Oberlandesgericht Hamm Urteil, 02. Sept. 2016 - 9 U 75/15
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten zu 4) wird das am 13. März 2015 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten zu 1) bis 3) werden als Gesamtschuldner, die Beklagte zu 4) mit diesen „wie“ eine Gesamtschuldnerin haftend, verurteilt, 5.766,16 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, die Beklagten zu 1) – 3) seit dem 16.03.2013 und die Beklagte zu 4) seit dem 29.05.2014, an die Klägerin zu zahlen.
Die Beklagten zu 1) – 3) werden darüber hinaus als Gesamtschuldner verurteilt, weitere 83.466,16 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.03.2013 an die Klägerin zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1) bis 3) über Abs. 1 und 2 hinaus verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche weiteren und zukünftigen gem. § 110 f. SGB VII erstattungsfähigen unfallbedingten Aufwendungen zu ersetzen, die von ihr aufgrund des Unfalls gezahlt wurden und noch zu zahlen sein werden, der sich am 19.04.2011 in F, N-Straße, ereignete und bei dem ihr Versicherter T, geb. am ##.##.1965, schwer verletzt wurde.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 4) über Abs.1 hinaus verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren übergangsfähigen unfallbedingten Aufwendungen in Höhe einer Haftungsquote von 50 % zu ersetzen, die von ihr aufgrund des Unfalls gezahlt wurden und noch zu zahlen sein werden, der sich am 19.04.2011 in F, N-Straße, ereignete und bei dem ihr Versicherter T, geb. am ##.##.1965, schwer verletzt wurde. Dabei haftet sie mit den Beklagten zu 1) bis 3) wie eine Gesamtschuldnerin.
Im Übrigen wird die Klage gegen die Beklagte zu 4) abgewiesen.
Die weitergehende Berufung der Beklagten zu 4) und die Berufungen der Beklagten zu 1) – 3) werden zurückgewiesen.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen die Parteien wie folgt:
Die Gerichtskosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen die Klägerin zu 19 %, die Beklagten zu 1) – 3) zu 75 % als Gesamtschuldner, die Beklagte zu 4) trägt 6 %.
Von den außergerichtlichen Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens der Beklagten zu 4) trägt die Klägerin 78 %.
Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Beklagten zu 1) bis 3) 75 % als Gesamtschuldner, die Beklagte zu 4) trägt 6 %.
Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen erstinstanzlichen Kosten selbst.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Parteien wie folgt:
Die Gerichtskosten tragen die Klägerin zu 16 %, die Beklagten zu 1) bis 3) zu 81 % als Gesamtschuldner, die Beklagte zu 4) trägt 3 %.
Von den außergerichtlichen zweitinstanzlichen Kosten der Klägerin tragen die Beklagten zu 1) bis 3) 81 % als Gesamtschuldner, die Beklagte zu 4) trägt 3 %.
Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 4) trägt die Klägerin 93 %.
Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen zweitinstanzlichen Kosten selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten zu 4) durch Sicherheitsleistung in Höhe von 100 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zu 4) vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 100 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Gründe:
2I.
3Die Klägerin ist eine Sozialversicherungsträgerin und macht gegenüber den Beklagten Schadensersatzansprüche aufgrund eines am 19.04.2011 stattgefundenen Arbeitsunfalls geltend.
4Die Firma B, ein Mitgliedsunternehmen der Klägerin, hatte den Geschädigten T (im Weiteren nur noch der Geschädigte) an die Beklagte zu 1) verliehen.
5Die Beklagte zu 4) ist mit der Errichtung von Photovoltaikanlagen befasst.
6Sie hat bereits mehrmals die Beklagte zu 1), eine Dachdeckerfirma, mit der Durchführung der erforderlichen Dachmontagearbeiten beauftragt.
7Im vorliegenden Fall war die Beklagte zu 4) jedoch nicht als Generalunternehmerin, sondern in eigener Sache tätig. Die Beklagte zu 1) war beauftragt, eine Photovoltaikanlage auf einer von der Beklagten zu 4) angemieteten Lagerhalle zu montieren. Dabei verpflichtete sich die Beklagte zu 4), die erforderlichen Absicherungsmaßnahmen am Dach vor Beginn der Arbeiten durchzuführen. Tatsächlich waren zu Beginn der Arbeiten am 18.04.2011 diese Maßnahmen unstreitig größtenteils nicht erfolgt.
8Nach den Feststellungen der zuständigen Arbeitsschutzbehörde der Bezirksregierung Detmold waren die Absturzkanten der Giebelseiten der im Firstbereich 12 m hohen Lagerhalle nicht gegen Absturz gesichert. Die im Traufbereich angebrachte Absturzsicherung war wirkungslos, im nördlichen Traufbereich fehlten ca. 10 m Sicherungsnetz. Die Abstände der Sicherungspfosten betrugen 6 m, ohne weitere Sicherheitsmaßnahmen war dieser Abstand zu groß. Das Fangnetz war im oberen Bereich der Sicherungspfosten nur übergehängt, nicht aber mittels zugelassener Gurte belegt. Im mittleren und unteren Bereich der Sicherungspfosten fehlte die Verankerung des Fangnetzes. Im Bereich der Lichtbänder, die sich jeweils in einem Abstand von 8 m über das Dach zogen, waren keine Sicherungsnetze angebracht.
9Der von der Beklagten zu 1) als Vorabeiter eingesetzte Beklagte zu 3) monierte am Morgen des 18.04.2011, als die Arbeiten auf dem Dach beginnen sollten, das Fehlen einer Absicherung dieser nicht betretbaren Lichtbänder gegenüber der Beklagten zu 4). Die Arbeiten auf dem Dach wurden gleichwohl unverzüglich begonnen. Am 19.04.2011 nahm der Geschädigte zusammen mit dem Beklagten zu 3), drei weiteren Leiharbeitern und einem Schülerpraktikanten, um 7.30 Uhr morgens die Arbeiten auf der Dachfläche auf. Gegen 11.30 Uhr trat der Geschädigte unter nicht näher aufklärbaren Umständen auf ein Lichtband, welches einbrach, und stürzte ca. 9,50 m tief auf den Betonboden der Lagerhalle, wobei er sich schwer verletzte.
10Die Verletzungen des Geschädigten sowie die von der Klägerin erbrachten unfallbedingten Leistungen sind unstreitig, wobei ebenfalls unstreitig ist, dass ein zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch des Geschädigten in zumindest der von der Klägerin geleisteten Höhe von 166.932,32 € besteht, worauf der hinter den Beklagten stehende Haftpflichtversicherer bislang 77.700,-- € an die Klägerin gezahlt hat.
11Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagten zu 1) – 3) hätten grob fahrlässig gehandelt und seien ihr daher zur Erstattung ihrer Aufwendungen nach den §§ 110, 111 SGB VII verpflichtet; eine Haftung der Beklagten zu 4) folge aus den §§ 823 BGB, § 116 SGB X.
12Die Klägerin hat beantragt,
131.
14die Beklagten zu 1) bis 3) zusammen mit der Beklagten zu 4) zu verurteilen, 89.232,32 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung (Beklagte zu 1) bis 3)) bzw. seit Zustellung der Klageerweiterung (Beklagte zu 4)) an die Klägerin zu zahlen, wobei die Beklagten zu 1) bis 3) als Gesamtschuldner haften und diese mit der Beklagten zu 4) „wie“ Gesamtschuldner,
152.
16festzustellen, dass die Beklagten zu 1) bis 3) über Ziffer 1) hinaus als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche weiteren und zukünftigen gemäß §§ 110 ff SGB VII erstattungsfähigen unfallbedingten Aufwendungen zu ersetzen, die von ihr aufgrund des Unfalls gezahlt wurden und noch zu zahlen sein werden, der sich am 19.04.2011 in F, N-Straße, ereignete und bei dem ihr Versicherter T, geboren am ##.##.1965, schwer verletzt wurde,
173.
18festzustellen, dass die Beklagte zu 4) verpflichtet ist, der Klägerin über Ziffer 1) hinaus sämtliche weiteren übergangsfähigen unfallbedingten Aufwendungen zu ersetzen, die von der Klägerin gezahlt wurden und noch zu zahlen sein werden aufgrund des Unfalls, der sich am 19.04.2011 in F, N-Straße, ereignete und bei dem ihr Versicherter T, geboren am ##.##.1995, schwer verletzt wurde; dabei haftet die Beklagte zu 4) mit den als Gesamtschuldner haftenden Beklagten zu 1) bis 3) „wie“ Gesamtschuldner.
19Die Beklagten haben beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Sie haben behauptet, der Beklagte zu 3) sei als Kolonnenführer niemals mit der Ergreifung, Einhaltung und Überwachung maßgeblicher Arbeitsschutzvorschriften betraut gewesen. Er habe arbeitsrechtlich keinerlei Handhabe, einen Arbeitsstopp anzuordnen oder gar in eigener Entscheidungskompetenz Sicherungsmaßnahmen auszuführen oder ausführen zu lassen. Die Beklagten zu 1) und 2) hätten nicht grob fahrlässig gehandelt. Die Absicherung des fraglichen Bereiches habe auch nicht der Beklagten zu 1), sondern der Beklagten zu 4) oblegen. Auffangnetze hätten sich technisch schon konstruktiv nicht anbringen lassen, auch eine Sicherung in Form einer Umrandung der Lichtbänder sei nicht möglich gewesen, weil die Elemente der Photovoltaikanlage bis in diesen Bereich hätten verlegt werden müssen. Das gesamte Dach habe gefahrlos betreten werden können, da es sich bei einer Neigung von 10 % nahezu um ein Flachdach gehandelt habe und die Lichtbänder von jeder Position aus deutlich erkennbar gewesen seien. Der Arbeitsbereich des Geschädigten habe sich nicht im Bereich der Lichtbänder befunden. Auch sei er ständig darauf hingewiesen worden, sich von diesen Lichtbändern fernzuhalten, da diese nicht tragend seien und man durchbrechen könne. Der Arbeitsplatz des Geschädigten habe sich an der unteren Kante des Daches befunden, wo die Unterkonstruktion für die PV-Module erstellt worden seien. Dieser Arbeitsbereich sei ein ganzes Stück von dem fraglichen Lichtband, welches der Geschädigte aus völlig unerklärlichen Gründen und aus rein eigenständiger Entscheidung bewusst betreten habe, entfernt gewesen. Die Beklagte zu 4) habe zunächst nichts davon gewusst, dass Lichtbänder abzusichern gewesen waren. Dies sei ihr erst durch den Beklagten zu 3) mitgeteilt worden. Die Beklagte zu 4) habe umgehend das Erforderliche veranlasst und zwar, indem sie die Firma X GmbH & Co. KG beauftragt habe. Die gebotene Absicherung sei aufgrund eines bedauerlichen Missverständnisses unterblieben.
22Das Landgericht Bielefeld hat die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Bielefeld 13 Js 1409/11 beigezogen sowie die Zeugen W, G, L, C, M, I und T2 vernommen. Sodann hat es die Beklagten antragsgemäß verurteilt. Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 ZPO auf das angefochtene Urteil verwiesen, soweit sich aus dem Nachstehenden nichts anderes ergibt.
23Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie beantragen,
24unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts Bielefeld vom 13.03.2015 – 1 O 82/13 –
251.
26die gegen die Beklagten zu 1) bis 3) gerichtete Klage insgesamt abzuweisen,
272.
28die gegen die Beklagte zu 4) gerichtete Klage abzuweisen, soweit die Beklagte zu 4) verurteilt worden ist, an die Klägerin 89.232,32 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.05.2014 zu zahlen,
293.
30die gegen die Beklagte zu 4) gerichtete Feststellungsklage abzuweisen, soweit festgestellt worden ist, dass die Beklagte zu 4) oberhalb einer Haftungsquote von einem Drittel verpflichtet ist, der Klägerin über die Verurteilung zur Zahlung eines Betrages von 89.232,32 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.05.2014 hinaus sämtliche weiteren übergangsfähigen unfallbedingten Aufwendungen zu ersetzen, die von ihr aufgrund des Unfalls gezahlt wurden und noch zu zahlen sein werden, der sich am 19.04.2011 in F, N-Straße, ereignete und bei dem ihr Versicherter T, geboren am ##.##.1965, schwer verletzt wurde.
31Sie rügen, die Beweiswürdigung des Landgerichts sei unvollständig und weise Lücken auf, wobei insbesondere feststehende Tatsachen teilweise gar nicht berücksichtigt worden seien. Ausweislich der Entscheidungsgründe habe sich das Landgericht in einer Vielzahl von Passagen zur Stützung seiner Rechtsauffassung nicht auf festgestellte Tatsachen bezogen, sondern die insoweit unterbliebene Tatsachenfeststellung durch Spekulationen ersetzt . Unvertretbar seien auch die Ausführungen zur Verneinung eines Mitverschuldens des Geschädigten. Unrichtig sei die Feststellung des Landgerichts, der Geschädigte habe zum Zwecke der Montage der Unterkonstruktion notwendig unmittelbar neben dem nicht trittsicheren Teil des Dachs zu arbeiten gehabt und sei bei dieser Arbeit auf das Lichtband getreten. Der Geschädigte sei zu keinem Zeitpunkt seiner Tätigkeit auf dem Hallendach überhaupt in einem gefährlichen Bereich eingesetzt worden. Der Bereich, in dem er die fraglichen Dreiecke, also das Ständerwerk für die Module, montiert habe, sei jeweils mindestens 3 m von den Lichtbändern entfernt gewesen. Für den Wechsel zwischen den jeweiligen Lichtbändern habe auf dem praktisch ebenen Dach die etwa 6 m breite Fläche zwischen dem unteren Bereich des Lichtbandes und dem Dachrandbereich benutzt bzw. begangen werden können. Dieser Arbeits- und Einsatzbereich sei prinzipiell völlig ungefährlich gewesen.
32Das Landgericht habe keine konkreten Feststellungen zum Unfallhergang getroffen. Festgestellt sei auch nicht, dass sich das Unfallgeschehen während der Durchführung einer konkreten Arbeitstätigkeit ereignet habe. Auch eine Sonneneinstrahlung sei zum Unfallzeitpunkt nicht festgestellt worden. Ebenso wenig spiele es eine Rolle, ob Absturzsicherungen in den Dachrandbereichen Mängel aufgewiesen hätten, da sich derartige Unzulänglichkeiten nicht kausal auf den Unfall ausgewirkt hätten.
33Der Beklagte zu 3) habe den Geschädigten bewusst in einem ungefährlichen Bereich des Daches eingesetzt und ihm den erfahrenen Zeugen W zur Seite gestellt, der diesem die ausdrückliche Anweisung gegeben habe, in dem sicheren Bereich zu verbleiben, während er sich zum Beklagten zu 3) begeben habe, um neue Weisungen für die weiteren Arbeiten einzuholen. Auch sei der Geschädigte immer wieder vom Beklagten zu 3) und weiteren Arbeitskollegen auf die Gefährlichkeit der Lichtbänder hingewiesen und angewiesen worden, sich hiervon fernzuhalten. Der Geschädigte habe sich entgegen ausdrücklich erteilter Anweisungen in den Gefahrenbereich begeben und einen Schritt nach vorne auf das Lichtband getätigt. Dieses Verhalten sei für den Beklagten zu 3) nicht vorhersehbar gewesen. Wenn das Landgericht davon ausgehe, dass der Beklagte zu 3) der maßgebliche Verantwortliche gewesen sei, verbiete sich eine Bewertung des Verhaltens des Beklagten zu 2) als subjektiv unentschuldbar.
34Der Beklagten zu 4) habe vertraglich die Ausführung der Unfallverhütungs-vorschriften oblegen. Diese habe als Mieterin der Halle auch gewusst, dass sich auf dem Dach Lichtbänder befunden haben, die nicht ausreichend trittsicher seien. Die Beklagte zu 4) habe in der Vergangenheit zahlreiche Baumaßnahmen der Beklagten zu 1) und 2) betreut. Es habe in Bezug auf die Einhaltung des Unfallverhütungsschutzes keine Beanstandungen gegeben.
35Der Beklagte zu 2) habe ohne Weiteres davon ausgehen dürfen, dass der für die Beklagte zu 4) handelnde Zeuge G, wie auch in der Vergangenheit, den Unfallverhütungsschutz komplett und vollständig durchführen würde. Im Übrigen habe der Beklagte zu 3) ausdrücklich auf die erforderliche Abnetzung der Lichtbänder hingewiesen. Somit sei die Kausalität für eine eventuelle Pflichtwidrigkeit des Beklagten zu 2) unterbrochen. Es sei auch nicht als grob fahrlässig zu betrachten, wenn der Beklagte zu 2) sich anderthalb Tage an der Baustelle nicht habe sehen lassen. Die Beklagte zu 1) habe die gebotenen Unfallverhütungsmaßnahmen auf einen ihr bekannten und in der Vergangenheit sich als äußerst zuverlässig erwiesenen Vertragspartner übertragen und den Beklagten zu 3) eingesetzt, dem die konkrete Überprüfung der Einhaltung des Arbeitsschutzes oblegen habe. Dem Geschädigten sei ein erhebliches Mitverschulden an dem Unfall anzulasten, da es nach seinem Verhalten nicht fernliege, dass er habe ausprobieren wollen, ob ihn das Lichtband tatsächlich trage. Jedenfalls habe sich der Geschädigte über zwei ihm ausdrücklich erteilte Weisungen hinweggesetzt und sich in den unmittelbaren Gefahrenbereich begeben, wo er dann zu Schaden gekommen sei.
36Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung und tritt der Berufung mit näheren Ausführungen entgegen.
37II.
38Die Berufung der Beklagten zu 1) bis 3) bleibt ohne Erfolg, während auf die Berufung der Beklagten zu 4) das angefochtene Urteil teilweise abzuändern war.
391.
40Zwar ist dem Landgericht darin zu folgen, dass alle vier Beklagten eine Haftung für die Unfallfolgen des Geschädigten T trifft. Die Beklagten zu 1) bis 3) haften der Klägerin für die ihr im Zusammenhang mit dem Unfall des Geschädigten T entstandenen Aufwendungen nach § 110 Abs. 1 SGB VII als Gesamtschuldner, die Beklagte zu 4) haftet ihr nach den §§ 823 Abs. 1 BGB, 116 SGB X, jedoch nur bis zur Höhe von 50 % des erstattungsfähigen Aufwandes.
41Während die Beklagten zu 1) bis 3) eine Haftungseinheit bilden und echte Gesamtschuldner i. S. d. § 426 BGB sind, besteht im Hinblick auf die Beklagte zu 4) ein gestörtes Gesamtschuldverhältnis. Die Beklagten zu 1) bis 3) haften nämlich unstreitig lediglich nach den §§ 104 ff. SGB VII eingeschränkt, weil sie als Unternehmer, gesetzlicher Vertreter des Unternehmers und Arbeitskollege nach den §§ 104 ff. SGB VII gegenüber dem Geschädigten T haftungspriviligiert sind mit der Folge, dass sie von diesem nicht in Anspruch genommen werden können, vielmehr die Klägerin für die unfallbedingten Kosten des Geschädigten eintritt.
42Demgegenüber haftet die Beklagte zu 4) dem Geschädigten in vollem Umfang, weil sie kein Haftungsprivileg für sich in Anspruch nehmen kann.
43Der Bundesgerichtshof hat in solchen Fällen einer gestörten Gesamtschuld wiederholt entschieden, dass der Zweitschuldner, also der nicht privilegierte Schuldner, nur in Höhe des Verantwortungsanteils haftet, der auf ihn entfiele, wenn die anderen Schädiger nicht haftungsprivilegiert wären. In Fällen, in denen zwischen mehreren Schädigern ein Gesamtschuldverhältnis besteht, können Ansprüche des Geschädigten gegen einen Gesamtschuldner (Zweitschädiger) auf den Betrag beschränkt sein, der auf diesen im Innenverhältnis zu dem anderen Gesamtschuldner endgültig entfiele, wenn die Schadensverteilung nach § 426 BGB nicht durch eine sozialversicherungsrechtliche Sonderregelung gestört wäre. Die Beschränkung der Haftung des Zweitschädigers beruht auf dem Gedanken, dass einerseits die haftungsrechtliche Privilegierung nicht durch eine Heranziehung im Gesamtschuldnerausgleich unterlaufen werden soll, es jedoch andererseits bei Berücksichtigung des Grundes der Haftungsprivilegierung, nämlich der anderweitigen Absicherung des Geschädigten, nicht gerechtfertigt wäre, den Zweitschuldner den Schaden alleine tragen zu lassen (BGH, Urteil vom 24.06.2003, Az.: XI ZR 343/01, Rdnr. 23, zitiert bei juris; Urteil vom 18.11.2014, Az.: VI ZR 47/13, Rdnr. 35, zitiert bei juris).
44Diese Grundsätze sind vorliegend anzuwenden und führen zu einer Haftungsteilung zwischen den Beklagten zu 1) bis 3) auf der einen Seite und der Beklagten zu 4) auf der anderen Seite im Innenverhältnis. Dabei wertet der Senat das Verschulden aller vier Beklagten als grob fahrlässig und insgesamt auch gleichgewichtig. Allerdings ist der Schaden nicht etwa im Innenverhältnis zu je ¼ zu tragen, sondern vielmehr sind bei Berücksichtigung der Verantwortungs- und Interessenslage vor dem Hintergrund der zwischen der Beklagten zu 1) und der Beklagten zu 4) bestehenden Geschäftsbeziehung die Beklagten zu 1) bis 3) als eine Haftungseinheit anzusehen. Dies gilt unzweifelhaft bereits für die Beklagten zu 1) und 2), da die Beklagte zu 1) als juristische Person selbst nicht handeln kann, sondern durch ihren Geschäftsführer, den Beklagten zu 2), handelt, für dessen organschaftliches Verschulden sie entsprechend auch nach § 31 BGB ohne die Exkulpationsmöglichkeit des § 831 BGB einzustehen hat. Aber auch eine gesonderte Berücksichtigung des Verschuldens des Beklagten zu 3) erscheint dem Senat nicht angezeigt, weil dieser hier nicht im eigenen Interesse und zudem auch nicht ausschließlich im eigenen Verantwortungsbereich, sondern vor allem im Rahmen einer ihm unzulässigerweise übertragenen Verantwortung tätig geworden ist (dazu weiter unten). Dies rechtfertigt es aus Sicht des Senats, ihn haftungsrechtlich nicht anders zu stellen als den Beklagten zu 2), weil er ebenso wie dieser letztlich nur für das Unternehmen tätig geworden ist, wenn auch zum Teil im eigenen Verantwortungsbereich. Letztlich waren und sind es die Beklagte zu 1) und 4), die eine beiderseitige dauerhafte Geschäftsbeziehung unterhalten und aus den beiderseitigen Geschäften Profit ziehen, was im vorliegenden Fall besonders für die Beklagte zu 4) zutrifft, die nicht nur als Generalunternehmerin, sondern als Auftraggeberin der Installation der Photovoltaikanlage aufgetreten ist. Vor diesem Hintergrund sind beide Unternehmen einschließlich der für sie tätigen Personen als Haftungseinheit anzusehen und haben sich den entstandenen Schaden im Innenverhältnis zu teilen, was nach den dargestellten Grundsätzen des Bundesgerichtshofes zur gestörten Gesamtschuld zur Beschränkung des Haftungsanteils der Beklagten zu 4) auf 50 % führt. Demgemäß errechnet sich der Höhe nach ein Zahlungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 4) von 5.766,16 € (50 % von 166.932,32 € abzüglich gezahlter 77.700,-- €).
452.
46Die Berufung der Beklagten zu 1) bis 3) bleibt hingegen ohne Erfolg.
47a)
48Der Geschädigte T hat einen Arbeitsunfall i. S. d. § 8 SGB VII erlitten. Soweit die Ausführungen in der Berufungsschrift darauf abzielen sollten, dass der Unfall des Geschädigten deshalb nicht als Arbeitsunfall zu qualifizieren sei, weil er nach Beendigung eines Arbeitsvorganges auf weitere, vom Zeugen W einzuholende Weisungen gewartet und sich im Übrigen durch ein nicht mit der Arbeit zusammenhängendes Verhalten in Gefahr gebracht habe, ist darauf hinzuweisen, dass die unanfechtbare Entscheidung der Klägerin, den Unfall des Geschädigten als Arbeitsunfall anzuerkennen, für die Zivilgerichte, die mit Ersatzansprüchen nach den §§ 104 bis 107 SGB VII befasst sind, nach § 108 SGB VII bindend ist (s. dazu BGH, Urteil vom 18. November 2014, Az.: VI ZR 141/13, zitiert bei juris).
49b)
50Das Landgericht hat unangefochten festgestellt, dass zu Beginn der Arbeiten zwingend zum Schutze der Arbeiter vor tödlichen Gefahren erforderliche Sicherungsmaßnahmen im Bereich der Lichtbänder fehlten. Die Beklagten haben ihren ursprünglichen Vortrag, dass solche Maßnahmen im Bereich der Lichtbänder aus technischen Gründen gar nicht möglich gewesen seien, fallen gelassen. Ebenso unstreitig ist, dass der Arbeitsunfall des Geschädigten kausal durch die vorgenannte Unterlassung herbeigeführt wurde.
51c)
52Ohne Erfolg wenden sich die Beklagten zu 1) bis 3) gegen die Feststellung des Landgerichts, dass sie den Unfall grob fahrlässig verursacht haben. Ihre Angriffe vermögen die angefochtene Entscheidung nicht zu erschüttern.
53Der Senat ist gem. § 529 ZPO grundsätzlich an die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts gebunden, wenn nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der getroffenen Feststellungen oder ihrer Würdigung begründen. Das ist hier nicht der Fall und wird auch von der Berufung nicht durchgreifend dargelegt.
54Grobe Fahrlässigkeit setzt, wie das Landgericht zutreffend ausführt, einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Diese Sorgfalt muss in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und es muss dasjenige unbeachtet geblieben sein, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen.
55Der Bundesgerichtshof dekretiert in ständiger Rechtsprechung, dass ein solcher Verstoß sich nicht allein aus der Verletzung von Unfallverhütungsvorschriften herleiten lasse. Vielmehr sei auch in solchen Fällen eine Wertung des Verhaltens des Schädigers geboten, in die auch die weiteren Umstände des Einzelfalls einzubeziehen seien. So komme es darauf an, ob es sich bei der verletzten Unfallverhütungsvorschrift um eine solche handele, die sich mit Vorrichtungen zum Schutz der Arbeiter vor tödlichen Gefahren befasse und elementare Sicherungspflichten zum Inhalt habe. Auch spiele es eine Rolle, ob der Schädiger nur unzureichende Sicherungsmaßnahmen getroffen oder von den vorgeschriebenen Schutzvorkehrungen völlig abgesehen habe, obwohl die Sicherungsanweisungen eindeutig gewesen seien. Im letzteren Fall könne der objektive Verstoß gegen elementare Sicherungsmaßnahmen ein solches Gewicht haben, dass der Schluss auf ein auch subjektiv gesteigertes Verschulden gerechtfertigt sei (BGH, a. a. O.; BGH, Urteil vom 30. Januar 2001, Az.: VI ZR 49/00, BGH, Urteil vom 18. Februar 2014, Az.: VI ZR 51/13, S. 5).
56Die Beklagte zu 4), die vertraglich mit der Durchführung der gebotenen Sicherungsmaßnahmen betraut war, hat diese objektiv pflichtwidrig nicht vor Beginn der Bauarbeiten am 18.04.2011 abgeschlossen. Insoweit ist unstreitig, dass die Absicherungsarbeiten an den Dachrändern und der Traufe völlig unzureichend und Absicherungsmaßnahmen im Bereich der Lichtbänder nicht vorhanden waren. Die Beklagte zu 4) hat weder dargelegt, warum sie die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen nicht rechtzeitig durchgeführt hat, noch, warum sie Sicherungsmaßnahmen im Bereich der Lichtbänder unterlassen hat.
57Der Beklagte zu 3) hat vor diesem Hintergrund grob fahrlässig gehandelt, als er die ihm untergebenen Arbeiter trotz Kenntnis der unzureichenden bzw. zum Teil nicht vorhandenen Sicherungsmaßnahmen mit den Arbeiten auf dem Dach beginnen ließ. Es ist in zweiter Instanz nicht mehr streitig, dass er als einziger Arbeitnehmer der Beklagten zu 1) und als einziger kundiger Facharbeiter auf dem Dach verantwortlich für die Tätigkeit der Leiharbeitnehmer und deren Arbeitssicherheit war. Dies hat er selbst in seiner Anhörung vor dem Landgericht so dargestellt. Weiterhin hat er dort angegeben, dass man mit den Arbeiten schon angefangen habe, um den zeitlichen Ablauf nicht zu gefährden.
58Die Anhörung der Beklagten zu 2) und 3) und des für die Beklagte zu 4) agierenden und erstinstanzlich als Zeugen vernommenen Prokuristen G vor dem Senat hat zusätzlich ergeben, dass der Zeuge G, nachdem ihn der Beklagte zu 3) von den mangelnden Absicherungsmaßnahmen in Kenntnis gesetzt hatte, mit dem Beklagten zu 2) telefoniert hat, um mit diesem zu beraten, wie weiter verfahren werden sollte. Sodann hat der Beklagte zu 2) nach seinen eigenen Angaben den Beklagten zu 3) instruiert, mit den Arbeiten so weit zu beginnen, als dies das Maß der auf dem Dach befindlichen Absicherungsarbeiten erlaube.
59In der Folge hat der Beklagte zu 3), der einerseits selbst für das Wohl und Wehe der ihm unterstellten Arbeiter verantwortlich war, andererseits vom Beklagten zu 2) mit der Entscheidung über die durchzuführenden Arbeiten betraut war, mit den Arbeiten auf dem Dach beginnen lassen, obgleich ihm bekannt war, dass Sicherungsmaß-nahmen, die vor lebensgefährlichen Unfällen schützen sollten, nicht vorhanden waren.
60Damit liegen jedoch die beiden Voraussetzungen vor, die der Bundesgerichtshof postuliert hat, um von einem groben Verstoß gegen Unfallverhütungsvorschriften auf ein grobes Verschulden zu schließen. Die verletzten Unfallverhütungsvorschriften sollten Leben schützen, sie waren nicht nur teilweise, sondern im Bereich der Lichtbänder gänzlich unterblieben.
61Im Übrigen hat sich das Landgericht – entgegen den Angriffen der Berufung – nicht mit dieser Feststellung begnügt, sondern sich im Einzelnen damit auseinandergesetzt, ob die weiteren, vom Beklagten zu 3) zur Verhütung von Unfällen getroffenen Anweisungen ausreichend waren, um ihn insoweit von dem Vorwurf der groben Fahrlässigkeit zu entlasten. Der Senat folgt den in allen Punkten überzeugenden Ausführungen der angegriffenen Entscheidung.
62Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht festgestellt, dass es angesichts der von den Zeugen I (Berufsgenossenschaft Bau) und L (Gewerbeaufsicht NRW) festgestellten Zustände auf dem Dach überhaupt keine sicheren Bereiche dort gab. Denn die im Traufbereich angebrachten Sicherungspfosten hatten mit jeweils 6 m zu große Abstände, außerdem waren die Fangnetze teilweise nur übergehängt und im Übrigen nicht an der Dachkante befestigt, so dass die Netze zum Teil überhaupt nicht geeignet waren, einen stürzenden Arbeiter aufzufangen; zum anderen bestand die Gefahr, dass ein Arbeiter bei einem Sturz einfach unter den Netzen hätte durchrutschen können. Damit waren sämtliche Arbeitsbereiche, die nicht unmittelbar an die fraglichen Lichtbänder anschlossen, ebenfalls unsicher und gefährlich. Dies kann auch vor dem Hintergrund, dass das Dach nur eine Neigung von 10 % hatte, nicht anders bewertet werden. Denn auch auf einem Flachdach lassen sich schwere Unfälle, die durch ein Stolpern, ein Ausgleiten, ein Hängenbleiben des Fußes an unebenen Stellen und andere Versehen verursacht werden können, nicht ausschließen. Wie das Landgericht zutreffend ausführt, sollen die Unfallverhütungsvorschriften gerade auch derartige, auf Unachtsamkeit beruhende Unfälle verhindern.
63Zutreffend führt das Landgericht weiterhin aus, dass die Warnung vor Gefahrenquellen die Einhaltung von Unfallverhütungsvorschriften nicht ersetzen kann und dass die wiederholte Warnung aller Beteiligten vor einem Betreten der Lichtbänder einerseits die Verantwortlichkeit für die eigene Absicherung in unzulässiger Weise auf die Arbeiter verlagert (vgl. insoweit OLG Koblenz, Urteil vom 22.05.2014, 2 U 574/12) und zum anderen beweist, welch hohe Gefahr auch nach Einschätzung aller Beteiligten von den Lichtbändern ausging.
64Soweit die Berufung rügt, das Landgericht habe nicht davon ausgehen dürfen, dass die Lichtbänder wegen Sonneneinstrahlung schlecht zu sehen gewesen seien, ist dem nach den erstinstanzlichen Feststellungen nicht beizutreten. Der Zeuge I hat bekundet, dass es sowohl am Unfalltag als auch zwei Tage später sonnig gewesen sei und man die Lichtbänder an einem sonnigen Tag auch schnell habe übersehen können. Der Zeuge T2 hat angegeben, zum Unfallzeitpunkt habe die Sonne geschienen und es sei richtig heiß gewesen. Wenn man gegen die Sonne gelaufen sei, seien die Lichtbänder etwas schwieriger von dem übrigen Dach zu unterscheiden gewesen. Im Übrigen lässt sich auf www.wetteronline.de Wetterrückblick/2011 nachlesen, dass der gesamte April 2011 außergewöhnlich trocken und warm gewesen ist und Temperaturen von 22 bis 36 Grad geherrscht haben. Aus den vorgelegten, vom Zeugen I aufgenommenen Fotos lässt sich ebenfalls erkennen, dass sich die Lichtbänder bei Sonneneinstrahlung zwar immer noch, jedoch schlechter von den grauen Trapezblechen unterscheiden lassen als bei anderer Witterungslage.
65Schließlich vermag der Umstand, dass der Beklagte zu 3) dem unerfahrenen und insbesondere nicht als Dachdecker ausgebildeten Geschädigten, der sich zum Zeitpunkt des Unfalls zum ersten Mal auf dem Dach befand, den erfahrenen Zeugen W als Arbeitspartner zugewiesen hat, diesen nicht vom Vorwurf grober Fahrlässigkeit zu entlasten. Denn auch hierdurch wird lediglich die gebotene ausreichende Absicherung des Arbeitsplatzes durch eine Beaufsichtigung der Arbeiter ersetzt. Schließlich ist auch nicht ersichtlich, warum die Arbeiter nicht wenigstens durch entsprechende Sicherungsgurte abgesichert waren. Auch eine solche provisorische Maßnahme hätte bis zur Installation des Netzes einen, wenn auch nicht optimalen, Schutz der Arbeiter vor Absturz herbeigeführt. Unstreitig war am Tage des Unfalls jedoch lediglich ein einziger solcher Gurt an der Baustelle vorhanden. Auch dieser wurde dem unerfahrenen und erstmalig auf dem Dach arbeitenden Geschädigten nicht ausgehändigt.
66Der Senat vermag des Weiteren der Würdigung, der Unfall sei für den Beklagten zu 3) nicht vorhersehbar gewesen, nicht zu folgen. Der Unfall wurde durch einen einfachen Tritt auf das Lichtband verursacht. Ein solcher Tritt kann jederzeit aus Versehen erfolgen und ist daher ohne Weiteres vorhersehbar. Der Beklagte zu 3) konnte dabei keineswegs darauf vertrauen, dass allen Arbeitern jederzeit und trotz der Konzentration auf die durchzuführenden Arbeiten die von den Lichtbändern ausgehende Gefahr präsent war und dass sie sich jederzeit exakt an Weisungen und Warnungen halten würden. Schon die – hypothetische – Aufforderung an den Geschädigten, einem anderen Arbeiter ein Metallteil oder Werkzeug herüberzureichen, hätte erkennbar dazu führen können, dass der Geschädigte in den Bereich der Lichtbänder gekommen und aufgetreten wäre. Die von den Beklagten eingereichte Skizze (Bl. 120 GA), die den Arbeitsbereich des Geschädigten darstellen soll, belegt, dass sich dieser im oberen Drittel bereits auf der Höhe der Lichtbänder zwischen diesen befand. Bei einem Abstand von nur 3 m zu den jeweiligen Lichtbändern lässt sich von einer ausreichenden Absicherung keineswegs sprechen. Es ist auch unstreitig geworden, dass entgegen der Skizze in dem dortigen Arbeitsbereich noch keine Schienen vor den Lichtbändern angebracht waren, die man hätte übersteigen müssen, um auf ein Lichtband zu treten. Außerdem ist ebenfalls unstreitig, dass die Montagearbeiten bis an die Lichtbänder herangeführt werden mussten, so dass es im Zuge des Fortschritts der Installationsarbeiten notgedrungen zu einer Annäherung auch des Geschädigten T an die Lichtbänder kommen musste. Ob zu diesem zukünftigen Zeitpunkt die Lichtbänder bereits ausreichend abgenetzt gewesen wären, konnte weder der Beklagte zu 3) noch sonst jemand vorhersehen. Insgesamt lässt sich somit feststellen, dass der Beklagte zu 3) seine gegenüber den Arbeitern bestehende Fürsorge- und Sicherungspflicht in ungewöhnlich hohem Maße verletzt hat. Er hätte entweder die provisorische Absicherung der Lichtbänder, die persönliche Absicherung der Arbeiter durch Sicherheitsgurte oder aber das Aufschieben der Arbeiten veranlassen müssen.
67Dass der Geschädigte den Unfall durch ein leichtsinniges und selbstgefährdendes Verhalten herbeigeführt hat, ist nicht nachgewiesen und könnte den Beklagten zu 3) angesichts der geschilderten Gefahren auf dem Dach nicht entlasten.
68Der Beklagte zu 2) hat ebenfalls grob fahrlässig zur Herbeiführung des Unfalls beigetragen, wobei der Senat aufgrund der Anhörung der Parteien im Senatstermin davon ausgeht, dass diesen ein gravierendes Organisationsverschulden trifft. Der Beklagte zu 2) ist als Geschäftsführer der Beklagten zu 1) unzweifelhaft dafür zuständig, dass die zum Schutz der Arbeitnehmer einzuhaltenden Unfallverhütungsvorschriften beachtet werden und insbesondere die entsprechenden Maßnahmen vor Beginn von Dachdeckerarbeiten vollständig vorhanden sind. Seine Verantwortung vermag sich bei einer rechtsgeschäftlichen Übertragung der diesbezüglichen Absicherungsmaßnahmen auf einen Dritten, hier auf die Beklagte zu 4), auf eine Überwachung und Kontrolle beschränken. Insoweit kann dahinstehen, ob er sich darauf verlassen durfte, dass die Beklagte zu 4) ihren vertraglich übernommenen Pflichten ordnungsgemäß nachkommt. Es ist ihm jedoch vorzuwerfen, dass er keine eindeutigen Anweisungen und Direktiven innerhalb des Unternehmens für den Fall getroffen hat, dass eine ausreichende Absicherung der Baustelle entsprechend den Unfallverhütungsvorschriften vor Beginn von Dacharbeiten eben nicht vorgenommen worden war. Eine solche Direktive hätte nur darin bestehen können, dass die Arbeiter entweder provisorisch so abgesichert werden, dass ein Unfall bis zur umfassenden Absicherung der Baustelle vermieden wird, oder die Arbeiten abgebrochen werden. Eine allgemeine Übung und auch die hier im Einzelfall erfolgte Entscheidung des Beklagten zu 2), dass Arbeiten in sogenannten sicheren Bereichen des Daches schon begonnen werden könnten, und zwar nach der Beurteilung des Beklagten zu 3), stellt einen schweren Organisationsmangel dar. Denn hierdurch hat er die zwingend einzuhaltenden Unfallverhütungsvorschriften insoweit ad absurdum geführt, als die Beurteilung der Sicherheit letztendlich in menschliches Ermessen gestellt wurde. Darüber hinaus hat er die ihm selbst obliegende maßgebliche Entscheidung über die Durchführung der Arbeiten in unzulässiger Weise an den Beklagten zu 3) delegiert. Denn auch bei Übertragung von Verkehrssicherungs-pflichten innerhalb einer Organisation müssen die wesentlichen Entscheidungen bei dem Geschäftsherrn oder dessen verfassungsmäßigem Vertreter verbleiben, andernfalls haftet er wegen Organisationsmangels (BGH VersR 1964, 297). Ein derartiger zweifacher Organisationsmangel muss im Hinblick auf die in einem Dachdeckerunternehmen besonders wichtigen, weil überwiegend lebensrettenden Unfallverhütungsvorschriften als grob fahrlässig bewertet werden.
69Die Beklagte zu 1) muss sich gem. § 31 BGB das gravierende organschaftliche Verschulden des Beklagten zu 2) zurechnen lassen.
703.
71Auch das Verschulden der Beklagten zu 4) an der Entstehung des Unfalls ist als grob fahrlässig anzusehen.
72Wie bereits im Senatsbeschluss vom 18.12.2015 ausgeführt, – und von der Berufung auch nicht in Abrede gestellt -, hat es die Beklagte zu 4) in nicht entschuldbarer Weise versäumt, die vertraglich übernommenen erforderlichen Sicherungsmaßnahmen am Dach rechtzeitig durchzuführen. Stichhaltige Gründe sind zu keinem Zeitpunkt hierfür angeführt worden. Es war der Beklagten zu 4) als Mieterin der Halle bekannt, dass sich auf dem Dach Lichtbänder befinden. Diese waren unschwer vom Hallenboden aus zu erkennen. Auch musste der Beklagten zu 4) aufgrund ihrer Erfahrung im Bereich der Dachabsicherung geläufig gewesen sein, dass derartige Lichtbänder häufig in Dächer eingebaut und nicht trittsicher sind. War ihr dies nicht bekannt, so hätte sie entsprechende Feststellungen treffen, respektive Untersuchungen vornehmen müssen. Selbst nach ihrem eigenen Vorbringen hätte sie jedenfalls spätestens nach Erhalt der entsprechenden Informationen durch den Beklagten zu 3) sofort entsprechende Sicherungsmaßnahmen an den Lichtbändern durchführen müssen, ggf. auch solche provisorischer Natur.
73Der Geschäftsführer der Beklagten zu 4), Herr H, hat in seiner Anhörung vor dem Landgericht bekundet, die Beklagte zu 4) habe das Material sofort zu liefern gehabt, die Absicherung der Lichtbänder sei „ihr Part“ gewesen. Dies sei ihm jedoch nicht klar gewesen. Er habe – bei den Gesprächen über die Absicherung – nicht daran gedacht, dass auch die Lichtbänder abgesichert werden müssten.
74Darüber hinaus hat die Anhörung der Beklagten vor dem Senat ergeben, dass auch die Beklagte zu 4) ein gravierendes Organisationsverschulden trifft. Denn auch die Beklagte zu 4) hatte offenbar keinerlei Anweisungen innerhalb ihres Unternehmens dahingehend gegeben, was geschehen soll, wenn ihre Absicherungsmaßnahmen nicht rechtzeitig fertig würden. Eine derartige Anweisung hätte angesichts der gravierenden Gefahren auf einem ungesicherten Dach ebenfalls nur dahingehend lauten können, dass das beauftragte Dachdeckerunternehmen nicht eher mit seinen Arbeiten anfangen kann und darf, ehe die Maßnahmen – wenigstens provisorisch – durchgeführt worden wären. Keinesfalls durfte die Beklagte zu 4) zulassen, dass die Dacharbeiten begonnen würden, während sie sukzessive und parallel hierzu ihre Sicherungsmaßnahmen anbrachte, wie es offensichtlich beabsichtigt und mit den Beklagten zu 2) und 3) abgesprochen war. Ihr Verhalten erscheint besonders verwerflich vor dem Hintergrund, dass sie als Auftraggeberin der Installationsarbeiten ein eigenes Interesse an der schnellen Durchführung der Arbeiten hatte und die Sicherheit der Arbeiter offenbar diesem Interesse unterordnete.
754.
76Ein Mitverschulden des Geschädigten an dem Unfall i. S. d. § 254 BGB vermag auch der Senat nicht festzustellen und schließt sich den insoweit zutreffenden Ausführungen der angefochtenen Entscheidung in vollem Umfang an. Diese weist zu Recht darauf hin, dass die Beklagten für ein Mitverschulden darlegungs- und beweispflichtig sind und darlegungsfällig insoweit, als diverse Umstände denkbar sind, die zum Unfall geführt haben könnten, ohne dass dies dem Geschädigten zum Mitverschulden gereicht.
77Die Beklagten weisen selbst immer wieder darauf hin, dass der genaue Hergang des Unfalls völlig unklar ist. Ihre Auffassung, dass ein Verstoß gegen die Anweisung des Zeugen W, an Ort und Stelle zu verbleiben, bereits ein Mitverschulden begründe, geht fehl. Denn es bleibt nach wie vor unbekannt, aus welchem Grund der Geschädigte die Stelle, an der er nach den Angaben des Zeugen W zuvor hockte, kurze Zeit später verlassen hat. Auch insoweit sind nicht vorwerfbare Umstände, wie etwa das Bedürfnis, die Toilette aufzusuchen oder einen Schluck Wasser zu trinken, denkbar. Möglicherweise hat auch ein Unwohlsein oder Schwindelgefühl den Geschädigten verlasst aufzustehen, um sich der Hitze auf dem Dach zu entziehen. Wenn er in einer solchen Situation nicht an die von den Lichtbändern ausgehende Gefahr gedacht hat bzw. diese ihm nicht präsent war, begründet dies nicht den Vorwurf des Mitverschuldens.
78Schließlich kann es dem Geschädigten auch nicht zum Mitverschulden gereichen, dass er die Arbeit überhaupt in Kenntnis der unterbliebenen Absicherung der Lichtbänder aufnahm. Es stößt auf Befremden, dass der Beklagte zu 3) sich dahingehend zu entlasten suchte, dass er seinen Mitarbeitern die Entscheidung selbst überlassen haben will, ob sie die Arbeiten auf dem Dach beginnen wollen oder nicht. Dabei ist zu seinen Gunsten zu unterstellen, dass er jedenfalls den unerfahrenen und nicht in Dacharbeiten geschulten Mitarbeitern diese Entscheidung sicherlich nicht völlig freigestellt, sondern seine eigene Beurteilung der Sicherheitslage zugrundegelegt hat, auf die sich insbesondere der Geschädigte, der noch niemals auf einem Dach gewesen war, verlassen durfte. Hätte er dem Geschädigten tatsächlich eine freie Entscheidung anheimgestellt, wäre dies angesichts seiner Unerfahrenheit und seiner Unkenntnis der notwendigen Unfallverhütungsvorschriften nur als verantwortungslos zu bezeichnen. Übernimmt jedoch ein Arbeitnehmer eine gefährliche Arbeit in Kenntnis dieser Gefährlichkeit, begründet dies kein Mitverschulden, wenn er damit einer Anordnung seines weisungsbefugten Vorgesetzten entspricht (OLG Naumburg, VersR 2008, 704). Nichts anderes kann gelten, wenn es sich nicht um eine eindeutige Weisung, jedoch um eine Sicherungseinschätzung des verantwortlichen Vorarbeiters handelt, auf die sich der Arbeiter verlassen darf, insbesondere, wenn er selbst die Gefährlichkeit der aufzunehmenden Arbeiten nicht beurteilen kann.
795.
80Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97, 92 Abs. 1 S. 1, 2. Altern. ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
816.
82Die Revision war mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen.
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Urteil einreichenOberlandesgericht Hamm Urteil, 02. Sept. 2016 - 9 U 75/15 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).
(1) Haben Personen, deren Haftung nach den §§ 104 bis 107 beschränkt ist, den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt, haften sie den Sozialversicherungsträgern für die infolge des Versicherungsfalls entstandenen Aufwendungen, jedoch nur bis zur Höhe des zivilrechtlichen Schadenersatzanspruchs. Statt der Rente kann der Kapitalwert gefordert werden. Das Verschulden braucht sich nur auf das den Versicherungsfall verursachende Handeln oder Unterlassen zu beziehen.
(1a) Unternehmer, die Schwarzarbeit nach § 1 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes erbringen und dadurch bewirken, dass Beiträge nach dem Sechsten Kapitel nicht, nicht in der richtigen Höhe oder nicht rechtzeitig entrichtet werden, erstatten den Unfallversicherungsträgern die Aufwendungen, die diesen infolge von Versicherungsfällen bei Ausführung der Schwarzarbeit entstanden sind. Eine nicht ordnungsgemäße Beitragsentrichtung wird vermutet, wenn die Unternehmer die Personen, bei denen die Versicherungsfälle eingetreten sind, nicht nach § 28a des Vierten Buches bei der Einzugsstelle oder der Datenstelle der Rentenversicherung angemeldet hatten.
(2) Die Sozialversicherungsträger können nach billigem Ermessen, insbesondere unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners, auf den Ersatzanspruch ganz oder teilweise verzichten.
Haben ein Mitglied eines vertretungsberechtigten Organs, Abwickler oder Liquidatoren juristischer Personen, vertretungsberechtigte Gesellschafter oder Liquidatoren einer Personengesellschaft des Handelsrechts oder gesetzliche Vertreter der Unternehmer in Ausführung ihnen zustehender Verrichtungen den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht, haften nach Maßgabe des § 110 auch die Vertretenen. Eine nach § 110 bestehende Haftung derjenigen, die den Versicherungsfall verursacht haben, bleibt unberührt. Das gleiche gilt für Mitglieder des Vorstandes eines nicht rechtsfähigen Vereins oder für vertretungsberechtigte Gesellschafter einer Personengesellschaft des bürgerlichen Rechts mit der Maßgabe, daß sich die Haftung auf das Vereins- oder das Gesellschaftsvermögen beschränkt.
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
(1) Ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhender Anspruch auf Ersatz eines Schadens geht auf den Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe über, soweit dieser auf Grund des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat, die der Behebung eines Schadens der gleichen Art dienen und sich auf denselben Zeitraum wie der vom Schädiger zu leistende Schadensersatz beziehen. Dazu gehören auch
- 1.
die Beiträge, die von Sozialleistungen zu zahlen sind, und - 2.
die Beiträge zur Krankenversicherung, die für die Dauer des Anspruchs auf Krankengeld unbeschadet des § 224 Abs. 1 des Fünften Buches zu zahlen wären.
(2) Ist der Anspruch auf Ersatz eines Schadens durch Gesetz der Höhe nach begrenzt, geht er auf den Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe über, soweit er nicht zum Ausgleich des Schadens des Geschädigten oder seiner Hinterbliebenen erforderlich ist.
(3) Ist der Anspruch auf Ersatz eines Schadens durch ein mitwirkendes Verschulden oder eine mitwirkende Verantwortlichkeit des Geschädigten begrenzt, geht auf den Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe von dem nach Absatz 1 bei unbegrenzter Haftung übergehenden Ersatzanspruch der Anteil über, welcher dem Vomhundertsatz entspricht, für den der Schädiger ersatzpflichtig ist. Dies gilt auch, wenn der Ersatzanspruch durch Gesetz der Höhe nach begrenzt ist. Der Anspruchsübergang ist ausgeschlossen, soweit der Geschädigte oder seine Hinterbliebenen dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches werden.
(4) Stehen der Durchsetzung der Ansprüche auf Ersatz eines Schadens tatsächliche Hindernisse entgegen, hat die Durchsetzung der Ansprüche des Geschädigten und seiner Hinterbliebenen Vorrang vor den übergegangenen Ansprüchen nach Absatz 1.
(5) Hat ein Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe auf Grund des Schadensereignisses dem Geschädigten oder seinen Hinterbliebenen keine höheren Sozialleistungen zu erbringen als vor diesem Ereignis, geht in den Fällen des Absatzes 3 Satz 1 und 2 der Schadenersatzanspruch nur insoweit über, als der geschuldete Schadenersatz nicht zur vollen Deckung des eigenen Schadens des Geschädigten oder seiner Hinterbliebenen erforderlich ist.
(6) Ein nach Absatz 1 übergegangener Ersatzanspruch kann bei nicht vorsätzlichen Schädigungen durch eine Person, die im Zeitpunkt des Schadensereignisses mit dem Geschädigten oder seinen Hinterbliebenen in häuslicher Gemeinschaft lebt, nicht geltend gemacht werden. Ein Ersatzanspruch nach Absatz 1 kann auch dann nicht geltend gemacht werden, wenn der Schädiger mit dem Geschädigten oder einem Hinterbliebenen nach Eintritt des Schadensereignisses die Ehe geschlossen oder eine Lebenspartnerschaft begründet hat und in häuslicher Gemeinschaft lebt. Abweichend von den Sätzen 1 und 2 kann ein Ersatzanspruch bis zur Höhe der zur Verfügung stehenden Versicherungssumme geltend gemacht werden, wenn der Schaden bei dem Betrieb eines Fahrzeugs entstanden ist, für das Versicherungsschutz nach § 1 des Gesetzes über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter oder § 1 des Gesetzes über die Haftpflichtversicherung für ausländische Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger besteht. Der Ersatzanspruch kann in den Fällen des Satzes 3 gegen den Schädiger in voller Höhe geltend gemacht werden, wenn er den Versicherungsfall vorsätzlich verursacht hat.
(7) Haben der Geschädigte oder seine Hinterbliebenen von dem zum Schadenersatz Verpflichteten auf einen übergegangenen Anspruch mit befreiender Wirkung gegenüber dem Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe Leistungen erhalten, haben sie insoweit dem Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe die erbrachten Leistungen zu erstatten. Haben die Leistungen gegenüber dem Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe keine befreiende Wirkung, haften der zum Schadenersatz Verpflichtete und der Geschädigte oder dessen Hinterbliebene dem Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe als Gesamtschuldner.
(8) Weist der Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe nicht höhere Leistungen nach, sind vorbehaltlich der Absätze 2 und 3 je Schadensfall für nicht stationäre ärztliche Behandlung und Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln 5 vom Hundert der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches zu ersetzen.
(9) Die Vereinbarung einer Pauschalierung der Ersatzansprüche ist zulässig.
(10) Die Bundesagentur für Arbeit und die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch gelten als Versicherungsträger im Sinne dieser Vorschrift.
(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil
- 1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen, - 2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
Tenor
Die Beklagten zu 1) bis 4) werden verurteilt, an die Klägerin 89.232,32 EUR zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.3.2013 (Beklagte zu 1) bis 3)) bzw. seit dem 29.5.2014 (Beklagte zu 4)) zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1) bis 3) über Abs. 1 hinaus verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche weiteren und zukünftigen gemäß § 110 f. SGB VII erstattungsfähigen unfallbedingten Aufwendungen zu ersetzen, die von ihr aufgrund des Unfalls gezahlt wurden und noch zu zahlen sein werden, der sich am 19.4.2011 in F., N.Straße xxx, ereignete und bei dem ihr Versicherter N. T., geboren am xxxxxx, schwer verletzt wurde.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 4) verpflichtet ist, der Klägerin über Abs. 1 hinaus sämtliche weiteren übergangsfähigen unfallbedingten Aufwendungen zu ersetzen, die von ihr aufgrund des Unfalls gezahlt wurden und noch zu zahlen sein werden, der sich am 19.4.2011 in F., N.Straße xxx, ereignete und bei dem ihr Versicherter N. T., geboren am 11.6.1965, schwer verletzt wurde.
Dabei haften die Beklagten zu 1) bis 3) jeweils als Gesamtschuldner und mit der Beklagten zu 4) „wie“ Gesamtschuldner.
Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils beizutreibenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 139.232,32 EUR festgesetzt.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin nimmt die Beklagten zu 1) bis 3) nach §§ 110, 111 SGB VII auf Ersatz von Aufwendungen für einen Arbeitsunfall des N. T. (im Folgenden: der Geschädigte) und die Beklagte zu 4) aus übergegangenem Recht nach §§ 823 Abs. 1 BGB, 116 SGB X auf Schadensersatz wegen des Unfalls in Anspruch. Sie begehrt außerdem die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz der durch den Arbeitsunfall verursachten künftigen Aufwendungen.
3Die Klägerin ist eine Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung. Zu ihren Mitgliedsunternehmen gehört die Firma B. GmbH & Co. KG, ein Zeitarbeitsunternehmen. Bei der Beklagten zu 1) handelt es sich um eine Dachdeckerfirma. Der Beklagte zu 2) ist ihr Geschäftsführer. Der Beklagte zu 3) ist als gelernter Dachdecker Arbeitnehmer der Beklagten zu 1).
4Die Entsorgungsfirma H. ist Eigentümerin einer auf dem Grundstück N. Straße xxx, F. befindlichen Lagerhalle. Die ca. 80 m lange, ca. 20 m breite und ca. 12 m hohe Halle verfügt über ein Satteldach mit einer Neigung von ca. 10°. Die Bedachung besteht aus begehbaren grauen Trapezblechen, die auf beiden Seiten in gleichmäßigen Abständen von jeweils 6 Lichtbändern durchbrochen werden. Die ca. 1 m breiten und ca. 12 m langen Lichtbänder verlaufen von der Traufe bis zum First, beginnend und endend jeweils mit einem Abstand von 5-6 m zur Traufe bzw. zum First. Die Lichtbänder bestehen aus transparentem Plexiglas und sind nicht begehbar.
5Die Beklagte zu 4) mietete die Dachfläche der Halle zum Betrieb einer Photovoltaikanlage. Mit der Montage der Anlage wurde die Beklagte zu 1) beauftragt. Dazu musste zunächst eine Unterkonstruktion aus Dreiecken und Metallstangen errichtet werden, auf die sodann die Solarmodule montiert werden mussten. Die Lichtbänder sollten bei der Errichtung der Anlage ausgespart werden. Das Material für die Photovoltaikanlage wurde der Beklagten zu 1) von der Beklagten zu 4) zur Verfügung gestellt. Nach dem von der Beklagten zu 4) bestätigten Angebot der Beklagten zu 1) war das Gerüst für die Montagezeit von der Beklagten zu 4) zu stellen.
6Die Beklagte zu 1) begann mit den Arbeiten am Montag, den 18.4.2011. Am 19.4.2011 setzte die Beklagte zu 1) ab 7.30 Uhr 6 Mitarbeiter auf der Baustelle ein, nämlich den Beklagten zu 3), einen Schülerpraktikanten und 4 Leiharbeiter, von denen keiner Kenntnisse als Dachdecker hatte. Zu den Leiharbeitern gehörte der von der Firma B. GmbH & Co. KG ausgeliehene Geschädigte, ein gelernter Maler und Lackierer. Dieser fing am 19.4.2011 mit seiner Arbeit für die Beklagte zu 1) an. Der Beklagte zu 2) war an beiden Tagen nicht auf der Baustelle.
7Am 19.4.2011 stürzte der Geschädigte gegen 11:30 Uhr durch ein Lichtband und fiel ca. 9,5 m tief auf den Hallenboden. Am Unfalltag herrschte Sonnenschein. Die erforderliche Randabsturzsicherung des Daches war zum Unfallzeitpunkt unvollständig und unzureichend; im Bereich der Lichtbänder war keine Absicherung vorhanden. Die Arbeiter waren auch nicht durch Sicherheitsgurte gesichert.
8Der Geschädigte zog sich bei seinem Sturz schwere Verletzungen zu, die noch nicht geheilt sind. Der Klägerin als zuständiger Berufsgenossenschaft entstanden durch den Arbeitsunfall bis zum 8.1.2013 Kosten in Höhe von insgesamt 166.932,32 EUR. Hierauf zahlte der Haftpflichtversicherer der Beklagten zu 1) einen Betrag von 77.700,00 EUR.
9Die Klägerin behauptet, die Beklagte zu 4) habe lediglich die Absturzsicherungen zur Verfügung gestellt, diese hätten dann von der Beklagten zu 1) montiert werden sollen. Der Beklagte zu 3) sei als Vorarbeiter der Beklagten zu 1) für die Arbeitssicherheit auf der Baustelle verantwortlich gewesen. Auf dem Dach hätten sich die begehbaren Bereiche farblich relativ schlecht von den unbegehbaren Lichtbändern unterschieden. Die Lichtbänder hätten zu den von dem Geschädigten zu begehenden Bereichen gehört. Der Geschädigte habe zum Zweck der Montage der Unterkonstruktion notwendig unmittelbar neben dem nicht trittsicheren Teil des Daches zu arbeiten gehabt und sei bei dieser Arbeit auf das Lichtband getreten.
10Die Klägerin beantragt mit der den Beklagten zu 1) bis 3) am 15.3.2013, der Beklagten zu 4) am 28.5.2014 zugestellten Klage bzw. Klageerweiterung,
111)
12die Beklagten zu 1) – 3) mit der Beklagten zu 4) zu verurteilen, 89.232,32 EUR zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung (Beklagte zu 1) – 3)) bzw. seit der Zustellung der Klageerweiterung (Beklagte zu 4)) an sie zu zahlen, wobei die Beklagten zu 1) – 3) als Gesamtschuldner haften und diese mit der Beklagten zu 4) „wie“ Gesamtschuldner;
132)
14festzustellen, dass die Beklagten zu 1) – 3) über Ziffer 1) hinaus als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr sämtliche weiteren und zukünftigen gemäß § 110 f. SGB VII erstattungsfähigen unfallbedingten Aufwendungen zu ersetzen, die von ihr aufgrund des Unfalls gezahlt wurden und noch zu zahlen sein werden, der sich am 19.4.2011 in F., N.Straße xxx, ereignete und bei dem ihr Versicherter N. T., geboren am xxx, schwer verletzt wurde,
15festzustellen, dass die Beklagte zu 4) verpflichtet ist, ihr über Ziffer 1) hinaus sämtliche weiteren übergangsfähigen unfallbedingten Aufwendungen zu ersetzen, die von ihr aufgrund des Unfalls gezahlt wurden und noch zu zahlen sein werden, der sich am 19.4.2011 in F., N.Straße xxx, ereignete und bei dem ihr Versicherter N. T., geboren am xxx, schwer verletzt wurde,
16dabei haftet die Beklagte zu 4) mit den als Gesamtschuldner haftenden Beklagten zu 1) – 3) „wie“ Gesamtschuldner;
17hilfsweise:
18festzustellen, dass die Beklagten zu 1), zu 2) und zu 4) gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, ihr über Ziffer 1) hinaus sämtliche weiteren übergangsfähigen unfallbedingten Aufwendungen zu ersetzen, die von ihr aufgrund des Unfalls gezahlt wurden und noch zu zahlen sein werden, der sich am 19.4.2011 in F., N.Straße xxx, ereignete und bei dem ihr Versicherter N. T., geboren am xxx, schwer verletzt wurde,
19festzustellen, dass der Beklagte zu 3) verpflichtet ist, ihr über Ziffer 1) hinaus sämtliche weiteren und zukünftigen gemäß §§ 110 f. SGB VII erstattungsfähigen unfallbedingten Aufwendungen zu ersetzen, die von ihr aufgrund des Unfalls gezahlt wurden und noch zu zahlen sein werden, der sich am 19.4.2011 in F., N.Straße xxx, ereignete und bei dem ihr Versicherter N. T., geboren am xxx, schwer verletzt wurde,
20die Beklagten zu 1), 2) und 4) haften als Gesamtschuldner und gemeinsam mit dem Beklagten zu 3) „wie“ Gesamtschuldner;
21Die Beklagten beantragen,
22die Klage abzuweisen.
23Sie behaupten, der Beklagte zu 3) sei als Kolonnenführer eingesetzt gewesen und habe nur die Aufgabe gehabt, die Arbeiten zu koordinieren sowie die sicherheitstechnische Einweisung des Arbeitsplatzes zu veranlassen; für die Einhaltung von Unfallverhütungsvorschriften sei er nicht verantwortlich gewesen. Die Durchführung der gebotenen Sicherungsmaßnahmen und die Einhaltung der relevanten Unfallverhütungsvorschriften habe – wie auch in allen anderen vorherigen Fällen der Zusammenarbeit - aufgrund mündlicher Absprache der Beklagten zu 4) oblegen. Diese habe dem Beklagten zu 2) auch ausdrücklich zugesichert, dass die Sicherungsmaßnahmen am Tage der Arbeitsaufnahme ordnungsgemäß und entsprechend den Unfallverhütungsvorschriften ausgeführt seien. Dies sei bei den sonstigen Aufträgen in den vergangenen Jahren auch stets – selbst oder durch Beauftragung spezieller Fachfirmen – umgesetzt worden. Die Absicherung der Lichtbänder sei dabei offensichtlich wegen unterschiedlicher Vorstellungen der beteiligten Vertragspartner bzw. einer unterbliebenen Detailabsprache über die Lichtbänder unterblieben. Der Beklagte zu 2) sei davon ausgegangen, dass die Beklagte zu 4) sich dieses Problems bewusst sei und eine entsprechende Absicherung vornehmen werde. Der Beklagten zu 4) sei bei der Planung und der Beauftragung der Absicherungsmaßnahmen das Problem der erforderlichen Absicherung der Lichtbänder dagegen nicht bewusst gewesen. Der Beklagte zu 3) habe das Fehlen der Absicherung der Lichtbänder bereits am Morgen des 18.4.2011 bemerkt und den zuständigen Mitarbeiter der Beklagten zu 4), den Zeugen G., telefonisch auf diesen Sicherheitsmangel aufmerksam gemacht, woraufhin dieser umgehend das Erforderliche veranlasst habe. Der Geschädigte sei sowohl von dem Beklagten zu 3) als auch von sämtlichen anderen Leiharbeitern bei Arbeitsbeginn ausdrücklich und wiederholt darauf hingewiesen worden, sich von dem Bereich der Lichtbänder fernzuhalten, da diese nicht tragend seien und man durchbrechen könne. Die Lichtbänder seien von jeder Position aus deutlichst erkennbar gewesen. Dem Geschädigten sei ein Arbeitsbereich an der unteren Kante des Daches, seitlich mindestens 3 m von dem Lichtband entfernt zugewiesen worden. Unmittelbar vor dem Vorfall habe sich der Geschädigte in einer Arbeitspause auch noch dort, auf einem absolut sicheren Platz befunden. Dann sei er aber aus eigenständiger Entscheidung und völlig unerklärlichen Gründen ohne jeden Bezug zu einer konkreten Tätigkeit in Richtung Lichtband gelaufen und habe mit dem rechten Fuß in einem Akt der Selbstgefährdung bewusst auf das Lichtband getreten, möglicherweise um auszuprobieren, ob es tatsächlich so wenig trittfest sei, wie ihm nachhaltigst erklärt worden sei.
24Die Beklagten sind der Auffassung, den Beklagten zu 3) treffe keine arbeitsschutzrechtliche Verantwortlichkeit. Die Nichtbeachtung von Unfallverhütungsvorschriften durch die Beklagten zu 1) und 2) sei nicht grob fahrlässig. Jedenfalls treffe den Geschädigten ein mindestens hälftiges Mitverschulden, gegenüber der Beklagten zu 4) sogar ein Mitverschulden von mindestens 75 %. Unter Berücksichtigung des Haftungsanteils der Beklagten zu 1), das bei Hinwegdenken der Haftungsprivilegierung im Rahmen des gestörten Gesamtschuldverhältnisses anspruchskürzend ebenfalls zu berücksichtigen sei, verbleibe maximal ein Haftungsanteil der Beklagten zu 4) von 20 %. Daher stehe der Beklagten zu 1) ein Bereicherungsanspruch auf Rückzahlung von 77.700,00 EUR zu, den sie am 17./21.10.2014 an die Beklagte zu 4) abgetreten hat und mit dem diese die Aufrechnung gegenüber einem evtl. Anspruch der Klägerin erklärt.
25Hilfsweise macht sich die Klägerin das Vorbringen der Beklagten, zwischen der Beklagten zu 1) und der Beklagten zu 4) sei vereinbart worden, dass auftraggeberseitig für die Absicherung des Bauvorhabens und die Einhaltung der maßgeblichen Unfallverhütungsvorschriften Sorge getragen werden solle, zu Eigen.
26Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die Ermittlungsakte 13 Js 1409/11 Staatsanwaltschaft Bielefeld war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
27Das Gericht hat die Beklagten zu 2) und 3) sowie den Geschäftsführer der Beklagten zu 4) persönlich angehört und Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen W., G., L., B., M.-R., I. und T.. Wegen des Ergebnisses der Parteianhörung und der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsprotokolle vom 17.4.2014, 25.7.2014, 21.11.2014 und 12.2.2015 Bezug genommen.
28Entscheidungsgründe:
29Die Klage ist zulässig und begründet.
30A.
31Die Klägerin hat gegen die Beklagten zu 1) bis 3) Anspruch auf Zahlung von 89.232,32 EUR aus §§ 110, 111 SGB VII.
32Nach § 110 Abs. 1 S. 1 SGB VII haben Personen, deren Haftung nach den §§ 104-107 SGB VII beschränkt ist und die einen Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt haben, den Sozialversicherungsträgern für die infolge des Versicherungsfalls entstandenen Aufwendungen bis zur Höhe des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs zu haften.
33I.
34Bei dem Sturz des Geschädigten handelt es sich um einen Versicherungsfall i.S.d. §§ 7 Abs. 1, 8 Abs. 1 SGB VII (Arbeitsunfall).
35II.
36Die Haftung der Beklagten zu 1) bis 3) gegenüber dem Geschädigten ist nach §§ 104, 105 SGB VII beschränkt.
371)
38Nach § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII sind Unternehmer den Versicherten, die für ihre Unternehmen tätig sind oder zu ihren Unternehmen in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen, zum Ersatz des Personenschadens, den ein Versicherungsfall verursacht hat, nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 - 4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt haben. Danach haftet die Beklagte zu 1) vorliegend nicht. Sie hat die Verletzungen des Geschädigten weder vorsätzlich herbeigeführt noch handelt es sich um einen Wegeunfall. Der Unfall ist haftungsrechtlich auch dem Unternehmen der Beklagten zu 1) zuzuordnen, denn der Geschädigte war zum Unfallzeitpunkt auf der Baustelle der Beklagten zu 1) als ein dieser überlassener Leiharbeitnehmer eingesetzt und damit wie ein Beschäftigter der Beklagten zu 1), d.h. als Versicherter für sie tätig, § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII. Dies gilt unbeschadet des Umstands, dass die Klägerin als für das Unternehmen des Verleihers, der Firma B. GmbH & Co. KG, zuständige Berufsgenossenschaft den Unfall des Geschädigten als Arbeitsunfall anerkannt hat (BGH VersR 2015, 193).
392)
40Nach § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII gilt die vorstehend dargestellte Haftungsbeschränkung auch für Personen, die durch eine betriebliche Tätigkeit einen Versicherungsfall von Versicherten desselben Betriebs verursacht haben. Der Beklagte zu 2) als Geschäftsführer der Beklagten zu 1) und der Beklagten zu 3) als Arbeitnehmer der Beklagten zu 1) haben durch ihre Tätigkeit für den Betrieb der Beklagten zu 1) im Zusammenhang mit der streitgegenständlichen Baustelle den Arbeitsunfall des Geschädigten mitverursacht. Auch sie haben nicht vorsätzlich gehandelt.
41III.
42Der Versicherungsfall ist von dem Beklagten zu 3) grob fahrlässig herbeigeführt worden.
431)
44Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Diese Sorgfalt muss in ungewöhnlich hohem Maße verletzt worden sein und es muss dasjenige unbeachtet geblieben sein, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen.
45Im Bereich der Arbeitssicherheit wird der Maßstab der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt durch die von den Berufsgenossenschaften erlassenen Unfallverhütungsvorschriften vorgegeben. Allein mit der Verletzung einer Unfallverhütungsvorschrift lässt sich allerdings noch keine grobe Fahrlässigkeit begründen. Vielmehr ist auch in solchen Fällen eine Wertung des Verhaltens des Schädigers geboten, in die auch die weiteren Umstände des Einzelfalls einzubeziehen sind. So kommt es darauf an, ob es sich um eine Unfallverhütungsvorschrift handelt, die sich mit Vorrichtungen zum Schutz der Arbeiter vor tödlichen Gefahren befasst und elementare Sicherungspflichten zum Inhalt hat. Auch spielt insbesondere eine Rolle, ob der Schädiger nur unzureichende Sicherungsmaßnahmen getroffen oder von den vorgeschriebenen Schutzvorkehrungen völlig abgesehen hat, obwohl die Sicherungsanweisungen eindeutig waren. Im letzteren Fall kann der objektive Verstoß gegen elementare Sicherungspflichten ein solches Gewicht haben, dass der Schluss auf ein auch subjektiv gesteigertes Verschulden gerechtfertigt ist (BGH VersR 2015, 193).
462)
47Auf der streitgegenständlichen Baustelle waren die Unfallverhütungsvorschrift Bauarbeiten (BGV C 22) sowie die Berufsgenossenschaftliche Regel Dacharbeiten (BGR 203) zu beachten. Nach Ziffer 4.5.1 BGR 203 sind besondere Maßnahmen für den Sicherheits- und Gesundheitsschutz erforderlich, wenn Dachflächen oder – wie hier – Teile von Dachflächen aus nicht durchsturzsicheren Bauteilen bestehen. Nach § 12 Abs. 1 BGV C 22 sind Einrichtungen, die ein Abstürzen von Personen verhindern (Absturzsicherungen) erforderlich bei Arbeitsplätzen und Verkehrswegen auf Dächern mit mehr als 3,00 m Absturzhöhe. Lassen sich aus arbeitstechnischen Gründen keine Absturzsicherungen verwenden, müssen an deren Stelle Einrichtungen zum Auffangen abstürzender Personen (Auffangeinrichtungen) vorhanden sein, § 12 Abs. 2 BGV C 22. Sind auch Auffangeinrichtungen unzweckmäßig, darf bei Vorhandensein geeigneter Anschlageinrichtungen ein Anseilschutz verwandt werden; es muss seitens des Vorgesetzten dann dafür gesorgt werden, dass er auch benutzt wird, § 12 Abs. 3 BGV C 22.
48Da die Absturzhöhe (d.h. der Höhenunterschied zwischen einer Absturzkante, einem Arbeitsplatz oder Verkehrsweg und der nächsten tiefer gelegenen tragfähigen Fläche, § 2 Abs. 5 BGV C 22) im Bereich der nicht tragfähigen Lichtbänder auf dem Dach der Lagerhalle der Firma H. mindestens 9 m betrug, hätte eine Schutzvorrichtung vorhanden sein müssen, jedenfalls in Form von Auffangeinrichtungen, wie sie nach dem Arbeitsunfall angebracht wurden.
493)
50Der Beklagte zu 3) war für die Arbeitssicherheit der anderen von der Beklagten zu 1) auf dem Dach eingesetzten Mitarbeiter verantwortlich.
51Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte zu 1) den Beklagten zu 3) nicht schriftlich damit beauftragt hat, den ihr obliegenden Arbeitsschutz in eigener Verantwortung wahrzunehmen, § 13 Abs. 2 ArbSchG. Die Verantwortlichkeit trifft nach § 13 Abs. 1 Nr. 5 ArbSchG auch sonstige nach einer Unfallverhütungsvorschrift verpflichtete Personen im Rahmen ihrer Aufgaben und Befugnisse.
52Gemäß § 4 Abs. 2 BGV C 22 müssen Bauarbeiten von weisungsbefugten Personen beaufsichtigt werden, die die arbeitssichere Durchführung der Bauarbeiten überwachen müssen. Diese Funktion kam vorliegend dem Beklagten zu 3) zu. Er war der einzige Mitarbeiter der Beklagten zu 1), der überhaupt auf der Baustelle anwesend war. Der Beklagte zu 2) als gesetzlicher Vertreter der Beklagten zu 1) hatte die Baustelle bis zu dem Arbeitsunfall noch nicht aufgesucht. Bei den anderen Arbeitern handelte es sich ausschließlich um Leiharbeiter und einen Schülerpraktikanten. Der Beklagte zu 3) trug nach seiner eigenen Darstellung bei seiner persönlichen Anhörung die Bauleitung auf der Baustelle, hatte also die Stellung eines weisungsbefugten Vorgesetzten inne. Er erteilte den anderen Mitarbeitern zum einen Arbeitsanweisungen und zum anderen auch Anweisungen über die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen, indem er den anderen Mitarbeitern nach eigener Darstellung erläuterte, wo sich aufhalten dürften, woraus sie achten müssten, wo sie nicht hintreten dürften. Soweit die Beklagten behaupten, der Beklagte zu 3) sei nicht befugt gewesen, Sicherungsmaßnahmen anzuordnen, ist dem entgegen zu halten, dass er das aber nach eigener Darstellung getan hat. Der Beklagte zu 3) hat bei seiner persönlichen Anhörung selbst erklärt, er habe am Montag, den 18.4.2011, mit dem Zeugen G. von der Beklagten zu 4) telefoniert und auf die fehlende Absicherung der Lichtbänder hingewiesen. Dieser habe ihm zugesichert, sich schnellstmöglich darum zu kümmern. In dieser Situation hatte der Beklagte zu 3) als Vorgesetzter die Pflicht, den ihm auf der Baustelle untergebenen Arbeitnehmern keine Tätigkeiten zuzuweisen, bei denen die Gefahr einer gesundheitlichen Schädigung bestand, weil zu ergreifende Schutzmaßnahmen nicht ergriffen worden waren, mag die Pflicht zur Ergreifung dieser Schutzmaßnahmen auch primär der Beklagten zu 1) oblegen haben (OLG Koblenz, Urteil vom 22.5.2014, 2 U 574/12 – zitiert nach juris).
534)
54Der Beklagte zu 3) hat die anderen Mitarbeiter der Beklagten zu 1), darunter auch den Geschädigten, trotz der fehlenden Schutzvorrichtung im Bereich der Lichtbänder angewiesen, die Arbeiten zur Montage der Photovoltaikanlage durchzuführen. Dieser Pflichtenverstoß war derart unentschuldbar, dass das Versäumnis als grob fahrlässig im Sinne von § 110 Abs. 1 SGB VII eingeordnet werden muss.
55a)
56Die verletzte Unfallverhütungsvorschrift dient dem Schutz der Arbeiter vor tödlichen Gefahren; sie hat elementare Sicherungspflichten zum Inhalt. Dass ein Sturz aus einer Höhe von 9 bis 12 m zum Tod führen kann, steht jedermann klar vor Augen. Ein Verstoß gegen § 12 Abs. 1 Nr. 4 BGV C 22 hat deshalb ein solches Gewicht, dass er schon für sich den Schluss auf ein auch subjektiv gesteigertes Verschulden nahelegt (vgl. BGH VersR 2001, 985).
57b)
58Das gilt erst recht, wenn nicht nur unzureichende Sicherungsmaßnahmen getroffen wurden, sondern – wie hier – jegliche Schutzvorkehrungen im Bereich der Lichtbänder fehlten, so dass schon ein bloßer Fehltritt zu einem Sturz in die Tiefe mit der Folge des Todes oder schwerster Verletzungen führen konnte (vgl. BGH VersR 2001, 985).
59Die im Verlauf des Rechtsstreits von den Beklagten vorgebrachte Argumentation, die gesamte Längsseite des betroffenen Lichtbandes sei zum Unfallzeitpunkt durch eine bereits montierte Aufständerung der Photovoltaikanlage, durch bereits mit Querstangen verbundene Dreiecke, gesichert gewesen, ist zum einen schon in tatsächlicher Hinsicht unzutreffend. Ausweislich der von der Klägerin zur Akte gereichten Lichtbilder, insbesondere des Lichtbildes Nr. 1, waren zum Unfallzeitpunkt auf den rechts und links neben dem streitgegenständlichen Lichtband angebrachten Dreiecken noch keine Schienen montiert. Dem entspricht auch die Aussage des Zeugen I.. Dieser hat bekundet, er habe sich als bei der Klägerin beschäftigte Aufsichtsperson das Dach zwei Tage nach dem Unfall persönlich angesehen, nachdem die Baustelle nach dem Sturz sofort gesperrt worden sei. Nach seiner Erinnerung seien die Dreiecke im Bereich der Unfallstelle montiert gewesen, die Schienen hätten aber noch auf dem Dach gelegen. Im Übrigen liegt die Argumentation der Beklagten auch neben der Sache. Der Unterkonstruktion kam ersichtlich keine Schutzwirkung gegen die Absturzgefahr zu. Bei der anschließenden Anbringung der Solarmodule auf der Unterkonstruktion musste erneut in unmittelbarer Nähe der Lichtbänder gearbeitet werden; die Gefahr eines Fehltrittes wäre bei diesem Arbeitsgang nicht geringer gewesen als vorher.
60c)
61Die ungesicherten Lichtbänder stellten ein großes Gefahrenpotenzial dar. Sie waren nicht ohne weiteres erkennbar, insbesondere bei starker Sonneneinstrahlung. Dieser Befund ergibt sich schon aus dem Aktenvermerk des unfallaufnehmenden Polizeibeamten, POK Puls, vom 19.4.2011 und wird durch die zur Akte gereichten Lichtbilder eindrucksvoll bestätigt. Je nach Blickrichtung fallen die Lichtbilder mal deutlich ins Auge, mal fallen sie kaum auf. Diese Einschätzung ergibt sich auch aus der Aussage des Zeugen W.. Dieser hat bekundet, wenn man sich auf dem Dach bewegt habe, habe man gut erkennen können, wo sich die Lichtbänder befanden und wo die Bleche gewesen sein. Die Trapezbleche und die Lichtbänder seien schon optisch unterscheidbar gewesen, weil das Dach noch relativ neu gewesen sei. Gerade bei einem sonnigen Tag habe man das aber auch schnell übersehen können. Die von den Beklagten vorgelegten Lichtbilder, die aus dem Inneren der Halle aufgenommen worden sind, sind diesbezüglich wenig behilflich. Natürlich sind die Lichtbänder aus dieser Position bestens von den Trapezblechen zu unterscheiden. Die entscheidende Situation auf dem Dach ist dagegen eine komplett andere.
62Die Photovoltaikmodule sollten bis direkt an die Lichtbänder installiert werden; die Unterkonstruktion musste zu diesem Zweck derart nah bis unmittelbar an die Lichtbänder heran montiert werden, dass direkt zwischen ihnen und dem Lichtband kaum noch bis gar kein Arbeitsraum verblieb. Dies ergibt sich aus den vorgelegten Lichtbildern und ist auch von dem Zeugen I. bestätigt worden. Dieser hat bekundet, als er sich das Dach zwei Tage nach dem Unfall persönlich angesehen habe, habe er festgestellt, dass die Tragkonstruktion der Photovoltaikanlage direkt bis an die Lichtbänder herangebaut worden sei.
63In dieser Situation bestand ersichtlich die Gefahr, dass ein Mitarbeiter bei der notwendigen Konzentration auf die Arbeiten ein Lichtband übersah oder durch einen Fehltritt auf ein Lichtband geriet.
64d)
65Ferner war nicht einmal an den Dachrändern eine ordnungsgemäße Absturzsicherung vorhanden. Die Absturzsicherung im Randbereich befand sich zum Unfallzeitpunkt erst „im Aufbau“, wie die Beklagte zu 4) mit Schreiben an die Klägerin vom 13.5.2014 selbst eingeräumt hat.
66Der Zeuge L., Gewerbeaufsichtsbeamter des Landes NRW und für Baustellensicherheit zuständig, hat ausgesagt, die Randabsicherung sei zu dem Zeitpunkt, als er am 19.4.2011 gegen 14:30 Uhr zu der Baustelle gekommen sei, völlig unzureichend gewesen. Die Wegstrecken zwischen den einzelnen Befestigungsteilen seien zu groß gewesen. Die Netze seien unten nicht befestigt gewesen. Zum Teil seien die Netze noch gar nicht vorhanden gewesen, zum Teil seien sie über die Befestigungsteile nur drüber gelegt worden. Der Zugang zum Dach sei etwas „rustikal“ gewesen, so dass es zu ihrer eigenen Sicherung nicht angezeigt gewesen sei, selbst auf das Dach zu gehen.
67Der Zeuge I. hat die Randabsicherung des Daches als bloße scheinbare Absicherung bezeichnet, aufgrund der er die Baustelle sofort gesperrt und jede weitere Maßnahme untersagt habe.
68Diese Schilderungen werden durch die zur Akte gereichten Lichtbilder eindrucksvoll bestätigt.
69e)
70Das Maß der Gefährdung, der der Beklagte zu 3) seine ihm untergebenen Mitarbeiter ausgesetzt hat, war schließlich noch dadurch erhöht, dass es sich bei den auf dem Dach eingesetzten Arbeitern bis auf den Beklagten zu 3) ausschließlich um Leiharbeitnehmer handelte. Jedenfalls der Geschädigte hatte keine Ausbildung im Dachdeckerhandwerk.
71f)
72Die von dem Beklagten zu 3) sowie den Zeugen W. und T. geschilderten wiederholten Warnungen an den Geschädigten, die Lichtbänder nicht zu betreten, sind nicht geeignet, den Beklagten zu 3) vom Vorwurf der groben Fahrlässigkeit zu entlasten. Warnungen vor Gefahren sind ersichtlich nicht als Ersatz für die Vornahme tatsächlicher Sicherungsmaßnahmen entsprechend den Unfallverhütungsvorschriften geeignet. Hierdurch wurde vielmehr die Verantwortung für die Arbeitssicherheit von der Beklagten zu 1) auf die Arbeitnehmer verlagert. Die Argumentation der Beklagten, der Beklagte zu 3) habe alles getan, um jedwede Gefährdung des Geschädigten im Hinblick auf die nicht vorhandene Absicherung der Lichtbänder zu vermeiden, liegt neben der Sache. Tatsächlich gab es auf dem Dach keinen einzigen sicheren Bereich. Der Beklagte zu 3) hat lediglich eine Absicherung der Lichtbänder gegenüber der Beklagten zu 4) angemahnt und ohne die Umsetzung dieser zwingend erforderlichen Sicherungsmaßnahme abzuwarten die ihm untergebenen Mitarbeiter einem Arbeitsplatz ausgesetzt, der hinsichtlich der Lichtbänder völlig ungesichert, hinsichtlich der Dachränder nur scheinbar gesichert war; vor den erheblichen Gefahren dieses Arbeitsplatzes wurden die Mitarbeiter lediglich gewarnt, vor den Gefahren zu schützen hatten sie sich selbst. Wie gefährlich die Situation damals eingeschätzt wurde, zeigt der Umstand, dass sowohl der Beklagte zu 3) bei seiner persönlichen Anhörung als auch die Zeugen W. und T. bei ihrer Vernehmung darauf angegeben haben, der Geschädigte sei immer wieder darauf hingewiesen worden, er dürfe keinesfalls auf die Lichtbänder treten. Der Zeuge T. hat die Situation passend damit zusammengefasst, das sei ein beschissener Arbeitsplatz gewesen.
73Es hätte zwingend mit der Durchführung jeglicher Arbeiten auf dem Dach abgewartet werden müssen, bis die nach den Unfallverhütungsvorschriften erforderliche Dachabsicherung (an den Dachrändern und unter den Lichtbändern) vollständig vorhanden war.
745)
75Das grob fahrlässige Verhalten des Beklagten zu 3) hat den Sturz herbeigeführt, d.h. verursacht. Wären die Lichtbänder ordnungsgemäß gesichert gewesen, wären der Sturz des Geschädigten und die damit verbundene schweren Verletzungen vermieden worden.
76IV.
77Der Versicherungsfall ist auch von dem Beklagten zu 2) grob fahrlässig herbeigeführt worden.
781)
79Der Beklagte zu 2) war als Geschäftsführer der Beklagten zu 1) persönlich für die Arbeitssicherheit und damit für die Einhaltung der Unfallverhütungsvorschriften auf der Baustelle verantwortlich, § 13 Abs. 1 Nr. 2 ArbSchG.
802)
81Der Beklagte zu 2) genügte seiner Verantwortung nicht dadurch, dass die Sicherung des Daches vertraglich auf die Beklagte zu 4) delegiert wurde (dies ist zugunsten der Beklagten zu unterstellen, da ihre entsprechende Behauptung von der beweispflichtigen Klägerin durch die Beweisaufnahme nicht widerlegt werden konnte). Der Beklagte zu 2) hätte zum einen für eine eindeutige Absprache hinsichtlich der erforderlichen Sicherungsmaßnahmen Sorge tragen müssen und zum anderen vor Arbeitsbeginn entweder die Umsetzung der notwendigen Maßnahmen persönlich kontrollieren oder einen Mitarbeiter mit dieser Kontrolle beauftragen müssen. Beides hat der Beklagte zu 2) in grob fahrlässiger Weise unterlassen.
82a)
83In dem von der Beklagten zu 4) bestätigten Angebot der Beklagten zu 1) war lediglich die Stellung eines Gerüstes durch die Beklagte zu 4) für die Montagezeit geregelt. Nach der von der Klägerin vorgelegten schriftlichen Erklärung der Beklagten zu 4) bezog sich auch die mündliche Absprache zur Baustellenabsicherung lediglich auf die Absicherung des Randbereiches des Daches mit einem geeigneten Netzsystem; die Absicherung der Lichtbänder war nicht Teil der Absprache. Der Geschäftsführer der Beklagten zu 4) hat bei seiner persönlichen Anhörung ergänzend ausgeführt, die Notwendigkeit der Absicherung der Lichtbänder sei ihm nicht klar gewesen. Auch der Zeuge G., Gesellschafter der Beklagten zu 4), hat bei seiner Vernehmung bekundet, die Information, dass auch die Lichtbänder abgenetzt werden mussten, sei erst nach Beginn der Dacharbeiten, auf telefonischen Hinweis eines Mitarbeiters der Beklagten zu 1) erfolgt. Dies war eine gravierende Pflichtverletzung. Die Sicherung der Lichtbänder, von denen ein hohes Gefahrenpotential ausging, stellte eine offensichtliche Besonderheit des streitgegenständlichen Hallendaches dar, Der Beklagte zu 2) musste sicherstellen, dass auch dieser wesentliche Aspekt der notwendigen Sicherungsmaßnahmen durch eine eindeutige Absprache Bestandteil der Pflichtenübertragung auf die Beklagte zu 4) wurde.
84b)
85Zum anderen lässt die Delegation von Sicherungspflichten die Pflichtenstellung des originär Verantwortlichen nicht vollständig entfallen, sondern verengt sie lediglich auf eine Kontroll- und Überwachungspflicht. Dieser Pflicht ist der Beklagte zu 2) überhaupt nicht nachgekommen. Er hatte die Baustelle bis zu dem streitgegenständlichen Unfall unstreitig nicht persönlich aufgesucht. Auch hatte er keinen Mitarbeiter damit beauftragt, vor Arbeitsbeginn zu kontrollieren, ob die Arbeitssicherheit gewährleistet war. Der Beklagte zu 3) war nach der Darstellung der Beklagten ja gerade nicht damit beauftragt worden, für die Einhaltung der Unfallverhütungsvorschriften Sorge zu tragen, evtl. erforderliche Sicherungsmaßnahmen anzuordnen oder gar eine Baustellenstilllegung zu veranlassen.
86c)
87In der Gesamtschau beider Pflichtverletzungen erachtet das Gericht das Verhalten des Beklagten zu 2) als subjektiv unentschuldbar. Er hat im Hinblick auf elementare Sicherungspflichten zum Schutz der Arbeiter vor tödlichen Gefahren bei der Delegation der Verantwortung eine klar unzureichende Regelung getroffen und zur Erfüllung der Kontroll- und Überwachungspflicht überhaupt nichts unternommen. Der Einwand, die Beklagte zu 4) habe die ihr übertragenen Maßnahmen zur Umsetzung der Unfallverhütungsvorschriften in der Vergangenheit stets ordnungsgemäß durchgeführt, vermag den Beklagten zu 2) dabei subjektiv nicht zu entlasten. Hierbei handelt es sich zum einen nur um eine pauschale, nicht überprüfbare Behauptung. Der Zustand, in dem sich die streitgegenständliche Baustelle zum Zeitpunkt des Unfalls befand, und die bemerkenswerte Aussage des Zeugen G., sie seien zum Unfallzeitpunkt dabei gewesen, die Randabsturzsicherung zu montieren, „so wie wir uns das ordnungsgemäß überlegt hatten“, sprechen auch klar gegen die Richtigkeit dieser Behauptung. Zum anderen ändert dies nichts an der Besonderheit der hiesigen Baustelle mit den gesondert zu sichernden Lichtbändern und der stets verbleibenden Kontrollpflicht vor Arbeitsbeginn.
88V.
89Die Haftung der Beklagten zu 1) folgt aus § 110 S. 1 SGB VII.
90VI.
91Den Geschädigten trifft kein feststellbares Mitverschulden an seinem Unfall, § 254 Abs. 1 BGB. Es konnte nicht geklärt werden, wie es zu dem Sturz gekommen ist. Das geht zulasten der für ein Mitverschulden des Geschädigten beweispflichtigen Beklagten.
921)
93Die Beklagten haben ihre Behauptung, der Geschädigte habe absichtlich auf das Lichtband getreten, nicht bewiesen. Die Behauptung ist bei lebensnaher Betrachtung schon fernliegend. Sie ist auch von keinem der vernommenen Zeugen bestätigt worden.
94a)
95Der Geschädigte selbst hat zu keinem Zeitpunkt zum Hergang des Unfalls Angaben machen können, da ihm jegliche Erinnerung fehlt.
96b)
97Der Beklagte zu 3) hat den Unfall nicht gesehen. Seine Darstellung bei seiner persönlichen Anhörung, im Bereich der Unfallstelle seien zum Zeitpunkt des Unfalls bereits sämtliche Dreiecke montiert und auch die Schienen angebracht gewesen, so dass der Geschädigte über die Stellage hinübergeklettert sein müsse, ist angesichts der vorgelegten Lichtbilder widerlegt. Dass der Geschädigte im Bereich der Lichtbänder nichts zu tun gehabt habe, vermag vor diesem Hintergrund nicht zu überzeugen. Gerade weil die Schienen direkt neben dem Lichtband noch nicht montiert waren, gab es in dem Bereich durchaus etwas zu tun.
98c)
99Der Zeuge W. hat den Unfall ebenfalls nicht gesehen. Der Zeuge hat ausgesagt, er habe mit dem Geschädigten nach seiner Erinnerung Schienen auf die Dreiecke montiert. Sie hätten sich dabei in einem Bereich zwischen zwei Lichtbändern aufgehalten. Er habe den Geschädigten extra im unteren Bereich unterhalb der Lichtbänder arbeiten lassen, damit für ihn keine Gefahr bestehe, er selbst habe auf Höhe der Lichtbänder gearbeitet. Er habe sich dann zu seinem Vorgesetzten, dem Beklagten zu 3) begeben, um mit ihm irgendetwas zu bereden. Zu dem Geschädigten habe er gesagt, er solle nichts machen, sondern bleiben wo er sei, er könne jetzt eine rauchen. Der Geschädigte habe zu dem Zeitpunkt nicht auf dem Dach gestanden, sondern sich dahin gehockt. Wie weit der Geschädigte von der späteren Unfallstelle entfernt gewesen sei, könne er nicht sagen. Als er gerade ein paar Meter weg gewesen sei, habe er es Krachen gehört. Daraufhin habe er sich umgesehen und nur noch wahrgenommen, wie der Geschädigte mit den Armen in dem Loch gehangen habe, dann sei er auch schon weg gewesen.
100Diese Aussage ist nicht hinreichend glaubhaft. Bei seiner polizeilichen Vernehmung hatte der Zeuge noch bekundet, der Geschädigte habe auf dem Dach gestanden. Dass der Geschädigte nach der jetzigen gerichtlichen Aussage des Zeugen W. sogar auf dem Dach gehockt haben soll, erweckt den Eindruck, dass die Bekundungen des Zeugen durch eine – bewusste oder unbewusste – Abwehrhaltung hinsichtlich einer eigenen Mitverantwortung beeinflusst sein können.
101d)
102Der Zeuge T. hat bei seiner polizeilichen Vernehmung ausgesagt, er habe gesehen, dass der Geschädigte mit dem rechten Fuß auf die Lichtleiste getreten sei. Das hat der Zeuge T. auch gegenüber dem Zeugen I., geschildert, wie dieser bei seiner Zeugenaussage bekundet hat. Aus dieser Aussage ergibt sich aber nicht, aus welchem Grund der Geschädigte auf die Lichtleiste getreten ist. Der Zeuge I. hat den Zeugen T. hiernach nicht gefragt. Es bleibt die Möglichkeit, dass der Tritt auf das Lichtband aus Versehen bei der Konzentration auf die zu erledigende Aufgabe erfolgt ist oder dass es sich um einen Fehltritt gehandelt hat.
103Bei seiner Vernehmung durch das Gericht hat der Zeuge T. diese Aussage dann nicht einmal mehr wiederholt; seine jetzige Aussage war unergiebig. Er hat jetzt bekundet, er könne sich nicht erinnern gesehen zu haben, dass der Geschädigte mit dem Fuß auf die Lichtleiste getreten sei. Beobachtet habe er das Ganze sicher nicht. Er habe bei der Befragung durch die Polizeibeamten unter Schock gestanden. Er habe eigentlich gar nicht mitbekommen, wie es zu dem Unfall gekommen sei. Die Sache sei rechts hinter ihm passiert. Er habe ein Knacken gehört. Außerdem habe er gesehen, dass sich der Geschädigte mit den Händen habe festhalten wollen, was ihm aber nicht gelungen sei.
1042)
105Es kann auch nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden, dass der Unfall des Geschädigten zwingend auf einer ins Gewicht fallenden Vernachlässigung der in eigenen Angelegenheiten anzuwendenden Sorgfalt beruhen muss. Es kann z.B. nicht ausgeschlossen werden, dass der Geschädigte bei seinen Arbeiten kurz das Gleichgewicht verloren und dadurch auf das Lichtband getreten ist. Ebenso ist ein einfacher Fehltritt möglich. Auch eine körperliche Ursache, z.B. Schwindel, könnte angesichts der stundenlangen Arbeit in der prallen Sonne den Grund für den Tritt auf das Lichtband darstellen.
106VII.
107Der Klägerin sind durch die Verletzungen des Geschädigten bis zum 8.1.2013 unstreitig Kosten in Höhe von insgesamt 166.932,32 EUR entstanden, auf die bislang lediglich 77.700,00 EUR gezahlt worden sind.
108B.
109Die Klägerin hat auch gegen die Beklagte zu 4) Anspruch auf Zahlung von 89.232,32 EUR. Dieser Anspruch ergibt sich aus §§ 823 Abs. 1 BGB, § 116 SGB X.
110Die Klägerin hat sich die Behauptung der Beklagten, die Pflicht zur Einhaltung der relevanten Unfallverhütungsvorschriften sei auf die Beklagte zu 4) übertragen worden, hilfsweise zu Eigen gemacht. Die Beklagte zu 4) hat diese Pflicht rechtswidrig und schuldhaft verletzt, indem sie fahrlässig nicht für eine Absicherung der Lichtbänder Sorge getragen hat. Dies war für den Sturz des Geschädigten und dessen schwere Gesundheitsverletzungen ursächlich. Ein Mitverschulden des Geschädigten an seinem Unfall ist nicht feststellbar. Der hieraus resultierende Anspruch des Geschädigten gegen die Beklagte zu 4) auf vollen Ersatz des ihm entstandenen materiellen Schadens ist durch die von der Klägerin für den Geschädigten getätigten Aufwendungen in Höhe von 166.932,32 EUR auf die Klägerin übergegangen. Hierauf sind seitens des Haftpflichtversicherers der Beklagten zu 1) bereits 77.700,00 EUR gezahlt worden.
111C.
112Die Beklagten zu 1) bis 3) haften der Klägerin als Gesamtschuldner; im Verhältnis der Beklagten zu 1) bis 3) zur Beklagten zu 4) besteht eine Haftung wie Gesamtschuldner, da die Klägerin von sämtlichen ihr haftenden Beklagten insgesamt nicht mehr fordern kann als sie aufgewendet hat.
113D.
114Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1 S. 2, 288 Abs. 1 BGB
115E.
116Der Feststellungsantrag ist zulässig und begründet. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass angesichts der noch nicht abgeschlossenen Behandlung des Geschädigten mit weiteren Aufwendungen der Klägerin zu rechnen ist. Zur Begründung der vollen Haftung sämtlicher Beklagten für diese Aufwendungen wird auf die vorstehenden Ausführungen unter Ziffern A. und B. Bezug genommen.
117F.
118Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 100 Abs. 4, 709 ZPO.
119G.
120Der Streitwert setzt sich zusammen aus 89.232,32 EUR für den Klageantrag zu 1) und 50.000,00 EUR für den Klageantrag zu 2).
(1) Haben Personen, deren Haftung nach den §§ 104 bis 107 beschränkt ist, den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt, haften sie den Sozialversicherungsträgern für die infolge des Versicherungsfalls entstandenen Aufwendungen, jedoch nur bis zur Höhe des zivilrechtlichen Schadenersatzanspruchs. Statt der Rente kann der Kapitalwert gefordert werden. Das Verschulden braucht sich nur auf das den Versicherungsfall verursachende Handeln oder Unterlassen zu beziehen.
(1a) Unternehmer, die Schwarzarbeit nach § 1 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes erbringen und dadurch bewirken, dass Beiträge nach dem Sechsten Kapitel nicht, nicht in der richtigen Höhe oder nicht rechtzeitig entrichtet werden, erstatten den Unfallversicherungsträgern die Aufwendungen, die diesen infolge von Versicherungsfällen bei Ausführung der Schwarzarbeit entstanden sind. Eine nicht ordnungsgemäße Beitragsentrichtung wird vermutet, wenn die Unternehmer die Personen, bei denen die Versicherungsfälle eingetreten sind, nicht nach § 28a des Vierten Buches bei der Einzugsstelle oder der Datenstelle der Rentenversicherung angemeldet hatten.
(2) Die Sozialversicherungsträger können nach billigem Ermessen, insbesondere unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners, auf den Ersatzanspruch ganz oder teilweise verzichten.
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
(1) Die Gesamtschuldner sind im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Kann von einem Gesamtschuldner der auf ihn entfallende Beitrag nicht erlangt werden, so ist der Ausfall von den übrigen zur Ausgleichung verpflichteten Schuldnern zu tragen.
(2) Soweit ein Gesamtschuldner den Gläubiger befriedigt und von den übrigen Schuldnern Ausgleichung verlangen kann, geht die Forderung des Gläubigers gegen die übrigen Schuldner auf ihn über. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Gläubigers geltend gemacht werden.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin, eine Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung, nimmt die Beklagten aus übergegangenem Recht ihres Versicherten R. wegen der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten auf Ersatz materiellen Schadens in Anspruch.
- 2
- Die Stadtwirtschaft W. GmbH beabsichtigte, auf dem Gelände ihres Betriebshofs eine Halle zu errichten. Sie beauftragte die Beklagte zu 1 mit den Grundleistungen der Leistungsphasen 1 bis 8 der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (§ 15 Abs. 2 HOAI in der Fassung vom 21. September 1995). Diese setzte für die Erbringung der Leistungsphase 8 - Objektüberwachung (Bauüberwachung) - den Beklagten zu 2 als verantwortlichen Mitarbeiter vor Ort ein. Die Elektroarbeiten wurden an die Streithelferin der Klägerin (nachfolgend: Streithelferin) vergeben.
- 3
- Am Samstag, dem 4. November 2006, führte die Streithelferin Elektroinstallationsarbeiten auf der oberen der beiden Ebenen der im Bau befindlichen Halle durch. An den Rändern dieser Ebene befanden sich ungesicherte Absturzkanten , die am selben Tag Gegenstand eines Gesprächs zwischen dem Beklagten zu 2 und einem Mitarbeiter der Streithelferin waren. Maßnahmen zur Absicherung der Absturzkanten wurden nicht ergriffen. Am Montag, dem 6. November 2006, wurden die Elektroinstallationsarbeiten auf der oberen Ebene fortgesetzt. Dabei setzte die Streithelferin erstmals den Versicherten R. - einen von der S. Personaldienstleistung GmbH & Co. KG überlassenen Leiharbeitnehmer - ein. Dieser stürzte gegen 14.00 Uhr von der oberen Ebene auf den Betonfußboden der 2,68 m tiefer liegenden unteren Ebene der Halle und zog sich schwerste Verletzungen zu.
- 4
- Mit ihrer Klage nimmt die Klägerin die Beklagten in Höhe einer Haftungsquote von 60 % in Anspruch. Sie lässt sich ein "Mitverschulden" der Streithelferin in Höhe von 40 % anrechnen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin und der Streithelferin hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil abgeändert. Es hat den Leistungsantrag dem Grunde nach zu 60 % für gerechtfertigt erklärt und festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin 60 % der weiteren übergangsfähigen Aufwendungen zu ersetzen, die ihr wegen des Unfalls entstanden sind und noch entstehen werden. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision begehren die Beklagten die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
I.
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- Nach Auffassung des Berufungsgerichts kann die Klägerin von den Beklagten gemäß § 823 BGB, § 116 SGB X Schadensersatz auf der Grundlage einer Haftungsquote von 60 % verlangen. Die Beklagten hätten es pflichtwidrig unterlassen, für eine ordnungsgemäße Absturzsicherung zu sorgen. Ein Verstoß gegen § 12 der einschlägigen Unfallverhütungsvorschrift Bauarbeiten BGV C 22 stehe fest. An der Unfallstelle seien weder eine Absturzsicherung noch Fangeinrichtungen angebracht worden. Dafür hafteten die Beklagten. Zwar sei in erster Linie der Unternehmer für die Sicherheit der Baustelle verantwortlich. Der mit der Bauüberwachung beauftragte Architekt werde aber dann verkehrssicherungspflichtig , wenn er Gefahrenquellen erkannt habe oder bei gewissenhafter Beachtung der ihm obliegenden Sorgfalt hätte erkennen können. Solche sekundären Verkehrssicherungspflichten hätten die Beklagten verletzt. Denn der Beklagte zu 2 habe die Arbeiten zugelassen, obwohl er gewusst habe, dass keine Absturzsicherung vorhanden gewesen sei. Es sei nicht ausreichend gewesen , die Streithelferin lediglich auf die fehlende Absturzsicherung hinzuweisen. Die Beklagten hätten die erkannte Gefahrenquelle vielmehr beseitigen müssen. Sie hätten entweder für die Errichtung einer Absturzsicherung oder für ein Verbot der Baumaßnahmen an den entscheidenden Stellen sorgen müssen. Dafür, dass diese Pflichtverletzung für den Sturz des Geschädigten kausal geworden sei, spreche der Beweis des ersten Anscheins, den die Beklagten nicht erschüttert hätten.
- 6
- Die Haftung der Beklagten sei nicht gemäß § 106 Abs. 3 Fall 3 SGB VII ausgeschlossen, da eine gemeinsame Betriebsstätte nicht gegeben sei. Auch die Grundsätze des gestörten Gesamtschuldverhältnisses seien nicht zu berücksichtigen. Zwar sei die Streithelferin ebenfalls verkehrssicherungspflichtig gewesen. Sie habe mit Aufnahme der Elektroarbeiten eine Baustelle eröffnet und deshalb im gleichen Maße die Unfallverhütungsvorschriften beachten müssen. Auch greife zu Gunsten der Streithelferin die Haftungsprivilegierung des § 104 Abs. 1 SGB VII. Die Haftung des Entleihers für Arbeitsunfälle des Leiharbeitnehmers sei in derselben Weise beschränkt wie die Haftung des Stammunternehmers. Denn auch ein Leiharbeitnehmer werde für das Unternehmen des Entleihers tätig. Allerdings sei zu berücksichtigen, dass die Streithelferin im Falle einer Inanspruchnahme gemäß den §§ 110, 111 SGB VII den Sozialversicherungsträgern für die infolge des Versicherungsfalls entstandenen Aufwendungen hafte. Denn sie habe den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt. Die Gefahr eines Sturzes sei offenkundig gewesen. Dass sie gleichwohl sehenden Auges mit den Arbeiten begonnen habe, sei subjektiv unentschuldbar und in hohem Maße pflichtwidrig. Danach hafteten die Beklagten als Gesamtschuldner , wobei ein Mitverschulden des Geschädigten in Höhe von 30 % zu berücksichtigen sei, weil er sich trotz fehlender Absturzsicherung in den Gefahrenbereich begeben habe.
II.
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- Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
- 8
- 1. Das Berufungsgericht hat allerdings zu Recht angenommen, dass dem Versicherten R. aufgrund seines Sturzes ein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zu 2 aus § 823 Abs. 1 BGB erwachsen ist.
- 9
- a) Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts ist R. infolge des Fehlens einer ordnungsgemäßen Absturzsicherung von der oberen Ebene der Halle auf den Betonfußboden der 2,68 m tiefer liegenden unteren Ebene gefallen und hat sich schwerste Verletzungen zugezogen.
- 10
- b) Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts , dass der Beklagte zu 2 ihm gegenüber R. obliegende Verkehrssicherungspflichten verletzt hat.
- 11
- aa) Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs trifft den mit der örtlichen Bauaufsicht, Bauleitung oder Bauüberwachung beauftragten Architekten die Pflicht, nicht nur seinen Auftraggeber sondern auch Dritte, die sich befugt auf der Baustelle aufhalten, vor Schäden zu bewahren, die im Zusammenhang mit der Errichtung des Bauwerks entstehen können. Im Regelfall braucht der Architekt allerdings nur diejenigen Verkehrssicherungspflichten zu beachten, die dem Bauherrn als dem mittelbaren Veranlasser der aus der Bauausführung fließenden Gefahren obliegen; ihn treffen im Allgemeinen nur sog. sekundäre Verkehrssicherungspflichten. Primär verkehrssicherungspflichtig ist der Unternehmer. Er hat für die Sicherheit der Baustelle zu sorgen. Die Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaften, die die im konkreten Fall zu beachtenden Sorgfaltspflichten durch Bestimmungen über Sicherheitsmaßnahmen konkretisieren (vgl. Senatsurteil vom 13. März 2001 - VI ZR 142/00, VersR 2001, 1040, 1041), wenden sich nur an ihn. Sie sollen die Versicherten vor den typischen Gefährdungen des jeweiligen Gewerbes schützen (vgl. Senatsurteile vom 30. Januar 2001 - VI ZR 49/00, VersR 2001, 985, 986; vom 8. Januar 2002 - VI ZR 364/00, VersR 2002, 330, 331). Diesen Zweck können sie nur erfüllen, wenn sie von dem Unternehmer zu beachten sind, der die Versicherten beschäftigt (vgl. Senatsurteil vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74, VersR 1975, 812, 813).
- 12
- Unmittelbar selbst verkehrssicherungspflichtig wird der mit der örtlichen Bauaufsicht, Bauleitung oder Bauüberwachung beauftragte Architekt aber dann, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Unternehmer in dieser Hinsicht nicht genügend sachkundig oder zuverlässig ist, wenn er Gefahrenquellen erkannt hat oder wenn er diese bei gewissenhafter Beobachtung der ihm obliegenden Sorgfalt hätte erkennen können (vgl. Senatsurteile vom 6. November 1973 - VI ZR 76/72, VersR 1974, 263, 264; vom 13. März 2007 - VI ZR 178/05, VersR 2007, 948 Rn. 12; BGH, Urteil vom 10. März 1977 - VII ZR 278/75, BGHZ 68, 169, 175 f.). Er ist dann verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer zu verhindern (vgl. Senatsurteile vom 6. Oktober 1970 - VI ZR 223/69, VersR 1971, 84, 85; vom 20. September 1983 - VI ZR 248/81, VersR 1983, 1141, 1142 und vom 13. März 2007 - VI ZR 178/05, aaO).
- 13
- bb) Nach diesen Grundsätzen hätte der mit der Bauüberwachung betraute Beklagte zu 2 vor dem Unfall für eine ausreichende Sicherung der Absturzkante sorgen müssen. Die ihm obliegende sekundäre Verkehrssicherungspflicht hatte sich in dem Moment aktualisiert, in dem er von dem Fehlen einer Absturzsicherung an den Kanten der oberen Hallenebene Kenntnis erlangt hatte. Denn wegen der ungesicherten Absturzkanten befand sich die Baustelle am Unfalltag in einem nicht verkehrssicheren Zustand, der die Ausführung von Arbeiten in diesem Bereich nicht zuließ (vgl. Senatsurteil vom 6. November 1973 - VI ZR 76/72, VersR 1974, 263, 264; OLG Hamm, VersR 1993, 491 f.).
- 14
- cc) Entgegen der Auffassung der Revision hat der Beklagte zu 2 seiner Verkehrssicherungspflicht nicht dadurch genügt, dass er die Streithelferin auf die fehlende Absturzsicherung hingewiesen hat. Wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, bot der bloße Hinweis auf die Gefahrenstelle keine ausreichende Gewähr dafür, dass Dritte nicht zu Schaden kommen würden.
- 15
- Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass auch die Streithelferin gegenüber dem ihr zur Arbeitsleistung überlassenen R. - jedenfalls gemäß § 618 BGB - verpflichtet war, die zur Abwendung von Gefahren für Leben und Gesundheit erforderlichen Schutzvorkehrungen zu treffen und die einschlägigen Unfallverhütungsvorschriften einzuhalten (vgl. BAGE 25, 514, 522; 131, 18 Rn. 23 ff.; BAG, NZA 1989, 340, 341; NZA-RR 2010, 123 Rn. 43 f.; Henssler /Willemsen/Kalb/Krause, Arbeitsrecht, 6. Aufl., § 618 BGB Rn. 6, 9; Erman /Belling, BGB, 14. Aufl., § 618 Rn. 1, 5; s. auch § 11 Abs. 6 S. 1 AÜG sowie Art. 8 RL 91/383/EWG über die Verbesserung des Gesundheitsschutzes).
- 16
- Denn die Verkehrssicherungspflicht des Beklagten zu 2 bestand unabhängig von der Verpflichtung der Streithelferin. Abgesehen davon war auch der Unternehmer verkehrssicherungspflichtig, der die ungesicherte Ebene hergestellt und damit die Gefahrenquelle geschaffen hatte (vgl. BGH, Urteil vom 28. März 1996 - IX ZR 77/95, VersR 1997, 61, 63; OLG Hamm, VersR 1993, 491 f.). Waren mithin mehrere Unternehmen für die Sicherheit der Baustelle in dem fraglichen Bereich verantwortlich, so durfte der für die Bauüberwachung zuständige Beklagte zu 2 sich jedenfalls nicht ohne eine ausdrückliche und eindeutige Anweisung und ohne eine Kontrolle darauf verlassen, dass die Streithelferin die erforderlichen Maßnahmen ergreifen würde (vgl. auch Senatsurteil vom 6. November 1973 - VI ZR 76/72, VersR 1974, 263, 264; OLG Hamm, VersR 1993, 491 f.; Staudinger/Hager, aaO). Dies gilt umso mehr, als sich im Streitfall eine Gefahr verwirklicht hat, die typischerweise mit der Abfolge verschiedener Gewerke und dem Tätigwerden einer Vielzahl von Personen bei der Errichtung des Bauwerks verbunden ist und von dem mit der Bauüberwachung betrauten Architekten am besten überblickt werden kann (vgl. Senatsurteil vom 13. März 2007 - VI ZR 178/05, VersR 2007, 948 Rn. 13).
- 17
- 2. Dagegen wird die Beurteilung des Berufungsgerichts, auch die Beklagte zu 1 hafte unmittelbar aus § 823 Abs. 1 BGB, von den getroffenen Feststellungen nicht getragen. Danach traf die Beklagte zu 1 zunächst ebenfalls nur eine sekundäre Verkehrssicherungspflicht. Sie war nur dann verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer zu verhindern, wenn sich die sekundäre Verkehrssicherungspflicht zuvor in ihrer Person aktualisiert hatte. Hierzu hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen. Mangels näherer Feststellungen zur Stellung und Funktion des Beklagten zu 2 kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass dessen zum Schadensersatz verpflichtendes Verhalten der Beklagten zu 1 analog § 31 BGB zuzurechnen ist (vgl. dazu Senatsurteil vom 24. Juni 2003 - VI ZR 434/01, BGHZ 155, 205, 210 f.; Erman/Westermann, BGB, 14. Aufl., § 31 BGB Rn. 2). Eine Haftung der Beklagten zu 1 aus §§ 831, 823 Abs. 1 BGB kann auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen ebenfalls nicht bejaht werden (vgl. dazu Senatsurteil vom 13. März 2007 - VI ZR 178/05, VersR 2007, 948 Rn. 15).
- 18
- 3. Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts , eine Haftungsbeschränkung der Beklagten nach den Grundsätzen des gestörten Gesamtschuldverhältnisses komme vorliegend nicht in Betracht.
- 19
- a) Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats können in den Fällen , in denen zwischen mehreren Schädigern ein Gesamtschuldverhältnis besteht , Ansprüche des Geschädigten gegen einen Gesamtschuldner (Zweitschädiger ) auf den Betrag beschränkt sein, der auf diesen im Innenverhältnis zu dem anderen Gesamtschuldner (Erstschädiger) endgültig entfiele, wenn die Schadensverteilung nach § 426 BGB nicht durch eine sozialversicherungsrechtliche Haftungsprivilegierung des Erstschädigers gestört wäre. Die Beschränkung der Haftung des Zweitschädigers beruht dabei auf dem Gedanken, dass einerseits die haftungsrechtliche Privilegierung nicht durch eine Heranziehung im Gesamtschuldnerausgleich unterlaufen werden soll, es aber andererseits bei Mitberücksichtigung des Grundes der Haftungsprivilegierung, nämlich der anderweitigen Absicherung des Geschädigten durch eine gesetzliche Unfallversicherung , nicht gerechtfertigt wäre, den Zweitschädiger den Schaden alleine tragen zu lassen. Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist der Zweitschädiger in Höhe des Verantwortungsteils freizustellen, der auf den Erstschädiger im Innenverhältnis entfiele, wenn man seine Haftungsprivilegierung hinwegdenkt. Dabei ist unter Verantwortungsteil die Zuständigkeit für die Schadensverhütung und damit der Eigenanteil des betreffenden Schädigers an der Schadensentstehung zu verstehen (vgl. etwa Urteile vom 12. Juni 1973 - VI ZR 163/71, BGHZ 61, 51, 53 ff.; vom 24. Juni 2003 - VI ZR 434/01, BGHZ 155, 206, 212 f.; vom 13. März 2007 - VI ZR 178/05, VersR 2007, 948 Rn. 19; vom 22. Januar 2008 - VI ZR 17/07, VersR 2008, 642 Rn. 11; vom 23. September 2014 - VI ZR 483/12, juris Rn. 16; jeweils mwN).
- 20
- b) Nach diesen Grundsätzen haftet der Beklagte zu 2 nur in Höhe des im Innenverhältnis zur Streithelferin auf ihn entfallenden Verantwortungsteils.
- 21
- aa) Zwischen dem Beklagten zu 2 und der Streithelferin besteht - lässt man etwaige sozialversicherungsrechtliche Haftungsprivilegierungen außer Be- tracht - ein Gesamtschuldverhältnis. Dem der Streithelferin zur Arbeitsleistung überlassenen R. ist gegen diese jedenfalls ein vertraglicher Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB wegen Verstoßes gegen § 618 Abs. 1 BGB erwachsen. Dabei kann dahingestellt werden, ob sich dieser Anspruch aus einer unmittelbaren Anwendung der genannten Bestimmungen (sowohl BAGE 25, 514, 522; BAG, NZA 1989, 340, 341; NZA-RR 2010, 123 Rn. 44; ArbRBGB /Friedrich, § 618 Rz. 12; Soergel/Kraft, BGB, 12. Auflage, § 618 Rz. 3), einer analogen Anwendung (so Henssler/Willemsen/Kalb/Krause, Arbeitsrecht, 6. Aufl., § 618 BGB Rn. 9) oder aus der Verletzung des zwischen der Streithelferin als Entleiherin und der S. Personaldienstleistung GmbH & Co. KG als Verleiher abgeschlossenen Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten des R. als Leiharbeitnehmer (so Staudinger/Oetker, BGB, Neubearbeitung 2011, § 618 Rz. 95; MünchKommBGB/Henssler, 6. Aufl., § 618 Rn. 25) ergibt. Denn unabhängig von der dogmatischen Herleitung schuldet die Streithelferin wegen der Verletzung vertraglicher Verkehrssicherungspflichten Ersatz des R. infolge des Sturzes entstandenen Schadens. Sie ist damit verpflichtet, dasselbe Gläubigerinteresse zu befriedigen wie der wegen der Verletzung deliktischer Verkehrssicherungspflichten haftende Beklagte zu 2. Die für die Annahme einer Gesamtschuld darüber hinaus erforderliche Gleichstufigkeit der Verpflichtungen folgt daraus, dass weder die Streithelferin noch der Beklagte zu 2 nur subsidiär oder vorläufig für die Verpflichtung des jeweils anderen einstehen müssen (vgl. Senatsurteil vom 28. November 2006 - VI ZR 136/05, VersR 2007, 198 Rn. 17 f.; BGH, Urteil vom 22. Dezember 2011 - VII ZR 7/11, BGHZ 192, 182 Rn. 18; Palandt-Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 421 Rn. 6 f., jeweils mwN).
- 22
- bb) Der Ausgleich im Innenverhältnis der Gesamtschuldner gemäß § 426 BGB ist durch eine sozialversicherungsrechtliche Haftungsprivilegierung gestört.
- 23
- (1) Die Haftung der Streithelferin ist allerdings nicht gemäß § 106 Abs. 3 Fall 3 SGB VII ausgeschlossen. Die in dieser Norm angeordnete Haftungsbeschränkung scheitert schon daran, dass der Versicherte R. nicht durch ein auf der Betriebsstätte tätiges Organ der Streithelferin geschädigt worden ist. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats kommt das Haftungsprivileg dem Unternehmer nur dann zu Gute, wenn er Versicherter der gesetzlichen Unfallversicherung ist, selbst auf einer gemeinsamen Betriebsstätte eine betriebliche Tätigkeit verrichtet und dabei den Versicherten eines anderen Unternehmens verletzt (vgl. Senatsurteile vom 23. September 2014 - VI ZR 483/12, juris Rn. 14 mwN; vom 19. Mai 2009 - VI ZR 56/08, BGHZ 181, 160 Rn. 20).
- 24
- (2) Die Haftung der Streithelferin ist aber gemäß § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ausgeschlossen. Nach dieser Bestimmung sind Unternehmer den Versicherten , die für ihre Unternehmen tätig sind oder zu ihren Unternehmen in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen, zum Ersatz des Personenschadens, den ein Versicherungsfall verursacht hat, nur verpflichtet , wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 versicherten Weg herbeigeführt haben. Danach haftet die Streithelferin vorliegend nicht. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat sie die Verletzungen des R. weder vorsätzlich herbeigeführt noch handelt es sich um einen Wegeunfall. Der Unfall des R. ist haftungsrechtlich auch dem Unternehmen der Streithelferin zuzuordnen. Denn R. war zum Unfallzeitpunkt als ein der Streithelferin überlassener Leiharbeitnehmer auf einer Baustelle der Streithelferin eingesetzt und damit als Versicherter für diese tätig. Dies gilt unbeschadet des Umstands, dass die Klägerin als für das Unternehmen des Verleihers zuständige Berufsgenossenschaft den Unfall des R. als Arbeitsunfall anerkannt hat.
- 25
- (a) Zwar ist der Zivilrichter gemäß § 108 Abs. 1 SGB VII an unanfechtbare Entscheidungen der Unfallversicherungsträger hinsichtlich der Frage gebunden , ob ein Arbeitsunfall vorliegt, in welchem Umfang Leistungen zu erbringen sind und ob der Unfallversicherungsträger zuständig ist. Nach der neueren Rechtsprechung des Senats erstreckt sich die Bindungswirkung auch auf die Entscheidung darüber, ob der Verletzte den Unfall als Versicherter aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 2 Satz 1 SGB VII erlitten hat und welchem Unternehmen der Unfall zuzurechnen ist (vgl. Senatsurteile vom 22. April 2008 - VI ZR 202/07, VersR 2008, 820 Rn. 9, 13; vom 19. Mai 2009 - VI ZR 56/08, BGHZ 181, 160 Rn. 17, 21; vom 30. April 2013 - VI ZR 155/12, VersR 2013, 862 Rn. 9, jeweils mwN). An der Zuordnung des Unfalls zu einem anderen Unternehmen gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII sind die Zivilgerichte danach gehindert (vgl. Senatsurteile vom 22. April 2008 - VI ZR 202/07, VersR 2008, 820 Rn. 13; vom 19. Mai 2009 - VI ZR 56/08, BGHZ 181, 160 Rn. 17, 20 f.; a.A. BAG, NZA-RR 2010, 123 Rn. 27, 54 f.).
- 26
- (b) Es kann dahingestellt bleiben, ob die Bestimmung des § 108 SGB VII auch im vorliegenden Rechtsstreit anwendbar ist, in dem "Ersatzansprüche der in den §§ 104 bis 107 genannten Art" nicht den Gegenstand der Klageforderung bilden, sondern über sie nur mittelbar bei der Prüfung der Frage zu entscheiden ist, ob die Haftung des Zweitschädigers in Hinblick auf eine sozialversicherungsrechtliche Privilegierung des Erstschädigers nach den Grundsätzen des gestörten Gesamtschuldverhältnisses beschränkt ist. Denn auch wenn die Bestimmung im Streitfall zur Anwendung käme, erstreckte sich die von ihr angeordnete Bindungswirkung nicht auf die Frage, welchem Unternehmen der Unfall zuzurechnen ist. Die unanfechtbare Entscheidung des für den Verleiher zuständigen Versicherungsträgers, in der der Unfall eines auf Grund eines wirksamen Vertrags entliehenen Arbeitnehmers (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG) im Unternehmen des Entleihers als Arbeitsunfall anerkannt wird, hindert die Zivilgerichte nicht, den Unfall haftungsrechtlich dem Unternehmen des Entleihers zuzuordnen und diesen als haftungsprivilegiert anzusehen.
- 27
- (aa) Der Senat hat seine Auffassung, die Bindungswirkung des § 108 SGB VII erstrecke sich auch auf die Entscheidung darüber, welchem Unternehmen der Unfall zuzurechnen ist, damit begründet, dass durch die - im Zuge der Einordnung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch VII neu geschaffenen - Konkurrenzregelungen des § 135 SGB VII nicht nur die Zuständigkeit mehrerer Unfallversicherungsträger und ein mehrfacher Versicherungsschutz, sondern auch die Zuordnung eines Arbeitsunfalls zu mehreren Unternehmen verhindert werden solle (Urteile vom 22. April 2008 - VI ZR 202/07, aaO und vom 19. Mai 2009 - VI ZR 56/08, aaO Rn. 13, 18; zustimmend ErfK/Rolfs, 14. Aufl., § 108 SGB VII Rn. 3; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 104 Rn. 4.4 [Stand: Mai 2011]; Waltermann in Eichenhofer/Wenner, SGB VII, § 108 Rn. 4; ablehnend Ricke in Kasseler Kommentar, § 104 SGB VII Rn. 10 [Stand: Dezember 2011]; ders., NZS 2011, 454; von Koppenfels-Spies, SGb 2013, 373; Burmann/Jahnke, NZV 2014, 5, 10; anders auch BAG, aaO).
- 28
- (bb) Diese Erwägungen lassen sich jedoch nicht auf die erlaubte Arbeitnehmerüberlassung übertragen. Sie ist durch Besonderheiten gekennzeichnet, die der Annahme entgegenstehen, dass die Beschränkung der Zuordnung eines Arbeitsunfalls zu einem Unternehmen auch in dieser Fallkonstellation dem Willen des Gesetzgebers entspricht und den Schutzzwecken der §§ 104 ff. SGB VII Rechnung trägt (vgl. Senatsurteil vom 19. Mai 2009 - VI ZR 56/08, BGHZ 181, 160 Rn. 20).
- 29
- So wird ein mehrfacher Versicherungsschutz bei der Arbeitnehmerüberlassung in erster Linie durch die spezielle Vorschrift des § 133 Abs. 2 SGB VII verhindert, wonach sich die Zuständigkeit des Unfallversicherungsträgers nach der Zuständigkeit für das Unternehmen des Verleihers bestimmt (vgl. Köhler in Becker/Franke/Molkentin, SGB VII, 4. Aufl., § 133 Rn. 10; Quabach in jurisPKSGB VII, 2. Aufl., § 133 Rn. 29). Anders als § 135 SGB VII (vgl. Senatsurteil vom 19. Mai 2009 - VI ZR 56/08, BGHZ 181, 160 Rn. 13) hat dieBestimmung des § 133 Abs. 2 SGB VII ein Vorbild in der Reichsversicherungsordnung. Sie entspricht im Wesentlichen dem mit Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz vom 30. April 1963 (BGBl. I S. 241) geschaffenen § 648 RVO, wonach eine Berufsgenossenschaft Arbeitsunfälle bei Tätigkeit in einem Unternehmen, das für Rechnung eines ihr nicht angehörigen Unternehmers geht, dann zu entschädigen hat, wenn ein ihr angehöriger Unternehmer den Auftrag gegeben und das Entgelt zu zahlen hat (vgl. BT-Drucks. 13/2204, S. 108). Trotz dieser Regelung bestand unter der Geltung der Reichsversicherungsordnung kein Zweifel daran, dass ein Arbeitsunfall haftungsrechtlich dem Unternehmen des Entleihers zugeordnet werden konnte und diesem deshalb das Haftungsprivileg des § 636 Abs. 1 RVO zugute kam. Dies ergab sich bereits aus der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung in § 636 Abs. 2 RVO, durch die klargestellt werden sollte, dass der grundsätzliche Ausschluss der Haftung des Unternehmers gemäß § 636 Abs. 1 RVO auch für den Entleiher im Verhältnis zu dem für ihn tätigen Leiharbeitnehmer gilt (BT-Drucks. 3/758 S. 60; vgl. BAGE 42, 194, 200). Diesen Rechtszustand wollte der Gesetzgeber mit dem Erlass des Sozialgesetzbuchs VII nicht ändern. Ausweislich der Gesetzesbegründung ist er davon ausgegangen , dass dem Entleiher die Haftungsprivilegierung auch nach neuem Recht zugute kommt. Wegen des vermeintlich klaren Wortlauts des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII - "Versicherte, die für ihre Unternehmen tätig sind" - hat er eine besondere Regelung für Leiharbeitnehmer für entbehrlich gehalten (BT-Drucks.
- 30
- Auch steht der Schutzzweck des § 133 Abs. 2 SGB VII, insbesondere für Leiharbeitnehmer ständig wechselnde Zuständigkeiten zu verhindern (Lemcke, r+s 2013, 411, 412; Köhler in Becker/Franke/Molkentin, SGB VII, 4. Aufl., § 133 Rn. 5), in keinem Bezug zu Sinn und Zweck der Haftungsprivilegierung. Diese dient zunächst als Ausgleich für die allein von dem Unternehmer getragene Beitragslast. Darüber hinaus bezweckt sie die Wahrung des Betriebsfriedens, indem Streitigkeiten über die Unfallverantwortung vermieden werden (vgl. Senatsurteile vom 16. Januar 1953 - VI ZR 161/52, BGHZ 8, 330, 338; vom 24. Januar 2006 - VI ZR 290/04, BGHZ 166, 42 Rn. 11; vom 16. Dezember 2003 - VI ZR 103/03, BGHZ 157, 213, 218, jeweils mwN; BVerfGE 34, 118, 129 f., 132). Schließlich soll sie auch dem Umstand Rechnung tragen, dass die Betriebsgemeinschaft eine Gefahrengemeinschaft darstellt (vgl. BVerfGE 34, 118, 136; Ricke in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 104 SGB VII Rn. 2 [Stand: Dezember 2011]; Hollo in jurisPK-SGB VII, 2. Aufl., § 104 Rn. 9; von Koppenfels-Spies, SGb 2013, 373, 377).
- 31
- Diese Schutzzwecke würden im Fall der Arbeitnehmerüberlassung weitgehend verfehlt, wenn eine Haftungsprivilegierung des Entleihers verneint würde. Denn bei Arbeitsunfällen von Leiharbeitnehmern kommt eine Haftung der Verleiher unabhängig von einer Haftungsbeschränkung typischerweise nur selten in Betracht (vgl. Thüsing, AÜG, 3. Aufl., Einf. Rn. 78; Schüren in ders./Hamann, AÜG, 4. Aufl., Einl. Rn. 758). Demgegenüber wären die Entleiher auf Grund der sie treffenden Fürsorgepflicht (vgl. BAGE 25, 514, 522; BAG, NZA 1989, 340, 341; NZA-RR 2010, 123 Rn. 43 f.) - insbesondere der Pflicht, die Arbeit in den Unternehmen durch Beachtung der Unfallverhütungsvorschrif- ten unfallsicher auszugestalten (vgl. bereits BT-Drucks. 3/758 S. 60) - und infolge der Eingliederung der Leiharbeitnehmer in ihr Unternehmen (vgl. BAGE 25, 514, 520; 77, 102, 110; 144, 222 Rn. 13) bei einer Verneinung der Haftungsbeschränkung einem erheblichen Haftungsrisiko ausgesetzt. Es steht in Einklang mit den Schutzzwecken des Haftungsprivilegs, dieses Risiko als durch die für die Leiharbeitnehmer gezahlten Unfallversicherungsbeiträge abgelöst anzusehen (vgl. bereits BT-Drucks. 3/758 S. 60).
- 32
- (cc) Dem steht nicht entgegen, dass der Entleiher die Beiträge regelmäßig nicht selbst an die zuständige Berufsgenossenschaft abführt, weil der Verleiher Beitragsschuldner ist (Schmitt, SGB VII, 4. Aufl., § 150 Rn. 11; Schlaeger in BeckOK SozR, § 150 SGB VII Rn. 7 [Stand: Juni 2014]). In den praktisch bedeutsamen Fällen der entgeltlichen Arbeitnehmerüberlassung wird der Verleiher die Beiträge bei der Kalkulation des Entgelts berücksichtigen und an den Entleiher weiterreichen (vgl. Senatsurteil vom 16. Januar 1953 - VI ZR 161/52, BGHZ 8, 330, 333; Lehmacher, r+s-Beil. 2011, 79, 81). Darüber hinaus haftet der Entleiher dem Unfallversicherungsträger gegenüber wie ein selbstschuldnerischer Bürge (§ 150 Abs. 3 Satz 1 SGB VII i.V.m. § 28e Abs. 2 Satz 1 SGB IV). Die Loslösung des Haftungsprivilegs von der Beitragspflicht ist im Übrigen eine Folge der Aufspaltung der Arbeitgeber-Stellung, die für die spezielle Situation der Leiharbeitnehmer kennzeichnend ist (vgl. BAGE 144, 340 Rn. 26).
- 33
- Vor diesem Hintergrund ist ein hinreichender Sachgrund dafür, Arbeitsunfälle von Leiharbeitnehmern im Verhältnis zum Entleiher haftungsrechtlich anders zu behandeln als Arbeitsunfälle der in gleicher Gefahrenlage arbeitenden eigenen Arbeitnehmer des Entleihers, nicht zu erkennen (so bereits RGZ 171, 393, 398 und Senatsurteil vom 16. Januar 1953 - VI ZR 161/52, aaO).
- 34
- (c) R. war zum Unfallzeitpunkt als Versicherter gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII für die Streithelferin tätig. Er war als ein ihr überlassener Leiharbeitnehmer gemeinsam mit eigenen Arbeitnehmern der Streithelferin auf einer Baustelle der Streithelferin eingesetzt und damit wie ein Beschäftigter der Streithelferin tätig (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Für die Beantwortung der Frage, ob der Geschädigte wie ein Beschäftigter im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII tätig geworden ist, ist entscheidend, ob er Aufgaben des anderen Unternehmens wahrgenommen hat und die Aufgaben seiner Tätigkeit bei wertender Betrachtung der Einzelfallumstände auch das Gepräge gegeben haben (Senatsurteil vom 23. März 2004 - VI ZR 160/03, VersR 2004, 1045, 1046 f.; BAG, NZA-RR 2010, 123 Rn. 35). Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn ein dem Entleiher zur Arbeitsleistung überlassener Arbeitnehmer im Unternehmen des Entleihers eingesetzt wird (vgl. BSGE 98, 285 Rn. 17; OLG Jena r+s 2010, 533; LAG Berlin-Brandenburg, r+s 2014, 48; Krasney in Becker/Burchardt/ders./ Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 104 Rn. 11; Schmitt, SGB VII, 4. Aufl., § 104 Rn. 8; Waltermann in Eichenhofer/Wenner, SGB VII, § 104 Rn. 10; Grüner in Becker/Franke/Molkentin, SGB VII, 4. Aufl., § 104 Rn. 11 f.; Hollo in jurisPK-SGB VII, 2. Aufl., § 104 Rn. 25; Schüren in ders./Hamann, AÜG, 4. Aufl., Einl. Rn. 756; Thüsing, AÜG, 3. Aufl., Einf. Rn. 77; Geigel/ Wellner, Der Haftpflichtprozess, 26. Aufl., Kap. 31 Rn. 81; Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden nach dem Unfallversicherungsrecht, S. 154 f.). Die von dem Leiharbeitnehmer wahrgenommenen Aufgaben werden nämlich - anders als bei einem Dienst- oder Werkvertrag - nicht aufgrund des Arbeitnehmerüberlassungsvertrags von dem Verleiher übernommen. Dessen Verpflichtung beschränkt sich vielmehr darauf, dem Entleiher Arbeitskräfte zur Verfügung zu stellen, die dieser nach seinen Vorstellungen und Zielen in seinem Betrieb wie eigene Arbeitnehmer einsetzt (BAGE 77, 102, 110 f.; 87, 186, 189; 96, 150, 153).
- 35
- cc) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts wird die durch die sozialversicherungsrechtliche Haftungsprivilegierung der Streithelferin bewirkte Störung des Gesamtschuldverhältnisses nicht dadurch "ausgeglichen", dass der Klägerin ein Rückgriffsanspruch aus eigenem Recht gemäß § 110 Abs. 1 SGB VII gegen die Streithelferin zusteht. Denn aufgrund der Haftungsprivilegierung der Streithelferin ist der mit der Klage geltend gemachte Anspruch des Geschädigten R. gegen die außerhalb des Sozialversicherungsverhältnisses stehenden Zweitschädiger, die Beklagten, von vornherein auf das beschränkt, was auf diese im Innenverhältnis endgültig entfiele, wenn die Schadensverteilung nach § 426 BGB nicht durch die Regelung des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII gestört wäre (vgl. Senatsurteil vom 12. Juni 1973 - VI ZR 163/71, BGHZ 61, 51, 55). Der Anspruch konnte auch nur in diesem beschränkten Umfang gemäß § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X auf die Klägerin übergehen. Die Anspruchsbeschränkung ist durch den Anspruchsübergang nicht wieder entfallen; der Gläubigerwechsel verändert den Inhalt des übergegangenen Anspruchs nämlich nicht (vgl. §§ 412, 404 BGB).
- 36
- 4. Das Berufungsurteil war deshalb aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die erforderlichen Feststellungen treffen kann (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird insbesondere zu bewerten haben , wie groß der "Verantwortungsteil" der Streithelferin einerseits sowie der Beklagten und möglicher weiterer nicht privilegiert haftender Gesamtschuldner andererseits ist. Dabei hat es Gelegenheit, sich auch mit den weiteren im Revisionsverfahren erhobenen Einwendungen der Beteiligten auseinanderzusetzen. Galke Wellner Stöhr von Pentz Oehler
LG Erfurt, Entscheidung vom 06.01.2012 - 3 O 1182/10 -
OLG Jena, Entscheidung vom 09.01.2013 - 7 U 90/12 -
Der Verein ist für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt.
(1) Wer einen anderen zu einer Verrichtung bestellt, ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den der andere in Ausführung der Verrichtung einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Geschäftsherr bei der Auswahl der bestellten Person und, sofern er Vorrichtungen oder Gerätschaften zu beschaffen oder die Ausführung der Verrichtung zu leiten hat, bei der Beschaffung oder der Leitung die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder wenn der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.
(2) Die gleiche Verantwortlichkeit trifft denjenigen, welcher für den Geschäftsherrn die Besorgung eines der im Absatz 1 Satz 2 bezeichneten Geschäfte durch Vertrag übernimmt.
(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.
(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch
- 1.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit, - 2.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um - a)
Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder - b)
mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
- 2a.
das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird, - 3.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden, - 4.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben, - 5.
das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.
(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.
(1) Hat ein Gericht über Ersatzansprüche der in den §§ 104 bis 107 genannten Art zu entscheiden, ist es an eine unanfechtbare Entscheidung nach diesem Buch oder nach dem Sozialgerichtsgesetz in der jeweils geltenden Fassung gebunden, ob ein Versicherungsfall vorliegt, in welchem Umfang Leistungen zu erbringen sind und ob der Unfallversicherungsträger zuständig ist.
(2) Das Gericht hat sein Verfahren auszusetzen, bis eine Entscheidung nach Absatz 1 ergangen ist. Falls ein solches Verfahren noch nicht eingeleitet ist, bestimmt das Gericht dafür eine Frist, nach deren Ablauf die Aufnahme des ausgesetzten Verfahrens zulässig ist.
Tenor
-
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 14. März 2013 aufgehoben.
-
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
-
Von Rechts wegen
Tatbestand
- 1
-
Die Klägerin, eine Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung, nimmt den Beklagten als Inhaber eines Unternehmens für Elektroninstallation gemäß § 110 Abs. 1 SGB VII auf Ersatz von Aufwendungen für einen Arbeitsunfall des Zeugen M. (im Folgenden: der Geschädigte) in Anspruch.
- 2
-
Am 9. Juni 2008 führten ein Mitarbeiter des Beklagten, der Zeuge S., sowie zwei vom Beklagten bei einer Zeitarbeitsfirma georderte Leiharbeitnehmer, der Zeuge G. und der Geschädigte, Arbeiten auf dem Dach einer Reithalle aus, auf dem eine Photovoltaikanlage installiert werden sollte. Sicherheitsnetze und ein Schutzgerüst waren an diesem Tag noch nicht angebracht. Der Geschädigte trat auf eine zum Dach gehörende Lichtplatte, wodurch diese zerbrach. Er stürzte etwa sieben Meter tief auf den Hallenboden und verletzte sich schwer.
- 3
-
Das Landgericht hat die Klage nach Vernehmung der drei Zeugen abgewiesen, weil der Beklagte den Versicherungsfall nicht grob fahrlässig herbeigeführt habe. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil ohne weitere Beweisaufnahme abgeändert. Es hat einen Anspruch auf Zahlung von 86.788,91 € nebst Zinsen dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin auch alle weiteren gemäß § 110 SGB VII erstattungsfähigen Aufwendungen zu ersetzen, die ihr wegen des Unfalls entstanden sind oder künftig entstehen werden. Dagegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision des Beklagten, mit der dieser seinen Antrag auf Zurückweisung der Berufung weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
-
I.
- 4
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Das Berufungsgericht, dessen Urteil in r+s 2013, 409 veröffentlicht ist, hat ausgeführt, die Anspruchsvoraussetzungen des § 110 Abs. 1 Satz 1 SGB VII lägen dem Grunde nach vor. Aus dem Bescheid der Klägerin vom 27. Juli 2009 ergebe sich mit bindender Wirkung, dass der Unfall des Geschädigten ein Versicherungsfall sei, für den die Klägerin zuständig sei. Auch sei die Haftung des Beklagten gemäß § 104 SGB VII beschränkt. Der Geschädigte habe zum Unfallzeitpunkt in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung zum Beklagten gestanden, weil er als Leiharbeiter auf einer Baustelle des Beklagten tätig gewesen sei und dort dessen Weisungen unterlegen habe.
- 5
-
Der Beklagte habe den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt, da er Unfallverhütungsvorschriften nicht beachtet habe, die elementare Sicherungspflichten zum Inhalt hätten. Angesichts der Firsthöhe des Daches von sieben Metern und der nicht tragfähigen Lichtbänder seien Sicherungseinrichtungen zur Verhinderung eines Durchbruchs notwendig gewesen, die jedoch zum Unfallzeitpunkt nicht vorhanden gewesen seien. Insbesondere seien nach den nicht angegriffenen, bindenden Feststellungen des Landgerichts jedenfalls zum Unfallzeitpunkt keine Aluprofile mehr in den Sicken des betreffenden Lichtbandes vorhanden gewesen; die Profile seien zuvor von dem Lichtband entfernt worden, um sie zwischen den Lichtbändern zu montieren. Bei einem derart schwer wiegenden Verstoß sei der Schluss auf ein auch subjektiv gesteigertes Verschulden gerechtfertigt. Die vom Beklagten behauptete Anweisung, nicht auf die Lichtbänder zu treten, sei unzureichend gewesen, da bei Handwerksarbeiten auf einem Hallendach auch Vorsorge gegen unbedarfte Bewegungen getroffen werden müsse.
- 6
-
Auch die angebliche weitere Anweisung, Aluprofile in die Sicken der Lichtbänder zu legen, sei entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht geeignet, den Beklagten subjektiv zu entlasten. Der Beklagte habe nicht davon ausgehen dürfen, dass die angeordnete Maßnahme geeignet gewesen sei, den Durchbruch eines Mitarbeiters durch ein Lichtband zu verhindern. Denn bei der Durchführung der geplanten Arbeiten hätten die Profile zwangsläufig wieder von den Lichtbändern entfernt werden müssen. Soweit das Landgericht die vor Abschluss der Arbeiten erfolgte Entfernung der Aluprofile von den Lichtbändern als Verstoß gegen die Anordnungen des Beklagten angesehen habe, sei der Senat daran nicht gebunden, weil den Aussagen der im ersten Rechtszug vernommenen Zeugen konkrete Anhaltspunkte zu entnehmen seien, die Zweifel an der Richtigkeit dieser Ausführungen begründeten. Aus den protokollierten Aussagen des Zeugen S. und des Geschädigten ergebe sich, dass die Aluprofile nach dem vom Beklagten erteilten Arbeitsauftrag zwischen den Lichtbändern befestigt werden sollten, damit am nächsten Tag mit der Montage der Photovoltaik-Module begonnen werden konnte; dazu hätten die Profile von den Lichtbändern entfernt werden müssen. Eine nochmalige Vernehmung der Zeugen sei nicht erforderlich, da das Landgericht den Aussagen gefolgt sei.
- 7
-
Der Beklagte behaupte zwar nunmehr, die Entfernung der Aluprofile von den Lichtbändern sei weder geplant noch notwendig gewesen, weil die Aluschienen im Bereich unterhalb der Lichtbänder erst am nächsten Tag hätten montiert werden sollen. Dieser neue Vortrag sei jedoch nicht zuzulassen und ändere im Übrigen auch nichts an der Ungeeignetheit der angeordneten Maßnahme. Die für den Bereich unterhalb der Lichtbänder vorgesehenen Profile könnten, da dieser schmale Streifen allenfalls ein Viertel der Dachfläche ausmache, nicht zur Abdeckung aller Lichtbänder ausgereicht haben. Daher hätte auf jeden Fall ein Teil der zur Abdeckung der Lichtbänder verwendeten Profile im Laufe der Arbeiten wieder entfernt werden müssen. Die in die Sicken der Lichtbänder gelegten Aluprofile seien außerdem auch nicht gegen ein Abrutschen gesichert gewesen und eine seitliche Absturzsicherung habe weitgehend gefehlt. Unter diesen Umständen seien die behaupteten Sicherungsmaßnahmen derart lückenhaft und ungeeignet gewesen, dass die Pflichtverletzung unter Berücksichtigung der auf der Hand liegenden tödlichen Gefahren als subjektiv unentschuldbar angesehen werden müsse.
-
II.
- 8
-
Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand.
- 9
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1. Mit Recht hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass der Beklagte eine Person ist, deren Haftung nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII beschränkt ist. Nach dieser Bestimmung sind Unternehmer den Versicherten, die für ihre Unternehmen tätig sind oder zu ihren Unternehmen in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen, zum Ersatz des Personenschadens, den ein Versicherungsfall verursacht hat, nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 versicherten Weg herbeigeführt haben. Danach haftet der Beklagte vorliegend nicht. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat er die Verletzungen des Geschädigten weder vorsätzlich herbeigeführt noch handelt es sich um einen Wegeunfall. Der Unfall ist haftungsrechtlich auch dem Unternehmen des Beklagten zuzuordnen, denn der Geschädigte war zum Unfallzeitpunkt auf dessen Baustelle als ein ihm überlassener Leiharbeitnehmer eingesetzt und damit als Versicherter für ihn tätig. Dies gilt unbeschadet des Umstands, dass die Klägerin als für das Unternehmen des Verleihers zuständige Berufsgenossenschaft den Unfall des Geschädigten als Arbeitsunfall anerkannt hat.
- 10
-
a) Zwar ist der Zivilrichter gemäß § 112 i.V.m. § 108 Abs. 1 SGB VII an unanfechtbare Entscheidungen der Unfallversicherungsträger hinsichtlich der Frage gebunden, ob ein Arbeitsunfall vorliegt, in welchem Umfang Leistungen zu erbringen sind und ob der Unfallversicherungsträger zuständig ist. Nach der neueren Rechtsprechung des Senats erstreckt sich die Bindungswirkung auch auf die Entscheidung darüber, ob der Verletzte den Unfall als Versicherter aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 2 Satz 1 SGB VII erlitten hat und welchem Unternehmen der Unfall zuzurechnen ist (vgl. Senatsurteile vom 22. April 2008 - VI ZR 202/07, VersR 2008, 820 Rn. 9, 13; vom 19. Mai 2009 - VI ZR 56/08, BGHZ 181, 160 Rn. 17, 21; vom 30. April 2013 - VI ZR 155/12, VersR 2013, 862 Rn. 9, jeweils mwN). An der Zuordnung des Unfalls zu einem anderen Unternehmen gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII sind die Zivilgerichte danach gehindert (vgl. Senatsurteile vom 22. April 2008 - VI ZR 202/07, VersR 2008, 820 Rn. 13; vom 19. Mai 2009 - VI ZR 56/08, BGHZ 181, 160 Rn. 17, 20 f.; aA BAG, NZA-RR 2010, 123 Rn. 27, 54 f.).
- 11
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b) Die unanfechtbare Entscheidung des für den Verleiher zuständigen Versicherungsträgers, in der der Unfall eines - auf Grund eines wirksamen Vertrags - entliehenen Arbeitnehmers (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG) im Unternehmen des Entleihers als Arbeitsunfall anerkannt wird, hindert die Zivilgerichte jedoch nicht, den Unfall haftungsrechtlich dem Unternehmen des Entleihers zuzuordnen und diesen als haftungsprivilegiert anzusehen.
- 12
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aa) Der Senat hat seine Auffassung, die Bindungswirkung des § 108 SGB VII erstrecke sich auch auf die Entscheidung darüber, welchem Unternehmen der Unfall zuzurechnen ist, damit begründet, dass durch die - im Zuge der Einordnung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch VII neu geschaffenen - Konkurrenzregelungen des § 135 SGB VII nicht nur die Zuständigkeit mehrerer Unfallversicherungsträger und ein mehrfacher Versicherungsschutz, sondern auch die Zuordnung eines Arbeitsunfalls zu mehreren Unternehmen verhindert werden solle (Urteile vom 22. April 2008 - VI ZR 202/07 aaO und vom 19. Mai 2009 - VI ZR 5VI ZR 56/08, aaO Rn. 13, 18; zustimmend ErfK/Rolfs, 14. Aufl., § 108 SGB VII Rn. 3; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 104 Rn. 4.4 [Stand: Mai 2011]; Waltermann in Eichenhofer/Wenner, SGB VII, § 108 Rn. 4; ablehnend Ricke in Kasseler Kommentar, § 104 SGB VII Rn. 10 [Stand: Dezember 2011]; ders., NZS 2011, 454; von Koppenfels-Spies, SGb 2013, 373; Burmann/Jahnke, NZV 2014, 5, 10; anders auch BAG, aaO).
- 13
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bb) Diese Erwägungen lassen sich jedoch nicht auf die erlaubte Arbeitnehmerüberlassung übertragen. Sie ist durch Besonderheiten gekennzeichnet, die der Annahme entgegenstehen, dass die Beschränkung der Zuordnung eines Arbeitsunfalls zu einem Unternehmen auch in dieser Fallkonstellation dem Willen des Gesetzgebers entspricht und den Schutzzwecken der §§ 104 ff. SGB VII Rechnung trägt (vgl. Senatsurteil vom 19. Mai 2009 - VI ZR 56/08, BGHZ 181, 160 Rn. 20).
- 14
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So wird ein mehrfacher Versicherungsschutz bei der Arbeitnehmerüberlassung in erster Linie durch die spezielle Vorschrift des § 133 Abs. 2 SGB VII verhindert, wonach sich die Zuständigkeit des Unfallversicherungsträgers nach der Zuständigkeit für das Unternehmen des Verleihers bestimmt (vgl. Köhler in Becker/Franke/Molkentin, SGB VII, 4. Aufl., § 133 Rn. 10; Quabach in jurisPK-SGB VII, 2. Aufl., § 133 Rn. 29). Anders als § 135 SGB VII (vgl. Senatsurteil vom 19. Mai 2009 - VI ZR 56/08, BGHZ 181, 160 Rn. 13) hat die Bestimmung des § 133 Abs. 2 SGB VII ein Vorbild in der Reichsversicherungsordnung. Sie entspricht im Wesentlichen dem mit Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz vom 30. April 1963 (BGBl. I S. 241) geschaffenen § 648 RVO, wonach eine Berufsgenossenschaft Arbeitsunfälle bei Tätigkeit in einem Unternehmen, das für Rechnung eines ihr nicht angehörigen Unternehmers geht, dann zu entschädigen hat, wenn ein ihr angehöriger Unternehmer den Auftrag gegeben und das Entgelt zu zahlen hat (vgl. BT-Drucks. 13/2204, S. 108). Trotz dieser Regelung bestand unter der Geltung der Reichsversicherungsordnung kein Zweifel daran, dass ein Arbeitsunfall haftungsrechtlich dem Unternehmen des Entleihers zugeordnet werden konnte und diesem deshalb das Haftungsprivileg des § 636 Abs. 1 RVO zugute kam. Dies ergab sich bereits aus der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung in § 636 Abs. 2 RVO, durch die klargestellt werden sollte, dass der grundsätzliche Ausschluss der Haftung des Unternehmers gemäß § 636 Abs. 1 RVO auch für den Entleiher im Verhältnis zu dem für ihn tätigen Leiharbeitnehmer gilt (BT-Drucks. 3/758 S. 60; vgl. BAGE 42, 194, 200). Diesen Rechtszustand wollte der Gesetzgeber mit dem Erlass des Sozialgesetzbuchs VII nicht ändern. Ausweislich der Gesetzesbegründung ist er davon ausgegangen, dass dem Entleiher die Haftungsprivilegierung auch nach neuem Recht zugute kommt. Wegen des vermeintlich klaren Wortlauts des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII - "Versicherte, die für ihre Unternehmen tätig sind" - hat er eine besondere Regelung für Leiharbeitnehmer für entbehrlich gehalten (BT-Drucks. 13/2204 S. 100; vgl. Lemcke, r+s 2009, 391, 392; Kampen, NJW 2010, 2311, 2315; Ricke, NZS 2011, 454, 457; von Koppenfels-Spies, SGb 2013, 373, 378; Burmann/Jahnke, NZV 2014, 5, 10).
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Auch steht der Schutzzweck des § 133 Abs. 2 SGB VII, insbesondere für Leiharbeitnehmer ständig wechselnde Zuständigkeiten zu verhindern (Lemcke, r+s 2013, 411, 412; Köhler in Becker/Franke/Molkentin, SGB VII, 4. Aufl., § 133 Rn. 5), in keinem Bezug zu Sinn und Zweck der Haftungsprivilegierung. Diese dient zunächst als Ausgleich für die allein von dem Unternehmer getragene Beitragslast. Darüber hinaus bezweckt sie die Wahrung des Betriebsfriedens, indem Streitigkeiten über die Unfallverantwortung vermieden werden (vgl. Senatsurteile vom 16. Januar 1953 - VI ZR 161/52, BGHZ 8, 330, 338; vom 24. Januar 2006 - VI ZR 290/04, BGHZ 166, 42 Rn. 11; vom 16. Dezember 2003 - VI ZR 103/03, BGHZ, 157, 213, 218, jeweils mwN; BVerfGE 34, 118, 129 f., 132). Schließlich soll sie auch dem Umstand Rechnung tragen, dass die Betriebsgemeinschaft eine Gefahrengemeinschaft darstellt (vgl. BVerfGE 34, 118, 136; Ricke in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 104 SGB VII Rn. 2 [Stand: Dezember 2011]; Hollo in jurisPK-SGB VII, 2. Aufl., § 104 Rn. 9; von Koppenfels-Spies, SGb 2013, 373, 377).
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Diese Schutzzwecke würden im Fall der Arbeitnehmerüberlassung weitgehend verfehlt, wenn eine Haftungsprivilegierung des Entleihers verneint würde. Denn bei Arbeitsunfällen von Leiharbeitnehmern kommt eine Haftung der Verleiher unabhängig von einer Haftungsbeschränkung typischerweise nur selten in Betracht (vgl. Thüsing, AÜG, 3. Aufl., Einf. Rn. 78; Schüren in ders./Hamann, AÜG, 4. Aufl., Einl. Rn. 758). Demgegenüber wären die Entleiher auf Grund der sie treffenden Fürsorgepflicht (vgl. BAGE 25, 514, 522; BAG, NZA 1989, 340, 341; NZA-RR 2010, 123 Rn. 43 f.) - insbesondere der Pflicht, die Arbeit in den Unternehmen durch Beachtung der Unfallverhütungsvorschriften unfallsicher auszugestalten (vgl. bereits BT-Drucks. 3/758 S. 60) - und infolge der Eingliederung der Leiharbeitnehmer in ihr Unternehmen (vgl. BAGE 25, 514, 520; 77, 102, 110; 144, 222 Rn. 13) bei einer Verneinung der Haftungsbeschränkung einem erheblichen Haftungsrisiko ausgesetzt. Es steht in Einklang mit den Schutzzwecken des Haftungsprivilegs, dieses Risiko als durch die für die Leiharbeitnehmer gezahlten Unfallversicherungsbeiträge abgelöst anzusehen (vgl. bereits BT-Drucks. 3/758 S. 60).
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cc) Dem steht nicht entgegen, dass der Entleiher die Beiträge regelmäßig nicht selbst an die zuständige Berufsgenossenschaft abführt, weil der Verleiher Beitragsschuldner ist (Schmitt, SGB VII, 4. Aufl., § 150 Rn. 11; Schlaeger in BeckOK SozR, § 150 SGB VII Rn. 7 [Stand: Juni 2014]). In den praktisch bedeutsamen Fällen der entgeltlichen Arbeitnehmerüberlassung wird der Verleiher die Beiträge bei der Kalkulation des Entgelts berücksichtigen und an den Entleiher weiterreichen (vgl. Senatsurteil vom 16. Januar 1953 - VI ZR 161/52, BGHZ 8, 330, 333; Lehmacher, r+s-Beil. 2011, 79, 81). Darüber hinaus haftet der Entleiher dem Unfallversicherungsträger gegenüber wie ein selbstschuldnerischer Bürge (§ 150 Abs. 3 Satz 1 SGB VII i.V.m. § 28e Abs. 2 Satz 1 SGB IV). Die Loslösung des Haftungsprivilegs von der Beitragspflicht ist im Übrigen eine Folge der Aufspaltung der Arbeitgeber-Stellung, die für die spezielle Situation der Leiharbeitnehmer kennzeichnend ist (vgl. BAGE 144, 340 Rn. 26).
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Vor diesem Hintergrund ist ein hinreichender Sachgrund dafür, Arbeitsunfälle von Leiharbeitnehmern im Verhältnis zum Entleiher haftungsrechtlich anders zu behandeln als Arbeitsunfälle der in gleicher Gefahrenlage arbeitenden eigenen Arbeitnehmer des Entleihers, nicht zu erkennen (so bereits RGZ 171, 393, 398 und Senatsurteil vom 16. Januar 1953 - VI ZR 161/52, aaO).
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c) Der Geschädigte war zum Unfallzeitpunkt als Versicherter gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII für den Beklagten tätig. Er war als ein ihm überlassener Leiharbeitnehmer gemeinsam mit einem eigenen Arbeitnehmer des Beklagten auf dessen Baustelle eingesetzt und damit wie ein Beschäftigter des Beklagten tätig (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Für die Beantwortung der Frage, ob der Geschädigte wie ein Beschäftigter im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII tätig geworden ist, ist entscheidend, ob er Aufgaben des anderen Unternehmens wahrgenommen hat und die Aufgaben seiner Tätigkeit bei wertender Betrachtung der Einzelfallumstände auch das Gepräge gegeben haben (Senatsurteil vom 23. März 2004 - VI ZR 160/03, VersR 2004, 1045, 1046 f.; BAG, NZA-RR 2010, 123 Rn. 35). Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn ein dem Entleiher zur Arbeitsleistung überlassener Arbeitnehmer im Unternehmen des Entleihers eingesetzt wird (vgl. BSGE 98, 285 Rn. 17; OLG Jena r+s 2010, 533; LAG Berlin-Brandenburg, r+s 2014, 48; Krasney in: Becker/Burchardt/ders./Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 104 Rn. 11 [Stand: September 2010]; Schmitt, SGB VII, 4. Aufl., § 104 Rn. 8; Waltermann in Eichenhofer/Wenner, SGB VII, § 104 Rn. 10; Grüner in Becker/Franke/Molkentin, SGB VII, 4. Aufl., § 104 Rn. 11 f.; Hollo in jurisPK-SGB VII, 2. Aufl., § 104 Rn. 25; Schüren in ders./Hamann, AÜG, 4. Aufl., Einl. Rn. 756; Thüsing, AÜG, 3. Aufl., Einf. Rn. 77; Geigel/Wellner, Der Haftpflichtprozess, 26. Aufl., Kap. 31 Rn. 81; Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden nach dem Unfallversicherungsrecht, S. 154 f.). Die von dem Leiharbeitnehmer wahrgenommenen Aufgaben werden nämlich - anders als bei einem Dienst- oder Werkvertrag - nicht aufgrund des Arbeitnehmerüberlassungsvertrags von dem Verleiher übernommen. Dessen Verpflichtung beschränkt sich vielmehr darauf, dem Entleiher Arbeitskräfte zur Verfügung zu stellen, die dieser nach seinen Vorstellungen und Zielen in seinem Betrieb wie eigene Arbeitnehmer einsetzt (BAGE 77, 102, 110 f.; 87, 186, 189; 96, 150, 153).
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2. Rechtsfehlerhaft ist aber die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagte habe den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt.
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a) Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Diese Sorgfalt muss in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und es muss dasjenige unbeachtet geblieben sein, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Ein solcher Verstoß lässt sich nicht allein mit der Verletzung von Unfallverhütungsvorschriften begründen. Vielmehr ist auch in solchen Fällen eine Wertung des Verhaltens des Schädigers geboten, in die auch die weiteren Umstände des Einzelfalls einzubeziehen sind. So kommt es darauf an, ob es sich um eine Unfallverhütungsvorschrift handelt, die sich mit Vorrichtungen zum Schutz der Arbeiter vor tödlichen Gefahren befasst und elementare Sicherungspflichten zum Inhalt hat. Auch spielt insbesondere eine Rolle, ob der Schädiger nur unzureichende Sicherungsmaßnahmen getroffen oder von den vorgeschriebenen Schutzvorkehrungen völlig abgesehen hat, obwohl die Sicherungsanweisungen eindeutig waren. Im letzteren Fall kann der objektive Verstoß gegen elementare Sicherungspflichten ein solches Gewicht haben, dass der Schluss auf ein auch subjektiv gesteigertes Verschulden gerechtfertigt ist (Senatsurteile vom 30. Januar 2001 - VI ZR 49/00, VersR 2001, 985, 986 und vom 18. Februar 2014 - VI ZR 51/13, VersR 2014, 481 Rn. 7 f.; vgl. auch Senatsurteil vom 18. Oktober 1988 - VI ZR 15/88, VersR 1989, 109, 110 zu § 640 RVO).
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b) Diese rechtlichen Grundsätze hat das Berufungsgericht entgegen der Auffassung der Revision nicht verkannt. Es hat nicht allein daraus, dass an der Unfallstelle keinerlei Absturzsicherung vorhanden war und somit objektiv ein Verstoß gegen elementare Sicherungspflichten vorlag, auf ein auch subjektiv gesteigertes Verschulden des Beklagten geschlossen. Vielmehr hat es sich konkret mit der persönlichen Verantwortung des Beklagten für den objektiv vorschriftswidrigen Zustand befasst und hat geprüft, ob die vom Beklagten behaupteten Anweisungen geeignet waren, ihn wenigstens subjektiv zu entlasten.
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c) Die diesbezügliche Würdigung beruht aber auf einem Verfahrensfehler. Dies rügt die Revision mit Erfolg.
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Das Berufungsgericht hat angenommen, der Beklagte habe nicht davon ausgehen dürfen, dass die angebliche Anweisung, Aluprofile in die Sicken der Lichtbänder zu legen, geeignet gewesen sei, den Durchbruch eines Mitarbeiters durch ein Lichtband zu verhindern. Dies hat es - gestützt auf die protokollierten Aussagen des Geschädigten und des Zeugen S. vor dem Landgericht - damit begründet, dass die Aluprofile nach dem vom Beklagten erteilten Arbeitsauftrag im Zuge der Arbeiten wieder von den Lichtbändern entfernt werden mussten; dies ist im Falle des Lichtbandes, durch das der Beklagte gestürzt ist, auch tatsächlich geschehen. Allerdings verweist die Revision mit Recht darauf, dass der Beklagte nach seinem Vortrag Sicherheitsnetze und ein Schutzgerüst bestellt hatte, die am Tag nach dem Unfall montiert wurden; davon ist auch das Landgericht ausgegangen. In Ermangelung gegenteiliger Feststellungen ist für das Revisionsverfahren zu unterstellen, dass die Lichtbänder nach der Montage der Netze und des Gerüsts allein durch diese ausreichend gesichert waren. Die auf die Entfernung der Aluprofile von den Lichtbändern abstellende Begründung des Berufungsgerichts ist deshalb schon im Ansatz nur dann tragfähig, wenn es angenommen haben sollte, dass es dem Arbeitsauftrag des Beklagten entsprach, bereits am Unfalltag - also vor der Montage der anderen Sicherungseinrichtungen - Aluprofile von den Lichtbändern zu entfernen oder dass der Beklagte dies jedenfalls nicht in der gebotenen Weise verhindert hat. Die Ausführungen des Berufungsgerichts sind insoweit nicht eindeutig.
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Versteht man das Berufungsurteil gleichwohl in dem genannten Sinne, so hat das Berufungsgericht die von ihm herangezogenen Zeugenaussagen anders gewürdigt als das Landgericht. Es wäre deshalb verpflichtet gewesen, die beiden Zeugen erneut zu vernehmen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. Juli 2009 - VIII ZR 3/09, NJW-RR 2009, 1291 Rn. 5; vom 10. November 2010 - IV ZR 122/09, NJW 2011, 1364 Rn. 6; vom 21. März 2012 - XII ZR 18/11, NJW-RR 2012, 704 Rn. 6 f.; Urteil vom 29. September 2011 - VII ZR 87/11, NJW 2011, 3780 Rn. 16). Denn das Landgericht hatte die vor der Montage der anderen Sicherungseinrichtungen erfolgte Entfernung der Aluprofile von den Lichtbändern als Verstoß gegen die Anordnungen des Beklagten gewertet, der diesem nicht zugerechnet werden könne. Zu dieser Einschätzung hätte das Landgericht nicht gelangen können, wenn es den auch von ihm für glaubhaft gehaltenen Zeugenaussagen entnommen hätte, dass die fraglichen Aluprofile nach dem vom Beklagten erteilten Arbeitsauftrag noch am Unfalltag wieder von den Lichtbändern entfernt werden sollten oder der Beklagte dies jedenfalls nicht in der gebotenen Weise verhindert hat. Dies lässt sich den protokollierten Zeugenaussagen im Übrigen auch nicht, jedenfalls nicht eindeutig entnehmen, so dass schon deshalb eine erneute Vernehmung geboten gewesen wäre.
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Das angefochtene Urteil beruht auf dem Verfahrensfehler, weil das Berufungsgericht seine Würdigung maßgeblich auf die beiden Zeugenaussagen gestützt hat. Soweit es hilfsweise den nicht zugelassenen neuen Beklagtenvortrag gewürdigt und soweit es ergänzend auf die fehlende Sicherung der Aluprofile gegen ein Abrutschen abgestellt hat, lässt sich dem Berufungsurteil nicht entnehmen, dass dies allein seine Annahme trägt, die angebliche Anordnung, Aluprofile in die Sicken der Lichtbänder zu legen, sei nicht geeignet, den Beklagten subjektiv zu entlasten. Da das Lichtband, durch das der Geschädigte gestürzt ist, zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht gesichert war, war eine fehlende Befestigung der Profile im Übrigen auch nicht unfallursächlich. Dies gilt auch für das Fehlen einer seitlichen Absturzsicherung, so dass darauf allein der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit ebenfalls nicht gestützt werden kann.
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3. Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Die Sache ist gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dies gibt dem Berufungsgericht auch Gelegenheit zu einer erneuten Prüfung des in den Urteilsgründen nicht behandelten Feststellungsinteresses (§ 256 Abs. 1 ZPO). Da der Klageanspruch aus der Verletzung eines auch deliktsrechtlich geschützten absoluten Rechtsgutes resultiert, wäre ein Feststellungsinteresse allerdings entgegen der Auffassung der Revision - anders als bei reinen Vermögensschäden (dazu BGH, Urteil vom 24. Januar 2006 - XI ZR 384/03, BGHZ 166, 84 Rn. 27 mwN) - nur zu verneinen, wenn aus der Sicht der Klägerin bei verständiger Würdigung kein Grund bestünde, mit weiteren Aufwendungen wenigstens zu rechnen (vgl. Senat, Urteil vom 16. Januar 2001 - VI ZR 381/99, VersR 2001, 874, 875 und Beschluss vom 9. Januar 2007 - VI ZR 133/06, VersR 2007, 708 Rn. 5 für Schadensersatzansprüche).
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Galke Diederichsen Pauge
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Offenloch Oehler
(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:
- 1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.
(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin, ein gesetzlicher Unfallversicherer, nimmt die Beklagte auf Erstattung von Aufwendungen in Anspruch, die ihr infolge eines Arbeitsunfalls des bei ihr versicherten Sch. entstanden sind. Sie begehrt außerdem die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz der durch den Arbeitsunfall verursachten künftigen Aufwendungen.
- 2
- Am Morgen des 25. Juni 2007 teilte die Beklagte, die Leiterin des Stadtbauhofes der Stadt R. war, den im Rahmen eines 1 €-Jobs als Hilfsarbeiter zugewiesenen Sch. dazu ein, einen Graben, den der Baggerfahrer B. ausheben sollte, von Hand nachzuschachten. Der Graben war ca. 1,80 m tief, am Boden 0,70 m und an der oberen Erdkante 1,80 m breit. Eine Sicherung gegen nachrutschendes Erdreich war nicht vorhanden. Als Sch., der über eine Leiter in den Graben gestiegen war, dort arbeitete, löste sich ein Erdbrocken, der Sch. unter sich begrub. Sch. wurde schwer verletzt.
- 3
- Der Klägerin entstanden Kosten für die Rettung, ärztliche Behandlung und wegen der Minderung der Erwerbsfähigkeit des Sch.. Sie nimmt die Beklagte in Anspruch, weil es - nach ihrer Auffassung - die Beklagte grob fahrlässig versäumt habe, für die gebotene Absicherung des Grabens gegen abrutschendes Erdreich zu sorgen.
- 4
- Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das Urteil des Landgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
I.
- 5
- Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat die Beklagte den Versicherungsfall nicht grob fahrlässig im Sinne von § 110 Abs. 1 SGB VII verursacht. Sie habe darauf vertrauen dürfen, dass der Baggerfahrer B., der schon länger bei der Stadt R. beschäftigt und ihr als zuverlässig bekannt gewesen sei, vor einer Handschachtung die notwendigen Sicherungsmaßnahmen veranlassen werde. Eine andere Bewertung sei vorliegend nicht deshalb gerechtfertigt, weil Unfallverhütungsvorschriften im Raum stünden, die sich mit Vorrichtungen zum Schutz der Arbeiter vor tödlichen Gefahren befassten und somit elementare Sicherungspflichten zum Inhalt hätten. Hier könne der objektive Pflichtenver- stoß ein solches Gewicht haben, dass im Einzelfall der Schluss auf ein subjektiv gesteigertes Verschulden gerechtfertigt sei. Die Beklagte habe indes nicht selbst dem Schutz eines Mitarbeiters dienende Regelungen außer Acht gelassen , sondern allenfalls den Hinweis an den Baggerfahrer B. versäumt, diese Regelungen einzuhalten, sobald eine Handschachtung erfolge. Das Unterlassen eines solchen Hinweises stelle jedenfalls nicht eine grobe Fahrlässigkeit dar.
II.
- 6
- Die Ausführungen des Berufungsgerichts begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
- 7
- 1. Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ansatz des Berufungsgerichts, dass nach § 110 Abs. 1 SGB VII Personen, deren Haftung nach den §§ 104 bis 107 SGB VII beschränkt ist, den Sozialversicherungsträgern für die infolge des Versicherungsfalls entstandenen Aufwendungen dann haften, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt haben, jedoch nur bis zur Höhe des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs. Für die Auslegung des Begriffs der groben Fahrlässigkeit kann auf die zu § 640 Abs. 1 RVO aF ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden. Die Vorschrift in § 110 Abs. 1 SGB VII hat im Vergleich zu § 640 Abs. 1 RVO aF, an dessen Stelle sie getreten ist, an dem haftungsauslösenden Verschuldensgrad nichts geändert (vgl. Senatsurteil vom 30. Januar 2001 - VI ZR 49/00, VersR 2001, 985, 986; BGH Urteil vom 15. Mai 1997 - III ZR 250/95, NJW 1998, 298, 301; BT-Drucks. 13/2204, S. 101). Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Diese Sorgfalt muss in ungewöhnlich hohem Maß verletzt und es muss dasjenige unbeachtet geblieben sein, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Ein objektiv grober Pflichtenverstoß rechtfertigt für sich allein noch nicht den Schluss auf ein entsprechend gesteigertes personales Verschulden, nur weil ein solches häufig damit einherzugehen pflegt. Vielmehr erscheint eine Inanspruchnahme des haftungsprivilegierten Schädigers im Wege des Rückgriffs nur dann gerechtfertigt, wenn eine auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung vorliegt, die das in § 276 Abs. 2 BGB bestimmte Maß erheblich überschreitet (vgl. Senatsurteile vom 30. Januar 2001 - VI ZR 49/00, aaO und vom 12. Januar 1988 - VI ZR 158/87, VersR 1988, 474, 475 mwN sowie BGH, Urteil vom 8. Juli 1992 - IV ZR 223/91, BGHZ 119, 147, 149). Dies hat das Berufungsgericht im Ansatzpunkt richtig gesehen.
- 8
- 2. Auch trifft die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts zu, dass sich die grobe Fahrlässigkeit der Beklagten nicht allein mit der Verletzung der geltenden Unfallverhütungsvorschriften begründen lässt. Nicht jeder Verstoß gegen die einschlägigen Unfallverhütungsvorschriften ist schon als ein grob fahrlässiges Verhalten im Sinne des § 110 SGB VII zu werten (vgl. Senatsurteile vom 8. Mai 1984 - VI ZR 296/82, VersR 1984, 775, 776; vom 21. Oktober 1980 - VI ZR 265/79, VersR 1981, 75; vom 22. Juni 1971 - VI ZR 39/70, VersR 1971, 1019, 1020 und vom 8. Oktober 1968 - VI ZR 164/67, VersR 1969, 39, 40). Vielmehr ist auch dann, wenn solche Verstöße gegen Sorgfaltsgebote vorliegen , eine Wertung des Verhaltens des Schädigers geboten, in die auch die weiteren Umstände des Einzelfalles einzubeziehen sind. So kommt es darauf an, ob es sich um eine Unfallverhütungsvorschrift handelt, die sich mit Vorrichtungen zum Schutz der Arbeiter vor tödlichen Gefahren befasst und elementare Sicherungspflichten zum Inhalt hat. Auch spielt insbesondere eine Rolle, ob der Schädiger nur unzureichende Sicherungsmaßnahmen getroffen oder von den vorgeschriebenen Schutzvorkehrungen völlig abgesehen hat, obwohl die Siche- rungsanweisungen eindeutig waren. Im letzteren Fall kann der objektive Verstoß gegen elementare Sicherungspflichten ein solches Gewicht haben, dass der Schluss auf ein auch subjektiv gesteigertes Verschulden gerechtfertigt ist (vgl. Senatsurteil vom 18. Oktober 1988 - VI ZR 15/88, VersR 1989, 109, 110).
- 9
- 3. Der Senat vermag indes dem Berufungsgericht in der Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall nicht zu folgen.
- 10
- a) Zwar ist die tatrichterliche Entscheidung, ob den Schädiger der Vorwurf grober Fahrlässigkeit trifft, mit der Revision nur beschränkt angreifbar. Der Nachprüfung unterliegt aber, ob der Tatrichter den Begriff der groben Fahrlässigkeit verkannt oder bei der Beurteilung des Verschuldensgrades wesentliche Umstände außer Betracht gelassen hat (vgl. Senatsurteile vom 30. Januar 2001 - VI ZR 49/00, aaO, 985 und vom 18. Oktober 1988 - VI ZR 15/88, aaO, 109 mwN). Wie die Revision mit Recht beanstandet (§ 286 ZPO), hat das Berufungsgericht die vom Gesetz vorgeschriebene Gesamtwürdigung nicht in der gebotenen Weise vorgenommen (vgl. Senatsurteil vom 8. Mai 1984 - VI ZR 296/82, aaO). Auch sind für die Beurteilung des Verschuldensgrades der Beklagten wesentliche Umstände noch nicht geklärt.
- 11
- b) Die im Streitfall einschlägigen Unfallverhütungsvorschriften für Bauarbeiten GUV-V C 22 regeln in § 6 Abs. 3, § 28 Abs. 1 iVm der DIN 4124 (Stand 10.02) die an die Standsicherheit von Gräben zu stellenden Anforderungen. Sie haben elementare Sicherungspflichten zum Inhalt, die sich mit Vorrichtungen zum Schutz der Arbeiter vor tödlichen Gefahren befassen. Die Regelungen in § 6 Abs. 3, § 28 Abs. 1 GUV-V C 22 sehen vor, dass Wände von Baugruben und Gräben so abzuböschen, zu verbauen oder anderweitig zu sichern sind, dass sie während der einzelnen Bauzustände standsicher sind. Nach den allgemeinen Vorschriften der DIN 4124 dürfen Gräben in mindestens steifem bin- digem Boden unter bestimmten Voraussetzungen nur bis zu einer Tiefe von 1,75 m senkrecht abgeschachtet werden. Anderenfalls sind sie, wenn dort Beschäftigte tätig werden, auch in Bauzuständen durch Böschung oder Verbau zu sichern. Dass die Beklagte aufgrund der ihr obliegenden Bauaufsicht für die danach gebotene Sicherung des Arbeiters Sch. Sorge zu tragen hatte und keine Schutzvorkehrungen getroffen hat, steht nicht in Streit.
- 12
- aa) Mit Recht wendet sich die Revision dagegen, dass das Berufungsgericht das Unterlassen der Beklagten damit entschuldigt hat, diese habe auf die Zuverlässigkeit des Baggerführers B. vertrauen dürfen. Konkrete Umstände oder Maßnahmen, die ein solches Vertrauen, dass der Baggerführer B. die Unfallverhütungsvorschriften beachten würde, begründen konnten, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Dies folgt nicht bereits daraus, dass B. allgemein als zuverlässig bekannt und schon länger bei der Stadt R. beschäftigt war.
- 13
- bb) Das Berufungsgericht durfte auch nicht unberücksichtigt lassen, dass sich die Beklagte selbst darauf beruft, keine Kenntnis von den geltenden Vorschriften gehabt zu haben. Zutreffend wertet die Revision die fehlende Kenntnis von den zu beachtenden Sicherheitsanforderungen der für die Bauaufsicht zuständigen Beklagten als einen für die Beurteilung des Verschuldensgrades wesentlichen Umstand. Von der Beklagten sind die Kenntnisse zu fordern, die für die Erfüllung der ihr obliegenden Aufgaben notwendig sind. Hätte sich die Beklagte in der gebotenen Weise informiert, hätte sie gewusst, dass zur Abstützung des Grabens bei einer Tiefe von 1,80 m unter Umständen Baumaterial erforderlich sein würde, das dem Baggerführer B. zur Verfügung stehen musste. Waren die für die Abstützung erforderlichen Materialien nicht auf der Baustelle vorhanden, durfte die Beklagte nicht darauf vertrauen, dass B. die notwendige Verbauung vor der Handschachtung durch Sch. anbringen würde.
- 14
- cc) Die Beklagte vermag nicht zu entlasten, dass sie zum Zeitpunkt des Unfalls nicht an der Baustelle anwesend war. Auch das Berufungsgericht nimmt an, dass die Ausführung der Handschachtung für die Beklagte absehbar war. Als verantwortliche Bauleiterin musste sie danach die beim Ausschachten in Gräben mögliche Gefährdung erkennen und einer solchen rechtzeitig vorbeugen.
- 15
- 4. Danach ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Bei der Frage der Anrechnung eines Mitverschuldens des Sch. wird das Berufungsgericht zu erwägen haben, ob von Sch. in der konkreten Situation als 1 €- Jobber überhaupt erwartet werden durfte, dass er den Anweisungen ihm sachkundig erscheinender Personen nicht Folge leistet. Galke Wellner Diederichsen Stöhr von Pentz
LG Leipzig, Entscheidung vom 08.06.2012 - 2 O 1272/11 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 08.01.2013 - 9 U 1158/12 -
Der Verein ist für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt.
(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.
(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.