Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 17. Okt. 2012 - 8 W 379/11

bei uns veröffentlicht am17.10.2012

Tenor

1. Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten Nr. 2 wird unter Abänderung der Beschlüsse der 19. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 29.11.2011 (19 T 245/11) und des Amtsgerichts Kirchheim/Teck vom 18.07.2011 (4 AR 123/11) die Vergütungsfestsetzung der Urkundsbeamtin des Amtsgerichts Kirchheim/Teck - Beratungshilfe - vom 07.06.2011 (BHG 76/11) in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 17.08.2011 dahingehend abgeändert, dass

die dem Beteiligten Nr. 2 aus der Landeskasse zu zahlende Beratungshilfevergütung auf insgesamt 142,80 EUR festgesetzt wird.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

 
I.
Die Beteiligte Nr. 1 erhielt am 17.03.2011 vom Amtsgericht Kirchheim Teck einen Beratungsschein für rechtliche Beratung in den Angelegenheiten „Trennung, Scheidung und Folgesachen“. Nach anwaltlicher Beratung durch den Beteiligten Nr. 2 beantragte dieser beim Amtsgericht die Festsetzung von Beratungshilfegebühren in Höhe von insgesamt 142,80 EUR und zwar jeweils in Höhe von 30,00 EUR zzgl. 5,70 EUR MWSt für die Beratung über Trennung, Trennungsfolgen, Scheidung, Scheidungsfolgen.
Die Urkundsbeamtin setzte mit Beschluss vom 07.06.2011 die Vergütung auf insgesamt 71,40 EUR fest und begründete dies damit, dass der Beteiligte Nr. 2 lediglich in zwei verschiedenen Angelegenheiten - Trennung und Trennungsfolgen sowie Scheidung und Scheidungsfolgen - beratend tätig gewesen sei.
Dagegen wandte sich der Beteiligte Nr. 2 mit der Erinnerung, die der zuständige Richter des Amtsgerichts unter Zulassung der Beschwerde zurückgewiesen hat.
In seiner dagegen eingelegten Beschwerde wies der Beteiligte Nr. 2 darauf hin, dass sich seine Erstberatung umfassend auch auf die Komplexe Scheidung, elterliche Sorge/Umgang mit den Kindern, Ehewohnung und Hausrat sowie finanzielle Auswirkung vom Trennung und Scheidung erstreckt habe. Die Bezirksrevisorin ist der Beschwerde entgegen getreten.
Die Beschwerdekammer hat die Beschwerde unter Hinweis auf die bisherige Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 04.10.2006 - 8 W 360/06, FamRZ 2007, 574; Die Justiz 2007, 187) zurückgewiesen, wonach für die Beratungshilfe in einer Familiensache Regelungen für die Zeit der Trennung einerseits und die Scheidung mit den Folgesachen im Sinne des § 16 Nr. 4 RVG andererseits jeweils eine Angelegenheit darstellten, und wegen grundsätzlicher Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage die weitere Beschwerde zugelassen.
Der weiteren Beschwerde des Beteiligten Nr. 2 hat das Beschwerdegericht nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht Stuttgart zur Entscheidung vorgelegt.
II.
1.
Die weitere Beschwerde ist statthaft, frist- und formgerecht eingelegt und damit zulässig (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 6, Abs. 3 S. 2 und 3 RVG). Aufgrund der Zulassung der weiteren Beschwerde durch das Beschwerdegericht kommt es auf einen bestimmten Wert des Beschwerdegegenstandes nicht an. Die Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 33 Abs. 6 S. 2 in Verbindung mit §§ 546, 547 ZPO).
2.
In der Sache ist die Beschwerde begründet. Dem Beteiligten Nr. 2 steht eine Vergütung in Höhe von insgesamt 142,80 EUR zu, weil er in insgesamt vier Angelegenheiten tätig geworden ist.
Das Beratungshilfegesetz sieht Beratung in „Angelegenheiten“ vor (§§ 2 Abs. 2, 6 BerHG). Gemäß § 44 RVG erhält der Rechtsanwalt für die Tätigkeit im Rahmen der Beratungshilfe außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens eine Vergütung nach § 2 Abs. 2 RVG i.V.m. Nrn 2500 bis 2508 VV RVG. Da es sich bei der Beratungshilfe-Vergütung um Festgebühren handelt und das Korrektiv des Gegenstandswerts fehlt, kommt dem Begriff der „Angelegenheit“ besondere Bedeutung zu. Eine nähere Bestimmung dieses Begriffs findet sich im Beratungshilfegesetz nicht, wohl aber in den §§ 15 ff. RVG (vgl. dazu Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 6. Aufl., Rn. 1012). Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 31.10 2001 (AGS 2002, 273) ausgeführt, dass der Begriff der Angelegenheit wegen der ohnehin niedrigen Gebühren des Rechtsanwalts nicht zu weit gefasst werden dürfe, es komme aber auf den konkreten Einzelfall an. Um eine Angelegenheit bejahen zu können, müssen als Kriterien vorliegen: gleichzeitiger Auftrag, gleichartiges Verfahren, innerer Zusammenhang der Beratungsgegenstände bei zeitlichem und sachlichem Zusammenhang der Bearbeitung (Büttner u.a., a.a.O).
10 
Wurde - wie auch vorliegend - Beratungshilfe für die Angelegenheiten „Trennung, Scheidung und Folgesachen“ gewährt, ist der Senat (a.a.O.) vom Vorliegen von zwei Angelegenheiten ausgegangen, weil der Rechtsgedanke des § 16 Nr. 4 RVG - Scheidung und Folgesachen als dieselbe Angelegenheit im Verbundverfahren - auf die Beratungshilfe-Vergütung übertragbar sei und Rechtskraft der Scheidung eine Zäsur zu Regelungen für die Zeit der Trennung bilde (so auch OLG München AGS 2012, 25).
11 
Dem sind die Mehrzahl der Oberlandesgerichte (ablehnend u.a.: OLG Düsseldorf FamRZ 2009, 1244; OLG Köln FamRZ 2009, 1345; OLG Hamm FamRZ 2011, 377; OLG Dresden FamRZ 2011, 1684; OLG Nürnberg NJW 2011, 3108; OLG Celle NJW 2011, 3109; zustimmend lediglich OLG Brandenburg FamRZ 2010, 833; OLG München AGS 2012, 25) und namhafte Stimmen in der Literatur (Büttner u.a. a.a.O. Rn. 1022; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 20. Aufl., § 16 Rn. 28; AnwK-RVG/N.Schneider, 5. Aufl., vor VV 2501 ff. Rn. 31) nicht gefolgt. Eingewandt wird insbesondere, § 16 Nr. 4 RVG könne weder direkt noch analog angewandt werden. Die Vorschrift betreffe nur das gerichtliche Verfahren und setze die Anhängigkeit einer Ehesache voraus, nicht jedoch die vorgelagerte außergerichtliche Beratung, bei welcher bereits begrifflich eine Verbundsache nicht vorliegen könne. Auch eine entsprechende Anwendung komme wegen der unterschiedlichen Sachlage nicht in Betracht. Als Ausgleich für die Zusammenfassung von Ehesache und Folgesachen zu einer Angelegenheit folge aus §§ 22 Abs. 1, 23 Abs. 1 S. 3 RVG, dass die Werte der verschiedenen Gegenstände zu addieren seien. Eine vergleichbares Korrektiv gebe es für den Bereich der Beratungshilfe nicht.
12 
Der Senat vermag sich diesen Einwänden nicht zu verschließen und hält an seiner bisher geäußerten Rechtsauffassung (a.a.O.) nicht fest.
13 
Zu weit geht aus Sicht des Senat jedoch die Auffassung, wonach die Beratung zu jedem Gegenstand, zu dem Beratungsbedarf im Zusammenhang mit einer Trennung oder Scheidung anfällt, eine gesonderte Gebühr auslöst (so OLG Düsseldorf FamRZ 2009, 1244). Dadurch findet der zeitliche und sachliche Zusammenhang, der regelmäßig zwischen einzelnen Beratungsgegenständen bei Trennung und Scheidung besteht, nicht ausreichend Berücksichtigung (Büttner u.a., a.a.O. Rn. 1022; OLG Nürnberg NJW 2011, 3108).
14 
Mit dem OLG Nürnberg (a.a.O) und dem OLG Celle (NJW 2011, 3109) ist auch aus Sicht des Senats sachgerecht, unter Berücksichtigung des inneren Zusammenhangs der unterschiedlichen Lebenssachverhalte insgesamt von bis zu vier Komplexen (Angelegenheiten) auszugehen, (so auch Gerold/Schmidt/Müller-Rabe a.a.O. § 16 Rn. 28; AG Pforzheim FamRZ 2012, 1415):
15 
- die Scheidung als solche,
- das persönliche Verhältnis zu den Kindern (Personensorge, Umgangsrecht),
- Fragen im Zusammenhang mit Ehewohnung und Hausrat,
- finanzielle Auswirkungen von Trennung und Scheidung (Unterhaltsansprüche, Güterrecht, Vermögensauseinandersetzung).
16 
Wenn es gleichzeitig um Fragen der Trennung und Scheidung geht, verdoppeln sich die Angelegenheiten dadurch nicht.
17 
Diese Handhabung berücksichtigt in generalisierender Weise die vom Bundesverfassungsgericht (a.a.O.) aufgestellten Grundsätze und bleibt dennoch für die amtsgerichtliche Praxis noch einfach anzuwenden (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe a.a.O).
18 
Dies zugrundegelegt hat sich die Beratung des Beteiligten Nr. 2 ausweislich der Angaben im Beratungshilfeschein und seines erläuternden Vorbringens auf die vier genannten Angelegenheiten erstreckt.
19 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 56 Abs. 2 S. 2 und 3 RVG

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Das Recht ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

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Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,1.wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;2.wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Ges

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(1) Die Gebühren werden, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, nach dem Wert berechnet, den der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hat (Gegenstandswert). (2) Die Höhe der Vergütung bestimmt sich nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 56 Erinnerung und Beschwerde


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Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 22 Grundsatz


(1) In derselben Angelegenheit werden die Werte mehrerer Gegenstände zusammengerechnet. (2) Der Wert beträgt in derselben Angelegenheit höchstens 30 Millionen Euro, soweit durch Gesetz kein niedrigerer Höchstwert bestimmt ist. Sind in derselben Ange

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Für die Tätigkeit im Rahmen der Beratungshilfe erhält der Rechtsanwalt eine Vergütung nach diesem Gesetz aus der Landeskasse, soweit nicht für die Tätigkeit in Beratungsstellen nach § 3 Absatz 1 des Beratungshilfegesetzes besondere Vereinbarungen get

Beratungshilfegesetz - BeratHiG | § 2 Gegenstand der Beratungshilfe


(1) Die Beratungshilfe besteht in Beratung und, soweit erforderlich, in Vertretung. Eine Vertretung ist erforderlich, wenn Rechtsuchende nach der Beratung angesichts des Umfangs, der Schwierigkeit oder der Bedeutung, die die Rechtsangelegenheit für s

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Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 04. Okt. 2006 - 8 W 360/06

bei uns veröffentlicht am 04.10.2006

Tenor 1. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Bezirksrevisorin wird unter Aufhebung des Beschlusses der 5. Zivilkammer des Landgerichts Tübingen vom 2. August 2006, Az. 5 T 321/05, und des Beschlusses des Amtsgerichts Münsingen vom 6. September
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Oberlandesgericht München Beschluss, 26. Feb. 2015 - 11 WF 1738/14

bei uns veröffentlicht am 26.02.2015

Tenor I. Auf die weitere Beschwerde werden der Beschluss des Landgerichts vom 23.09.2014 sowie die von diesem bestätigten Beschlüsse des Amtsgerichts Rosenheim vom 13.09. und 09.10.2013 aufgehoben. Das Verfahren wird zur erneuten

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bei uns veröffentlicht am 11.08.2016

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Landgericht Dessau-Roßlau Beschluss, 23. Sept. 2013 - 1 T 97/13

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bei uns veröffentlicht am 28.03.2013

Tenor Die weitere Beschwerde der Landeskasse gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg vom 30. Januar 2013 wird zurückgewiesen. Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; eine Kostenerstattung findet nicht statt.

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Tenor

1. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Bezirksrevisorin wird unter Aufhebung des Beschlusses der 5. Zivilkammer des Landgerichts Tübingen vom 2. August 2006, Az. 5 T 321/05, und des Beschlusses des Amtsgerichts Münsingen vom 6. September 2005, Az. BerH 154/05, und unter Zurückweisung der weitergehenden Anträge des Antragstellers der Beschluss des Rechtspflegers des Amtsgerichts Münsingen - Beratungshilfe - vom 26. Juli 2005, Az. BerH 154/05, dahingehend abgeändert, dass

die dem Antragsteller aus der Staatskasse zu bewilligende Beratungshilfe-Vergütung auf 498,80 Euro festgesetzt wird.

2. Im übrigen wird die sofortige weitere Beschwerde zurückgewiesen.

3. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

 
I.
Die Beteiligte A… erhielt am 11. Mai 2005 vom Amtsgericht Münsingen einen Berechtigungsschein für rechtliche Beratung und - soweit erforderlich - Vertretung durch einen Rechtsanwalt in der Angelegenheit "Trennung/Scheidung/Folgesachen". Dabei wurde die Beratungshilfe nachträglich bewilligt auf Antrag des beratenden Rechtsanwalts, des Antragstellers. Bereits zuvor hatte sie sich durch diesen beraten lassen mit dem Ergebnis einer Vereinbarung zwischen ihr und ihrem Ehemann vom 21. April 2005 für den Fall des Getrenntlebens und der Ehescheidung, die am selben Tag notariell beurkundet wurde. Das bereits anhängige Scheidungsverfahren wurde durch Urteil vom 27. Oktober 2005, rechtskräftig seit 28. Dezember 2005, beendet.
Der Antragsteller beantragte die Festsetzung von Beratungshilfe-Gebühren in Höhe von insgesamt 997,60 Euro. Dabei ging er von vier verschiedenen Angelegenheiten aus (Ehescheidung und Versorgungsausgleich / Ehegattenunterhalt / Vermögensauseinandersetzung [Zugewinnausgleich], Hausrat und Ehewohnung / Sorgerecht und Umgangsrecht). Für jede der Angelegenheiten brachte er eine Geschäftsgebühr von 70 EUR gemäß Nr. 2603 RVG-VV i. d. F. bis zum 30. Juni 2006 (a. F.; ab 1. Juli 2006: Nr. 2503 RVG-VV n. F.), eine Einigungs- und Erledigungsgebühr von 125 EUR gemäß Nr. 2608 RVG-VV a. F. (Nr. 2508 RVG-VV n. F.), eine Auslagenpauschale von 20 EUR gemäß Nr. 7002 RVG-VV und 16% Mehrwertsteuer in Höhe von 34,40 EUR gemäß Nr. 7008 RVG-VV, insgesamt damit je einen Betrag von 249,40 EUR in Ansatz.
Der Rechtspfleger akzeptierte mit Beschluss vom 26. Juli 2005 den Ansatz von vier Angelegenheiten (vermögensrechtliche Auseinandersetzung der Ehegatten / Ehegatten- und Kindesunterhalt und Sorgerecht / Versorgungsausgleich / Ehescheidung), reduzierte jedoch bezüglich des Versorgungsausgleichs und der Ehescheidung die beantragten Gebühren um die Einigungs- und Erledigungsgebühr von 125 EUR, sodass sich hierfür jeweils ein Betrag von 93,88 EUR statt 249,40 EUR errechnete. Insgesamt kam der Rechtspfleger zu einem Erstattungsbetrag von 686,56 EUR, den er festsetzte unter Zurückweisung der weitergehenden Anträge.
Die Bezirksrevisorin legte gegen diesen Festsetzungsbeschluss Erinnerung ein mit dem Ziel, die Beratungshilfe-Vergütung auf 249,40 EUR festzusetzen, da lediglich von einer einzigen Angelegenheit ausgegangen werden könne. Die Erinnerung wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Münsingen vom 6. September 2005 zurückgewiesen, ebenso die hiergegen eingelegte Beschwerde der Bezirksrevisorin durch den nunmehr angefochtenen Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Tübingen vom 2. August 2006, mit dem die weitere Beschwerde zum Oberlandesgericht Stuttgart wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen wurde.
Die Bezirksrevisorin erhob am 10. August 2006 die weitere Beschwerde. Der Antragsteller hat deren Zurückweisung beantragt. Das Landgericht hat die Akten auf Grund (konkludenter) Nichtabhilfe dem Oberlandesgericht Stuttgart zur Entscheidung vorgelegt.
Die Beteiligten streiten darüber, ob bei der Abrechnung der Beratungshilfe-Vergütung von einer Angelegenheit oder von mehreren auszugehen ist.
II.
Nachdem die weitere Beschwerde zum Oberlandesgericht Stuttgart wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache durch das Landgericht Tübingen als Beschwerdegericht in seinem Beschluss vom 2. August 2006 zugelassen wurde, ist das Rechtsmittel der Staatskasse, vertreten durch die Bezirksrevisorin, als sofortige weitere Beschwerde statthaft, frist- und formgerecht eingelegt und damit zulässig (§ 55 Abs. 1, Abs. 4 RVG, § 4 Abs. 1 BerHG, § 56 Abs. 1, Abs. 2 RVG i. V. m. § 33 Abs. 6, Abs. 3 Satz 3, Abs. 4 Satz 1 und 4 RVG). Auf einen bestimmten Wert des Beschwerdegegenstandes kommt es nicht an. Die Beschwerde unterliegt auch nicht dem Anwaltszwang (Madert in Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 17. Aufl. 2006, § 33 RVG Rdnr. 19). Sie kann jedoch nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§ 33 Abs. 6 Satz 2 RVG i. V. m. §§ 546, 547 ZPO).
In der Sache ist die weitere Beschwerde teilweise begründet.
Gemäß § 44 RVG erhält der Rechtsanwalt für die Tätigkeit im Rahmen der Beratungshilfe eine Vergütung nach § 2 Abs. 2 RVG i. V. m. Nr. 2600 bis 2608 RVG-VV a. F. (Nr. 2500 bis 2508 RVG-VV n. F.). Voraussetzung ist die Erteilung eines Berechtigungsscheins für Beratungshilfe außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens in bestimmten Angelegenheiten (§ 2 Abs. 2 BerHG), die durch den Rechtssuchenden oder durch einen Rechtsanwalt - durch diesen auch nachträglich - beantragt werden kann (§§ 4, 6 BerHG). Dabei muss der Sachverhalt, für den Beratungshilfe beantragt wird, angegeben werden und das Amtsgericht stellt dem Rechtssuchenden unter genauer Bezeichnung der "Angelegenheit" (§ 2 Abs. 2 BerHG) einen Berechtigungsschein für die Beratungshilfe durch einen Rechtsanwalt seiner Wahl aus.
10 
Nachdem es sich bei der Beratungshilfe-Vergütung um Festgebühren handelt, kommt dem Begriff der "Angelegenheit" i. S. des Beratungshilfegesetzes besondere Bedeutung zu. Denn bei mehreren Angelegenheiten erhält der Rechtsanwalt die Festgebühren mehrmals, bei einer Angelegenheit nur einmal, auch wenn mehrere Besprechungen in dieser einen Angelegenheit erfolgten. Auf den Umfang der Tätigkeit kommt es nicht an.
11 
Eine nähere Bestimmung des Begriffs der "Angelegenheit" befindet sich im Beratungshilfegesetz nicht, wohl aber in §§ 15 ff RVG. Und aus §§ 15, 22 Abs. 1 RVG ergibt sich, dass die Gebühren in "derselben Angelegenheit" nur einmal entstehen, in mehreren Angelegenheiten dagegen mehrfach.
12 
Da bei den Pauschgebühren der Beratungshilfe das Korrektiv des Gegenstandswertes fehlt, kommt der Abgrenzung, wann eine und wann mehrere Angelegenheiten anzunehmen sind, erhebliche praktische Bedeutung zu. Das BVerfG hat in seiner Entscheidung vom 31. Oktober 2001 (BVerfG AGS 2002, 273) ausgeführt, dass der Begriff der Angelegenheit aus verfassungsrechtlicher Sicht wegen der ohnehin zu niedrigen Gebühren des Rechtsanwalts nicht zu weit gefasst werden dürfe, es komme aber auf den konkreten Einzelfall an.
13 
Abzugrenzen ist darüber hinaus der Begriff der "Angelegenheit" vom engeren Begriff des "Gegenstands", der sich auf das konkrete Recht oder Rechtsverhältnis bezieht (§ 22 Abs. 1 RVG). Eine Angelegenheit kann in diesem Sinn mehrere Gegenstände umfassen.
14 
Um eine Angelegenheit bejahen zu können, müssen als Kriterien vorliegen: gleichzeitiger Auftrag, gleichartiges Verfahren (der gleiche Rahmen), innerer Zusammenhang der Beratungsgegenstände. Insgesamt muss ein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang der Bearbeitung bestehen (Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 4. Aufl. 2005, Rdnr. 1012 ff m. w. N.).
15 
Erheblich umstritten ist diese Problematik in Familiensachen. So wird zum Teil vertreten dass es sich insgesamt um eine einzige Angelegenheit handelt, gleichgültig, ob es um Trennungsunterhalt, Ehescheidung, Versorgungsausgleich, Vermögensauseinandersetzung, Kindesunterhalt, nachehelichen Ehegattenunterhalt, Sorgerecht, Umgangsrecht, Hausratsverteilung usw. geht, weil Ursprung der einheitliche Lebenssachverhalt des Scheiterns der Ehe sei (OLG Nürnberg MDR 2004, 1186; Landgericht Flensburg, Beschluss vom 7. Juni 2002, Az. 5 T 67/02 - veröffentlicht in Juris; OLG München MDR 1988, 330; je m. w. N.).
16 
Die andere Meinung betont die Selbstständigkeit und Verschiedenartigkeit der einzelnen Familiensachen und geht deshalb von verschiedenen Angelegenheiten aus (Amtsgericht Brandenburg FamRZ 2006, 638; OLG Hamm FamRZ 2005, 532; Landgericht Neuruppin FamRZ 2004, 41; Landgericht Hannover JurBüro 1987, 220; OLG Düsseldorf MDR 1986, 157; OLG Braunschweig JurBüro 1985, 250; je m. w. N.).
17 
Dabei sind die vorgenannten Entscheidungen bis auf die des Amtsgerichts Brandenburg zur BRAGO ergangen. Die Bestimmung des § 7 Abs. 3 BRAGO entspricht jedoch der des § 16 Nr. 4 und 5 RVG. Der Unterschied besteht einzig darin, dass sich § 7 BRAGO mit dem Gegenstandswert befasst, § 16 RVG dagegen mit der Definition der Angelegenheit.
18 
Wenn aber für die Beratungshilfe-Vergütung auf die Definition der Angelegenheit i. S. der §§ 16 ff RVG - hier des § 16 Nr. 4 RVG - zurückgegriffen wird, dann ist es nur sachgerecht, dies auch gebührenrechtlich umzusetzen.
19 
§ 16 Nr. 4 RVG nimmt dieselbe Angelegenheit für eine Scheidungssache und die Folgesachen (§ 621 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, § 623 Abs. 1 bis 3, Abs. 5 ZPO) an. Von diesen Be-griffsbestimmungen ausgehend kann hierunter die Regelung des Zeitraums der Trennung vor der Ehescheidung nicht fallen. Die Trennungszeit wird nicht von der Scheidungssache umfasst und ihre Regelung gehört nicht zu den Folgesachen, in denen eine Entscheidung für den Fall der Scheidung zu treffen ist. Als Folgesachen kommen in Betracht: Ehegattenunterhalt (nicht Trennungsunterhalt), Versorgungsausgleich, Ehewohnung und Hausrat, Güterrecht, Kindesunterhalt, elterliche Sorge, Umgangsrecht. Aus dem Wort "Folgesachen" und aus der Formulierung in § 623 Abs. 1 ZPO: "soweit eine Entscheidung für den Fall der Scheidung zu treffen ist", ergibt sich, dass damit nur Scheidungsfolgen gemeint sind, für die auch das Verbundverfahren vorgesehen ist. Damit zieht das Gesetz eine zeitliche Grenze: Regelungen für die Zeit vor Rechtskraft der Scheidung können nicht mit dem Scheidungsausspruch verbunden werden. So kann Unterhalt für die Zeit vor Rechtskraft der Scheidung nicht als Folgesache geltend gemacht werden. Im Verbundverfahren kann ein Ehegatte vom anderen nur Unterhalt für die Zeit ab Rechtskraft der Scheidung verlangen (§§ 1569 ff BGB). Ebenso ist auch die Regelung der Benutzung des Hausrats und der Ehewohnung für die Dauer der Trennung keine Folgesache, weil sie die Zeit vor Rechtskraft der Scheidung betrifft (Philippi in Zöller, ZPO, 25. Aufl. 2005, § 623 Rdnr. 5, 7 a, 20 a, je m. w. N.).
20 
Wenn aber die Regelungen für die Zeit der Trennung weder unter den Begriff der "Scheidungssache" noch der "Folgesachen" i. S. des § 16 Nr. 4 RVG zu subsumieren sind, ist es auch nicht gerechtfertigt, sie als dieselbe Angelegenheit wie die Scheidungssache und deren Folgesachen anzusehen (vgl. auch Madert in Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 17. Aufl. 2006, RVG-VV Nr. 2005-2508 Rdnr. 26, m. w. N.; a. A. Müller-Rabe in Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert/Müller-Rabe, a. a. O., § 16 RVG Rdnr. 9 ff, insb. Rdnr. 29, m. w. N.).
21 
Nachdem sich die Tätigkeit des Antragstellers im Rahmen des erteilten Berechtigungsscheins auf die Angelegenheit "Trennung/Scheidung/Folgesachen" bezogen hat, ist von zwei verschiedenen Angelegenheiten - einerseits Trennung und andererseits Scheidung mit Folgesachen - bei der Festsetzung der Beratungshilfevergütung auszugehen. Dabei sind jeweils die in Ansatz gebrachten Gebühren (Geschäftsgebühr, Einigungs- und Erledigungsgebühr sowie Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer) zu Grunde zu legen, also zweimal 249,40 Euro, mithin 498,80 Euro. Auf den Umfang der anwaltlichen Beratungstätigkeit kommt es dagegen bei der Festsetzung der Pauschgebühren nicht.
22 
Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts Tübingen vom 2. August 2006 ist damit nicht zu beanstanden, soweit sie in den Regelungen für die Trennungszeit einerseits und in denen bezüglich Scheidung und Folgesachen andererseits zwei verschiedene Angelegenheiten annimmt. Auch die Erledigung der Ansprüche aus dem Vorfall vom 25. Dezember 2004 - Schadensersatzansprüche aus Körperverletzung und deren strafrechtliche Verfolgung - beinhaltet eine eigene Angelegenheit. Vom erteilten Berechtigungsschein ist sie jedoch nicht abgedeckt, sondern nur die beiden vorgenannten Angelegenheiten, sodass auch nur für diese die Beratungshilfevergütung verlangt werden kann.
23 
Auf die sofortige weitere Beschwerde der Bezirksrevisorin war deshalb unter Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts Münsingen vom 26. Juli 2005, Zurückweisung der weitergehenden Anträge des Antragstellers und Aufhebung der Beschlüsse des Amtsgerichts Münsingen vom 6. September 2005 und des Landgerichts Tübingen vom 2. August 2006 die dem Antragsteller aus der Staatskasse zu bewilligende Beratungshilfe-Vergütung auf 498,80 Euro festzusetzen.
24 
Im übrigen war das Rechtsmittel als unbegründet zurückzuweisen.
25 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 RVG.

Dieselbe Angelegenheit sind

1.
das Verwaltungsverfahren auf Aussetzung oder Anordnung der sofortigen Vollziehung sowie über einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte Dritter und jedes Verwaltungsverfahren auf Abänderung oder Aufhebung in den genannten Fällen;
2.
das Verfahren über die Prozesskostenhilfe und das Verfahren, für das die Prozesskostenhilfe beantragt worden ist;
3.
mehrere Verfahren über die Prozesskostenhilfe in demselben Rechtszug;
3a.
das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Gerichts und das Verfahren, für das der Gerichtsstand bestimmt werden soll; dies gilt auch dann, wenn das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vor Klageerhebung oder Antragstellung endet, ohne dass das zuständige Gericht bestimmt worden ist;
4.
eine Scheidungssache oder ein Verfahren über die Aufhebung einer Lebenspartnerschaft und die Folgesachen;
5.
das Verfahren über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, über den Erlass einer einstweiligen Verfügung oder einstweiligen Anordnung, über die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, über die Aufhebung der Vollziehung oder die Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsakts und jedes Verfahren über deren Abänderung, Aufhebung oder Widerruf;
6.
das Verfahren nach § 3 Absatz 1 des Gesetzes zur Ausführung des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich vom 6. Juni 1959 über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Vergleichen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 319-12, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 23 des Gesetzes vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) geändert worden ist, und das Verfahren nach § 3 Absatz 2 des genannten Gesetzes;
7.
das Verfahren über die Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme und das Verfahren über einen Antrag auf Aufhebung oder Änderung einer Entscheidung über die Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung);
8.
das schiedsrichterliche Verfahren und das gerichtliche Verfahren bei der Bestellung eines Schiedsrichters oder Ersatzschiedsrichters, über die Ablehnung eines Schiedsrichters oder über die Beendigung des Schiedsrichteramts, zur Unterstützung bei der Beweisaufnahme oder bei der Vornahme sonstiger richterlicher Handlungen;
9.
das Verfahren vor dem Schiedsgericht und die gerichtlichen Verfahren über die Bestimmung einer Frist (§ 102 Absatz 3 des Arbeitsgerichtsgesetzes), die Ablehnung eines Schiedsrichters(§ 103Absatz 3 des Arbeitsgerichtsgesetzes) oder die Vornahme einer Beweisaufnahme oder einer Vereidigung (§ 106 Absatz 2 des Arbeitsgerichtsgesetzes);
10.
im Kostenfestsetzungsverfahren und im Verfahren über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen einen Kostenfestsetzungsbescheid (§ 108 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten) einerseits und im Kostenansatzverfahren sowie im Verfahren über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Ansatz der Gebühren und Auslagen (§ 108 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten) andererseits jeweils mehrere Verfahren über
a)
die Erinnerung,
b)
den Antrag auf gerichtliche Entscheidung,
c)
die Beschwerde in demselben Beschwerderechtszug;
11.
das Rechtsmittelverfahren und das Verfahren über die Zulassung des Rechtsmittels; dies gilt nicht für das Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung eines Rechtsmittels;
12.
das Verfahren über die Privatklage und die Widerklage und zwar auch im Fall des § 388 Absatz 2 der Strafprozessordnung und
13.
das erstinstanzliche Prozessverfahren und der erste Rechtszug des Musterverfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz.

(1) Über Erinnerungen des Rechtsanwalts und der Staatskasse gegen die Festsetzung nach § 55 entscheidet das Gericht des Rechtszugs, bei dem die Festsetzung erfolgt ist, durch Beschluss. Im Fall des § 55 Absatz 3 entscheidet die Strafkammer des Landgerichts. Im Fall der Beratungshilfe entscheidet das nach § 4 Absatz 1 des Beratungshilfegesetzes zuständige Gericht.

(2) Im Verfahren über die Erinnerung gilt § 33 Absatz 4 Satz 1, Absatz 7 und 8 und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Entscheidung über die Erinnerung § 33 Absatz 3 bis 8 entsprechend. Das Verfahren über die Erinnerung und über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Das Recht ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;
2.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs ohne Erfolg geltend gemacht ist;
3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war;
4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat;
5.
wenn die Entscheidung auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
6.
wenn die Entscheidung entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht mit Gründen versehen ist.

(1) Die Beratungshilfe besteht in Beratung und, soweit erforderlich, in Vertretung. Eine Vertretung ist erforderlich, wenn Rechtsuchende nach der Beratung angesichts des Umfangs, der Schwierigkeit oder der Bedeutung, die die Rechtsangelegenheit für sie hat, ihre Rechte nicht selbst wahrnehmen können.

(2) Beratungshilfe nach diesem Gesetz wird in allen rechtlichen Angelegenheiten gewährt. In Angelegenheiten des Strafrechts und des Ordnungswidrigkeitenrechts wird nur Beratung gewährt.

(3) Beratungshilfe nach diesem Gesetz wird nicht gewährt in Angelegenheiten, in denen das Recht anderer Staaten anzuwenden ist, sofern der Sachverhalt keine Beziehung zum Inland aufweist.

Für die Tätigkeit im Rahmen der Beratungshilfe erhält der Rechtsanwalt eine Vergütung nach diesem Gesetz aus der Landeskasse, soweit nicht für die Tätigkeit in Beratungsstellen nach § 3 Absatz 1 des Beratungshilfegesetzes besondere Vereinbarungen getroffen sind. Die Beratungshilfegebühr (Nummer 2500 des Vergütungsverzeichnisses) schuldet nur der Rechtsuchende.

(1) Die Gebühren werden, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, nach dem Wert berechnet, den der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hat (Gegenstandswert).

(2) Die Höhe der Vergütung bestimmt sich nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz. Gebühren werden auf den nächstliegenden Cent auf- oder abgerundet; 0,5 Cent werden aufgerundet.

Dieselbe Angelegenheit sind

1.
das Verwaltungsverfahren auf Aussetzung oder Anordnung der sofortigen Vollziehung sowie über einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte Dritter und jedes Verwaltungsverfahren auf Abänderung oder Aufhebung in den genannten Fällen;
2.
das Verfahren über die Prozesskostenhilfe und das Verfahren, für das die Prozesskostenhilfe beantragt worden ist;
3.
mehrere Verfahren über die Prozesskostenhilfe in demselben Rechtszug;
3a.
das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Gerichts und das Verfahren, für das der Gerichtsstand bestimmt werden soll; dies gilt auch dann, wenn das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vor Klageerhebung oder Antragstellung endet, ohne dass das zuständige Gericht bestimmt worden ist;
4.
eine Scheidungssache oder ein Verfahren über die Aufhebung einer Lebenspartnerschaft und die Folgesachen;
5.
das Verfahren über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, über den Erlass einer einstweiligen Verfügung oder einstweiligen Anordnung, über die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, über die Aufhebung der Vollziehung oder die Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsakts und jedes Verfahren über deren Abänderung, Aufhebung oder Widerruf;
6.
das Verfahren nach § 3 Absatz 1 des Gesetzes zur Ausführung des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich vom 6. Juni 1959 über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Vergleichen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 319-12, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 23 des Gesetzes vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) geändert worden ist, und das Verfahren nach § 3 Absatz 2 des genannten Gesetzes;
7.
das Verfahren über die Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme und das Verfahren über einen Antrag auf Aufhebung oder Änderung einer Entscheidung über die Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung);
8.
das schiedsrichterliche Verfahren und das gerichtliche Verfahren bei der Bestellung eines Schiedsrichters oder Ersatzschiedsrichters, über die Ablehnung eines Schiedsrichters oder über die Beendigung des Schiedsrichteramts, zur Unterstützung bei der Beweisaufnahme oder bei der Vornahme sonstiger richterlicher Handlungen;
9.
das Verfahren vor dem Schiedsgericht und die gerichtlichen Verfahren über die Bestimmung einer Frist (§ 102 Absatz 3 des Arbeitsgerichtsgesetzes), die Ablehnung eines Schiedsrichters(§ 103Absatz 3 des Arbeitsgerichtsgesetzes) oder die Vornahme einer Beweisaufnahme oder einer Vereidigung (§ 106 Absatz 2 des Arbeitsgerichtsgesetzes);
10.
im Kostenfestsetzungsverfahren und im Verfahren über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen einen Kostenfestsetzungsbescheid (§ 108 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten) einerseits und im Kostenansatzverfahren sowie im Verfahren über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Ansatz der Gebühren und Auslagen (§ 108 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten) andererseits jeweils mehrere Verfahren über
a)
die Erinnerung,
b)
den Antrag auf gerichtliche Entscheidung,
c)
die Beschwerde in demselben Beschwerderechtszug;
11.
das Rechtsmittelverfahren und das Verfahren über die Zulassung des Rechtsmittels; dies gilt nicht für das Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung eines Rechtsmittels;
12.
das Verfahren über die Privatklage und die Widerklage und zwar auch im Fall des § 388 Absatz 2 der Strafprozessordnung und
13.
das erstinstanzliche Prozessverfahren und der erste Rechtszug des Musterverfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz.

(1) In derselben Angelegenheit werden die Werte mehrerer Gegenstände zusammengerechnet.

(2) Der Wert beträgt in derselben Angelegenheit höchstens 30 Millionen Euro, soweit durch Gesetz kein niedrigerer Höchstwert bestimmt ist. Sind in derselben Angelegenheit mehrere Personen wegen verschiedener Gegenstände Auftraggeber, beträgt der Wert für jede Person höchstens 30 Millionen Euro, insgesamt jedoch nicht mehr als 100 Millionen Euro.

(1) Über Erinnerungen des Rechtsanwalts und der Staatskasse gegen die Festsetzung nach § 55 entscheidet das Gericht des Rechtszugs, bei dem die Festsetzung erfolgt ist, durch Beschluss. Im Fall des § 55 Absatz 3 entscheidet die Strafkammer des Landgerichts. Im Fall der Beratungshilfe entscheidet das nach § 4 Absatz 1 des Beratungshilfegesetzes zuständige Gericht.

(2) Im Verfahren über die Erinnerung gilt § 33 Absatz 4 Satz 1, Absatz 7 und 8 und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Entscheidung über die Erinnerung § 33 Absatz 3 bis 8 entsprechend. Das Verfahren über die Erinnerung und über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.