Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss, 11. Aug. 2016 - I-10 W 106/16

ECLI:ECLI:DE:OLGD:2016:0811.I10W106.16.00
bei uns veröffentlicht am11.08.2016

Tenor

Die weitere Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 16. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 9. Mai 2016 wird zurückgewiesen.

Das Verfahren über die weitere Beschwerde ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet.


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Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss, 11. Aug. 2016 - I-10 W 106/16 zitiert 4 §§.

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 33 Wertfestsetzung für die Rechtsanwaltsgebühren


(1) Berechnen sich die Gebühren in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert oder fehlt es an einem solchen Wert, setzt das Gericht des Rechtszugs den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf An

Zivilprozessordnung - ZPO | § 546 Begriff der Rechtsverletzung


Das Recht ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 56 Erinnerung und Beschwerde


(1) Über Erinnerungen des Rechtsanwalts und der Staatskasse gegen die Festsetzung nach § 55 entscheidet das Gericht des Rechtszugs, bei dem die Festsetzung erfolgt ist, durch Beschluss. Im Fall des § 55 Absatz 3 entscheidet die Strafkammer des Landge

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 15 Abgeltungsbereich der Gebühren


(1) Die Gebühren entgelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit. (2) Der Rechtsanwalt kann die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern.

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Oberlandesgericht München Beschluss, 26. Feb. 2015 - 11 WF 1738/14

bei uns veröffentlicht am 26.02.2015

Tenor I. Auf die weitere Beschwerde werden der Beschluss des Landgerichts vom 23.09.2014 sowie die von diesem bestätigten Beschlüsse des Amtsgerichts Rosenheim vom 13.09. und 09.10.2013 aufgehoben. Das Verfahren wird zur erneuten

Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 17. Okt. 2012 - 8 W 379/11

bei uns veröffentlicht am 17.10.2012

Tenor 1. Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten Nr. 2 wird unter Abänderung der Beschlüsse der 19. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 29.11.2011 (19 T 245/11) und des Amtsgerichts Kirchheim/Teck vom 18.07.2011 (4 AR 123/11) die Vergütung

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(1) Über Erinnerungen des Rechtsanwalts und der Staatskasse gegen die Festsetzung nach § 55 entscheidet das Gericht des Rechtszugs, bei dem die Festsetzung erfolgt ist, durch Beschluss. Im Fall des § 55 Absatz 3 entscheidet die Strafkammer des Landgerichts. Im Fall der Beratungshilfe entscheidet das nach § 4 Absatz 1 des Beratungshilfegesetzes zuständige Gericht.

(2) Im Verfahren über die Erinnerung gilt § 33 Absatz 4 Satz 1, Absatz 7 und 8 und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Entscheidung über die Erinnerung § 33 Absatz 3 bis 8 entsprechend. Das Verfahren über die Erinnerung und über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

(1) Berechnen sich die Gebühren in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert oder fehlt es an einem solchen Wert, setzt das Gericht des Rechtszugs den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf Antrag durch Beschluss selbstständig fest.

(2) Der Antrag ist erst zulässig, wenn die Vergütung fällig ist. Antragsberechtigt sind der Rechtsanwalt, der Auftraggeber, ein erstattungspflichtiger Gegner und in den Fällen des § 45 die Staatskasse.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 1 können die Antragsberechtigten Beschwerde einlegen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde ist auch zulässig, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung eingelegt wird.

(4) Soweit das Gericht die Beschwerde für zulässig und begründet hält, hat es ihr abzuhelfen; im Übrigen ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Beschwerdegericht ist das nächsthöhere Gericht, in Zivilsachen der in § 119 Absatz 1 Nummer 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes bezeichneten Art jedoch das Oberlandesgericht. Eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes findet nicht statt. Das Beschwerdegericht ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden; die Nichtzulassung ist unanfechtbar.

(5) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. Absatz 4 Satz 1 bis 3 gilt entsprechend.

(6) Die weitere Beschwerde ist nur zulässig, wenn das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden und sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zugelassen hat. Sie kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht; die §§ 546 und 547 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Über die weitere Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht. Absatz 3 Satz 3, Absatz 4 Satz 1 und 4 und Absatz 5 gelten entsprechend.

(7) Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Für die Bevollmächtigung gelten die Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensordnung entsprechend. Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Entscheidung angefochten wird.

(8) Das Gericht entscheidet über den Antrag durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter; dies gilt auch für die Beschwerde, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren der Kammer oder dem Senat, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Das Gericht entscheidet jedoch immer ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter. Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.

(9) Das Verfahren über den Antrag ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet; dies gilt auch im Verfahren über die Beschwerde.

Das Recht ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

(1) Die Gebühren entgelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit.

(2) Der Rechtsanwalt kann die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern.

(3) Sind für Teile des Gegenstands verschiedene Gebührensätze anzuwenden, entstehen für die Teile gesondert berechnete Gebühren, jedoch nicht mehr als die aus dem Gesamtbetrag der Wertteile nach dem höchsten Gebührensatz berechnete Gebühr.

(4) Auf bereits entstandene Gebühren ist es, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, ohne Einfluss, wenn sich die Angelegenheit vorzeitig erledigt oder der Auftrag endigt, bevor die Angelegenheit erledigt ist.

(5) Wird der Rechtsanwalt, nachdem er in einer Angelegenheit tätig geworden ist, beauftragt, in derselben Angelegenheit weiter tätig zu werden, erhält er nicht mehr an Gebühren, als er erhalten würde, wenn er von vornherein hiermit beauftragt worden wäre. Ist der frühere Auftrag seit mehr als zwei Kalenderjahren erledigt, gilt die weitere Tätigkeit als neue Angelegenheit und in diesem Gesetz bestimmte Anrechnungen von Gebühren entfallen. Satz 2 gilt entsprechend, wenn ein Vergleich mehr als zwei Kalenderjahre nach seinem Abschluss angefochten wird oder wenn mehr als zwei Kalenderjahre nach Zustellung eines Beschlusses nach § 23 Absatz 3 Satz 1 des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes der Kläger einen Antrag nach § 23 Absatz 4 des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes auf Wiedereröffnung des Verfahrens stellt.

(6) Ist der Rechtsanwalt nur mit einzelnen Handlungen oder mit Tätigkeiten, die nach § 19 zum Rechtszug oder zum Verfahren gehören, beauftragt, erhält er nicht mehr an Gebühren als der mit der gesamten Angelegenheit beauftragte Rechtsanwalt für die gleiche Tätigkeit erhalten würde.

Tenor

I.

Auf die weitere Beschwerde werden der Beschluss des Landgerichts vom 23.09.2014 sowie die von diesem bestätigten Beschlüsse des Amtsgerichts Rosenheim vom 13.09. und 09.10.2013 aufgehoben.

Das Verfahren wird zur erneuten Festsetzung der Vergütung der Beschwerdeführerin unter Beachtung der nunmehr vom Senat aufgestellten Grundsätze an das Amtsgericht Rosenheim zurückverwiesen.

II.

Das Verfahren der weiteren Beschwerde ist gebührenfrei, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Die vom Landgericht zugelassene weitere Beschwerde betrifft die Frage der Bestimmung des Begriffes der gebührenrechtlichen „Angelegenheit“ bei Beratungshilfe in Familiensachen.

Das Amtsgericht Rosenheim bewilligte der Antragstellerin einen Berechtigungsschein zur Beratungshilfe für den Bereich „Trennung, Scheidung, Scheidungsfolgesachen, Unterhalt, Ehewohnung, elterliche Sorge, Umgang etc.“.

Die Antragstellerin wandte sich hierauf an Rechtsanwältin ... (im Folgenden: Beschwerdeführerin), die sie beriet und außergerichtlich für sie tätig wurde.

Hierfür reichte die Beschwerdeführerin beim Amtsgericht Rosenheim insgesamt drei Rechnungen ein, nämlich für die Angelegenheiten „Unterhalt“, „Kindergeld“ sowie „Hausrat“:

Hinsichtlich des „Unterhaltes“ macht sie eine Geschäftsgebühr gemäß VV-RVG Nr. 2503 in Höhe von € 70,- nebst Kommunikationspauschale und Umsatzsteuer, zusammen € 99,96, geltend, für Beratung bzw. Tätigkeit hinsichtlich des „Kindergeldes“ und des Komplexes „Hausrat“ jeweils zusätzlich eine Einigungsgebühr nach VV-RVG Nr. 2508, damit für diese beiden Bereiche (mit Pauschale und Umsatzsteuer) jeweils einen Betrag von € 255,85 €.

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle veranlasste hierauf die Bezahlung der Gebühr lediglich für den „Unterhalt“, wies die Festsetzungsanträge im Übrigen dagegen zurück: Es liege nur eine gebührenrechtliche Angelegenheit vor, nämlich die Regelung von „Trennungsfolgen“.

Die dagegen erhobene Erinnerung der Beschwerdeführerin mit dem Ziel einer Vergütung auch für ihre Tätigkeit in Bezug auf „Hausrat“ und „Kindergeld“ wies das Amtsgericht Rosenheim durch Beschluss vom 09.10.2013 mit der Begründung zurück, es sei nur ein Berechtigungsschein erteilt worden, nämlich für Scheidung nebst Scheidungsfolgesachen, so dass auch nur eine „Angelegenheit“ vorliege und somit nur einmal abgerechnet werden könne.

Auf die dagegen gerichtete Beschwerde vom 18.10.2013, in der u. a. auf die neuere umfangreiche Rechtsprechung verschiedener Oberlandesgerichte hingewiesen und ferner vorgetragen wird, die Angelegenheiten „Hausrat“ und „Kindergeld“ seien einvernehmlich geregelt worden, nahm der zuständige Bezirksrevisor Stellung. Er verwies darin insbesondere auf den Senatsbeschluss vom 26.09.2011 - 11 W 1719/11, = AGS 12, 25, aus dem sich ergebe, dass vorliegend nur eine Angelegenheit abgerechnet werden könne. Es könnten nicht sämtliche verschiedenen Trennungsfolgen im Bereich der Beratungshilfe als jeweils eigene Angelegenheit betrachtet und vergütet werden, schon wegen des sachlichen und zeitlichen Zusammenhanges der Beratung. Für die Annahme einer Einigungsgebühr im Sinne von VV-RVG Nr. 2508 sei hier kein Raum, vielmehr liege lediglich ein sofortiges Anerkenntnis vor.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 23.09.2014 bestätigte das Landgericht Traunstein die Auffassung des Amtsgerichts und des Bezirksrevisors und wies die Beschwerde zurück. Die vorliegende Beratung im Bereich „Trennung“ habe insgesamt „nur“ eine Angelegenheit umfasst, nämlich die finanziellen Auswirkungen der Trennung; auf die ausführliche Sachverhaltsdarstellung und die weitere Begründung des Beschlusses wird Bezug genommen.

Gleichzeitig ließ das Landgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage die weitere Beschwerde zu.

II.

Die vom Landgericht ausdrücklich zugelassene weitere Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig im Sinne von §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 6 Satz 1 RVG.

Sie führt zur Zurückverweisung an das Amtsgericht, weil weiterer Vortrag bzw. eine entsprechende Glaubhaftmachung, insbesondere zur Entstehung der beanspruchten Einigungsgebühren, erforderlich ist (§§ 44, 55 Abs. 5 Satz 1 RVG, 104 Abs. 2, 294 ZPO).

Dabei ist davon auszugehen, dass sich der Senat uneingeschränkt der jüngsten Rechtsprechung zahlreicher Oberlandesgerichte zur Frage der Auslegung des Begriffes „Angelegenheit“ im Rahmen von Scheidung/Trennung anschließt:

1. In Angelegenheiten nach dem Beratungshilfegesetz erhält der Rechtsanwalt eine Vergütung in Form von Festgebühren nach § 44 RVG i. V. m. VV-RVG Nrn. 2500-2508.

a) Nachdem § 15 Abs. 2 RVG die Vergütung pro Angelegenheit nur einmal zulässt, ist der Begriff der „Angelegenheit“ im Sinne von §§ 2 Abs. 2, 6 Abs. 1 BerHG zu bestimmen. Das Gesetz enthält insoweit keine Definition (näher hierzu etwa Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, RVG, 21. Aufl., § 16 Rn. 42 ff; Mayer, a. a. O., § 15 Rn. 39, § 44 Rn. 7 und VV Nr. 2500 Rn. 27).

b) Mehrere Oberlandesgerichte haben in jüngster Zeit den Begriff der „Angelegenheit“ für den Bereich einer außergerichtlichen Beratung hinsichtlich der Folgen von Trennung oder Scheidung gebührenrechtlich dahin bestimmt, dass grundsätzlich von vier typisierten Komplexen ausgehen ist; jeder kann für sich eine „Angelegenheit“ darstellen. Es sind dies

die Scheidung als solche,

Angelegenheiten betreffend das persönliche Verhältnis zu den Kindern (Personensorge, Umgang),

Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Aufteilung von Ehewohnung und Hausrat sowie

die finanziellen Auswirkungen von Trennung und Scheidung generell (Unterhaltsansprüche, Güterrecht und Vermögensauseinandersetzung).

Erfolgte Beratungstätigkeiten sind diesen vier Bereichen zuzuordnen, so dass maximal vier Angelegenheiten vorliegen können (siehe etwa Beschlüsse des OLG Frankfurt vom 12.05.2014 - 20 W 237/13, = NJW-RR 14, 1351; OLG Schleswig v. 25.04.2013 - 9 W 41/13, = FamRZ 14, 241; OLG Stuttgart v. 17.10.2012 - 8 W 379/11, = FamRZ 13, 726; OLG Celle v. 14.07.2011 - 2 W 141/11, = AGS 11, 504 sowie OLG Nürnberg v. 29.03.2011 - 11 WF 1590/10, = FamRZ 11, 1687).

2. Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung im Sinne der Schaffung klarer und praktikabler Verhältnisse ohne Einschränkung an:

a) Die Aufteilung erscheint praxisgerecht und für den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle (§ 55 Abs. 1 Satz 1 RVG) ohne unzumutbaren Aufwand handhabbar. Sie ist auch für die betroffenen Rechtsanwälte transparent und verhindert, dass eine umfangreiche Beratungstätigkeit nur als lediglich eine Angelegenheit abgerechnet werden kann. Der Senat ist insoweit zwar nicht der Auffassung, dass das Grundgesetz eine maßgebliche Vorgabe enthält, wonach die Annahme von nur einer „Angelegenheit“ hier verfassungswidrig ist und damit die Grenze zwischen Verfassungsmäßigkeit und Verfassungswidrigkeit bei einer weiteren Festgebühr von knapp 100,- € liegt; im Interesse der Sache sollten die beratenden Anwälte jedoch nicht mit unzumutbaren Einschränkungen bei der Festsetzung belastet werden (vgl. etwa BVerfG, Beschl. v. 31.10.2001 - 1 BvR 1720/01, = AGS 02, 273 - dort offen gelassen).

b) Eine „generalisierende“ Betrachtungsweise in diesem Sinne jedenfalls erscheint praktikabel, insbesondere werden sich die Beratungstätigkeiten ohne unverhältnismäßigen Aufwand einem der genannten Komplexe zuordnen lassen.

Die Bestimmung der beratungsrechtlichen Angelegenheit im genannten Sinne mag sich dabei nicht auf gesetzgeberische Vorgaben stützen lassen; andererseits erscheint der von nunmehr zahlreichen Oberlandesgerichten beschrittene Lösungsweg überzeugend und erlaubt von der Höhe her angemessene, aber auch nicht überzogene, Gebühren (so jetzt auch Müller-Rabe, a. a. O., § 16 Rn. 44).

Von der formalen Frage, ob ein oder mehrere Beratungsscheine erteilt wurden, hängt das Vorliegen einer „Angelegenheit“ demgegenüber nicht ab.

Soweit dem bereits genannten Senatsbeschluss vom 26.09.2011 anderes entnommen werden könnte, wird daran nicht festgehalten; dies gilt namentlich für die Heranziehbarkeit von § 16 Nr. 4 RVG, der für die vorliegende Fragestellung der Beratungshilfe unbehelflich ist.

3. Nach diesen Kriterien dürften im vorliegenden Fall zwei Angelegenheiten vorliegen und abrechenbar sein, nämlich einmal der Komplex „Ehewohnung und Hausrat“, zum Anderen der Bereich „finanzielle Auswirkungen von Trennung und Scheidung“; zu letzterem gehört sicher der „Unterhalt“ - höchstwahrscheinlich auch die Tätigkeit in Bezug auf das „Kindergeld“.

Zu diesem allerdings erscheint das diesbezügliche Vorbringen der Beschwerdeführerin noch unklar und ergänzungsbedürftig. Soweit es um den finanziellen Aspekt geht, dürfte es von dem Komplex „persönliches Verhältnis zu den Kindern/Personensorge“ zu trennen sein. Die Auffassung der Beschwerdeführerin, die Angelegenheit „Kindergeld“ sei lediglich ein „Ausläufer“ der „elterlichen Sorge“, ist ohne weitere Erläuterung jedenfalls fragwürdig (siehe hierzu die weitere Beschwerde vom 14.10.2014, Seite 2 oben bzw. 3 - in dieser Hinsicht besteht noch Klärungsbedarf).

4. Eine Zurückverweisung ist - von der eben behandelten Frage des „Kindergeldes“ abgesehen - insbesondere wegen der zweimal geltend gemachten Einigungsgebühr nach VV-RVG Nr. 2508 erfolgt: Das diesbezügliche Vorbringen der Beschwerdeführerin, beispielsweise zum genaueren Inhalt des Telefonates (siehe Seite 2 unten der Beschwerdeschrift), ist ungenau; entsprechende Glaubhaftmachung (§ 55 Abs. 5 Satz 1 RVG, 104 Abs. 2 ZPO) fehlt. Ein Schreiben des gegnerischen Anwaltes vom 13.09.2012 liegt nicht vor, ebenso wenig etwa eine diesbezügliche Bestätigung seinerseits. Der Beschwerdeführerein erhält Gelegenheit, ihren Vortrag zu diesen Punkt zu präzisieren.

5. Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet, § 56 Abs. 2 Satz 2, 3 RVG.

Tenor

1. Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten Nr. 2 wird unter Abänderung der Beschlüsse der 19. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 29.11.2011 (19 T 245/11) und des Amtsgerichts Kirchheim/Teck vom 18.07.2011 (4 AR 123/11) die Vergütungsfestsetzung der Urkundsbeamtin des Amtsgerichts Kirchheim/Teck - Beratungshilfe - vom 07.06.2011 (BHG 76/11) in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 17.08.2011 dahingehend abgeändert, dass

die dem Beteiligten Nr. 2 aus der Landeskasse zu zahlende Beratungshilfevergütung auf insgesamt 142,80 EUR festgesetzt wird.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

 
I.
Die Beteiligte Nr. 1 erhielt am 17.03.2011 vom Amtsgericht Kirchheim Teck einen Beratungsschein für rechtliche Beratung in den Angelegenheiten „Trennung, Scheidung und Folgesachen“. Nach anwaltlicher Beratung durch den Beteiligten Nr. 2 beantragte dieser beim Amtsgericht die Festsetzung von Beratungshilfegebühren in Höhe von insgesamt 142,80 EUR und zwar jeweils in Höhe von 30,00 EUR zzgl. 5,70 EUR MWSt für die Beratung über Trennung, Trennungsfolgen, Scheidung, Scheidungsfolgen.
Die Urkundsbeamtin setzte mit Beschluss vom 07.06.2011 die Vergütung auf insgesamt 71,40 EUR fest und begründete dies damit, dass der Beteiligte Nr. 2 lediglich in zwei verschiedenen Angelegenheiten - Trennung und Trennungsfolgen sowie Scheidung und Scheidungsfolgen - beratend tätig gewesen sei.
Dagegen wandte sich der Beteiligte Nr. 2 mit der Erinnerung, die der zuständige Richter des Amtsgerichts unter Zulassung der Beschwerde zurückgewiesen hat.
In seiner dagegen eingelegten Beschwerde wies der Beteiligte Nr. 2 darauf hin, dass sich seine Erstberatung umfassend auch auf die Komplexe Scheidung, elterliche Sorge/Umgang mit den Kindern, Ehewohnung und Hausrat sowie finanzielle Auswirkung vom Trennung und Scheidung erstreckt habe. Die Bezirksrevisorin ist der Beschwerde entgegen getreten.
Die Beschwerdekammer hat die Beschwerde unter Hinweis auf die bisherige Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 04.10.2006 - 8 W 360/06, FamRZ 2007, 574; Die Justiz 2007, 187) zurückgewiesen, wonach für die Beratungshilfe in einer Familiensache Regelungen für die Zeit der Trennung einerseits und die Scheidung mit den Folgesachen im Sinne des § 16 Nr. 4 RVG andererseits jeweils eine Angelegenheit darstellten, und wegen grundsätzlicher Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage die weitere Beschwerde zugelassen.
Der weiteren Beschwerde des Beteiligten Nr. 2 hat das Beschwerdegericht nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht Stuttgart zur Entscheidung vorgelegt.
II.
1.
Die weitere Beschwerde ist statthaft, frist- und formgerecht eingelegt und damit zulässig (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 6, Abs. 3 S. 2 und 3 RVG). Aufgrund der Zulassung der weiteren Beschwerde durch das Beschwerdegericht kommt es auf einen bestimmten Wert des Beschwerdegegenstandes nicht an. Die Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 33 Abs. 6 S. 2 in Verbindung mit §§ 546, 547 ZPO).
2.
In der Sache ist die Beschwerde begründet. Dem Beteiligten Nr. 2 steht eine Vergütung in Höhe von insgesamt 142,80 EUR zu, weil er in insgesamt vier Angelegenheiten tätig geworden ist.
Das Beratungshilfegesetz sieht Beratung in „Angelegenheiten“ vor (§§ 2 Abs. 2, 6 BerHG). Gemäß § 44 RVG erhält der Rechtsanwalt für die Tätigkeit im Rahmen der Beratungshilfe außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens eine Vergütung nach § 2 Abs. 2 RVG i.V.m. Nrn 2500 bis 2508 VV RVG. Da es sich bei der Beratungshilfe-Vergütung um Festgebühren handelt und das Korrektiv des Gegenstandswerts fehlt, kommt dem Begriff der „Angelegenheit“ besondere Bedeutung zu. Eine nähere Bestimmung dieses Begriffs findet sich im Beratungshilfegesetz nicht, wohl aber in den §§ 15 ff. RVG (vgl. dazu Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 6. Aufl., Rn. 1012). Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 31.10 2001 (AGS 2002, 273) ausgeführt, dass der Begriff der Angelegenheit wegen der ohnehin niedrigen Gebühren des Rechtsanwalts nicht zu weit gefasst werden dürfe, es komme aber auf den konkreten Einzelfall an. Um eine Angelegenheit bejahen zu können, müssen als Kriterien vorliegen: gleichzeitiger Auftrag, gleichartiges Verfahren, innerer Zusammenhang der Beratungsgegenstände bei zeitlichem und sachlichem Zusammenhang der Bearbeitung (Büttner u.a., a.a.O).
10 
Wurde - wie auch vorliegend - Beratungshilfe für die Angelegenheiten „Trennung, Scheidung und Folgesachen“ gewährt, ist der Senat (a.a.O.) vom Vorliegen von zwei Angelegenheiten ausgegangen, weil der Rechtsgedanke des § 16 Nr. 4 RVG - Scheidung und Folgesachen als dieselbe Angelegenheit im Verbundverfahren - auf die Beratungshilfe-Vergütung übertragbar sei und Rechtskraft der Scheidung eine Zäsur zu Regelungen für die Zeit der Trennung bilde (so auch OLG München AGS 2012, 25).
11 
Dem sind die Mehrzahl der Oberlandesgerichte (ablehnend u.a.: OLG Düsseldorf FamRZ 2009, 1244; OLG Köln FamRZ 2009, 1345; OLG Hamm FamRZ 2011, 377; OLG Dresden FamRZ 2011, 1684; OLG Nürnberg NJW 2011, 3108; OLG Celle NJW 2011, 3109; zustimmend lediglich OLG Brandenburg FamRZ 2010, 833; OLG München AGS 2012, 25) und namhafte Stimmen in der Literatur (Büttner u.a. a.a.O. Rn. 1022; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 20. Aufl., § 16 Rn. 28; AnwK-RVG/N.Schneider, 5. Aufl., vor VV 2501 ff. Rn. 31) nicht gefolgt. Eingewandt wird insbesondere, § 16 Nr. 4 RVG könne weder direkt noch analog angewandt werden. Die Vorschrift betreffe nur das gerichtliche Verfahren und setze die Anhängigkeit einer Ehesache voraus, nicht jedoch die vorgelagerte außergerichtliche Beratung, bei welcher bereits begrifflich eine Verbundsache nicht vorliegen könne. Auch eine entsprechende Anwendung komme wegen der unterschiedlichen Sachlage nicht in Betracht. Als Ausgleich für die Zusammenfassung von Ehesache und Folgesachen zu einer Angelegenheit folge aus §§ 22 Abs. 1, 23 Abs. 1 S. 3 RVG, dass die Werte der verschiedenen Gegenstände zu addieren seien. Eine vergleichbares Korrektiv gebe es für den Bereich der Beratungshilfe nicht.
12 
Der Senat vermag sich diesen Einwänden nicht zu verschließen und hält an seiner bisher geäußerten Rechtsauffassung (a.a.O.) nicht fest.
13 
Zu weit geht aus Sicht des Senat jedoch die Auffassung, wonach die Beratung zu jedem Gegenstand, zu dem Beratungsbedarf im Zusammenhang mit einer Trennung oder Scheidung anfällt, eine gesonderte Gebühr auslöst (so OLG Düsseldorf FamRZ 2009, 1244). Dadurch findet der zeitliche und sachliche Zusammenhang, der regelmäßig zwischen einzelnen Beratungsgegenständen bei Trennung und Scheidung besteht, nicht ausreichend Berücksichtigung (Büttner u.a., a.a.O. Rn. 1022; OLG Nürnberg NJW 2011, 3108).
14 
Mit dem OLG Nürnberg (a.a.O) und dem OLG Celle (NJW 2011, 3109) ist auch aus Sicht des Senats sachgerecht, unter Berücksichtigung des inneren Zusammenhangs der unterschiedlichen Lebenssachverhalte insgesamt von bis zu vier Komplexen (Angelegenheiten) auszugehen, (so auch Gerold/Schmidt/Müller-Rabe a.a.O. § 16 Rn. 28; AG Pforzheim FamRZ 2012, 1415):
15 
- die Scheidung als solche,
- das persönliche Verhältnis zu den Kindern (Personensorge, Umgangsrecht),
- Fragen im Zusammenhang mit Ehewohnung und Hausrat,
- finanzielle Auswirkungen von Trennung und Scheidung (Unterhaltsansprüche, Güterrecht, Vermögensauseinandersetzung).
16 
Wenn es gleichzeitig um Fragen der Trennung und Scheidung geht, verdoppeln sich die Angelegenheiten dadurch nicht.
17 
Diese Handhabung berücksichtigt in generalisierender Weise die vom Bundesverfassungsgericht (a.a.O.) aufgestellten Grundsätze und bleibt dennoch für die amtsgerichtliche Praxis noch einfach anzuwenden (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe a.a.O).
18 
Dies zugrundegelegt hat sich die Beratung des Beteiligten Nr. 2 ausweislich der Angaben im Beratungshilfeschein und seines erläuternden Vorbringens auf die vier genannten Angelegenheiten erstreckt.
19 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 56 Abs. 2 S. 2 und 3 RVG

(1) Über Erinnerungen des Rechtsanwalts und der Staatskasse gegen die Festsetzung nach § 55 entscheidet das Gericht des Rechtszugs, bei dem die Festsetzung erfolgt ist, durch Beschluss. Im Fall des § 55 Absatz 3 entscheidet die Strafkammer des Landgerichts. Im Fall der Beratungshilfe entscheidet das nach § 4 Absatz 1 des Beratungshilfegesetzes zuständige Gericht.

(2) Im Verfahren über die Erinnerung gilt § 33 Absatz 4 Satz 1, Absatz 7 und 8 und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Entscheidung über die Erinnerung § 33 Absatz 3 bis 8 entsprechend. Das Verfahren über die Erinnerung und über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.