehung bestimmter Grundstücke jedenfalls nicht willkürlich.

aa) Die FlNr. … der Gemarkung Oberhaching wurde ausgenommen, da sich dort eine Tennis- und Sportanlage mit einem Vereinsheim befindet. Die Fläche ist laut Flächennutzungsplan der Gemeinde Oberhaching - anders als die im Bereich der Further Hangkante gelegene Fläche mit dort aufgestellten beweglichen Fußballtoren - als Sportplatz gekennzeichnet. Auch der nördliche Teilbereich der FlNr. … sowie die FlNr. …, jeweils Gemarkung Oberhaching, wurden nicht in das Schutzgebiet miteinbezogen, weil diese Flächen ausweislich des Flächennutzungsplans der Gemeinde Oberhaching ebenfalls als Sportplatz dargestellt sind bzw. dort bereits ein Fußball Platz besteht. Der Teilbereich östlich der FlNr. … der Gemarkung Oberhaching wurde ausgespart, da nach den Planungen der Gemeinde Oberhaching auf diesen Grundstücken eine Erweiterung des bereits bestehenden Friedhofs erfolgen soll; die Grundstücke sind entsprechend im Flächennutzungsplan der Gemeinde Oberhaching als Friedhofsgelände dargestellt. Soweit der Antragsgegner das nördlich direkt an das Friedhofsgelände anschließende kleine Gebiet zwischen Hangkante und Bebauung nicht in den Schutzgebietsumgriff mit aufgenommen hat, liegt dies im Bereich des dem Verordnungsgeber zukommenden weiten Gestaltungsermessens. Die Hangkante ist im nördlichen Teil bereits bebaut und auch westlich dieses kleinen Gebiets besteht Bebauung, die wenigen Grundstücke zwischen der Bebauung und dem zur Friedhofserweiterung vorgesehenen Gelände durften deshalb als weniger schützenswert angesehen werden. Zudem liegen diese Grundstücke nach den in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend getroffenen Feststellungen am Hangfuß, sodass auch in diesem Bereich eine Bebauung der sich im Schutzgebietsumgriff befindlichen Hangkante nicht zu befürchten ist.

Ebenfalls der in § 7 Satz 1 BauGB geregelten Anpassungspflicht ist geschuldet, dass im nördlichen Teilgebiet südlich der A 995 im Bereich der dortigen Bebauung der weitaus größere Teil der Hangkante nicht in das Landschaftsschutzgebiet mit aufgenommen worden ist. Zwar sind in dem in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Baulinien- und Bebauungsplan für den Ortsteil Furth, genehmigt am 24. März 1960, nach den übereinstimmenden Feststellungen aller Beteiligten Bauräume festgesetzt, die unter Abgleich mit einem von der Antragstellerin übergebenen Luftbildplan im Maßstab 1:1000 vor der Hangkante enden. Diese Bauräume werden offensichtlich nicht mehr beachtet, da sich die derzeitige Bebauung bis zu 7 m außerhalb dieser Bauräume befindet, jedoch - mit Ausnahme einer derzeit im Bau befindlichen Mauer auf dem Grundstück FlNr. … der Gemarkung Oberhaching - nicht bis zur Hangkante reicht. Die Entscheidung des Antragsgegners, die Grenze des Schutzgebiets an den Flurstücksgrenzen verlaufen zu lassen, ist dennoch nicht zu beanstanden, da im Flächennutzungsplan der Gemeinde Oberhaching für die gesamten Flurstücke dieses Gebiets Wohnbauflächen dargestellt sind.

Die Nichteinbeziehung der Hangkante im Süden des westlichen Teilgebiets - der Further Hangkante - erklärt sich ebenfalls aus dem Flächennutzungsplan der Gemeinde Oberhaching, der für dieses Gebiet Wohnbauflächen darstellt; im Übrigen ist die Hangkante bereits bebaut.

bb) Die „fingerartige“ Aussparung, eine Teilfläche von FlNr. … der Gemarkung Taufkirchen (im Anschluss an eine der vom Geltungsbereich der Landschaftsschutzgebietsverordnung ausgenommenen Bauinseln), steht in Übereinstimmung mit dem Bebauungsplan Nr. 43 „Gassenfeld“ der Gemeinde Taufkirchen, der hier einen Bauraum für ein Außenbereichsvorhaben festsetzt. Auch wenn viel dafür spricht, dass der Bebauungsplan Nr. 43 unwirksam ist, haben Behörden mangels Normverwerfungskompetenz grundsätzlich von der Gültigkeit eines Bebauungsplans auszugehen (vgl. BayVGH, B.v. 18.3.2002 - 14 ZB 02.585 - juris Rn. 1). Die Berücksichtigung dieser Festsetzung des Bebauungsplans durch den Antragsgegner (vgl. Bl. 2458 R d. A.) ist daher nicht zu beanstanden.

cc) Hinsichtlich des Verlaufs der östlichen Schutzgebietsgrenze im östlichen Teilgebiet auf Höhe der FlNr. … und … der Gemarkung Oberhaching hat der Antragsgegner dargelegt, dass für die oberhalb des Hangs gelegenen Grundstücke eine bestandskräftige Kiesabbaugenehmigung vorliege und dies der Grund dafür sei, dass ausnahmsweise die Grenze des Schutzgebiets am Hang verlaufe. Hinsichtlich der weiteren Grenzziehung sei wieder berücksichtigt worden, dass eine Bebauung oberhalb des Hangs nicht gewünscht sei. Der Knick in der Schutzgebietsgrenze folge wiederum dem Hangverlauf. Eine ökologisch wertvolle Ausgleichsfläche auf der FlNr. … der Gemarkung Oberhaching ist der Grund dafür, dass dort ein breiterer Streifen einbezogen wurde (vgl. Bl. 2458 R d. A.) Eine Willkürlichkeit der Grenzziehung ist demnach nicht ersichtlich.

dd) Der trichterförmige Verlauf der Schutzgebietsgrenze am östlichen Rand des nördlichen Teilgebiets im Bereich der Grundstücke FlNr. … und …, jeweils Gemarkung Taufkirchen, ist vom Antragsgegner sachlich nachvollziehbar damit begründet worden, dass in diesem Bereich der Hachinger Bach fließe, dem im Talraum eine wichtige Verbundfunktion zukomme. Die Verbundfunktion im weiteren Verlauf sei durch die Hereinnahme des sogenannten Festtagsbachs, der zwar künstlich angelegt sei, der aber durch den Hachinger Bach gespeist werde, und durch den vom Grundstück FlNr. … der Gemarkung Taufkirchen aus in den Hachinger Bach fließenden weiteren Bach sichergestellt.

ee) Der Umstand, dass die Flächen südlich der FlNr. … der Gemarkung Oberhaching nicht in den Umgriff der Landschaftsschutzgebietsverordnung einbezogen wurden, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Die südlich dieses Grundstücks gelegene östliche Hangkante ist in diesem Bereich durch die unterhalb des Hangs vorhandene Bebauung weitgehend verdeckt. Der freie Blick auf sie ist lediglich von der St 2363 bzw. von den nördlich im Schutzgebietsumgriff gelegenen Flächen aus - über das unbebaute - Grundstück FlNr. … der Gemarkung Oberhaching hinweg möglich. Daher sind auch die Grundstücke oberhalb des Hangs - im Gegensatz zum letztgenannten Grundstück - nicht schutzwürdig.

ff) Die im nördlichen Teilgebiet liegenden Bebauungsinseln wurden - im Gegensatz zur Hofstelle P … - zu Recht nicht in den Umgriff des Landschaftsschutzgebiets mit aufgenommen. Die in den Bebauungsinseln vorhandene massive Bebauung kann nicht mehr als Teil der schützenswerten Umgebung angesehen werden. Hingegen fügt sich die Hofstelle der Antragstellerin - wie oben unter b cc ausgeführt - harmonisch in die zu schützende Umgebung ein.

gg) Der Vortrag, es sei nicht nachvollziehbar, dass die A 995 und die größten Teile der Staats Straße (St 2368) im Schutzgebiet lägen, wohingegen ein Teilbereich der St 2368 auf Höhe des Grundstücks FlNr. … der Gemarkung Taufkirchen ebenso wie der G. Weg ausgenommen worden seien, ist ebenfalls nicht geeignet, die Willkürlichkeit der Grenzziehung des Landschaftsschutzgebiets zu begründen. Den Ausführungen des Antragsgegners hierzu lassen sich sachliche Gründe für diese Entscheidungen entnehmen. Danach ist die A 995 aus Gründen der Praktikabilität miteinbezogen worden, da Änderungen an dieser immer eine Änderung der Landschaftsschutzgebietsverordnung nach sich ziehen würden; außerdem bestehe an der A 995 Begleitgrün, das es zu erhalten gelte. Die St 2368 liege im südlichen Bereich als Verbindung zum Grundstück FlNr. … der Gemeinde Oberhaching im Landschaftsschutzgebiet; im weiteren Verlauf sei sie bis auf Höhe der FlNr. … der Gemarkung Taufkirchen ausgenommen worden und diene als Abgrenzung zwischen Bebauung und Landschaftsschutzgebiet. Im Bereich der FlNr. … der Gemarkung Taufkirchen reiche das Landschaftsschutzgebiet zwar beidseits bis an die St 2368 heran; dies aber nur auf einem kurzen Stück, sodass die St 2368 ausgenommen worden sei. Im oberen nördlichen Bereich befinde sich die St 2368 wieder im Schutzgebiet, da hier große Bereiche des Schutzgebiets beidseits der Straße gelegen seien und ein funktionaler Zusammenhang zwischen den dortigen Flächen bestehe. Zwar mag die Grenzziehung im Hinblick auf die St 2368 nicht immer sachlich ganz stringent sein; die sich hieraus ergebenden Auswirkungen sind jedoch so gering, dass sie rechtlich zu vernachlässigen sind. Demgegenüber ist die Aussparung des Gärtnerwegs im westlichen Teilgebiet unabdingbar, da dieser westlich an die bestehende Bebauung anschließt, also nicht - wie die anderen Straßen - durch den zu schützenden Landschaftsraum verläuft.

2. Die Unterschutzstellung beruht nicht auf einer fehlerhaften Abwägung der unterschiedlichen, einander widerstreitenden öffentlichen und privaten Schutz- und Nutzungsinteressen. Die Verbote der Landschaftsschutzgebietsverordnung sind - mit Ausnahme der Regelung in § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 (vgl. hierzu unten b aa) - mit höherrangigem Recht vereinbar.

§ 26 Abs. 1 BNatSchG knüpft die Unterschutzstellung von Gebieten an bestimmte normativ gegebene Voraussetzungen. Sind diese erfüllt, ist der der Naturschutzbehörde verbleibende Handlungsspielraum in erster Linie durch eine dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verpflichtete Würdigung der sich gegenüberstehenden Interessen des Naturschutzes auf der einen und der Nutzungsinteressen der Grundeigentümer auf der anderen Seite geprägt (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 1.2.2007 - 7 BN 1.07 - juris Rn. 7; HessVGH, U.v. 7.10.2004 - 4 N 3101/00 - NuR 2005, 791). Hierbei müssen - konkret zutage tretende Interessenkonflikte ausgenommen - nicht sämtliche tatsächlichen oder mutmaßlichen Nutzungsinteressen abwägend in den Blick genommen werden. Vielmehr ist den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes genügt, wenn etwaigen Einzelinteressen durch ein System von Ausnahme- und Befreiungsregelungen Rechnung getragen und auf diesem Weg eine Würdigung konkreter Situationen im Rahmen einer Einzelfallbeurteilung ermöglicht wird (vgl. Gellermann in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 22 BNatSchG Rn. 16; Fischer-Hüftle/J. Schumacher/A. Schumacher in Schumacher/Fischer-Hüftle, BNatSchG, § 22 Rn. 10, jeweils m.w.N.).

Regelungen in einer naturschutzrechtlichen Verordnung, die die Nutzbarkeit von Grundstücken situationsbedingt einschränken, sind keine Enteignungen nach Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG, sondern Bestimmungen von Inhalt und Schranken des Eigentums i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 5.2.2009 - 7 CN 1.08 - NuR 2009, 346 Rn. 36 m.w.N.; BayVGH, U.v. 13.7.2000 - 9 N 96.2311 - juris Rn. 48). Dies gilt auch insoweit, als diese Regelungen in konkrete, durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Rechtspositionen eingreifen. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, dass jedes Grundstück durch seine Lage und Beschaffenheit sowie die Einbettung in seine Umwelt geprägt wird. Diese Situationsgebundenheit kann zu einer entsprechenden Beschränkung der Eigentümerbefugnisse nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG führen. Bei der Inhalts- und Schrankenbestimmung unterliegt der Normgeber verfassungsrechtlichen Schranken. Er hat insbesondere den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Unverhältnismäßig sind naturschutzrechtliche Nutzungsbeschränkungen vor allem dann, wenn nicht mehr genügend Raum für einen privatnützigen Gebrauch des Eigentums verbleibt oder wenn eine Nutzung, die bisher ausgeübt worden ist oder sich nach Lage der Dinge objektiv anbietet, ohne jeglichen Ausgleich unterbunden wird (vgl. BVerwG, U.v. 5.2.2009 - 7 CN 1.08 - NuR 2009, 346 Rn. 36). Die Grenzen zulässiger Eigentumsinhaltsbestimmung sind auch dann überschritten, wenn die Nutzungsbeschränkungen ungeeignet sind, die verfolgten Ziele des Landschaftsschutzes zu erreichen (vgl. BVerwG, U.v. 13.4.1983 - 4 C 76.80 - NuR 1983, 272).

a) Der Antragsgegner hat im Normsetzungsverfahren alle für und gegen eine Einbeziehung der maßgeblichen Flächen sprechenden öffentlichen und privaten Belange, insbesondere die der Antragstellerin an der künftigen Nutzung ihrer Grundstücke, in die Abwägung eingestellt und sie unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit entsprechend der ihnen zukommenden Gewichtung gegeneinander abgewogen. Dies ergibt sich aus der der Sitzungsvorlage als Anlage 3 beiliegenden ausführlichen „Prüfung der eingegangenen Anregungen und Einwendungen“ (Bl. 2444 ff. d. A.) und zeigt sich an der Ausgestaltung der Regelungen der Landschaftsschutzgebietsverordnung.

Bei den betroffenen Grundstücken handelt es sich vielfach um (teilweise intensiv) landwirtschaftlich genutzte Grundstücke, deren Bodennutzung wie bisher weitergeführt werden kann. Die Landschaftsschutzgebietsverordnung sieht in ihrem § 6 Nr. 2 vor, dass die ordnungsgemäße land- und forstwirtschaftliche Bodennutzung i.S.d. Art. 6 Abs. 4 BayNatSchG von den Beschränkungen der Verordnung ausgenommen bleibt und räumt damit den privaten Nutzungsinteressen insoweit grundsätzlich den Vorrang vor den Landschaftsschutzbelangen ein. Eine landwirtschaftliche Bodennutzung in diesem Sinne stellt aus Sicht des Senats auch der von einem Landwirt durchgeführte großflächige Anbau von Erdbeeren dar. Hinsichtlich der in § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 16 bis 18 der Landschaftsschutzgebietsverordnung geregelten (präventiven) Verbote insbesondere des Anbaus bestimmter Energiepflanzen, die auch für die ordnungsgemäße land- und forstwirtschaftliche Bodennutzung gelten, konnte der Antragsgegner im Rahmen der Abwägung ohne Abwägungsfehler dem öffentlichen Interesse an Natur und Landschaft den Vorrang gegenüber den Eigentümerinteressen geben, zumal er den Anbau örtlich traditionell angebauter Feldfrüchte wie Mais keiner Erlaubnispflicht unterstellt hat (vgl. im Einzelnen unten b bb). Da die landwirtschaftliche Bodennutzung trotz der Ausweisung als Landschaftsschutzgebiet - jedenfalls weitgehend - wie bisher fortgeführt werden kann, ist nicht ersichtlich, wie sich eine spürbare nachteilige Auswirkung auf die weitere Verpachtung und den zu erzielenden Ertrag ergeben sollte (vgl. BayVGH, U.v. 13.7.2000 - 9 N 98.3587 - juris Rn. 53). Zwar ist nicht auszuschließen, dass der Grundstücksmarkt oder Banken, etwa bei einer Beleihung der Grundstücke, auf deren nunmehrige Lage im Landschaftsschutzgebiet reagieren werden. Aus dem Gewährleistungsgehalt der Eigentumsgarantie lässt sich aber kein Recht auf bestmögliche Nutzung des Eigentums ableiten. Eine Minderung der Wirtschaftlichkeit ist grundsätzlich ebenso hinzunehmen wie eine Verschlechterung der Verwertungsaussichten (vgl. BVerwG, U.v. 10.7.2012 - 7 A 11.11 - BVerwGE 143, 249 Rn. 74; BayVGH, U.v. 13.7.2000 a.a.O.). Der Antragsgegner hat diesen Aspekt in seine Abwägung miteinbezogen und ohne Fehler behandelt (vgl. Bl. 2463 R d. A.).

Der Antragsgegner hat sich im Rahmen der Prüfung der Einwendungen auch mit den Interessen der Landwirte am Bau weiterer landwirtschaftlicher Gebäude befasst (vgl. z.B. Bl. 2452 V, 2454 R und 2460 R d. A.). Er hat insbesondere die Privilegierungstatbestände des § 35 Abs. 1 und 4 BauGB gesehen, ist aber zu dem Ergebnis gelangt, dass selbst verfahrensfreie Vorhaben wie etwa kleinere Stadel bei entsprechender Situierung oder größerer Anzahl die Landschaft, insbesondere die zu schützenden Hangkanten, erheblich beeinträchtigen könnten. Die Erlaubnispflicht nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 der Landschaftsschutzgebietsverordnung sei daher auch in Bezug auf derartige Vorhaben erforderlich, um deren Auswirkungen im Sinne des Landschaftsschutzes steuern zu können. Dies ist ebenso wenig zu beanstanden wie die weitere Annahme des Antragsgegners, auch Nutzungsänderungen bestehender Gebäude könnten mit negativen Auswirkungen auf das Landschaftsbild oder den Erholungswert der Landschaft verbunden sein, etwa wegen verstärkten Verkehrsaufkommens oder zusätzlichen Lärms. Im Ergebnis geht der Antragsgegner aber zu Recht davon aus, dass sich an der Zulässigkeit von baulichen Anlagen - insbesondere auf der Hofstelle der Antragstellerin - bei Berücksichtigung der Belange der Landschaftsschutzgebietsverordnung gegenüber der bisherigen Rechtslage wenig ändern wird, da nach § 5 Abs. 3 der Landschaftsschutzgebietsverordnung ein Anspruch auf die Erteilung einer Erlaubnis besteht, wenn der besondere Schutzzweck der Verordnung nach § 3 einem Bauvorhaben nicht entgegensteht und der Charakter des Gebiets nicht verändert wird. Dementsprechend hält der Antragsgegner sogar zusätzliche landwirtschaftliche Gebäude im Bereich der Hofstelle P …, die sich größenmäßig am Bestand orientieren, aus naturschutzfachlicher Sicht für durchaus denkbar, zumal der Hof bereits gut eingegrünt sei. Der Vorbehalt diene lediglich dem Zweck, die Errichtung oder (Nutzungs)Änderung von baulichen Anlagen auf ihre Verträglichkeit mit den Schutzzwecken der Landschaftsschutzgebietsverordnung prüfen zu können. In bestehende Nutzungen werde nicht eingegriffen. Nach alledem ist nichts dafür ersichtlich, dass es durch die Landschaftsschutzgebietsverordnung zu gravierenden oder unzumutbaren Einschränkungen kommen wird - zu den einzelnen präventiven Verboten siehe unten b -, so dass sich die Frage einer ausgleichspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmung (vgl. hierzu § 68 BNatSchG, Art. 42 BayNatSchG) voraussichtlich nicht stellt. Auch wenn verfahrensfreie Gebäude i.S.d. Art. 57 BayBO nunmehr der Erlaubnispflicht nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 der Landschaftsschutzgebietsverordnung unterliegen, ist der Aufwand für einen Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis gering, ohne weiteres zumutbar und im Interesse des Schutzes von Natur und Landschaft sachlich gerechtfertigt (vgl. BayVGH, U.v. 13.7.2000 - 9 N 96.2311 - juris Rn. 51); bei genehmigungsbedürftigen Bauvorhaben wird die Erlaubnis durch die gemäß Art. 55 Abs. 1 BayBO erforderliche Baugenehmigung ersetzt (Art. 18 Abs. 1 BayNatSchG).

b) Auch im Übrigen sind - mit Ausnahme von § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 der Landschaftsschutzgebietsverordnung (aa) - die Verbote mit höherrangigem Recht vereinbar (bb).

aa) § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 der Landschaftsschutzgebietsverordnung ist im tenorierten Umfang, also insoweit unwirksam, als eine Erlaubnispflicht für das Fahren und Abstellen von Kraftfahrzeugen auf im Gebietsumgriff liegenden Grundstücken mit baurechtlich zulässigen Nutzungen besteht. Im Übrigen ist das Verbot wirksam.

(1) Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 der Landschaftsschutzgebietsverordnung bedarf einer Erlaubnis, wer beabsichtigt, außerhalb der dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Straßen, Wege und Plätze mit Kraftfahrzeugen zu fahren oder diese dort abzustellen; ausgenommen sind Fahrzeuge zur land- und forstwirtschaftlichen Bewirtschaftung, Polizeifahrzeuge und Fahrzeuge der Bewohner, Besucher und Lieferanten des Anwesens P … Die Teilunwirksamkeit dieser Regelung konnte festgestellt werden, obwohl mangels nachteiliger Betroffenheit kein Interesse der Antragstellerin an dieser Feststellung ersichtlich ist. Sie unterliegt als Eigentümerin des Anwesens P … ausdrücklich nicht diesem Erlaubnisvorbehalt; die Ausnahme erstreckt sich ersichtlich auf den gesamten Anliegerverkehr zu ihrer Hofstelle. Die teilweise Unwirksamkeitserklärung ergibt sich aus der Funktion des Normenkontrollverfahrens als eines (auch) objektiven Prüfungsverfahrens (vgl. BVerwG, B.v. 18.7.1989 - 4 N 3.87 - BVerwGE 82, 225).

(2) Für andere Grundeigentümer als die Antragstellerin, die eine baurechtlich zulässige Nutzung, etwa zu Wohnzwecken, in dem von der Landschaftsschutzgebietsverordnung umfassten Gebiet ausüben - dies betrifft insbesondere die an öffentlichen Straßen liegenden Grundstücke FlNr. … der Gemarkung Oberhaching und FlNr. … der Gemarkung Taufkirchen -, stellt § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 der Landschaftsschutzgebietsverordnung einen unverhältnismäßigen Eingriff in ihr Eigentum dar, da er ihnen bzw. ihren Besuchern etc. untersagt, erlaubnisfrei auf ihre Grundstücke mit - nicht land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienenden - Fahrzeugen zu fahren und dort zu parken. Ein solches (präventives) Verbot ist ersichtlich zur Erreichung der Schutzzwecke der Landschaftsschutzgebietsverordnung nicht erforderlich.

Soweit gerügt wird, § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 der Landschaftsschutzgebietsverordnung stelle auch die Zufahrt von Krankenwagen, Feuerwehr und Müllfahrzeugen in das Landschaftsschutzgebiet unter Erlaubnisvorbehalt, kann dem nicht gefolgt werden. Die Zufahrt zum Anwesen P … bzw. auf öffentlich gewidmeten Straßen zu anderen Grundstücken ist - wie oben ausgeführt - ohnehin gestattet. Im Übrigen genießen solche Fahrzeuge Sonderrechte (vgl. z.B. § 35 StVO) und dürfen insbesondere aus übergeordneten Gründen, etwa im Notfall, Grundstücke anfahren. Dafür, dass der Verordnungsgeber in diese Sonderrechte eingreifen wollte, ist nichts ersichtlich. Insbesondere spricht hierfür auch nicht der Umstand, dass Polizeifahrzeuge ausdrücklich vom Erlaubnisvorbehalt ausgenommen wurden; dies ist nur deshalb geschehen, weil die Polizei - im Gegensatz zu anderen Stellen - mit Schreiben vom 13. Dezember 2013 (Bl. 1952 d. A.) ausdrücklich darum gebeten hatte. Auch aus der Sicht des Gerichts wäre allerdings eine entsprechende Klarstellung seitens des Verordnungsgebers wünschenswert gewesen.

(3) Die vom Senat festgestellte Unwirksamkeit hat nicht die Ungültigkeit der Vorschrift insgesamt oder sonstiger Teile der Landschaftsschutzgebietsverordnung zur Folge. Der fehlerfreie Teil der Regelung bleibt objektiv sinnvoll und ist subjektiv vom Willen des Verordnungsgebers umfasst (vgl. zur Anwendbarkeit des § 139 BGB im Rahmen eines Bebauungsplans BVerwG, B.v. 6.4.1993 - 4 NB 43.92 - NuR 1994, 189). Insoweit ist der Erlaubnisvorbehalt in § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 der Landschaftsschutzgebietsverordnung auch rechtlich nicht zu beanstanden. Er entspricht weitgehend der schon bestehenden Gesetzeslage (vgl. Art. 57 Abs. 4 Nr. 2 und 3 BayNatSchG) und dient den in § 3 Nr. 1 Alt. 1, Nr. 3 der Landschaftsschutzgebietsverordnung genannten Zwecken, die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts zu erhalten und wiederherzustellen und ein Naherholungsgebiet zu sichern bzw. den Erholungsverkehr zu ordnen und zu lenken (s. auch § 26 Abs. 2 BNatSchG). Andere Teile der Landschaftsschutzgebietsverordnung sind von der teilweisen Unwirksamkeit der Bestimmung schon deshalb nicht erfasst, weil diese nur ganz wenige (bebaute) Grundstücke betrifft und im Vergleich zum Gesamtinhalt der Verordnung nur von untergeordneter Bedeutung ist.

bb) Mit Blick auf die in § 3 der Landschaftsschutzgebietsverordnung geregelten Schutzzwecke und wegen der in § 5 Abs. 3 der Landschaftsschutzgebietsverordnung geregelten Pflicht zur Erteilung einer Erlaubnis (ergänzt durch die Befreiungsmöglichkeit in § 7 der Landschaftsschutzgebietsverordnung) stellen sich auch die übrigen (präventiven) Verbote der Landschaftsschutzgebietsverordnung nicht als unverhältnismäßige Eingriffe in das Eigentum dar, sondern als hinreichend bestimmte Inhaltsbestimmungen i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG; Anhaltspunkte für Verstöße gegen das Übermaßverbot sind nicht ersichtlich. Dies gilt insbesondere für die nachfolgenden Regelungen:

(1) § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 18 der Landschaftsschutzgebietsverordnung stellt den Anbau von Energiepflanzen, die aufgrund ihres unkontrollierbaren Verbreitungsverhaltens heimische Wild- und Kulturpflanzen verdrängen können oder die aufgrund ihrer äußeren Eigenschaften eine Beeinträchtigung oder Verfremdung der Landschaft darstellen können, mit Ausnahme von örtlich traditionell angebauten Feldfrüchten, unter Erlaubnisvorbehalt. Unzumutbare Beschränkungen ergeben sich hieraus nicht. Den Eigentümern landwirtschaftlicher Flächen wie auch der Antragstellerin werden - soweit ersichtlich - weder bisher ausgeübte Nutzungen verboten noch Nutzungen untersagt, die sich nach Lage der Dinge objektiv anbieten. Der Erlaubnisvorbehalt ist geeignet, den Schutzzwecken der Landschaftsschutzgebietsverordnung, die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts zu erhalten und die Eigenart der Landschaft zu bewahren (vgl. § 3 Nr. 1 der Landschaftsschutzgebietsverordnung), zu dienen. Was die invasiven Pflanzen betrifft (vgl. hierzu auch die Begriffsbestimmung in § 7 Abs. 2 Nr. 9 BNatSchG), gilt es, die größtenteils ökologisch wertvollen Hangkanten, die Feuchtwiesen und die sonstigen ökologisch wertvollen Flächen vor diesen Pflanzen zu schützen (vgl. auch § 40 Abs. 1 BNatSchG), zumal diese in Biotopen nur händisch entfernt werden dürfen und nicht, wie z.B. auf Ackerflächen, mit chemischen Mitteln. Soweit (zusätzlich) Energiepflanzen verboten sind, die aufgrund ihrer äußeren Eigenschaften zu einer Verfremdung der Landschaft führen können - hier nennt die Verordnung beispielhaft das Sudangras -, erscheint auch dies grundsätzlich noch von den Schutzzwecken der Verordnung gedeckt und letztlich für die Landwirte auch von untergeordneter Bedeutung. Die übermäßige Wuchshöhe, die einige beispielhaft angeführte Pflanzen erreichen können (z.B. Sudangras bis 3 m Höhe, Pfahlrohr bis 6 m Höhe), würde die Eigenart der Landschaft jedenfalls insoweit beeinträchtigen, als durch sie die Blickbeziehung zu den Hangkanten gestört werden kann. Zwar könnte dies auch durch den Anbau von Mais der Fall sein; hinsichtlich des Anbaus dieser zwar aus ökologischer Sicht umstrittenen, bei vielen Landwirten aber sehr beliebten Energiepflanze hat der Verordnungsgeber aber aus Verhältnismäßigkeitsgründen zu Recht den Interessen der Landwirtschaft den Vorrang eingeräumt. Das (lediglich präventive) Verbot wird zudem durch den Erlaubnisvorbehalt in § 5 Abs. 3 der Landschaftsschutzgebietsverordnung abgemildert. Danach ist eine Erlaubnis nach Absatz 1 zu erteilen, wenn der besondere Schutzzweck der Verordnung den Handlungen nicht entgegensteht und der Charakter des Gebiets nicht verändert wird. Der bloße Aufwand für einen Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis für den Anbau von im konkreten Einzelfall nicht beeinträchtigenden Energiepflanzen ist gering, ohne weiteres zumutbar und im Interesse des Schutzes von Natur und Landschaft sachlich gerechtfertigt (vgl. BayVGH, U.v.13.7.2000 - 9 N 96.2311 - juris Rn. 51).

Ein Verstoß des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 18 der Landschaftsschutzgebietsverordnung gegen das Bestimmtheitsgebot als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG bzw. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) ist ebenfalls nicht ersichtlich. Die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe wie „unkontrollierbares Verbreitungsverhalten“ und „Beeinträchtigung oder Verfremdung der Landschaft aufgrund ihrer äußeren Eigenschaften“ ist zulässig und verstößt auch im Rahmen von bußgeldbewehrten Tatbeständen (vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 2 der Landschaftsschutzgebietsverordnung) nicht gegen den dort anwendbaren Grundsatz „nulla poena sine lege“ (Art. 103 Abs. 2 GG), der einen über das allgemeine rechtsstaatliche Gebot der genügenden Bestimmtheit von Rechtsnormen hinausgehenden strengen Gesetzesvorbehalt enthält (vgl. BayVerfGH, E.v. 30.9.2014 - Vf. 1-VII-14 - NuR 2015, 116 Rn. 36 m.w.N.). Gegen die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe bestehen keine Bedenken, wenn sich mithilfe der üblichen Auslegungsmethoden, insbesondere durch Heranziehung anderer Vorschriften desselben Gesetzes, durch Berücksichtigung des Normzusammenhangs oder aufgrund gefestigter Rechtsprechung eine zuverlässige Grundlage für die Auslegung und Anwendung der Vorschrift gewinnen lässt. § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 18 der Landschaftsschutzgebietsverordnung nennt selbst Beispiele für Pflanzen, die die o.g. Voraussetzungen erfüllen, wie Miscanthus, Sudangras, Pfahlrohr, Topinambur, sodass sich Anhaltspunkte für die Auslegung des Begriffs finden lassen. Im Zweifelsfall kann vom Betroffenen erwartet werden, dass er sich durch Nachfrage bei der zuständigen Behörde sachkundig macht (vgl. BayVerfGH, E.v. 30.9.2014 - Vf. 1-VII-14 - NuR 2015, 116 Rn. 37 m.w.N.). Abgesehen davon hat das Bundesamt für Naturschutz eine graue Liste über potentiell invasive bzw. eine schwarze Liste über invasive Pflanzen erstellt, sodass auch auf diesem Wege eine entsprechende Information zu erlangen ist.

(2) Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 der Landschaftsschutzgebietsverordnung ist die kleingärtnerische Nutzung von Flächen mit Ausnahme von Gemüse auf nicht eingezäunten Ackerparzellen verboten. Der hier verwendete Begriff „kleingärtnerische Nutzung“ verstößt weder gegen das Bestimmtheitsgebot noch unterfällt die gärtnerische Nutzung von Hausgärten (vgl. zu diesem Begriff auch § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 13 der Landschaftsschutzgebietsverordnung) der Erlaubnispflicht. Der Begriff „kleingärtnerisch“ ist i.S.d. § 1 des Bundeskleingartengesetzes (BKleingG) vom 28. Februar 1983 (BGBl I S. 210) zu verstehen und auch ohne ausdrückliche Bezugnahme auf diese Regelung eindeutig definiert. Der Antragsgegner hat auf dieses Begriffsverständnis wiederholt in der „Prüfung der eingegangenen Anregungen und Einwendungen“ vom 26. November 2013 hingewiesen (vgl. z.B. Bl. 2453 V d. A.). Ein Hausgarten erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 1 BKleingG, da er nicht in einer Anlage liegt, in der mehrere Einzelgärten mit gemeinschaftlichen Einrichtungen, z.B. Wegen, Spielflächen und Vereinshäusern, zusammengefasst sind. Der Erlaubnisvorbehalt ist im Hinblick auf die in Kleingärten regelmäßig vorhandenen Einrichtungen und Beschränkungen des Zugangs zu diesen Flächen durch die Schutzzwecke des § 3 Nr. 1 Alt. 2 und § 3 Nr. 2 der Landschaftsschutzgebietsverordnung, wonach die Eigenart der Landschaft zu bewahren ist und Störungen der Erholungssuchenden vermieden werden sollen, gerechtfertigt und wegen der getroffenen Ausnahme auch verhältnismäßig.

(3) Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 17 der Landschaftsschutzgebietsverordnung steht die Vornahme von Erstaufforstungen unter Erlaubnisvorbehalt. Die Aufnahme des Er-laubnisvorbehalts rechtfertigt sich aus den in § 3 Nr. 1 Alt. 1 und Buchst. b der Landschaftsschutzgebietsverordnung genannten Schutzzwecken, wonach die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts erhalten und wiederhergestellt werden und der Lebensraum für die dortigen Vorkommen der in Bayern und im Naturraum gefährdeten und rückläufigen Pflanzen- und Tierarten geschützt und entwickelt werden soll. Eine Veränderung insbesondere von biotopkartierten Flächen durch Aufforstungen könnte deren ökologische Wertigkeit maßgeblich beeinträchtigen. Im Übrigen rechtfertigt sich die Aufnahme des Erlaubnisvorbehalts aus § 3 Nr. 1 Alt. 2 der Landschaftsschutzgebietsverordnung, wonach die Vielfalt, Eigenart und Schönheit der Landschaft bewahrt werden soll. (Großflächige) Aufforstungen würden das Landschaftsbild des offenen Talraums, der mit Baumgruppen und Hecken gegliedert ist, beeinträchtigen. Die Aufforstung nicht forstlich genutzter Grundstücke bzw. auf nicht zur Aufforstung vorgesehenen Flächen mit Waldbäumen durch Saat oder Pflanzung bedarf ohnehin bereits nach Art. 16 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 BayWaldG der Erlaubnis. Die Ersatzpflanzung von Bäumen unterliegt nicht der Erlaubnispflicht.

(4) Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 der Landschaftsschutzgebietsverordnung ist eine Erlaubnis erforderlich für eine oberirdisch über den zugelassenen Gemeingebrauch hinausgehende Wasserentnahme, für eine Veränderung von Gewässern, deren Ufern, des Zu- und Ablaufs, für die Herstellung neuer Gewässer oder die Errichtung von Dränanlagen. Die Aufnahme des Erlaubnisvorbehalts rechtfertigt sich aus den in § 3 Nr. 1 Alt. 1 und Buchst. b der Landschaftsschutzgebietsverordnung genannten Schutzzwecken, wonach die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts erhalten und wiederhergestellt werden und der Lebensraum für die dortigen Vorkommen der in Bayern und im Naturraum gefährdeten und rückläufigen Pflanzen- und Tierarten geschützt und entwickelt werden soll. Sie ist darin begründet, dass die ökologisch wertvollen Feuchtwiesen und Auen durch (weitere) Entwässerung bedroht sind, wodurch die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts beeinträchtigt wird. Soweit die in § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 der Landschaftsschutzgebietsverordnung vorgesehenen Maßnahmen im Rahmen der ordnungsgemäßen land- und forstwirtschaftlichen Bodennutzung geschehen, sind sie nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 der Landschaftsschutzgebietsverordnung ohnehin von der Erlaubnispflicht freigestellt.

(5) Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 16 der Landschaftsschutzgebietsverordnung steht die maschinelle Räumung von Entwässerungs- und Vorflutgräben unter Erlaubnisvorbehalt. Die Aufnahme des Erlaubnisvorbehalts rechtfertigt sich ebenfalls aus den in § 3 Nr. 1 Alt. 1 und Buchst. b der Landschaftsschutzgebietsverordnung genannten Schutzzwecken. Die Regelung ist zum Schutz der Feuchtwiesen erforderlich. Bei einer zu tiefen Räumung besteht die Gefahr, dass die geschützten Nass- und Feuchtwiesen weiter entwässert werden und so ihre Funktion als Lebensraum gefährdeter Tier- und Pflanzenarten verlieren. Ob eine maschinelle Räumung erlaubnisfähig ist, kann so im Einzelfall anhand der konkreten Umstände vor Ort und der beabsichtigten Vorgehensweise geprüft werden. Sollte sie tatsächlich nicht genehmigungsfähig sein, so kann der Graben gegebenenfalls von Hand geräumt werden.

(6) Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 der Landschaftsschutzgebietsverordnung steht die vollständige oder teilweise Beseitigung von Bäumen, Hecken oder sonstigen Gehölzen außerhalb des Waldes unter Erlaubnisvorbehalt. Die Aufnahme des Erlaubnisvorbehalts rechtfertigt sich aus den in § 3 Nr. 1 der Landschaftsschutzgebietsverordnung genannten Schutzzwecken, wonach die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts und das Landschaftsbild, das durch Gehölzstrukturen belebt wird, erhalten werden sollen (vgl. auch § 39 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG, Art. 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayNatSchG). Erforderliche Pflegemaßnahmen werden vom Erlaubnisvorbehalt nicht erfasst.

(7) Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 15 der Landschaftsschutzgebietsverordnung steht die Durchführung organisierter Veranstaltungen in der freien Natur, die nach ihrer Art und ihrem Umfang und nach den örtlichen Gegebenheiten eine Beeinträchtigung der betroffenen Grundstücke und deren Umgebung erwarten lassen, unter Erlaubnisvorbehalt. Die Aufnahme des Erlaubnisvorbehalts rechtfertigt sich aus dem in § 3 Nr. 1 Alt. 1 und Buchst. b, Alt. 2 sowie § 3 Nr. 2 der Landschaftsschutzgebietsverordnung genannten Schutzzwecken, wonach die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts erhalten und wiederhergestellt, der Lebensraum für die dortigen Vorkommen der in Bayern und im Naturraum gefährdeten und rückläufigen Pflanzen- und Tierarten geschützt und entwickelt werden sollen und Beeinträchtigungen der freien Landschaft durch die Errichtung temporärer oder fester Bauten sowie Störungen der Erholungssuchenden vermieden werden sollen. Diesen Schutzzwecken kann nur dann Geltung verschafft werden, wenn eine Einzelfallprüfung jeder geplanten Veranstaltung hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts, den Lebensraum von Tieren und Pflanzen sowie das Landschaftsbild stattfinden kann. Bezüglich der Abhaltung des jährlichen Taufkirchner Johannisfeuers auf FlNr. … der Gemarkung Taufkirchen hat der Antragsgegner bereits bekundet, dass gegen die Erteilung einer Erlaubnis grundsätzlich keine Bedenken bestehen, da bisher bei der Veranstaltung keine Bauten errichtet worden seien, die Veranstaltung nur einmal im Jahr stattfinde und ein ausreichender Abstand zu den Feuchtwiesen eingehalten werde; die durch die Veranstaltung beeinträchtigte Grasnarbe regeneriere sich innerhalb weniger Wochen, sodass keine bleibenden Schäden zu befürchten seien.

(8) Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 14 der Landschaftsschutzgebietsverordnung steht das Grillen, Errichten von offenen Feuerstätten und das Anzünden von unverwahrtem Feuer im Rahmen der Erholungsnutzung in der freien Natur unter Erlaubnisvorbehalt. Die Aufnahme des Erlaubnisvorbehalts rechtfertigt sich ebenfalls aus den in § 3 Nr. 1 Alt. 1 und Buchst. b sowie § 3 Nr. 2 der Landschaftsschutzgebietsverordnung genannten Schutzzwecken. Aus dem Wortlaut des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 14 der Landschaftsschutzgebietsverordnung ergibt sich, dass der Erlaubnisvorbehalt lediglich Feuerstellen im Rahmen der Erholungsnutzung in der freien Natur erfasst und damit private Gärten nicht davon betroffen sind. Für das Grillen am Autobahnweiher war schon bisher - unabhängig von der Landschaftsschutzgebietsverordnung - eine Erlaubnis nach Art. 17 Abs. 1 BayWaldG erforderlich, da sich alle dort denkbaren Standorte im Bereich einer Entfernung von weniger als 100 m zum Wald befinden.

(9) Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 19 der Landschaftsschutzgebietsverordnung bedarf einer Erlaubnis, wer Hunde in den in den Schutzgebietskarten markierten Bereichen zwischen dem 15. März und dem 31. Juli jeden Jahres ohne Leine oder an einer mehr als drei Meter langen Leine laufen lässt. Die Aufnahme dieses Erlaubnisvorbehalts rechtfertigt sich aus den in § 3 Nr. 1 Alt. 1 und Buchst. b der Landschaftsschutzgebietsverordnung genannten Schutzzwecken. In den Wiesen und Feldern beidseits des P … Wegs brüten zahlreiche geschützte Vogelarten, wie z.B. Rohrsänger, Schafstelze, Kiebitz, Feldlerche und Wasserralle. Es gilt zu unterbinden, dass Hunde vom P … Weg aus in diese Flächen laufen und die Vögel während des Brutgeschäfts empfindlich stören. Da die Tiere nicht nur auf den Feuchtwiesen, sondern oft auch auf den anderen Wiesen und Äckern brüten, ist ein durchgehender Regelungsbereich entlang des P … Wegs erforderlich. Bei der Ausgleichsfläche auf dem Grundstück FlNr. … der Gemarkung Oberhaching soll vermieden werden, dass die dort angelegten Amphibiengewässer als Hundebad verwendet und darin befindlicher Laich oder Kaulquappen zerstört werden.

Es verstößt nicht gegen das Bestimmtheitsgebot, dass die Kennzeichnung des Gebiets, in dem ein Hundeanleingebot besteht, in Verordnungstext und Karte nicht einheitlich vorgenommen worden ist. Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 19 der Landschaftsschutzgebietsverordnung gilt dieses in den in den Schutzgebietskarten durch Schraffur dargestellten Bereichen. In den Schutzgebietskarten sind die entsprechenden Gebiete jedoch mit der Farbe „rosa“ markiert. Bestimmt der Verordnungsgeber beispielweise den räumlichen Geltungsbereich einer Landschaftsschutzgebietsverordnung sowohl durch wörtliche Umschreibung im Verordnungstext selbst als auch durch Bezugnahme auf eine Karte, so genügt es rechtsstaatlichen Anforderungen an die Normklarheit und -bestimmtheit, wenn der räumliche Geltungsbereich nach einer der beiden Methoden hinreichend bestimmbar ist. Die Festlegung des räumlichen Geltungsbereichs einer Verordnung kann sowohl durch wörtliche Umschreibungen im Verordnungstext selbst als auch durch den Abdruck einer genauen Karte in der Verordnung oder aber - wenn diese beiden Möglichkeiten ausscheiden - durch wörtliche Umschreibung in groben Umrissen unter Bezugnahme auf Karten oder Verzeichnisse in rechtsstaatlich einwandfreier Weise geschehen (vgl. Art. 51 Abs. 3 Satz 1 LStVG; BVerwG, U.v. 27.1.1967 - IV C 105.65 - BVerwGE 26, 129; B.v. 16.5.1991 - 4 NB 26.90 - BVerwGE 88, 204; BayVGH, U.v. 22.11.2001 - 9 N 98.3640 - juris Rn. 27 m.w.N.). Entsprechendes hat für eine dem Bestimmtheitsgebot genügende Beschreibung des Geltungsbereichs des Hundeanleingebots zu gelten. Aus der Textfassung des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 19 der Landschaftsschutzgebietsverordnung ergibt sich, dass das Hundeanleingebot nur in Teilbereichen der Landschaftsschutzgebietsverordnung gelten soll. Laut Legende der Schutzgebietskarten (im Maßstab 1:5000 und 1:25000) ist das Gebiet, in dem das „Hundeanlein-Gebot nach § 5 Abs. 1 Nr. 19“ gilt, mit der Farbe „rosa“ gekennzeichnet; dieses Gebiet ist in der Karte entsprechend markiert. Der räumliche Geltungsbereich ist jedenfalls durch die wörtliche Beschreibung in der Legende im Zusammenspiel mit der farblichen Kennzeichnung in der jeweiligen Schutzgebietskarte hinreichend bestimmt.

Da lediglich eine Teilbestimmung des § 5 der angegriffenen Landschaftsschutzgebietsverordnung nicht mit höherrangigem Recht im Einklang steht, war dem Normenkontrollantrag nur insoweit stattzugeben.

Angesichts des nur sehr untergeordneten Erfolgs der Antragstellerin hält es der Senat für angemessen, dieser die gesamten Verfahrenskosten nach § 154 Abs. 1 VwGO aufzuerlegen (vgl. den Rechtsgedanken des § 155 Abs. 1 Satz 3VwGO).

Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Der Antragsgegner hat die Entscheidungsformel hinsichtlich der für unwirksam erklärten Rechtsvorschrift in derselben Weise zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekannt zu machen wäre (§ 47 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

(1) Zur Vorbereitung oder Verwirklichung von Raumordnungsplänen oder von sonstigen raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen sollen die Träger der Landes- und Regionalplanung mit den hierfür maßgeblichen öffentlichen Stellen und Personen des Privatrechts einschließlich Nichtregierungsorganisationen und der Wirtschaft zusammenarbeiten oder auf die Zusammenarbeit dieser Stellen und Personen hinwirken. Die Zusammenarbeit nach Satz 1 kann sowohl zur Entwicklung einer Region als auch im Hinblick auf regionen- oder grenzübergreifende Belange erfolgen; die Zusammenarbeit von Gemeinden zur Stärkung teilräumlicher Entwicklungen (interkommunale Zusammenarbeit) ist zu unterstützen.

(2) Formelle und informelle Arten der Zusammenarbeit nach Absatz 1 können insbesondere sein:

1.
Vertragliche Vereinbarungen, insbesondere zur Koordinierung oder Verwirklichung von raumordnerischen Entwicklungskonzepten und zur Vorbereitung oder Verwirklichung von Raumordnungsplänen,
2.
Maßnahmen wie regionale Entwicklungskonzepte, überregionale, regionale und interkommunale Netzwerke und Kooperationsstrukturen, regionale Foren und Aktionsprogramme zu aktuellen Handlungsanforderungen,
3.
Durchführung einer Raumbeobachtung und Bereitstellung der Ergebnisse für regionale und kommunale Träger sowie für Träger der Fachplanung im Hinblick auf raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen, sowie Beratung dieser Träger.
Im Falle des Satzes 1 Nr. 1 kann Gegenstand der vertraglichen Vereinbarung auch die Übernahme von Kosten sein, die dem Träger der Landes- oder Regionalplanung bei der im Interesse des Vertragspartners liegenden Vorbereitung oder Verwirklichung von Raumordnungsplänen entstehen.

(1) Bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen ist von der für den Raumordnungsplan zuständigen Stelle eine Umweltprüfung durchzuführen, in der die voraussichtlichen erheblichen Auswirkungen des Raumordnungsplans auf

1.
Menschen, einschließlich der menschlichen Gesundheit, Tiere, Pflanzen und die biologische Vielfalt,
2.
Fläche, Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft,
3.
Kulturgüter und sonstige Sachgüter sowie
4.
die Wechselwirkung zwischen den vorgenannten Schutzgütern
zu ermitteln und in einem Umweltbericht frühzeitig zu beschreiben und zu bewerten sind; der Umweltbericht enthält die Angaben nach der Anlage 1. Der Untersuchungsrahmen der Umweltprüfung einschließlich des erforderlichen Umfangs und Detaillierungsgrads des Umweltberichts ist festzulegen; die öffentlichen Stellen, deren umwelt- und gesundheitsbezogener Aufgabenbereich von den Umweltauswirkungen des Raumordnungsplans berührt werden kann, sind hierbei zu beteiligen. Die Umweltprüfung bezieht sich auf das, was nach gegenwärtigem Wissensstand und allgemein anerkannten Prüfmethoden sowie nach Inhalt und Detaillierungsgrad des Raumordnungsplans angemessenerweise verlangt werden kann.

(2) Bei geringfügigen Änderungen von Raumordnungsplänen kann von einer Umweltprüfung abgesehen werden, wenn durch eine überschlägige Prüfung unter Berücksichtigung der in Anlage 2 genannten Kriterien festgestellt wurde, dass sie voraussichtlich keine erheblichen Umweltauswirkungen haben werden. Diese Prüfung ist unter Beteiligung der öffentlichen Stellen, deren umwelt- und gesundheitsbezogener Aufgabenbereich von den Umweltauswirkungen des Raumordnungsplans berührt werden kann, durchzuführen. Sofern festgestellt wurde, dass keine erheblichen Umweltauswirkungen zu erwarten sind, sind die zu diesem Ergebnis führenden Erwägungen in die Begründung des Plans aufzunehmen.

(3) Die Umweltprüfung soll bei der Aufstellung eines Raumordnungsplans auf zusätzliche oder andere erhebliche Umweltauswirkungen beschränkt werden, wenn in anderen das Plangebiet ganz oder teilweise umfassenden Plänen oder Programmen bereits eine Umweltprüfung nach Absatz 1 durchgeführt wurde. Die Umweltprüfung kann mit anderen Prüfungen zur Ermittlung oder Bewertung von Umweltauswirkungen verbunden werden.

(4) Die erheblichen Auswirkungen der Durchführung der Raumordnungspläne auf die Umwelt sind auf Grundlage der in der zusammenfassenden Erklärung nach § 10 Abs. 3 genannten Überwachungsmaßnahmen von der in den Landesplanungsgesetzen genannten Stelle, oder, sofern Landesplanungsgesetze keine Regelung treffen, von der für den Raumordnungsplan zuständigen oder der im Raumordnungsplan bezeichneten öffentlichen Stelle zu überwachen, um insbesondere unvorhergesehene nachteilige Auswirkungen frühzeitig zu ermitteln und um in der Lage zu sein, geeignete Maßnahmen zur Abhilfe zu ergreifen. Die in ihren Belangen berührten öffentlichen Stellen unterrichten die öffentliche Stelle nach Satz 1, sofern nach den ihnen vorliegenden Erkenntnissen die Durchführung des Raumordnungsplans erhebliche, insbesondere unvorhergesehene nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt hat.

(5) Das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung Vorgaben zu erlassen zur Berücksichtigung von artenschutzrechtlichen Belangen im Rahmen der Umweltprüfung bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen. Sofern dabei auch Fragen der Windenergie an Land berührt sind, sind die Vorgaben auch im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz zu erlassen.

(1) In Raumordnungsplänen sind für einen bestimmten Planungsraum und einen regelmäßig mittelfristigen Zeitraum Festlegungen als Ziele und Grundsätze der Raumordnung zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums, insbesondere zu den Nutzungen und Funktionen des Raums, zu treffen. Es kann festgelegt werden, dass bestimmte Nutzungen und Funktionen des Raums nur für einen bestimmten Zeitraum oder ab oder bis zum Eintritt bestimmter Umstände vorgesehen sind; eine Folge- oder Zwischennutzung kann festgelegt werden. Die Festlegungen nach Satz 1 und 2 können auch in räumlichen und sachlichen Teilplänen getroffen werden. Ziele und Grundsätze der Raumordnung sind als solche zu kennzeichnen.

(2) Bei der Aufstellung der Raumordnungspläne sind die öffentlichen und privaten Belange, soweit sie auf der jeweiligen Planungsebene erkennbar und von Bedeutung sind, gegeneinander und untereinander abzuwägen. Das Ergebnis der Umweltprüfung nach § 8 sowie die Stellungnahmen im Beteiligungsverfahren nach § 9 sind in der Abwägung nach Satz 1 zu berücksichtigen. Raumordnungspläne benachbarter Planungsräume sind aufeinander abzustimmen.

(3) Die Festlegungen nach Absatz 1 können auch Gebiete bezeichnen. Insbesondere können dies Gebiete sein,

1.
die für bestimmte raumbedeutsame Funktionen oder Nutzungen vorgesehen sind und andere raumbedeutsame Funktionen oder Nutzungen in diesem Gebiet ausschließen, soweit diese mit den vorrangigen Funktionen oder Nutzungen nicht vereinbar sind (Vorranggebiete),
2.
die bestimmten raumbedeutsamen Funktionen oder Nutzungen vorbehalten bleiben sollen, denen bei der Abwägung mit konkurrierenden raumbedeutsamen Funktionen oder Nutzungen besonderes Gewicht beizumessen ist (Vorbehaltsgebiete),
3.
in denen bestimmten raumbedeutsamen Maßnahmen oder Nutzungen, die städtebaulich nach § 35 des Baugesetzbuchs zu beurteilen sind, andere raumbedeutsame Belange nicht entgegenstehen, wobei diese Maßnahmen oder Nutzungen an anderer Stelle im Planungsraum ausgeschlossen sind (Eignungsgebiete),
4.
die im Meeresbereich liegen, und in denen bestimmten raumbedeutsamen Funktionen oder Nutzungen andere raumbedeutsame Belange nicht entgegenstehen, wobei diese Funktionen oder Nutzungen an anderer Stelle im Planungsraum ausgeschlossen sind (Eignungsgebiete für den Meeresbereich).
Bei Vorranggebieten kann festgelegt werden, dass sie zugleich die Wirkung von Eignungsgebieten nach Satz 2 Nummer 3 oder 4 haben.

(4) Die Raumordnungspläne sollen auch diejenigen Festlegungen zu raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen von öffentlichen Stellen und Personen des Privatrechts nach § 4 Absatz 1 Satz 2 enthalten, die zur Aufnahme in Raumordnungspläne geeignet und zur Koordinierung von Raumansprüchen erforderlich sind und die durch Ziele oder Grundsätze der Raumordnung gesichert werden können.

(5) Den Raumordnungsplänen ist eine Begründung beizufügen.

(6) Soweit ein Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung oder ein europäisches Vogelschutzgebiet in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen erheblich beeinträchtigt werden kann, sind bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen nach den § 13 und § 17 Absatz 1 und 2 die Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes über die Zulässigkeit und Durchführung von derartigen Eingriffen einschließlich der Einholung der Stellungnahme der Europäischen Kommission anzuwenden.

(7) Die Vorschriften dieses Gesetzes über die Aufstellung von Raumordnungsplänen gelten auch für ihre Änderung, Ergänzung und Aufhebung.

(8) Raumordnungspläne nach § 13 Absatz 6 und § 17 sind mindestens alle zehn Jahre zu überprüfen.

(1) Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es

1.
einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt,
2.
einem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung dient,
3.
der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität, Gas, Telekommunikationsdienstleistungen, Wärme und Wasser, der Abwasserwirtschaft oder einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb dient,
4.
wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll, es sei denn, es handelt sich um die Errichtung, Änderung oder Erweiterung einer baulichen Anlage zur Tierhaltung, die dem Anwendungsbereich der Nummer 1 nicht unterfällt und die einer Pflicht zur Durchführung einer standortbezogenen oder allgemeinen Vorprüfung oder einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt, wobei bei kumulierenden Vorhaben für die Annahme eines engen Zusammenhangs diejenigen Tierhaltungsanlagen zu berücksichtigen sind, die auf demselben Betriebs- oder Baugelände liegen und mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden sind,
5.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie nach Maßgabe des § 249 oder der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wasserenergie dient,
6.
der energetischen Nutzung von Biomasse im Rahmen eines Betriebs nach Nummer 1 oder 2 oder eines Betriebs nach Nummer 4, der Tierhaltung betreibt, sowie dem Anschluss solcher Anlagen an das öffentliche Versorgungsnetz dient, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit dem Betrieb,
b)
die Biomasse stammt überwiegend aus dem Betrieb oder überwiegend aus diesem und aus nahe gelegenen Betrieben nach den Nummern 1, 2 oder 4, soweit letzterer Tierhaltung betreibt,
c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben und
d)
die Kapazität einer Anlage zur Erzeugung von Biogas überschreitet nicht 2,3 Millionen Normkubikmeter Biogas pro Jahr, die Feuerungswärmeleistung anderer Anlagen überschreitet nicht 2,0 Megawatt,
7.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken oder der Entsorgung radioaktiver Abfälle dient, mit Ausnahme der Neuerrichtung von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität,
8.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient
a)
in, an und auf Dach- und Außenwandflächen von zulässigerweise genutzten Gebäuden, wenn die Anlage dem Gebäude baulich untergeordnet ist, oder
b)
auf einer Fläche längs von
aa)
Autobahnen oder
bb)
Schienenwegen des übergeordneten Netzes im Sinne des § 2b des Allgemeinen Eisenbahngesetzes mit mindestens zwei Hauptgleisen
und in einer Entfernung zu diesen von bis zu 200 Metern, gemessen vom äußeren Rand der Fahrbahn, oder
9.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie durch besondere Solaranlagen im Sinne des § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 Buchstabe a, b oder c des Erneuerbare-Energien-Gesetzes dient, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit einem Betrieb nach Nummer 1 oder 2,
b)
die Grundfläche der besonderen Solaranlage überschreitet nicht 25 000 Quadratmeter und
c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben.

(2) Sonstige Vorhaben können im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist.

(3) Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt insbesondere vor, wenn das Vorhaben

1.
den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht,
2.
den Darstellungen eines Landschaftsplans oder sonstigen Plans, insbesondere des Wasser-, Abfall- oder Immissionsschutzrechts, widerspricht,
3.
schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann oder ihnen ausgesetzt wird,
4.
unwirtschaftliche Aufwendungen für Straßen oder andere Verkehrseinrichtungen, für Anlagen der Versorgung oder Entsorgung, für die Sicherheit oder Gesundheit oder für sonstige Aufgaben erfordert,
5.
Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet,
6.
Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur beeinträchtigt, die Wasserwirtschaft oder den Hochwasserschutz gefährdet,
7.
die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt oder
8.
die Funktionsfähigkeit von Funkstellen und Radaranlagen stört.
Raumbedeutsame Vorhaben dürfen den Zielen der Raumordnung nicht widersprechen; öffentliche Belange stehen raumbedeutsamen Vorhaben nach Absatz 1 nicht entgegen, soweit die Belange bei der Darstellung dieser Vorhaben als Ziele der Raumordnung abgewogen worden sind. Öffentliche Belange stehen einem Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 in der Regel auch dann entgegen, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist.

(4) Den nachfolgend bezeichneten sonstigen Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 kann nicht entgegengehalten werden, dass sie Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans widersprechen, die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lassen, soweit sie im Übrigen außenbereichsverträglich im Sinne des Absatzes 3 sind:

1.
die Änderung der bisherigen Nutzung eines Gebäudes, das unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 errichtet wurde, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben dient einer zweckmäßigen Verwendung erhaltenswerter Bausubstanz,
b)
die äußere Gestalt des Gebäudes bleibt im Wesentlichen gewahrt,
c)
die Aufgabe der bisherigen Nutzung liegt nicht länger als sieben Jahre zurück,
d)
das Gebäude ist vor mehr als sieben Jahren zulässigerweise errichtet worden,
e)
das Gebäude steht im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Hofstelle des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs,
f)
im Falle der Änderung zu Wohnzwecken entstehen neben den bisher nach Absatz 1 Nummer 1 zulässigen Wohnungen höchstens fünf Wohnungen je Hofstelle und
g)
es wird eine Verpflichtung übernommen, keine Neubebauung als Ersatz für die aufgegebene Nutzung vorzunehmen, es sei denn, die Neubebauung wird im Interesse der Entwicklung des Betriebs im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 erforderlich,
2.
die Neuerrichtung eines gleichartigen Wohngebäudes an gleicher Stelle unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das vorhandene Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden,
b)
das vorhandene Gebäude weist Missstände oder Mängel auf,
c)
das vorhandene Gebäude wurde oder wird seit längerer Zeit vom Eigentümer selbst genutzt und
d)
Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des bisherigen Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird; hat der Eigentümer das vorhandene Gebäude im Wege der Erbfolge von einem Voreigentümer erworben, der es seit längerer Zeit selbst genutzt hat, reicht es aus, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird,
3.
die alsbaldige Neuerrichtung eines zulässigerweise errichteten, durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstörten, gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle,
4.
die Änderung oder Nutzungsänderung von erhaltenswerten, das Bild der Kulturlandschaft prägenden Gebäuden, auch wenn sie aufgegeben sind, wenn das Vorhaben einer zweckmäßigen Verwendung der Gebäude und der Erhaltung des Gestaltwerts dient,
5.
die Erweiterung eines Wohngebäudes auf bis zu höchstens zwei Wohnungen unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden,
b)
die Erweiterung ist im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse angemessen und
c)
bei der Errichtung einer weiteren Wohnung rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass das Gebäude vom bisherigen Eigentümer oder seiner Familie selbst genutzt wird,
6.
die bauliche Erweiterung eines zulässigerweise errichteten gewerblichen Betriebs, wenn die Erweiterung im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen ist.
In begründeten Einzelfällen gilt die Rechtsfolge des Satzes 1 auch für die Neuerrichtung eines Gebäudes im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1, dem eine andere Nutzung zugewiesen werden soll, wenn das ursprüngliche Gebäude vom äußeren Erscheinungsbild auch zur Wahrung der Kulturlandschaft erhaltenswert ist, keine stärkere Belastung des Außenbereichs zu erwarten ist als in Fällen des Satzes 1 und die Neuerrichtung auch mit nachbarlichen Interessen vereinbar ist; Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis g gilt entsprechend. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 und 3 sowie des Satzes 2 sind geringfügige Erweiterungen des neuen Gebäudes gegenüber dem beseitigten oder zerstörten Gebäude sowie geringfügige Abweichungen vom bisherigen Standort des Gebäudes zulässig.

(5) Die nach den Absätzen 1 bis 4 zulässigen Vorhaben sind in einer flächensparenden, die Bodenversiegelung auf das notwendige Maß begrenzenden und den Außenbereich schonenden Weise auszuführen. Für Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6, 8 Buchstabe b und Nummer 9 ist als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung eine Verpflichtungserklärung abzugeben, das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückzubauen und Bodenversiegelungen zu beseitigen; bei einer nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 und 8 Buchstabe b zulässigen Nutzungsänderung ist die Rückbauverpflichtung zu übernehmen, bei einer nach Absatz 1 Nummer 1 oder Absatz 2 zulässigen Nutzungsänderung entfällt sie. Die Baugenehmigungsbehörde soll durch nach Landesrecht vorgesehene Baulast oder in anderer Weise die Einhaltung der Verpflichtung nach Satz 2 sowie nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe g sicherstellen. Im Übrigen soll sie in den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 sicherstellen, dass die bauliche oder sonstige Anlage nach Durchführung des Vorhabens nur in der vorgesehenen Art genutzt wird.

(6) Die Gemeinde kann für bebaute Bereiche im Außenbereich, die nicht überwiegend landwirtschaftlich geprägt sind und in denen eine Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden ist, durch Satzung bestimmen, dass Wohnzwecken dienenden Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 nicht entgegengehalten werden kann, dass sie einer Darstellung im Flächennutzungsplan über Flächen für die Landwirtschaft oder Wald widersprechen oder die Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lassen. Die Satzung kann auch auf Vorhaben erstreckt werden, die kleineren Handwerks- und Gewerbebetrieben dienen. In der Satzung können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Voraussetzung für die Aufstellung der Satzung ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar ist,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
Bei Aufstellung der Satzung sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. § 10 Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden. Von der Satzung bleibt die Anwendung des Absatzes 4 unberührt.

Tenor

Die Teilfortschreibung des Regionalplans 2012 für den Planungsraum I zur Ausweisung von Eignungsgebieten für die Windenergienutzung wird für unwirksam erklärt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Antragsgegner wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten abzuwenden, wenn nicht die Antragstellerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Antragstellerin wendet sich gegen die Teilfortschreibung des Regionalplans 2012 für den Planungsraum I zur Ausweisung von Eignungsgebieten für die Windenergienutzung. Gleichzeitig mit dieser Teilfortschreibung erfolgten auch die Teilfortschreibungen des Regionalplans 2012 für die übrigen Planungsräume (Planungsräume II bis V). Ziel dieser Teilfortschreibung ist es einerseits, zu den aufgrund früherer Planung bereits bestehenden Windeignungsflächen weitere Windeignungsflächen hinzuzufügen, so dass insgesamt ca. 1,5 % der Landesfläche als Windeignungsflächen ausgewiesen werden. Andererseits soll die Windenergienutzung auf diese Eignungsflächen konzentriert werden. Die Antragstellerin fühlt sich durch diese Planung beeinträchtigt, weil sie außerhalb der Windeignungsflächen Windenergieanlagen errichten und betreiben möchte. Sie hat für die dafür vorgesehenen Flächen langfristige Nutzungsverträge mit den Grundeigentümern geschlossen.

2

Grundlage der Teilfortschreibung ist der am 13. Juli 2010 veröffentlichte (Amtsbl. S. 719) Landesentwicklungsplan 2010 (LEP). In Ziffer 3.5.2 sind dort die Grundsätze und Ziele der Raumordnung in Bezug auf die Windenergie geregelt. Darin ist die Zielbestimmung getroffen, dass ca. 1,5 % der Landesfläche in den Regionalplänen als Eignungsgebiete für die Windenergienutzung festzulegen sind (Ziffer 3.5.2 Abs. 3). Ferner sind dort unter anderem folgende Regelungen als Ziele der Raumordnung festgesetzt:

3

„6 Bei der Festlegung von Eignungsgebieten für Windenergie gelten die Empfehlungen der entsprechenden Runderlasse zur Planung von Windenergieanlagen in der jeweils aktuellen Fassung.

4

5

8 Die Festlegung von Eignungsgebieten für die Windenergienutzung gemäß Ziffer 3.5.2 Absatz 3 ist in folgenden Gebieten nicht zulässig (Ausschlussgebiete):

6
- im Gebiet des Nationalparks Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer sowie in der Nordsee bis zur Hoheitsgrenze;
7
- auf den Nordfriesischen Inseln und Halligen;
8
- in der Ostsee bis zur Hoheitsgrenze;
9
- in der Elbe bis zur Hoheitsgrenze sowie auf sonstigen Wasserflächen (Seen und Flüsse);
10
- innerhalb der in den Regionalplänen festgelegten Siedlungsachsen und Besonderen Siedlungsräumen;
11
- auf Vordeichflächen aller Art;
12
- in bestehenden Naturschutzgebieten sowie in Gebieten, die die Voraussetzungen für eine Unterschutzstellung nach § 23 LNatSchG in Verbindung mit § 13 LNatSchG erfüllen, für die ein Verfahren nach § 22 Absatz 2 Satz 1 BNatSchG in Verbindung mit § 19 LNatSchG eingeleitet ist oder die nach § 22 BNatSchG in Verbindung mit § 12 LNatSchG einstweilig sichergestellt sind;
13
- in gesetzlich geschützten Biotopen, europäischen Vogelschutzgebieten und FFH-Gebieten;
14
- in Wäldern;
15
- auf größeren, regelmäßig aufgesuchten bevorzugten Nahrungs- und Rastflächen sowie im Bereich zugeordneter Vogelflugfelder.“

16

Absatz 9 benennt als Ziel der Raumordnung bestimmte Gebietstypen, in denen die Festlegung von Windenergieeignungsgebieten nur zulässig ist, wenn dies im Einzelfall mit dem Schutz- und Nutzungszweck dieser Gebiete vereinbar ist (Ausschlussgebiete mit der Möglichkeit der Feinsteuerung auf der Regionalplanebene). Als Grundsatz der Raumordnung räumt Absatz 10 der Regionalplanung die Befugnis ein, für bestimmte charakteristische Landschaftsräume Ausschlussgebiete festzusetzen.

17

Mit der angefochtenen Teilfortschreibung des Regionalplans 2012 für den Planungsraum I, die die Ziffer 6.4.2 des Regionalplans für den Planungsraum I, Fortschreibung 1998, vom 16. Juli 1998 (Amtsblatt S. 751) ersetzt, und den entsprechenden Regelungen für die vier weiteren Planungsräume setzte der Antragsgegner die Regelungen des LEP wie folgt um:

18

In allen fünf Teilgebieten wurden insgesamt 13.300 ha Eignungsflächen neu ausgewiesen, so dass nach der Teilfortschreibung aller Planungsräume insgesamt ca. 1,7 Prozent der Landesfläche als Windeignungsgebiete festgesetzt sind. Die Eignungsgebiete sind für jedes Teilgebiet jeweils in einer Karte zeichnerisch dargestellt. Für die jeweiligen Teilgebiete sind die Grundsätze und Ziele der Raumordnung im Einzelnen textlich dargelegt. Für das Teilgebiet I ist in Ziffer 6.4.2.1 Abs. 3 die Geltung der „Empfehlungen des entsprechenden Runderlasses zur Planung von Windenergieanlagen in der jeweils geltenden Fassung“ als Ziel der Raumordnung bestimmt. Als Ziel der Raumordnung ist in Ziffer 6.4.2.1 Abs. 4 ferner geregelt:

19

„Innerhalb der in der Karte ausgewiesenen Eignungsgebiete stimmt die Errichtung von Windenergieanlagen mit den Zielen der Raumordnung und Landesplanung überein. Sofern und soweit die Windenergienutzung in einem Eignungsgebiet kleinräumig gesteuert oder darüber hinaus in ihrem flächenmäßigen Umfang eingeschränkt werden soll oder artenschutzrechtliche Belange dies erfordern, ist ein Flächennutzungsplanverfahren (§ 35 Absatz 3 Satz 3 gegebenenfalls in Verbindung mit § 5 Absatz 2 b BauGB) erforderlich. Eine flächenmäßige Einschränkung ist zu begründen und muss beachten, dass das landesplanerische Ziel der Windenergienutzung erhalten bleibt. Dieses Ziel wird durch eine angemessene begrenzte Einschränkung der Eignungsgebiete im Wege der Flächennutzungsplanung der einzelnen Gemeinden nicht in Frage gestellt. Inhalte der Landschaftsplanung, Lärmauswirkungen auf bewohnte Gebiete, die Rücksichtnahme auf die Planung benachbarter Gemeinden sowie weitere städtebauliche, landschaftspflegerische oder sonstige öffentliche und private Belange können im Wege der Abwägung eine Reduzierung der Eignungsgebiete rechtfertigen.“

20

Als Grundsatz der Raumordnung heißt es in Ziffer 6.4.2.4, dass sich die Eignungsgebiete in einigen Gemeinden mit Gebieten mit besonderer Bedeutung für den Vogelschutz beziehungsweise mit potenziellen Beeinträchtigungsbereichen empfindlicher und geschützter Vogelarten überschnitten. Weiterhin lägen die Eignungsgebiete einiger Gemeinden in unmittelbarer Nachbarschaft zu Kompensationsflächen von Straßenbauprojekten, die artenschutzrechtliche Entwicklungsziele hätten. Der Antragsgegner wies ferner als Grundsatz der Raumordnung in Ziffer 6.4.2.5 darauf hin, dass sich in verschiedenen Eignungsgebieten sowie in der Nähe verschiedener Eignungsgebiete eingetragene Kulturdenkmale befänden. Ziffer 6.4.2.4 und 6.4.2.5 sehen für die betroffenen Gebiete arten- und denkmalschutzrechtliche Vorbehalte vor. Vergleichbare artenschutzrechtliche und denkmalschutzrechtliche Vorbehalte gibt es auch für zahlreiche Eignungsgebiete in den übrigen Planungsräumen.

21

Die Teilfortschreibungen des Regionalplans wurden - parallel mit der Aufstellung des Landesentwicklungsplans und der Änderung der Runderlasse zur Planung von Windenergieanlagen - seit 2009 vorbereitet. Der Antragsgegner bat die Kreise, sogenannte Kreiskonzepte zu erstellen. Dabei sollten die Kreise die Ziffer 7.5.2 Abs. 8 bis 10 des damaligen Entwurfs des LEP 2010, die weitgehend den Absätzen 8 bis 10 der Ziffer 3.5.2 des geltenden LEP entsprechen, sowie die im damals noch geltenden gemeinsamen Runderlass verschiedener Ministerien vom 04. Juli 1995 geregelten Abstände zu schutzwürdigen Nutzungen (Bl. 102 der Verfahrensakte) zu Grunde legen. Unabhängig von der fachlichen Eignung sollten keine Flächen aus Gemeinden in die Eignungsflächen einbezogen werden, die die Errichtung von Windkraftanlagen ablehnen; demgemäß wurde verfahren. Parallel zur Erstellung der Kreiskonzepte ermittelte die Landesplanung ohne Berücksichtigung des Gemeindewillens allein nach fachlichen Gesichtspunkten Potenzialflächen. Bei einem Vergleich der Kreiskonzepte mit den Potenzialflächen der Landesplanung stellte sich heraus, dass sowohl die von den Kreisen gemeldeten Potenzialflächen als auch die Potenzialflächen der Landesplanung für sich genommen mehr als ausreichend für die erforderlichen Neuausweisungen (11.300 ha = 0,72 %) zur Erreichung des im LEP genannten Ziels (23.600 ha = 1,5 % der Landesfläche) gewesen wären. Eine Verschneidung der Flächen ergab allerdings, dass lediglich 3.452 ha = 0,22 % der Landesfläche deckungsgleich waren. Ein wesentlicher Grund hierfür war, dass die Kreise wegen negativer Voten der Gemeinden viele von der Landesplanung benannte Potenzialflächen nicht gemeldet hatten (Bl. 6094 der Planungsvorgänge). Daraufhin wurden sämtliche von den Kreisen und Gemeinden benannten Flächen überprüft. Ergebnis der Überprüfung war ein erster Vorentwurf der Landesplanung, der nochmals mit den Kreisen und verschiedenen Landesbehörden abgestimmt wurde.

22

Das Verfahren zur Teilfortschreibung der Regionalpläne wurde förmlich durch Runderlass des Innenministeriums vom 19. Juli 2011 eingeleitet (Amtsblatt, S. 458). Gleichzeitig wurde das Verfahren zur Anhörung der Öffentlichkeit bekannt gemacht (Amtsblatt, S. 461); die Planentwürfe wurden anschließend öffentlich ausgelegt.

23

Nach Auswertung der eingegangenen Stellungnahmen überarbeitete und änderte der Antragsgegner die Planentwürfe; er strich verschiedene zunächst ausgewiesene Eignungsräume in Gemeinden, die sich zwischenzeitlich gegen eine Windkraftnutzung ausgesprochen hatten. Anregungen, weitere Eignungsräume auszuweisen, wurden abgelehnt, wenn die betroffenen Gemeinden damit nicht einverstanden waren. Der Antragsgegner legte die geänderten Pläne erneut aus. Nach Durchführung der 2. Öffentlichkeitsbeteiligung änderte der Antragsgegner die Pläne nochmals. Im Planungsraum I wurden die Gebiete 248 und 308 aufgrund nachträglicher ablehnender Gemeindevoten gestrichen; für das Gebiet 204 wurde die Abgrenzung geändert.

24

Die Feststellung der Teilfortschreibung wurde am 17. Dezember 2012 im Amtsblatt öffentlich bekannt gemacht (für den Planungsraum I S. 1318).

25

Die Antragstellerin hat am 18. Februar 2013 gegen die Teilfortschreibung des Regionalplans für den Planungsraum I einen Normenkontrollantrag gestellt. Sie macht unter anderem geltend:

26

Die Teilfortschreibung des Regionalplans für den Planungsraum I leide an mehreren beachtlichen formellen Fehlern. Sie sei auch materiell mangelhaft. Die Planung entspreche nicht den Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts an ein schlüssiges gesamträumliches Plankonzept. Den in dieser Rechtsprechung entwickelten Anforderungen an die Potenzialflächenfindung werde der Antragsgegner aus mehreren Gründen nicht gerecht. Zum einen unterscheide er nicht zwischen harten und weichen Tabuzonen, sondern behandele alle Ausschluss- und Abstandsflächen als harte Tabuzonen, weil er sich fälschlicher Weise an die Vorgaben des Landesentwicklungsplans (LEP) gebunden sehe. Eine Bindung an die Ziffern 3.5.2 Abs. 6 und Abs. 8 LEP habe aber nicht bestanden, denn es handele sich hierbei - trotz ihrer Bezeichnung als Ziele der Raumordnung - nur um Grundsätze der Raumordnung. Ob eine raumordnerische Vorgabe die Qualität eines Ziels habe, hänge nicht von der Bezeichnung, sondern dem materiellen Gehalt der Planaussage selbst ab. Die Rechtsqualität eines Zieles erlange eine als solche gekennzeichnete Planaussage nur, wenn die sich aus § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG ergebenden Voraussetzungen eines Ziels der Raumordnung erfüllt seien. Anderenfalls handele es sich nur um einen planerischen Grundsatz. Ziffer 3.5.2 Abs. 6 LEP erfülle die Voraussetzungen eines Ziels der Raumordnung gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG nicht, weil diese Vorschrift eine dynamische Verweisung enthalte. Zum Zeitpunkt der Abwägung sei für den Plangeber nicht erkennbar gewesen, welche Ausschlussgebiete und welche Abstände von schutzwürdigen Nutzungen festgelegt würden. Tatsächlich hätten sich auch die Abstände zur Wohnbebauung im Runderlass vom 22. März 2011 gegenüber dem Runderlass vom 04. Juli 1995, der zum Zeitpunkt der Entscheidung der Abwägung über den LEP in Kraft gewesen sei, nicht unerheblich ausgeweitet. So sei der Abstand zu Einzelhäusern von 300 auf 400 m und der Abstand zu ländlichen Siedlungen von 500 auf 800 m erhöht worden. Grundsätze der Raumordnung hätten aber keine Bindungswirkung, sondern seien lediglich Vorgaben für die nachfolgende Abwägungs- oder Ermessensentscheidung. Selbst wenn Ziffer 3.5.2 Abs.6 LEP gleichwohl als Ziel der Raumordnung angesehen werde, entfalte dieses Ziel keine Bindungswirkung für den Regionalplan. Weil dem Plangeber im Zeitpunkt der Abwägung nicht bekannt gewesen sei, über welche Ausschlussgebiete und Abstandskriterien er letztlich eine Entscheidung treffe, sei diese Zielbestimmung rechtswidrig. Bindungswirkung könnten aber nur rechtmäßige Ziele der Raumordnung entfalten.

27

Die in Ziffer 3.5.2 Abs. 8 LEP aufgezählten Ausschlussgebiete habe der Antragsgegner zu Unrecht als harte Tabuzonen eingeordnet. Tatsächlich handele es sich dabei aber überwiegend um sogenannte weiche Tabuzonen, die der Abwägung zugänglich seien.

28

Die Regionalplanung stelle auch nicht sicher, dass der Windenergienutzung in substantieller Weise Raum verschafft werde. Ob dies der Fall sei, hänge nicht allein von quantitativen Kriterien ab, sondern auch von den bauplanungsrechtlichen Vorgaben und qualitativen Kriterien. Hier sei zu beanstanden, dass der Antragsgegner lediglich Eignungsgebiete gemäß § 8 Abs. 7 S. 1 Nr. 3 ROG, nicht aber zugleich auch Vorranggebiete gemäß § 8 Abs. 7 S. 1 Nr. 1 ROG ausgewiesen habe. Die Ausweisung eines Eignungsgebiets als Ziel der Raumordnung führe aber nicht dazu, dass die genannten Nutzungen sich gegen innergebietliche konkurrierende Nutzungen durchsetzen könnten. Innergebietlich bleibe die Bindungswirkung noch hinter derjenigen eines Vorbehaltsgebietes gemäß § 8 Abs. 7 S. 1 Nr. 2 ROG zurück. Es fehle damit an einer schlussabgewogenen Verplanung der Fläche des Eignungsgebiets für die gesteuerte Nutzung.

29

Selbst wenn Eignungsgebiete innergebietlich als Ziel der Raumordnung wirken könnten, fehle eine durch raumordnerische Abwägung gesicherte positive Nutzungszuweisung, die im Rahmen der gemeindlichen Bauleitplanung nicht mehr zur Disposition stehe und durch die der Planvorbehalt gemäß § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB ausgefüllt werden könne. Schon anhand des Wortlauts der Regelungen zur Windenergienutzung im angefochtenen Plan zeige sich, dass die Abwägung des Antragsgegners bei der Festsetzung der Eignungsgebiete nicht die nötige Dichte habe, um eine innergebietliche Schlussabgewogenheit zu erzeugen. Aus Ziffer 6.4.2.1 Abs. 4 für den Planungsraum I ergebe sich lediglich, dass innerhalb der ausgewiesenen Eignungsgebiete die Errichtung der Windenergieanlagen mit den Zielen der Raumordnung und der Landesplanung übereinstimme. Eine Regelung zum Konflikt mit anderen Nutzungen fehle. Auch die dynamischen Verweisungen auf die Runderlasse und die vollständige Offenheit der Einschränkungsmöglichkeiten der Windenergienutzung durch die Gemeinden zeigten, dass es an der erforderlichen Schlussabgewogenheit fehle. Hinzu kämen noch die weiteren Spielräume für die nachfolgenden Planungs- und Genehmigungsbehörden durch die Vorbehalte für den Artenschutz und den Denkmalschutz. Diese generellen Vorbehalte seien unzulässig. Eventuelle Konflikte mit dem Denkmalschutz und dem Artenschutz müssten auf der Ebene der Regionalplanung abgewogen werden und dürften nicht auf das Genehmigungsverfahren oder auf die kommunale Ebene verlagert werden.

30

Die Abwägung sei auch deshalb rechtswidrig, weil der Antragsgegner die Ausweisung von Windeignungsgebieten von dem politischen Willen der betroffenen Gemeinden abhängig gemacht habe. Dies sei unzulässig. Es sei bereits fraglich, ob das Einvernehmen einer Gemeinde überhaupt ein Auswahlkriterium bilden könne. Zweifelsfrei könne der Wunsch der Gemeinden aber nicht vorrangiges oder ausschlaggebendes Kriterium für oder gegen die Ausweisung einer Fläche sein. So sei hier jedoch verfahren worden. Gegen ein negatives Gemeindevotum hätten sich andere abwägungsrelevante Belange nicht durchsetzen können.

31

Die Antragstellerin beantragt,

32

die Teilfortschreibung des Regionalplans 2012 für den Planungsraum I zur Ausweisung von Eignungsgebieten für die Windenergienutzung für unwirksam zu erklären.

33

Der Antragsgegner beantragt,

34

den Normenkontrollantrag zurückzuweisen.

35

Der Antragsgegner hält den Normenkontrollantrag für unzulässig. Der Antragstellerin fehle das Rechtsschutzbedürfnis, denn bei Feststellung der Unwirksamkeit des angefochtenen Regionalplans seien die Regelungen des Regionalplans in der bisherigen Fassung anzuwenden. Dieser habe ebenfalls die Ausschlusswirkung des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB.

36

Der Normenkontrollantrag sei auch unbegründet.

37

Die geltend gemachten formellen Fehler lägen nicht vor. Die in der öffentlichen Bekanntmachung im Amtsblatt enthaltenen Hinweise zum ersten Planentwurf seien nicht zu beanstanden. Diese Hinweise seien mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu vereinbaren, denn sie seien nicht geeignet, interessierte Bürger an der Erhebung von Stellungnahmen abzuhalten. Er - der Antragsgegner - sei damit lediglich seiner Verpflichtung nachgekommen, auf das Substantiierungserfordernis und eine ordnungsgemäße Durchführung des Beteiligungsverfahrens hinzuwirken. Er sei auch nicht verpflichtet gewesen, eine dritte Anhörung gemäß § 10 Abs. 1 ROG durchzuführen, denn die nach der zweiten Anhörung erfolgten Änderungen berührten die Grundzüge der Planung nicht. Die mit Kabinettsbeschluss verabschiedete Teilfortschreibung sei eine Zusammenführung von Flächen, wie sie im ersten und zweiten Planentwurf dargestellt worden seien. Die Größe und Lage der Flächen variiere zwar vom ersten zum zweiten Planentwurf an einigen Stellen. Die Teilfortschreibung enthalte aber keine Flächen, die nicht entweder im ersten oder zweiten Planentwurf enthalten gewesen bzw. dort Gegenstand von Prüfungen oder Abwägungen gewesen seien. Erster und zweiter Entwurf und die in beiden Anhörungen erlangten Abwägungsmaterialien bildeten in der Gesamtschau eine lückenlose Sammlung. Daraus folge, dass für die Öffentlichkeit und die in ihren Belangen berührten Träger öffentlicher Belange die Gelegenheit bestanden habe, zu allen in der Teilfortschreibung getroffenen Entscheidungen ihre sich aus § 10 Abs. 1 S. 4 ROG ergebenden Beteiligungsrechte wahrzunehmen.

38

Die Regionalpläne seien auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden.

39

Die Festlegung von Windeignungsgebieten entfalte die in § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB normierte Ausschlusswirkung. Den Teilfortschreibungen des Regionalplans lasse sich entnehmen, dass mit den Eignungsgebieten Ziele der Raumordnung festgelegt werden sollten. Die außergebietliche Ausschlusswirkung ergebe sich aus § 8 Abs. 7 S. 1 Nr. 3 ROG. Innergebietlich träfen die Eignungsgebiete eine Eignungsaussage für bestimmte raumbedeutsame Nutzungen. Sie erklärten einen bestimmten Standort für grundsätzlich unbedenklich für eine definierte Nutzung. Hierin lägen die landesplanerische Letztentscheidung und damit auch eine Zielsetzung. Eine auf der Gemeindeebene erfolgende Planung könne die Eignung eines Gebietes nicht mehr gänzlich zur Disposition stellen. Nur die inner- gebietliche Ausgestaltung im Detail bleibe der nachfolgenden Planungsebene überlassen.

40

Für die Konzentrationsflächenplanung in Schleswig-Holstein sei zu beachten, dass sich bereits im Landesentwicklungsplan 2010 strenge Vorgaben für die Ausweisung von Eignungsgebieten befänden. Diese Vorgaben seien bei der Aufstellung der Teilfortschreibung für die Landesplanungsbehörde bindend gewesen. Mit den Angriffen gegen die Ausweisungskriterien greife die Antragstellerin inzident die Ziele der Raumordnung aus dem LEP an. Dies sei nicht berechtigt, denn die Ziele des LEP seien rechtmäßig. Die Ansicht, dem LEP liege kein schlüssiges räumliches Gesamtkonzept zugrunde, sei falsch. Die in Ziffer 3.5.2 LEP formulierten Ziele, zu denen insbesondere ein Katalog von harten und weichen Ausschlusskriterien gehöre, seien eine Weiterentwicklung der bisherigen Regionalpläne, in denen bis dahin in einer sehr ähnlichen Systematik diese Ausschlussgebiete formuliert gewesen seien.

41

Im Landesentwicklungsplan werde in rechtlich zulässiger Weise nach harten und weichen Tabukriterien unterschieden. Bei den in Ziffer 3.5.2 Abs. 8 LEP genannten Ausschlussgebieten handele es sich um harte Tabuzonen, in denen entweder arten- und naturschutzrechtliche Belange oder andere nicht mit der Windenergienutzung vereinbare Ziele der Raumordnung der Windenergienutzung faktisch oder aus begründeten planerischen Vorsorgeerwägungen heraus entgegenstünden. Die in Ziffer 3.5.2 Abs. 9 LEP genannten Ausschlussgebiete seien weiche Tabuzonen im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Die Dokumentation hinsichtlich der Unterscheidung zwischen harten und weichen Tabuzonen sei auf der Ebene des LEP erfolgt. Dass der LEP und die Teilfortschreibung des Regionalplans die Begriffe „weiche" und „harte" Tabuzonen nicht ausdrücklich benennen, sei ohne Bedeutung. Entscheidend sei, dass der Antragsgegner sich bei der Planerstellung an den von der Rechtsprechung erstellten Kriterien orientiert habe.

42

Bei der Aufstellung des LEP seien Flächen ermittelt worden, auf denen die Errichtung und der Betrieb von Windenergieanlagen aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen schlechthin ausgeschlossen sei. In einem zweiten Schritt seien im LEP diejenigen Flächen benannt worden, auf denen nach städtebaulichen bzw. raumordnerischen Vorstellungen Windkraftanlagen in der Regel nicht gebaut werden sollten. Die Runderlasse, auf die Ziffer 3.5.2 Abs. 6 LEP verweise, seien harte Tabukriterien, denn die Erlasse seien für die Landesplanungsbehörde als staatliche Behörde bindend. Sie dürfe davon nicht abweichen. FFH-Gebiete seien in Nr. 3.5.2 Abs. 8 LEP zu Recht als harte Tabuzonen eingeordnet worden. Windkraftanlagen seien dort zwar nicht zwingend ausgeschlossen. Bei Berücksichtigung der konkreten Planungssituation und der vorliegenden Zusammenhänge könne es aber gerechtfertigt sein, die genannten Schutzgebiete den Flächen zuzuordnen, auf denen Windenergieanlagen tatsächlich oder rechtlich ausgeschlossen seien. Die Landesplanung habe sich hier von dem Gedanken der Vorsorgeplanung leiten lassen und die raumplanerische Prämisse zugrunde gelegt, dass Schutzgebiete grundsätzlich wertvolle Naturräume seien, die von technischen Eingriffen unberührt bleiben sollten. Nur so könnten sie auch den allgemeineren, für alle naturschutzfachlichen Schutzgebiete geltenden Funktionen der Vielfalt, Eigenart und Schönheit sowie dem Erholungswert von Natur und Landschaft gerecht werden. Diese Funktionen würden durch die Windkraftanlagen, die mit ihrer Gesamthöhe von bis zu 200 m und ihrer Rotorbewegung für ein Element der Unruhe in der Landschaft sorgten, gefährdet werden. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass eine jeweils gebietsbezogene Einzelfallprüfung zu der Frage erforderlich wäre, ob die Errichtung von Windkraftanlagen mit den Erhaltungszielen des Gebiets vereinbar sei und ob sie zu einer Verschlechterung der zu schützenden Lebensraumtypen und -arten führen werde. Eine solche Verträglichkeitsprüfung könne nicht auf der Ebene der Regionalplanung durchgeführt werden. Möglicherweise hätte dieser Weg gleichwohl beschritten werden müssen, wenn im Laufe des Planungsprozesses festgestellt werde, dass bei einem vorsorgenden Pauschalausschluss aller Natura-2000 Gebiete nicht genug Raum für die Windenergienutzung verbleibe. Diese Gefahr habe aber in Schleswig-Holstein von vornherein nicht bestanden. Im Landesentwicklungsplan 2010 - Ziffer 5.2.1 Abs. 1 - komme das Ziel der Freihaltung auch dadurch zum Ausdruck, dass die Gebiete des Netzes Natura 2000 als Vorranggebiete für den Naturschutz darzustellen seien. Im Sinne einer schlüssigen Gesamtsystematik des LEP sei es nur folgerichtig, die FFH-Gebiete als Ausschlussgebiete für die Errichtung von Windkraftanlagen zu definieren, da nur so der Vorrang „Schutz der Natur“ umsetzbar sei. Insgesamt habe die Landesplanung damit plausibel begründet, weshalb sie aus übergeordneten raumplanerischen Gesichtspunkten die FFH-Gebiete als harte Tabukriterien festgelegt habe.

43

Die Berücksichtigung des Gemeindewillens sei nicht zu beanstanden. Der Ausschluss von Gebieten wegen des Gemeindewillens sei lediglich aufgrund eines Überangebotes an geeigneten Flächen erfolgt. Übergeordnetes Ziel der Planung sei es gewesen, der Windkraft zur Erfüllung des raumordnerischen Zieles (ca. 1,5 % der Landesfläche) in substantieller Weise Raum zu schaffen. Bei der Festlegung von Eignungsgebieten für Windkraftanlagen hätten die Wünsche der Gemeinden keinen pauschalen Vorrang gehabt. Die Landesplanung habe diesen Aspekt aber gleichwohl möglichst weitgehend im Planungsprozess verankern wollen, um am Ende einen auf breiter Basis akzeptierten Plan zu haben und um sicherzustellen, dass auf den ausgewiesenen Flächen der Windenergienutzung auf der Ebene der kommunalen Bauleitplanung möglichst weitgehend Raum verschafft werde. Die Landesplanung halte es für zulässig, die Gemeindebeschlüsse in der vorgenommenen Weise in die Abwägung einzubeziehen. In den Gemeindebeschlüssen drücke sich die bürgerschaftlich getragene Selbstbestimmung zur Regelung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft nach Art. 28 Abs. 2 GG aus. Die Landesplanung halte es dabei auch für gerechtfertigt, in geringem Umfang potenziell gut geeignete Flächen allein aufgrund des ablehnenden Gemeindevotums zu verwerfen, dafür aber Flächen mit artenschutzrechtlichen oder denkmalschutzrechtlichen Vorbehalten aufzunehmen. An dieser Stelle fließe das Kriterium der Akzeptanz in der Bevölkerung für das gesamträumliche Konzept mit in die Planung ein. Die Akzeptanz bei den von den Planungszielen betroffenen Menschen stelle dabei einen Wert dar, der für die Umsetzungsfähigkeit und Zukunftsfähigkeit des Planes eine den klassischen Schutzgütern vergleichbare Bedeutung habe. Wenn es um die Einbeziehung von basisdemokratischen Entscheidungen gehe (bei denen Gemeindebeschlüsse und Bürgerentscheide kommunalrechtlich gleichwertig seien), so handele es sich hierbei um eine politische Willensbildung, die gerade auf dieser Planungsebene sinnvoll berücksichtigt werden könne, da es hier um eine gesamträumliche Betrachtung in größerem, regionalem Maßstab gehe. Das gewählte Beschlussgremium der Gemeinde habe bei seinen Entscheidungen immer das Gemeinwohl im Blick (§ 1 Abs. 1 GO). Dies werde auch dadurch sichergestellt, dass Vorteilsnahme nach § 22 Abs. 1 GO ausgeschlossen werde. Insofern könne die Landesplanung davon ausgehen, dass Gemeindebeschlüsse das abgewogene Ergebnis einer nicht von Einzelinteressen geprägten Entscheidungsfindung seien.

44

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verfahrensakten zur Aufstellung des Landesentwicklungsplans 2010 sowie der Teilfortschreibung des Regionalplans 2012 für alle Planungsräume, die der Senat beigezogen hat, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

45

1) Der Normenkontrollantrag ist zulässig.

46

Der Antrag ist gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO statthaft, denn die angefochtene Teilfortschreibung des Regionalplans weist Windeignungsgebiete aus, die Ziele der Raumordnung im Sinne von § 8 Abs. 7 S. 1 Nr. 3 ROG darstellen. Derartige Regelungen sind auch dann gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO mit der prinzipalen Normenkontrolle anfechtbar, wenn sie nicht förmlich als Rechtsvorschrift ergangen sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.11.2003 - 4 CN 6.03 -, DVBl. 2004, 629).

47

Die Antragstellerin ist auch gemäß § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO antragsbefugt, denn der Antragsgegner bezweckt mit der Teilfortschreibung des Regionalplans eine Konzentration von Windkraftanlagen auf die Eignungsgebiete. Angesichts der Privilegierung von Windkraftanlagen gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB würde dieser Zweck allein durch eine planerische Bindung der Gemeinden gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 ROG nicht zuverlässig erreicht. Eine effektive Konzentrationswirkung ist nur gemäß § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB möglich. Diese Wirkung sollte durch die angefochtene Planung erzielt werden. Dies hat der Antragsgegner im Normenkontrollverfahren schriftsätzlich und nochmals in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Da die Antragstellerin außerhalb der Windeignungsflächen Windkraftanlagen errichten möchte und dazu zivilrechtlich befugt ist, wird sie durch die beabsichtigte Ausschlusswirkung unmittelbar in ihren Rechten betroffen.

48

Die Antragstellerin hat auch ein Rechtsschutzbedürfnis für den Normenkontrollantrag. Bei Feststellung der Unwirksamkeit der angefochtenen Teilfortschreibung des Regionalplans ersetzt dieser zwar nicht mehr die Ziffer 6.4.2 des Regionalplans für den Planungsraum I, Fortschreibung 1998, vom 16. Juli 1998 (Amtsbl. 751). Diese Regelung, die ebenfalls eine Konzentrationswirkung bezweckt (vgl. Ziffer 6.4.2 Abs. 2 der alten Fassung), gilt dann fort (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.08.1990 - 4 C 3/90 - BVerwGE 85, 289 - Juris Rn. 21; 23.04.2002 - 4 CN 3/01 - NVwZ 2002, 1126 - Juris Rn. 9 - beide zur Fortwirkung früherer Bebauungspläne; Sächs. OVG, Urt. v. 25.03. 2014 - 1 C 4/11 - Juris Rn. 37 zur Fortwirkung eines früheren Regionalplans). Dieser Zusammenhang lässt aber das Rechtsschutzbedürfnis nicht entfallen. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass das Rechtsschutzbedürfnis für einen Normenkontrollantrag nur dann fehlt, wenn der Antragsteller durch die von ihm angestrebte Unwirksamkeitserklärung der beanstandeten Rechtsnorm seine Rechtsstellung nicht verbessern kann. Steht die angefochtene Rechtsnorm der baulichen Nutzung eines Grundstücks entgegen, so fehlt das Rechtsschutzbedürfnis nur dann, wenn unzweifelhaft ist, dass der Antragsteller seinem Ziel durch die Feststellung der Unwirksamkeit der Norm nicht näher kommt. Dem Zulässigkeitserfordernis des Rechtsschutzbedürfnisses ist bereits dann genügt, wenn sich nicht ausschließen lässt, dass die gerichtliche Entscheidung für den Rechtsschutzsuchenden gegebenenfalls von Nutzen sein kann (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.03.1998 - 4 CN 6/97 - NVwZ 1998, 732 zur Anfechtung eines Bebauungsplans; Beschl. v. 25.05.1993 - 4 NB 50/92 - NVwZ 1994, 268, 269 für den Fall einer Fortgeltung eines durch den angefochtenen Bebauungsplan ersetzten Bebauungsplans). Der Vorteil einer stattgebenden Sachentscheidung des Senats für die Antragstellerin liegt hier zum einen darin, dass die Urteilsgründe ihr möglicherweise die inzidente Überprüfung der Wirksamkeit und der Wirkung (Konzentrationswirkung) der bisherigen Regelungen erleichtern. Zum anderen erhält die Antragstellerin nach Feststellung der Unwirksamkeit der angefochtenen Teilfortschreibung die Chance, dass der Antragsgegner die Flächen der Antragstellerin bei einer erneuten Planung in ein Windeignungs- und / oder Vorranggebiet einbezieht (vgl. zu diesem Aspekt BVerwG, Beschl. v. 25.05.1993 aaO; Urt. v. 23.04.2002 - 4 CN 3/01 - NVwZ 2002, 1126).

49

2) Der Normenkontrollantrag ist auch begründet.

50

a) Die angefochtene Teilfortschreibung des Regionalplans leidet an zwei erheblichen Verfahrensfehlern.

51

Die Bedenken der Antragstellerin gegen die Wirksamkeit der Bekanntmachung der Teilfortschreibung des Regionalplans 2012 teilt der Senat zwar nicht. Die Teilfortschreibung wurde im Amtsblatt wirksam bekanntgemacht (für den Planungsraum I im Amtsblatt 2012, 1318). Dies gilt auch für die Planzeichnung, die dem Amtsblatt als Anlage beigefügt und damit Bestandteil des Amtsblatts geworden ist. Auf die Anlage wurde auch in der Bekanntmachung hingewiesen. Einer Ersatzbekanntmachung der Karte bedurfte es deshalb nicht.

52

Die Antragstellerin rügt aber zu Recht Verfahrensfehler, die die Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß § 10 Abs. 1 ROG betreffen und deshalb gemäß § 12 Abs. 1 S. 1 1. Hs. ROG beachtlich sind. Da bei Inkraftsetzung der Fortschreibung des Regionalplans nicht gemäß § 12 Abs. 5 S. 2 ROG auf die Jahresfrist des § 12 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 ROG hingewiesen worden ist, kommt es nicht darauf an, ob die Rüge fristgemäß erhoben worden ist.

53

Die öffentliche Bekanntmachung der Auslegung des ersten Planentwurfs im Amtsblatt vom 01. August 2011 (S. 461) enthält den Zusatz, dass die Stellungnahmen sich nur auf den Zielteil des Entwurfs, nicht aber auf den Begründungsteil beziehen sollen. Der Antragsgegner hat damit die Öffentlichkeit beeinflusst, keine Stellungnahmen zur Begründung der planerischen Festsetzungen abzugeben. Die Begründung ist aber der zentrale Anknüpfungspunkt für die Beurteilung planerischer Festsetzungen und muss deshalb Gegenstand der Öffentlichkeitsbeteiligung sein. § 10 Abs. 1 S. 1 2. Hs. ROG sieht dies auch ausdrücklich vor. Der Zusatz ist dazu geeignet, die gesetzlich vorgesehene Öffentlichkeitsbeteiligung zu beschränken und führt deshalb zur Unwirksamkeit der angefochtenen Fortschreibung des Regionalplans (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11.04.1978 - 4 B 37.78 - Juris zu § 3 BauGB). Dieser Fehler wird nicht durch die zweite Öffentlichkeitsbeteiligung, deren Bekanntmachung (Amtsbl. v. 21. Mai 2012, S. 471) den einschränkenden Zusatz nicht enthält, geheilt. Eine Heilung kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Möglichkeit, Stellungnahmen abzugeben, auf die im zweiten Entwurf getroffenen Änderungen beschränkt worden ist.

54

Nach Durchführung der zweiten Öffentlichkeitsbeteiligung wäre eine weitere Beteiligung der Öffentlichkeit erforderlich gewesen, denn der Planentwurf wurde durch die nachträgliche Streichung der Gebiete 248 und 308 und die Änderung der Abgrenzung des Gebiets 204 nochmals geändert. Die Auffassung des Antragsgegners, dass eine weitere Öffentlichkeitsbeteiligung nicht erforderlich gewesen sei, weil sämtliche Eignungsflächen Gegenstand der bisherigen Auslegungen gewesen seien, überzeugt nicht. Die maßgebliche Änderung liegt in der Streichung von Eignungsflächen, von der die Öffentlichkeit nicht unterrichtet worden ist. Hierbei handelt es sich nicht nur um eine Klarstellung ohne materiellen Regelungsgehalt, sondern um erhebliche Änderungen mit nachteiligen Wirkungen für die betroffenen Grundstückseigentümer. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob eine beschränkte Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß § 10 Abs. 1 S. 4 ROG zulässig gewesen wäre. Ein vollständiger Verzicht ist im Gesetz nicht vorgesehen und deshalb unzulässig (vgl. Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, Kommentar, Loseblatt, Stand Oktober2014, §4 a Rn. 20 zur ähnlich geregelten Öffentlichkeitsbeteiligung bei Bauleitplänen).

55

Im Hinblick auf die oben festgestellten Mängel der Öffentlichkeitsbeteiligung, die jeweils für sich die Unwirksamkeit des angefochtenen Plans zur Folge haben, sieht der Senat davon ab, den weiteren, die Öffentlichkeitsbeteiligung betreffenden Rügen der Antragstellerin nachzugehen.

56

b) Die angefochtene Teilfortschreibung des Regionalplans ist auch aus materiellen Gründen unwirksam, denn der Antragsgegner hat die öffentlichen und privaten Belange nicht gerecht abgewogen, wie dies gemäß § 7 Abs. 2 S. 1 ROG erforderlich gewesen wäre. Es handelt sich dabei um erhebliche Mängel im Abwägungsvorgang gemäß § 12 Abs. 3 S. 2 ROG. Ob die Mängel gemäß § 12 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 ROG innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung gerügt worden sind, ist unerheblich, weil der Antragsgegner bei der Inkraftsetzung der Teilfortschreibung nicht gemäß § 12 Abs. 5 S. 2 ROG auf die Frist hingewiesen hat (s.o.).

57

aa) Die Abwägung ist fehlerhaft, weil die planerischen Festsetzungen nicht geeignet sind, das mit der Planung bezweckte Ziel, die Ausschlusswirkung des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB herbeizuführen, zu erreichen. Will der Plangeber die Ausschlusswirkung des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB erzielen, so muss er die der Ausschlusswirkung unterliegenden raumbedeutsamen Vorhaben (hier der Windenergieanlagen) an anderer Stelle als Ziele der Raumordnung ausweisen. Eine solche innergebietliche Zielbestimmung zugunsten der Windenergie setzt voraus, dass der Träger der Raumordnung in Bezug darauf verbindliche Vorgaben in Form von räumlich und sachlich bestimmten oder bestimmbaren, abschließend abgewogenen Festlegungen vornimmt (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG). Er muss die auf seiner Ebene erkennbaren öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander abschließend abwägen (§ 7 Abs. 2 S. 2. Hs. ROG). Durch diese Vorgaben muss sichergestellt sein, dass sich die privilegierte Nutzung an den ihr zugewiesenen Standorten gegenüber konkurrierenden Nutzungen durchsetzt (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.03.20034 C 3/02 - NVwZ 2003, 1261 - Juris Rn. 20; BVerwG, Urt. v. 20.05.2010 - 4 C 7/09 - BVerwGE 137, 74 - Juris Rn. 46 zu Flächennutzungsplänen). Eine derartige innergebietliche Zielbestimmung zugunsten der Windenergie ist in der angefochtenen Teilfortschreibung des Regionalplans für den Planungsraum I nicht enthalten.

58

Dagegen spricht bereits, dass der Antragsgegner keine Vorranggebiete im Sinne von § 8 Abs. 7 S. 1 Nr. 1 ROG, sondern lediglich Eignungsgebiete ausgewiesen hat. Ziel eines Eignungsgebiets gemäß § 8 Abs. 7 S. 1 Nr. 3 ROG ist aber nur die außergebietliche Ausschlusswirkung. Dies folgt nicht nur aus dem Wortlaut der Vorschrift, sondern auch aus dem in § 8 Abs. 7 S. 1 ROG statuierten Rangverhältnis zwischen Vorranggebieten (Nr. 1), Vorbehaltsgebieten (Nr. 2) und Eignungsgebieten (Nr. 3): In Vorranggebieten sind andere raumbedeutsame Nutzungen als die als vorrangig bestimmten Nutzungen und Funktionen ausgeschlossen, soweit diese anderen Nutzungen mit den vorrangigen Nutzungen und Funktionen nicht vereinbar sind. In Vorbehaltsgebieten ist den vorbehaltenen raumbedeutsamen Nutzungen und Funktionen bei der Abwägung mit konkurrierenden raumbedeutsamen Nutzungen - immerhin - ein besonderes Gewicht beizumessen. Dagegen beinhaltet die Ausweisung als Eignungsgebiet nur die Feststellung, dass das Gebiet für bestimmte raumbedeutsame, nach § 35 BauGB zu beurteilende Maßnahmen oder Nutzungen geeignet ist und diese Maßnahmen oder Nutzungen an anderer Stelle im Planungsraum ausgeschlossen sind. Aus diesem Rangverhältnis folgt, dass in einem Eignungsgebiet auch andere raumbedeutsame Maßnahmen oder Nutzungen zugelassen werden können, wenn nur - keine besondere, sondern nur "einfache" - Rücksicht auf die für dieses Gebiet bestimmte Eignung genommen wird (Senat, Urteil vom 01.07.2011 - 1 KS 20/10 - Juris Rn. 23 - allerdings mit missverständlichem Hinweis auf § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB im Rahmen eines obiter dictums; so ebenfalls: OVG Sachsen-Anhalt Urt. v. 11.11.2004 - 2 K 144/01 - Juris Rn. 56; mit ausführlichen Begründungen: Gatz, Windenergieanlagen in der Verwaltungs- und Gerichtspraxis, 2. Aufl 2013 Rn. 155 ff; Wetzel, Rechtsfragen einer projektbezogenen Raumordnung, Diss. 2010, S. 174 ff). Ob Eignungsgebieten, die nicht zugleich ausdrücklich gemäß § 8 Abs. 7 S. 2 ROG als Vorranggebiet ausgewiesen werden, gleichwohl die gemäß § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB erforderliche innergebietliche Zielwirkung beigemessen werden kann (so OVG NRW, Urt. v. 06.09.2007- 8 A 4566/04 - Juris Rn. 124; OVG Lüneburg, Urt. v. 28.01.2010 - 12 KN 65/07 - Juris Rn. 34; offengelassen vom BVerwG, Beschl. v. 23.07.2008 - 4 B 20/08 - Juris Rn. 3), kann dahingestellt bleiben. Diese Wirkung kann allenfalls dann eintreten, wenn die sachlichen Regelungen des Regionalplans für das Eignungsgebiet inhaltlich den Vorrang der Windenergienutzung mit der von § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG geforderten Verbindlichkeit festsetzen und die für den Plangeber erkennbaren Belange gemäß § 7 Abs. 2 S. 1 2. Hs. ROG abschließend abgewogen worden sind. Diesen Anforderungen wird der Inhalt der angefochtenen Teilfortschreibung offensichtlich nicht gerecht.

59

Die planerischen Festsetzungen beinhalten die von § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG für eine inner- gebietliche Zielbestimmung geforderten verbindlichen Vorgaben zugunsten der Windenergienutzung nicht. Der Plangeber weist in Ziffer 6.4.2.1 Abs. 4 der textlichen Festsetzungen der Teilfortschreibung des Regionalplans für den Planungsraum I lediglich darauf hin, dass die Errichtung von Windenergieanlagen innerhalb der in der Karte ausgewiesenen Eignungsgebiete mit den Zielen der Raumordnung und Landesplanung unter verschiedenen Vorbehalten (vgl. 6.4.2.1 Abs. 6; 6.4.2.4; 6.4.2.5 der textlichen Festsetzungen) übereinstimme und bestätigt in der Planbegründung das sich bereits aus der Festsetzung eines Eignungsgebiets ergebende Ziel des außergebietlichen Ausschlusses (§ 8 Abs. 7 S. 1 Nr. 3 ROG). Die planerischen Festsetzungen bestimmen aber nicht, dass die Windeignungsgebiete verbindlich für die Errichtung von Windenergieanlagen vorgesehen sein sollen und dass sich die Windenergienutzung dort gegenüber anderen Nutzungen, die mit der Windenergienutzung konfligieren, durchsetzen kann und soll. Im Gegenteil: Die sachlich gar nicht und räumlich nur unbestimmt (Erhaltung des landesplanerischen Ziels der Windenergienutzung) begrenzten Einschränkungsmöglichkeiten offenbaren, dass die Eignungsgebiete nicht verbindlich der Windenergienutzung zugewiesen worden sind. Der Antragsgegner hat die kleinräumige Steuerung in vollem Umfang den Gemeinden überlassen. Gründe für die Einschränkung können „Inhalte der Landschaftsplanung, Lärmauswirkungen auf bewohnte Gebiete, die Rücksichtnahme auf die Planung benachbarter Gemeinden sowie weitere städtebauliche, landschaftspflegerische oder sonstige öffentliche und private Belange“ sein. Anhaltspunkte, weshalb diese Belange auf der Ebene der Regionalplanung nicht erkennbar gewesen sein sollten, hat der Antragsgegner nicht dargelegt; sie sind auch sonst nicht ersichtlich. Der Antragsgegner hat sich damit der eigenen Abwägung von Belangen, die bereits auf der Ebene der Regionalplanung erkennbar waren, enthalten und die Konfliktbewältigung vollständig auf die kommunale Bauleitplanung und die Genehmigungsbehörden verlagert (vgl. zu ähnlichen planerischen Festsetzungen OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 14.09.2010 - 2 A 5.10 - Juris Rn. 35). Dies ist mit einer Zielbestimmung gemäß §§ 3 Abs. 1 Nr. 2, 7 Abs. 2 S. 1 2. Hs. ROG nicht vereinbar.

60

bb) Die angefochtene Fortschreibung des Regionalplans erfüllt auch sonst nicht die Voraussetzungen, die an eine planerische Entscheidung zur Herbeiführung der Rechtsfolgen des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB zu stellen sind. Dafür bedarf es eines schlüssigen gesamträumlichen Planungskonzepts (BVerwG, Urt. v. 13.03.2003 - 4 C 3.02 - NVwZ 2003, 1261). Dabei ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wie folgt vorzugehen (BVerwG, Urt. v. 11.04.2013 - 4 CN 2/12 - NVwZ 2013, 1017):

61

„Um den Anforderungen gerecht zu werden, die an den Abwägungsvorgang zu stellen sind, muss das Konzept nicht nur Auskunft darüber geben, von welchen Erwägungen die positive Standortzuweisung getragen wird, sondern auch die Gründe für die beabsichtigte Freihaltung des übrigen Planungsraums von Windenergieanlagen aufzeigen. Nach der Rechtsprechung des Senats ... vollzieht sich die Ausarbeitung des Planungskonzepts abschnittsweise (vgl. Beschluss vom 15. September 2009 - BVerwG 4 BN 25.09 - BRS 74 Nr. 112): In einem ersten Arbeitsschritt sind diejenigen Bereiche als "Tabuzonen" zu ermitteln, die für die Nutzung der Windenergie nicht zur Verfügung stehen. Die Tabuzonen lassen sich in "harte" und "weiche" untergliedern (Beschluss vom 15. September 2009 a.a.O.). Der Begriff der harten Tabuzonen dient der Kennzeichnung von Teilen des Planungsraums, die für eine Windenergienutzung, aus welchen Gründen immer, nicht in Betracht kommen, mithin für eine Windenergienutzung "schlechthin" ungeeignet sind (vgl. Urteil vom 17. Dezember 2002 - BVerwG 4 C 15.01 - BVerwGE 117,287 <295, 299>), mit dem Begriff der weichen Tabuzonen werden Bereiche des Gemeindegebiets erfasst, in denen nach dem Willen des Plangebers aus unterschiedlichen Gründen die Errichtung von Windenergieanlagen "von vornherein" ausgeschlossen werden "soll" (vgl. Urteil vom 21. Oktober 2004 - BVerwG 4 C 2.04 - BVerwGE 122, 109 <112>). Die Potenzialflächen, die nach Abzug der harten und weichen Tabuzonen übrig bleiben, sind in einem weiteren Arbeitsschritt zu den auf ihnen konkurrierenden Nutzungen in Beziehung zu setzen, d.h. die öffentlichen Belange, die gegen die Ausweisung eines Landschaftsraums als Konzentrationszone sprechen, sind mit dem Anliegen abzuwägen, der Windenergienutzung an geeigneten Standorten eine Chance zu geben, die ihrer Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB gerecht wird.
... Wie der Senat bereits entschieden hat (Urteil vom 13. Dezember 2012 - BVerwG 4 CN 1.11 - NVwZ 2013, 519; zur Veröffentlichung in BVerwGE vorgesehen), muss sich der Plangeber zur Vermeidung eines Fehlers im Abwägungsvorgang den Unterschied zwischen harten und weichen Tabuzonen bewusst machen und ihn dokumentieren. Das ist dem Umstand geschuldet, dass die beiden Arten der Tabuzonen nicht demselben rechtlichen Regime unterliegen. Bei den harten Tabuzonen handelt es sich um Flächen, auf denen die Windenergienutzung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen ausgeschlossen ist. Sie sind einer Abwägung zwischen den Belangen der Windenergienutzung und widerstreitenden Belangen entzogen. Demgegenüber sind weiche Tabuzonen zu den Flächen zu rechnen, die einer Berücksichtigung im Rahmen der Abwägung zugänglich sind. Zwar dürfen sie anhand einheitlicher Kriterien ermittelt und vorab ausgeschieden werden, bevor diejenigen Belange abgewogen werden, die im Einzelfall für und gegen die Nutzung einer Fläche für die Windenergie sprechen. Das ändert aber nichts daran, dass sie der Ebene der Abwägung zuzuordnen sind. Sie sind disponibel, was sich daran zeigt, dass raumplanerische Gesichtspunkte hier nicht von vornherein vorrangig sind und der Plangeber die weichen Tabuzonen einer erneuten Betrachtung und Bewertung unterziehen muss, wenn er als Ergebnis seiner Untersuchung erkennt, dass er für die Windenergienutzung nicht substanziell Raum schafft (vgl. Urteil vom 24. Januar 2008 - BVerwG 4 CN 2.07 - NVwZ 2008, 559 <560>). Seine Entscheidung für weiche Tabuzonen muss der Plangeber rechtfertigen. Dazu muss er aufzeigen, wie er die eigenen Ausschlussgründe bewertet, d.h. kenntlich machen, dass er - anders als bei harten Tabukriterien - einen Bewertungsspielraum hat, und die Gründe für seine Wertung offen legen.“

62

Diesen Anforderungen wird die angefochtene Teilfortschreibung des Regionalplans insbesondere deshalb nicht gerecht, weil die Landesplanungsbehörde der Fortschreibung des Regionalplans die in Ziffer 3.5.2 LEP Abs. 6 und 8 geregelten Ausschlussgebiete ohne Weiteres zu Grunde gelegt hat. Die Regelungen der Ziffer 3.5.2 Abs. 8 LEP stellen aber der Sache nach Tabuzonen für das gesamte Land im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dar. Dasselbe gilt für die in den Erlassen vorgeschriebenen Abstände der Windeignungsgebiete zu anderen baulichen Nutzungen, auf die Ziffer 3.5.2 Abs. 6 LEP verbindlich Bezug nimmt.

63

Der Antragsgegner räumt ein, dass er bei der Aufstellung der Teilfortschreibung des Regionalplans den vom Bundesverwaltungsgericht gestellten Anforderungen nicht gerecht geworden sei. Er hält dies allerdings für unbedenklich, weil die Ausschlussgründe bereits durch den LEP als Ziele der Raumordnung festgeschrieben worden seien und die Regionalplanung daran gebunden gewesen sei. Diese Auffassung ist zwar im Grundsatz nicht zu beanstanden, denn Regionalpläne sind gemäß § 8 Abs. 2 S. 1 ROG aus dem Raumordnungsplan für das Landesgebiet zu entwickeln. Die Regionalplanung darf die im LEP als Ziele der Raumordnung festgesetzten Ausschlussgründe (Tabukriterien) aber nur dann zu Grunde legen, wenn es sich bei den oben genannten Vorschriften des LEP um rechtmäßig festgesetzte Ziele der Raumordnung handelt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25.06.2007 - 4 BN 17.07 - Juris Rn. 9 zu § 1 Abs. 4 BauGB). Maßgeblich ist vor allem, dass die Landesplanungsbehörde bei der Festlegung von Tabuzonen, die nicht bereits zwingend aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen folgen, die gemäß § 7 Abs. 2 ROG erforderliche Abwägung durchgeführt hat. Wenn für das gesamte Land Tabukriterien als Ziele der Raumplanung festgeschrieben werden, die für die Regionalplanung verbindlich sein sollen, müssen auf dieser Ebene (LEP) die vom Bundesverwaltungsgericht für die Flächennutzungsplanung und die Regionalplanung benannten Grundsätze (s.o) angewendet werden, denn für den Landesraumordnungsplan gilt das Abwägungsgebot ebenso wie für Regionalpläne. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners betreffen diese Grundsätze nicht nur Planungen von Kollegialgremien, sondern auch solche, die - wie bei der Regionalplanung in Schleswig-Holstein - unmittelbar von staatlichen Behörden vorgenommen werden. Der Grund für die Trennung und Dokumentierung der harten von den weichen Tabukriterien gilt gleichermaßen für staatliche Behörden. Auch diese müssen sich bei der Regelung von - hier landesweiten - Ausschlussgebieten Klarheit darüber verschaffen, aus welchen tatsächlichen und rechtlichen Gründen die Ausschlüsse vorgenommen werden und - bei nicht zwingenden (weichen) Ausschlussgründen - die für einen generellen Ausschluss sprechenden Gründe gegen das Interesse, dort Windenergie zu erzeugen, abwägen. Diesen Anforderungen ist die Landesplanung bei der Aufstellung des LEP nicht gerecht geworden. Die bei der Aufstellung des LEP entstandenen Abwägungsfehler sind beachtlich, obwohl die Mängel nicht gemäß § 12 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 ROG innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung gerügt worden sind. Der Antragsgegner hat bei der Inkraftsetzung des LEP nämlich nicht gemäß § 12 Abs. 5 S. 2 ROG auf diese Frist hingewiesen.

64

Die Landesplanung hat bei Regelung der Ausschlussgebiete gemäß Ziffer 3.5.2 Abs. 8 LEP sowie der Anordnung der Anwendbarkeit der Runderlasse zur Planung von Windenergieanlagen in Ziffer 3.5.2 Abs. 6 LEP, die wegen der darin enthaltenen Abstandsregeln ebenfalls Tabuzonen festsetzen, die oben genannten Grundsätze nicht beachtet. Sie hat hierbei nicht nach harten und weichen Tabukriterien differenziert. Weder die Planbegründung noch der Umweltbericht oder sonstige Planungsvorgänge weisen auf eine solche Differenzierung hin. Es hat auch keine, jedenfalls keine dokumentierte, für den Senat nachvollziehbare Abwägung stattgefunden. Diese Verfahrensweise wäre nur dann unbedenklich, wenn, wie der Antragsgegner meint, die festgelegten Ausschlussgebiete ausschließlich auf harten Tabukriterien beruhen würden. Dies trifft jedoch nicht zu.

65

So beruhen die im Erlass vom 04. Juli 1995 (Amtsblatt S. 893) vorgesehenen Abstandsregelungen, die bei der Entscheidung über den LEP noch anwendbar waren, nicht auf harten Tabukriterien. Dasselbe gilt für die durch Erlass vom 22. März 2011 (Amtsblatt S. 196) geänderten Abstandsregelungen, die aufgrund der in Ziffer 3.5.2 Abs. 6 LEP erfolgten dynamischen Verweisung bei der Entscheidung über die Teilfortschreibung des Regionalplans zu Grunde gelegt wurden. Diese Abstände gehen über das rechtlich zwingend Notwendige (z.B. das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot) hinaus und werden im Erlass vom 22. März 2011 auch als Vorsorgeabstände bezeichnet. Die landeseinheitliche Regelung derartiger Abstandsvorschriften mag zwar sinnvoll sein. Da ihre Festsetzung nicht auf zwingendem Recht beruht, hätte die Landesplanungsbehörde aber unter Berücksichtigung aller Belange die Entscheidung über das Ob und das Ausmaß derartiger einheitlicher Mindestabstandsregelungen abwägen müssen (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.04.2013 - 4 CN 2/12 - NVwZ 2013, 1017 - Juris Rn. 8). Dies ist nicht geschehen. Der LEP hat die im Erlass vorgesehenen Abstände vielmehr ohne weiteres übernommen. Die Auffassung des Antragsgegners, die aus den Runderlassen folgenden Abstandsvorschriften seien harte Tabukriterien, weil die Landesplanung innerbehördlich an diese Erlasse gebunden sei, ist nicht richtig. Sofern eine innerbehördliche Bindungswirkung besteht, ist sie rechtswidrig und im Außenrechtsverhältnis nicht maßgeblich. Eine solche Bindungswirkung würde nämlich das Abwägungserfordernis des § 7 Abs. 2 S. 1 ROG vollständig unterlaufen (vgl. dazu auch Thür. OVG, Urt. v. 08.04.2014 - 1 N 676/12 - Juris Rn. 84 a.E.; OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 11.11.2004 - 2 K 144/01 - Juris Rn. 54). Eine rechtmäßige Übernahme derartiger Abstandsregelungen anderer Behörden setzt voraus, dass die Landesplanungsbehörde zuvor eine Abwägung der widerstreitenden Belange vornimmt. Dies ist bereits deshalb nicht geschehen, weil die Landesplanungsbehörde von einer strikten Verbindlichkeit dieser Abstandsregelungen für die Landesplanung ausgegangen ist. Selbst wenn die Landesplanungsbehörde bei der Entscheidung über den LEP die damals nach dem Erlass vom 04. Juli 1995 maßgeblichen Abstände (zu Einzelhäusern und Siedlungssplittern 300 m, zu ländlichen Siedlungen 500 m, zu städtischen Siedlungen und Ferienhausgebieten u.ä. 1.000 m) ordnungsgemäß abgewogen hätte, so führt jedenfalls die in Ziffer 3.5.2 Abs. 6 LEP erfolgte dynamische Verweisung zu einer rechtswidrigen Regionalplanung. Mit der angeordneten Dynamik hat sie sich von vornherein der Abwägung begeben und ihre planerische Entscheidung in die Hände anderer Behörden gegeben. Durch die in Ziffer 3.5.2. Abs. 6 LEP erfolgte Bindung der Regionalplanung an die zukünftigen Erlasse und die Anwendung des nach Inkrafttreten des LEP geänderten Erlasses vom 22. März 2011 im Regionalplanverfahren ist die gebotene Abwägung vollständig ausgeblieben.

66

Auch die Auffassung des Antragsgegners, dass die in Ziffer 3.5.2 Abs. 8 LEP geregelten Ausschlussgebiete ausnahmslos auf harten Tabukriterien im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beruhten, so dass eine Differenzierung nach harten und weichen Tabugründen, eine Dokumentation und Abwägung nicht erforderlich gewesen seien, ist nicht richtig. Der Antragsgegner hat weder bei der Aufstellung des LEP noch bei der Fortschreibung des Regionalplans zwingende tatsächliche oder rechtliche Gründe für die jeweiligen Ausschlussgründe dargelegt. Tatsächlich handelt es sich bei vielen Gebieten, die in Ziffer 3.5.2 Abs. 8 LEP geregelt sind, um Bereiche, in denen die Belange des Natur-, Arten- oder Landschaftsschutzes zwar häufig mit der Errichtung und dem Betrieb von Windenergieanlagen konfligieren, ihnen aber nicht zwangsläufig entgegenstehen und deshalb nicht ohne Abwägung generell aus der Windenergienutzung ausgeschlossen werden dürfen. Dies gilt zum Beispiel für die Nordfriesischen Inseln, denn es gibt keine tatsächlichen oder rechtlichen Gründe, die der Windenergienutzung in diesem Bereich schlechthin entgegenstehen. Auch die Antragserwiderung legt solche Gründe weder für diese Bereiche noch für die übrigen Ausschlussgebiete dar. Die Ausführungen des Antragsgegners, mit denen er beispielhaft auf die mit der Errichtung von Windkraftanlagen zu befürchtenden Konflikte mit Natura-2000 Gebieten eingeht, stützen im Übrigen seine Annahme, dass es sich hierbei um harte Tabuzonen handele, nicht, sondern weisen auf ihre Abwägungsbedürftigkeit hin. So zeigt der Antragsgegner - zu Recht - auf, dass Windkraftanlagen dort nicht generell, sondern nur dann unzulässig sind, wenn sie zu erheblichen Beeinträchtigungen des Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen können (§ 34 Abs. 2 BNatSchG; vgl. dazu auch Thür. OVG, Urt. v. 08.04.2014 - 1 N 676/12 - Juris Rn. 78 ff; Gatz, aaO, S. 41). Auch der Hinweis darauf, dass die Landesplanung Windkraftanlagen aus Gründen der Vorsorge in Natura-2000 Gebieten schlechthin ausgeschlossen habe, macht deutlich, dass der Antragsgegner dort den generellen Ausschluss von Windkraftanlagen selbst nicht als zwingend ansieht.

67

Ein Verzicht auf die oben genannten Anforderungen, insbesondere auf die Durchführung einer Abwägung bei der Entscheidung über weiche Tabuzonen, lässt sich auch nicht damit rechtfertigen, dass die meisten Tabuzonen bereits in den vorherigen Fassungen der Regionalpläne vorgesehen waren. Unabhängig davon, ob die bisher ausgewiesenen weichen Tabuzonen jemals ordnungsgemäß abgewogen worden sind, war eine neue Abwägung jedenfalls deshalb geboten, weil die bisherigen regionalplanerischen Regelungen für alle Planungsräume ersetzt und die für die Windenergienutzung vorgesehenen Flächen nahezu verdoppelt werden sollten. Dies erfordert ein vollständig neues gesamträumliches Konzept, das auch die Überprüfung der bisherigen Tabuzonen notwendig macht.

68

cc) Die Abwägung leidet schließlich auch auf der letzten Stufe an einem erheblichen Fehler. Der vom Antragsgegner angeführte Gesichtspunkt des Überangebots - gemeint ist offenbar, dass nach Abzug der Ausschlussflächen mehr als 1,5 % potentielle Eignungsflächen ermittelt wurden - rechtfertigt es nicht, bei der weiteren Auswahl auf eine Abwägung zu verzichten und potenzielle Eignungsflächen nur wegen eines entgegenstehenden Gemeindewillens auszuklammern. Die Potenzialflächen, die nach Abzug der harten und weichen Tabuzonen übrig blieben, hätten in einem weiteren Arbeitsschritt zu den auf ihnen konkurrierenden Nutzungen in Beziehung gesetzt werden müssen (vgl. z.B. BVerwG, Urt. v. 11.04.2013 - 4 CN 2/12 aaO). Dies ist hier jedenfalls in Bezug auf die zahlreichen Gemeinden, die sich gegen eine Windkraftnutzung ausgesprochen haben, nicht geschehen.

69

Die Landesplanungsbehörde hat während des gesamten Planungsverfahrens zum Ausdruck gebracht, dass gegen den Gemeindewillen keine Windeignungsflächen ausgewiesen werden. Bereits im Rahmen der Erstellung der Kreiskonzepte wurde deutlich gemacht, dass die Kreise keine Windeignungsflächen aus Gemeinden aufnehmen sollten, die damit nicht einverstanden seien. Danach wurde während der gesamten Planung strikt verfahren. So wurden im Abwägungsverfahren Flächen nachträglich gestrichen, wenn Gemeinden erstmals auf Grund nachträglicher Meinungsänderung ihre ablehnende Haltung im Beteiligungsverfahren kundgetan hatten. Dieses Prinzip wurde nach Inkrafttreten der Teilfortschreibung von der Landesplanung als gelungener Prozess der Bürgerbeteiligung bezeichnet. Gemeinden, die mit einer Windkraftnutzung nicht einverstanden waren, wurden wie Tabuzonen behandelt. Eine Abwägung von Belangen im Sinne von § 7 Abs. 2 S. 1 ROG blieb somit vollständig aus.

70

Dabei sei zur Klarstellung darauf hingewiesen, dass die Ergebnisse von schlichten Mehrheitsentscheidungen einer Gemeindevertretung oder eines Bürgerentscheids keine maßgeblichen Belange für eine durch Abwägung gesteuerte Planung sind. Das Abwägungserfordernis ist Ausfluss des Rechtsstaatsgebots gemäß Art. 20 Abs. 3 GG (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.12.1969 - IV C 105.66 - BVerwGE 34, 301; Ernst-Zinkahn-Bielenberg- Krautzberger, aaO, § 1 Rn. 179 mit zahlreichen Nachweisen). Deshalb müssen alle planerischen Festsetzungen auf nachvollziehbaren sachlichen Gründen beruhen. Erst Recht darf der bloße Gemeindewille nicht das allein maßgebliche Kriterium einer Abwägungsentscheidung über einen Regionalplan mit der Wirkung des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB sein, denn die damit verbundene Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG bedarf ebenfalls zwingend einer sachlichen Rechtfertigung. Abwägungserhebliche Belange können deshalb nur nachvollziehbare private oder öffentliche Interessen sein, wie sie zum Beispiel in § 2 Abs. 2 ROG als Grundsätze der Raumordnung oder in § 1 Abs. 6 BauGB als Planungsleitsätze für eine Bauleitplanung dargestellt sind. Nach § 7 Abs. 1 S. 3 LaPlaG in der bei Erlass des Regionalplans noch geltenden Fassung vom 10. Februar 1996 hätten die Gemeinden derartige Belange in die Planung einbringen können, die dann gemäß § 7 Abs. 2 S. 1 ROG von der für die Abwägung allein zuständigen Landesplanungsbehörde mit allen anderen Belangen in die Abwägung einzustellen gewesen wären. So ist sie aber nicht verfahren. Sie hat lediglich auf das von den Gemeinden mitgeteilte Ergebnis abgestellt, ohne auch nur ansatzweise zu erforschen, ob es von raumordnungsrechtlich erheblichen Belangen getragen wird. Dadurch wurden alle für und gegen die Windenergienutzung sprechenden Belange vollständig ignoriert (vgl. zur Unzulässigkeit dieser Verfahrensweise: OVG Lüneburg, Beschl. v. 20.12.2001 - 1 MA 3579/01 - Juris Rn. 5; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 20.02.2003 - 1 A 11406/01- Juris Rn. 105 ff; Thüringer OVG, Urt. v. 19.03.2008 - 1 KO 304/06 - Juris Rn. 95; OVG Lüneburg, Urt. v. 28.01.2010 - 12 KN 65/07 Rn. 43; sinngemäß auch BVerwG, Urteil vom 13.03.2003 - 4 C 4/02 - Juris Rn. 38 f).

71

Diese Verfahrensweise widerspricht auch der Funktion der Regionalplanung. Aufgabe der Regionalplanung ist es, eine übergeordnete, zusammenfassende Planung für Teilräume des Landes vorzunehmen (vgl. §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 3 Abs. 1 LaPLaG in der bei Erlass des Regionalplans noch maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 10.02.1996). Diese Funktion wird konterkariert, wenn die Singularinteressen einzelner Gemeinden, die die Windkraftnutzung in ihrem Gebiet ablehnen, alle anderen Aspekte überlagern.

72

Der Abwägungsausfall verletzt nicht nur das den Eigentümern und sonstigen Berechtigten zustehende Recht auf gerechte Abwägung ihres privaten Belangs, Windkraftanlagen gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB zu errichten. Sie wird auch den öffentlichen Belangen, die auf der Ebene des LEP keineswegs abschließend abgearbeitet, sondern bei der Regionalplanung untereinander abzuwägen sind, nicht gerecht. Dass eine solche Abwägung hier nicht nur erforderlich war, um abstrakten rechtlichen Anforderungen zu genügen, sondern aus sachlichen Gründen dringend notwendig gewesen wäre, ergibt sich insbesondere daraus, dass sich im Planungsverfahren tatsächlich kein Überangebot an fachlich geeigneten Flächen abgezeichnet hat. Die Landesplanung hatte bei Anlegung ihrer planerischen Grundsätze durchaus Schwierigkeiten, die nach dem LEP vorgesehene Gesamtfläche von 23.600 ha (1,5 % der Landesfläche) zu ermitteln. Zu den 12.300 ha (0,78 % der Landesfläche) der bisher vorhandenen Eignungsflächen sollten 11.300 ha (0,72 % der Landesfläche) zusätzlich ausgewiesen werden. Aus den von der Landesplanung ermittelten 19.800 ha (1,26 % der Landesfläche) Potenzialflächen und den unter Berücksichtigung des Gemeindewillens ermittelten 18.428 ha (1,17 % der Landesfläche) Potenzialflächen der Kreise ergab sich aber lediglich eine Schnittmenge von 3.452 ha (0,22 % der Landesfläche). Ein wesentlicher Grund hierfür war, dass viele von der Landesplanung ermittelte Potenzialflächen nicht mit den Wünschen der Gemeinden übereinstimmten (vgl. Zusammenfassung der Landesplanung v. 13.07.2010, Bl. 6094 d.A.). Nach ausführlichen Erörterungen mit den Kreisen kam es schließlich zu den veröffentlichten ersten Entwürfen für die fünf Teilgebiete, die insgesamt das im LEP vorgesehene Soll (ca. 1,5 % der Landesfläche) erfüllten. Da in allen Planungsräumen zahlreiche Eignungsflächen mit artenschutzrechtlichen und denkmalschutzrechtlichen Vorbehalten aufgenommen worden sind, wird deutlich, dass diese Gebiete aus der Sicht der Landesplanungsbehörde jedenfalls nicht vorbehaltlos für die Windenergiegewinnung geeignet sind. Aus fachlichen Gründen musste es sich in dieser Situation aufdrängen, zu prüfen, ob in denjenigen Gemeinden, die die Windkraftgewinnung schlechthin abgelehnt haben, Flächen vorhanden sind, die besser - vorbehaltlos - für die Windenergiegewinnung geeignet sind.

73

dd) Die Mängel im Abwägungsvorgang sind nach § 12 Abs. 3 Satz 2 ROG erheblich, denn sie sind offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen.

74

Die Offensichtlichkeit ergibt sich daraus, dass die Mängel ohne weiteres nach Aktenlage ohne Ausforschung der Entscheidungsträger über deren Planungsvorstellungen für den Senat erkennbar sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. August 1981 - 4 C 57.80 - BVerwGE 64, 33 <38>).

75

Die Mängel hatten auch Einfluss auf das Abwägungsergebnis, denn es besteht die konkrete Möglichkeit, dass die Planung bei Vermeidung der Abwägungsfehler anders ausgefallen wäre (BVerwG, Beschluss vom 9. Oktober 2003 - 4 BN 47.03 - BauR 2004, 1130).

76

Dies gilt insbesondere für die Konkretisierung der innergebietlichen Zielbestimmung der Eignungsgebiete. Da der Antragsgegner durch die Planung die Rechtsfolge des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB erreichen wollte, spricht alles dafür, dass er bei richtiger Beurteilung der Anforderungen dieser Vorschrift gemäß §§ 3 Abs. 1 Nr. 2, 7 Abs. 2 S. 1 2. Hs. ROG abschließend abgewogen verbindlich einen Vorrang zu Gunsten der Windenergie für die zu dieser Nutzung vorgesehenen Gebiete geregelt hätte.

77

Ebenso eindeutig ist die Ergebnisrelevanz des Abwägungsfehlers auf der letzten Stufe der Abwägung. Dies folgt schon daraus, dass nach der Beurteilung des Antragsgegners viele ausgewiesene Eignungsgebiete nicht vorbehaltlos für die Windenergie genutzt werden können und andererseits viele Potenzialflächen der Landesplanung nur wegen der ablehnenden Stellungnahmen der Gemeinden nicht berücksichtigt wurden. Danach besteht die konkrete Möglichkeit, dass die Landesplanung eine andere Flächenauswahl getroffen hätte, wenn sie ihre Entscheidung ausschließlich auf raumordnungsrechtlich erhebliche Belange gestützt hätte.

78

Nicht so eindeutig ist die Erheblichkeit des Abwägungsausfalls bei der Festsetzung der Tabuzonen, denn es spricht einiges dafür, dass der Träger der Regionalplanung bei ordnungsgemäßer Differenzierung der Tabuzonen die weichen Ausschlussgebiete gleichwohl - im Wege der Abwägung - festgesetzt hätte. Andererseits erscheint es durchaus möglich, dass das im LEP festgesetzte Ziel (ca. 1,5 Prozent der Landesfläche Windeignungsflächen) bei Berücksichtigung aller Ausschlussgebiete und der gebotenen abschließenden innergebietlichen Abwägungen (s.o.), insbesondere bei Berücksichtigung der vielfältigen denkmal- und artenschutzrechtlichen Vorbehalte, nicht erreichbar gewesen wäre. Dies hätte die Landesplanungsbehörde möglicherweise veranlasst, Ausschlussgebiete restriktiver festzusetzen. Danach besteht auch insoweit die konkrete Möglichkeit, dass die Landesplanung die Tabuzonen bei ordnungsgemäßer Differenzierung und Abwägung anders festgesetzt und im Ergebnis eine andere Flächenauswahl getroffen hätte.

79

3) Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

80

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

81

Gründe, die die Zulassung der Revision rechtfertigen könnten (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO), liegen nicht vor.


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.

Tenor

Der Normenkontrollantrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Antragstellerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abzuwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Antragstellerin wendet sich gegen die Veränderungssperre der Antragsgegnerin für das Gebiet des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans Nr. 191 „Am E.“.

2

Die Antragstellerin ist Eigentümerin im Geltungsbereich der von ihr angegriffenen Veränderungssperre gelegener Grundstücke mit der postalischen Anschrift … und … (Flurstücke …, …, …, … und …, Flur …, Gemarkung …). Unter der Adresse … betreibt der Lebensmitteldiscounter Lidl auf einer Verkaufsfläche von ca. 800 m² seit mehreren Jahren ein Lebensmitteleinzelhandelsgeschäft. Das Grundstück … ist mit einem Wohngebäude bebaut. Die weiteren, anschließenden Grundstücksflächen der Antragstellerin waren - entsprechend der Festsetzung im Durchführungsplan Nr. 4 - ehedem durch ein Tiefbauunternehmen gewerblich genutzt; zuletzt dienten sie bis November 2015 als temporäre Baustelleneinrichtungsfläche für die … . Die Antragstellerin beabsichtigt, den vorhandenen Lidl-Markt abzureißen und unter Erweiterung der Verkaufsfläche auf knapp über 1.000 m² neu zu errichten. Zudem sollen nach ihrer Planung auf der übrigen, ca. 8000 m² großen Grundstücksfläche zwei weitere Gebäude errichtet werden; eines mit Wohnungen, Büros und Praxen und das zweite Geschäftshaus mit einer Ladenzeile im Erdgeschoss und Wohnungen in den Obergeschossen.

3

Bereits im Sommer 2007 beschloss das Stadtverordneten-Kollegium der Antragsgegnerin ein Integriertes Stadtentwicklungskonzept (ISEK), welches zuletzt im September 2011 evaluiert wurde und dessen Leitgedanke u.a. die Schaffung attraktiver Wohnangebote im Rahmen der Innenentwicklung, vorrangig durch Um- und Zubau in innerstädtischen Lagen, ist. Im Jahr 2011 beschloss die Antragsgegnerin zudem ein Einzelhandels- und Nahversorgungskonzept, um die flächendeckende wohnortnahe Grundversorgung der Bevölkerung sowie den zentralen Versorgungsbereich der Stadt Elmshorn zu sichern und zu stärken. Dieses Konzept soll sukzessive durch Bauleitplanungen umgesetzt werden.

4

Am 25.09.2014 beschloss der Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt der Antragsgegnerin die Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 191 mit der Bezeichnung „Am E.“ im beschleunigten Verfahren nach § 13 a BauGB. Das ca. 1,6 ha große Plangebiet liegt im zentralen Stadtgebiet der Antragsgegnerin, ca. 1,5 km südlich der Innenstadt. Es umfasst im Wesentlichen die Grundstücke der Antragstellerin, zudem das Grundstück Am E. 24 sowie - unmittelbar vor dem Grundstück A-Straße 35 - einen Teilbereich der Verkehrsfläche A-Straße. Seine räumliche Umschreibung erfolgte dabei durch Angabe der den Planbereich umgrenzenden Flurstücke. Als angestrebte Planungsziele führt der Aufstellungsbeschluss die Ausweisung einer Wohnnutzung sowie die Umsetzung der Ziele des Einzelhandels- und Nahversorgungskonzeptes 2011, d.h. den Ausschluss weiteren Einzelhandels auf der Fläche bei gleichzeitiger Sicherung des Bestandes an.

5

Aus Anlass der Bebauungsabsichten der Antragstellerin beschloss das Stadtverordneten-Kollegium der Antragsgegnerin am 11.12.2014 auf der Grundlage der Vorberatung durch den Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt vom 06.11.2014 eine Veränderungssperre für das Plangebiet des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans Nr. 191. Die Satzung benennt u.a. die Planungsziele (§ 1) und den räumlichen Geltungsbereich (§ 2), Letzteren unter Nennung der umfassten Flurstücke und mit dem Hinweis auf eine der Satzung als Anlage beigefügte Darstellung (Karte).

6

Der Aufstellungsbeschluss zum Bebauungsplan Nr. 191 „Am E.“ und der Beschluss der Veränderungssperre wurden am 16.12.2014 in den „Elmshorner Nachrichten“ bekannt gemacht. Die mit „Bekanntmachung“ titulierte Veröffentlichung, der eine Karte mit eingezeichnetem Plangebiet beigefügt wurde, hebt dabei allein die „Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 191 ,Am E.‘ der Stadt Elmshorn“ zentriert und in Fettdruck hervor. Der mit dem Wort „sowie“ eingeleitete Hinweis auch auf den Beschluss über den Erlass der Veränderungssperre des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans und sodann der weitere erläuternde Fließtext sind in einfacher Schriftgröße dargestellt. Die vorstehende Bekanntmachung wurde gleichzeitig auf der Internet-Homepage der Antragsgegnerin (www.elmshorn.de) veröffentlicht; hier sind beide bekannt zu machenden Beschlüsse in Fettdruck hervorgehoben.

7

Nachdem ein unter dem 16.01.2015 von der Antragstellerin begehrter Bauvorbescheid für die Errichtung von drei Wohn- und Geschäftshäusern auf der Vorhabenfläche mit Bescheid vom 19.02.2015 unter Verweis auf die streitgegenständliche Veränderungssperre und das Einzelhandels- und Nahversorgungskonzept abgelehnt und der dagegen gerichtete Widerspruch der Antragstellerin mit Widerspruchsbescheid der Antragsgegnerin vom 26.08.2015 zurückrückgewiesen worden war - die hiergegen erhobene Verpflichtungsklage ist seit dem 05.10.2015 bei dem Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht unter dem Aktenzeichen 2 A 157/15 anhängig -, hat die Antragstellerin am 14.12.2015 den vorliegenden Antrag auf Normenkontrolle gegen die Veränderungssperre gestellt. Mit ihrem Normenkontrollantrag macht sie sowohl formelle als auch materielle Mängel geltend: Sie ist der Auffassung, es fehle bereits an dem für eine Veränderungssperre gemäß § 14 Abs. 1 BauGB erforderlichen, wirksamen Planaufstellungsbeschluss. Dieser sei nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden. Die Bekanntmachung erfülle nicht die erforderliche Anstoßfunktion, da die Bezeichnung „Am E.“ das Plangebiet nicht hinreichend konkret beschreibe, insbesondere lasse diese nicht erkennen, dass auch Grundstücke an der A-Straße mit umfasst seien. Auch der beigefügte Übersichtsplan genüge der Konkretisierung nicht, da dieser zu stark verkleinert sei und eine Einordnung in das Stadtgebiet nicht ermögliche. Jedenfalls entspreche die gleichzeitige Bekanntmachung von Planaufstellungsbeschluss und Veränderungssperre nicht den gesetzlichen Anforderungen gemäß § 14 Abs. 1 BauGB. Die Veränderungssperre sei aufgrund der zwingenden Vorschrift des § 16 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 10 Abs. 3 Satz 4 BauGB mit der Veröffentlichung am 16.12.2014 in Kraft getreten. Der Planaufstellungsbeschluss hingegen sei gemäß § 17 Abs. 4 Satz 3 der Hauptsatzung der Stadt Elmshorn erst mit Ablauf des Tages, an dem er in der Zeitung veröffentlicht wurde, in Kraft getreten. Mithin sei der Beschluss erst am 17.12.2014 und damit zeitlich nach der Veränderungssperre wirksam geworden. Darüber hinaus sei die Veränderungssperre fehlerhaft bekannt gemacht worden. Die Ersatzverkündung über den Beschluss der Veränderungssperre sei unwirksam, weil der erforderliche Hinweiszweck durch die Veröffentlichung gemeinsam mit dem Planaufstellungsbeschluss in einem Fließtext verfehlt würde. Zudem sei der räumliche Geltungsbereich nicht bestimmt genug. Weder sei ein Maßstab angegeben, noch könne man die Flurstücknummern erkennen. Es sei auch nicht das Mindestmaß an Konkretisierung für eine Veränderungssperre erfüllt worden. Die von der Antragsgegnerin formulierten Ziele der Planung ließen unklar, inwieweit die von ihr beabsichtigten Vorhaben den künftigen Planungszielen entgegenstünden. Soweit es sich um eine reine Negativplanung handele, sei diese unzulässig. Zudem stelle die Verhinderung einer jeden, auch geringfügigen Erweiterung der Verkaufsfläche des Lidl-Marktes einen rechtswidrigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Lebensmittelmarktbetreibers gemäß Art. 14 GG dar. In materieller Hinsicht rügt die Antragstellerin zudem von vornherein nicht behebbare Mängel. Die Antragsgegnerin könne die Umsetzung ihrer im Planaufstellungsbeschluss definierten Ziele nicht abwägungsfehlerfrei erreichen. Die beabsichtigte Wohnnutzung sei immissionsschutzrechtlich nicht zulässig und die Erweiterungsabsichten des Lidl-Marktes würden unberücksichtigt bleiben.

8

Während des Normenkontrollverfahrens hat der Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt der Antragsgegnerin zur Behebung möglicher Fehler den Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan Nr. 191 „Am E.“ am 30.06.2016 (rückwirkend) erneut - nunmehr unter Nennung der innerhalb des Plangebiets liegenden Flurstücke - gefasst und diesen Beschluss rückwirkend zum 16.12.2014 (Erscheinungsdatum) in den „Elmshorner Nachrichten“ vom 05.07.2016 bekannt gemacht. Der mit „Erneute Bekanntmachung“ titulierten Veröffentlichung war eine Karte beigefügt, die die im Plangebiet liegenden Flurstücke mit ebenso gut lesbarer Schriftgröße anführt wie die benachbarten Straßen „Am E.“ und „A-Straße“ sowie die im Osten die Plangrenze bildende Bahnlinie Hamburg-Altona - Kiel. Zudem enthält die Karte einen Maßstab. Parallel dazu wurden die Bekanntmachung sowie die Auslegungsunterlagen auf der Internetseite der Antragsgegnerin bereitgestellt. Darüber hinaus hat die Antragsgegnerin die streitbefangene Veränderungssperre zur Behebung von möglichen Fehlern in den „Elmshorner Nachrichten“ vom 06.07.2016 mit Rückwirkung zum 18.12.2014 bekannt gemacht und die „Erneute Bekanntmachung“ sowie den Satzungstext der Veränderungssperre auf Ihrer Internet-Homepage bereitgestellt. Auch in dieser Bekanntmachung wird der räumliche Geltungsbereich der Veränderungssperre sowohl textlich unter Nennung der innerhalb des Geltungsbereichs belegenen Flurstücke als auch durch eine geänderte, wie vorstehend beschrieben modifizierte Planzeichnung dargestellt.

9

Zu diesem ergänzenden Verfahren vertritt die Antragstellerin die Ansicht, dass ein rückwirkendes Inkrafttreten eines Aufstellungsbeschlusses gemäß § 214 Abs. 4 BauGB nicht zulässig sei. Schon der Wortlaut des § 214 Abs. 4 BauGB, der von einem ergänzenden Fehlerbehebungsverfahren in Bezug auf Flächennutzungsplan oder Satzung spreche, stehe dem entgegen. Etwas anderes folge auch nicht aus der von der Antragsgegnerin im vorliegenden Zusammenhang des ergänzenden Verfahrens zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 01.10.2009 - 4 BN 34/09 -). Das Bundesverwaltungsgericht habe keinesfalls zum Ausdruck gebracht, dass auch der Aufstellungsbeschluss rückwirkend in Kraft gesetzt werden dürfe. In jenem zu beurteilenden Fall sei der Aufstellungsbeschluss selbst fehlerfrei gewesen; lediglich die Veränderungssperre sei - zunächst - vor Letzterem bekanntgemacht worden; allein dieser Fehler sei dann durch erneute Bekanntmachung - zulässigerweise - geheilt worden. Dessen ungeachtet dürfe die Rückwirkungsanordnung für den Aufstellungsbeschluss mit nunmehr 16.12.2014 nicht weiter zurückreichen als dieser ursprünglich (17.12.2014) vorgesehen gewesen sei.

10

Die Antragstellerin beantragt,

11

die Satzung über die Veränderungssperre für den Geltungsbereich des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans Nr. 191 „Am E.“ der Stadt Elmshorn, erstmals bekannt gemacht am 16.12.2014 und am 06.07.2016 erneut rückwirkend zum 18.12.2014 bekannt gemacht, für unwirksam zu erklären.

12

Die Antragsgegnerin beantragt,

13

den Antrag abzulehnen.

14

Sie ist der Ansicht, die Veränderungssperre sei sowohl formell als auch materiell rechtmäßig. Zunächst liege ein wirksamer Planaufstellungsbeschluss vor. Die Anstoßfunktion sei nicht verfehlt. Der Zusatz „Am E.“ bezeichne das Plangebiet eindeutig, da dies einen hinreichend prägnanten Titel darstelle. Das Gebiet sei aufgrund der allgemeinen Assoziation mit dem Lidl-Markt zweifelsfrei identifizierbar. Die Erwähnung weiterer Straßennamen hätte die Anstoßwirkung hingegen eher abgeschwächt. Zusätzlich könne das Gebiet durch die beigefügte Karte mit fettgedruckten Abgrenzungen zur Identifikation beitragen. Eine Verkleinerung der Karte in der Zeitung sei irrelevant, da auf dem Original des Bekanntmachungstextes und der darin enthaltenen Übersichtskarte die maßgeblichen Straßennamen mit bloßem Auge lesbar seien. Auch die Benennung der Flurstücke trage zur Konkretisierung bei. Die gemeinsame Bekanntmachung des Beschlusses über die Veränderungssperre mit dem Planaufstellungsbeschluss sei nicht zu beanstanden, da lediglich die Beschlussfassung über die Aufstellung des Bebauungsplanes der Veränderungssperre zeitlich vorgehen müsse. Eine gleichzeitige Bekanntmachung hingegen sei nach maßgeblicher Rechtsprechung möglich. Bezüglich des räumlichen Geltungsbereichs verweist sie auf die Übersichtskarte. Dass die Flurstücknummern nicht lesbar seien, sei unerheblich, da sich diese aus dem Satzungstext ergäben. Die Angabe eines Maßstabes sei keine Wirksamkeitsvoraussetzung. Dessen ungeachtet hätten sich jedenfalls durch die vorsorglich vorgenommene, rückwirkende erneute Bekanntmachung des Aufstellungsbeschlusses und der Veränderungssperre die von der Antragstellerin erhobenen formellen Rügen erledigt. In materieller Hinsicht tritt die Antragsgegnerin dem Vorwurf einer mit der Veränderungssperre zu sichernden Verhinderungsplanung entgegen. Ihrer Planung lägen positive planerische Vorstellungen zugrunde: Ein Ziel des Bebauungsplanes Nr. 191 sei es, für den südlichen Teil des Plangebietes die planungsrechtlichen Voraussetzungen für Wohnnutzungen zu schaffen und damit einem der Leitziele des ISEK Rechnung zu tragen. Zum andere basiere die Planung auf dem beschlossenen Einzelhandels- und Nahversorgungskonzept, das darauf ziele, zur dauerhaften Sicherung einer verbrauchernahen Versorgung unter Berücksichtigung der Belange nicht motorisierter Bevölkerungsgruppen Einzelhandelsbetriebe an zentralen Standorten zu konzentrieren. Der mit dem Aufstellungsbeschluss eingeleiteten Planung, die die Veränderungssperre sichern solle, fehle es damit auch keineswegs an einem erforderlichen Mindestmaß an Konkretisierung. Es lägen zudem keine unüberwindlichen rechtlichen Hindernisse der zu sichernden Bauleitplanung vor. Die Problematik der Immissionsbelastung sei durch bauplanerische Gestaltung lösbar. Auch der Einwand der fehlenden Berücksichtigung der betrieblichen Belange des Lidl-Marktes sei unberechtigt. Das Konzept sehe gerade den Erhalt des Marktes vor. Im Übrigen könne die Antragstellerin im Rahmen der Kontrolle der Veränderungssperre keine vorgezogene gerichtliche Abwägungskontrolle des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans erreichen. Die Veränderungssperre solle die Erarbeitung eines tragfähigen Planungskonzeptes erst ermöglichen.

15

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

16

Der Normenkontrollantrag ist zulässig (I.), aber unbegründet (II.).

I.

17

Der Normenkontrollantrag, für den das Oberverwaltungsgericht gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 VwGO zuständig ist, ist zulässig. Insbesondere ist die Antragstellerin gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt.

18

Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann jede natürliche oder juristische Person einen Normenkontrollantrag stellen, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. In Anwendung dieser Grundsätze ist eine Antragsbefugnis der Antragstellerin gegeben. Als Eigentümerin von gewerblich genutzten bzw. auch nach dem bisherigen Durchführungsplan Nr. 4 nutzbarer Flächen im Geltungsbereich der Satzung kann sie geltend machen, im Hinblick auf ihre mit der erlassenen Satzung gesperrten Bauabsichten durch die Veränderungssperre in ihren Rechten verletzt zu sein.

19

Dem Antrag liegt auch ein Rechtsschutzbedürfnis zu Grunde.

20

Einem Normenkontrollantrag, mit dem sich ein Eigentümer dagegen zur Wehr setzt, dass sein Grundstück baulichen Beschränkungen ausgesetzt ist, fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, wenn unzweifelhaft ist, dass er seinem Ziel, das Grundstück baulich zu nutzen, selbst dann auf unabsehbare Zeit nicht näherkommen kann, wenn der angegriffene Plan für unwirksam erklärt wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26.05.1993 - 4 NB 3.93 -, juris [Rn. 10]). Unschädlich ist, dass ein Antragsteller seinem eigentlichen Ziel nicht allein dadurch näherkommt, dass die angegriffene Satzung für unwirksam erklärt wird. Dem Zulässigkeitserfordernis des Rechtsschutzbedürfnisses ist schon genügt, wenn sich nicht ausschließen lässt, dass die gerichtliche Entscheidung für den Rechtsschutzsuchenden ggf. von Nutzen sein kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.03.1998 - 4 CN 6/97 -, juris [Rn. 17]). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Es ist jedenfalls nicht gänzlich ausgeschlossen, dass die Antragstellerin ihr Grundstück entsprechend ihrer Bauanfrage auf der Grundlage des bisherigen Planungsrechts ausnutzen könnte, wenn die Veränderungssperre für unwirksam erklärt wird. Eine positive Bescheidung des Bauvorbescheidsantrags und eines Bauantrags der Antragstellerin erscheint wenigstens möglich.

21

Der Antrag ist auch fristgerecht gestellt worden. Die Jahresfrist gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO begann nach der (ersten) Bekanntmachung vom 16.12.2014 am 17.12.2014 und endete am 16.12.2015. Innerhalb dieser Frist, nämlich am 14.12.2015, ist der Antrag auch formgerecht bei Gericht eingegangen. Die erneute Bekanntmachung der Veränderungssperre am 06.07.2016 mit Rückwirkung zum 18.12.2014 ändert hieran nichts; insbesondere setzte diese die Frist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht erneut in Gang (vgl. OVG NRW, Urteil vom 02.03.2007 - 7 D 53/06.NE -, juris [Rn. 20] m.w.N.).

II.

22

Der Antrag ist jedoch unbegründet.

23

Der Antrag gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 BauGB ist begründet, wenn die angegriffene Rechtsvorschrift objektiv unwirksam ist. Auf eine subjektive Rechtsverletzung der Antragstellerin kommt es in diesem objektiven Rechtsbeanstandungsverfahren nicht mehr an (BVerwG, Urteil vom 09.04.2008 - 4 CN 1/07 -, juris [Rn. 13]).

24

Nach diesen Maßstäben hat der Antrag in der Sache keinen Erfolg. Sowohl in formeller (1.), als auch in materieller Hinsicht (2.) ist die Veränderungssperre rechtmäßig.

1.

25

Zunächst ist die Veränderungssperre, die auf der Ermächtigungsgrundlage des § 14 Abs. 1 BauGB beruht, in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden.

26

Unstreitig ist die Veränderungssperre gemäß § 16 Abs. 1 BauGB ordnungsgemäß als Satzung erlassen worden. Fehler hinsichtlich des Beschlussverfahrens sind nicht geltend gemacht worden und auch sonst nicht ersichtlich.

27

Die Antragsgegnerin hat die Veränderungssperre auch gemäß § 16 Abs. 2 BauGB ortsüblich bekannt gemacht. Dabei ist es gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 10 Abs. 3 Sätze 2 bis 5 BauGB zulässig, nur den Beschluss über die Veränderungssperre ortsüblich bekannt zu machen. Von dieser Möglichkeit hat die Antragsgegnerin Gebrauch gemacht. Maßgebend für die ortsübliche Bekanntmachung ist diejenige Form der Verkündung, die nach Landes- oder Ortsrecht für die Bekanntmachung der örtlichen Rechtsetzung bestimmt ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23.9.1974 - 4 B 113.74 -, juris [Rn. 3]; Urteil vom 26.05.1978 - 4 C 9.77 -, juris [Rn. 21]; Urteil vom 18.11.2010 - 4 CN 3.10 -, juris [Rn. 15]; s.a. Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 121. EL Mai 2016, § 16 Rn. 25). Die maßgebliche Vorschrift im Ortsrecht ist hier § 17 Abs. 4 der Hauptsatzung der Stadt Elmshorn. Diese Vorschrift regelt die Form der Bekanntmachungen der Stadt Elmshorn nach dem Baugesetzbuch. Danach haben solche in den „Elmshorner Nachrichten“ bekannt gegeben zu werden. Zusätzlich hat eine Veröffentlichung unter www.elmshorn.de zu erfolgen. Diesen Anforderungen hat die Antragsgegnerin durch ihre erstmals am 16.12.2014 erfolgte Veröffentlichung sowohl in den Elmshorner Nachrichten als auch auf ihrer Internet-Präsenz genügt. Auch die erneute Bekanntmachung in den selben Medien am 06.07.2016 mit Rückwirkung zum 18.12.2014 genügt diesen Anforderungen.

28

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist der bei der Ersatzverkündung gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 10 Abs. 3 Satz 3 BauGB erforderliche Hinweiszweck erfüllt. Dieser bezieht sich allein darauf, dass in der Veröffentlichung auf die Möglichkeit der Einsichtnahme und Auskunftsmöglichkeit hingewiesen wird, was ausweislich des Zeitungsabdrucks sowie des Hinweises auf der Internetseite der Antragsgegnerin erfolgt ist. Die von der Antragstellerin vorgetragene Rüge, die - erste - Veröffentlichung in einem Fließtext gemeinsam mit der Veröffentlichung des Planaufstellungsbeschlusses sei verwirrend, hat sich jedenfalls durch die erneute, nunmehr getrennt von der ebenfalls mit rückwirkender Wirkung erfolgten Bekanntmachung des Aufstellungsbeschlusses vorgenommene Bekanntmachung der Veränderungssperre am 06.07.2016 mit Wirkung zum 18.12.2014 erledigt. Der Senat teilt zwar die Kritik der Antragstellerin am ergänzenden Verfahren hinsichtlich des Aufstellungsbeschlusses. Ein solches ist nach § 214 Abs. 4 BauGB allein für den Flächennutzungsplan oder Satzungen, nicht hingegen für den Aufstellungsbeschluss vorgesehen, so dass die damit intendierte etwaige Heilung formeller Fehler fehlgeschlagen ist. Dies lässt indessen den Aufstellungsbeschluss vom 25.09.2014 und seine ursprüngliche - wirksame - Bekanntmachung am 16.12.2014 unberührt und zieht insbesondere den Hinweiszweck der Ersatzverkündung der Veränderungssperre nicht in Zweifel. Gegen die Zulässigkeit jenes rückwirkenden Inkraftsetzungsverfahrens in Bezug auf die Veränderungssperre werden im Übrigen Bedenken nicht geltend gemacht; solcherlei Bedenken sind auch sonst nicht ersichtlich (vgl. BVerwG, Beschluss vom 01.10.2009 - 4 BN 34/09 -, juris [Rn. 5]).

29

Der räumliche Geltungsbereich der Veränderungssperre genügt auch dem Bestimmtheitsgebot. Die Satzung über die Veränderungssperre muss ihren räumlichen Geltungsbereich bestimmen. Das Gebiet kann durch textliche Umschreibung in der Satzung oder durch Bezugnahme auf eine zeichnerische Darstellung bezeichnet werden, die in der Satzung enthalten ist. Die Anforderungen des Bestimmtheitsgebots sind dabei zu beachten (VGH München, Urteil vom 11.07.2000 - 26 N 99.3185 -, juris [Rn. 16 f.]). Lassen sich die Grenzen des Geltungsbereichs nicht mit Bestimmtheit ermitteln, ist die Satzung unwirksam.

30

Verstöße gegen das Bestimmtheitsgebot ergeben sich nach obergerichtlicher Rechtsprechung z.B. dann, wenn der räumliche Geltungsbereich in sich nicht stimmig ist. Dies ist nach der Rechtsprechung des OVG Berlin-Brandenburg der Fall, wenn Flurstücke in dem Text der Satzung nicht mit aufgezählt wurden, die von dem beiliegenden Kartenausschnitt aber mit umfasst sind (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.06.2011 - OVG 10 A 12/10 -,juris [Rn. 22]). Weniger streng wird diese Voraussetzung vom OVG Greifswald gesehen, wonach etwaige Widersprüche als unbeachtlich eingestuft werden, sofern sie durch Auslegung auflösbar seien (OVG Greifswald, Urteil vom 17.06.2015 - 3 L 50/13 -, juris [Rn. 60]). Eine solche Unstimmigkeit liegt hier nicht vor. Die Karte in Anlage 1 zur Satzung, auf die § 2 „Räumlicher Geltungsbereich“ der Satzung verweist, ist mit der Beschreibung des Bereichs in § 2 sowie dem Satzungstitel kongruent. Es sind sowohl die sieben Flurstücke aufgeführt, die vollständig in den auf der Karte gekennzeichneten Bereich fallen, als auch der Teilbereich des Flurstücks 87/15, also der Bereich der A-Straße. Insbesondere geht der Bereich auf der Karte nicht über den in § 2 der Satzung hinaus.

31

Das Bestimmtheitsgebot kann indes auch verletzt sein, wenn sich die Grenzen des Geltungsbereiches der Karte nicht eindeutig entnehmen lassen. Dafür kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes München (Urteil vom 11.07.2000 - 26 N 99.3185 -, a.a.O. [Rn. 17]) auch sprechen, dass der Maßstab der Karte nicht aufgeführt ist. In der zitierten Entscheidung war zwar ein Maßstab (1:5000) angegeben; jedoch handelte es sich bei der Karte um eine verkleinerte Kopie eines Teils eines Planes des angegeben Maßstabs. Der Maßstab, der sich durch die Verkleinerung ergeben hatte, stand demgegenüber nicht fest, so dass etwa Entfernungen anhand der Karte nicht bestimmt werden konnten. Dabei hat der Verwaltungsgerichtshof München allerdings offen gelassen, ob der fehlende Maßstab allein eine Verletzung des Bestimmtheitsgebotes begründet. Denn in jenem Fall war ausschlaggebend, dass angesichts der Art und Weise, in der die Grenzen des Geltungsbereichs in der Karte zeichnerisch dargestellt waren, nicht festgestellt werden konnte, welche Grundstücke von der Veränderungssperre erfasst wurden. Der Geltungsbereich war ohne Rücksicht auf - in die Karte nicht eingetragene - Grundstücksgrenzen oder auf andere nachvollziehbare Begrenzungen, wie etwa den Verlauf eines Gewässers oder einer Straße, durch gerade, unregelmäßig unterbrochene Linien dargestellt.

32

Gemessen hieran leidet die der Veränderungssperre vorliegend als Anlage 1 beigefügte Karte der Antragsgegnerin nicht an einem solchen offenkundigen Mangel. Die Grundstücks- bzw. Flurstücksgrenzen sind auf der Karte eingezeichnet. Darüber hinaus sind andere prägnante Begrenzungen dargestellt, nämlich die Straße Am E. im Norden, die A-Straße im Westen, sowie die Bahnlinie im Osten. Zudem ist der Geltungsbereich durch eine durchgezogene Linie gekennzeichnet. Selbst die Teilfläche der A-Straße, die nicht durch die Begrenzungen eines einzigen Flurstücks identifizierbar ist, ist nach Auffassung des Senats auch ohne Maßstabsangabe bestimmt genug. Denn durch die klare Linienziehung ohne Unterbrechung und die detaillierte Wiedergabe der Umgebung ist die Einordnung auch dieser unmittelbar vor dem Grundstück A-Straße 35 gelegene Teilfläche hinreichend bestimmt.

33

Da die Bekanntmachung im Wege der Ersatzverkündung gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 BauGB erfolgt ist, ist für die Frage der Bestimmtheit die ausgelegte Satzung mit der dazugehörigen Karte maßgeblich.

2.

34

Die Veränderungssperre ist auch materiell rechtmäßig.

35

Insbesondere liegt ein wirksamer Planaufstellungsbeschluss vor. Der Aufstellungsbeschluss ist für die als Satzung zu erlassende Veränderungssperre materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung. Dieser Beschluss ist hier rechtlich nicht zu beanstanden, wobei angesichts des - wie oben ausgeführt - fehlgeschlagenen Heilungsverfahrens von einer bewirkten Bekanntmachung desselben vom 25.09.2014 mit Ablauf des Tages seiner - ersten - Bekanntmachung (§ 17 Abs. 4 Satz 3 der Hauptsatzung der Antragsgegnerin) auszugehen ist.

36

Zunächst erfüllt er die von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geforderte „Anstoßfunktion“ eines Planaufstellungsbeschlusses. Der Begriff der „Anstoßfunktion“ kennzeichnet schlagwortartig die Anforderungen, die an die in § 3 Abs. 2 Satz 2 HS. 1 BauGB vorgeschriebene ortsübliche Bekanntmachung des Ortes und der Dauer der Auslegung der Entwürfe der Bauleitpläne zu stellen sind. Die Bekanntmachung muss danach in einer Weise geschehen, die geeignet ist, dem an der beabsichtigten Bauleitplanung interessierten Bürger sein Interesse an Information und Beteiligung durch Abgabe einer Stellungnahme bewusst zu machen und dadurch eine gemeindliche Öffentlichkeit herzustellen (BVerwG, Urteil vom 06.07.1984 - 4 C 22.80 -, juris [Rn. 15]). Sie soll interessierte Bürger dazu ermuntern, sich am Ort der Auslegung des Planentwurfs zu den angegebenen Zeiten über die gemeindlichen Planungsabsichten zu informieren und gegebenenfalls mit Anregungen und Bedenken zur Planung beizutragen. Ihre Aufgabe ist es nicht, über den Inhalt der angelaufenen Planung selbst so detailliert Auskunft zu geben, dass die Einsichtnahme in die Planunterlagen am Ort der Auslegung entbehrlich wird. Die Anstoßfunktion ist dann gewährleistet, wenn der in der Bekanntmachung benutzte Name des Plangebietes allgemein geläufig ist. Dabei wird in aller Regel die Ortsüblichkeit der Namensbenutzung genügen. An den Bekanntheitsgrad des benutzten Namens sind keine strengeren Anforderungen zu stellen als es die Verständlichkeit für die Bürger gebietet. Es dient der Qualität der Anstoßfunktion, wenn in der Bekanntmachung an bereits geläufige Gebietsnamen angeknüpft wird, mag auch eine Kongruenz von Namensbezug und Plangebiet nicht vollständig bestehen. Der interessierte Bürger - so das Bundesverwaltungsgericht - wird sich im Allgemeinen bewusst sein, dass der genauere Umfang des von der Bauleitplanung erfassten Gebietes ohnehin nur durch Einsicht in die ausgelegten Planungsunterlagen feststellbar ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.05. 1978 - 4 C 9.77 -, a.a.O. [Rn. 26]).

37

In Anwendung dieser Maßstäbe erfüllt die Bezeichnung des Plangebietes mit dem Zusatz „Am E.“ und dem Hinweis auf ehemals gewerblich genutzte Flächen die verlangte „Anstoßwirkung“. Durch die Lage des Lidl-Marktes Am E. ist eine hinreichende Geläufigkeit der Lage gewährleistet, insbesondere auch, da dieser durch die ursprünglich geplante Schließung einen gewissen Bekanntheitsgrad in der Bevölkerung genießen dürfte. Darüber hinaus handelt es sich bei der Straße Am E. um eine relativ kurze Straße, so dass schon durch die bloße Benennung des Namens - dann noch verbunden mit dem Hinweis auf ehemalige Gewerbeflächen - eine hinreichende geographische Eingrenzung erfolgt, die der „Anstoßfunktion“ genügt. Da bereits der Zusatz „Am E.“ ausreichend ist, kann dahinstehen, ob weitere Angaben wie die Flurstücksnummern und dergleichen die „Anstoßwirkung“ verstärken.

38

Es entspricht der gefestigter Rechtsprechung, dass die Veränderungssperre bzw. der Beschluss über diese nicht vor dem zu Grunde liegenden Planaufstellungsbeschluss bekannt gemacht werden darf, indes ist eine gleichzeitige Bekanntmachung unschädlich (ganz h.M., vgl. BVerwG, Beschl. vom 09.02. 1989 - 4 B 236.88 -, juris [OS 1]; OVG NRW, Urteil vom 24.08.1989 - 7 A 2495/87 -, juris [LS 2]; VGH BW, Urteil vom 09.02.1998 - 8 S 2770/97 - juris [Rn. 15]; VGH München, Beschluss vom 27.09.1999 - 26 ZS 99.2149 -, juris [Rn. 25]). Die Rüge, dass die zunächst vorgenommene gleichzeitige öffentliche Bekanntmachung des Aufstellungsbeschlusses und der Veränderungssperre den gesetzlichen Anforderungen deshalb nicht genüge, weil die Veränderungssperre gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 10 Abs. 3 Satz 4 BauGB mit der Veröffentlichung am 16.12.2014 in Kraft getreten sei, während der Planaufstellungsbeschluss nach Maßgabe des § 17 Abs. 4 Satz 3 der Hauptsatzung der Antragsgegnerin erst am Folgetag wirksam geworden sei, ist - ungeachtet des Umstandes, dass jener Einwand ohnedies nicht griff, da auch für die Bekanntmachung der Veränderungssperre im Wege der Ersatzverkündung das einschlägige Ortsrecht, d.h. hier § 17 Abs. 4 Satz 3 der Hauptsatzung der Antragsgegnerin i.V.m. §§ 16 Abs. 2 Satz 2, 2. HS, 10 Abs. 3 Satz 4 BauGB anzuwenden ist (vgl. nur Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, a.a.O., § 16 Rn. 25) und deren Bekanntmachung daher ebenfalls wie diejenige des Aufstellungsbeschlusses erst am 17.12.2014 bewirkt war - durch das von der Antragsgegnerin durchgeführte Heilungsverfahren obsolet geworden. Danach ist - hier allein relevant - der in den Elmshorner Nachrichten vom 06.07.2016 und parallel dazu im Internet bekannt gemachten Veränderungssperre eine Rückwirkung (erst) zum 18.12.2014 beigemessen worden, während die wegen des - wie oben ausgeführt - fehlgeschlagenen Heilungsverfahrens allein maßgebliche (erste) Bekanntmachung des Aufstellungsbeschlusses vom 25.09.2014 bereits mit Ablauf des Bekanntmachungstages - 16.12.2014 -, d.h. am 17.12.2014 bewirkt war.

39

Es fehlt der Planung insbesondere auch nicht an hinreichend konkretisierten Planungsabsichten im maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Veränderungssperre.

40

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. zusammenfassend BVerwG, Beschluss vom 22.01.2013 - 4 BN 7/13 -, juris [Rn. 3]) darf eine Veränderungssperre nach § 14 Abs. 1 BauGB erst erlassen werden, wenn die mit dem Aufstellungsbeschluss eingeleitete Planung, die sie sichern soll, im maßgeblichen Zeitpunkt ihres Erlasses ein Mindestmaß dessen erkennen lässt, was Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplans sein soll (BVerwG, Urteil vom 10.09.1976 - BVerwG 4 C 39.74 -, BVerwGE 51, 121; Beschluss vom 27.07.1990 - BVerwG 4 B 156.89 -, ZfBR 1990, 302; Beschluss vom 25.11.2003 - BVerwG 4 BN 60.03 -, NVwZ 2004, 477). Wesentlich ist dabei, dass die Gemeinde bei Erlass der Veränderungssperre bereits positive Vorstellungen über den Inhalt des Bebauungsplans entwickelt hat. Sie muss zumindest Vorstellungen über die Art der baulichen Nutzung besitzen, sei es, dass sie einen bestimmten Baugebietstyp nach der Baunutzungsverordnung, sei es, dass sie bestimmte nach den Vorschriften des § 9 Abs. 1 bis 2a BauGB festsetzbare Nutzungen im Blick hat (BVerwG, Urteil vom 19.02.2004 - BVerwG 4 CN 16/03 -, juris [Rn. 28]; BVerwG, Urteil vom 30.08.2012 - 4 C 1.11 -, juris [Rn. 12]). Denn sofern positive Vorstellungen über die angestrebte Art der baulichen Nutzung der betroffenen Grundflächen fehlen, ist der Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplans noch offen. Die nachteiligen Wirkungen der Veränderungssperre wären - auch vor dem Hintergrund des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG - nicht erträglich, wenn sie zur Sicherung einer Planung dienen sollte, die sich in ihrem Inhalt noch in keiner Weise absehen lässt (BVerwG, Beschluss vom 05.02.1990 - 4 B 191.89 -, ZfBR 1990, 206). Solche Vorstellungen müssen sich allerdings nicht allein aus der Niederschrift der Ratssitzung ergeben. Zulässig ist darüber hinaus der Rückgriff auf alle erkennbaren Unterlagen und Umstände. Hierzu kann beispielsweise auch die anderen Akten zu entnehmende oder bekannte Vorgeschichte gehören (BVerwG, Beschluss vom 01.10.2009 - BVerwG 4 BN 34.09 -, juris [Rn. 9]). Eine Negativplanung, die sich darin erschöpft, einzelne Vorhaben auszuschließen, reicht nicht aus (BVerwG, Urteile vom 19.02.2004 - BVerwG 4 CN 16/03 - a.a.O. [Rn. 28] und vom 30.08.2012 - BVerwG 4 C 1.11 -, a.a.O. [Rn. 10]). Sind positive Planvorstellungen nur vorgeschoben und ist in Wahrheit eine Verhinderungsplanung gewollt, so handelt es sich um eine Negativplanung, die den Erlass einer Veränderungssperre nicht rechtfertigt.

41

Ausgehend von diesen - in der Rechtsprechung des Senats gleichlautend angewandten (vgl. Urteil vom 02.12.2015 - 1 KN 21/14 -, Urteil vom 17.02.2011 - 1 KN 12/10 -; Beschluss vom 01.20.2014 - 1 MR 8/14 -) - Maßstäben ist der Inhalt der zu sichernden Planung zum Zeitpunkt des Erlasses der Veränderungssperre hinreichend konkret erkennbar. So nennt der Aufstellungsbeschluss als Planungsziel zum einen explizit die Umsetzung der Ziele des Einzelhandels- und Nahversorgungskonzeptes 2011 der Antragsgegnerin. Jene Ziele bestehen ihrerseits in der Sicherung der flächendeckenden wohnortnahen Grundversorgung der Bevölkerung, was zugleich die planerische Sicherung des vorhandenen Einzelhandelsbetriebes impliziert; sie beinhalten aber auch die Sicherung und Stärkung des zentralen Versorgungsbereichs der Antragsgegnerin und streiten damit für einen Ausschluss weiteren Einzelhandels auf dezentralen Flächen. Zum anderen führt der Aufstellungsbeschluss als Planungsziel daneben die Schaffung der planungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Wohnnutzung an und deutet damit auf eine insoweitige Umsetzung des Integrierten Stadtentwicklungskonzeptes der Antragsgegnerin (ISEK), Wohnraumangebote im Rahmen der Innenentwicklung zu realisieren.

42

Die Veränderungssperre ist zur Erreichung des mit ihr verfolgten Sicherungszwecks auch erforderlich. Die Erforderlichkeit verlangt nicht die Prüfung, ob der - noch nicht beschlossene Bebauungsplan - in seinen einzelnen Festsetzungen von einer ordnungsgemäßen und gerechten Abwägung aller betroffener Belange (vgl. § 1 Abs. 6 und 7 BauGB) getragen sein wird (BVerwG, Beschluss vom 21.12.1993 - 4 NB 40.93 -, juris [Rn. 2]). Die Normenkontrolle gegen eine Veränderungssperre darf die Prüfung der Rechtmäßigkeit der zu sichernden Bauleitplanung noch vor deren Zustandekommen nicht vorwegnehmen. Nicht erforderlich und somit als Sicherungsmittel ungeeignet ist eine Veränderungssperre vielmehr nur dann, wenn sich das aus dem Aufstellungsbeschluss ersichtliche Planungsziel im Wege planerischer Festsetzung nicht erreichen lässt, wenn der beabsichtigte Bauleitplan einer positiven Planungskonzeption entbehrt und der Förderung von Zielen dient, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuchs nicht bestimmt sind, oder wenn rechtliche Mängel schlechterdings nicht behoben werden können (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21.12.2005 - 4 BN 61.05 -, juris [Rn. 5]; Beschluss vom 21.12.1993 - 4 NB 40/93 -, a.a.O. [Rn. 3] m.w.N.). Derartige Mängel liegen nicht vor.

43

Die von der Antragsgegnerin angeführten Planungsziele sind im Wege planerischer Festsetzung grundsätzlich erreichbar. So kommen als Festsetzungen der Art der baulichen Nutzung etwa diejenigen nach §§ 4 und 5 BauNVO (Allgemeines Wohngebiet und Mischgebiet) in Betracht, soweit ein Mix der intendierten Festsetzungen von Einzelhandel und Wohnnutzung erwogen wird. Denkbar wären auch getrennte Festsetzungen, die neben der (alleinigen) Wohnnutzung einerseits je nach der beabsichtigten Größe des Einzelhandels zum anderen ggf. eine Sondergebietsausweisung iSv § 11 Abs. 3 BauNVO vorsehen.

44

Es fehlt dem beabsichtigten Bebauungsplan Nr. 191 „Am E.“ der Antragsgegnerin auch nicht - wie ausgeführt - an einer positiven Planungskonzeption; es handelt sich insbesondere nicht um eine bloße Negativ- oder Verhinderungsplanung, auch wenn die Antragsgegnerin mit ihrem u.a. formulierten Ziel der Bestandssicherung des vorhandenen Einzelhandelsbetriebes und des unter Ausschluss weiteren Einzelhandels auf eine Wohnnutzung beschränkten Planungsansatzes letztlich auch begrenzende, „negative“ Zielvorstellungen deutlich macht. Negative Zielvorstellungen sind nämlich nicht von vorneherein illegitim. Sie können sogar den Hauptzweck einer konkreten Planung bilden. Die Gemeinde darf mit Mitteln, die ihr insbesondere das Baugesetzbuch und die Baunutzungsverordnung zur Verfügung stellen, grundsätzlich auch städtebauliche Ziele verfolgen, die mehr auf Bewahrung als auf Veränderung der vorhandenen Situation zielen. Letztlich ist der Gegensatz von positiven oder negativen Planungszielen wenig hilfreich zur Beantwortung der Frage, wann eine unzulässige Verhinderungsplanung vorliegt (vgl. dazu auch BVerwG, Beschluss vom 18.12.1990 - 4 NB 8/90 -, juris [Rn. 15]). Vielmehr ist eine solche erst dann anzunehmen, wenn die konkrete Planung nicht dem planerischen Willen der Gemeinde entspricht, sondern nur vorgeschoben ist, um eine andere Nutzung zu verhindern bzw. einen Bauwunsch zu durchkreuzen (s. BVerwG, Urteil vom 16.12.1988, DVBl. 1989, 458; Beschluss vom 27.01.1999, BRS 62, Nr. 29; s. dazu insgesamt OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20.01.2011 - 1 C 10801/10 -, juris [Rn. 27[). Davon kann unter Berücksichtigung insbesondere des bereits in 2007 beschlossenen Integrierten Stadtentwicklungskonzeptes der Antragsgegnerin und des im Jahr 2011 von dieser verabschiedeten Einzelhandels- und Entwicklungskonzeptes hier keine Rede sein.

45

Auch ist es unstreitig, dass eine Bauleitplanung ihren Ausgang in einem Bauantrag betroffener Grundstückseigentümer nehmen kann und die Antragsgegnerin einen solchen zum Anlass nehmen darf, um ihre städtebaulichen und planerischen Vorstellungen in Bebauungsplänen festzuschreiben (VGH München, Urteil vom 27.10.2014 - 1 N 13.586, 1 N 13.604 -, juris [Rn. 26]). Eine zunächst nur auf die Verhinderung einer - aus der Sicht der Gemeinde - Fehlentwicklung gerichtete Planung kann einen Inhalt haben, der rechtlich nicht zu beanstanden ist (BVerwG, Beschluss vom 18.12.1990 - 4 NB 8/90 -, juris [Rn. 16]). So liegt es hier, wie die vorstehenden Ausführungen zu Planungsziel und möglichen Festsetzungsinhalten zeigen. Die Tatsache, dass Anlass für die Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 191 möglicherweise das bereits vor der sodann Mitte Januar 2015 konkret gestellten Voranfrage bekannte Bauvorhaben der Antragstellerin war, auf ihrem Grundstück den bestehenden Einzelhandelsbetrieb in erweiterter Gestalt neu zu errichten und weitere Gebäude mit Wohnungen, Büros und Praxen bzw. mit gemischter gewerblicher und wohnlicher Nutzung herzustellen, stellt die Wirksamkeit der Veränderungssperre unter dem Gesichtspunkt einer Negativ- oder Verhinderungsplanung daher nicht in Frage.

46

Die zu sichernde Planung leidet auch an keinen Mängeln, die von vornherein nicht behebbar wären. Anhaltspunkte dafür sind nicht ersichtlich. Die Wirksamkeit der Veränderungssperre darf nur in sehr engen Grenzen davon abhängig gemacht werden, ob Überlegungen über bestimmte Festsetzungen im späteren Bebauungsplan letztlich rechtmäßig getroffen werden könnten (Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, a.a.O., § 14 Rn. 53). Die Normenkontrolle einer Veränderungssperre dient gerade nicht einer umfassenden antizipierten Kontrolle der Rechtmäßigkeit der zu sichernden Planung. Denn sie dient dem Schutz der „Planung im Werden“ vor Störungen von außen. Materiell rechtliche Bedenken im Planentwurf können noch im Laufe des Planaufstellungsverfahrens korrigiert werden. Ihre Überprüfung bleibt letztlich einer etwaigen Normenkontrolle des fertiggestellten Bebauungsplans vorbehalten. Hinsichtlich der materiellen Rechtmäßigkeit der Veränderungssperre ist lediglich zu prüfen, ob die im Aufstellungsbeschluss manifestierte Planung offensichtlich rechtswidrig und der Mangel schlechterdings nicht behebbar ist (BVerwG, Beschluss vom 21.12.1993 - 4 NB 40.93 -, a.a.O. [Rn. 2]). Einer solchen Evidenzkontrolle hält die hier zu sichernde Planung stand. Die von der Antragstellerin angesprochene immissionsschutzrechtliche Problematik einer in unmittelbarer Nähe zur Bahnlinie vorgesehenen Wohnbebauung ist nicht von vornherein unauflösbar, insbesondere hat die Antragsgegnerin diverse Möglichkeiten dargelegt, die diesem Konflikt entgegentreten können (z.B. Festsetzungen zum baulichen Schallschutz; Festsetzungen zur Anordnung von Wohn- und Schlafräumen). Dies ist für das jetzige Stadium der Planung ausreichend. Soweit sich die Antragstellerin auf einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Lebensmitteldiscounters gemäß Art. 14 GG beruft, begründet dieser Einwand ebenfalls keinen absehbar nicht behebbaren Mangel. Jedenfalls ist kein betriebsbezogener Eingriff ersichtlich, der zu einem evidenten Abwägungsfehler der Planung führen könnte. Das der Planung zu Grunde liegende Nahversorgungskonzept zeigt, dass die Antragsgegnerin keine bloße Verhinderungsplanung bezweckt.

47

Für andere Mängel der materiellen Rechtmäßigkeit sind keine Anhaltspunkte ersichtlich.

III.

48

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

49

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

50

Gründe, die die Zulassung der Revision rechtfertigen könnten (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO), liegen nicht vor.

51

Beschluss

52

Der Streitwert wird auf 230.000,00 EURO festgesetzt.

53

Gründe

54

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG. Sie berücksichtigt nach den regelmäßigen Streitwertannahmen des Senats das wirtschaftliche Interesse der Normenkontrollklägerin, der es um die Erlangung bzw. den Erhalt von Baurechten geht, entsprechend den Wertannahmen in Baugenehmigungsverfahren. Insoweit sind für die Errichtung eines 1.000 m² Verkaufsfläche umfassenden Einzelhandelsbetriebes 130,00 €/m² Verkaufsfläche in Ansatz gebracht worden. Zudem wurden die beiden geplanten Wohn- und Geschäftshäuser (mangels weiterer Konkretisierung) mit je 50.000,00 € berücksichtigt. Eine Halbierung dieses Wertes, wie in Nr. 9.8.4 des Streitwertkataloges für Veränderungssperren empfohlen, sehen die Streitwertannahmen des Senats nicht vor.

55

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.

(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.

(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

(1) Über Erinnerungen des Kostenschuldners und der Staatskasse gegen den Kostenansatz entscheidet das Gericht, bei dem die Kosten angesetzt sind. Sind die Kosten bei der Staatsanwaltschaft angesetzt, ist das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig. War das Verfahren im ersten Rechtszug bei mehreren Gerichten anhängig, ist das Gericht, bei dem es zuletzt anhängig war, auch insoweit zuständig, als Kosten bei den anderen Gerichten angesetzt worden sind. Soweit sich die Erinnerung gegen den Ansatz der Auslagen des erstinstanzlichen Musterverfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz richtet, entscheidet hierüber das für die Durchführung des Musterverfahrens zuständige Oberlandesgericht.

(2) Gegen die Entscheidung über die Erinnerung findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde ist auch zulässig, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt.

(3) Soweit das Gericht die Beschwerde für zulässig und begründet hält, hat es ihr abzuhelfen; im Übrigen ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Beschwerdegericht ist das nächsthöhere Gericht. Eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes findet nicht statt. Das Beschwerdegericht ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden; die Nichtzulassung ist unanfechtbar.

(4) Die weitere Beschwerde ist nur zulässig, wenn das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden und sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zugelassen hat. Sie kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht; die §§ 546 und 547 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Über die weitere Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht. Absatz 3 Satz 1 und 4 gilt entsprechend.

(5) Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Für die Bevollmächtigung gelten die Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensordnung entsprechend. Die Erinnerung ist bei dem Gericht einzulegen, das für die Entscheidung über die Erinnerung zuständig ist. Die Erinnerung kann auch bei der Staatsanwaltschaft eingelegt werden, wenn die Kosten bei dieser angesetzt worden sind. Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Entscheidung angefochten wird.

(6) Das Gericht entscheidet über die Erinnerung durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter; dies gilt auch für die Beschwerde, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren der Kammer oder dem Senat, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Das Gericht entscheidet jedoch immer ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter. Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.

(7) Erinnerung und Beschwerde haben keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht oder das Beschwerdegericht kann auf Antrag oder von Amts wegen die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen; ist nicht der Einzelrichter zur Entscheidung berufen, entscheidet der Vorsitzende des Gerichts.

(8) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.