Oberlandesgericht Hamm Urteil, 17. Okt. 2013 - 6 U 95/13
Tenor
Die Berufungen der Klägerin und der Beklagten zu 1. gegen das am 22.04.2013 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Münster werden als unzulässig verworfen.
Die Kosten der Berufungsinstanz werden der Klägerin zu 2/3, dem Beklagten zu 1/3 auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beide Parteien können die gegen sie gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe:
1
Gründe:
2I.
3Die Klägerin macht gegenüber den Beklagten Ansprüche auf Unterlassung und Auskunft im Zusammenhang mit der Zusendung einer Werbe-E-Mail geltend.
4Die Beklagte zu 1. ist eine Kommanditgesellschaft, die Beklagte zu 2., eine GmbH, deren Komplementärin, die Beklagte zu 3. die Geschäftsführerin der Beklagten zu 2.
5Die Beklagte zu 1. übersandte einer ihrer Kundinnen über die E-Mail-Adresse [email protected], bis sie die Kontaktdaten dieser Kundin im Jahre 2006 dem Datenbestand passiver Kunden zuordnete, zu denen keine Werbekontakte mehr aufgenommen werden. Nachdem diese Kundin in der Folgezeit ihre E-Mail-Adresse aufgegeben hatte, wies die Deutsche Telekom diese E-Mail-Adresse der Klägerin zu. Nachfolgend wurden die Kontaktdaten der vorerwähnten Kundin aufgrund eines Programmierfehlers wieder dem Bestand aktiver Kunden zugewiesen.
6Am 23.8.2012 um 20.20 Uhr erhielt die Klägerin unter der genannten E-Mail-Adresse eine E-Mail der Beklagten zu 1., in der diese für auf der Internetseite N-Q-.de angebotene Ware warb. Die Klägerin ließ die Beklagte zu 1. daraufhin mit anwaltlichem Schreiben abmahnen und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie zur Erstattung von 627,13 € an vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten unter Fristsetzung bis zum 14.9.2012 auffordern. Die Beklagten löschten daraufhin "physisch" die gespeicherten Daten der Klägerin. Eine darüber hinausgehende Reaktion erfolgte nicht.
7Die Klägerin hat beantragt,
81. a) es der Beklagtenseite bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung hiermit angedrohten Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft für die Beklagten zu 1. und 2. an ihren Geschäftsführern zu vollziehen ist, zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Werbezwecken mit der Klägerin zur Aufnahme eines geschäftlichen Kontakts per E-Mail Kontakt aufzunehmen, ohne dass ihre ausdrückliche Einwilligung vorliegt;
9b) die Beklagtenseite zu verurteilen, der Klägerin Auskunft darüber zu geben, welche Daten zu ihrer Person bei ihrem Unternehmen gespeichert sind, auch soweit sie sich auf Herkunft und Empfänger beziehen, welcher Zweck mit der Speicherung dieser Daten verfolgt wird und an welche Personen oder Stellen diese Daten übermittelt wurden bzw. werden;
105. die Beklagtenseite zu verurteilen, an sie die außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren (1,5 Gesch.-geb. Nr. 2300 VV RVG, Postpauschale Nr. 7002 VV RVG und USt) aus dem endgültig festgesetzten Streitwert zu bezahlen;
116. die Beklagtenseite zu verurteilen, den von ihr – der Klägerseite – verauslagten Gerichtskostenvorschuss ab Eingang bei Gericht mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. zu verzinsen.
12Die Beklagten haben beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und die Beklagte zu 1. auf Unterlassung der Aufnahme eines geschäftlichen Kontaktes per E-Mail zu Werbezwecken sowie zur Auskunftserteilung verurteilt. Hinsichtlich der Beklagten zu 2. und 3. hat es die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
15Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, soweit die Klage abgewiesen worden ist, und verfolgt ihre erstinstanzlich gestellten Anträge mit einer geringfügigen Einschränkung (vorgerichtliche Anwaltskosten: nur noch 1,3-facher Satz) weiter. Die Klägerin meint, dass auch die Komplementärin und ihre Geschäftsführerin für die Zusendung der E-Mail verantwortlich seien.
16Die Beklagte zu 1. hat ihrerseits gegen das landgerichtliche Urteil Berufung eingelegt und begehrt vollständige Klageabweisung.
17Die Klägerin ist sie der Auffassung, die Berufung der Beklagten zu 1. sei nicht zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 € nicht übersteige.
18II.
19Beide Berufungen sind unzulässig, weil der jeweilige Wert des Beschwerdegegenstandes in beiden Fällen 600 € nicht übersteigt, § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
201.
21Die Beschwer der Klägerin durch die Abweisung der Klage gegen die Beklagten 2. und 3. ist äußert gering; der Senat hat sie mit ingesamt 300 € bewertet (Unterlassungsanspruch 2 x 100 €, Auskunftsanspruch 2 x 50 €).
22a)
23Die Ansichten zur richtigen Bewertung eines Unterlassungsanspruchs im Hinblick auf die Zusendung ungebetener E-Mails sind uneinheitlich.
24Während einige Gerichte die Zusendung von E-Mails lediglich mit dreistelligen Werten ansetzen (OLG Karlsruhe, GRUR-RR 2008, 262: 500 € bei einstweiliger Verfügung; KG, JurBüro 2002, 371: 350 € bei einmaliger Zusendung, einstweiliges Verfügungsverfahren; OLG Rostock, Beschluss vom 13.10.208, 5 W 147/08: 300 € bei Telefaxwerbung als Irrläufer, einstweiliges Verfügungsverfahren), gibt es andere Gerichte, die mehrere tausend Euro für angemessen halten. Allerdings betreffen die letztgenannten Entscheidungen - soweit ersichtlich - stets den gewerblichen Bereich und nicht - wie hier - den privaten Bereich (z.B. BGH, VI ZR 65/04, Beschluss vom 30.11.2004, juris: 3.000 €; OLG Koblenz, MDR 2007, 356: 10.000 €, in beiden Fällen bei Versendung an ein RA-Büro, vgl. auch die von der Klägerin angeführten Entscheidungen). Zum Teil wird zur Begründung angeführt, es müsse auch die Breitenwirkung und das häufige Erscheinen solcher Zusendungen berücksichtigt werden (z.B. OLG Schleswig, JurBüro 2009, 256, wohl auch KG, Beschluss vom 27.2.2007, 21 W 7/07 [nicht veröffentlicht], zit. nach OLG Schleswig, aaO.).
25Den letztgenannten Ansatz teilt der Senat nicht. Mit diesem Argument müsste man den Streitwert etwa in Fällen körperlicher Belästigungen, Stalking usw., exorbitant in die Höhe treiben, wenn die Streitwerthöhe als Abschreckungsinstrument dienen soll. Auch der BGH hat diesem Argument eine Absage erteilt (Beschluss vom 30.11.2004, VI ZR 65/04, juris). Danach hat sich der Streitwert (für ein Revisionsverfahren) wegen unerwünschter E-Mail-Werbung nicht an einem etwaigen volkswirtschaftlichen Gesamtschaden unerlaubter E-Mail-Werbung zu orientieren, sondern an dem Interesse des Klägers (dort eines Rechtsanwalts) im Einzelfall, durch die entsprechende Werbung der Beklagten nicht belästigt zu werden.
26Bei der Wertfestsetzung in Fällen der vorliegenden Art muss ein deutlicher Abstand gewahrt werden zu deutlich schwerwiegenderen Fällen, in denen Unterlassung begehrt wird, etwa in Stalking-Fällen, in denen es um ganz andere Formen von Belästigungen bis hin zu echten Verfolgungszuständen und -ängsten geht, die häufig mit dem Auffangwert von früher 4.000 €, jetzt 5.000 € (§ 52 Abs. 2 GKG), bewertet werden (vgl. Zöller-Herget, ZPO, 29. Aufl., § 3 Rdn. 16, Stichwort „Stalking“ m.w.N.) und deshalb erstinstanzlich meist vor den Amtsgerichten verhandelt werden.
27Der Senat hat sich bei der Bemessung der Beschwer im vorliegenden Fall an einer Entscheidung des BGH vom 9.7.2004 (V ZB 6/04, NJW-RR 2005, 219) orientiert. In dieser Entscheidung hatte der BGH das Interesse der Kläger an der Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung des Einwurfs von Werbematerial mit 75 € nicht beanstandet und hierzu ausgeführt, das Unterlassungsinteresse der Kläger sei bei einem singulären Vorfall ohne erkennbare Weiterungen kaum messbar.
28Ebenso verhält es sich hier. Auch im vorliegenden Falle handelt es sich um einen singulären Vorfall, der auf einem Irrtum beruhte und dessen Wiederholung durch die unstreitige "physische Löschung" der E-Mail-Adresse der Klägerin äußerst unwahrscheinlich geworden ist; präventive Gesichtspunkte können in einem solchen Fall bei der Streitwertfestsetzung gänzlich zurücktreten (ebenso OLG Rostock, aaO.). Zudem ist das Löschen einer einzelnen unerbetenen E-Mail mit einem einzigen Mausklick erledigt und bedarf nur Bruchteile von Sekunden, verursacht also noch weniger Aufwand als die Entsorgung unerbetener Werbung im Briefkasten, die manuell entnommen und anschließend entsorgt werden muss. Auch führt es - anders als bei unerbetenen Faxen - zu keinem Materialverbrauch auf Empfängerseite (zu diesem Gesichtspunkt ebenso OLG Hamm, NJW-RR 2013, 1023). Schließlich kommt im vorliegenden Fall noch hinzu, dass die Beklagte zu 1., der diese Werbe-E-Mail als werbendes Unternehmen in erster Linie zuzurechnen ist, bereits zur Unterlassung verurteilt ist und ein tatsächliches Bedürfnis zu einer zusätzlichen Verurteilung der Beklagten zu 2. und 3. kaum zu erkennen ist (für unterschiedliche Bewertung bei Klage gegen Gesellschaft und Organ auch KG, JurBüro 2011, 90 [nur Leitsatz]).
29b)
30Das Interesse der Klägerin an einer Verurteilung der Beklagten zu 2) und 3) zur Auskunft ist kaum erkennbar, da diese als Organe der Beklagten zu 1) bereits durch die Verurteilung der Beklagten zu 1) zum Handeln gezwungen werden können; die Verhängung von Zwangshaft nach § 888 ZPO träfe die Beklagte zu 3) in Person als handelndes Organ der Beklagten zu 1). Der Senat hat dieses Interesse daher mit jeweils 50 € bewertet.
312.
32Die Beschwer der Beklagten zu 1. aufgrund des landgerichtlichen Urteils ist – worauf die Klägerin zutreffend hingewiesen hat – zu bemessen aus dem Nachteil, der sich aus der Befolgung der Unterlassungspflicht ergibt (vgl. BGH, NJW-RR 2009, 549; GRUR 2013, 1067; Zöller-Herget, aaO., Stichwort „Unterlassung“).
33a)
34Der Senat bewertet die Beschwer der Beklagten zu 1) durch die Verurteilung zur Unterlassung der Zusendung weiterer Werbe-E-Mails mit 50 €.
35Als Belastung aus der Verurteilung zur Unterlassung kommen zwei Gesichtspunkte in Betracht:
36(1) Zum einen kommt eine Belastung der Beklagten zu 1) dadurch in Betracht, dass sie in Zukunft sicherstellen muss, dass keine E-Mails mehr an die Klägerin versendet werden. Diese Belastung besteht in dem Aufwand und den Kosten für eine zuverlässige Löschung der E-Mail-Adresse der Klägerin aus ihrem Datenbestand (KG, MMR 2007, 386, juris, Rdn. 10). Dieser Aufwand und die damit verbundenen Kosten der Löschung einer einzigen E-Mail-Adresse dürften äußerst gering sein (ebenso KG, aaO.). Nach dem unstreitigen Vorbringen der Beklagten war die E-Mail-Adresse der Klägerin zudem bereits bei Einlegung der Berufung unwiderbringlich ("physisch") gelöscht. Deshalb ergibt sich für die Beklagte zu 1) keine messbare Belastung.
37(2) Zum anderen ist der Verlust der Möglichkeit zu bewerten, Werbe-E-Mails an die Klägerin zu versenden. Es deutet allerdings nichts darauf hin, dass die Klägerin überhaupt als Kundin der Beklagten zu 1), die Musikinstrumente vertreibt, in Betracht kommt. Vielmehr ist sie nur versehentlich nach einem Wechsel der E-Mail-Adresse kontaktiert worden. Der wirtschaftliche Verlust dürfte daher ebenfalls kaum messbar sein.
38b)
39Die Verpflichtung zur Auskunftserteilung bewertet der Senat mit 100 €.
40Entscheidend ist insoweit der wirtschaftliche Aufwand, der mit der Auskunftserteilung verbunden ist (vgl. BGH, NJW 2010, 2812; Zöller-Herget, aaO., Stichwort „Auskunft“, jeweils m.w.N.).
41Auch wenn man berücksichtigt, dass die Klägerin neben der Auskunft über die gespeicherten Daten Auskünfte über deren Herkunft und Empfänger verlangt, zudem welcher Zweck mit der Speicherung verbunden ist und an welche Personen oder Stellen diese Daten übermittelt wurden bzw. werden, dürfte der Arbeitsaufwand, soweit entsprechende Auskünfte überhaupt möglich sind, sehr begrenzt sein. Errechnet man unter Berücksichtigung eines angemessenen Stundensatzes (vgl. hierzu BGH, NJW-RR 2010, 786) die Kosten für die erforderliche Arbeitszeit (allenfalls zwei Stunden), ist die Beschwer der Beklagten zu 1) mit 100 € ausreichend bemessen. Hierfür spricht indiziell auch, dass die Klägerin den Auskunftsanspruch mittlerweile aufgrund der im Prozess erteilten, nicht besonders umfangreichen Informationen in der Hauptsache für erledigt erklärt hat.
42Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97, 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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(1) Die Berufung findet gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt.
(2) Die Berufung ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder - 2.
das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.
(3) Der Berufungskläger hat den Wert nach Absatz 2 Nr. 1 glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf er nicht zugelassen werden.
(4) Das Gericht des ersten Rechtszuges lässt die Berufung zu, wenn
Das Berufungsgericht ist an die Zulassung gebunden.Tenor
Die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Verfügungsklägers gegen die Streitwertfestsetzung in dem Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Schwerin vom 10.01.2008 - 3 O 500/07 - wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
- 1
Die gem. § 68 Abs. 1 GKG statthafte Beschwerde ist auch im übrigen zulässig.Da die Verfahrensbevollmächtigten des Verfügungsklägers mit ihrem im eigenen Namen eingelegten Rechtsmittel eine ihrer Ansicht nach zu niedrige Festsetzung des Gebührenstreitwertes rügen, sind sie beschwert (§ 32 Abs. 2 Satz 1 RVG; vgl. Hartmann, Kostengesetze, 38. Auflage, Rdnr. 5 zu § 68 GKG).
- 2
Die Beschwerde ist auch innerhalb der gesetzlich hierfür vorgesehenen Frist von 6 Monaten (§§ 68 Abs. 1 Satz 3, 63 Abs. 3 Satz 2 GKG) angebracht worden. Dabei kann dahinstehen, ob die Auffassung der Beschwerdeführer, in einem einstweiligen Verfügungsverfahren beginne diese Frist erst mit endgültiger Erledigung des Hauptsacheprozesses durch die sog. Abschlusserklärung, auch dann zutrifft, wenn es - wie hier - zu einem "Hauptsacheprozess" nicht gekommen ist. Denn jedenfalls ist das die endgültige Wertfestsetzung enthaltende Urteil des Landgerichts Schwerin vom 10.01.2008 trotz Nichterreichens der Berufungssumme nach h.M. (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 26. Aufl. Rdnr. 5 und 6 zu § 705 m.w.N.) nicht bereits mit seiner Verkündung, sondern erst mit Ablauf der Rechtsmittelfrist am 14.02.2008 rechtskräftig geworden. Dementsprechend konnte durch die am 22.07.2008 beim Landgericht eingegangene Beschwerdeschrift die Rechtsmittelfrist gewahrt werden.
II.
- 3
Die Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht den Wert für das einstweilige Verfügungsverfahren aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falles auf lediglich 300,00 € festgesetzt.
- 4
1. Dabei geht auch der Senat in Übereinstimmung mit der überwiegenden obergerichtlichen Rechtsprechung davon aus, dass in den Fällen der unzulässigen Telefax-Werbung im Geschäftsverkehr der Gegenstandswert auch im einstweiligen Verfügungsverfahren 7.500,00 € betragen kann, wie vom Landgericht bei Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung zunächst angenommen. Die besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalles gebieten indes eine deutlich niedrigere Wertfestsetzung.
- 5
Das Landgericht weist in seinem Nichtabhilfebeschluss vom 02.09.2008 zutreffend darauf hin, dass die von dem Verfügungskläger beanstandete Telefax-Werbung nicht an ihn selbst bzw. an das von ihm betriebene Ingenieurbüro gerichtet war, sondern an seine Ehefrau, die - insoweit unstreitig - das Fax-Gerät des Verfügungsklägers für Zwecke der von ihr betriebenen gynäkologischen Praxis verwendet bzw. seinerzeit verwendet hat. In Streit stand mithin ein sog. Irrläufer; die Verfügungsbeklagte wollte ersichtlich nicht den Verfügungskläger bewerben und insbesondere auch nicht in dessen Gewerbebetrieb bzw. Eigentum eingreifen. Zudem hat die Verfügungsbeklagte nach Erhalt der Abmahnung vom 23.10.2007 umgehend erklären lassen, sie werde den Telefax-Anschluss des Verfügungsklägers nicht mehr für derartige "Werbeinformationsschreiben" verwenden. Wenngleich diese Zusage, weil ohne Anerkennung einer Rechtspflicht erfolgt, der daraufhin beantragten und erlassenen einstweiligen Verfügung nicht entgegenstand, wurde dadurch das "Abschreckungsinteresse" des Verfügungsklägers, welches allein die von der Rechtsprechung angenommenen höheren Gegenstandswerte rechtfertigen würde, erheblich verringert. Zudem handelte es sich bei dem inkriminierten Telefax unstreitig um das erste derartige Werbeschreiben an die Ehefrau des Verfügungsklägers. Wenn das Landgericht den Wert des Verfahrensgegenstandes in seiner abschließenden Entscheidung vornehmlich nach dem Interesse des Verfügungsklägers an der Vermeidung der unerwünschten Inanspruchnahme von Faxpapier und Toner sowie einer zeitweiligen Blockade des Faxanschlusses bestimmt und die ansonsten im Vordergrund stehende Wiederholungs- und Nachahmungsgefahr weitgehend unberücksichtigt gelassen hat, ist dies unter diesen Umständen rechtlich nicht zu beanstanden. Jedenfalls ist es unter Berücksichtigung der Besonderheiten des hier zu beurteilenden Einzelfalls entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer nicht gerechtfertigt, die Verfügungsbeklagte für die "Gesamtwirkung" unerbetener Telefax-Werbung verantwortlich zu machen. Von einer "Willkürentscheidung" oder einer "greifbaren Gesetzeswidrigkeit", auf die sich die Beschwerdeführer wiederholt und nachdrücklich berufen haben, kann keine Rede sein.
- 6
2. Soweit die Beschwerdeführer in ihrem Schriftsatz vom 08.10.2008 meinen vortragen zu müssen, die von ihnen angegriffene Entscheidung des Landgerichts sei von "sachfremden Erwägungen" bestimmt und von einem "offenkundigen Begehren getragen, wegen derartiger Rechtsverstöße geführte Verfahren - koste es was es wolle - unwirtschaftlich zu machen und den Rechtsverstoß der 'Beklagten' entgegen der 'einhelligen Rechtsprechung' und den Wertungen des Gesetzes zu bagatellisieren", gibt es hierfür keine Grundlage. Die Beschwerdeführer lassen die Besonderheiten des vorliegenden Falles außer Betracht. Im Übrigen kann es bei der Bestimmung des Streitwertes nicht darauf ankommen, ob die Rechtsverfolgung unwirtschaftlich ist und welche wirtschaftlichen Interessen der Verfahrensbevollmächtigten berührt sind. Dies gilt insbesondere dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - nicht ausgeschlossen werden kann, dass bei dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht die eigenen Interessen des Verfügungsklägers im Vordergrund standen, sondern Belange des verwandtschaftlich verbundenen Verfahrensbevollmächtigten. Anhaltspunkte hierfür ergeben sich aus der bemerkenswerten Art der Verfahrensführung, ihren zahlreichen Kostennoten und nicht zuletzt aus den nicht nur standesrechtlich bedenklichen Ausfällen in dem Schriftsatz des Verfahrensbevollmächtigten ... an die Verfahrensbevollmächtigten der Verfügungsbeklagten vom 15.02.2008.
- 7
3. Das Landgericht war weder durch die Zuständigkeitsbestimmung des § 23 GVG noch durch seine Wertfestsetzung in der einstweiligen Verfügung vom 08.11.2007 auf 7.500,00 € daran gehindert, den Wert des Verfahrensgegenstandes endgültig auf nunmehr 300,00 € herabzusetzen.
- 8
a) § 23 Nr. 1 GVG verhält sich ausschließlich zur sachlichen Zuständigkeit des Amtsgerichts und damit zum sog. Zuständigkeitsstreitwert, nicht aber zum Gebührenstreitwert. Aus dieser Zuständigkeitsbestimmung folgt nicht, dass selbst dann, wenn die Parteien eine an sich in die Zuständigkeit des Amtsgerichts fallende Sache - wie hier - rügelos vor dem Landgericht verhandeln und damit dessen Zuständigkeit unabhängig vom Streitwert begründen (§ 39 Satz 1 ZPO), dieses daran gehindert wäre, den Streitwert auf unter 5.000,00 € zu bemessen. Die diesbezüglichen Ausführungen der Beschwerdeführer sind vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar.
- 9
b) Auch die Streitwertfestsetzung in der einstweiligen Verfügung vom 08.11.2007 steht einer Korrektur der Streitwertfestsetzung nicht entgegen. Dies folgt bereits aus § 63 Abs. 3 GKG, wonach das Gericht seine Streitwertfestsetzung innerhalb von 6 Monaten nach Rechtskraft der 'Hauptsache' oder anderweitiger Erledigung von Amts wegen ändern kann. Aus § 62 Satz 1 GKG ergibt sich nichts anderes, denn das Landgericht hat im vorliegenden Fall den Zuständigkeitsstreitwert nicht festgesetzt. Im Übrigen findet die Regel des § 62 GKG im Verfahren über den Erlass einer einstweiligen Verfügung keine Anwendung (vgl. Hartmann, a.a.O., Rdnr. 8 zu § 62 GKG).
- 10
4. Eine Kosten- und Auslagenentscheidung war nicht veranlasst (§ 68 Abs. 3 GKG).
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
Der Kläger, ein Rechtsanwalt, der die Beklagte, die mit Mode handelt, in den Vorinstanzen erfolgreich wegen unaufgefordert versandter E-Mail-Werbung in Anspruch genommen hat, wendet sich mit seiner Gegenvorstellung gegen die Festsetzung des Streitwertes des Revisionsverfahrens auf 3.000 € im Senatsbeschluß vom 28. Juni 2004, in welchem die Beklagte, nachdem sie die Revision gegen das am 11. September 2003 verkündete Urteil des 10. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin zurückgenommen hatte, dieses Rechtsmittels für verlustig erklärt worden ist. Der Senat ist bei seiner Streitwertfestsetzung einem entsprechenden Beschluß des Kammergerichts vom 11. September 2003 gefolgt, dem der Kläger bislang nicht entgegengetreten war. Nunmehr meint der Kläger, der sich selbst vertreten hat und für sich ein eigenes Kosteninteresse im Sinne des § 10 BRAGO reklamiert, der Streitwert sei im Hinblick auf im vorausgegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren, in anderen Entscheidungen des Kammergerichts und weiterer Instanzgerichtehöher festgesetzte Streitwerte zu niedrig, weil der volkswirtschaftliche Gesamtschaden durch unerlaubte E-Mail-Werbung dabei nicht hinreichend berücksichtigt werde. Dieser Auffassung vermag der erkennende Senat nicht beizutreten, da sich die Streitwertfestsetzung im vorliegenden Fall nicht an einem etwaigen volkswirtschaftlichen Gesamtschaden unerlaubter E-Mail-Werbung orientiert, sondern an dem Interesse des Klägers im Einzelfall, durch die entsprechende Werbung der Beklagten nicht belästigt zu werden. Diese Belästigung hat das Kammergericht in tatrichterlicher Würdigung als "verhältnismäßig geringfügig" bezeichnet. Hiermit korrespondiert der im Senatsbeschluß vom 28. Juni 2004 auf 3.000 € festgesetzte Streitwert.
Müller Greiner Wellner
Pauge Stöhr
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.
(1) Kann eine Handlung durch einen Dritten nicht vorgenommen werden, so ist, wenn sie ausschließlich von dem Willen des Schuldners abhängt, auf Antrag von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu erkennen, dass der Schuldner zur Vornahme der Handlung durch Zwangsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, durch Zwangshaft oder durch Zwangshaft anzuhalten sei. Das einzelne Zwangsgeld darf den Betrag von 25 000 Euro nicht übersteigen. Für die Zwangshaft gelten die Vorschriften des Zweiten Abschnitts über die Haft entsprechend.
(2) Eine Androhung der Zwangsmittel findet nicht statt.
(3) Diese Vorschriften kommen im Falle der Verurteilung zur Leistung von Diensten aus einem Dienstvertrag nicht zur Anwendung.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.