Oberlandesgericht München Urteil, 28. Juni 2018 - 29 U 2644/17 Kart

bei uns veröffentlicht am28.06.2018

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Teilend- und Grundurteil des Landgerichts München I vom 28. Juni 2017, berichtigt durch Beschluss vom 5. September 2017, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Der Klageantrag auf Schadensersatz ist dem Grunde nach gerechtfertigt bezogen auf die sechs klägerischen Beschaffungsvorgänge, für die die Klägerin der Beklagten am 19. März 2002, am 28. Januar 2003, am 11. Juni 2003, am 4. Oktober 2005, am 23. Januar 2007 und am 25. Februar 2011 den Zuschlag erteilt hat.

2. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

II. Der Rechtsstreit wird hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs, für den die Klägerin der Beklagten am 25. Februar 2011 den Zuschlag erteilt hat, zur Entscheidung über den Streit über den Betrag des Schadensersatzanspruchs unter Aufhebung des Verfahrens an das Landgericht München I zurückverwiesen.

III. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

IV. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Nebenintervention zu tragen. Diese haben die Nebenintervenientinnen jeweils selbst zu tragen.

V. Dieses Urteil ist im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des jeweils vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

A.

Die Klägerin macht kartellrechtliche Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte wegen deren Beteiligung an wettbewerbsbeschränkenden Absprachen geltend.

Die Klägerin ist das kommunale Versorgungs- und Dienstleistungsunternehmen der Stadt München. Sie benötigt zur Erfüllung ihrer Aufgaben Gleisoberbaumaterialien, unter anderem Schienen, Weichen und Schwellen. Im Zeitraum Januar 2001 bis Mai 2011 beschaffte sie Gleisoberbaumaterialien zu einem Gesamtbestellvolumen von 44.824.309,31 €.

Die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin, die V. L. GmbH & Co. KG, die bis zum Jahr 2003 als W. L. GmbH & Co. KG firmierte (im Folgenden jeweils: die Beklagte), stellt Weichen her und liefert Gleisoberbaumaterialien unter anderem an kommunale Nahverkehrsunternehmen.

Von 2001 bis Mai 2011 beteiligten sich Hersteller und Händler von Schienen, Weichen und Schwellen auf dem Privatmarkt in Deutschland an wettbewerbsbeschränkenden Preis-, Quoten- und Kundenschutzabsprachen. Die Absprachen betrafen den Vertrieb von Schienen, Weichen und Schwellen insbesondere an Nahverkehrsunternehmen. Dabei ging es um die Aufteilung von Ausschreibungen bzw. Projekten unter den Kartellbeteiligten. Beteiligt an den Absprachen waren zahlreiche Unternehmen, wobei nicht alle Beteiligten auch alle betroffenen Produkte anboten und/oder bundesweit tätig waren. Diese Absprachen, die sich mit der Zeit hinsichtlich Struktur und Teilnehmer mit den Marktgegebenheiten veränderten, erfolgten regional in unterschiedlicher Intensität, aber immer mit dem selben Grundverständnis sowie mit vergleichbarem Ablauf und ähnlicher Umsetzung.

Mit Bescheiden vom 18. Juli 2013 verhängte das Bundeskartellamt Bußgelder gegen acht Hersteller und Lieferanten, unter anderem gegen die Nebenintervenientin zu 3) (vgl. Anlage B 9), die Nebenintervenientinnen zu 2) und 4) und die F. GmbH. Von der v. K. GmbH war das Kartell durch einen Kronzeugenantrag aufgedeckt worden. Mit den Nebenintervenientinnen zu 2), 3) und 4) und der F. GmbH kam es zu einvernehmlichen Verfahrensbeendigungen der Kartellordnungswidrigkeitenverfahren, in deren Rahmen diese geständige Einlassungen abgaben.

Das Bundeskartellamt stellte in einem gegen drei andere Kartellbeteiligte als die Beklagte erlassenen und bestandskräftigen Bußgeldbescheid vom 18. Juli 2013 insbesondere folgende Funktionsweise der Absprache fest (vgl. Anlage K 35, S. 16 ff.):

Die Absprachepraxis im Privatmarkt basierte maßgeblich darauf, dass den einzelnen Unternehmen bestimmte „Altkunden“ bzw. Stammkunden zugeordnet waren. Diese Zuordnung der Kunden zu bestimmten Unternehmen wurde von den Kartellteilnehmern grundsätzlich respektiert. Sie „schützten“ diese Unternehmen, indem sie bewusst auf die Abgabe von Angeboten verzichteten, diese erst nach Ablauf der Angebotsabgabefrist einreichten oder gezielt überteuerte Angebote abgaben, so dass der Auftrag an das „vorbestimmte“ Unternehmen gehen konnte. Umgesetzt wurden die Absprachen vorwiegend über telefonische Kontakte und persönliche Treffen sowie E-Mails. Dabei war aufgrund der über Jahre praktizierten Absprachen und gewachsenen Kundenbeziehungen und -vorlieben allen Beteiligten von vornherein klar, wer den ausgeschriebenen Auftrag bekommt (dieser wurde auch „Spielführer“ bzw. „Führender“ genannt). Insoweit wurde im Rahmen des ersten Kontakts bestätigt, welches Unternehmen im konkreten Fall den Auftrag ausführen sollte, also das „führende“ Unternehmen sein sollte, und wie die anderen Unternehmen an dem Projekt partizipieren sollten.

Dem führenden Unternehmen kam bei der Umsetzung der Absprachen insgesamt eine organisatorische und koordinierende Funktion zu. Ihm oblag es, den anderen teilnehmenden Unternehmen entweder die Preise zu nennen, die diese in ihrem Angebot an den Kunden kommunizieren sollten (sog. „Schutzangebote“, welche über den Preisen des führenden Unternehmens und dessen Angebot gegenüber dem Kunden lagen) oder aber den sogenannten „Null-Preis“ (häufig mit Sicherheitspuffer für Nachverhandlungen mit dem Kunden), zu dem das führende Unternehmen den Auftrag buchen wollte und auf den die übrigen Kartellteilnehmer einen Aufschlag vornehmen sollten.

Als Ausgleich für die Abgabe der Schutzangebote wurden die Unternehmen zumeist durch Unteraufträge beteiligt. Teilweise wurde auch vereinbart, dass die Unternehmen, die nicht durch Unteraufträge beteiligt wurden, bei den nächsten gleichwertigen Ausschreibungen den Vortritt bekommen. In anderen Fällen erhielten Unternehmen als Gegenleistung für die Abgabe eines abgesprochenen erhöhten Angebots auch einen Planungsauftrag oder einen Auftrag für ein Gutachten, die zumindest in Einzelfällen nicht erstellt, aber abgerechnet wurden (sog. Kompensationsgeschäfte).

Insofern betrafen die Absprachen einzelne projektbezogene Ausschreibungen. Dabei erfolgte der Ausgleich zwischen den an der Absprache beteiligten Unternehmen aber nicht nur projektbezogen im Wege einer Unterbeauftragung für einzelne Leistungsbestandteile bzw. Lose. Vielmehr basierte das System auf einem projektübergreifenden „Verständnis und Vertrauensverhältnis“ der einzelnen Unternehmen untereinander. Als Gegenleistung für die Abgabe eines Schutzangebotes in einem konkreten Projekt konnte der „Schützende“ grundsätzlich davon ausgehen, dass er seinerseits bei einem anderen Projekt von den Mitkartellanten geschützt wurde.

Mit dem System der Stammkunden verknüpft war häufig auch die kundenseitig gewünschte spezifische Ausrichtung von Ausschreibungen. So waren die einzelnen Unternehmen bei Ausschreibungen ihrer jeweiligen Stammkunden häufig an der Erstellung der Leistungsverzeichnisse beteiligt und konnten auf diese Weise technisch und planerisch auf die Erstellung der Ausschreibungsunterlagen und Produktanforderungen Einfluss nehmen. Durch die Kombination des Stammkundensystems mit spezifisch auf bestimmte Unternehmen zugeschnittenen Produkten in Leistungsverzeichnissen war den einzelnen Kartellteilnehmern bereits vor einer Ausschreibung klar, auf wen das jeweilige Projekt bei einzelnen Kunden zulaufen musste. Die Kunden baten für die technische Vorbereitung von Projektausschreibungen z.B. um Textbausteine und Zeichnungen für die Ausschreibungen. Im Rahmen dieser Unterstützung wurde die Ausschreibung auf die Technik des präferierten Herstellers zugeschnitten. Dies wurde z.B. dadurch realisiert, dass nur der von diesem Hersteller produzierte Weichentyp ausgeschrieben wurde, ohne den vergaberechtlich erforderlichen Zusatz „oder vergleichbar“ hinzuzufügen. Insofern war für die ausschreibende Stelle häufig die Technik der bestimmende Faktor und nicht der Preis (vgl. Anlage K 35, S. 18, Fußnote 6).

Der Ablauf der Absprache war insgesamt als Spielregel so etabliert, dass es häufig keiner ausdrücklichen Einzelfallabsprache zwischen den beteiligten Unternehmen bei dem jeweiligen Projekt mehr bedurfte.

Nach den weiteren Feststellungen des Bundeskartellamtes im Bußgeldbescheid vom 18. Juli 2013 gab es insbesondere folgende Besondere Entwicklungen im Bereich Weichen (vgl. Anlage K 35, S. 19 ff.):

Zumindest von 2001 bis 2008 dienten die Sitzungen des sog. Arbeitskreises Marketing innerhalb des Fachverbandes Weichenbau bzw. innerhalb des Verbandes der Bahnindustrie e.V. (VDB) den Kartellunternehmen als Plattform für ihre regelmäßigen Projektabsprachen bei Weichen. Diese Sitzungen fanden fünf bis acht Mal pro Jahr statt. Bis 2006 kamen die Vertreter der deutschen Weichenhersteller - unter anderem die Nebenintervenientinnen zu 2), 3) und 4) sowie die Beklagte - im Fachverband Weichenbau zusammen.

Neben der klassischen Verbandstätigkeit diente der Arbeitskreis Marketing in erster Linie der Aufteilung von Projekten. Dies soll vor 2001 noch auf der Grundlage von Quoten geschehen sein. Mit der Zeit kamen die beteiligten Unternehmen überein, sich bei der Aufteilung der Projekte an Stammkunden zu orientieren bzw. Projekte jeweils dem Unternehmen zuzuteilen, das diesen Kunden zuvor beliefert hatte. Um das Entdeckungsrisiko dieser Strategie zu verringern, wurde gelegentlich von diesem Vorgehen abgewichen, indem einem Kartellunternehmen ein Projekt eines Kunden zugeteilt wurde, bei dem es nicht Stammlieferant war. Der Stammlieferant erhielt als Ausgleich einen Unterauftrag.

Hinsichtlich der Zuteilung von Neukunden galt: Wer zuerst von einem anstehenden Projekt erfahren hatte, konnte es in der Regel „buchen“, d.h. dieses Projekt für sich beanspruchen.

Zudem bestand zwischen den Weichenherstellern eine Kundenschutzregelung. Diese bewirkte, dass die Weichenhersteller weitgehend respektierten, wenn z.B. aufgrund der räumlichen Nähe eine besonders enge Beziehung eines Weichenherstellers zu einem bestimmten Kunden bestand.

Im Fachverband Weichenbau kam es auch immer wieder zu Diskussionen über Preiserhöhungen. Dies geschah insbesondere im Zusammenhang mit der Erhöhung der Vormaterialpreise. Die Kartellunternehmen verständigten sich mehrfach darauf, die Preiserhöhung entsprechend weiterzugeben. Es kam aber nicht zur Nennung konkreter Preise für einzelne Weichen. Dies war auch nicht notwendig, da die Kartellanten den Überblick über die jeweils verwendeten Angebotspreise hatten. Dies lag daran, dass das Unternehmen, das eine Ausschreibung absprachegemäß gewinnen sollte, den übrigen Mitbietenden Preise mitteilte, die diese bei den Ausschreibungen einsetzen sollten (Schutzangebote).

Zumindest im Zeitraum zwischen 2001 bis 2006 dienten die Sitzungen des Arbeitskreises Marketing im Fachverband Weichenbau der Aufteilung von aktuellen Projektausschreibungen. Mit den offiziellen Sitzungen des Arbeitskreises Marketing wollten sich die Vertreter der einzelnen Weichenhersteller nach außen hin einen institutionalisierten Rahmen für ihre Zusammenkünfte geben. Hauptzweck der Sitzungen war aber nicht das, was in die Protokolle zum Schein aufgenommen wurde, sondern die Besprechung der Projektaufteilung. Die Protokolle wurden bewusst so verfasst, dass sie den Anschein erweckten, als kämen die Weichenhersteller im Fachverband Weichenbau zusammen, um Verbandsarbeit zu leisten und kartellrechtlich zulässige Themen zu besprechen. Dies geschah vor dem Hintergrund der Sorge, dass die Kartellabsprache aufgedeckt wird.

Nach Auflösung des Fachverbandes Weichenbau im Jahr 2006 und der Überführung unter das Institutionelle Dach des VDB existierte dort ein Nachfolgegremium, das ebenfalls als Marketingausschuss, -arbeitskreis oder -arbeitsgruppe bezeichnet wurde. Auch dieses Gremium diente dazu, die Verteilung von aktuellen Projektausschreibungen abzusprechen. Umgesetzt wurde die Absprache nach wie vor durch den Bestandsschutz von Stammkunden, die exklusive Zuteilung von Neukunden und die Praktizierung der Kundenschutzregelung. Daneben fanden auch weiterhin Preisabsprachen statt.

Jedenfalls ab Anfang 2009, als der Marketingausschuss in der VDB-Fachgruppe Infrastruktur aufging, verlor der Marketingausschuss seine Bedeutung als Forum für die Absprachen der Weichenhersteller. Kontakte fanden nunmehr häufiger einzelfallbezogen und nicht mehr im Rahmen von Verbandstreffen statt. Dies war dadurch bedingt, dass sich die Stammkundenzuordnung und die damit einhergehende Vorgehensweise zwischen den Kartellanten in regional unterschiedlicher Ausprägung eingespielt hatten. Damit verbunden waren auch zunehmende E-Mail-Kontakte. Insgesamt war der Teilnehmerkreis über die Jahre weitgehend unverändert; die Umsetzung der Absprache erfolgte weiterhin über Schein- bzw. Schutzangebote sowie über die Beteiligung durch Unteraufträge als Gegenleistung.

Die Beklagte beteiligte sich an Absprachen im Bereich Weichen. Gegen sie erging am 10. März 2016 ebenfalls ein Bußgeldbescheid, der nicht bestandskräftig ist.

Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten Schadensersatz aus kartellbedingt überhöhten Preisen geltend. Streitgegenständlich waren im ersten Rechtszug sechs Beschaffungsvorgänge. Zwischen 2002 und 2011 erhielt die Beklagte von der Klägerin für vier reine Weichenprojekte sowie für zwei weichenlastige Projekte den Zuschlag; die Klägerin bezahlte für diese sechs Projekte an die Beklagte einen Gesamtbetrag in Höhe von 1.792.171,79 €. Im Einzelnen handelte es sich um folgende Beschaffungsvorgänge:

Am 19. März 2002 erteilte die Klägerin der Beklagten einen Auftrag zur Lieferung von zwei Federzungenvorrichtungen zu einem Gesamtpreis (netto) in Höhe von 33.846,40 €. Nach Lieferung stellte die Beklagte diesen Betrag am 31. Juli 2002 in Rechnung. Für dieses reine Weichenprojekt hatte die Klägerin am 26. Februar 2002 Preisanfragen an acht Unternehmen gerichtet. Neben der Beklagten hatten unter anderem die Nebenintervenientin zu 2), eine Rechtsvorgängerin der Nebenintervenientin zu 3), die SH. GmbH und weitere Kartellbeteiligte Angebote abgegeben. Die Beklagte erhielt mit dem günstigsten Angebot den Zuschlag (vgl. Anlagen K 8, K 23 S. 1).

Am 28. Januar 2003 erteilte die Klägerin der Beklagten den Auftrag zur Lieferung von fünf Federzungenvorrichtungen zu einem Gesamtpreis (netto) in Höhe von 90.723,60 €. Nach Lieferung stellte die Beklagte diesen Betrag am 7. Mai 2003 in Rechnung. Für dieses reine Weichenprojekt hatte die Klägerin am 15. Januar 2003 Preisanfragen an acht Unternehmen gerichtet. Neben der Beklagten hatten unter anderem die Nebenintervenientin zu 2), eine Rechtsvorgängerin der Nebenintervenientin zu 3), die SH. GmbH und weitere Kartellbeteiligte Angebote abgegeben. Die Beklagte erhielt mit dem günstigsten Angebot den Zuschlag (vgl. Anlagen K 7, K 24 S. 1).

Am 11. Juni 2003 erteilte die Klägerin der Beklagten einen Auftrag zur Lieferung einer Gleis- und Weichenanlage, M. Ring Ost, E.str. 128 zu einem Gesamtpreis (netto) in Höhe von 321.630,- €. Nach Lieferung stellte die Beklagte diesen Betrag mit Schreiben vom 22. September 2003 (260.000,- €) und 8. Oktober 2003 (61.630,- €) in Rechnung. Diesem reinen Weichenprojekt lag eine öffentliche Ausschreibung (offenes Verfahren) der Klägerin vom 3. April 2003 zugrunde. Auf die Ausschreibung hatten neben der Beklagten die Kartellbeteiligten SH. GmbH und v. K. GmbH sowie eine Kartellaußenseiterin Angebote abgegeben. Die Beklagte erhielt mit dem günstigsten Angebot den Zuschlag (vgl. Anlagen K 9, K 25 Teil 1).

Am 4. Oktober 2005 erteilte die Klägerin der Beklagten den Auftrag zur Lieferung einer Federzungenvorrichtung zu einem Gesamtpreis (netto) in Höhe von 21.707,50 €. Nach Lieferung stellte die Beklagte diesen Betrag am 9. Dezember 2005 in Rechnung. Für dieses reine Weichenprojekt hatte die Klägerin am 26. August 2005 Preisanfragen an insgesamt sechs Unternehmen gerichtet. Neben der Beklagten hatten die Nebenintervenientin zu 3) sowie die weiteren Kartellbeteiligten SH. GmbH, v. K. GmbH und H. GmbH & Co. KG Angebote abgegeben. Die Beklagte erhielt mit dem günstigsten Angebot den Zuschlag (vgl. Anlagen K 10, K 23 S. 2).

Am 23. Januar 2007 erteilte die Klägerin der Beklagten den Auftrag zur Lieferung von vier Rillenschienenweichen, vier Herzstücken in Monoblock-Sandwich-Bauweise und 40 mEgl gebogenes Rillengleis mit kopfvergüteter Schiene (im Folgenden: Beschaffungsvorgang R1.platz - Auftragserteilung für vier Rillenschienenweichen u. a.) zu einem Gesamtpreis (netto) in Höhe von 279.292,16 €. Nach Lieferung stellte die Beklagte diesen Betrag am 26. März 2007 in Rechnung. Für dieses weichenlastige Projekt (Weichenanteil: 97,76%) hatte die Klägerin am 8. Dezember 2006 Preisanfragen an acht Unternehmen gerichtet. Neben der Beklagten hatten die Nebenintervenientin zu 3) sowie die weiteren Kartellbeteiligten SH. GmbH und v. K. GmbH Angebote abgegeben. Die Beklagte erhielt mit dem günstigsten Angebot vom 21. Dezember 2006 den Zuschlag (vgl. Anlagen K 11, K 24 S. 2).

Am 25. Februar 2011 erteilte die Klägerin der Beklagten einen Auftrag zur Lieferung einer Monoblock-Zungenvorrichtung in Sandwich-Bauweise u. a. für das Gleisdreieck Nordbad zu einem Gesamtpreis (netto) in Höhe von 1.151.439,24 €. Nach Lieferung stellte die Beklagte mit Schreiben vom 29. April 2011, 3. Mai 2011 und 8. Juli 2011 einen Gesamtbetrag in Höhe von 1.057.768,10 € in Rechnung. Diesem weichenlastigen Projekt (Weichenanteil: 80,72%) lag eine öffentliche Ausschreibung zugrunde; die Klägerin hatte mit Bekanntmachung vom 11. Dezember 2010 im Amtsblatt der Europäischen Union im Zusammenhang mit im Jahr 2011 geplanten Gleisbaumaßnahmen einen sog. „Aufruf zum Wettbewerb“ veröffentlicht. Die Klägerin hatte am 1. Februar 2011 Angebotsunterlagen mit einer Leistungsbeschreibung (Leistungsverzeichnis Blankett) für das Projekt Gleisdreieck Nordbad an sechs Unternehmen übersandt. Auf die Ausschreibung hatten neben der Beklagten die Nebenintervenientin zu 3) sowie die weiteren Kartellbeteiligten v. K. GmbH und F. GmbH Angebote abgegeben. Die Beklagte erhielt mit dem günstigsten Angebot vom 15. Februar 2011 den Zuschlag (vgl. Anlagen K 12, K 25 Teil 2, BF 2).

Den Auftragserteilungen lagen jeweils die Allgemeinen Einkaufsbedingungen der Klägerin für Lieferungen und Leistungen (AEBL) bzw. die Zusätzlichen Vertragsbedingungen der Landeshauptstadt München zur Verdingungsordnung für Leistungen (ZV-VOL) zugrunde. Ziffer 10.1 AEBL und Ziffer 19 Abs. 3 ZV-VOL (Pauschalierter Schadensersatz bei Kartell- bzw. Submissionsabsprachen des Auftragnehmers) lauten (vgl. Anlage K 6):

Wird nach [Auftrags- bzw. Zuschlagserteilung] offenbar, dass das zugrundeliegende Angebot [nachweislich] durch Preisabsprache zustande kam oder dass der [Auftragnehmer bzw. Bieter] in anderer Weise den Wettbewerb eingeschränkt hatte, so hat der Auftragnehmer als Schadensersatz 5 v. H. der Auftragssumme an die [Klägerin bzw. Stadt] zu zahlen, es sei denn, dass eine andere Schadenshöhe nachgewiesen wird. Dies gilt auch, wenn der Vertrag gekündigt oder bereits erfüllt ist.

Die Klägerin machte erstinstanzlich von der Beklagten für die sechs Beschaffungsvorgänge Schadensersatz in Höhe von mindestens 454.038,43 € geltend. Zur Schadensberechnung holte sie ein Gutachten des I. e.V. ein (im Folgenden: I-Gutachten, vgl. Anlage K 33). Dabei wurden ausgehend von Daten der Klägerin und weiterer 49 Abnehmer die Preise für Oberbaumaterialien im Kartellzeitraum mit denen nach dem Kartell im Wege einer statistischen Regressionsanalyse verglichen. Auf der Grundlage dieses Gutachtens setzt die Klägerin zur Berechnung ihres Schadens für Rillen-Weichen 17%, für Weichen-Einzelteil Rille Herzstück 20,5%, für Weichen-Einzelteil Rille Zungenvorrichtung 36,8% sowie für Rillen-Schienen 30,3% der Angebotspreise der Beklagten als Kartellaufschlag an. Hilfsweise macht sie auf der Grundlage ihrer Allgemeinen Vertragsbedingungen einen pauschalierten Schadensersatz in Höhe von 89.635,90 € geltend.

Die Klägerin behauptet, sämtliche Beschaffungsvorgänge seien Gegenstand einer Absprache gewesen. Die Kartellabsprachen seien seitens der Beklagten insbesondere durch deren Prokuristen, den Zeugen B., koordiniert worden. Ihr sei durch kartellbedingte Preiserhöhungen jeweils ein Schaden entstanden; dabei stützt sich die Klägerin in erster Linie auf das I-Gutachten, nach dem statistisch signifikante Kartellaufschläge bestünden.

Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt,

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Schadensersatz in einer in das Ermessen des Gerichts gestellten Höhe, mindestens jedoch in Höhe von 454.038,43 € nebst Zinsen nach folgender Staffelung zu zahlen:

a) aus einem Betrag i.H.v. 12.455,48 € in Höhe von vier Prozent p.a. ab dem 31. Juli 2002,

b) aus einem Betrag i.H.v. 33.386,28 € in Höhe von vier Prozent p.a. ab dem 7. Mai 2003,

c) aus einem Betrag i.H.v. 54.677,10 € in Höhe von vier Prozent p.a. ab dem 8. Oktober 2003,

d) aus einem Betrag i.H.v. 7.988,36 € in Höhe von fünf Prozentpunkten p.a. über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 9. Dezember 2005,

e) aus einem Betrag i.H.v. 86.893,54 € in Höhe von fünf Prozentpunkten p.a. über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 26. März 2007,

f) aus einem Betrag i.H.v. 258.637,67 € in Höhe von fünf Prozentpunkten p.a. über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 8. Juli 2011.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen. Sie behauptet, dass bei den Beschaffungsvorgängen R1.platz - Auftragserteilung für vier Rillenschienenweichen u. a. vom 23. Januar 2007 - sowie Gleisdreieck Nordbad - Auftragserteilung für eine Monoblock-Zungenvorrichtung in Sandwich-Bauweise u. a. vom 25. Januar 2011 - der Wettbewerb ausgeschlossen gewesen sei, da sich die Klägerin von vornherein auf eine patentgeschützte Technologie der Beklagten festgelegt habe. Der Beschaffungsvorgang Gleisdreieck Nordbad sei zudem ein Vertriebserfolg ihres Mitarbeiters L. gewesen; weder dieser noch der Prokurist B. seien in den Jahren 2010 und 2011 an Absprachen mit anderen Kartellanten beteiligt gewesen.

Die Beklagte hat den Nebenintervenientinnen zu 1) bis 4) sowie den weiteren Kartellbeteiligten v. K. GmbH, v. S. GmbH, T. GmbH & Co. KG, H. GmbH & Co. KG, B. E. GmbH, K. GmbH, H. GmbH und F. GmbH den Streit verkündet. Die Nebenintervenientinnen zu 1) bis 4) sind dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten.

Mit Teilend- und Grundurteil vom 28. Juni 2017, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, hat das Landgericht den Klageantrag dem Grunde nach für gerechtfertigt angesehen, soweit die Schadensersatzansprüche auf den Auftragserteilungen vom 19. März 2002, 28. Januar 2003, 11. Juni 2003, 4. Oktober 2005 und 23. Januar 2007 beruhen, und die Klage hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs Gleisdreieck Nordbad - Auftragserteilung für eine Monoblock-Zungenvorrichtung in Sandwich-Bauweise u. a. vom 25. Februar 2011 - abgewiesen. Nach Beweisaufnahme hat das Landgericht festgestellt, dass die Beklagte hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs Gleisdreieck Nordbad nicht an einer Absprache mitgewirkt habe und insoweit eine Kartellbetroffenheit nicht bestehe.

Gegen die teilweise Klageabweisung wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus dem ersten Rechtszug und beantragt,

I. Das Teilend- und Grundurteil des Landgerichts München I vom 28. Juni 2017 (Az.: 37 O 3331/15) wird wie folgt abgeändert:

1. Der Klageantrag auf Schadensersatz ist dem Grunde nach gerechtfertigt bezogen auf die sechs klägerischen Beschaffungsvorgänge, für die die Klägerin der Beklagten am 19. März 2002, am 28. Januar 2003, am 11. Juni 2003, am 4. Oktober 2005, am 23. Januar 2007 und am 25. Februar 2011 (Beschaffungsvorgang „Gleisdreieck Nordbad“) den Zuschlag erteilt hat.

2. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

II.

Zur Durchführung des Betragsverfahrens wird die Sache an das Landgericht München I zurückverwiesen.

Die Beklagte verteidigt insoweit das angegriffene Urteil und beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Nebenintervenientinnen zu 1) und 2) wenden sich gegen das Teilend- und Grundurteil vom 28. Juni 2017, soweit das Landgericht den Klageantrag hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs Romanplatz - Auftragserteilung für vier Rillenschienenweichen u. a. vom 23. Januar 2007 -dem Grunde nach für gerechtfertigt angesehen hat. Sie beantragen,

das Teilend- und Grundurteil des Landgerichts München I vom 28. Juni 2017, Az.: 37 O 3331/15, abzuändern und wie folgt zu erkennen:

1. Der Klageantrag auf Schadensersatz ist dem Grunde nach gerechtfertigt bezogen auf die vier klägerischen Beschaffungsvorgänge, für die die Klägerin der Beklagten am 19. März 2002, am 28. Januar 2003, am 11. Juni 2003 und am 4. Oktober 2005 den Zuschlag erteilt hat.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14. Juni 2018 Bezug genommen.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Die Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet.

I.

Die von den Nebenintervenientinnen zu 1) und 2) geführte Berufung der Beklagten (vgl. BGH, Beschluss vom 23. August 2016 - VIII ZB 96/15 -, juris Tz. 15 m. w. N.) ist unbegründet. Zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass die Klage hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs R1.platz - Auftragserteilung für vier Rillenschienenweichen u. a. vom 23. Januar 2007 - dem Grunde nach gerechtfertigt ist.

1. Der Erlass des Grundurteils nach § 304 ZPO ist zulässig. Ist ein Anspruch nach Grund und Betrag streitig, so kann das Gericht gemäß § 304 Abs. 1 ZPO über den Grund vorab entscheiden. Ein Zwischenurteil über den Grund darf nur ergehen, soweit alle Fragen, die zum Grund des Anspruchs gehören, erledigt sind und es nach dem Sach- und Streitstand zumindest wahrscheinlich ist, dass der Anspruch in irgendeiner Höhe besteht (st. Rspr., vgl. BGH NJW 2017, 265 Tz. 21 m. w. N.).

Das ist im Streitfall hinsichtlich der einzelnen Beschaffungsvorgänge der Fall. Die Beklagte hat die geltend gemachten bezifferten Schadensersatzansprüche schon dem Grunde nach in Abrede gestellt, indem sie insbesondere die Kartellbetroffenheit der einzelnen Beschaffungsvorgänge und das Bestehen eines Schadens bestritten hat. Streitig ist aber auch die Höhe des Schadens; insofern ist der Rechtsstreit noch nicht entscheidungsreif, da die Höhe des Schadensersatzanspruches ohne Beweisaufnahme nicht bestimmt werden kann.

2. Die Klage ist auch hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs R1.platz - Auftragserteilung für vier Rillenschienenweichen u. a. vom 23. Januar 2007 - dem Grunde nach gerechtfertigt.

a) Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch ist § 33 Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 i. V. m. § 1 GWB in der Fassung vom 7. Juli 2005 (im Folgenden: GWB 2005). Für den Schadensersatzanspruch ist das in dem jeweiligen Belieferungszeitraum geltende Recht anwendbar (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juni 2018 - KZR 56/16 -, juris Tz. 33 - Grauzementkartell II).

b) Die Beklagte hat in der Duplik vom 25. April 2016 eingeräumt, an kartellrechtlich relevanten Verhaltensweisen (ausschließlich) im Bereich Weichen beteiligt gewesen zu sein (Seite 2 = Bl. 197 d. A.). Zudem hat sie in der mündlichen Verhandlung vom 11. Januar 2017 vor dem Landgericht die Feststellungen des Bundeskartellamtes in Ziffer 3. Besondere Entwicklungen im Bereich Weichen des Bußgeldbescheides vom 18. Juli 2013 (Anlage K 35 - S. 19 ff.) zugestanden (vgl. S. 3 d. Protokolls vom 11. Januar 2017 = Bl. 345 d. A.). Auch die grundsätzliche Funktionsweise der Kundenschutzabsprachen gemäß Ziffer 2.3 des Bußgeldbescheides hat sie nicht substantiiert bestritten. Im Übrigen hat der Prokurist der Beklagten, der Zeuge B., in seiner Zeugenvernehmung vor dem Landgericht angegeben, dass er - bis ins Jahr 2009 - bei früheren Projekten durchaus Absprachen mit Mitbewerbern getroffen habe (vgl. S. 17 d. Protokolls vom 10. Mai 2017 = Bl. 430 d. A.). Damit steht fest, dass die Beklagte in München zumindest bis ins Jahr 2009 an Kartellabsprachen im Bereich Weichen entsprechend den Feststellungen des Bundeskartellamtes in Ziffer 3. Besondere Entwicklungen im Bereich Weichen des Bußgeldbescheides vom 18. Juli 2013 mitgewirkt hat.

c) Die Beklagte hat vorsätzlich gehandelt.

d) Zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass der Beschaffungsvorgang R1.platz -Auftragserteilung für vier Rillenschienenweichen u. a. vom 23. Januar 2007 - kartellbefangen und die Klägerin somit vom Kartell betroffen ist.

Ob der Anspruchsteller durch den Kartellverstoß betroffen ist, ist nach § 286 ZPO festzustellen (vgl. BGH NJW 2016, 3527 Tz. 47 - Lottoblock II). Im Streitfall besteht ein Anscheinsbeweis dafür, dass die Auftragserteilung vom 23. Januar 2007 an die Beklagte nicht frei von Einflüssen des Kartells gewesen ist, die Klägerin hinsichtlich dieses Beschaffungsvorgangs also vom Kartell betroffen ist. Die Beklagte hat diesen Anscheinsbeweis nicht erschüttert.

aa) Die Darlegungs- und Beweislast für ihre konkrete Kartellbetroffenheit trägt die Klägerin. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind die Grundsätze über den Beweis des ersten Anscheins bei typischen Geschehensabläufen anwendbar, das heißt in Fällen, in denen ein bestimmter Sachverhalt feststeht, der nach der allgemeinen Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache oder auf einen bestimmten Ablauf als maßgeblich für den Eintritt eines bestimmten Erfolges hinweist. Dabei bedeutet Typizität nicht, dass die Ursächlichkeit einer Tatsache für den Erfolg bei allen Sachverhalten der Fallgruppe immer vorhanden sein muss; sie muss aber so häufig gegeben sein, dass die Wahrscheinlichkeit, einen solchen Fall vor sich zu haben, sehr groß ist (vgl. BGH NJW 2017, 1961 Tz. 19 Afierlife m. w. N.).

bb) Der Anschein der Kartellbetroffenheit ergibt sich hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs R1.platz dadurch, dass dieser sich in sachlicher, zeitlicher und räumlicher Hinsicht in die vom Bundeskartellamt für den Bereich Weichen festgestellte und von der Beklagten nicht bestrittene Kartellabsprache einfügt.

(1) In sachlicher Hinsicht fügt sich der Beschaffungsvorgang uneingeschränkt ein. Der Auftragserteilung für dieses weichenlastige Projekt (Weichenanteil: 97,76%) hat eine Preisanfrage der Klägerin an acht Unternehmen zugrunde gelegen. Neben der Beklagten haben die Nebenintervenientin zu 3) sowie die weiteren Kartellbeteiligten SH. GmbH - eine damalige 100%ige Tochterfirma der Nebenintervenientin zu 2), die Anfang 2011 mit dieser verschmolzen ist - und v. K. GmbH Angebote abgegeben. Die Beklagte hat mit dem günstigsten Angebot den Zuschlag erhalten (vgl. Anlagen K 11, K 24 S. 2).

Angebote haben somit ausschließlich Kartellanten abgegeben. Weichen waren auch Gegenstand des Kartells. In diesem Bereich sind Aufträge jedenfalls bis Ende 2008 vor allem im Rahmen der Sitzungen des Arbeitskreises Marketing innerhalb des Fachverbandes Weichenbau bzw. -nach dessen Auflösung im Jahr 2006 - innerhalb des VDB abgesprochen worden, woran unter anderem die Beklagte und die Nebenintervenientinnen zu 2) und 3) sowie die zum voestalpine-Konzern gehörende Nebenintervenientin zu 4) als Weichenhersteller beteiligt gewesen sind. Der Arbeitskreis Marketing hat dazu gedient, die Verteilung von aktuellen Projektausschreibungen abzusprechen. Umgesetzt sind die Absprachen insbesondere durch den Bestandsschutz von Stammkunden und die Praktizierung der Kundenschutzregelung worden. Daneben haben Preisabsprachen stattgefunden.

(2) Auch in zeitlicher Hinsicht fügt sich der Auftrag vom 23. Januar 2007 in die vom Bundeskartellamt festgestellte Dauer des Kartells von 2001 bis Mai 2011 ein.

(3) In räumlicher Hinsicht fügt sich der Beschaffungsvorgang schon deshalb ein, da nach den Feststellungen des Bundeskartellamtes bestimmte Unternehmen, unter anderem die Nebenintervenientin zu 3) und die v. K. GmbH, bundesweit in allen Regionen an den Kartellabsprachen beteiligt gewesen sind (vgl. Anlage B 9, S. 8). Die SH. GmbH und die Beklagte haben bereits bei den den Auftragserteilungen vom 19. März 2002 (Anlage K 23 S. 1), 28. Januar 2003 (Anlage K 24 S. 1), 11. Juni 2003 (Anlage K 25 Teil 1) und 4. Oktober 2005 (Anlage K 23 S. 2) zugrunde liegenden Preisanfragen bzw. Ausschreibungen der Klägerin Angebote abgegeben.

(4) Es besteht somit in sachlicher, zeitlicher und räumlicher Hinsicht ein Anscheinsbeweis dafür, dass die Beklagte, die zuvor bereits am 19. März 2002, 28. Januar 2003, 11. Juni 2003 und 4. Oktober 2005 den Zuschlag für vier reine Weichenprojekte der Klägerin erhalten hatte, beim streitgegenständlichen weichenlastigen Beschaffungsvorgang R1.platz als „Spielführer“ bzw. Stammlieferant der Klägerin im Bereich Weichen der Nebenintervenientin zu 3), der SH. GmbH und der v. K. GmbH ihren „Nullpreis“ bzw. Schutzpreise mitgeteilt hat und diese aufgrund einer getroffenen Absprache entsprechend höhere Schutz- bzw. Scheinangebote abgegeben haben.

cc) Die Beklagte hat den Anscheinsbeweis der Kartellbetroffenheit nicht erschüttert. Insbesondere vermag ihr Vorbringen, die Klägerin habe sich in ihrer Preisanfrage vom 8. Dezember 2006 von vornherein auf die Technologie der Beklagten festgelegt, so dass der Wettbewerb ausgeschlossen gewesen sei und die Beklagte als Anbieter ihrer patentgeschützten Technologie keinerlei Interesse daran gehabt habe, den Wettbewerb im Hinblick auf diese Beschaffung zu beschränken, den Beweis des ersten Anscheins nicht zu erschüttern.

(1) Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Klägerin einen freien und unbeschränkten - und damit von den Kartellteilnehmern beschränkbaren - Wettbewerb für den Beschaffungsvorgang R1.platz eröffnet hat. Die Klägerin hat sich nicht von vornherein auf die Beklagte als Auftragnehmerin festgelegt.

aaa) Unstreitig handelt es sich bei der von der Klägerin in der Angebotsaufforderung vom 8. Dezember 2006 ausgeschriebenen Lieferung von vier Rillenschienenweichen, vier Herzstücken in Monoblock-Sandwich Bauweise u. a. um eine Technologie, für die die Beklagte Schutz durch ihr deutsches Patent Nr. 101 24 624 genießt (vgl. Anlage B1).

bbb) Die Klägerin hat indes dargetan, dass die technische Spezifikation Monoblock-Sandwich-Bauweise nach ihren Vergabe- und Vertragsunterlagen nicht zwingend zu erfüllen und alternative Ausführungen zulässig gewesen sind. Sie hat in den übersandten Ausschreibungsunterlagen und Leistungsbeschreibungen hersteller- und produktneutral formuliert; sie hat ihren Beschaffungsbedarf gerade nicht herstellerbezogen (Weichen der Beklagten) oder produktbezogen (Weichen mit der durch Patentschrift […] geschützten Sandwich-Bauweise) definiert.

Zwar enthalten die Angebotsunterlagen nicht den Zusatz oder vergleichbar. Die Klägerin hat jedoch in den Vorbemerkungen des mit der Preisanfrage vom 8. Dezember 2006 übersandten Schreibens vom 6. Dezember 2006 unter anderem ausgeführt (vgl. Anlage B 3):

– die Weichen sollen in Monoblockkonstruktion - Sandwich hergestellt werden, siehe Lieferbedingungen für Monoblockkonstruktionen, Stand August 2006;

– […]

– es ist anzustreben (wenn es Baulänge und -breite für den Transport zulassen), die Zungenvorrichtungen mit dem Herzstück verschweißt zu liefern;

– […] Mit den - vom Senat kursiv hervorgehobenen - Formulierungen sollen und anzustreben hat die Klägerin deutlich gemacht, dass zur Erfüllung der technischen Anforderungen der Ausschreibung eine Monoblockkonstruktion - Sandwich bzw. eine Verschweißung von Zungenvorrichtungen mit dem Herzstück nicht zwingend erforderlich und vergleichbare alternative Ausführungen zulässig sind.

ccc) Zudem sind die Angebote der Nebenintervenientin zu 3) und der weiteren Kartellbeteiligten SH. GmbH und v. K. GmbH in technischer Hinsicht zuschlagsfähig gewesen. Die Klägerin hat dargetan, dass alle Angebote in die 4. Stufe der vergaberechtlichen Angebotswertung (Preisprüfung) gelangt seien. In dem als Anlage K 24 (S. 2) für den Beschaffungsvorgang R1.platz vorgelegten Submissionsprotokoll sei dies insoweit vermerkt, als dort die Preise eingetragen seien. Dies geschehe nur bei Angeboten, welche die technischen Anforderungen der jeweiligen Ausschreibung erfüllten. Diesem Vortrag der Klägerin in der Replik vom 11. Januar 2016 (S. 18/20 = Bl. 136/138 d. A.) ist die Beklagte nicht entgegengetreten.

Ob die Mitbietenden im Jahr 2007 tatsächlich in der Lage gewesen wären, entsprechend ihren zuschlagsfähigen Angeboten Weichen in Monoblockkonstruktion - Sandwich oder Weichen mit einer vergleichbaren alternativen Technik zu liefern, dies nur unter Verletzung des Patentschutzes der Beklagten möglich gewesen wäre oder ob es sich bei den Angeboten der Mitkartellanten lediglich um Schein- bzw. Schutzangebote gehandelt hat, kann insoweit dahin stehen. Denn es ist nicht die Aufgabe der Klägerin gewesen, Angebote von Wettbewerbern auf etwaige Patentrechtsverletzungen hin zu überprüfen. Selbst dem vom Landgericht vernommenen Zeugen L., ein Vertriebsmitarbeiter der Beklagten, ist jedenfalls im Jahr 2011 bekannt gewesen, dass v. einen Nachbau gefertigt habe, ebenfalls in Monoblock-Technik (vgl. S. 4 d. Protokolls v. 10. Mai 2017 = Bl. 417 d. A.). Er sei damals noch davon ausgegangen, dass es sich um eine Mischkonstruktion gehandelt habe; aus heutiger Sicht wisse er, dass die Bauweise ebenfalls als Sandwich-Bauweise angesehen werde. Die Beklagte habe dieses Produkt aus ihrem Patent angegriffen; das Patentverletzungsverfahren habe [im Jahr 2016] mit der Feststellung einer Patentverletzung geendet [vgl. BGH GRUR 2017, 152 - Zungenbett]. Da selbst die Beklagte zu Beginn des Jahres 2011 von einer Mischkonstruktion ausgegangen ist und erst nach Aufdeckung des Kartells im Mai 2011 Patentverletzungsklage erhoben hat, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Klägerin im Jahr 2007 eine Patentverletzung bekannt gewesen ist. Dies hat die Beklagte schon nicht vorgetragen. Insoweit ist auch nicht maßgeblich, dass der Klägerin im Jahr 2007 das erst im Jahr 2011 für das Projekt A1-Straße eingeholte Gleichwertigkeitsgutachten hinsichtlich der von der v. K. GmbH angebotenen Technik noch nicht vorgelegen hat. Zur Einholung eines solchen Gutachtens im Jahr 2007 für das Projekt R1.platz hatte die Klägerin keine Veranlassung, da die Beklagte und nicht die v. K. GmbH das günstigste Angebot abgegeben hat.

ddd) Entgegen der Behauptung der Beklagten unter Berufung auf die Feststellungen des Bundeskartellamtes zur Funktionsweise der Absprache, wonach für die ausschreibende Stelle - im Falle einer kundenseitig gewünschten spezifischen Ausrichtung der Ausschreibung - häufig die Technik und nicht der Preis der bestimmende Faktor gewesen sei (vgl. Anlage K 35, S. 18, Fußnote 6), ist dies im Streitfall gerade nicht der Fall gewesen.

Die Klägerin hat dargetan, dass die ausgeschriebene Technik bzw. vergleichbare Alternativen zwar Voraussetzung für die Zuschlagsfähigkeit der Angebote gewesen seien. Im Falle der Erfüllung dieser technischen Anforderungen durch mehrere Bieter sei indes bei sämtlichen streitgegenständlichen Beschaffungsvorgängen der Angebotspreis alleiniges Zuschlagskriterium gewesen. Dass dem auch beim Beschaffungsvorgang R1.platz so gewesen ist, ergibt sich bereits aus dem Vergabevermerk vom 22. Januar 2007, wonach bei der Angebotswertung der Angebotspreis, nicht aber eine bestimmte hersteller- oder produktbezogene Technik maßgeblich gewesen ist (vgl. Anlage K 24).

Zudem hat die Klägerin für den - nicht streitgegenständlichen - B1. A1. Straße im Jahr 2011 der v. K. GmbH den Zuschlag erteilt. Auch insoweit hat die Klägerin in Ziffer 2.1.3 der zugrunde liegenden Leistungsbeschreibung vom 28. Januar 2011 eine Monoblock-Zungenvorrichtung in Sandwich-Bauweise ausgeschrieben (vgl. Anlage K 27). Auf die öffentliche Ausschreibung haben neben der Beklagten die v. K. GmbH, die Nebenintervenientin zu 3) und die F. GmbH Angebote abgegeben. In Ziffer 15. des Vergabevermerks vom 7. März 2011 (Begründung der Zuschlagserteilung / Vergabevorschlag des Vergabevermerks) heißt es: Günstigster Auftragnehmer (vgl. Anlage K 29). Obwohl die Klägerin bei diesem Projekt - wie bei den Beschaffungsvorgängen R1.platz und Gleisdreieck Nordbad - eine Monoblock-Zungenvorrichtung in Sandwich-Bauweise ausgeschrieben, eine Mischkonstruktion (Monoblock Zungenadaption mit angeschweißtem Zungenbett und Beischienen) sogar ausdrücklich ausgeschlossen und auch die Beklagte ein Angebot abgegeben hat, hat die Klägerin nicht der Beklagten, sondern der v. K. GmbH aufgrund des günstigsten Angebotspreises den Zuschlag erteilt. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin beim Beschaffungsvorgang R1.platz im Jahr 2007 der Beklagten auch dann den Zuschlag erteilt hätte, wenn nicht diese, sondern ein anderer Anbieter mit einem zuschlagsfähigen Angebot den günstigsten Preis geboten hätte, bestehen daher nicht.

(2) Da sich die Klägerin in ihrer Angebotsaufforderung vom 8. Dezember 2006 nicht von vornherein auf die Beklagte als Auftragnehmerin festgelegt hat, hatte die Beklagte auch ein Interesse daran, den Wettbewerb im Hinblick auf den Beschaffungsvorgang R1.platz zu beschränken und mit den weiteren Kartellbeteiligten Absprachen über die Auftragsvergabe und die Angebotspreise zu treffen.

Zudem ist nach den Feststellungen des Bundeskartellamtes mit dem System der Stammkunden häufig auch die kundenseitig gewünschte spezifische Ausrichtung von Ausschreibungen verknüpft gewesen. Durch die Kombination des Stammkundensystems mit spezifisch auf bestimmte Unternehmen zugeschnittenen Produkten in Leistungsverzeichnissen ist den einzelnen Kartellteilnehmern bereits vor einer Ausschreibung klar gewesen, auf wen das jeweilige Projekt bei einzelnen Kunden zulaufen musste (vgl. Anlage K 35, S. 18). Die bestehende Kundenschutzregelung hat bewirkt, dass die Weichenhersteller weitgehend respektiert haben, wenn - z.B. aufgrund der räumlichen Nähe - eine besonders enge Beziehung eines Weichenherstellers zu einem bestimmten Kunden bestanden hat (vgl. Anlage K 35, S. 20). Insoweit ist auch eine kundenseitig gewünschte spezifische Ausrichtung von Ausschreibungen unter den Kartellanten -ebenso wie das System der Stammkunden oder die Zuteilung von Neukunden - grundsätzlich respektiert worden.

Auch der Umstand, dass die Beklagte die Nebenintervenientin zu 3) und die v. K. GmbH aus der Verletzung ihres Patentes in Anspruch genommen hat, spricht nicht gegen die Kartellbetroffenheit. Die Beklagte hat erst in den Jahren 2011 und 2012 - nach Aufdeckung des Kartells im Mai 2011 - und damit mehr als vier Jahre nach der Auftragsvergabe für das Projekt R1.platz Verletzungsklage gegen ihre früheren Mitkartellanten erhoben. Ein derartiges Vorgehen erst nach Ende der wettbewerbsbeschränkenden Zusammenarbeit kann den Anscheinsbeweis für das Vorliegen einer Kartellabsprache vier Jahre zuvor nicht erschüttern.

e) Durch den schuldhaften Verstoß der Beklagten ist der Klägerin hinsichtlich des kartellbefangenen Beschaffungsvorgangs R1.platz mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden entstanden, auch wenn dessen Höhe noch offen ist.

aa) Ob der Klägerin aufgrund eines Verstoßes gegen das Kartellrecht ein Schaden entstanden ist, beurteilt sich nach § 287 Abs. 1 ZPO. Für die richterliche Überzeugungsbildung reicht daher eine deutlich überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit aus, dass ein Schaden entstanden ist (vgl. BGH a.a.O. Tz. 41 f. - Lottoblock II).

bb) Bei den im Bereich Weichen zwischen der Beklagten und ihren Mitkartellanten getroffenen Kundenschutzabsprachen besteht eine deutlich überwiegende Wahrscheinlichkeit i. S. d. § 287 Abs. 1 ZPO dafür, dass der Klägerin ein Schaden entstanden ist. Ebenso wie bei einem Quotenkartell besteht auch bei Kundenschutzabsprachen ein Anscheinsbeweis für eine kartellbedingte Preiserhöhung.

(1) Bei einem Quotenkartell spricht der erste Anschein dafür, dass es sich allgemein preissteigernd auswirkt (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 9. November 2016 - 6 U 204/15 Kart (2) -, juris Tz. 63 - Grauzementkartell). Es besteht ein Erfahrungssatz, dass die Gründung eines Kartells grundsätzlich der Steigerung des Gewinns der im Kartell beteiligten Unternehmen dient. Deshalb spricht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Kartell gebildet und erhalten wird, weil es höhere als am Markt erzielbare Preise erbringt. Damit ist es zugleich überwiegend wahrscheinlich, dass bei den Abnehmern der Kartellanten hierdurch ein Schaden verursacht wird (vgl. BGH a.a.O., Tz. 35 - Grauzementkartell II m. w. N.).

(2) Ebenso wie bei Quotenkartellen und reinen Preisabsprachen wird auch bei einem Kundenschutzkartell der Preiswettbewerb ausgeschaltet, indem dafür gesorgt wird, dass nicht der effizienteste Anbieter, sondern grundsätzlich der Stammlieferant oder Spielführer den jeweiligen Auftrag bekommt. Dadurch, dass er den „Null-Preis“ bzw. Schutzpreise seinen Mitkartellanten mitteilt, werden diese davon abgehalten, ihrerseits ein günstigeres Angebot abzugeben. Quotenund Kundenschutzabsprachen dienen gleichermaßen dazu, den Unternehmen Preissetzungsspielräume zu eröffnen, die sie erfahrungsgemäß auch nutzen. Andernfalls wären der mit der Koordination und deren Überwachung einer Kartellabsprache einhergehende Aufwand und das damit verbundene Risiko entbehrlich. Der Spielführer, der den Auftrag erhalten soll, hat bei Kundenschutzabsprachen im Vergleich zu einer Situation ohne entsprechende wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung einen geringeren Anreiz zur Senkung seiner Preise. Es liegt auf der Hand, dass dies typischerweise mit der Erhöhung des Preisniveaus einhergeht, zumal wenn mit den Kundenschutzabsprachen der Sinn und Zweck einer durchgeführten Ausschreibung konterkariert wird (vgl. Senat, Urteil vom 8. März 2018 - U 3497/16 Kart, juris Tz. 76 - Kartell der Schienenfreunde).

Im Übrigen ist es gemäß den - von der Beklagten zugestandenen - Feststellungen des Bundeskartellamtes im Bußgeldbescheid vom 18. Juli 2013 im Arbeitskreis Marketing immer wieder zu Diskussionen über Preiserhöhungen gekommen. Dies ist insbesondere im Zusammenhang mit der Erhöhung der Vormaterialpreise geschehen. Die Kartellunternehmen haben sich mehrfach darauf verständigt, die Preiserhöhung entsprechend weiterzugeben. Auch nach Auflösung des Fachverbandes Weichenbau im Jahr 2006 und der Überführung unter das Institutionelle Dach des VDB haben weiterhin Preisabsprachen stattgefunden. Daher besteht ein Anscheinsbeweis dafür, dass die Klägerin als unmittelbare Abnehmerin einer - im Bereich Weichen -Kartellbeteiligten für den Beschaffungsvorgang R1.platz einen überhöhten Preis bezahlt hat und ihr dadurch ein Schaden entstanden ist.

cc) Diesen Anscheinsbeweis hat die Beklagte nicht erschüttert.

(1) Der Anscheinsbeweis ist insbesondere nicht dadurch erschüttert, dass die Klägerin nach dem Vortrag der Beklagten die streitgegenständlichen Aufträge zu Preisen erhalten habe, die sogar unter den Nachkartellpreisen gelegen hätten. Dem kommt schon deshalb keine Bedeutung zu, weil auch nach Beendigung des Kartells regelmäßig noch mit preiserhöhenden Nachwirkungen des Kartells zu rechnen ist (vgl. BGH NJW 2012, 928 Tz. 84 - ORWI; BGH a.a.O., Tz. 36 - Grauzementkartell II), so dass ein Vergleich der Angebotspreise der Kartellanten aus dem Jahr 2006 mit den Nachkartellpreisen den Anscheinsbeweis der preissteigernden Wirkung nicht erschüttern kann. Zudem bleiben bei den von der Beklagten bei ihrem Vergleich herangezogenen Durchschnittspreisen die preisbildenden Faktoren - wie etwa der aktuelle Stahlpreis - außer Betracht. Die Preise bei konkreten Beschaffungsvorgängen und Durchschnittspreise dürfen daher nicht miteinander verglichen werden.

(2) Im Übrigen kann das von der Beklagten vorgelegte ökonomische Gutachten Potenzielle Schädigung der Kunden der [Beklagten] durch das „Weichenkartell“ (Anlage B 13) den Anscheinsbeweis einer kartellbedingten Preiserhöhung auch deswegen nicht erschüttern, weil die streitgegenständlichen sechs Beschaffungsvorgänge der Klägerin im Gutachten nicht berücksichtigt worden sind. Unter Anhang 6.3 des Gutachtens (S. 80) sind Kunden aufgelistet, die die Beklagte im Zeitraum 2001 bis 2015 beliefert hat und deren Belieferung in die Analyse einbezogen worden sind; die Klägerin befindet sich nicht darunter. Hieraus ergibt sich, dass die streitgegenständlichen Beschaffungsvorgänge der Klägerin gerade nicht Gegenstand der Analyse gewesen sind. Vielmehr werden als Kunden der Beklagten neben kommunalen Nahverkehrsunternehmen unter anderem die Nebenintervenientinnen zu 1) und 3) sowie die Kartellbeteiligten SH. GmbH, v. K. GmbH, K. GmbH und H. [H. GmbH] genannt. Dass die Beklagte während des Kartellzeitraums Weichen an Mitkartellanten - etwa im Rahmen von Unterbeauftragungen oder sonstigen Kompensationsgeschäften - ohne Kartellaufschlag geliefert hat, erscheint durchaus naheliegend und stellt die Aussagekraft des Gutachtens in Frage.

(3) Der Anscheinsbeweis der kartellbedingten Preiserhöhung ist im Streitfall auch nicht deswegen erschüttert, weil die patentgeschützte Technologie der Beklagten ohnehin teurer gewesen sein mag als andere Weichen-Technologien. Der Zeuge L. hat insoweit angegeben, dass er die Klägerin - hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs Gleisdreieck Nordbad im Jahr 2011 - anhand von Untersuchungen, insbesondere der bestehenden Anlage am R1.platz, davon habe überzeugen können, dass das Verschleißverhalten der Monoblock-Sandwich-Bauweise sehr gut sei, so dass es sich trotz des höheren Preises um die wirtschaftlich sinnvollere Lösung handele (vgl. S. 4 d. Protokolls vom 10. Mai 2017 = Bl. 417 d. A.).

Denn die Klägerin hat sich gerade nicht von vornherein auf die Beauftragung der Beklagten festgelegt; zudem haben Mitkartellanten in technischer Hinsicht zuschlagsfähige Angebote zu noch höheren Preisen abgegeben, was gerade für eine Preisabsprache bzw. die Abgabe von Schutzangeboten und einen kartellbedingten Preisaufschlag der Beklagten auch hinsichtlich ihrer patentgeschützten Technologie spricht. Daher kann es an dieser Stelle dahin stehen, ob die Klägerin hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs R1.platz schon allein deshalb vom Kartell betroffen und geschädigt ist, weil die Beklagte durch ihre langjährige Beteiligung an den wettbewerbsbeschränkenden Absprachen im Bereich Weichen an der preissteigernden Wirkung des Kartells mitgewirkt hat und die Klägerin gerade wegen der kartellbedingten Preiserhöhung anderer Weichen im Rahmen einer Kosten-Nutzen-Analyse auf die Technologie der Beklagten ausgewichen ist.

f) Im Streitfall kann auch kein anspruchsminderndes Mitverschulden der Klägerin aufgrund ihres Vergabeverhaltens gemäß § 254 BGB angenommen werden. Der Einwand des Mitverschuldens betrifft den Anspruchsgrund, so dass über ihn im Grundurteil zu entscheiden ist (vgl. Grüneberg in: Palandt, BGB, 77. Aufl. 2018, § 254 Rn. 72).

Auch wenn die Leistungsbeschreibung kundenspezifisch auf die Beklagte ausgerichtet gewesen sein sollte und dabei die technische Spezifikation eine Rolle gespielt haben sollte, wie dies nach den Feststellungen des Bundeskartellamtes beim Stammkundenmodell häufig der Fall gewesen ist, begründet dies kein Mitverschulden der Klägerin an dem Kartellverstoß der Beklagten. Die Klägerin hat dargetan, dass der Angebotspreis das alleinige Zuschlagskriterium gewesen ist und sie jeweils dem günstigsten Bieter den Zuschlag erteilt hat. Dass die Klägerin die Ausschreibung so gestaltet hat, dass von vornherein nur die Beklagte bzw. ein begrenzter Kreis von Anbietern überhaupt als Lieferant in Frage gekommen ist, die Beklagte als Stammlieferantin der Klägerin die auf sie zugeschnittenen Leistungsanforderungen erfüllt und aufgrund des günstigsten Angebotes auch - wie von der Klägerin gegebenenfalls gewünscht - den Zuschlag erhalten hat, führt nicht dazu, dass die Klägerin von den Kundenschutzabsprachen der Kartellanten und einem kartellbedingten Preisaufschlag der Beklagten Kenntnis hatte oder hätte haben müssen. Insofern ist nicht ersichtlich, wie ein Verschulden der Klägerin an der Schadensentstehung mitgewirkt haben sollte.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat Erfolg. Die Schadensersatzklage ist auch hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs Gleisdreieck Nordbad - Auftragserteilung für eine Monoblock-Zungenvorrichtung in Sandwich-Bauweise u. a. vom 25. Februar 2011 - dem Grunde nach gemäß § 33 Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 i. V. m. § 1 GWB 2005 gerechtfertigt.

1. Der Beschaffungsvorgang Gleisdreieck Nordbad - Auftragserteilung für eine Monoblock-Zungenvorrichtung in Sandwich-Bauweise u. a. vom 25. Februar 2011 - ist kartellbefangen; die Klägerin ist insoweit vom Kartell betroffen.

a) Nach den Feststellungen des Bundeskartellamtes zu den besonderen Entwicklungen im Bereich Weichen hat der Marketingausschuss jedenfalls ab Anfang 2009 seine Bedeutung als Forum für die Absprachen der Weichenhersteller verloren. Kontakte haben nunmehr häufiger einzelfallbezogen und nicht mehr im Rahmen von Verbandstreffen stattgefunden, da sich die Stammkundenzuordnung und die damit einhergehende Vorgehensweise zwischen den Kartellanten in regional unterschiedlicher Ausprägung eingespielt hatten. Insgesamt ist der Teilnehmerkreis über die Jahre weitgehend unverändert geblieben; die Umsetzung der Absprache ist weiterhin über Schein- bzw. Schutzangebote sowie über die Beteiligung durch Unteraufträge als Gegenleistung erfolgt (vgl. Anlage K 35, S. 21).

b) Am 25. Februar 2011 hat die Klägerin der Beklagten einen Auftrag zur Lieferung einer Monoblock-Zungenvorrichtung in Sandwich-Bauweise u. a. für das Gleisdreieck Nordbad zu einem Gesamtpreis (netto) in Höhe von 1.151.439,24 € erteilt. Diesem weichenlastigen Projekt (Weichenanteil: 80,72%) hat eine öffentliche Ausschreibung zugrunde gelegen; auf die Ausschreibung haben neben der Beklagten die Nebenintervenientin zu 3) sowie die weiteren Kartellbeteiligten v. K. GmbH und F. GmbH Angebote abgegeben (vgl. Anlagen K 25 Teil 2, BF 2).

Die Beklagte hat sich mit ihrem Angebot vom 11. Februar 2011 in Höhe von zunächst 1.174.938,- € am Vergabeverfahren beteiligt (vgl. Anlage K 12). Mit Schreiben vom 15. Februar 2011 hat der Zeuge B. der Klägerin einen Rabatt von 2% gewährt, so dass sich der Angebotspreis auf 1.151.439,24 € reduziert hat (vgl. Anlage K 36), worauf die Beklagte mit dem günstigsten Angebot den Zuschlag erhalten hat. Das zweitgünstigste Angebot hat die v. K. GmbH mit Schreiben vom 14. Februar 2011 in Höhe von zunächst 1.221.175,- € abgegeben (vgl. Anlage K 37). Durch Gewährung eines Rabattes von 1% hat diese am 15. Februar 2011 ihren Angebotspreis auf 1.208.963,25 € reduziert (vgl. Anlagen K 38, BF 2). Der Angebotspreis der Nebenintervenientin zu 3) hat nach Rabattgewährung 1.262.200,32 €, der der F. GmbH letztendlich 1.283.563,01 € betragen (vgl. Anlage BF 2).

Das Landgericht hat festgestellt, dass die Beklagte für das streitgegenständliche Projekt Gleisdreieck Nordbad den Zuschlag erhalten und die F. GmbH der Beklagten für dieses Projekt die Schienen zugeliefert hat.

c) Die Auftragserteilung vom 25. Februar 2011 ist nicht frei von Einflüssen des Kartells gewesen. Die Klägerin ist insoweit vom Kartell betroffen.

aa) Nach den im Berufungsverfahren nicht gesondert angegriffenen und insoweit gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zugrunde zu legenden Feststellungen des Landgerichts haben sich die Zeugen H. (v. K. GmbH), K. (Nebenintervenientin zu 3)) und N. (F. GmbH) im Januar 2011 in einer Münchener Gaststätte getroffen, um die von der Klägerin ausgeschriebenen Projekte unter sich aufzuteilen. Mitarbeiter der Beklagten sind bei dieser Absprache nicht persönlich anwesend gewesen. Die vom Landgericht vernommenen Zeugen H., K. und N. haben die Absprache unter sich bestätigt.

bb) Ergänzend trifft der Senat hierzu folgende Feststellungen:

(1) Bei den ausgeschriebenen Projekten, deren Aufteilung die Zeugen H., K. und N. im Januar 2011 in einer Münchener Gaststätte abgesprochen haben, hat es sich um die von der Klägerin mit Bekanntmachung vom 11. Dezember 2010 ausgeschriebenen Projekte Gleisdreieck Nordbad, A2. B2. Straße (vgl. Anlagen K 27, K 29) und L.latz (vgl. Anlagen K 26, K 28) gehandelt. Bei allen drei Projekten hat die Klägerin in den am 1. Februar 2011 (Gleisdreieck Nordbad), 2. Februar 2011 (A. B2. Straße) und 29. März 2011 (L.platz) übersandten Angebotsunterlagen die Technologie der Beklagten (Monoblock-Zungenvorrichtung in Sandwich-Bauweise) ausgeschrieben.

Der Zeuge H. hat angegeben, dass es Anfang 2011 eine Besprechung gegeben habe, an der er sowie die Zeugen K. und N. teilgenommen hätten. Es seien verschiedene Projekte in München und deren Aufteilung besprochen worden. Das Projekt A1. Straße sei an die v. K. GmbH gefallen; diese sei deshalb am Projekt Gleisdreieck Nordbad nicht interessiert gewesen (vgl. S. 8 d. Protokolls vom 10. Mai 2017 = Bl. 421 d. A.).

Der Zeuge K. hat angegeben, dass es bei der Absprache mit den Zeugen H. und N. nicht nur um das Projekt Gleisdreieck Nordbad, sondern auch um die Projekte A1. Straße und L.platz gegangen sei. Die Nebenintervenientin zu 3) habe das Projekt L.platz mit einer Unterbestellung für die Beklagte hinsichtlich Weichen und Kreuzungen „gebucht“, da in der Ausschreibung eine Technik enthalten gewesen sei, die nur die Beklagte habe anbieten können. Die Besprechung habe bereits vor der Versendung der Angebotsunterlagen stattgefunden; es sei aufgrund der guten Kontakte zur Klägerin bereits bekannt gewesen, dass die Technologie der Beklagten in den Ausschreibungsunterlagen enthalten sein werde. Mit der Ausschreibung für das Projekt Gleisdreieck Nordbad habe er sich nur nebensächlich befasst; diese habe ihn nicht interessiert, da Absprachen getroffen worden seien, wonach die Nebenintervenientin zu 3) für dieses Projekt nicht vorgesehen gewesen sei (vgl. S. 14 d. Protokolls vom 10. Mai 2017 = Bl. 427 d. A.).

Die Zeugen H. und K. haben im Rahmen ihrer Vernehmung zudem den Vortrag der Klägerin bestätigt, wonach sie das Projekt Gleisdreieck Nordbad gegenüber dem Bundeskartellamt - im Frühjahr 2011 nach Aufdeckung des Kartells - als Kartellprojekt benannt haben (vgl. S. 9, 15 d. Protokolls vom 10. Mai 2017 = Bl. 422, 428 d. A.).

(2) Für das Projekt A1. Straße haben neben der Beklagten die v. K. GmbH, die Nebenintervenientin zu 3) und die F. GmbH Ende Februar 2011 Angebote abgegeben. Die Klägerin hat der v. K. GmbH aufgrund des günstigsten Angebotspreises am 1. April 2011 den Zuschlag erteilt (vgl. Anlage K 29).

Für das Projekt L.platz haben neben der Beklagten die Nebenintervenientin zu 3) und die v. K. GmbH im April 2011 Angebote abgegeben. Die Klägerin hat der Nebenintervenientin zu 3) aufgrund des günstigsten Angebotspreises am 16. Mai 2011 den Zuschlag erteilt (vgl. Anlage K 28).

cc) Danach ist der Beschaffungsvorgang Gleisdreieck Nordbad jedenfalls Teil einer wettbewerbsbeschränkenden Absprache zwischen der Nebenintervenientin zu 3) und den weiteren Kartellbeteiligten v. K. GmbH und F. GmbH gewesen. Aufgrund der „Buchung“ der beiden anderen Münchener Projekte hatten die Nebenintervenientin zu 3) und die v. K. GmbH kein Interesse am Projekt Gleisdreieck Nordbad. Aufgrund der Absprache über die Aufteilung der drei Münchener Projekte Anfang des Jahres 2011 ist auch das Projekt Gleisdreieck Nordbad kartellbefangen und die Klägerin vom Kartell betroffen, weil sich die Kartellanten, die sich an der Absprache im Januar 2011 beteiligt hatten, nicht ernsthaft um das Projekt bemühten; insoweit kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte in diese Absprache eingebunden gewesen ist.

d) Entgegen der Auffassung der Beklagten hat die Klägerin hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs Gleisdreieck Nordbad einen freien und unbeschränkten - und damit von den Kartellteilnehmern beschränkbaren - Wettbewerb eröffnet. Die Klägerin hat sich insbesondere nicht von vornherein auf eine Beauftragung der Beklagten mit deren patentgeschützten Technologie -Monoblock-Zungenvorrichtung in Sandwich-Bauweise - festgelegt.

aa) Zwar hat der Zeuge L. der Klägerin unstreitig im Vorfeld der Ausschreibung von ihm vorformulierte Texte zur Verfügung gestellt und die Formulierungen mit der Klägerin im Einzelnen abgestimmt (vgl. Anlagen B 14, B 15, B 16, B 17); die von der Beklagten zur Verfügung gestellten Formulierungen (Anlage B 17) hat die Klägerin in den übersandten Angebotsunterlagen in Ziffer 2. (Ausführung) und Ziffer 3. (Weichen allgemein) des Leistungsverzeichnisses Blankett wörtlich übernommen (vgl. Anlage K 12). Der Zeuge L. hat dies in seiner Vernehmung bestätigt; ein Mitarbeiter der Klägerin habe ihn gebeten, Texte für die Ausschreibung zur Verfügung zu stellen, die die Technik der Beklagten beschreibe. Wenn er eine Technik anbiete, sei es eigentlich obligatorisch, dass er diese auch zur Verwendung in den Ausschreibungstexten beschreibe (vgl. S. 4/6 d. Protokolls vom 10. Mai 2017 = Bl. 417/419 d. A.).

bb) Diese Vorgehensweise ist auch mit den Feststellungen des Bundeskartellamtes vereinbar, wonach mit dem System der Stammkunden häufig auch die kundenseitig gewünschte spezifische Ausrichtung von Ausschreibungen verknüpft gewesen ist. So sind die einzelnen Unternehmen bei Ausschreibungen ihrer jeweiligen Stammkunden häufig an der Erstellung der Leistungsverzeichnisse beteiligt gewesen und haben auf diese Weise technisch und planerisch auf die Erstellung der Ausschreibungsunterlagen und Produktanforderungen Einfluss nehmen können. Die Kunden haben für die technische Vorbereitung von Projektausschreibungen z.B. um Textbausteine und Zeichnungen für die Ausschreibungen gebeten. Im Rahmen dieser Unterstützung ist die Ausschreibung auf die Technik des präferierten Herstellers zugeschnitten gewesen (vgl. Anlage K 35, S. 18).

cc) Die Klägerin hat indes dargetan, dass sie sich damit nicht von vornherein auf die Beauftragung der Beklagten festgelegt habe. Die ausgeschriebene Technik bzw. eine gleichwertige Alternative sei zwar Voraussetzung für die Zuschlagsfähigkeit eines Angebotes gewesen. Im Falle der Erfüllung dieser technischen Anforderungen durch mehrere Bieter sei jedoch bei sämtlichen streitgegenständlichen Beschaffungsvorgängen der Angebotspreis alleiniges Zuschlagskriterium gewesen (s. o. I. 2. d) cc) (2) ddd)).

Die Klägerin hat dies insbesondere dadurch belegt, dass sie hinsichtlich des parallelen B3. A1. Straße im Jahr 2011 der v. K. GmbH aufgrund des günstigsten Angebotspreises - nach Einholung eines Gleichwertigkeitsgutachtens - den Zuschlag erteilt hat, obwohl die Beklagte auch bei diesem Projekt ein Angebot mit ihrer patentgeschützten Technologie abgegeben hat. Auch insoweit hat die Klägerin in Ziffer 2.1.3 der zugrunde liegenden Leistungsbeschreibung vom 28. Januar 2011 eine Monoblock-Zungenvorrichtung in Sandwich-Bauweise ausgeschrieben und die von der Beklagten zur Verfügung gestellten Formulierungen in Ziffer 2. (Ausführung) und Ziffer 3. (Weichen allgemein) wörtlich übernommen (vgl. Anlage K 27).)

Dass sich die Klägerin nicht von vornherein auf die Beklagte als Auftragnehmerin bzw. deren Technologie festgelegt hat, hat selbst der Zeuge L. in seiner Vernehmung bestätigt. Er hat angegeben, dass er während der Ausschreibung des Beschaffungsvorgangs Gleisdreieck Nordbad davon ausgegangen sei, dass Mitbewerber an der Ausschreibung teilnehmen würden. Auch wenn man die exakt ausgeschriebene Technik nicht anbieten könne, sei es möglich, mit der ausschreibenden Stelle zu verhandeln und eine Alternative anzubieten. Das sei seine Erfahrung aus der Vergangenheit gewesen und werde auch dadurch belegt, dass die Klägerin ein Gutachten zur Gleichwertigkeit eines etwas abweichenden Produktes eingeholt habe. Darüber hinaus habe er ja gewusst, dass v. einen Nachbau habe (vgl. S. 5 d. Protokolls vom 10. Mai 2017 = Bl. 418 d. A.).

Im Übrigen haben hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs Gleisdreieck Nordbad neben der Beklagten auch die Nebenintervenientin zu 3), die v. K. GmbH und die F. GmbH in technischer Hinsicht zuschlagsfähige Angebote abgegeben. Die Klägerin hat dargetan, dass alle Angebote in die 4. Stufe der vergaberechtlichen Angebotswertung (Preisprüfung) gelangt seien (vgl. Anlage K 25 Teil 2). Aus den Angeboten der Mitkartellanten sei auch nicht ersichtlich gewesen, dass diese geplant hätten, die Technologie der Beklagten zu liefern; diese hätten insbesondere nicht angegeben, die Beklagte als Unterbeauftragte einzusetzen. Diesem Vortrag der Klägerin in der Replik vom 11. Januar 2016 (S. 18/20 = Bl. 136/138 d. A.) und im Schriftsatz vom 26. April 2017 (S. 3/4 = Bl. 381/382 d. A.) ist die Beklagte nicht entgegengetreten.

Ob die Mitbietenden tatsächlich in der Lage gewesen wären, entsprechend ihren zuschlagsfähigen Angeboten Weichen in Monoblockkonstruktion - Sandwich oder Weichen mit einer vergleichbaren alternativen Technik zu liefern, dies nur unter Verletzung des Patentschutzes der Beklagten möglich gewesen wäre oder ob es sich bei diesen Angeboten lediglich um Scheinbzw. Schutzangebote gehandelt hat, kann insoweit dahin stehen (s. o. I. 2. d) cc) (1) ccc)). Überdies steht aufgrund des für das Projekt A1. Straße eingeholten Gleichwertigkeitsgutachtens und der anschließenden Zuschlagserteilung an die v. K. GmbH vom 1. April 2011 fest, dass die v. K. GmbH im Jahr 2011 tatsächlich in der Lage gewesen ist, eine gleichwertige Technik zu liefern.

2. Im Streitfall besteht unter Würdigung aller Umstände und Heranziehung der Beweiserleichterung des § 287 Abs. 1 ZPO die für den Erlass eines Grundurteils ausreichende deutlich überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Klägerin durch die Auftragserteilung vom 25. Februar 2011 an die Beklagte ein Schaden entstanden ist.

a) Dies ergibt sich bereits daraus, dass das zweitgünstigste Angebot der v. K. GmbH in Höhe von zuletzt netto 1.208.963,25 € kartellbedingt überhöht gewesen ist; insoweit besteht ein Anscheinsbeweis (s. o. I. 2. e)). Da selbst nach Beendigung des Kartells regelmäßig noch mit preiserhöhenden Nachwirkungen des Kartells zu rechnen ist (vgl. BGH a.a.O., Tz. 84 - ORWI; BGH a.a.O., Tz. 36 - Grauzementkartell II), besteht im Streitfall erst recht ein Anscheinsbeweis dafür, dass die preiserhöhende Wirkung des Kartells noch kurz vor dessen Aufdeckung durch das Bundeskartellamt im Mai 2011 bestanden hat. Diesen Anscheinsbeweis hat die Beklagte auch nicht erschüttert (s. o. I. 2. e) cc)).

Hinzu kommt, dass sowohl die v. K. GmbH als auch die Nebenintervenientin zu 3) nach den Angaben der Zeugen H. und K. von vornherein chancenlose Angebotspreise abgegeben hätten, da sie aufgrund der vorangegangenen Absprache und der „Buchung“ der beiden anderen Münchener Projekte an einer Auftragserteilung für das Projekt Gleisdreieck Nordbad kein Interesse gehabt hätten. Nach den Angaben des Zeugen H. habe die v. K. GmbH für das Projekt Gleisdreieck Nordbad - anders als sonst - zwar kein Schutzangebot abgegeben. Da er jedoch aufgrund der Absprache an diesem Projekt nicht interessiert gewesen sei, habe die v. K. GmbH lediglich ein - mit im System hinterlegten Preisen - von vorneherein chancenloses Angebot abgegeben (vgl. S. 8 d. Protokolls vom 10. Mai 2017 = Bl. 421 d. A.). Der Zeuge K. hat angegeben, er gehe davon aus, dass er für das Projekt Gleisdreieck Nordbad „von der Ordnung her“ ein Angebot abgegeben habe; er habe aber nicht damit gerechnet, den Zuschlag zu bekommen, weil er unwirtschaftlich angeboten habe (vgl. S. 14 d. Protokolls vom 10. Mai 2017 = Bl. 427 d. A.).

Da das Angebot der Beklagten in Höhe von netto 1.151.439,24 € nur geringfügig (rund 4,7%) günstiger als das der v. K. GmbH in Höhe von netto 1.208.963,25 € gewesen ist, besteht eine deutlich überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass auch das Angebot der Beklagten noch über den Angebotspreisen gelegen hat, die ohne das Kartell und dessen preissteigernde Wirkung von der v. K. GmbH und den beiden weiteren an der Ausschreibung teilnehmenden Mitkartellanten abgegeben worden wären. In diesem Falle hätte die Klägerin aber nicht der Beklagten, sondern demjenigen Anbieter den Zuschlag erteilt, der das günstigste Angebot abgegeben hätte. Es besteht im Streitfall daher eine deutlich überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass die Angebote der v. K. GmbH und der weiteren Kartellanten - das Kartell hinweggedacht - jedenfalls unter 1.151.439,24 € gelegen hätten und der Angebotspreis der Beklagten, zu dem sie den Zuschlag erhalten hat, höher gewesen ist als der insoweit maßgebliche hypothetische Wettbewerbspreis. Nach rund zehnjähriger Dauer des Kartells erscheint ein kartellbedingter Preisaufschlag von mehr als 5% bei den Angeboten der an der Absprache im Januar 2011 beteiligten Kartellanten überwiegend wahrscheinlich.

b) Im Übrigen hat sich die Beklagte nach den Angaben ihres Prokuristen B., der der Klägerin am 15. Februar 2011 den 2%igen Rabatt gewährt (vgl. Anlage K 36) und insoweit als Vorgesetzter des Zeugen L. bei der Angebotsabgabe für den Beschaffungsvorgang Gleisdreieck Nordbad mitgewirkt hat, bis ins Jahr 2009 an Absprachen mit Mitbewerbern im Bereich Weichen für Projekte in München beteiligt (vgl. S. 17 d. Protokolls vom 10. Mai 2017 = Bl. 430 d. A.). Unabhängig davon, ob die Beklagte vom Zeugen N. telefonisch in die Absprache der Zeugen H., K. und N. Anfang 2011 hinsichtlich der Aufteilung der drei anstehenden Münchener Projekten eingebunden worden ist oder gegebenenfalls in anderen Regionen Deutschlands auch noch in den Jahren 2009 bis 2011 an Kartellabsprachen mitgewirkt hat, hat sie als Kartellbeteiligte von den auf dem Privatmarkt im Bereich Weichen erzielbaren Preisen und den vorangegangenen Preisabsprachen Kenntnis gehabt. Zumindest von 2001 bis 2008 haben die Sitzungen des sog. Arbeitskreises Marketing innerhalb des Fachverbandes Weichenbau bzw. des VDB den Kartellunternehmen als Plattform für ihre regelmäßigen Projekt- und Preisabsprachen bei Weichen gedient. Auch nach Auflösung des Fachverbandes Weichenbau im Jahr 2006 haben weiterhin Preisabsprachen stattgefunden (Anlage K 35, S. 21). Zudem hatte die Beklagte im Rahmen der Auftragserteilungen vom 19. März 2002, 28. Januar 2003, 11. Juni 2003, 4. Oktober 2005 und 23. Januar 2007 unmittelbaren Einblick in die - kartellbedingte - Preisentwicklung im Bereich Weichen.

Auch wenn der Zeuge L. - wie von ihm in seiner Vernehmung angegeben - vom Bestehen eines Kartells bis Mai 2011 keine Kenntnis gehabt haben sollte, obwohl er im Jahr 2010 an einem einschlägigen Treffen mit Vertretern der Nebenintervenientin zu 3) sowie der weiteren Kartellbeteiligten v. K. GmbH, SH. GmbH und F. GmbH, bei dem über die Aufteilung des Projekt Gleiserneuerung Straßenbahnbetriebshof (2) E.str. 148 der Klägerin gesprochen worden ist, teilgenommen hat, ist es überwiegend wahrscheinlich, dass er sich bei der Kalkulation des Angebotspreises für das Projekt Gleisdreieck Nordbad an bekannten Preisen aus vorangegangenen Beschaffungsvorgängen orientiert hat.

Vor dem streitgegenständlichen Beschaffungsvorgang Gleisdreieck Nordbad hat die Beklagte zuletzt im Jahr 2010 an einer Ausschreibung der Klägerin für 50 Weichen teilgenommen und ein Angebot abgegeben. Dabei hat es sich um das Projekt Gleiserneuerung Straßenbahnbetriebshof (2) E.str. 148 gehandelt. An der öffentlichen Ausschreibung haben sich neben der Beklagten die Nebenintervenientin zu 3) und die Kartellbeteiligten v. K. GmbH, SH. GmbH und H. GmbH beteiligt. Den Zuschlag hat die SH. GmbH mit dem günstigsten Angebot erhalten (vgl. Anlagen K 39, K 40). Auch wenn der Zeuge L. im Rahmen seiner Vernehmung angegeben hat, dass er nicht mehr wisse, ob er für diesen Beschaffungsvorgang ein Angebot abgegeben hat - gemäß dem Angebot der Beklagten vom 2. August 2010 ist er Sachbearbeiter der Beklagten gewesen und hat das Angebot auch unterschrieben (vgl. Anlage K 39) -, ist davon auszugehen, dass er sich im Februar 2011 bei Erstellung des Angebots für das Projekt Gleisdreieck Nordbad an den Angebotspreisen der Beklagten aus den vorangegangenen Beschaffungsvorgängen R1.platz (2007) und Gleiserneuerung Straßenbahnbetriebshof (2) E.str. 148 (August 2010) orientiert hat. Im Übrigen sind jedenfalls dem Prokuristen B. die von den kartellrechtswidrigen Absprachen beeinflussten Angebotspreise der Beklagten und ihrer Mitkartellanten aus früheren Beschaffungsvorgängen bekannt gewesen.

3. Die Beklagte haftet auch für den kartellbedingt eingetretenen Schaden der Klägerin.

a) Nach den Feststellungen des Landgerichts sei die Beklagte an der Absprache, die die Zeugen H., K. und N. im Januar 2011 in einer Münchener Gaststätte getroffen haben, um die von der Klägerin ausgeschriebenen Projekte unter sich aufzuteilen (s. o. II. 1. c)), nicht - auch nicht telefonisch - beteiligt gewesen. Der Zeuge L. habe glaubhaft ausgesagt, dass er bei der Absprache nicht dabei gewesen sei und auch nicht davon erfahren habe. Seine widerspruchsfreien Angaben sowie die detaillierte Schilderung seines Vertriebserfolges durch die Platzierung der Technik der Beklagten sprächen für seine Glaubwürdigkeit.

b) Es kann im Streitfall dahin stehen, ob der Zeuge L. telefonisch von der vorangegangenen Absprache der Zeugen H., K. und N. Anfang des Jahres 2011 über die Aufteilung der drei Münchener Projekte informiert worden ist, die Beklagte insoweit an der Absprache mitgewirkt und die F. GmbH durch einen Unterauftrag (Lieferung und Montage von Schienen) als Gegenleistung für die Abgabe eines Schutzangebots beteiligt hat. Es kann insbesondere offen bleiben, ob das Landgericht die hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs Gleisdreieck Nordbad erfolgte Unterbeauftragung der F. GmbH unter Berücksichtigung der vom Bundeskartellamt festgestellten Funktionsweise des Kartells hinreichend gewürdigt hat und ob insoweit konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten.

c) Denn aufgrund der vorangegangenen langjährigen Kartellbeteiligung kommt es auf die konkrete Mitwirkung der Beklagten an der streitgegenständlichen Absprache zwischen den Zeugen H., K. und N. im Januar 2011 nicht an. Die Beklagte ist nach den Angaben ihres Prokuristen B. zumindest bis ins Jahr 2009 an den wettbewerbsbeschränkenden Absprachen im Bereich Weichen beteiligt gewesen und hat dadurch an der preissteigernden Wirkung des Kartells jedenfalls seit dem Jahr 2002 über einen Zeitraum von mindestens sieben Jahren maßgeblich mitgewirkt.

Die Haftung eines Mitkartellanten nach § 33 Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 i. V. m. § 1 GWB 2005 für einen Kartellverstoß setzt nicht zwingend voraus, dass die einzelnen Beschaffungsvorgänge Gegenstand (neuerlicher) ausdrücklicher Absprachen unter direkter Beteiligung des in Anspruch genommenen Mitkartellanten gewesen sind (vgl. (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 9. November 2016 - 6 U 204/15 Kart (2) -, juris Tz. 64 - Grauzementkartell; Senat, Urteil vom 8. März 2018 - U 3497/16 Kart -, juris Tz. 191 - Kartell der Schienenfreunde). Haftet ein Kartellant aufgrund von Nachwirkungen des Kartells selbst für Schäden aus Beschaffungsvorgängen, die im Zeitraum nach der Beendigung des Kartells stattgefunden haben (vgl. BGH a.a.O., Tz. 36 - Grauzementkartell II), so ist erst recht von einer Haftung des Kartellanten für Schäden aus Beschaffungsvorgängen vor Auflösung des Kartells auszugehen, ohne dass es auf die konkrete Mitwirkung des Kartellanten an einer Einzelabsprache ankommt. Hierfür spricht maßgeblich der unionsrechtliche Effektivitätsgrundsatz. Danach kann jedermann Ersatz des ihm entstandenen Schadens verlangen, wenn zwischen dem Schaden und einem nach Art. 101 AEUV verbotenen Kartell oder Verhalten ein ursächlicher Zusammenhang besteht (vgl. BGH a.a.O., Tz. 34 - ORWI m. w. N.). Ein solcher ursächlicher Zusammenhang besteht im Streitfall, da die Beklagte durch ihre langjährige Beteiligung an den Kundenschutz- und Preisabsprachen im Bereich Weichen jedenfalls bis ins Jahr 2009 die preissteigernde Wirkung des Kartells und dadurch einen Schaden der Klägerin hinsichtlich der streitgegenständlichen Weichenlieferung für das Projekt Gleisdreieck Nordbad im Jahr 2011 zumindest mitverursacht hat. Auf die Mitwirkung der Beklagten an der Absprache Anfang 2011 kommt es auch wegen der vom Bundeskartellamt festgestellten und von der Beklagten nicht ausdrücklich bestrittenen Funktionsweise des Kartells nicht an; denn aufgrund der etablierten Spielregeln hat es häufig keiner ausdrücklichen Einzelfallabsprache bezogen auf ein konkretes Projekt bedurft, weil den Beteiligten ohnehin klar gewesen ist, welches Unternehmen zum Zuge kommen sollte (Anlage K 35, S. 19).

d) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Vortrag der Klägerin im Berufungsverfahren, es komme auf eine konkrete Kartellbetroffenheit des Beschaffungsvorgangs Gleisdreieck Nordbad bzw. eine Mitwirkung der Beklagten an der Absprache zwischen den Zeugen H., K. und N. aufgrund der generell preissteigernden Wirkung des Kartells nicht an, nicht als neues Angriffsmittel i. S. d. § 531 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Soweit die Klägerin der Meinung ist, dass es auf eine konkrete Kartellbetroffenheit gar nicht ankomme, handelt es sich schon nicht um ein Angriffsmittel, sondern um eine Rechtsauffassung. Auch beim Vortrag zur generell preissteigernden Wirkung des Kartells handelt es sich nicht um eine neues Angriffsmittel i. S. d. § 531 Abs. 2 ZPO. Die Klägerin hat bereits in der Klageschrift vorgetragen, dass die unter Beteiligung der Beklagten getroffenen Absprachen im Kartellzeitraum zu einer Erhöhung der Einkaufspreise für Oberbaumaterialien geführt hätten und dieser Effekt hinsichtlich aller streitgegenständlicher Beschaffungsvorgänge eingetreten sei. Ohne die Absprachen hätte sie die streitgegenständlichen Oberbaumaterialien zu erheblich günstigeren Preisen bei der Beklagten bezogen (S. 34 = Bl. 45 d. A.). Soweit die Klägerin erstmals im Berufungsverfahren das Vorliegen eines Preisschirmeffektes in Bezug auf Kartellaußenseiter behauptet hat, ist dieser Vortrag nicht entscheidungserheblich. Die Beklagte ist als langjährige Kartellbeteiligte gerade keine Kartellaußenseiterin.

3. Die Beklagte hat durch ihre Teilnahme an den kartellrechtswidrigen Absprachen zwischen 2002 und 2009 im Bereich Weichen vorsätzlich gehandelt. Ihrem Prokuristen B. ist auch bekannt gewesen, dass das Kartell noch zu Beginn des Jahres 2011 fortbestanden hat (vgl. S. 17 d. Protokolls vom 10. Mai 2017 = Bl. 430 d. A.).

4. Im Streitfall liegt auch kein anspruchsminderndes Mitverschulden der Klägerin aufgrund ihres Vergabeverhaltens gemäß § 254 BGB vor (s. o. I. 2. f)). Selbst wenn die Beklagte durch die Übernahme von Formulierungen der Beklagten im Leistungsverzeichnis vergaberechtswidrig gehandelt haben sollte, führt dies nicht dazu, dass die Klägerin von den (vorangegangenen) Kundenschutzabsprachen zwischen der Beklagten und ihren Mitkartellanten im Bereich Weichen sowie der kartellbedingten Preiserhöhung Kenntnis hatte oder hätte haben müssen. Insofern ist nicht ersichtlich, wie ein Verschulden der Klägerin an der Schadensentstehung mitgewirkt haben sollte.

5. Der Rechtsstreit war hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs Gleisdreieck Nordbad, für den die Klägerin der Beklagten am 25. Februar 2011 den Zuschlag erteilt hat, zur Entscheidung über die Höhe des Schadensersatzanspruchs unter Aufhebung des Verfahrens gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO an das Landgericht München I zurückzuverweisen (vgl. Heßler in: Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 538 Rn. 44). Die Klägerin hat die Zurückverweisung beantragt. Dabei hat der Senat im Rahmen der Ermessensausübung insbesondere berücksichtigt, dass die Beschaffungsvorgänge, für die die Klägerin der Beklagten am 19. März 2002, 28. Januar 2003, 11. Juni 2003 und 4. Oktober 2005 den Zuschlag erteilt hat, nicht in die Berufungsinstanz gelangt sind und das Landgericht insoweit ohnehin über die Höhe des Schadensersatzanspruchs verhandeln muss. Auch soweit die Berufung der Beklagten hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs R1.platz, für den die Klägerin der Beklagten am 23. Januar 2007 den Zuschlag erteilt hat, zurückgewiesen worden ist, bleibt das Betragsverfahren beim Landgericht anhängig. Es erscheint daher aus Gründen der Prozessökonomie sachgerecht, dass das Landgericht einheitlich über die Höhe des Schadensersatzanspruchs aller sechs klägerischen Beschaffungsvorgänge verhandelt.

III.

Der nach der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eingereichte nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 20. Juni 2018 bot keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen (§ 156 ZPO).

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1, § 101 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache erfordert, wie die Ausführungen unter B. zeigen, lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den Einzelfall.

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Zivilprozessordnung - ZPO | § 711 Abwendungsbefugnis


In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt e

Zivilprozessordnung - ZPO | § 287 Schadensermittlung; Höhe der Forderung


(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit e

Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 529 Prüfungsumfang des Berufungsgerichts


(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:1.die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidung

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 254 Mitverschulden


(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem

Zivilprozessordnung - ZPO | § 531 Zurückgewiesene und neue Angriffs- und Verteidigungsmittel


(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen. (2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie1.einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht

Zivilprozessordnung - ZPO | § 156 Wiedereröffnung der Verhandlung


(1) Das Gericht kann die Wiedereröffnung einer Verhandlung, die geschlossen war, anordnen. (2) Das Gericht hat die Wiedereröffnung insbesondere anzuordnen, wenn 1. das Gericht einen entscheidungserheblichen und rügbaren Verfahrensfehler (§ 295),

Zivilprozessordnung - ZPO | § 538 Zurückverweisung


(1) Das Berufungsgericht hat die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden. (2) Das Berufungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an d

Zivilprozessordnung - ZPO | § 304 Zwischenurteil über den Grund


(1) Ist ein Anspruch nach Grund und Betrag streitig, so kann das Gericht über den Grund vorab entscheiden. (2) Das Urteil ist in Betreff der Rechtsmittel als Endurteil anzusehen; das Gericht kann jedoch, wenn der Anspruch für begründet erklärt is

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 1 Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen


Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, sind verboten.

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZB 96/15
vom
23. August 2016
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Ein Nebenintervenient - gleich ob als einfacher oder streitgenössischer
Streithelfer - beteiligt sich, auch wenn er dabei in eigenem Namen und kraft
eigenen (prozessualen) Rechts neben der Hauptpartei handelt, mit der aus
seiner Stellung und seinem Auftreten heraus zum Ausdruck kommenden
prozessualen Erklärung, die Hauptpartei unterstützen zu wollen, an einem
fremden Prozess, ohne selbst Partei zu werden. Ob der Streithelfer dabei als
einfacher oder als streitgenössischer Streithelfer auftritt, ist deshalb keine
Frage seiner Parteistellung im Prozess, sondern betrifft allein Art und Umfang
der ihm dabei nach § 66 Abs. 2, § 67 ZPO zukommenden Befugnisse.

b) Zur Bindung des Rechtsbeschwerdegerichts an die Feststellungen des Berufungsgerichts
zur (Un-)Zulässigkeit einer Berufung.
BGH, Beschluss vom 23. August 2016 - VIII ZB 96/15 - LG Schwerin
AG Schwerin
ECLI:DE:BGH:2016:230816BVIIIZB96.15.0

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. August 2016 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Milger sowie die Richter Dr. Achilles, Dr. Schneider, Dr. Bünger und Kosziol
beschlossen:
Auf die vom Streithelfer geführte Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Landgerichts Schwerin - Zivilkammer 6 - vom 13. November 2015 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an eine andere Kammer des Berufungsgerichts zurückverwiesen. Gerichtskosten für das Verfahren der Rechtsbeschwerde werden nicht erhoben. Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde: 1.830 €

Gründe:

I.

1
Der Streithelfer der Klägerin mietete Anfang 2009 eine Wohnung des Beklagten in Schwerin. Als Mietsicherheit stellte er eine selbstschuldnerische Bürgschaft der Klägerin über einen der Nettomiete für drei Monate entspre- chenden Höchstbetrag von 1.830 €. Im März 2012 nahm der Beklagte die Klä- gerin wegen offener Forderungen aus den Nebenkostenabrechnungen der Jahre 2009 und 2010 in Höhe des verbürgten Höchstbetrages aus der Bürgschaft in Anspruch, woraufhin die Klägerin mit dieser Leistungsbestimmung zahlte.
2
Sie nimmt den Beklagten mit ihrer Klage auf die Rückzahlung des geleisteten Betrages nebst Zinsen in Anspruch, weil nach ihren Behauptungen die Nebenkostenabrechnungen unrichtig gewesen seien und Nachzahlungen nicht hätten beansprucht werden können. Der Streithelfer ist nach Streitverkündung durch die Klägerin dem Rechtsstreit auf ihrer Seite beigetreten.
3
Gegen die vom Amtsgericht erkannte Klageabweisung hat der Prozessbevollmächtigte des Streithelfers unter Bezugnahme auf das am 17. März 2014 sowohl ihm als auch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellte Urteil "namens und in Vollmacht des Streithelfers/Nebenintervenienten" am 16. April 2014 Berufung eingelegt, wobei er die Berufung als Berufung des "Streithelfers und Berufungsklägers" gekennzeichnet hat. Die Klägerin war in der Berufungsschrift nicht namentlich genannt. Am 16. Mai 2014 hat der Prozessbevollmächtigte des Streithelfers beantragt, "in dem Berufungsverfahren H. B. [Streithelfer] ./. W. K. [Beklagter] … die Frist zur Begründung der Berufung um 1 Monat zu verlängern". Dem hat der Vorsitzende der Berufungskammer entsprochen. Mit am 17. Juni 2014 eingegangenem Schriftsatz hat der Prozessbevollmächtigte des Streithelfers die von ihm als "Berufung des Streitverkündeten" bezeichnete Berufung begründet und zur Zulässigkeit der Berufung unter anderem darauf hingewiesen, der Streithelfer habe sich dem Klageantrag der Klägerin angeschlossen, weil er bei Rechtskraft des klageabweisenden Urteils den auf die Bürgschaft gezahlten Betrag an die Klägerin er- statten müsse, so dass er um mehr als 600 € beschwert sei; insoweit habe die Klägerin bereits einen Mahnbescheid gegen den Streithelfer erwirkt, gegen den er fristwahrend Widerspruch eingelegt habe, so dass er unmittelbar von dem Ausgang des Berufungsverfahrens betroffen sei.
4
Nachdem der Vorsitzende der Berufungskammer mit Verfügung vom 24. Juni 2014 darauf hingewiesen hatte, ein selbständiges Rechtsmittel des Streithelfers sei nach Maßgabe des § 69 ZPO nicht statthaft, hat der Streithelfer dem mit Schriftsatz vom 24. Juli 2014 zunächst widersprochen und geltend gemacht , er könne gemäß § 69 ZPO als Streitgenosse der Hauptpartei selbständig ohne und gegen den Willen der unterstützten Partei im eigenen Namen Rechtsmittel einlegen. Auf die weitere Hinweisverfügung vom 25. Juli 2014 hat er mit Schriftsatz vom 13. August 2014 erklärt, er habe eine unselbständige Berufung für die Klägerin eingelegt, weshalb er um entsprechende Korrektur des Rubrums bitte.
5
Durch Beschluss vom 13. November 2015, gegen den sich der Streithelfer mit seiner Rechtsbeschwerde wendet, hat das Berufungsgericht "die durch den Nebenintervenienten für die Klägerin eingelegte Berufung" als unzulässig verworfen. Zur Begründung dieser Entscheidung hat es im Wesentlichen ausgeführt :
6
Die Berufung des Streithelfers sei sowohl als unselbständige Berufung der Klägerin als auch als selbständiges, auf eine streitgenössische Nebenintervention gestütztes Rechtsmittel des Streithelfers unzulässig. Gegen eine unselbständige Berufung spreche bereits, dass der Streithelfer in der Berufungsschrift vom 16. April 2014 ausdrücklich als Berufungskläger bezeichnet und anschließend die Berufung "für den Streitverkündeten" sowie damit begründet worden sei, dass die erstinstanzliche Entscheidung diesen beschwere. Allerdings könne dahinstehen, ob die Berufung bereits aufgrund der Berufungsschrift als unselbständige Berufung des Streithelfers für die Klägerin zu verstehen gewesen sei. Denn mit einer unselbständigen Berufung hätte sich der Streithelfer in Widerspruch zur Hauptpartei gesetzt. Die Klägerin sei nämlich nicht gewillt gewesen, weitere Prozesshandlungen vorzunehmen, sondern habe durch die Inregressnahme des Streithelfers erkennen lassen, das erstinstanzliche Urteil selbst nicht anfechten und gegen sich gelten lassen zu wollen.
7
Eine Berufung sei daher allein als selbständige Berufung eines streitgenössischen Nebenintervenienten unabhängig vom Willen der Hauptpartei und - wie geschehen - im eigenen Namen denkbar gewesen. Die Voraussetzungen einer streitgenössischen Nebenintervention im Sinne von § 69 ZPO, auf deren Grundlage die Berufung zunächst eingereicht worden sei und deren Vorliegen der Streithelfer lange verteidigt habe, seien allerdings nicht gegeben. Die vor diesem Hintergrund am 13. August 2014 abgegebene Erklärung des Streithelfers , er lege unselbständige Berufung für die Klägerin ein und bitte darum, das Rubrum zu korrigieren, habe deshalb zu einem Parteiwechsel geführt. Denn bei der unselbständigen Berufung des einfachen Nebenintervenienten (§ 67 ZPO) komme allein der Klägerin die Rolle der Hauptpartei zu, wohingegen bei dem vom Streithelfer zunächst angenommenen Fall der selbständigen Berufung des streitgenössischen Nebenintervenienten (§ 69 ZPO) der Nebenintervenient, also der Streithelfer selbst, die Hauptpartei sei.
8
Die zuletzt reklamierte unselbständige Berufung wiederum habe der Streithelfer zumindest nicht innerhalb der Frist des § 520 Abs. 2 ZPO "(de facto bis dato überhaupt nicht)" begründet. Das erstinstanzliche Urteil sei der Klägerin am 17. März 2014 zugestellt worden und hätte daher bis zum Montag, dem 19. Mai 2014, begründet werden müssen. Der Antrag auf Verlängerung der an diesem Tag ablaufenden Frist zur Begründung der Berufung habe sich jedoch nur auf die eigene Berufung des Streithelfers als selbständigem Nebenintervenienten und damit als Hauptpartei bezogen, nicht jedoch auf die nach dem Parteiwechsel durch den Streithelfer als unselbständigem Nebenintervenienten für die Klägerin als Hauptpartei geführte Berufung. Das ergebe sich daraus, dass der Antrag "in dem Berufungsverfahren H. B. [Streithelfer] ./. W. K. [Beklagter]" gestellt worden sei. Auch sei die Berufung ausdrücklich "für den Streitverkündeten" begründet worden.
9
Nichts anderes folge daraus, dass das Rechtsmittel eines Streitverkündeten nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stets ein Rechtsmittel für die Hauptpartei sei und es einer ausdrücklichen Erklärung, das Rechtsmittel namens der Hauptpartei einlegen zu wollen, nicht bedürfe. Denn das gelte allein für Fälle, in denen es von vornherein unzweifelhaft um einen Fall der unselbständigen Nebenintervention gehe. Hier habe der Streithelfer die Berufung dagegen ausdrücklich im eigenen Namen erhoben und noch auf richterlichen Hinweis vom 24. Juni 2014, dass die Berufung nach Maßgabe des § 69 ZPO nicht statthaft sein dürfte, daran festgehalten, er habe im Sinne eines selbständigen Streitgenossen (§ 69 ZPO) die Stellung einer eigenständigen (Haupt-) Partei. Auch habe er auf die eigene Beschwer abgestellt, wohingegen es in Fällen der unselbständigen Berufung auf die Beschwer der unterstützten Hauptpartei ankomme, für welche die Berufung geführt werde. Erst mit Schriftsatz vom 13. August 2014 habe der Streithelfer auf eine unselbständige Berufung abgestellt , worin jedoch ein nicht zum Erfolg führender Versuch zu sehen sei, "unter der Ägide des § 69 ZPO vorgenommene Prozesshandlungen (für den Nebenintervenienten ) nachträglich in solche einer unselbständigen Nebenintervention für die Klägerin "umdeuten" zu wollen."

II.

10
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist auch nach § 574 Abs. 2 ZPO zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Streithelfers aus den nachstehenden Gründen zu Unrecht nach § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig verworfen. Indem es dadurch dem Streithelfer den Zugang zur Berufungsinstanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise versagt hat, hat es zugleich dessen verfassungsrechtlich ver- bürgten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) in zulassungsrelevanter Weise verletzt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 1. März 2016 - VIII ZB 88/15, NJW 2016, 1179 Rn. 3; vom 8. April 2014 - VIII ZB 30/13, WuM 2014, 427 Rn. 7; vom 4. Juni 2014 - IV ZB 2/14, NJW-RR 2014, 1102 Rn. 7; jeweils mwN).
11
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
12
Anders als das Berufungsgericht meint, hat der Streithelfer die von ihm form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung (§§ 517, 519 Abs. 1, 2, § 520 ZPO) bei einer interessengerechten Auslegung seiner Prozesshandlungen von Beginn an nicht selbst als Partei des Berufungsverfahrens geführt, sondern die Klägerin als Hauptpartei des Berufungsverfahrens in zulässiger Weise lediglich als (einfacher) Streithelfer unterstützt, ohne dass ein der Wirksamkeit dieser Berufungseinlegung entgegenstehender Wille der Klägerin erkennbar geworden ist.
13
a) Insoweit kommt es - wie die Rechtsbeschwerde mit Recht geltend macht - für die Zulässigkeit der Berufung auf die vom Berufungsgericht für maßgeblich erachteten Fragen nach der Parteistellung eines streitgenössischen Nebenintervenienten (§ 69 ZPO) bei einem von ihm eingelegten Rechtsmittel und den Möglichkeiten einer nachträglichen "Umdeutung" dieses Rechtsmittels in die Berufung eines einfachen Nebenintervenienten allerdings von vornherein nicht an. Denn dies ist bei der vom Streithelfer eingelegten Berufung für die Identität von Rechtsmittel und Rechtsmittelführer und die sich daraus im Streitfall ergebenden rechtlichen Anforderungen an die Zulässigkeit seines Rechtsmittels im Ergebnis ohne Bedeutung.
14
aa) Das Verhältnis des Streithelfers als Streitverkündetem zu den Parteien des Rechtsstreits bestimmt sich gemäß § 74 Abs. 1 ZPO nach den Grund- sätzen der Nebenintervention (§§ 66 ff. ZPO). Danach sind sowohl der einfache als auch der streitgenössische Nebenintervenient berechtigt, Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend zu machen und alle Prozesshandlungen wirksam vorzunehmen (§ 67 ZPO) sowie Rechtsmittel einzulegen (vgl. § 66 Abs. 2 ZPO).
15
bb) Das Rechtsmittel eines einfachen Streithelfers ist stets ein Rechtsmittel für die Hauptpartei, ohne dass er dabei selbst in eine Parteirolle gelangt; vielmehr liegt in seiner Rechtsmitteleinlegung nur die Erklärung, das Rechtsmittel der von ihm bei seinem Beitritt bezeichneten Partei unterstützen zu wollen (BGH, Urteile vom 26. März 1997 - IV ZR 137/96, VersR 1997, 1088 unter 1 a; vom 16. Januar 1997 - I ZR 208/94, NJW 1997, 2385 unter II 2; vom 4. Oktober 1994 - VI ZR 223/93, NJW 1995, 198 unter II 2; vom 15. Juni 1989 - VII ZR 227/88, NJW 1990, 190 unter 1 b; jeweils mwN). Eigene Interessen verfolgt er nur durch die prozessuale Unterstützung des Rechtsschutzinteresses der Partei , der er beitritt (BGH, Beschlüsse vom 20. Dezember 1990 - III ZB 40/90, juris Rn. 4; vom 27. Juni 1985 - III ZB 12/85, NJW 1986, 257).
16
cc) Anders als das Berufungsgericht meint, ist auch das Rechtsmittel eines streitgenössischen Nebenintervenienten (§ 69 ZPO), als der sich der Streithelfer aus der Sicht des Berufungsgerichts zunächst geriert haben soll, stets ein Rechtsmittel des Streithelfers für die Hauptpartei, ohne dass der streitgenössische Nebenintervenient selbst Partei des Rechtsstreits wird. Die vom Berufungsgericht im Streitfall aufgeworfene Frage nach der Identität von Rechtsmittel und Rechtsmittelführer und einem dadurch vermeintlich bedingten Parteiwechsel auf Seiten des Berufungsklägers hat sich deshalb nicht gestellt, da es an der Rechtsstellung der Klägerin als Hauptpartei nichts geändert hätte, wenn der Streithelfer statt als einfacher als streitgenössischer Nebenintervenient aufgetreten wäre.
17
(1) Eine streitgenössische Nebenintervention setzt gemäß § 69 ZPO voraus, dass nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts (oder des Prozessrechts ) die Rechtskraft der in dem Hauptprozess erlassenen Entscheidung gerade für ein Rechtsverhältnis zwischen dem Nebenintervenienten und dem Prozessgegner von Bedeutung ist (BGH, Beschluss vom 5. Juni 2014 - V ZB 160/13, NJW 2014, 3521 Rn. 7 mwN). Mit Rücksicht auf diese stärkere Einwirkung des Urteils auf seine rechtlichen Belange räumt das Gesetz dem streitgenössischen Nebenintervenienten, der danach im Sinne des § 61 ZPO als Streitgenosse der Hauptpartei gilt, ein eigenes Prozessführungsrecht ein, das unabhängig von dem Willen der von ihm unterstützten Hauptpartei ist (BGH, Beschluss vom 10. Oktober 1984 - IVb ZB 23/84, NJW 1985, 386 unter II 1). Daher kann er frei von den für den einfachen Nebenintervenienten geltenden Beschränkungen (vgl. § 67 Halbs. 2 ZPO) Prozesshandlungen selbst im Widerspruch zu der von ihm unterstützten Partei vornehmen und damit selbständig, auch durch Einlegung eines Rechtsmittels (vgl. § 66 Abs. 2 ZPO), auf eine nach seiner Ansicht richtige Entscheidung hinwirken (BGH, Urteile vom 18. Februar 2009 - XII ZR 156/07, BGHZ 180, 51 Rn. 13; vom 23. November 1983 - IX ZR 93/82, BGHZ 89, 121, 123 f.).
18
Hierbei steht ihm das Recht zur Prozessführung in dem Prozess der Hauptpartei mit dem Ziel ihrer Unterstützung nicht als abgeleitetes, sondern als ein von der Partei unabhängiges selbständiges Recht zu (BGH, Beschluss vom 28. September 1998 - II ZB 16/98, NJW-RR 1999, 285 unter 2 b aa). Dementsprechend sind von der Hauptpartei und vom streitgenössischen Nebenintervenienten eigenständig eingelegte Rechtsmittel nicht - wie bei einfacher Streithilfe (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Juli 1993 - V ZR 235/92, NJW 1993, 2944 unter II 1 mwN) - als einheitliches Rechtsmittel, sondern getrennt zu behandeln (BGH, Urteil vom 30. April 2004 - II ZR 328/00, NJW 2001, 2638 unter II 1; BGH, Beschluss vom 4. Oktober 1993 - II ZB 9/93, VersR 1994, 702 unter [II] 1 mwN).
19
(2) Dadurch wird jedoch auch der streitgenössische Nebenintervenient nicht selbst zur Partei des Rechtsstreits, sondern gilt nach § 69 ZPO lediglich als Streitgenosse der Hauptpartei (BGH, Beschluss vom 22. Dezember 1964 - Ia ZR 237/63, NJW 1965, 760). Folgerichtig führt er keinen eigenen, sondern einen fremden Prozess, nämlich den der von ihm unterstützten Hauptpartei (BGH, Urteile vom 18. Februar 2009 - XII ZR 156/07, aaO Rn. 16; vom 16. Januar 1997 - I ZR 208/94, NJW 1997, 2385 unter II 2; jeweils mwN; Beschlüsse vom 11. Mai 2009 - II ZR 105/08, juris Rn. 3; vom 28. September 1998 - II ZB 16/98, aaO unter 2 b bb). Zugleich bleibt er trotz seiner im Vergleich zur einfachen Streithilfe unabhängigeren Stellung Prozessgehilfe der unterstützten Partei (BGH, Beschluss vom 22. Dezember 1964 - Ia ZR 237/63, aaO). Denn auch das selbständige Prozessführungsrecht des streitgenössischen Nebenintervenienten ist, wie etwa in § 66 Abs. 1 ZPO zum Ausdruck kommt ("zum Zwecke ihrer Unterstützung"), dem Wesen der Streithilfe nach nur ein Recht zur Prozessführung im Prozess der Hauptpartei mit dem Ziel ihrer Unterstützung.
20
dd) Der Nebenintervenient - gleich ob als einfacher oder streitgenössischer Streithelfer - beteiligt sich also, auch wenn er dabei - wie hier - in eigenem Namen und kraft eigenen (prozessualen) Rechts neben der Hauptpartei handelt, mit der aus seiner Stellung und seinem Auftreten heraus zum Ausdruck kommenden prozessualen Erklärung, die Hauptpartei unterstützen zu wollen, an einem fremden Prozess, ohne selbst Partei zu werden (vgl. BGH, Urteile vom 4. Oktober 1990 - IX ZB 78/90, NJW 1991, 229 unter II 2 a; vom 4. Oktober 1994 - VI ZR 223/93, NJW 1995, 198 unter II 2; Beschluss vom 19. Januar 2010 - VI ZB 36/08, NJW 2010, 1377 Rn. 7; jeweils mwN). Ob der Streithelfer vorliegend als einfacher oder als streitgenössischer Streithelfer aufgetreten ist, ist demgemäß keine Frage seiner Parteistellung im Berufungsverfahren, sondern betrifft allein Art und Umfang der ihm dabei nach § 66 Abs. 2, § 67 ZPO zukommenden Befugnisse.
21
ee) Dass der Streithelfer die Berufung - dieser gesetzlichen Konzeption entsprechend - im Streitfall aus seiner als solcher nicht in Zweifel gezogenen Stellung als Streithelfer der Klägerin heraus eingelegt und begründet hat, hat er in seiner Berufungs- wie auch in seiner Berufungsbegründungsschrift unmissverständlich zum Ausdruck gebracht. Das gilt in gleicher Weise für seinen Fristverlängerungsantrag , für den das Berufungsgericht ungeachtet der Parteibezeichnung im Rubrum des Schriftsatzes jedenfalls im Kern zutreffend angenommen hat, dass der Streithelfer ebenfalls aus dieser bereits in der Berufungsschrift mitgeteilten prozessualen Stellung heraus gehandelt hat.
22
Dass das Berufungsgericht davon ausgegangen ist, der Streithelfer habe als Hauptpartei des Berufungsverfahrens handeln wollen, ist demgegenüber nur eine auf einer grundlegenden Verkennung der prozessualen Stellung eines Nebenintervenienten (dazu vorstehend unter II 2 a dd) beruhende und demgemäß unbeachtliche rechtliche Schlussfolgerung. Entsprechendes gilt für den vom Berufungsgericht rechtsirrig angenommenen Parteiwechsel. Dieser kann sich auch nicht daraus ergeben, dass der Streithelfer sich nach vorangegangener form- und fristgerechter Berufungseinlegung und -begründung als Streithelfer für die Klägerin durch wenig zielführende rechtliche Hinweise des Vorsitzenden der Berufungskammer zunächst veranlasst gesehen hat, sich als streitgenössischer Nebenintervenient (§ 69 i.V.m. § 74 Abs. 1 ZPO) zu bezeichnen, um hiervon unter dem Eindruck der Hinweisverfügung vom 11. Mai 2015 wieder im Sinne einer einfachen Streithilfe abzurücken.
23
b) Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass der Streithelfer als einfacher Streithelfer anzusehen ist und den Beschränkungen des § 67 Halbs. 2 BGB unterliegt, weil ein Urteil zwischen der Klägerin als Bürgin und dem Beklagten als Gläubiger - vom hier nicht interessierenden Fall des § 775 Abs. 1 Nr. 4 BGB abgesehen - keine Rechtskraftwirkung zu Lasten des Streithelfers als Hauptschuldner entfalten würde (vgl. MünchKommZPO/Gottwald, 4. Aufl., § 325 Rn. 79; Musielak/Voit/Musielak, ZPO, 13. Aufl., § 325 Rn. 15; BeckOK-ZPO/Gruber, Stand März 2016, § 325 Rn. 62; Palandt/Sprau, BGB, 75. Aufl., § 767 Rn. 4). Dass die Klägerin befugt war, dem Streithelfer zur Sicherstellung ihres Bürgenregresses (§ 774 BGB) in der geschehenen Weise gemäß § 72 Abs. 1 ZPO den Streit zu verkünden, steht ebenfalls außer Frage (vgl. Musielak/Voit/Weth, aaO § 72 Rn. 6 mwN).
24
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die Berufung des Streithelfers allerdings nicht deshalb gemäß § 67 Halbs. 2 ZPO unzulässig, weil die Klägerin als Hauptpartei durch dessen Inanspruchnahme zum Ausdruck gebracht hätte, einer Rechtsmitteleinlegung durch ihn widersprechen zu wollen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. Juli 2015 - II ZR 177/14, juris Rn. 7; vom 10. November 1988 - VII ZB 8/88, NJW 1989, 1357 unter III 2 a; Urteil vom 16. Januar 1997 - I ZR 208/94, WM 1997, 1576 unter II 2; jeweils mwN). Denn die Klägerin hat einen solchen Widerspruch nicht erklärt.
25
aa) Dahingehend kann der Senat als Rechtsbeschwerdegericht nicht nur die maßgeblichen Prozesshandlungen selbst auslegen (st. Rspr.; BGH, Urteile vom 14. November 2013 - IX ZR 215/12, WM 2014, 854 Rn. 6; vom 1. August 2013 - VII ZR 268/11, NJW 2014, 155 Rn. 30; Beschluss vom 9. Juli 2014 - VII ZB 9/13, NJW 2014, 2732 Rn. 11; jeweils mwN), wobei die Auslegung dem Grundsatz zu folgen hat, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und dem recht verstandenen Interesse entspricht, ohne dabei am buchstäblichen Sinn der Wortwahl einer Partei zu haften (st. Rspr.; BGH, Urteil vom 5. Oktober 2010 - VI ZR 257/08, NJW 2010, 3779 Rn. 4 mwN). Vielmehr ist der Senat auch sonst nicht an die Feststellungen des Berufungsgerichts zur Unzulässigkeit der Berufung gebunden, sondern hat das vom Berufungsgericht als Hindernis einer wirksamen Berufungseinlegung bejahte Vorliegen eines Widerspruchs der Klägerin selbst von Amts wegen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu prüfen (BGH, Urteil vom 4. April 2012 - III ZR 75/11, NJW-RR 2012, 702 Rn. 12; Beschlüsse vom 20. Mai 2010 - V ZB 243/09, juris Rn. 4; vom 4. Juni 1992 - IX ZB 10/92, NJWRR 1992, 1338 unter II 2 mwN). Das bedeutet zwar nicht Amtsermittlung der Tatsachen und Ausforschung der Wahrheit wie beim Untersuchungsgrundsatz, gebietet aber andererseits eine umfassende Prüfung des dem Gericht vorliegenden oder offenkundigen Prozessstoffs. Der Senat kann daher - genauso wie es schon Aufgabe des Berufungsgerichts gewesen wäre - alle aus dem Akteninhalt ersichtlichen Anhaltspunkte prüfen und würdigen, welche für die Entscheidung der Frage von Bedeutung sein könnten, ob ein Widerspruch der Klägerin gegen eine Anfechtung des erstinstanzlichen Urteils durch den Streithelfer vorgelegen hat oder nicht (vgl. BGH, Urteil vom 14. März 2001 - XII ZR 51/99, NJW 2001, 1581 unter 2 b; Beschluss vom 19. April 1994 - VI ZB 3/94, NJW 1994, 1881 unter II 1).
26
bb) Das Vorliegen eines Widerspruchs der Klägerin gegen die im Streit stehende Rechtsmitteleinlegung hat das Berufungsgericht dagegen rechtsfehlerhaft bejaht.
27
(1) Zwar muss ein Widerspruch der Hauptpartei - wie das Berufungsgericht noch zutreffend gesehen hat - nicht ausdrücklich erklärt werden. Es reicht vielmehr aus, wenn sich dieser durch schlüssiges Verhalten aus dem Gesamtverhalten der Hauptpartei zweifelsfrei ergibt (BGH, Beschlüsse vom 21. Juli 2015 - II ZR 177/14, aaO; vom 27. September 2009 - VII ZB 85/06, NJW-RR 2008, 261 Rn. 8; vom 10. November 1988 - VII ZB 8/88, aaO; vom 10. Januar 2006 - VIII ZB 82/05, BGHZ 165, 358, 361; Urteil vom 19. März 2015 - I ZR 190/13, WM 2015, 2332 Rn. 24), wobei allein die bloße Untätigkeit (BGH, Beschluss vom 10. Januar 2006 - VIII ZB 82/05, aaO; Urteil vom 14. Dezember 1967 - II ZR 30/67, BGHZ 49, 183, 188) oder auch eine Zurücknahme des von der Hauptpartei zunächst selbst eingelegten Rechtsmittels nicht genügen (BGH, Beschluss vom 10. November 1988 - VII ZB 8/88, aaO; Urteil vom 21. Mai 1987 - VII ZR 296/86, NJW 1988, 712 unter II 1). Steht ein möglicher Widerspruch jedoch nicht mit der nötigen Eindeutigkeit fest, ist die Prozesshandlung im Zweifel als wirksam anzusehen (BGH, Urteile vom 29. Oktober 1990 - II ZR 146/89, NJW-RR 1991, 358 unter III 3; vom 28. März 1985 - VII ZR 317/84, NJW 1985, 2480 unter 2; Beschluss vom 10. November 1988 - VII ZB 8/88, aaO; vgl. ferner Urteil vom 19. März 2015 - I ZR 190/13, aaO).
28
(2) Gemessen an diesen Voraussetzungen genügt für einen zweifelsfreien Widerspruch aufgrund des Gesamtverhaltens der Klägerin nicht, dass diese den Streithelfer wegen des in erster Instanz vergeblich eingeklagten Rückforderungsbetrages in Regress nimmt (§ 774 BGB). Dem kann für sich allein allenfalls entnommen werden, dass die Klägerin sich wegen dieses Betrages weiterhin schadlos halten und dies auch verjährungsrechtlich absichern will. Daraus geht jedoch nicht hervor, dass sie nicht damit einverstanden wäre, dieses Ziel auch über eine vom Streithelfer geführte Berufung zu erreichen.
29
Im Streitfall liegt vielmehr sogar ein ausdrücklich erklärtes Einverständnis der Klägerin mit der Prozessführung des Streithelfers vor. Dieses ergibt sich aus einem vom Berufungsgericht übergangenen Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 1. April 2014, welches dem vom Berufungsgericht ansonsten im angefochtenen Beschluss behandelten Schriftsatz des Streithelfers vom 24. Juli 2014 beigefügt war. Darin findet sich neben dem Hinweis, dass die Klägerin nicht gewillt sei, weitere kostenauslösende Maßnahmen zu ergreifen, die Erklärung, dass es dem "Streithelfer natürlich unbenommen [bleibe ], das vorgenannte Urteil in der zweiten Instanz überprüfen zu lassen."
30
cc) Die vom Streithelfer eingelegte Berufung ist auch nicht deshalb unzulässig , weil er in seiner Berufungsbegründung entgegen § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO nicht die Verletzung der angesichts der für die Klägerin geführten Berufung allein maßgeblichen Rechte der Klägerin geltend gemacht hat, sondern auf eine eigene Rechtsverletzung abgestellt hat. Jedenfalls soweit der Streithelfer geltend gemacht hat, der Beklagte sei nicht Vermieter und die Nebenkostenabrechnungen seien nicht gerechtfertigt, genügen diese Darlegungen , um zugleich eine etwaige Rechtsverletzung der Klägerin geltend zu machen , über die das Berufungsgericht zu befinden haben wird.

III.

31
Da die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Dabei macht der Senat von den Möglichkeiten der § 577 Abs. 4 Satz 3 ZPO, § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG Gebrauch. VRinBGH Dr. Milger ist wegen Urlaubs- Dr. Achilles Dr. Schneider abwesenheit an der Unterschrift verhindert. Karlsruhe, 25.08.2016 Dr. Achilles Dr. Bünger Kosziol
Vorinstanzen:
AG Schwerin, Entscheidung vom 21.02.2014 - 12 C 3/13 -
LG Schwerin, Entscheidung vom 13.11.2015 - 6 S 49/14 -

(1) Ist ein Anspruch nach Grund und Betrag streitig, so kann das Gericht über den Grund vorab entscheiden.

(2) Das Urteil ist in Betreff der Rechtsmittel als Endurteil anzusehen; das Gericht kann jedoch, wenn der Anspruch für begründet erklärt ist, auf Antrag anordnen, dass über den Betrag zu verhandeln sei.

Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, sind verboten.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Kartellsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 9. November 2016 unter Zurückweisung der weitergehenden Revision der Klägerin und der Revision der Beklagten im Kostenpunkt und im Umfang der nachfolgenden Änderung des erstinstanzlichen Urteils aufgehoben.

Auf die Berufungen der Parteien wird das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Mannheim vom 30. Oktober 2015 im Kostenpunkt aufgehoben und in Nummer 2 bis 3 des Tenors wie folgt geändert:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin als Gesamtrechtsnachfolgerin der Beton Kemmler GmbH & Co. KG sowie der Beton Kemmler GmbH sämtliche Schäden nebst Zinsen ab Schadensentstehung in Höhe von jährlich 4 Prozent zu ersetzen, die aufgrund von im Zeitraum vom 1. Januar 1993 bis zum 31. Dezember 2002 in Bezug auf den Absatz von Grauzement getroffenen Quotenabsprachen der Beklagten mit anderen Herstellern von Zement, gemäß den Feststellungen des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 26. Juni 2009 - VI-2a Kart 2-6/08 OWi, bestätigt durch Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 26. Februar 2013 - KRB 20/12, im Zusammenhang mit Bezügen von Grauzement durch die Beton Kemmler GmbH & Co. KG bei der Beklagten sowie bei Gesellschaften der Unternehmensgruppen Schwenk und Dyckerhoff sowie bei Rohrbach Zement/Portlandzementwerk im Zeitraum vom 1. Januar 1993 bis zum 31. Dezember 2002 entstanden sind.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehenden Berufungen werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3. Ausgenommen hiervon sind die Kosten des Zwischenstreits über den Beitritt der Streithelferin zu 3 auf Seiten der Klägerin, diese trägt die Streithelferin zu 3. Die Klägerin trägt 1/3 der außergerichtlichen Kosten der Streithelferinnen zu 1 und 2 sowie 1/3 der außergerichtlichen Kosten der Streithelferin zu 3 in der Revisionsinstanz. Im Übrigen tragen die Streithelferinnen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Beteiligung an einem Kartell auf Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch.

2

Die Klägerin handelt mit Baustoffen und befasst sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von Bauelementen. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin bezog in den Jahren 1993 bis 2002 bei der Beklagten, bei den Streithelferinnen zu 1 und 2 und bei der Rohrbach Zement GmbH & Co. KG (früher Portlandzementwerk Dotternhausen, im Folgenden: Rohrbach) Zement für insgesamt rund 10,67 Millionen Euro.

3

Im April 2003 erließ das Bundeskartellamt gegen die Beklagte, die Streithelferinnen zu 1 und 2 sowie weitere Zementhersteller Bußgeldbescheide wegen kartellrechtswidriger Gebiets- und Quotenabsprachen. Nachdem die Beklagte und die Streithelferinnen zu 1 und 2 Einspruch eingelegt hatten, setzte das OLG Düsseldorf mit Urteil vom 26. Juni 2009 (VI-2a Kart 2-6/08 OWi) wegen Kartellordnungswidrigkeiten, unter anderem wegen der Beteiligung an einem Kartell über Zementlieferquoten in den südlichen Bundesländern, Bußgelder fest. Die Bußgeldverfahren sind durch Entscheidung des Bundesgerichtshofs rechtskräftig abgeschlossen (BGH, Beschluss vom 26. Februar 2013 - KRB 20/12, BGHSt 58, 158 - Grauzementkartell I).

4

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, sämtliche Schäden nebst Zinsen zu ersetzen, die der Rechtsvorgängerin der Klägerin aus den Beschaffungsvorgängen im Zeitraum vom 1. Januar 1993 bis 31. Dezember 2002 aufgrund der Kartellabsprachen entstanden sind und künftig noch entstehen.

5

Die Klage war vor dem Landgericht bis auf einen Teil des geltend gemachten Zinsanspruchs erfolgreich. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht unter Abweisung der weitergehenden Klage festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Mehrerlös herauszugeben, den die Beklagte aufgrund von Quotenabsprachen aus ihren Lieferungen von Grauzement an die Rechtsvorgängerin der Klägerin erlangt hat. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen beide Parteien ihre zuletzt gestellten Anträge weiter.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Klägerin ist überwiegend begründet. Dagegen bleibt die Revision der Beklagten erfolglos.

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A. Das Berufungsgericht (OLG Karlsruhe, NZKart 2016, 595 = WuW 2017, 43) hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet.

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Die Klage sei zulässig. Zu Recht habe das Landgericht das Feststellungsinteresse bejaht. Die Erhebung einer Feststellungsklage anstelle einer Leistungsklage sei aus prozessökonomischen Gründen geboten, wenn der Kläger den Schaden erst nach Durchführung einer sachverständigen Begutachtung beziffern könne. Dies sei bei Schadensersatzklagen wegen eines Kartellverstoßes regelmäßig der Fall. Die Möglichkeit einer gerichtlichen Schadensschätzung nach § 287 ZPO stehe dem nicht entgegen. Der Klageantrag sei auch ausreichend bestimmt.

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Ein Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz ergebe sich für Erwerbsvorgänge in den Jahren 1993 bis 1998 aus § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit §§ 1, 38 Abs. 1 Nr. 1 GWB 1990, für die Jahre 1999 bis 2002 aus §§ 1, 33 Abs. 1 GWB. Die Beteiligung der Beklagten und der Streithelferinnen zu 1 und 2 am Kartell sei nicht streitig. Da das Bußgeldverfahren bei Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle noch nicht rechtskräftig abgeschlossen gewesen sei, finde zudem § 33 Abs. 4 Satz 1 und 2 GWB Anwendung. Die Lieferverträge seien von dem Kartell betroffen. Das Landgericht habe zu Recht angenommen, dass bei einem Quotenkartell der erste Anschein dafür spreche, dass es sich preissteigernd auswirke. Auch ergebe sich aus den bindenden Feststellungen im Bußgeldverfahren, dass die Beklagte und die Streithelferinnen zu 1 und 2 kartellbedingt Mehrerlöse erzielt hätten. Die Klageforderung sei nur auf Erwerbsvorgänge gestützt, durch die die Klägerin Grauzement direkt von der Beklagten, den Streithelferinnen zu 1 und 2 oder Rohrbach bezogen habe. Es bestehe eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Kartell, das Anfang 2002 geendet habe, noch bis zum Ende des Jahres 2002 das Preisniveau beeinflusst habe. Eine Beteiligung von Rohrbach an dem Kartell sei zwar nicht festgestellt, doch spreche angesichts des Umstands, dass das Kartell eine Marktabdeckung von 71,3 % erreicht habe, der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass das Kartell auch bei Kartellaußenseitern zu Preiserhöhungen geführt habe. Damit sei der Eintritt eines Schadens hinreichend wahrscheinlich.

10

Soweit die Klägerin Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz künftiger Schäden begehre, sei die Klage unbegründet, weil die Schadensentwicklung abgeschlossen sei.

11

Soweit es um entstandene Schäden gehe, greife die Einrede der Verjährung. Die Verjährung richte sich nach §§ 195, 199 BGB in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung. Die Verjährungsfrist habe mit dem Schluss des Jahres 2004 zu laufen begonnen. Die Klägerin habe zwar bereits 2003 aus der Presse von dem Bußgeldbescheid des Bundeskartellamts Kenntnis erlangt. Allerdings seien die Erkenntnisse des Amtes und die verfügbaren Beweismittel darin nur in stark zusammengefasster Form bezeichnet worden, so dass die Klägerin daraus keinen hinreichend zuverlässigen Aufschluss habe erlangen können. Grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin sei jedoch ab dem Jahre 2004 anzunehmen. Aufgrund der Berichterstattung habe es sich für die Klägerin aufdrängen müssen, dass eine Beteiligung der Beklagten an dem den süddeutschen Raum betreffenden Kartell ernsthaft in Betracht komme. Sie hätte daher Einsicht in die Bußgeldbescheide nehmen und sich einen Überblick über die ihr zur Verfügung stehenden Beweismittel verschaffen müssen. Es sei davon auszugehen, dass der Klägerin erst 2004 Akteneinsicht gewährt worden wäre; selbst wenn sie schon 2003 Einsicht hätte nehmen können, wäre ihr aber angesichts des Umfangs der Unterlagen ein Prüfungszeitraum von mindestens zehn Monaten zuzubilligen gewesen.

12

Die Ermittlungen im Bußgeldverfahren hätten nicht zu einer Hemmung der Verjährung geführt. § 33 Abs. 5 GWB 2005 finde auf Altfälle keine Anwendung. Der Klägerin stehe danach lediglich ein Anspruch auf Restschadensersatz nach § 852 Satz 1 BGB zu. Da nicht aufgezeigt sei, dass der Beklagten ein kartellbedingter Mehrerlös aus den Zementeinkäufen bei anderen Unternehmen zugeflossen sei, sei die Feststellungsklage nur bezüglich der die Beklagte betreffenden Erwerbsvorgänge begründet. Der Zinsanspruch sei nach § 217 BGB mit dem Hauptanspruch verjährt. Die Klägerin könne, da sie nur Feststellungsklage erhoben habe, auch keine Prozesszinsen beanspruchen.

13

B. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Klägerin hat überwiegend Erfolg. Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet. Dagegen bleibt die Revision der Beklagten erfolglos.

14

I. Ohne Erfolg wendet sich die Beklagte gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Feststellungsklage sei zulässig.

15

1. Ein berechtigtes Interesse an der Erhebung einer positiven Feststellungsklage besteht grundsätzlich nicht, wenn der Kläger dasselbe Ziel mit einer Klage auf Leistung erreichen kann (st. Rspr., etwa BGH, Urteil vom 9. Juni 1983 - III ZR 74/82, NJW 1984, 1118, 1119; Urteil vom 15. Mai 2003 - I ZR 277/00, GRUR 2003, 900, 901- Feststellungsinteresse III). Dies schließt im Streitfall jedoch das Feststellungsinteresse nicht aus.

16

a) Geht es um die gerichtliche Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen, ist anerkannt, dass eine Feststellungsklage zulässig ist, solange die Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen ist und der Schaden daher noch nicht endgültig beziffert werden kann (BGH, Urteil vom 15. Januar 2008 - VI ZR 53/07, NJW-RR 2008, 1520). Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts liegt ein solcher Fall hier jedoch nicht vor. Die schadensbegründenden Handlungen lagen zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung bereits 14 Jahre zurück, so dass nicht damit zu rechnen ist, dass sich aus ihnen künftig weitere Schäden ergeben.

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b) Ein Feststellungsinteresse ist der Klägerin jedoch im Hinblick auf die Feststellung des Berufungsgerichts zuzubilligen, dass zur Bezifferung des Schadens ein ökonomisches Gutachten erforderlich ist.

18

aa) Der damit verbundene Aufwand an Zeit und Kosten ist allerdings - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - für sich genommen kein zureichender Grund, dem Kläger die Befugnis zur Erhebung einer Feststellungsklage zuzubilligen. Denn die Bezifferung des Schadens bliebe dem Kläger angesichts der Erforderlichkeit, der Feststellungsklage eine Leistungsklage mit beziffertem Klageantrag folgen zu lassen, ohnehin nicht erspart. Die Feststellungsklage ist daher, sofern nicht ausnahmsweise die Notwendigkeit besteht, den Schadensersatzanspruch gegen eine drohende Verjährung zu sichern, in der Regel nicht bereits deshalb zulässig, weil die Bezifferung des Schadens die Einholung sachverständigen Rats erforderte (BGH, Urteil vom 21. September 1987 - II ZR 20/87, NJW-RR 1988, 445), zumal dies dazu führte, dass der Beklagte ohne sachliche Rechtfertigung mit den Kosten zweier Rechtsstreitigkeiten belastet zu werden drohte.

19

bb) Der Streitfall weist jedoch Besonderheiten auf, die eine andere Beurteilung rechtfertigen.

20

(1) Die Klägerin stützt die von ihr geltend gemachten Ansprüche auf den Vorwurf unzulässiger Kartellabsprachen in den Jahren 1993 bis 2002. Die gesetzlichen Regelungen über die Durchsetzung solcher Schadensersatzansprüche wurden in der Zeit danach durch das Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle im Jahr 2005 geändert. Diese Änderungen betrafen neben der Bindung des Gerichts im Schadensersatzprozess an die im Bußgeldverfahren getroffenen Feststellungen der Kartellbehörden und der Gerichte zu dem Kartellverstoß (§ 33 Abs. 4 GWB 2005) insbesondere auch die Verjährungsregelungen. Nach § 33 Abs. 5 GWB 2005 wird die Verjährung eines Schadensersatzanspruchs gehemmt, wenn die Kartellbehörde wegen eines Verstoßes gegen die Bestimmungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, gegen Art. 81 oder 82 EG (jetzt Art. 101, 102 AEUV) oder eine Verfügung der Kartellbehörde ein Verfahren einleitet. Die Hemmung endet sechs Monate nach bestands- oder rechtskräftigem Abschluss des kartellbehördlichen oder gerichtlichen Verfahrens (§ 33 Abs. 5 Satz 2 GWB 2005 i.V. mit § 204 Abs. 2 BGB). Da der durch Kartellabsprachen Geschädigte regelmäßig erst nach der Einleitung eines solchen Verfahrens von den entsprechenden Vorgängen und den an ihnen beteiligten Personen Kenntnis erlangt, steht ihm seitdem für die Entscheidung darüber, ob er Schadensersatzansprüche gerichtlich geltend machen will, regelmäßig ein Zeitraum von drei Jahren und sechs Monaten zur Verfügung.

21

(2) Für die Klägerin stellte sich die Situation anders dar.

22

Nachdem es an einer ausdrücklichen Übergangsregelung fehlt, ergaben sich alsbald Meinungsverschiedenheiten darüber, ob § 33 Abs. 5 GWB 2005 auch auf sogenannte Altfälle, also auf Schadensersatzansprüche, die bereits vor Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle entstanden, zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht verjährt waren, anzuwenden sei (verneinend etwa Bumiller in Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts, 2. Auflage [2008], § 59 Rn. 4; bejahend Fuchs/Klaue in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 4. Auflage [2007], § 131 Rn. 22). Da eine höchstrichterliche Klärung der Frage nicht erfolgt war, war für die Klägerin nur schwer zu beurteilen, ob die Verjährungsfrist während der Dauer des Bußgeldverfahrens gehemmt war oder nicht.

23

Zugleich war die Beurteilung der Frage erschwert, zu welchem Zeitpunkt die Verjährungsfrist zu laufen begonnen hatte. Gerichtliche Entscheidungen zu der Frage, wann die durch eine Kartellabsprache geschädigten Personen ausreichende Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen erlangen oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müssten, lagen zu der Zeit, zu der die Klägerin eine Entscheidung darüber treffen musste, ob sie ihre Ansprüche gerichtlich durchzusetzen versucht, noch nicht vor.

24

War danach die Rechtslage hinsichtlich einer möglichen Verjährung aus der Sicht der Klägerin kaum zuverlässig einzuschätzen, musste sie ernsthaft in Betracht ziehen, dass die Berufung der Beklagten auf die Einrede der Verjährung Erfolg haben könnte. Aus Sicht der Klägerin war bereits ungewiss, ob die Gerichte eine Anwendung von § 33 Abs. 5 GWB 2005 zu ihren Gunsten annehmen würden. Selbst für diesen Fall musste sie damit rechnen, dass die Gerichte zu der Auffassung gelangen würden, ein Teil der Verjährungsfrist sei bereits vor Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle verstrichen, so dass ihr nach dem rechtskräftigen Abschluss des Bußgeldverfahrens nur noch ein verhältnismäßig kurzer Zeitraum zur Verfügung stehen würde, um die Verjährung durch Erhebung einer Klage zu hemmen.

25

cc) Unter diesen besonderen Umständen war die Klägerin befugt, ihre Schadensersatzansprüche durch Erhebung einer positiven Feststellungsklage gegen die drohende Verjährung zu sichern, ohne das Ergebnis eines zeit- und kostenaufwändigen Gutachtens abzuwarten.

26

2. Zutreffend hat das Berufungsgericht weiter angenommen, der Klageantrag sei hinreichend bestimmt.

27

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt die Bestimmtheit eines auf die Feststellung der Schadensersatzpflicht gerichteten Klageantrags voraus, dass die zum Ersatz verpflichtenden Ereignisse bestimmt bezeichnet werden, damit über den Umfang der Rechtskraft des Feststellungsausspruchs keine Ungewissheit herrschen kann (BGH, Urteil vom 10. Januar 1983 - VIII ZR 231/81, NJW 1983, 2247, 2250). Zur Auslegung des Klageantrags kann dabei auf das Klagevorbringen Bezug genommen werden. Danach ist die Auffassung des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden, unter Berücksichtigung der Klagebegründung und der dort in Bezug genommenen Anlagen seien die Beschaffungsvorgänge, auf die die Schadensersatzforderung gestützt wird, hinreichend individualisiert.

28

Die Revision der Beklagten nimmt dies auch hin; ihre Bedenken richten sich gegen die Bestimmtheit des Tenors des angefochtenen Urteils, greifen jedoch aus denselben Gründen auch insoweit nicht durch.

29

II. Die Feststellungsklage ist auch überwiegend begründet.

30

1. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts war die Beklagte im Zeitraum von 1992 bis zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt Anfang 2002 an Quotenabsprachen hinsichtlich des Vertriebs von Grauzement im süddeutschen Raum beteiligt. Da das deswegen gegen die Beklagte und andere Unternehmen eingeleitete kartellbehördliche Verfahren zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der 7. GWB-Novelle noch andauerte, findet zudem, wie das Berufungsgericht weiter zutreffend angenommen hat, § 33 Abs. 4 Satz 1 und 2 GWB 2005 Anwendung (OLG Düsseldorf WuW/E DE-R 2763, 2765; OLG Düsseldorf WuW/E DE-R 4477, 4478; OLG Karlsruhe NZKart 2014, 366, 367; OLG Frankfurt, Urteil vom 17. November 2015 - 11 U 73/11 [Kart], Juris-Rn. 38). Danach ist das Gericht im nachfolgenden Schadensersatzprozess an die Feststellung eines schuldhaften Verstoßes gebunden, wie sie in bestandskräftigen Entscheidungen der Kartellbehörde und rechtskräftigen Gerichtsentscheidungen getroffen wurde (zum Umfang der Bindungswirkung BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 - KZR 25/14, BGHZ 211, 146 - Lottoblock II). Solche Feststellungen wurden hier durch die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf im Bußgeldverfahren getroffen, die durch den Bundesgerichtshof bestätigt wurde.

31

Die Vorschrift des § 33 Abs. 4 GWB 2005 hat in erster Linie verfahrensrechtliche Bedeutung und findet demgemäß nach allgemeinen Grundsätzen und mangels anderweitiger Anordnung des Gesetzgebers auf alle Schadensersatzprozesse Anwendung, die zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens noch nicht abgeschlossen waren. In diesen Verfahren ist das Gericht an Entscheidungen der Kartellbehörde und Gerichtsentscheidungen in Verfahren gebunden, die - wie im Streitfall - ihrerseits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Norm noch nicht abgeschlossen waren und mithin noch nicht zu einer bestandskräftigen oder rechtskräftigen Entscheidung geführt hatten.

32

Dem steht nicht entgegen, dass mit der 7. GWB-Novelle die private Rechtsdurchsetzung gestärkt und mit der Stärkung der Rechtsposition der Kartellgeschädigten zugleich eine abschreckende Wirkung auf künftige Kartelltäter erzielt werden sollte. Zwar war die Einführung von § 33 Abs. 4 GWB 2005 naturgemäß nicht geeignet, auf ein den Regelungen des Kartellrechts entsprechendes Verhalten von Unternehmen im Zeitraum vor ihrem Inkrafttreten Einfluss zu nehmen. Sinn und Zweck der Norm sind aber nicht auf eine solche Verhaltenssteuerung beschränkt. Die Einführung einer Feststellungswirkung kartellbehördlicher und gerichtlicher Entscheidungen für den Zivilprozess durch § 33 Abs. 4 GWB 2005 dient nicht nur der Prävention, sondern in erster Linie dazu, die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen zu erleichtern (BT-Drucks. 15/3640 S. 35), indem die in Kartellverwaltungs- und Bußgeldverfahren erarbeiteten Ergebnisse für die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche nutzbar gemacht werden (Bornkamm/Tolkmitt in Langen/Bunte, Kartellrecht, 13. Auflage, § 33b GWB Rn. 3). Damit soll verhindert werden, dass der durch kartellrechtswidriges Verhalten erlangte Vorteil bei dem Kartellanten verbleibt. Die präventive Wirkung ist nur die Folge des angestrebten effektiveren Ausgleichs entstandener Kartellschäden; sie geht demgemäß nicht nur von der Norm selbst, sondern nicht zuletzt von dem durch die Norm begünstigten tatsächlich effektiveren Ausgleich entstandener Kartellschäden aus, unabhängig davon, ob die auf diese Weise sanktionierten unerlaubten Handlungen vor oder nach Inkrafttreten des § 33 Abs. 4 GWB 2005 begangen worden sind. Soweit die Bindungswirkung reicht, wird zudem eine mehrfache Befassung verschiedener Gerichte mit den Voraussetzungen für Schadensersatzansprüche vermieden. Dies wirkt der Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen entgegen und schont gerichtliche Ressourcen.

33

2. Die im süddeutschen Raum ansässige Klägerin hat in der Zeit von 1. Januar 1993 bis 31. Dezember 2002 von der Beklagten, den Streithelferinnen zu 1 und 2 und Rohrbach in erheblichem Umfang Grauzement erworben. Für Schadensersatzansprüche ist das jeweils zum Zeitpunkt der Belieferung geltende materielle Recht maßgeblich (BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 - KZR 75/10, BGHZ 190, 145 Rn. 13 - ORWI). Danach kommen als Anspruchsgrundlage für Schadensersatzansprüche aus Belieferungen ab dem 1. Januar 1999 §§ 33 und 1 GWB in der Fassung vom 26. August 1998 und für die Zeit davor § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit §§ 1, 38 Abs. 1 Nr. 1 GWB in Betracht.

34

3. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt die Feststellung der Ersatzpflicht im gerichtlichen Verfahren voraus, dass eine gewisse Wahrscheinlichkeit für den Eintritt eines Schadens besteht. Insoweit genügt die nicht entfernt liegende Möglichkeit eines Schadens (BGH, Urteil vom 6. März 2001 - KZR 32/98, GRUR 2001, 849, 850 mwN - Remailing-Angebot). Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass der Eintritt eines Schadens aus den in Rede stehenden Belieferungen hinreichend wahrscheinlich ist. Die Revision der Beklagten zeigt insoweit keine Rechtsfehler auf, solche sind auch nicht ersichtlich.

35

a) Wie der Bundesgerichtshof bereits früher ausgesprochen hat, entspricht es einem wirtschaftlichen Erfahrungssatz, dass die Gründung eines Kartells grundsätzlich der Steigerung des Gewinns der am Kartell beteiligten Unternehmen dient. Deshalb spricht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Kartell gebildet und erhalten wird, weil es höhere als am Markt erzielbare Preise erbringt (BGH, Beschluss vom 28. Juni 2005 - KRB 2/05, WuW/E DE-R 1567, 1569 - Berliner Transportbeton I; Beschluss vom 26. Februar 2013 - KRB 20/12, BGHSt 58, 158 Rn. 76 f. - Grauzementkartell I). Damit ist es zugleich wahrscheinlich, dass bei den Abnehmern der Kartellanten hierdurch ein Schaden verursacht wird.

36

b) Nach dieser Maßgabe ist auch hinsichtlich der Erwerbsvorgänge, die im Zeitraum nach der Beendigung des Kartells zu einem nicht genau bekannten Zeitpunkt Anfang 2002 bis zum Ende dieses Jahres stattfanden, der Eintritt eines Schadens hinreichend wahrscheinlich. Ob die Auffassung des Berufungsgerichts zutrifft, die Nachwirkungen eines Kartells entfielen in der Regel erst nach einem Jahr, kann offen bleiben. Die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts wird bereits durch die vom Berufungsgericht in Bezug genommene Feststellung des Oberlandesgerichts Düsseldorf im Bußgeldverfahren getragen, wonach die Preise für Grauzement erst im Zeitraum von August 2002 bis Februar 2003 auf Marktpreise zurückgegangen sind.

37

c) Der Eintritt eines Schadens ist ferner in Bezug auf Belieferungen der Klägerin durch die ebenfalls am Kartell beteiligten Streithelferinnen zu 1 und 2 wahrscheinlich. Ob der Bezug von Grauzement durch die Klägerin unmittelbar bei den Streithelferinnen erfolgte oder ob ein Zwischenhändler eingeschaltet war, kann offen bleiben. Denn auch in letzterem Fall besteht jedenfalls die nicht entfernt liegende Möglichkeit, dass kartellbedingt überhöhte Preise der Streithelferinnen zu einem Schaden auch bei einem Abnehmer zweiter Stufe führten (BGHZ 190, 145 Rn. 26 - ORWI). Aus den bereits genannten Gründen gilt dies auch für Belieferungen bis zum Ende des Jahres 2002.

38

d) Schließlich ist die Feststellungsklage auch hinsichtlich der Bezüge von Grauzement durch die Klägerin bei Rohrbach begründet. Dem steht nicht entgegen, dass eine Beteiligung von Rohrbach am Kartell nicht festgestellt ist.

39

Wird das Preisniveau auf einem bestimmten Markt in erheblichem Umfang durch ein Kartell beeinflusst, kann dies dazu führen, dass auch Kartellaußenseiter ihre Preise dem erhöhten Niveau anpassen. Eine solche Wirkung wird als Preisschirmeffekt (umbrella pricing) bezeichnet und stellt ebenfalls einen kartellbedingten Schaden dar. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union darf das nationale Recht der Mitgliedstaaten eine zivilrechtliche Haftung der Kartellanten für solche Schäden demgemäß nicht kategorisch ausschließen (EuGH WuW/E EU-R 3030 - Kone).

40

Das Berufungsgericht hat hierzu festgestellt, dass das Kartell auf eine Marktabdeckung von 71,3 % ausgerichtet war. Unter Hinweis auf die transparenten Marktverhältnisse hat es weiter angenommen, dass Rohrbach auch schon 1993 über die von den Kartellanten verlangten Preise informiert war. Unter diesen Umständen ist seine Annahme, auch die Preise von Rohrbach seien durch das Kartell beeinflusst gewesen, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Zugleich besteht danach die nicht entfernt liegende Möglichkeit eines entsprechenden Schadens der Klägerin.

41

4. Zu Recht hat das Berufungsgericht die Klage als unbegründet angesehen, soweit mit ihr auch die Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz noch entstehender Schäden begehrt wird. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts kann die Entstehung weiterer Schäden sicher ausgeschlossen werden, nachdem die anspruchsbegründenden Vorgänge weit zurückliegen.

42

5. Die Revision der Klägerin bleibt ferner erfolglos, soweit sie auf die Feststellung einer Verzinsung möglicher Schadensersatzansprüche von mehr als 4 % gerichtet ist.

43

a) Soweit der Klägerin Schadensersatzansprüche zustehen, sind diese ab dem Zeitpunkt der Schadensentstehung mit jährlich 4 % zu verzinsen.

44

Dabei kann offenbleiben, ob § 849 BGB unmittelbar Anwendung findet. Nach dieser Norm kann in den Fällen, in denen wegen der Entziehung einer Sache der Wert oder wegen der Beschädigung einer Sache die Wertminderung zu ersetzen ist, eine Verzinsung des zu ersetzenden Betrags von dem Zeitpunkt an verlangt werden, der der Bestimmung des Werts zugrunde gelegt wird.

45

§ 849 BGB kann ein allgemeiner Rechtsgrundsatz dahin, deliktische Schadensersatzansprüche seien stets von ihrer Entstehung an zu verzinsen, nicht entnommen werden (BGH, Beschluss vom 28. September 1993 - III ZR 91/92, NVwZ 1994, 409, 410). Die Norm greift jedoch nach der Rechtsprechung nicht nur bei Sachentziehung oder -beschädigung ein, sondern auch in Fällen, in denen dem Geschädigten Geld entzogen wurde (BGH, Versäumnisurteil vom 26. November 2007 - II ZR 167/06, NJW 2008, 1084; vgl. auch BGH, Urteil vom 24. Januar 2017 - KZR 47/14 Rn. 56 f. - VBL-Gegenwert II).

46

§ 849 BGB ist daher in den Fällen der Haftung wegen kartellrechtswidriger Quotenabsprachen zumindest entsprechend anwendbar. Denn die Situation desjenigen, der einen Schaden dadurch erleidet, dass er aufgrund kartellrechtswidriger Absprachen überhöhte Preise zu zahlen hatte, weist Ähnlichkeiten mit der Sachlage bei Entziehung von Geld auf. Mit der entsprechenden Anwendung von § 849 BGB wird zugleich einem unionsrechtlichen Postulat genügt. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist die Zuerkennung von Zinsen nach nationalem Recht als unerlässlicher Bestandteil einer Entschädigung wegen eines Kartellrechtsverstoßes anzusehen (EuGH Slg. 2006, I-6619 Rn. 97 - Manfredi). Aus dem Verweis auf die Entscheidung "Marshall" (EuGH, Slg. 1993, I-4367 Rn. 31) folgt weiter, dass die Verzinsung bereits ab dem Zeitpunkt geboten ist, in welchem der Schaden eingetreten ist. Diese Grundsätze gelten auch für Schadensersatzansprüche wegen Verstoßes gegen Bestimmungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen.

47

Die Höhe der geschuldeten Zinsen ergibt sich aus § 246 BGB.

48

b) Hinsichtlich der weitergehenden Zinsforderung ist die Revision der Klägerin dagegen unbegründet.

49

aa) Ohne Erfolg macht sie geltend, ein höherer Zinsanspruch ergebe sich aus § 33 Abs. 3 Satz 4 und 5 GWB 2005. Wie der Senat bereits entschieden hat, entfaltet die Neufassung des § 33 Abs. 3 GWB durch die 7. GWB-Novelle keine Rückwirkung auf bei ihrem Inkrafttreten bereits abgeschlossene Kartellrechtsverstöße (BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 - KZR 75/10, BGHZ 190, 145 Rn. 13 - ORWI; Urteil vom 24. Januar 2017 - KZR 47/14 Rn. 54 f. - VBL-Gegenwert II). Schadensersatzansprüche, die bereits vor Inkrafttreten von § 33 Abs. 3 Satz 3 und 4 GWB 2005 entstanden sind, sind danach auch für die Zeit ab Juli 2005 nicht nach dieser Norm zu verzinsen.

50

bb) Auch § 288 BGB findet im Streitfall keine Anwendung.

51

In Fällen kartelldeliktsrechtlicher Schadensersatzansprüche ist die Anwendung von § 288 Abs. 2 BGB grundsätzlich auf Konstellationen beschränkt, in denen sich der Missbrauch einer marktbeherrschenden oder marktstarken Stellung auf eine Entgeltforderung des Missbrauchsopfers bezieht (BGH, Urteil vom 6. November 2013 - KZR 58/11, BGHZ 199, 1 Rn. 71 - VBL-Gegenwert I).

52

§ 288 Abs. 1 Satz 2 BGB greift nicht ein, da kein Verzug begründet wurde. Eine Absicht des Gesetzgebers, den Deliktsschuldner bei der Zinshöhe dem Verzugsschuldner gleichzustellen, ist nicht erkennbar (BGH, Urteil vom 24. Januar 2017 - KZR 47/14 Rn. 57 - VBL-Gegenwert II).

53

cc) Zu Recht hat das Berufungsgericht schließlich der Klägerin eine höhere Verzinsung ab Eintritt der Rechtshängigkeit versagt. § 291 BGB greift bei einer Klage, die auf die Feststellung einer Verbindlichkeit gerichtet ist, nicht ein (BGH, Urteil vom 19. Dezember 1984 - IVb ZR 51/83, BGHZ 93, 183, 186).

54

6. Mit Erfolg wendet sich die Klägerin gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die Schadensersatzansprüche seien verjährt.

55

a) Im Ansatz zutreffend legt das Berufungsgericht zugrunde, dass sich die Verjährung der möglichen Ansprüche insgesamt nach §§ 195, 199 BGB in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung bestimmt.

56

Soweit deliktsrechtliche Schadensersatzansprüche in Rede stehen, die bereits vor Inkrafttreten dieser Bestimmungen entstanden sind, wurde die dreijährige Verjährungsfrist für solche Ansprüche nach den bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Regelungen erst zu dem Zeitpunkt in Lauf gesetzt, in welchem der Verletzte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangte (§§ 852 Abs. 1, 198 BGB a.F.). Danach scheidet, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, ein Beginn der Verjährung vor dem 1. Januar 2002 aus. Waren danach Ansprüche der Klägerin bei Inkrafttreten der Schuldrechtsreform noch nicht verjährt, finden nach Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB auf sie die Verjährungsbestimmungen in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung Anwendung. Danach beginnt die Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

57

b) Nach Auffassung des Berufungsgerichts waren diese Voraussetzungen bei der Klägerin nicht bereits im Jahr 2003 erfüllt. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass die Klägerin im Jahr 2003 keine Möglichkeit hatte, Einsicht in die Akten des Bußgeldverfahrens gegen die Beklagte zu erlangen, und dass dies auch für eine auf den im April 2003 ergangenen Bußgeldbescheid des Bundeskartellamts beschränkte Akteneinsicht gilt. Selbst wenn sie noch in diesem Jahr Einsicht erlangt hätte, wäre ihr nach seiner Auffassung angesichts des Umfangs der Akten ein Prüfungszeitraum von mindestens zehn Monaten zuzubilligen gewesen.

58

Die Feststellung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe im Jahr 2003 Akteneinsicht nicht erlangen können, unterliegt als Ergebnis tatrichterlicher Würdigung im Sinne des § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht. Dieses kann lediglich prüfen, ob der Streitstoff umfassend, widerspruchsfrei und ohne Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze gewürdigt worden ist (BGH, Urteil vom 3. Juni 2008 - XI ZR 319/06, NJW 2008, 2576 Rn. 24; Urteil vom 8. Juli 2010 - III ZR 249/09, BGHZ 186, 152 Rn. 35). Solche Rechtsfehler zeigt die Revision der Beklagten nicht auf, vielmehr beschränkt sie sich darauf, ihre eigene Würdigung an die Stelle derjenigen des Berufungsgerichts zu setzen.

59

Ohne Erfolg macht die Revision der Beklagten geltend, die Klägerin treffe eine sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der Informationen, die sie 2002 oder 2003 durch eine vom Berufungsgericht unterstellte Anfrage der Streithelferin zu 3 erlangt habe. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass die Streithelferin zu 3 der Klägerin bereits vor Ablauf des Jahres 2003 Informationen vermittelte, aus denen die Klägerin hinreichende Kenntnis über die anspruchsbegründenden Umstände und die Person des Schädigers hätte erlangen können. Die Revision der Beklagten zeigt anderslautenden Vortrag nicht auf.

60

Danach wurde die Verjährungsfrist, unabhängig davon, welche Prüfungsfrist der Klägerin nach erlangter Akteneinsicht zuzubilligen gewesen wäre, nicht schon mit Ablauf des Jahres 2003 in Gang gesetzt.

61

c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts wurde die Verjährung zum Zeitpunkt des Inkrafttretens von § 33 Abs. 5 GWB 2005 durch das zu diesem Zeitpunkt bereits laufende Verfahren wegen Kartellverstoßes gehemmt.

62

aa) Der Streitfall betrifft Schadensersatzansprüche, die ihre Grundlage in Kartellverstößen haben, die vor dem Inkrafttreten der Norm begangen wurden. Nachdem die Verjährungsfrist, wie ausgeführt, nicht vor Ablauf des Jahres 2004 in Lauf gesetzt wurde, war sie zum Zeitpunkt des Inkrafttretens von § 33 Abs. 5 GWB 2005 noch nicht abgelaufen. Das vom Bundeskartellamt wegen dieser Verstöße eingeleitete Ermittlungsverfahren war bereits durch einen Bußgeldbescheid vom April 2003 beendet, doch hatte dieser, weil er angefochten wurde, noch keine Bestandskraft erlangt.

63

bb) Die Frage, ob § 33 Abs. 5 GWB 2005 i.V. mit § 204 Abs. 2 BGB auf eine solche Fallgestaltung mit der Maßgabe Anwendung findet, dass der Lauf der Verjährung mit Inkrafttreten dieser Norm bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der rechtskräftigen Entscheidung oder einer anderweitigen Beendigung des Bußgeldverfahrens gehemmt ist, ist in der Literatur umstritten (vgl. die Nachweise für beide Auffassungen bei Rinne/Kolb, NZKart 2017, 217, 220 Fn. 35 ff.).

64

Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs hierzu liegt bislang nicht vor. Nach der Rechtsprechung des Senats scheidet § 33 Abs. 3 GWB 2005 mangels entsprechender Übergangsvorschriften als Grundlage für Schadensersatzansprüche aus, die auf frühere Verstöße gegen das unionsrechtliche Kartellverbot gestützt werden (BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 - KZR 75/10, BGHZ 190, 145 Rn. 13 - ORWI; Urteil vom 24. Januar 2017 - KZR 47/14 Rn. 55 - VBL-Gegenwert II). Mit der Frage der Anwendung von § 33 Abs. 5 GWB 2005 auf Altfälle hat sich der Bundesgerichtshof dagegen bislang nicht befasst.

65

Die Rechtsprechung hat sich überwiegend für eine Anwendung von § 33 Abs. 5 GWB 2005 auf Altfälle ausgesprochen (OLG Düsseldorf WuW/E DE-R 4477, 4491; WuW/E DE-R 4601, 4616 ff.; OLG Jena WuW 2017, 203, 207; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 24. November 2017 - 11 U 56/16 (Kart.) Umdruck S. 21; LG Berlin, WuW/E DE-R 4917; LG Frankfurt am Main, Urteil vom 30. März 2016 - 2-06 O 464/14, Juris-Rn. 172; LG München I, Urteil vom 27. Juli 2016 - 37 O 24526/14, Juris-Rn. 113; LG Dortmund, Urteil vom 21. Dezember 2016 - 8 O 90/14 (Kart), Juris-Rn. 163; für eine analoge Anwendung LG Hannover, Urteile vom 31. Mai 2016 - 18 O 259/14, Juris-Rn. 56 f., und vom 5. Juli 2016 - 18 O 405/14, Juris-Rn. 89 f.).

66

cc) Diese Auffassung trifft zu.

67

(1) Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen enthält insoweit keine Übergangsregelung. Die Frage, ob eine Norm, die zu einer Änderung der Verjährungsvorschriften führt, in Fällen anzuwenden ist, in denen die Verjährungsfrist noch läuft, richtet sich daher nach den Grundsätzen des intertemporalen Privatrecht. Hierbei entspricht es einem allgemeinen Rechtsgedanken, dass bei einer Änderung der gesetzlichen Bestimmungen über die Verjährung das neue Gesetz auf die zuvor bereits entstandenen, bei Inkrafttreten des Gesetzes noch nicht verjährten Ansprüche Anwendung findet, dass sich jedoch der Beginn sowie die Hemmung und Unterbrechung der Verjährung für die Zeit vor dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes nach den bisherigen Regelungen bestimmen (so BGH, Urteil vom 17. Oktober 1960 - VII ZR 216/59, NJW 1961, 25; Urteil vom 23. November 1973 - IV ZR 35/73, NJW 1974, 236, 237 mwN., jeweils zur Verkürzung der Verjährungsfrist; BGH, Urteil vom 15. Dezember 2005 - I ZR 9/03, NJW-RR 2006, 618 Rn. 16 ff. zur Verlängerung der Verjährungsfrist). Dieser Grundsatz, der in der Rechtsprechung des Reichsgerichts schon vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches entwickelt wurde (RGZ 24, 266, 271) hat nicht nur in Art. 169 EGBGB, sondern auch in Art. 231 § 6 Abs. 1 Satz 1 und 2 EGBGB und in Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 und 2 EGBGB seinen Niederschlag gefunden.

68

(2) Eine Ausnahme erfährt dieser Grundsatz nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wenn mit der Änderung der Verjährungsvorschriften eine grundlegende sachliche Änderung der betroffenen Ansprüche einhergeht (BGH NJW 1974, 236, 237; BGH, Urteil vom 22. Januar 1998 - VII ZR 307/95, BGHZ 138, 24, 37 f.) oder wenn der Gesetzgeber eine abweichende Regelung hinsichtlich der intertemporalen Anwendung getroffen hat. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

69

(a) Mit der 7. GWB-Novelle ist die Regelung des § 33 GWB mit dem Ziel neu gefasst worden, die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche auf Schadensersatz bei Verstößen gegen kartellrechtliche Bestimmungen zu erleichtern. Die Änderungen zielten darauf, den Kreis der Anspruchsberechtigten durch Aufgabe des Schutzgesetzerfordernisses zu erweitern, die Passing-on-defence zu erschweren und die Schadensschätzung zu erleichtern, die Rechtsdurchsetzung durch eine Bindungswirkung der Entscheidung im Bußgeldverfahren zu erleichtern und dem Geschädigten höhere Zinsen zuzusprechen. Eine grundlegende Änderung der Regelungen über den Schadensersatz bei Verstößen gegen Bestimmungen des Kartellrechts war damit jedoch nicht verbunden.

70

(b) Der Gesetzgeber hat auch keine abweichende Regelung getroffen. Eine solche kann, anders als das Berufungsgericht meint, nicht darin gesehen werden, dass § 33 Abs. 5 GWB 2005 von Schadensersatzansprüchen "nach Absatz 3" spricht.

71

Diese Formulierung muss nicht dahin verstanden werden, dass § 33 Abs. 5 Satz 1 GWB nur auf solche Ansprüche Anwendung finden soll, die auf Kartellrechtsverstöße gestützt werden, die erst nach Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle erfolgten und ihre Grundlage deshalb in § 33 Abs. 3 GWB 2005 haben. Sie kann vielmehr wegen des in Absatz 3 Satz 1 enthaltenen Verweises auf Absatz 1 zwanglos dahin verstanden werden, dass die Norm alle Schadensersatzansprüche erfassen soll, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der 7. GWB-Novelle noch nicht verjährt sind und auf einem Verstoß gegen Vorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, gegen Art. 81 oder 82 EG oder gegen eine Verfügung der Kartellbehörde beruhen (zutreffend OLG Düsseldorf WuW/E DE-R 4601, 4616).

72

(c) Der Begründung zum Regierungsentwurf der 7. GWB-Novelle lassen sich keine Anhaltspunkte für die vom Berufungsgericht vertretene Ansicht entnehmen. Vielmehr sprechen die Absicht des Gesetzgebers, die Durchsetzung kartellrechtlicher Schadensersatzansprüche zu sichern (BT-Drucks. 15/3640 S. 55), und der enge sachliche Zusammenhang mit der demselben Zweck dienenden Vorschrift des § 33 Abs. 4 GWB für eine Anwendung von § 33 Abs. 5 GWB auf Altfälle.

73

(d) Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass der Gesetzgeber der 9. GWB-Novelle für die abermals geänderte Regelung in § 33h GWB 2017 ausdrücklich deren Anwendung auf bereits entstandene Ansprüche, die zum Zeitpunkt der Verkündung im Bundesgesetzblatt noch nicht verjährt waren, bestimmt hat (§ 186 Abs. 3 Satz 2 GWB). Aus der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie (BT-Drucks. 18/11446, S. 33) ergibt sich, dass diese Fassung der Übergangsvorschrift nur als Klarstellung angesehen und ein Gleichklang mit der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf zur Anwendbarkeit von § 33 Abs. 5 GWB 2005 auf Altfälle angestrebt wurde.

74

d) Nach § 33 Abs. 5 Satz 2 GWB 2005 i.V. mit § 204 Abs. 2 BGB endete die Hemmung der Verjährung sechs Monate nach dem rechtskräftigen Abschluss des Bußgeldverfahrens. Da das Bußgeldverfahren gegen die Beklagte erst am 26. Februar 2013 rechtskräftig abgeschlossen wurde (BGHSt 58, 158 - Grauzementkartell I), endete die Hemmung der Verjährung am 26. August 2013.

75

e) Nachdem die Verjährungsfrist, wie ausgeführt, nicht vor Ablauf des Jahres 2004 in Gang gesetzt wurde, war bis zum Inkrafttreten von § 33 Abs. 5 GWB 2005 allenfalls ein Zeitraum von sechs Monaten verstrichen.

76

Anders als die Beklagte meint, ist diese Norm nicht erst zum 13. Juli 2005, sondern bereits am 1. Juli 2005 in Kraft getreten, so dass die Hemmung der Verjährung durch das zu diesem Zeitpunkt bereits eingeleitete Bußgeldverfahren mit diesem Tag eintrat. Artikel 4 des Siebten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkung vom 7. Juli 2005, verkündet im Bundesgesetzblatt am 12. Juli 2005 (BGBl. I 1954), ordnete die rückwirkende Geltung des Gesetzes zum 1. Juli 2005 an. Soweit der Bundesgerichtshof für die Neufassung von § 81 GWB durch die 7. GWB-Novelle eine Rückwirkung verneint hat, beruhte dies auf einer durch das Rückwirkungsverbot (Art. 103 Abs. 2 GG) gebotenen verfassungskonformen Auslegung, zu der im Streitfall kein Anlass besteht.

77

f) Die am 26. Februar 2015 erhobene und am 19. März 2015 zugestellte Klage hat mithin die Verjährung der Ansprüche rechtzeitig gehemmt (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB i.V. mit §§ 167, 253 Abs. 1 ZPO).

78

III. Danach hat die Revision der Klägerin überwiegend Erfolg. Dagegen bleibt die Revision der Beklagten erfolglos.

79

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO.

Limperg     

      

Meier-Beck     

      

Raum   

      

Sunder     

      

Deichfuß     

      

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, sind verboten.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, sind verboten.

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

(1) Das Berufungsgericht hat die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden.

(2) Das Berufungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges nur zurückverweisen,

1.
soweit das Verfahren im ersten Rechtszuge an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist,
2.
wenn durch das angefochtene Urteil ein Einspruch als unzulässig verworfen ist,
3.
wenn durch das angefochtene Urteil nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden ist,
4.
wenn im Falle eines nach Grund und Betrag streitigen Anspruchs durch das angefochtene Urteil über den Grund des Anspruchs vorab entschieden oder die Klage abgewiesen ist, es sei denn, dass der Streit über den Betrag des Anspruchs zur Entscheidung reif ist,
5.
wenn das angefochtene Urteil im Urkunden- oder Wechselprozess unter Vorbehalt der Rechte erlassen ist,
6.
wenn das angefochtene Urteil ein Versäumnisurteil ist oder
7.
wenn das angefochtene Urteil ein entgegen den Voraussetzungen des § 301 erlassenes Teilurteil ist
und eine Partei die Zurückverweisung beantragt. Im Fall der Nummer 3 hat das Berufungsgericht sämtliche Rügen zu erledigen. Im Fall der Nummer 7 bedarf es eines Antrags nicht.

(1) Das Gericht kann die Wiedereröffnung einer Verhandlung, die geschlossen war, anordnen.

(2) Das Gericht hat die Wiedereröffnung insbesondere anzuordnen, wenn

1.
das Gericht einen entscheidungserheblichen und rügbaren Verfahrensfehler (§ 295), insbesondere eine Verletzung der Hinweis- und Aufklärungspflicht (§ 139) oder eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, feststellt,
2.
nachträglich Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht werden, die einen Wiederaufnahmegrund (§§ 579, 580) bilden, oder
3.
zwischen dem Schluss der mündlichen Verhandlung und dem Schluss der Beratung und Abstimmung (§§ 192 bis 197 des Gerichtsverfassungsgesetzes) ein Richter ausgeschieden ist.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.