Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 21. Dez. 2015 - 12 A 1034/15
Tenor
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens
1
G r ü n d e :
2Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung ist zulässig, aber unbegründet, weil keiner der geltend gemachten Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
3Das Zulassungsvorbringen begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
4Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dem Kläger fehle das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, soweit die Beklagte erklärt habe, dass die Vollstreckung in Höhe von 2,00 € eingestellt werde. Diese Rechtsauffassung ist offensichtlich zutreffend und beruht keineswegs, wie der Kläger meint, „auf einer Verletzung des § 3 I VwVG sowie des Art. 3 I GG in Form des Willkürverbots“. Dass eine eindeutige und unbedingte, somit nicht als bloße Ankündigung oder Absichtserklärung zu verstehende Erklärung der Beklagten, die Vollstreckung hinsichtlich eines benannten Teilbetrages nicht mehr zu betreiben, insoweit zum Fortfall des Rechtsschutzbedürfnisses für eine auf die Gewährung von Vollstreckungsschutz gerichtete Klage führt, hat der Senat bereits in seinem Beschluss vom 19. Februar 2013 - 12 A 461/12 -, mit dem er den Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 11. Januar 2012 - 25 K 332/10 - abgelehnt hat, dargelegt. Für die im Schriftsatz der Beklagten vom 2. Dezember 2013 enthaltene Erklärung
5- „Hinsichtlich eines Betrages von 2,00 EUR Mahnkosten erfolgte die Vollstreckung zu Unrecht. Die 2,00 EUR Mahnkosten wurden storniert.“ - gilt nichts anders. Sie lässt keinen Zweifel daran, dass die Beklagte insoweit von einer weiteren Vollstreckung dauerhaft absieht, und bietet ihrem eindeutigen Wortlaut nach auch keinen Anhalt dafür, dass es sich nur um eine „Ankündigung“ handele. Soweit der Kläger geltend macht, die Beklagte habe ihren Vollstreckungsauftrag an das Hauptzollamt trotz der besagten Stornierung „unverändert fortbestehen … lassen“ und er müsse „mit (weiteren) Vollstreckungsmaßnahmen des Hauptzollamtes rechnen“, hat die Beklagte schon in ihrer Antragserwiderung vom 19. November 2013 zum Verfahren 26 L 1688/13 darauf hingewiesen, dass aktuell kein Vollstreckungsverfahren anhängig sei, nachdem das Hauptzollamt E. die Vollstreckungsanordnung der Beklagten vom 23. August 2013 unter dem 1. November 2013 als erledigt betrachtet und zurückgesandt habe. An dieser Sachlage hat sich seitdem erkennbar nichts geändert. Davon abgesehen spricht auch für den Fall einer erneuten Vollstreckungsanordnung nichts dafür, dass die Beklagte die stornierten Mahnkosten nochmals zum Gegenstand eines Vollstreckungsverfahrens machen sollte.
6Auch soweit das Verwaltungsgericht das mit dem Klageantrag zu 1) im Übrigen verfolgte Klagebegehren wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig angesehen hat, weil die Beklagte die Verwaltungsvollstreckung aus einem Bescheid vom 20. April 1999 tatsächlich nicht betreibe, wendet der Kläger hiergegen nichts Erhebliches ein. Sein Zulassungsvorbringen vermag die auf die Rechtsprechung des Senats,
7vgl. erneut den Beschluss vom 19. Februar 2013
8- 12 A 461/12 -,
9gestützte Auffassung des Verwaltungsgerichts, die inhaltliche Richtigkeit der Vollstreckungsanordnung und -ankündigung sei keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung der Vollstreckung, nicht durchgreifend in Frage zu stellen. Die Argumentation des Klägers, die Vollstreckungsanordnung diene der Konkretisierung der Schuld, die „im Falle der Leistung entsprechend § 362 BGB erlischt“, geht daran vorbei, dass sich die Frage, welche Schuld durch eine Leistung des Schuldners zum Erlöschen gebracht wird, nur stellt, wenn das Geleistete nicht zur Tilgung sämtlicher Schulden ausreicht, und selbst in einem solchen Fall die Tilgungsreihenfolge durch § 1 Abs. 4 DarlehensV rechtlich vorgegeben ist,
10vgl. zu Letzterem: OVG NRW, Beschluss vom 19. Februar 2013 - 12 A 541/11 -,
11so dass der Bezeichnung des der Vollstreckung zugrunde liegenden Leistungsbescheides in der Vollstreckungsanordnung hierbei keine Bedeutung zukommt. Die Gefahr einer rechtlich zulässigen „Mehrfachvollstreckung“ besteht deshalb offensichtlich nicht. Ist eine bestehende Schuld aufgrund der (im Vollstreckungswege erwirkten) Leistung des Schuldners - ungeachtet einer etwaigen Falschbezeichnung des Schuldgrundes in der Vollstreckungsanordnung oder -ankündigung - erloschen, muss die Vollstreckung eingestellt bzw. - bei einem Teilerlöschen - insoweit beschränkt werden (vgl. § 5 Abs. 1 VwVG i. V. m. § 257 Abs. 1 Nr. 3 AO).
12Das Zulassungsvorbringen vermag auch nicht die Annahme des Verwaltungsgerichts zu erschüttern, die mit dem Klageantrag zu 2) verfolgte Feststellungsklage sei mangels streitigen Rechtsverhältnisses unzulässig. Die notwendige Streitigkeit des Rechtsverhältnisses, dessen Bestehen oder Nichtbestehen begehrt wird, setzt bei einer Feststellungsklage nach § 43 VwGO voraus, dass zwischen den Parteien ein Meinungsstreit besteht, aus dem heraus sich eine Seite berühmt, ein bestimmtes Tun oder Unterlassen der anderen Seite verlangen zu können.
13Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. April 2015 - 4 CN 2.14 -, juris, m. w. N.
14Dass das Verwaltungsgericht eine solche Sachlage mit der Begründung verneint hat, die Beklagte gehe nicht davon aus, dass der Kläger ihr Rückstandszinsen aus einem Bescheid vom 20. April 1999 schulde, und die Falschbezeichnung in der Vollstreckungsanordnung und -ankündigung beruhe nur auf einem Versehen, ist nicht zu beanstanden, da ein auf den 20. April 1999 datierter Bescheid nach Aktenlage nicht existiert und die Beklagte bereits in den Verfahren 25 K 332/10 (Klageerwiderung vom 29. Januar 2010) und 26 L 1688/13 (Antragserwiderung vom 19. November 2013) eingehend erläutert hatte, welche bestandskräftigen Bescheide der Vollstreckung tatsächlich zugrunde liegen. Gegen die Würdigung der fehlerhaften Bezeichnung als versehentlich wendet der Kläger auch nichts Substantielles ein. Aus dem Umstand, dass die Beklagte die Vollstreckungsanordnung und das an das Hauptzollamt E. gerichtete Vollstreckungsersuchen vom 23. August 2013 nicht ausdrücklich zurückgenommen hat, ist keineswegs herzuleiten, dass die Beklagte sich weiterhin einer vermeintlichen Forderung aus einem Bescheid vom 20. April 2009 berühme, wie der Kläger meint. Ihm ist seit dem Erhalt der - bereits angesprochenen - Antragserwiderung vom 19. November 2013 bekannt, dass die Beklagte das durch die Vollstreckungsanordnung vom 23. August 2013 eingeleitete Vollstreckungsverfahren als beendet ansieht, nachdem das Hauptzollamt E. diese Anordnung als erledigt zurückgesandt hat. Daher musste dem Kläger auch bewusst sein, dass die Beklagte aus ihrer Sicht keine Veranlassung zu einer expliziten Rücknahme hatte. Im Übrigen ergibt sich selbst aus der Vollstreckungsanordnung vom 23. August 2013 nicht, dass die Beklagte von einem auf den 20. April 1999 datierten Leistungsbescheid ausgeht. Denn dort heißt es:
15„Die Forderung ist vollstreckbar aufgrund der
16Bekanntgabe des FRB am 20.04.1999
17letzten Mahnung vom 18.04.2005“.
18Der 20. April 1999 wurde insofern als nur als Bekanntgabe-, nicht aber als Bescheid-datum benannt.
19Dem Zulassungsvorbringen ist auch nicht zu entnehmen, dass ein Verfahrensmangel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO vorliegt. Die Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin am Verwaltungsgericht X. an dem angefochtenen Urteil begründet einen derartigen Verfahrensmangel angesichts des vom Kläger am 21. Dezember 2013 gestellten Befangenheitsantrags nicht.
20Die Rüge der fehlerhaften Ablehnung eines Befangenheitsantrags in der Vorinstanz unterliegt grundsätzlich nicht der Beurteilung des Berufungsgerichts (vgl. § 146 Abs. 2 VwGO, § 173 VwGO i. V .m. § 512 ZPO). Eine solche Rüge ist nur dann beachtlich, wenn mit ihr die Verletzung der verfassungsrechtlichen Garantie der vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) geltend gemacht wird. Dies setzt voraus, dass für die ablehnende Entscheidung über den Befangenheitsantrag willkürliche oder manipulative Erwägungen maßgeblich waren. Von einer auf Willkür beruhenden Entscheidung kann im Einklang mit den zum verfassungsrechtlichen Anspruch auf den gesetzlichen Richter entwickelten Grundsätzen nur gesprochen werden, wenn die Entscheidung des Gerichts bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken schlechterdings nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist.
21Vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Dezember 2007 - 1 BvR 1273/07 -, NVwZ-RR 2008, 289, juris; zu § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO: BVerwG, Beschlüsse vom 15. Mai 2008 - 2 B 77.07 -, NVwZ 2008, 1025, juris, und vom 9. November 2001 - 6 B 59.01 -, juris; zu § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO: OVG NRW, Beschlüsse vom 15. September 2015 - 7 A 2591/14 -, vom 9. Juli 2015 - 19 A 2496/12 -, vom 4. September 2014 - 5 A 988/13 - und vom 21. Mai 2014 - 2 A 688/13 -.
22Ausgehend von diesen Grundsätzen gibt das Zulassungsvorbringen nicht zu erkennen, dass der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 6. Januar 2014, mit dem das gegen die Vorsitzende Richterin X. gerichtete Ablehnungsgesuch des Klägers als unzulässig verworfen wurde, auf willkürlichen oder manipulativen Erwägungen beruhte und damit dem Gewährleistungsgehalt des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG widersprach. Für eine solche Sachlage besteht kein Anhalt. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Begründung des Ablehnungsgesuchs enthalte „keinerlei auch nur im Ansatz nachvollziehbaren Tatsachenvortrag, der geeignet wäre, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen“, erscheint vielmehr offensichtlich zutreffend.
23Das Ablehnungsgesuch des Klägers knüpfte daran an, dass die Vorsitzende Richterin im Eilverfahren 26 L 1688/13 mit der Eingangsmitteilung vom 30. Oktober 2013 die Beklagten darum gebeten hatte, „bis zur gerichtlichen Entscheidung im Hauptsacheverfahren keine Vollziehung durchzuführen“. Zu einem solchen Herantreten an die Beklagte war die Vorsitzende Richterin ohne Weiteres befugt. Es handelte sich hierbei um eine prozessleitende Maßnahme, die das Gericht in Ausübung des ihm zukommenden Verfahrensermessens unmittelbar und ausschließlich in Bezug auf den Fortgang und Ablauf des Verfahrens treffen konnte.
24Zum Begriff der prozessleitenden Maßnahme bzw. Verfügung vgl. nur Guckelberger, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 146 Rn. 21, m. w. N.
25Die Behauptung des Klägers, die abgelehnte Richterin habe „die Schaffung vollendeter Tatsachen … beabsichtigt, um sich der beantragten Entscheidung aufwandsarm zu entziehen“, ist haltlos und bietet nicht ansatzweise eine Grundlage für ein Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der Abgelehnten. Dass das Verwaltungsgericht die Beklagte über den Eingang des Eilantrags des Klägers zu informieren hatte, liegt auf der Hand. Weil das Rechtsschutzgesuch keine Veranlassung zu einem Vorgehen nach § 80 Abs. 8 VwGO bot, kam eine Entscheidung erst nach Eingang der Verwaltungsvorgänge und der Antragserwiderung in Betracht, für deren Vorlage die Vorsitzende Richterin eine kurze Frist gesetzt hatte. Die besagte Bitte führte insofern zu keiner Verzögerung des Verfahrens. Aus der Zielrichtung dieser Bitte - es ging wohlgemerkt um ein vorläufiges Absehen der Beklagten von Vollstreckungsmaßnahmen - darauf zu schließen, die Vorsitzende Richterin habe beabsichtigt, dass die Beklagte „das Eilverfahren durch Forcierung der Vollstreckung und deren Abschluß erledigen möge, um sich dem Verfahren ohne Sachentscheidung entziehen zu können“ (Beschwerdeschrift des Klägers im Verfahren 26 L 1688/13, S. 6), ist offensichtlich abwegig. Die weiteren mit der Zulassungsbegründung angesprochenen Umstände geben ebenso wenig etwas Greifbares für eine derartige Absicht her. Ergebnis der an die Beklagte gerichteten Bitte war im Übrigen auch nicht, dass die Beklagte die Vollstreckung „forciert“ hat; sie hat im Gegenteil der Bitte entsprochen und mit der Antragserwiderung vom 19. November 2013 zugesagt, bis zu einer gerichtlichen Entscheidung im Hauptsacheverfahren keine Vollziehung durchzuführen.
26Aus dem Zulassungsvorbringen erschließt sich auch nicht, dass die Kammerbesetzung, mit der das Verwaltungsgericht über das Ablehnungsgesuch des Klägers und dessen Klage entschieden hat, der Garantie des gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG zuwiderlief.
27In den klaren Fällen eines unzulässigen oder missbräuchlich angebrachten Ablehnungsgesuchs ist der abgelehnte Richter aus Gründen der Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens an der weiteren Mitwirkung nicht gehindert. Völlige Ungeeignetheit eines Befangenheitsgesuchs ist unter anderem anzunehmen, wenn für eine Verwerfung als unzulässig jedes Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens selbst entbehrlich ist. Hierfür kommen solche Gesuche in Betracht, die Handlungen des Richters beanstanden, welche nach der Prozessordnung vorgeschrieben sind oder sich ohne weiteres aus der Stellung des Richters ergeben.
28Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 11. März 2013
29- 1 BvR 2853/11 -, juris; BVerwG, Beschluss vom 9. Juni 2015 - 6 B 59.14 -, juris.
30Dass die Mitwirkung der vom Kläger abgelehnten Vorsitzenden Richterin an den vorbezeichneten Entscheidungen diesen - strengen - Maßgaben widersprach, hat der Kläger nicht in einer den Darlegungsanforderungen aus § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechenden Weise herausgearbeitet.
31Macht der Rechtsmittelführer mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung einen Verfahrensmangel i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO geltend, so muss dieser Mangel sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert und schlüssig dargetan werden. Das gilt auch für Mängel, die in einem Berufungsverfahren von Amts wegen zu prüfen sind.
32Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. Juni 2014
33- 12 A 104/13 -, juris, m. w. N.
34Der Vortrag des Klägers erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Sein Einwand, nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei selbst über unzulässige Ablehnungsgesuche regelmäßig ohne den abgelehnten Richter zu entscheiden, und eine Verwerfung unter Mitwirkung des Abgelehnten komme nur ausnahmsweise bei gänzlich untauglichen oder rechtsmissbräuchlichen Gesuchen in Frage, wovon in seinem Fall auszugehen „abwegig“ sei, erscheint - gemessen an den vorstehend ausgeführten Grundsätzen - unzureichend, weil sich der Kläger nicht näher mit den Kriterien für eine völlige Ungeeignetheit befasst und er dementsprechend auch nicht darauf eingeht, aus welchen konkreten Gründen diese Kriterien hier nicht vorgelegen hätten.
35Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO.
36Mit diesem Beschluss, der nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar ist, wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(1) Das Schuldverhältnis erlischt, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird.
(2) Wird an einen Dritten zum Zwecke der Erfüllung geleistet, so finden die Vorschriften des § 185 Anwendung.
(1) Zahlungen, die zur Tilgung der gesamten fälligen Schuld nicht ausreichen, werden zunächst auf das Darlehen, dann auf die Kosten und zuletzt auf die Zinsen angerechnet.
(2) Bei mehreren gleichartigen Darlehen ist das ältere vor dem jüngeren zu tilgen.
(3) Vorzeitige Rückzahlungen sind zunächst auf bereits fällig gewordene Beträge anzurechnen. Die Tilgungsreihenfolge nach Satz 1 und den Absätzen 1 und 2 kann nicht abbedungen werden.
(1) Das Verwaltungszwangsverfahren und der Vollstreckungsschutz richten sich im Falle des § 4 nach den Vorschriften der Abgabenordnung (§§ 77, 249 bis 258, 260, 262 bis 267, 281 bis 317, 318 Abs. 1 bis 4, §§ 319 bis 327).
(2) Wird die Vollstreckung im Wege der Amtshilfe von Organen der Länder vorgenommen, so ist sie nach landesrechtlichen Bestimmungen durchzuführen.
(1) Die Vollstreckung ist einzustellen oder zu beschränken, sobald
- 1.
die Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen des § 251 Abs. 1 weggefallen sind, - 2.
der Verwaltungsakt, aus dem vollstreckt wird, aufgehoben wird, - 3.
der Anspruch auf die Leistung erloschen ist, - 4.
die Leistung gestundet worden ist.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 sind bereits getroffene Vollstreckungsmaßnahmen aufzuheben. Ist der Verwaltungsakt durch eine gerichtliche Entscheidung aufgehoben worden, so gilt dies nur, soweit die Entscheidung unanfechtbar geworden ist und nicht auf Grund der Entscheidung ein neuer Verwaltungsakt zu erlassen ist. Im Übrigen bleiben die Vollstreckungsmaßnahmen bestehen, soweit nicht ihre Aufhebung ausdrücklich angeordnet worden ist.
(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).
(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.
(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.
(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.
(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
(5) u. (6) (weggefallen)
Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.
Der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegen auch diejenigen Entscheidungen, die dem Endurteil vorausgegangen sind, sofern sie nicht nach den Vorschriften dieses Gesetzes unanfechtbar oder mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar sind.
(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Tenor
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner einschließlich der erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert wird unter Abänderung der erstinstanzlichen Festsetzung für das Verfahren beider Instanzen auf 15.000 Euro festgesetzt.
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G r ü n d e:
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
3Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 23.10.2013 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Baugenehmigung verletze keine Rechte der Kläger. Es könne offen bleiben, ob der Bebauungsplan Nr. 5258 bzw. der Bebauungsplan Nr. 51/1 wirksam seien; bei Unwirksamkeit der Bebauungspläne beurteile sich das Vorhaben planungsrechtlich nach § 34 BauGB, auch in diesem Falle seien Rechte der Kläger nicht verletzt, ebenso wenig seien nachbarschützende Bestimmungen des Denkmalschutzrechts verletzt.
41. Das Zulassungsvorbringen der Kläger führt nicht zu den geltend gemachten ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des Ergebnisses des angefochtenen Urteils (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
5a) Die Kläger rügen ohne Erfolg, das Gutachten des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV), auf das sich das Verwaltungsgericht gestützt hat, sei von unzutreffenden Tatsachenannahmen ausgegangen, da vom Verwaltungsgericht vorgegeben worden sei, der den Anlieferungsvorgang einleitende Rangiervorgang zwischen Schallschutzwand und dem eigentlichen Gebäude würde funktionieren.
6Die Durchführbarkeit des Rangiervorgangs ist nach Maßgabe der tatsächlichen Annahmen des in der Baugenehmigung in Bezug genommenen Gutachtens H. und Partner vom 17.6.2013, das zum Gegenstand der Baugenehmigung gemacht worden ist, nicht ernstlich zweifelhaft. Ungeachtet der Frage, ob nach der Baugenehmigung während des Anliefervorgangs das in den Bauvorlagen dargestellte Schallschutz-Schiebetor geschlossen werden muss, ergibt sich aus dem Vorbringen der Kläger - auch unter Berücksichtigung des von ihnen vorgelegten Gutachtens I. /M. vom 20.3.2014 - nicht mit der für die Darlegung ernstlicher Zweifel erforderlichen Wahrscheinlichkeit, dass der Rangiervorgang technisch nicht durchführbar ist. Es ist nicht aufgezeigt, dass in dem von den Klägern vorgelegten Gutachten auch der - von Beigeladenenseite dezidiert angesprochene - Umstand berücksichtigt worden wäre, dass mit selbstlenkenden Hinterachsen versehene Fahrzeuge eingesetzt werden können. Damit ergibt sich allenfalls eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Rangieren in der genannten Weise mit den in Betracht kommenden Lieferfahrzeugen bis zu 16,50 m Länge wegen der praktischen Schwierigkeiten nicht in einem Vorgang, sondern typischerweise nur mit mehreren Korrekturen und damit verbundenen höheren Lärmbeeinträchtigungen möglich sein wird. Dass auch bei einem solchen Geschehen, d. h. bei mehrfachen Korrekturen bei der Anlieferung hinter der Lärmschutzwand allerdings unzumutbare Lärmimmissionen in Bezug auf die maßgeblichen Immissionspunkte auf den Grundstücken der Kläger fern liegen, lässt sich dem Gutachten des LANUV entnehmen, dessen Richtigkeit die Kläger insoweit auch nicht bezweifelt haben.
7b) Vor diesem Hintergrund ergeben sich ernstliche Zweifel im Sinne des Gesetzes auch nicht aus der von den Klägern gerügten Ablehnung des in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrags zu Fragen im Zusammenhang mit dem Anlieferungsvorgang. Dass das Verwaltungsgericht den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt und deshalb auf einer ungesicherten Tatsachengrundlage entschieden hätte, ist aus den vorstehenden Gründen zu a) nicht hinreichend aufgezeigt.
8c) Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot ist auch nicht in ernstliche Zweifel begründender Weise aufgezeigt, soweit die Kläger die mutwillige Verursachung „sozial inadäquaten Lärms“ durch eine unzureichende Ausgestaltung des Rahmens für die Anlieferungsvorgänge des Vorhabens als rücksichtslos rügen. Denn ungeachtet der Tragfähigkeit dieses formulierten rechtlichen Ansatzes ist von einer „Mutwilligkeit“ nach dem festgestellten Sachverhalt auch unter Berücksichtigung des Zulassungsvorbringens der Kläger nicht auszugehen.
9d) Ebenso wenig ergeben sich ernstliche Zweifel aus den Ausführungen der Kläger, die sich auf eine Verletzung von Rechten unter dem Aspekt des Denkmalschutzes beziehen.
10Das Verwaltungsgericht hat hierzu - im Anschluss an umfangreiche Erwägungen zur Bedeutung der vorliegenden Stellungnahme des Landschaftsverbands Rheinland im Bebauungsplanverfahren und zu dem Umstand, dass nach Änderung des Planentwurfs keine weitere Stellungnahme des Landschaftsverbands Rheinland erfolgt sei - selbständig tragend ausgeführt, es stehe fest, dass der Denkmalwert der unter Schutz gestellten Gebäude der Kläger durch das angegriffene Vorhaben nicht und erst recht nicht erheblich beeinträchtigt werde, weil der Vertreter der unteren Denkmalschutzbehörde in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargetan habe, dass die Belange des Denkmalschutzes in Bezug auf die Hotelgebäude der Kläger mit der farblichen Gestaltung der Lärmschutzwand beachtet seien.
11Die dagegen gerichteten Ausführungen der Begründung des Zulassungsantrags zeigen nicht hinreichend auf, dass eine Verletzung von Rechten der Kläger - bzw. des Klägers zu 2., der nach den erstinstanzlichen Feststellungen allein Eigentümer der denkmalgeschützten Gebäude ist - in Betracht zu ziehen wäre, die sich aus der Stellung als Denkmaleigentümer ergeben könnte.
12Eine rechtlich erhebliche Beeinträchtigung der denkmalgeschützten Gebäude durch das Vorhaben kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass für die Denkmäler auch ein Umgebungsschutz anzunehmen ist. Maßgeblich hierfür ist die jeweilige Denkmaleintragung.
13Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 8.3.2012
14- 10 A 2037/11 -, BauR 2012, 1781.
15Dass diese Eintragungen hier auch einen Umgebungsschutz beinhalten, ist weder substantiiert vorgetragen noch sonst aus den vorliegenden Akten ersichtlich.
16Abgesehen davon ist aber auch nicht hinreichend aufgezeigt, dass ein denkmalrechtlicher Umgebungsschutz - sollte er denn gleichwohl unterstellt werden - wegen zu erwartender erheblicher Beeinträchtigungen der Denkmäler zu einem Abwehrrecht des Denkmaleigentümers führen könnte. Hierzu hätte es einer weiteren Auseinandersetzung mit der vorgenannten selbständig tragenden Erwägung des Verwaltungsgerichts bedurft, die an die Angaben des Vertreters der unteren Denkmalbehörde gegenüber dem Verwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung anknüpfte. Die Kläger haben dieser sachverständigen Stellungnahme lediglich entgegen gehalten, sie habe geringes Gewicht, weil sie von einem weisungsgebundenen Bediensteten der Beklagten stamme, ohne dem eine anderweitige sachverständige Bewertung des Sachverhalts entgegen zu setzen oder aufzuzeigen, dass die sachverständige Stellungnahme des Vertreters der unteren Denkmalbehörde von unzutreffenden Tatsachenannahmen ausging oder an anderweitigen Mängeln litt, die ihre Verwertbarkeit ernstlich zweifelhaft erscheinen ließen.
17Anderes ergibt sich auch nicht aus dem von den Klägern befürchteten Umstand, dass das an die Lärmschutzwand anschließende bewegliche Schallschutz-Schiebetor mit einer etwa zweigeschossigen Höhe vor den denkmalgeschützten Gebäuden hin- und hergefahren werden könnte.
18Vor diesem Hintergrund resultieren ernstliche Zweifel ferner nicht aus dem Vorbringen zu der Ablehnung des in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrags im Zusammenhang mit den Fragen des Denkmalschutzes. Auch insoweit ist aus den vorstehenden Gründen nicht hinreichend aufgezeigt, dass das Verwaltungsgericht auf einer nicht belastbaren Tatsachengrundlage entschieden hätte.
192. Schließlich sind auch die behaupteten Verfahrensmängel (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) nicht im Sinne des Gesetzes dargelegt.
20a) Auf die von den Klägern dargelegten Anhaltspunkte für eine Besorgnis der Befangenheit des Vorsitzenden Richters der 11. Kammer des Verwaltungsgerichts können sich die Kläger im Zulassungsverfahren nicht mit Erfolg berufen.
21Die Besorgnis der Befangenheit des Vorderrichters ist grundsätzlich kein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO.
22Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7.8.2001
23- 1 A 3047/01 -, NVwZ-RR 2002, 541, m. w. N.
24Deshalb kommt es für die vom Senat zu treffende Entscheidung nicht darauf an, ob sich aus dem Verhalten des Richters vor, in oder nach dem Beweistermin am 7.3.2014 bzw. den weiteren benannten Umständen Gründe für eine Besorgnis der Befangenheit im Sinne von § 54 Abs. 3 VwGO ergeben.
25Anhaltspunkte dafür, dass die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch durch die Kammer in der Vertretungsbesetzung ohne Mitwirkung des Vorsitzenden Richters willkürlich und mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG unvereinbar wäre und deshalb ausnahmsweise eine Zulassung wegen eines Verfahrensmangels in Betracht gezogen werden könnte,
26vgl. zu dieser Möglichkeit BVerfG, Beschluss vom 18.12.2007 - 1 BvR 1273/07 -, NVwZ-RR 2008, 289,
27sind nicht hinreichend dargelegt.
28Dies gilt insbesondere für die Rüge, über den Ablehnungsantrag sei nicht in vorschriftsmäßiger Besetzung entschieden worden. Die Kläger meinen, nach der Regelung über die Geschäftsverteilung des Verwaltungsgerichts für die Wahl der Vertretungskammer müsse auf den Zeitpunkt des Eingangs des Ablehnungsantrags abgestellt werden und nicht auf den Zeitpunkt der Entscheidung über den Ablehnungsantrag, vorliegend habe aber eine Richterin aus der für die Vertretung danach nicht zuständigen Kammer mit entschieden, daraus ergebe sich ein Verstoß gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter.
29Damit ist eine Entscheidung in einer fehlerhaften Besetzung unter Berücksichtigung der dem Senat vorliegenden Regelungen des Geschäftsverteilungsplans des Verwaltungsgerichts Köln für das Geschäftsjahr 2014 über die Bestimmung der Vertreter nicht aufgezeigt. Dort ist unter Abschnitt IX Nr. 3 im ersten Absatz in allgemeiner Weise unter anderem die wochenweise Vertretung der Kammern geregelt.
30Im Anschluss finden sich im zweiten Absatz Regelungen über die Vertretungen im Rahmen der mündlichen Verhandlung. Im dritten Absatz finden sich Regelungen über die Vertretung außerhalb der mündlichen Verhandlung für Sachverhalte, in denen ein Richter in mehreren Vertretungsfällen herangezogen wird. Im vierten Absatz finden sich folgende Regelungen:
31„Sind alle Richter eines Spruchkörpers als befangen abgelehnt worden oder halten sie sich selbst für befangen, bleibt für die zu treffenden Entscheidungen die Vertretungskammer auch nach Ablauf der Vertretungswoche zuständig. Zuständige Kammer ist die Kammer, die bei Eingang des Befangenheitsgesuchs Vertretungskammer ist oder war.“
32Die vergleichende Betrachtung dieser Regelungen mit den Regelungen der vorangestellten Absätze ergibt, dass auf den Zeitpunkt des Eingangs des Ablehnungsantrags nur dann abzustellen ist, wenn alle Richter einer Kammer „als befangen abgelehnt“ worden sind und deshalb innerhalb der Kammer bei Eingang des Ablehnungsgesuchs kein Vertreter aus der insgesamt abgelehnten Kammer tätig werden und eine Entscheidung über das Ablehnungsgesuch verfahrensrechtlich vorbereiten kann. Anhaltspunkte dafür, dass es sich hierbei um eine willkürliche bzw. mit verfassungsrechtlichen Vorgaben unvereinbare Regelung handeln könnte, sind weder hinreichend aufgezeigt noch sonst ersichtlich.
33b) Eine im vorliegenden Verfahren beachtliche Verletzung von Verfahrensrecht im Hinblick auf das Gebot rechtlichen Gehörs im Zusammenhang mit der Durchführung des Termins am 7.3.2014 ist nicht hinreichend aufgezeigt. Dass der gestellte Terminverlegungsantrag unter Verstoß gegen gesetzliche Vorgaben abgelehnt worden wäre, ist nicht hinreichend dargelegt. Die aufgezeigten - nachvollziehbaren - Gründe in Bezug auf persönliche Umstände der Kläger stellen bei der gebotenen Betrachtung nach den strengen gesetzlichen Maßstäben entsprechend § 173 VwGO i. V. m. § 227 ZPO noch keine erheblichen Gründe für eine Verlegung dar. Der ohne jegliche Konkretisierung geltend gemachte persönliche Termin des Prozessbevollmächtigten der Kläger kam ebenso wenig als Hinderungsgrund in Betracht.
34Soweit die Kläger in diesem Zusammenhang ferner rügen, aus der Abwesenheit ihres Prozessbevollmächtigten im Beweistermin seien ungerechtfertigte Folgerungen gezogen worden, ergibt sich auch daraus weder ein Verfahrensmangel im Sinne des Gesetzes noch im Übrigen ein hinreichender Anhaltspunkt für die Annahme ernstlicher Zweifel. Hierzu kann auf die vorstehenden Ausführungen zu 1. a) zum Fehlen ernstlicher Zweifel an der Ergebnisrichtigkeit des Urteils im Zusammenhang mit den erstinstanzlichen Feststellungen in Bezug auf den Anlieferungsvorgang und dessen Relevanz für die gerichtliche Überprüfung der Genehmigung auf Verstöße gegen nachbarschützende Bestimmungen Bezug genommen werden.
35c) Dass der behauptete Gehörsverstoß im Zusammenhang mit der Ablehnung des in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrags zu den Fragen des Anlieferungsvorgangs vorlag und die Entscheidung des Verwaltungsgerichts darauf beruhen könnte, ist ebenso wenig hinreichend dargelegt. Vielmehr ist aus den vorstehenden Gründen zu 1. a) unter Anwendung der einschlägigen Maßstäbe zur Erforderlichkeit der Einholung weiterer Sachverständigengutachten,
36vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 23.8.2006
37- 4 A 1066.06 -, juris,
38davon auszugehen, dass das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang nicht gegen seine Aufklärungspflicht verstoßen hat.
39d) Ebenso wenig ist hinsichtlich der Ablehnung des in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrags zu Fragen des denkmalrechtlichen Umgebungsschutzes hinreichend dargelegt, dass ein erheblicher Gehörsverstoß vorlag. Auch insoweit drängte sich die von den Klägern gewünschte weitere Sachaufklärung - aus den oben zu 1. d) dargelegten Gründen - nicht auf.
40Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2 und 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dass die Kläger die im Zulassungsverfahren entstandenen erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen, denn diese hat im Zulassungsverfahren einen Sachantrag gestellt und sich damit selbst einem Kostenrisiko ausgesetzt (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).
41Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 und hinsichtlich der Änderung für die erste Instanz auf § 63 Abs. 3 GKG; bei der Bemessung legt der Senat zugrunde, dass die Kläger im Rahmen des vorliegenden Baunachbarstreits die Beeinträchtigung von zwei gewerblich genutzten Grundstücken geltend machen, die mit den Gebäuden ihres Hotels bebaut sind; der festgesetzte Betrag liegt im unteren Bereich des Rahmens, den der in ständiger Praxis angewandte Streitwertkatalog der Bausenate des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (BauR 2003, 1883) für solche Sachverhalte vorgibt.
42Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
Tenor
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1. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 20. August 2009 - 5 K 1216/06 - (erster Befangenheitsantrag), der Beschluss des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 20. August 2009 - 5 K 1216/06 - (zweiter Befangenheitsantrag) und das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 20. August 2009 - 5 K 1216/06 - verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem grundrechtsgleichen Recht aus Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes.
-
Die Entscheidungen werden aufgehoben und die Sache wird an das Verwaltungsgericht Leipzig zurückverwiesen.
-
Damit wird der Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 27. September 2011 - 4 A 186/10 - gegenstandslos.
-
2. Der Freistaat Sachsen hat der Beschwerdeführerin die notwendigen Auslagen zu erstatten.
-
3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.
Gründe
- 1
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Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Verwerfung von Befangenheitsanträgen unter Mitwirkung der abgelehnten Kammervorsitzenden in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren.
-
I.
- 2
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1. Die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin war Klägerin in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vernahm die mit drei Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richtern besetzte Kammer des Verwaltungsgerichts einen Zeugen unter anderem zu der Verwaltungspraxis der Behörde, die den angegriffenen Bescheid erlassen hatte. Dabei weigerte sich der Zeuge, bestimmte Einzelheiten zu anderen Fällen mitzuteilen.
- 3
-
a) Im Verlauf der Beweisaufnahme lehnte der Prozessbevollmächtigte der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin die Kammervorsitzende mit folgender Begründung wegen Besorgnis der Befangenheit ab:
- 4
-
"(…)
-
Der Zeuge (…) hat sich auf 'nicht näher darzulegende Umstände' im Rahmen seiner Zeugenaussage berufen. Als der Prozessbevollmächtigte der Klägerin insoweit nachfragte, erklärte die abgelehnte Richterin, es könnten insoweit datenschutzrechtliche Gründe maßgebend sein. Obwohl der Prozessbevollmächtigte der Klägerin den Zeugen insoweit nochmals befragte, hielt die abgelehnte Richterin nicht zur vollständigen Aussage an. Die abgelehnte Richterin meinte sogar, der Zeuge sollte weiter befragt werden.
-
(…)
-
Die Klägerin behält sich weiteren Sachvortrag nach Vorlage des Sitzungsprotokolls vor und auch dann, wenn die dienstliche Äußerung vorliegt."
- 5
-
Daraufhin wurde die mündliche Verhandlung unterbrochen. Nach Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung verkündete die Kammer den folgenden in unveränderter Besetzung getroffenen und mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Beschluss:
- 6
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"Der von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin gestellte Beweisantrag wird als unzulässig zurückgewiesen.
-
Er geht zum einen von Tatsachen aus, die so nicht stattgefunden haben. Der Zeuge (…) hat sich nicht verweigert Umstände offenzulegen, sondern Einzelfälle darzulegen. Im Übrigen ist offensichtlich ein Hinweis darauf, dass die einzelfallbezogene Darlegung anderer Fälle als des vorliegenden Falles datenschutzrechtlichen Bedenken begegnen könnte, nicht zu beanstanden. Schließlich ist es auch offensichtlich korrekt, wenn die Vorsitzende den Prozessbevollmächtigten der Klägerin bittet, konkrete Fragen zu stellen, damit der Zeuge auch konkret antworten kann, ggf. dann bezogen auf die konkrete Verwaltungspraxis zum vorliegenden Fall.
-
Dieser Beschluss ergeht in der Besetzung wie bisher verhandelt worden ist. Dies ist zulässig, weil der Beweisantrag als unzulässig abgewiesen wird.
-
(...)"
- 7
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b) Daraufhin stellte die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, einen weiteren Antrag, mit dem sie nunmehr sämtliche an der zuvor erwähnten Entscheidung beteiligten Richter der Kammer wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnte. Sie begründete dies unter anderem wie folgt:
- 8
-
"Die Begründung des Befangenheitsgesuchs ergibt sich aus der Begründung des - soeben - abgelehnten Befangenheitsgesuchs (…). Der vorgenannte Antrag ist als solcher zulässig. Niemand kann in eigener Sache entscheiden. Jedenfalls durfte Frau (…) an dem vorgenannten Beschluss nicht mitwirken. Rechtliches Gehör wurde trotz Vorbehalts nicht gewährt.
-
(…)"
- 9
-
Nach erneuter Unterbrechung der mündlichen Verhandlung verkündete die Kammer daraufhin den weiteren in unveränderter Besetzung getroffenen und mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Beschluss folgenden Inhalts:
- 10
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"Der zweite Befangenheitsantrag des Prozessbevollmächtigten der Klägerin wird als unzulässig zurückgewiesen.
-
Der Befangenheitsantrag ist dann rechtsmissbräuchlich, wenn er ausschließlich auf einer abweichenden rechtlichen Bewertung der Klägerseite gegenüber der Bewertung der Kammer beruht. Offensichtlich unbegründete Befangenheitsanträge können von der Kammer als solcher insgesamt abgelehnt werden, d.h. auch von dem Richter, der als befangen abgelehnt worden ist. Die Einschätzung des Beweisantrags als zulässig oder unzulässig ist eine Rechtsfrage, auf die allein ein Befangenheitsantrag nicht gestützt werden kann.
-
(…)"
- 11
-
2. Aufgrund der mündlichen Verhandlung erließ die Kammer in unveränderter Besetzung das mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene Urteil, mit dem die Klage abgewiesen wurde.
- 12
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3. Den Antrag auf Zulassung der Berufung lehnte das Oberverwaltungsgericht mit angegriffenem Beschluss vom 27. September 2011 ab. Im Hinblick auf den von der Beschwerdeführerin wegen der Behandlung ihrer Ablehnungsgesuche geltend gemachten Verfahrensmangel stand es zwar auf dem Standpunkt, dass die willkürliche Ablehnung eines Befangenheitsgesuchs einen Berufungszulassungsgrund darstellen könne. Es sah die Voraussetzungen hierfür jedoch nicht als gegeben an.
-
II.
- 13
-
Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin allein eine Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG wegen der aus ihrer Sicht zu Unrecht in unveränderter Kammerbesetzung erfolgten Zurückweisung der Befangenheitsanträge als unzulässig.
- 14
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Mit dem ersten Befangenheitsantrag seien offensichtlich keine Umstände oder Handlungen, die nach der Prozessordnung vorgeschrieben seien oder sich aus der Stellung des Richters ergäben, beanstandet worden. Mit datenschutzrechtlichen Gründen lasse sich ein Zeugnisverweigerungsrecht nicht begründen. Halte die abgelehnte Richterin den Zeugen nicht zur Aussage an, sondern lege diesem sogar noch nahe, von der Aussage abzusehen, sei eine solche Vorgehensweise geeignet, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der Richterin zu rechtfertigen.
- 15
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Jedenfalls - und dies sei vorliegend allein entscheidend - sei ein solcher erster Befangenheitsantrag nicht offensichtlich rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig. Das habe auch die Kammer unter Mitwirkung der abgelehnten Richter in ihrem ersten zurückweisenden Beschluss nicht darzulegen vermocht. Eine Begründung dafür, weshalb der Befangenheitsantrag als ausnahmsweise unzulässig zu qualifizieren sein sollte, gebe die Kammer nicht an. Soweit sich die Kammer mit der Begründung des Befangenheitsantrags auseinandersetze, handele es sich hierbei um Ausführungen, die - wenn überhaupt - im Rahmen der Begründetheit des Befangenheitsantrags zu berücksichtigen gewesen wären. Die Tatsache, dass die Kammer unter Mitwirkung der abgelehnten Richterin meine, nicht ohne Stellungnahme zur Unbegründetheit auszukommen, zeige gerade, dass sie den Befangenheitsantrag nicht für aussichtslos und damit rechtsmissbräuchlich gehalten habe.
- 16
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Noch weniger sei der zweite Befangenheitsantrag offensichtlich rechtsmissbräuchlich und unzulässig. Dass der erste Befangenheitsantrag rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig gewesen sei, vermöge die Kammer erneut nicht zu begründen. Sie führe sogar ausdrücklich aus, dass die Einschätzung eines Befangenheitsantrags als zulässig oder unzulässig eine Rechtsfrage darstelle. Dann könne hierüber aber erst Recht nicht von der Kammer selbst entschieden werden.
-
III.
- 17
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Das Staatsministerium der Justiz und für Europa des Freistaats Sachsen sowie der Beklagte des Ausgangsverfahrens hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Akten des Ausgangsverfahrens haben dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen.
-
IV.
- 18
-
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung an und gibt ihr zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte der Beschwerdeführerin gemäß § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG statt.
- 19
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1. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben.
- 20
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a) Das gilt auch, obwohl die Beschwerdeführerin zunächst einen - im Ergebnis erfolglosen - Antrag auf Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht gestellt hat. Ausweislich der Begründung der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts war der Zulassungsantrag der Beschwerdeführerin soweit er sich auf die Behandlung der Befangenheitsgesuche stützte, nicht von vornherein aussichtslos. Das Oberverwaltungsgericht hat lediglich, im Ergebnis zu Unrecht, das Vorliegen einer Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG durch das Verwaltungsgericht verneint.
- 21
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b) Die Beschwerdeführerin ist auch beschwerdebefugt. Zwar war sie selbst zunächst nicht am Ausgangsrechtsstreit beteiligt. Sie ist jedoch im Laufe des Berufungszulassungsverfahrens aufgrund Verschmelzung im Wege der Aufnahme (vgl. § 2 Nr. 1 UmwG) Gesamtrechtsnachfolgerin der ursprünglichen Klägerin geworden.
- 22
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Zur Durchsetzung vermögenswerter Rechte und für sonstige Rügen, die der Rechtsnachfolger im eigenen Interesse geltend machen kann, können Rechtsnachfolger Verfassungsbeschwerdeverfahren fortführen oder erheben (vgl. BVerfGE 3, 162 <164>; 17, 86 <90 f.>; 23, 288 <300>; 26, 327 <332>; 69, 188 <201>; 94, 12 <30>; 109, 279 <304>), nicht jedoch zur Durchsetzung des Schutzes der Menschenwürde und höchstpersönlicher Rechte (vgl. BVerfGE 109, 279 <304>).
- 23
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Jedenfalls im Berufungszulassungsverfahren war die Beschwerdeführerin selbst Partei des Rechtsstreits und damit ohne weiteres beschwerdebefugt. Aber auch soweit Verfassungsverstöße gegenüber ihrer Rechtsvorgängerin, begangen in der ersten Instanz, im Raum stehen, ist die Beschwerdebefugnis gegeben. Die Rechtskraft der fachgerichtlichen Entscheidung erstreckt sich auch insoweit auf die Beschwerdeführerin (vgl. § 121 Nr. 1 VwGO). Aufgrund ihrer daraus resultierenden Bindung an die Entscheidung, die mit für sie nachteiligen (finanziellen) Folgen verbunden ist, ist sie hierdurch auch als Rechtsnachfolgerin beschwert. Es geht demnach nicht um speziell ihrer Rechtsvorgängerin zustehende höchstpersönliche Rechte, die eine Beschwerdebefugnis der Beschwerdeführerin entfallen lassen könnten.
- 24
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2. Die angegriffenen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts verletzen das grundrechtsgleiche Recht der Beschwerdeführerin auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
- 25
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a) aa) Die Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens haben nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG Anspruch auf den gesetzlichen Richter, der sich aus dem Gerichtsverfassungsgesetz, den Prozessordnungen sowie den Geschäftsverteilungs- und Besetzungsregelungen des Gerichts ergibt. Darüber hinaus wird ihnen durch die Verfassung gewährleistet, dass sie nicht vor einem Richter stehen, dem es an der gebotenen Neutralität fehlt. Die Frage, ob Befangenheitsgründe gegen die Mitwirkung eines Richters sprechen, berührt die prozessuale Rechtsstellung der Verfahrensbeteiligten (vgl. BVerfGE 89, 28 <36>).
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Eine "Entziehung" des gesetzlichen Richters durch die Rechtsprechung, der die Anwendung der Zuständigkeitsregeln und die Handhabung des Ablehnungsrechts im Einzelfall obliegt, kann allerdings nicht in jeder fehlerhaften Rechtsanwendung gesehen werden; andernfalls müsste jede fehlerhafte Handhabung des einfachen Rechts zugleich als Verfassungsverstoß gelten (vgl. BVerfGE 82, 286 <299>). Die Grenzen zum Verfassungsverstoß sind aber jedenfalls dann überschritten, wenn die Auslegung einer Zuständigkeitsnorm oder ihre Handhabung im Einzelfall willkürlich oder offensichtlich unhaltbar sind oder wenn die richterliche Entscheidung Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkennt (vgl. BVerfGE 82, 286 <299>). Ob die Entscheidung eines Gerichts auf Willkür, also auf einem Fall grober Missachtung oder grober Fehlanwendung des Gesetzesrechts (vgl. BVerfGE 29, 45 <49>; 82, 159 <197>; 87, 282 <286>) beruht oder ob sie darauf hindeutet, dass ein Gericht Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkennt, kann nur angesichts der jeweiligen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (vgl. BVerfGK 5, 269 <280>).
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Bei der Anwendung der Vorschriften über die Ausschließung und Ablehnung von Richtern ist zu beachten, dass diese Normen dem durch Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verbürgten Ziel dienen, auch im Einzelfall die Neutralität und Distanz der zur Entscheidung berufenen Richter zu sichern. Für den Zivilprozess und damit über § 54 Abs. 1 VwGO auch für den Verwaltungsprozess enthalten die §§ 44 ff. ZPO Regelungen über das Verfahren zur Behandlung des Ablehnungsgesuchs und bestimmen, dass das Gericht, dem der Abgelehnte angehört, ohne dessen Mitwirkung zur Entscheidung auf der Grundlage einer dienstlichen Äußerung des abgelehnten Richters berufen ist. Durch diese Zuständigkeitsregelung wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die Annahme nahe liegt, es werde an der inneren Unbefangenheit und Unparteilichkeit eines Richters fehlen, wenn er über die vorgetragenen Gründe für seine angebliche Befangenheit selbst entscheiden muss (vgl. BVerfGK 7, 325 <337> für den Strafprozess; BVerfGK 11, 434 <442> für den Zivilprozess und BVerfGK 13, 72 <77 f.> für den Verwaltungsprozess).
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bb) In Rechtsprechung und Literatur ist allerdings auch für den Bereich des Verwaltungsprozesses anerkannt, dass der abgelehnte Richter ein Ablehnungsgesuch selbst ablehnen kann, ohne dass es der Durchführung des Verfahrens nach § 54 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit §§ 44 f. ZPO bedarf, wenn das Gesuch als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren ist, etwa wenn pauschal alle Richter eines Gerichts abgelehnt werden, das Gesuch nur mit solchen Umständen begründet wird, die eine Befangenheit unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtfertigen können, oder wenn gegen den Richter unqualifizierbare Angriffe wegen seiner angeblich rechtsstaatswidrigen Rechtsfindung erhoben werden (vgl. BVerfGK 13, 72 <78> m.w.N. zu Rspr. und Lit.).
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Ähnlich wie der Gesetzgeber im Strafprozessrecht, in welchem § 26a StPO ein vereinfachtes Ablehnungsverfahren für unzulässige Ablehnungsgesuche unter Mitwirkung des abgelehnten Richters zur Verfügung stellt, während das Regelverfahren nach § 27 StPO die Entscheidung ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters garantiert, trägt die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung mit der differenzierenden Zuständigkeitsregelung in den Fällen der Richterablehnung einerseits dem Gewährleistungsgehalt des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG angemessen Rechnung: Ein Richter, dessen Unparteilichkeit mit jedenfalls nicht von vorneherein untauglicher Begründung in Zweifel gezogen worden ist, kann und soll nicht an der Entscheidung gegen das gegen ihn selbst gerichtete Ablehnungsgesuch mitwirken, das sein eigenes richterliches Verhalten und die - ohnehin nicht einfach zu beantwortende - Frage zum Gegenstand hat, ob das beanstandete Verhalten für eine verständige Partei Anlass sein kann, an der persönlichen Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln. Andererseits soll aus Gründen der Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens der abgelehnte Richter in den klaren Fällen eines unzulässigen oder missbräuchlich angebrachten Ablehnungsgesuchs an der weiteren Mitwirkung nicht gehindert sein und ein aufwendiges und zeitraubendes Ablehnungsverfahren verhindert werden (vgl. BVerfGK 5, 269 <280 f.>; 7, 325 <338>).
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Im Verwaltungs- und Zivilprozessrecht gilt ebenso wie im Strafprozessrecht, dass bei strenger Beachtung der Voraussetzungen des gänzlich untauglichen oder rechtsmissbräuchlichen Ablehnungsgesuchs eine Entscheidung des abgelehnten Richters selbst mit der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht in Konflikt gerät, weil die Prüfung keine Beurteilung des eigenen Verhaltens des abgelehnten Richters voraussetzt und deshalb keine Entscheidung in eigener Sache ist (vgl. BVerfGK 5, 269 <281 f.>; 11, 434 <442>; 13, 72 <79>). Ein vereinfachtes Ablehnungsverfahren soll indes nur echte Formalentscheidungen ermöglichen oder einen offensichtlichen Missbrauch des Ablehnungsrechts verhindern, was eine enge Auslegung der Voraussetzungen gebietet (vgl. BVerfGK 5, 269 <282>; 11, 434 <442>; 13, 72 <79>). Völlige Ungeeignetheit ist anzunehmen, wenn für eine Verwerfung als unzulässig jedes Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens selbst entbehrlich ist. Hierfür werden regelmäßig nur solche Gesuche in Betracht kommen, die Handlungen des Richters beanstanden, welche nach der Prozessordnung vorgeschrieben sind oder sich ohne weiteres aus der Stellung des Richters ergeben. Unzulässig ist ein Ablehnungsgesuch daher, wenn der Ablehnende die bloße Tatsache beanstandet, ein Richter habe an einer Vor- oder Zwischenentscheidung mitgewirkt. Unzulässig ist das Gesuch auch, wenn sich der Richter an den von der Prozessordnung vorgeschriebenen Verfahrensgang hält, der Ablehnende aber eine Änderung begehrt. Grundsätzlich wird also eine Verwerfung als unzulässig nur dann in Betracht kommen, wenn das Ablehnungsgesuch für sich allein - ohne jede weitere Aktenkenntnis - offenkundig eine Ablehnung nicht zu begründen vermag. Ist hingegen ein - wenn auch nur geringfügiges - Eingehen auf den Verfahrensgegenstand erforderlich, scheidet die Ablehnung als unzulässig aus. Eine gleichwohl erfolgende Ablehnung durch den abgelehnten Richter selbst ist dann willkürlich. Über eine bloß formale Prüfung hinaus darf sich der abgelehnte Richter nicht durch Mitwirkung an einer näheren inhaltlichen Prüfung der Ablehnungsgründe zum Richter in eigener Sache machen (vgl. BVerfGK 7, 325 <340>; 11, 434 <442>; 13, 72 <79 f.>).
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b) Bei Anlegung dieser Maßstäbe erweist sich die Verwerfung des ersten Befangenheitsgesuchs durch das Verwaltungsgericht - was die Zurückweisung des "Beweisantrags" als unzulässig offensichtlich meint - unter Mitwirkung der abgelehnten Kammervorsitzenden als objektiv willkürlich. Damit liegt ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG vor.
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Das folgt jedenfalls daraus, dass es sich vorliegend gerade nicht um eine bloße Formalentscheidung handelt. Die Kammer einschließlich der abgelehnten Richterin setzt sich vielmehr im Sinne einer Begründetheitsprüfung mit dem Vorbringen im Ablehnungsgesuch auseinander.
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Anlass der Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit war die Verhandlungsführung der abgelehnten Kammervorsitzenden bei Vernehmung des Zeugen. Dabei ging es nicht bloß um formale Fragen wie zum Beispiel den Umstand, dass ihr als Kammervorsitzender die Leitung der mündlichen Verhandlung und damit auch die Vernehmung des Zeugen oblag (vgl. § 173 VwGO in Verbindung mit § 136 ZPO). Die aus Sicht der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin zentrale Frage war, ob die wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnte Kammervorsitzende den Zeugen hinreichend zu einer vollständigen Aussage veranlasst hatte. Das zielt auf den Inhalt ihrer Verhandlungsführung. Die Beantwortung dieser Frage erforderte folglich eine Bewertung des Verhaltens der abgelehnten Richterin unter Berücksichtigung des von der Prozessordnung gesteckten Rahmens. Eine Entscheidung hierüber war ihr demnach verwehrt.
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c) Der Beschluss über den zweiten Befangenheitsantrag erfolgte ebenfalls unter Verstoß gegen das grundrechtsgleiche Recht der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
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Bei der Prüfung, ob ein Ablehnungsgesuch als unzulässig verworfen werden kann, ist das Gericht in besonderem Maße verpflichtet, das Ablehnungsgesuch seinem Inhalt nach vollständig zu erfassen und gegebenenfalls wohlwollend auszulegen, da das Gericht andernfalls leicht dem Vorwurf ausgesetzt sein kann, tatsächlich im Gewande der Zulässigkeitsprüfung in eine Begründetheitsprüfung einzutreten, und sich zu Unrecht zum Richter in eigener Sache zu machen. Überschreitet das Gericht bei dieser Prüfung die ihm gezogenen Grenzen, so kann dies seinerseits die Besorgnis der Befangenheit begründen (vgl. BVerfGK 5, 269 <283>; 11, 434 <444>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 20. Juli 2007 - 1 BvR 2228/06 -, NJW 2007, S. 3771 <3773>).
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Obwohl der Vorwurf der Selbstentscheidung durch den vorangegangenen Beschluss über das Ablehnungsgesuch gegen die Kammervorsitzende Gegenstand des zweiten Befangenheitsantrags war, hat die Kammer in unveränderter Besetzung den daraufhin ergangenen Beschluss erlassen, ohne dass die Voraussetzungen hierfür vorgelegen hätten. Der formelhaft begründete Beschluss zieht zur Rechtfertigung der Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs das Kriterium der Rechtsmissbräuchlichkeit heran und versucht dies mit dem Verweis auf die offensichtliche Unbegründetheit des Befangenheitsantrags zu untermauern. Abgesehen davon, dass an keiner Stelle erläutert wird, weshalb - abweichend von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGK 5, 269 <282>) - auch bei offensichtlicher Unbegründetheit eines Ablehnungsgesuchs das vereinfachte Ablehnungsverfahren mit Selbstentscheidung des abgelehnten Richters angewendet werden können soll, lag ein Fall offensichtlicher Unbegründetheit des Befangenheitsantrags hier nicht vor. Das folgt schon aus dem einfachen Umstand, dass die festgestellte Überschreitung der durch Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gezogenen Grenzen bei Bescheidung des ersten Befangenheitsantrags nach der zitierten bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich geeignet ist, die Besorgnis der Befangenheit auszulösen. Das Ablehnungsgesuch erforderte letztendlich eine Entscheidung darüber, ob sich die abgelehnten Richter durch die Behandlung des ersten Befangenheitsantrags soweit von Recht und Gesetz entfernt hatten, dass die Besorgnis ihrer Befangenheit bestand. Damit waren sie gezwungen, über ihr vorangegangenes eigenes Verhalten bei der Beschlussfassung über das erste Ablehnungsgesuch zu entscheiden und sich dadurch zu Richtern in eigener Sache zu machen.
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d) Der durch die fehlerhafte Behandlung der Ablehnungsgesuche verursachte Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG erfasst auch das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts.
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Die Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs ist zwar nach § 146 Abs. 2 VwGO unanfechtbar. Die abgelehnte Kammervorsitzende und die weiteren mit dem zweiten Ablehnungsgesuch abgelehnten Richter unterlagen daher formal nicht mehr dem Gebot des § 54 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 47 Abs. 1 ZPO, der bis zur Erledigung des jeweiligen Ablehnungsgesuchs die Befugnisse des abgelehnten Richters auf die Vornahme unaufschiebbarer Handlungen beschränkt. Auch steht bislang nicht fest, dass tatsächlich die Besorgnis der Befangenheit bei einer der abgelehnten Gerichtspersonen vorgelegen hätte.
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In der Konsequenz der in Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verbürgten Garantie, nicht vor einem Richter stehen zu müssen, dem es an der gebotenen Neutralität mangelt (vgl. BVerfGE 89, 28 <36>), liegt es jedoch auch, nicht vor einem Richter stehen zu müssen, über dessen Ablehnung unter Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG entschieden worden ist (vgl. BVerfGK 13, 72 <75 ff.>).
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Die hinter dem Ablehnungsgesuch stehende Partei kann so lange nicht davon ausgehen, dass sie unabhängigen Richtern gegenübersteht, bis diese Frage von dem zuständigen Gericht ohne Beteiligung der möglicherweise befangenen Richter geklärt ist. Sie muss im Falle einer nach den dargelegten Kriterien unzulässigen Selbstentscheidung befürchten, dass die Entscheidung über ihr Ablehnungsgesuch maßgeblich von Richtern beeinflusst ist, die der Sache nicht mit der notwendigen Distanz und Neutralität gegenüberstehen und dass sich diese Voreingenommenheit auch in der anschließend zu treffenden Sachentscheidung fortsetzt. Aus den genannten Gründen ist immer dann, wenn ein Fall unzulässiger Selbstentscheidung vorliegt, davon auszugehen, dass auch die dem Ablehnungsgesuch folgende Sachentscheidungen mit dem Makel des Verstoßes gegen den gesetzlichen Richter behaftet ist.
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3. Die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts sind aufzuheben und die Sache gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen, da nicht auszuschließen ist, dass sie auf dem festgestellten Verfassungsverstoß beruhen. Ob die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts ebenfalls gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstößt, kann offen bleiben. Die Entscheidung wird durch die Aufhebung des verwaltungsgerichtlichen Urteils gegenstandslos.
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V.
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Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
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VI.
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Der Gegenstandswert für das Verfassungsbeschwerdeverfahren ist nach § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>) auf 8.000 € festzusetzen. Es ist nicht erkennbar, dass die Beschwerdeführerin ein über diesen Betrag hinausgehendes Interesse hat.
(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.
(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.
(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.
(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.
(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.
(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.
(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.
(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.
(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.