Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 20. Juli 2017 - 2 Ws 162/17

published on 20/07/2017 00:00
Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 20. Juli 2017 - 2 Ws 162/17
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Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Freiburg im Breisgau vom 12.05.2017 wird als unbegründet verworfen.

2. Der Verurteilte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

 
I.
Der heute 46 Jahre alte Verurteilte wurde durch Urteil des Landgerichts M vom 27.06.2012 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (hier: Heroin), begangen im Herbst 2011, zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und elf Monaten verurteilt. Das Urteil ist seit dem 27.06.2012 rechtskräftig.
Ein als Revision ausgelegtes, am 13.01.2015 erhobenes Rechtsmittel des Verurteilten gegen das Urteil vom 27.06.2012 wurde durch Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 30.04.2015 - 1 StR 135/15 - wegen des am Tag der Urteilsverkündung erklärten Rechtsmittelverzichts gemäß § 349 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen; ebenso wurde der Antrag des Verurteilten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision als unzulässig verworfen. Die gegen diesen Beschluss des Bundesgerichtshofs gerichtete Verfassungsbeschwerde des Verurteilten ist erfolglos geblieben (BVerfG, Beschluss vom 28.11.2016 - 2 BvR 1262/15).
Auf weitere Schreiben des Verurteilten vom 31.07.2015, vom 12.10.2015 und vom 09.11.2016 hat der Bundesgerichtshof die jeweiligen Begehren (Gegenvorstellung sowie Anhörungsrüge gegen den Beschluss vom 30.04.2015, erneute Wiedereinsetzungsanträge) durch Beschlüsse vom 02.09.2015, vom 26.11.2015 sowie vom 26.01.2017 zurückgewiesen.
Bereits seit dem 19.10.2011 hatte sich der Verurteilte in dieser Sache in Untersuchungshaft befunden; seit Rechtskraft des Urteils am 27.06.2012 befindet er sich in Strafhaft. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil vom 27.06.2012 ist seit dem 11.05.2013 zur Vollstreckung von sechs widerrufenen Restfreiheitsstrafen unterbrochen. Die weitere Vollstreckung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil vom 27.06.2012 ist erst zum 07.01.2018 vorgemerkt; das Strafende ist zum 15.05.2023 notiert.
Mit Schreiben vom 30.11.2016 hat der Verurteilte beim Landgericht Freiburg einen Antrag auf "sofortige Aussetzung der Vollstreckbarkeit bzw. Beachtbarkeit" des Urteils des Landgerichts M vom 27.06.2012 gestellt und insoweit die Gewährung von "Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsbeistands" beantragt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen, dass das Urteil vom 27.06.2012 auf einer unzulässigen informellen Verfahrensabsprache beruhe, außerdem sei auf einen nicht zulässigen Rechtsmittelverzicht hingearbeitet worden. Darüber hinaus sei das im Urteil verwendete Gutachten inhaltlich nicht nachvollziehbar und nachweislich falsch.
Das Landgericht Freiburg hat den Antrag des Verurteilten zunächst der Staatsanwaltschaft M als Vollstreckungsbehörde zugeleitet. Diese hat mit Verfügung vom 19.01.2017 entschieden, dass die Vollstreckung nicht eingestellt und „von Zwang nicht abgesehen werde“, und die Akten sodann dem Landgericht Freiburg zur Entscheidung vorgelegt.
Nachdem der Verurteilte durch das Landgericht Freiburg mit Schreiben vom 20.02.2017 über die Entscheidung der Staatsanwaltschaft M in Kenntnis gesetzt und darauf hingewiesen worden war, dass sein Antrag keine Aussicht auf Erfolg habe, nahm der Verurteilte dazu mit Schreiben vom 22.02.2017 sowie einem weiteren undatierten Schreiben, eingegangen am 13.03.2017, Stellung. Unter Hinweis auf die Entscheidung des OLG München vom 17.05.2013 (NJW 2013, 2371 ff.) hat der Verurteilte geltend gemacht, dass Urteile, welche an gravierenden Mängeln leiden, nach § 458 StPO für nicht vollstreckbar erklärt werden können, und seine Ausführungen zur Fehlerhaftigkeit des Urteils vom 27.06.2012 wiederholt und vertieft.
Mit Beschluss vom 12.05.2017 hat das Landgericht Freiburg die vom Verurteilten vorgebrachten Einwendungen gegen die Vollstreckung des Urteils des Landgerichts M vom 27.06.2012 ebenso wie seinen Prozesskostenhilfeantrag und den Antrag auf Beiordnung eines Rechtsbeistands zurückgewiesen.
Gegen diese dem Verurteilten am 17.05.2017 zugestellte Entscheidung hat der Verurteilte mit Schreiben vom 17.05.2017, eingegangen am 19.05.2017, sofortige Beschwerde eingelegt und diese mit Schreiben vom 02.06.2014 sowie vom 14.06.2017 und vom 28.06.2017 weiter begründet; außerdem hat er für das Beschwerdeverfahren erneut "Prozesskostenhilfe und die Beiordnung eines Rechtsbeistands" beantragt.
II.
10 
Soweit das Landgericht Freiburg in seinem Beschluss vom 12.05.2017 unter Ziff. 2 und 3 den Prozesskostenhilfeantrag des Verurteilten sowie seinen Antrag auf Beiordnung eines Rechtsbeistands zurückgewiesen hat, ist der Senat zu einer Entscheidung nicht berufen, da die Auslegung der im Beschwerdeverfahren eingereichten Schreiben des Verurteilten ergibt, dass er den Beschluss insoweit nicht angefochten hat.
11 
Im Übrigen hätte der Senat über eine solche Beschwerde aus prozessualen Gründen auch nicht mehr zu befinden. Denn mit dem Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens in der Hauptsache ist auch der in erster Instanz verfolgte und vom Landgericht Freiburg abgelehnte Antrag auf Beiordnung eines Verteidigers gegenstandslos geworden, da eine rückwirkende Bestellung ausgeschlossen ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beiordnung eines Verteidigers im Strafprozess nicht im Kosteninteresse des Angeklagten erfolgt, sondern allein dem im öffentlichen Interesse liegenden Zweck dient, eine ordnungsgemäße Verteidigung in einem noch ausstehenden Verfahren zu gewährleisten (BGH NStZ 1997, 299; NStZ-RR 2009, 348; KG Berlin, StV 2007, 372 ff.; Senat, Beschluss vom 07.10.2015 - 2 Ws 414/15 mwN; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl. 2017, § 141 Rn. 8 mwN auch zur Gegenmeinung). Diese Interessenlage ist mit Erlass des Beschlusses vom 12.05.2017 entfallen.
12 
Soweit der Verurteilte auch für das Beschwerdeverfahren einen Antrag auf „Prozesskostenhilfe und die Beiordnung eines Rechtsbeistands“ gestellt hat, der - in Ermangelung einer Rechtsgrundlage für die Gewährung von Prozesskostenhilfe, welche (anders als in Verfahren nach dem Strafvollzugsgesetz) im Vollstreckungsverfahren gesetzlich nicht vorgesehen ist - nach dem in § 300 StPO zum Ausdruck gebrachten allgemeinen Rechtsgedanken als Antrag auf Beiordnung eines Verteidigers analog § 140 Abs. 2 StPO auszulegen ist, obliegt die Entscheidung gemäß § 141 Abs. 4 Satz 1 StPO dem Senatsvorsitzenden, der darüber mit gesonderter Verfügung vom heutigen Tage entschieden hat.
III.
13 
Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss vom 12.05.2017 ist nach §§ 462 Abs. 3 Satz 1, 311 StPO zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
14 
1. Soweit das Landgericht Freiburg trotz des Antrags des Verurteilten auf "sofortige Aussetzung der Vollstreckbarkeit bzw. Beachtbarkeit" des Urteils vom 27.06.2012 davon abgesehen hat, einen Aufschub oder eine Unterbrechung der Vollstreckung nach § 458 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 StPO anzuordnen, kann offen bleiben, ob die (hier konkludente) Ablehnung einer vorläufigen Maßnahme überhaupt isoliert anfechtbar ist, was die herrschende Meinung verneint (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl. 2017, § 458 Rn. 16; KK-StPO/Appl, 7. Aufl. 2013, § 458 Rn. 22; Graalmann-Scheerer in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2010, § 458 Rn. 31; OLG Nürnberg NStZ 2003, 390 f.; KG Berlin, Beschluss vom 12.05.2005 - 5 Ws 218/05 - juris; aA wohl OLG Düsseldorf, NJW 1993, 1087). Jedenfalls ist das Absehen von einer vorläufigen Anordnung hier schon deshalb nicht zu beanstanden, weil derzeit noch andere Reststrafen gegen den Verurteilten vollstreckt werden und die weitere Vollstreckung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil vom 27.06.2012 erst zum 07.01.2018 vorgemerkt ist. Im Übrigen wäre der Antrag auch aus den nachstehenden Gründen als offensichtlich unbegründet abzulehnen gewesen.
15 
2. Mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 458 Abs. 1 StPO können nur solche Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Strafvollstreckung (§ 458 Abs. 1, 3. Var. StPO) erhoben werden, die das "Ob" der Strafvollstreckung betreffen. Unstatthaft sind demgegenüber - worauf bereits das Landgericht Freiburg in der angefochtenen Entscheidung zutreffend hingewiesen hat - grundsätzlich alle Einwendungen, die sich gegen den Bestand und die Rechtmäßigkeit der zu vollstreckenden gerichtlichen Entscheidung richten. Dies entspricht - soweit ersichtlich - allgemeiner Auffassung in Literatur und Rechtsprechung (Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 458 Rn. 9; KK-StPO/Appl, 7. Aufl. 2013, § 458 Rn. 2 und 13; Graalmann-Scheerer in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2010, § 458 Rn. 13; Gercke/Julius/Temming u.a., StPO, 5. Aufl. 2012, § 458 Rn. 5; SK-StPO/Paeffgen, 4. Aufl. 2013, § 458 Rn. 8; BeckOK StPO/Coen, 27. Ed. Stand: 01.01.2017, § 458 Rn. 5; OLG Frankfurt, NStZ-RR 1996, 318; KG Berlin, Beschluss vom 29.12.1999 - 1 AR 1438/99 - 5 Ws 711/99 - juris, Beschluss vom 28.10.2010 - 2 Ws 510/10 - juris).
16 
Ausgehend davon kann der Verurteilte im Vollstreckungsverfahren mit seinen Einwendungen gegen die getroffenen Feststellungen (insbesondere die Mengen des gehandelten bzw. besessenen Heroins) und die Richtigkeit des Schuldspruchs (insbesondere die unterlassene Prüfung von Beihilfe statt Täterschaft) sowie die vom Landgericht M auf das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Dr. K, Bezirkskrankenhaus M, gestützte Annahme uneingeschränkter Schuldfähigkeit des Verurteilten und die Verneinung eines Hangs im Sinne von § 64 StGB ebensowenig Gehör finden wie mit seinen Beanstandungen, welche das Strafmaß und die daraus resultierende Gesamtverbüßungsdauer sowie das verfahrensmäßige Zustandekommen des Urteils vom 27.06.2012 betreffen.
17 
3. Der einzig denkbare Ansatz, welcher dem Begehren des Verurteilten noch zum Erfolg verhelfen könnte, wäre der von ihm selbst unter Hinweis auf die Entscheidung des OLG München vom 17.05.2013 (2 Ws 1149/12 - NJW 2013, 2371 ff.) aufgezeigte Weg, das Urteil des Landgerichts M vom 27.06.2012 als nichtig anzusehen und im Verfahren nach § 458 Abs. 1 StPO auszusprechen, dass dessen Vollstreckung unterbleibt (vgl. zu diesem Ansatz: BGHZ 42, 360 ff.; Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, Einl. Rn. 105 ff., 109; Graalmann-Scheerer in Löwe-Rosenberg, aaO, § 458 Rn. 11; Heger/Pest, ZStW 2014, 446 ff., 476 f.).
18 
Die Möglichkeit, dass ein Urteil bei Vorliegen schwerster Mängel unheilbar nichtig sein kann, ist in Rechtsprechung und Schrifttum durchaus anerkannt, wenn auch nicht unbestritten (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, Einl. Rn. 105 ff. mwN). Aber auch nach dieser Auffassung kann gänzliche Unwirksamkeit mit der Folge rechtlicher Unbeachtlichkeit allenfalls in seltenen Ausnahmefällen in Betracht gezogen werden, in denen die Anerkennung einer Gültigkeit des Urteils wegen des Ausmaßes und des Gewichts der Fehlerhaftigkeit für die Rechtsgemeinschaft geradezu unerträglich wäre, weil die Entscheidung dem Geist der Strafprozessordnung und wesentlichen Prinzipien unserer rechtsstaatlichen Ordnung widerspricht; die Annahme von Nichtigkeit setzt überdies unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit voraus, dass eine derart schwerwiegende Fehlerhaftigkeit offenkundig ist (sog. "Evidenztheorie" - zu alledem: BGHSt 29, 351 ff.; NStZ 1984, 279; NStZ 2009, 579 ff.).
19 
Der Senat lässt offen, ob dem 2. Strafsenat des OLG München darin gefolgt werden kann, dass ein Urteil, welches auf einer informellen Verständigung außerhalb der hierfür vorgesehenen Regeln nach § 257c StPO beruht, ausnahmsweise gänzlich nichtig und unwirksam sein könnte. Die oben genannte Entscheidung des OLG München ist auf erhebliche Kritik gestoßen (Kudlich, NJW 2013, 3216 ff.; Leitmeier, NStZ 2014, 690 ff.; Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, Einl. Rn. 105a: "bedauerlicher Rückfall"). Insbesondere wird dagegen eingewandt (Leitmeier, aaO), dass nicht einmal das Bundesverfassungsgericht in seiner Grundsatzentscheidung zu § 257c StPO (Urteil vom 19.03.2013 - 2 BvR 2628/10 - BVerfGE 133, 168) in Erwägung gezogen habe, ein "gedealtes" Urteil für nichtig zu halten.
20 
Die gesetzliche Regelung des § 79 BVerfGG spricht ebenfalls gegen eine großzügige Anwendung der Grundsätze zur Nichtigkeit von Urteilen und eines daraus abgeleiteten Vollstreckungsverbots. Denn nach dieser Vorschrift ist selbst ein rechtskräftiges Strafurteil, das auf einer mit dem Grundgesetz für unvereinbar oder nach § 78 BVerfGG für nichtig erklärten Norm oder auf der Auslegung einer Norm beruht, die vom Bundesverfassungsgericht für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden ist, nicht allein deshalb nichtig, sondern es bleibt dem Verurteilten überlassen, im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens nach den Vorschriften der Strafprozessordnung die Aufhebung oder Berichtigung des auf einer für nichtig erklärten Norm beruhenden Urteils zu erwirken (BVerfG NJW 1963, 756; Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 458 Rn. 9). Das in § 79 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG ausgesprochene Vollstreckungsverbot bezieht sich schon nach seiner Stellung im Gesetz nur auf die in § 79 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG geregelten Entscheidungen, aber nicht auf die in § 79 Abs. 1 BVerfGG behandelten Strafurteile (BVerfG aaO). Entsprechendes gilt, wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder ihrer Protokolle festgestellt hat und ein Strafurteil auf dieser Verletzung beruht; auch in diesem Fall ist nach § 359 Nr. 6 StPO nur ein Wiederaufnahmegrund gegeben.
21 
Abgesehen davon, dass bei einem - selbst an schwerwiegenden Mängeln leidenden - „informellen Verständigungsurteil“ dessen fehlerhaftes Zustandekommen wohl nicht einmal für einen Rechtskundigen bei unbefangener Lektüre allein des Urteils zu erkennen sein dürfte (ebenso: Heger/Pest, ZStW 2014, 446 ff., 478), so dass es an der erforderlichen Offenkundigkeit der Fehlerhaftigkeit fehlen dürfte, ist im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, das Urteil des Landgerichts M vom 27.06.2012 vor der oben genannten Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 19.03.2013 ergangen ist, was ein weiteres Argument gegen die Offenkundigkeit der Fehlerhaftigkeit ist (vgl. Leitmeier, NStZ 2014, 690 ff., 693).
22 
Aber selbst wenn man die vom 2. Strafsenat des OLG München im Beschluss vom 17.05.2013 aufgestellten Maßstäbe auf den vorliegenden Fall anwenden wollte, würde dies nicht zu dem vom Verurteilten gewünschten Ergebnis führen, dass das Urteil des Landgerichts M vom 27.06.2012 als gänzlich nichtig und unwirksam anzusehen wäre. Das OLG München stellt nämlich in seinem Beschluss vom 17.05.2013 nicht allein auf eine Reihe von Verfahrensfehlern (Außerachtlassung der formellen Offenlegungs-, Dokumentations-, Hinweis- und Belehrungspflichten nach § 257c StPO) ab, sondern betont, dass diese "für sich genommen lediglich die Rechtswidrigkeit, nicht die gänzliche Unwirksamkeit des ergangenen Urteils zur Folge" hätten.
23 
Zur Annahme der Nichtigkeit und damit gänzlichen Unwirksamkeit der dort angefochtenen Entscheidung führte erst der zusätzliche Umstand, dass das Gericht in dem zugrunde liegenden Fall - so das OLG München - „erkennbar seiner für den Strafprozess grundlegenden Pflicht zur Aufklärung des wahren Sachverhalts und der Schuld des Angeklagten erkennbar bewusst nicht nachgekommen und sich hierzu tatsächlich keine eigene Überzeugung aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung nach § 261 StPO, also kein "eigenes Urteil" gebildet hat, sondern lediglich die bereits im Zwischenverfahren getroffene "Verständigung" ohne jegliche Nachkontrolle ihrer inhaltlichen Richtigkeit in ein formales Urteil umgesetzt hat", wobei nicht einmal sicher war, dass die beteiligten Schöffen über die tatsächlichen Hintergründe informiert worden waren. Nach den Feststellungen des OLG München erfüllte die im dortigen Verfahren vom Verteidiger vorgetragene und vom Angeklagten bestätigte Erklärung nicht einmal die Anforderungen an ein Formalgeständnis; dessen ungeachtet führte das Gericht zum Tatvorwurf keinerlei Beweisaufnahme durch (was offensichtlich auch von vornherein so beabsichtigt war, da zur Hauptverhandlung keine Zeugen geladen worden waren) und wertete die "gänzlich inhaltslose Erklärung" als Geständnis. Die Beweisaufnahme erschöpfte sich ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls darin, dass der Auszug aus dem Bundeszentralregister verlesen und festgestellt wurde, dass kein Eintrag vorhanden sei.
24 
Von einem derartigen "offenkundigen krassen Widerspruch der Entscheidung zu grundlegenden Prinzipien der rechtsstaatlichen Ordnung" (OLG München aaO) kann im vorliegenden Fall keine Rede sein. Den Ausführungen zur Beweiswürdigung im Abschnitt "II. Feststellungen zu den Taten“ im Urteil vom 27.06.2012 ist zu entnehmen, dass das Landgericht M die vom Verurteilten und der damaligen Mitangeklagten, die im Tatzeitraum seine Lebensgefährtin war, abgelegten Geständnisse (der Verurteilte hatte über die von seinem Verteidiger abgegebene und von ihm bestätigte Erklärung hinaus ergänzend eigene Ausführungen gemacht) nicht einfach ungeprüft übernommen, sondern weitere Beweiserhebungen durchgeführt hat, um zu untersuchen, ob diese in sich stimmig sind und im Hinblick auf sonstige Erkenntnisse keinen Glaubhaftigkeitsbedenken unterliegen. So wurde der kriminalpolizeiliche Sachbearbeiter des Gesamtkomplexes als Zeuge vernommen, der ausweislich der Urteilsgründe u.a. angegeben hatte, dass sich die damalige Mitangeklagte bereits unmittelbar nach ihrer Festnahme umfangreich zur Tat eingelassen, ihren Tatbeitrag gestanden und angegeben habe, dass im Keller ihrer Wohnung in F weitere Betäubungsmittel gelagert seien; sie habe bereits in der Erstvernehmung Unterstützungshandlungen hinsichtlich der Taten des Angeklagten vollumfänglich zugegeben und darüber hinaus einen mutmaßlichen Abnehmer des Angeklagten benannt, der aufgrund ihrer Aussage später ermittelt werden konnte. Ein weiterer Kriminalbeamter, der die Durchsuchung der Wohnung der damaligen Mitangeklagten am 19.10.2011 geleitet hatte, hatte die erfolgten Sicherstellungen geschildert.
25 
Bei dieser Sachlage scheidet - selbst wenn man von der uneingeschränkten Richtigkeit des Vorbringens des Verurteilten zum Zustandekommen der Verurteilung ausgeht - eine Bewertung des Urteils vom 27.06.2012 als nichtig aus.
IV.
26 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 473 Abs. 1 StPO.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc
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published on 09/09/2021 17:29

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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wenn über die Auslegung eines Strafurteils oder über die Berechnung der erkannten Strafe Zweifel entstehen oder wenn Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Strafvollstreckung erhoben werden, so ist die Entscheidung des Gerichts herbeizuführen.

(2) Das Gericht entscheidet ferner, wenn in den Fällen des § 454b Absatz 1 bis 3 sowie der §§ 455, 456 und 456c Abs. 2 Einwendungen gegen die Entscheidung der Vollstreckungsbehörde erhoben werden oder wenn die Vollstreckungsbehörde anordnet, daß an einem Ausgelieferten, Abgeschobenen, Zurückgeschobenen oder Zurückgewiesenen die Vollstreckung einer Strafe oder einer Maßregel der Besserung und Sicherung nachgeholt werden soll, und Einwendungen gegen diese Anordnung erhoben werden.

(3) Der Fortgang der Vollstreckung wird hierdurch nicht gehemmt; das Gericht kann jedoch einen Aufschub oder eine Unterbrechung der Vollstreckung anordnen. In den Fällen des § 456c Abs. 2 kann das Gericht eine einstweilige Anordnung treffen.

Ein Irrtum in der Bezeichnung des zulässigen Rechtsmittels ist unschädlich.

(1) Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt vor, wenn

1.
zu erwarten ist, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht, dem Landgericht oder dem Schöffengericht stattfindet;
2.
dem Beschuldigten ein Verbrechen zur Last gelegt wird;
3.
das Verfahren zu einem Berufsverbot führen kann;
4.
der Beschuldigte nach den §§ 115, 115a, 128 Absatz 1 oder § 129 einem Gericht zur Entscheidung über Haft oder einstweilige Unterbringung vorzuführen ist;
5.
der Beschuldigte sich auf Grund richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt befindet;
6.
zur Vorbereitung eines Gutachtens über den psychischen Zustand des Beschuldigten seine Unterbringung nach § 81 in Frage kommt;
7.
zu erwarten ist, dass ein Sicherungsverfahren durchgeführt wird;
8.
der bisherige Verteidiger durch eine Entscheidung von der Mitwirkung in dem Verfahren ausgeschlossen ist;
9.
dem Verletzten nach den §§ 397a und 406h Absatz 3 und 4 ein Rechtsanwalt beigeordnet worden ist;
10.
bei einer richterlichen Vernehmung die Mitwirkung eines Verteidigers auf Grund der Bedeutung der Vernehmung zur Wahrung der Rechte des Beschuldigten geboten erscheint;
11.
ein seh-, hör- oder sprachbehinderter Beschuldigter die Bestellung beantragt.

(2) Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt auch vor, wenn wegen der Schwere der Tat, der Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge oder wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann.

(3) (weggefallen)

(1) In den Fällen der notwendigen Verteidigung wird dem Beschuldigten, dem der Tatvorwurf eröffnet worden ist und der noch keinen Verteidiger hat, unverzüglich ein Pflichtverteidiger bestellt, wenn der Beschuldigte dies nach Belehrung ausdrücklich beantragt. Über den Antrag ist spätestens vor einer Vernehmung des Beschuldigten oder einer Gegenüberstellung mit ihm zu entscheiden.

(2) Unabhängig von einem Antrag wird dem Beschuldigten, der noch keinen Verteidiger hat, in den Fällen der notwendigen Verteidigung ein Pflichtverteidiger bestellt, sobald

1.
er einem Gericht zur Entscheidung über Haft oder einstweilige Unterbringung vorgeführt werden soll;
2.
bekannt wird, dass der Beschuldigte, dem der Tatvorwurf eröffnet worden ist, sich auf Grund richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt befindet;
3.
im Vorverfahren ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte, insbesondere bei einer Vernehmung des Beschuldigten oder einer Gegenüberstellung mit ihm, nicht selbst verteidigen kann, oder
4.
er gemäß § 201 zur Erklärung über die Anklageschrift aufgefordert worden ist; ergibt sich erst später, dass die Mitwirkung eines Verteidigers notwendig ist, so wird er sofort bestellt.
Erfolgt die Vorführung in den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 zur Entscheidung über den Erlass eines Haftbefehls nach § 127b Absatz 2 oder über die Vollstreckung eines Haftbefehls gemäß § 230 Absatz 2 oder § 329 Absatz 3, so wird ein Pflichtverteidiger nur bestellt, wenn der Beschuldigte dies nach Belehrung ausdrücklich beantragt. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 und 3 kann die Bestellung unterbleiben, wenn beabsichtigt ist, das Verfahren alsbald einzustellen und keine anderen Untersuchungshandlungen als die Einholung von Registerauskünften oder die Beiziehung von Urteilen oder Akten vorgenommen werden sollen.

(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches).

(2) Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist.

(3) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.

(1) Wenn über die Auslegung eines Strafurteils oder über die Berechnung der erkannten Strafe Zweifel entstehen oder wenn Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Strafvollstreckung erhoben werden, so ist die Entscheidung des Gerichts herbeizuführen.

(2) Das Gericht entscheidet ferner, wenn in den Fällen des § 454b Absatz 1 bis 3 sowie der §§ 455, 456 und 456c Abs. 2 Einwendungen gegen die Entscheidung der Vollstreckungsbehörde erhoben werden oder wenn die Vollstreckungsbehörde anordnet, daß an einem Ausgelieferten, Abgeschobenen, Zurückgeschobenen oder Zurückgewiesenen die Vollstreckung einer Strafe oder einer Maßregel der Besserung und Sicherung nachgeholt werden soll, und Einwendungen gegen diese Anordnung erhoben werden.

(3) Der Fortgang der Vollstreckung wird hierdurch nicht gehemmt; das Gericht kann jedoch einen Aufschub oder eine Unterbrechung der Vollstreckung anordnen. In den Fällen des § 456c Abs. 2 kann das Gericht eine einstweilige Anordnung treffen.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Wenn über die Auslegung eines Strafurteils oder über die Berechnung der erkannten Strafe Zweifel entstehen oder wenn Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Strafvollstreckung erhoben werden, so ist die Entscheidung des Gerichts herbeizuführen.

(2) Das Gericht entscheidet ferner, wenn in den Fällen des § 454b Absatz 1 bis 3 sowie der §§ 455, 456 und 456c Abs. 2 Einwendungen gegen die Entscheidung der Vollstreckungsbehörde erhoben werden oder wenn die Vollstreckungsbehörde anordnet, daß an einem Ausgelieferten, Abgeschobenen, Zurückgeschobenen oder Zurückgewiesenen die Vollstreckung einer Strafe oder einer Maßregel der Besserung und Sicherung nachgeholt werden soll, und Einwendungen gegen diese Anordnung erhoben werden.

(3) Der Fortgang der Vollstreckung wird hierdurch nicht gehemmt; das Gericht kann jedoch einen Aufschub oder eine Unterbrechung der Vollstreckung anordnen. In den Fällen des § 456c Abs. 2 kann das Gericht eine einstweilige Anordnung treffen.

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

(1) Gegen ein rechtskräftiges Strafurteil, das auf einer mit dem Grundgesetz für unvereinbar oder nach § 78 für nichtig erklärten Norm oder auf der Auslegung einer Norm beruht, die vom Bundesverfassungsgericht für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden ist, ist die Wiederaufnahme des Verfahrens nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung zulässig.

(2) Im übrigen bleiben vorbehaltlich der Vorschrift des § 95 Abs. 2 oder einer besonderen gesetzlichen Regelung die nicht mehr anfechtbaren Entscheidungen, die auf einer gemäß § 78 für nichtig erklärten Norm beruhen, unberührt. Die Vollstreckung aus einer solchen Entscheidung ist unzulässig. Soweit die Zwangsvollstreckung nach den Vorschriften der Zivilprozeßordnung durchzuführen ist, gilt die Vorschrift des § 767 der Zivilprozeßordnung entsprechend. Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung sind ausgeschlossen.

Kommt das Bundesverfassungsgericht zu der Überzeugung, daß Bundesrecht mit dem Grundgesetz oder Landesrecht mit dem Grundgesetz oder dem sonstigen Bundesrecht unvereinbar ist, so erklärt es das Gesetz für nichtig. Sind weitere Bestimmungen des gleichen Gesetzes aus denselben Gründen mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht unvereinbar, so kann sie das Bundesverfassungsgericht gleichfalls für nichtig erklären.

(1) Gegen ein rechtskräftiges Strafurteil, das auf einer mit dem Grundgesetz für unvereinbar oder nach § 78 für nichtig erklärten Norm oder auf der Auslegung einer Norm beruht, die vom Bundesverfassungsgericht für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden ist, ist die Wiederaufnahme des Verfahrens nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung zulässig.

(2) Im übrigen bleiben vorbehaltlich der Vorschrift des § 95 Abs. 2 oder einer besonderen gesetzlichen Regelung die nicht mehr anfechtbaren Entscheidungen, die auf einer gemäß § 78 für nichtig erklärten Norm beruhen, unberührt. Die Vollstreckung aus einer solchen Entscheidung ist unzulässig. Soweit die Zwangsvollstreckung nach den Vorschriften der Zivilprozeßordnung durchzuführen ist, gilt die Vorschrift des § 767 der Zivilprozeßordnung entsprechend. Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung sind ausgeschlossen.

Die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens zugunsten des Verurteilten ist zulässig,

1.
wenn eine in der Hauptverhandlung zu seinen Ungunsten als echt vorgebrachte Urkunde unecht oder verfälscht war;
2.
wenn der Zeuge oder Sachverständige sich bei einem zuungunsten des Verurteilten abgelegten Zeugnis oder abgegebenen Gutachten einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht oder einer vorsätzlichen falschen uneidlichen Aussage schuldig gemacht hat;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf die Sache einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten schuldig gemacht hat, sofern die Verletzung nicht vom Verurteilten selbst veranlaßt ist;
4.
wenn ein zivilgerichtliches Urteil, auf welches das Strafurteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftig gewordenes Urteil aufgehoben ist;
5.
wenn neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht sind, die allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen die Freisprechung des Angeklagten oder in Anwendung eines milderen Strafgesetzes eine geringere Bestrafung oder eine wesentlich andere Entscheidung über eine Maßregel der Besserung und Sicherung zu begründen geeignet sind,
6.
wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder ihrer Protokolle festgestellt hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht.

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.