Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 19. Mai 2015 - 5 RBs 59/15
Tenor
Die Rechtsbeschwerde wird zur Fortbildung des Rechts zugelassen, § 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG.
Das Verfahren wird dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern zur Entscheidung übertragen, § 80 a Abs. 3 OWiG.
II.
Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen (§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 473 Abs. 1 StPO) als unbegründet verworfen.
1
Gründe:
2- 3
I.
Mit seiner auf die Verletzung formellen Rechts gestützten Rechtsbeschwerde, deren Zulassung er beantragt, wendet sich der Betroffene gegen das Urteil des Amtsgerichts Soest vom 02. Februar 2015, durch das sein Einspruch gegen den Bußgeldbescheid des Kreises T - Bußgeldstelle - vom 26. März 2014 (Az.: a2t/#####/####-20 – Festsetzung einer Geldbuße in Höhe von 120,- € wegen Missachtung eines durch Zeichen 278 angeordneten Überholverbots) verworfen worden ist.
5II.
61.
7Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist zulässig, insbesondere gemäß § 79 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 OWiG in Verbindung mit § 341 Abs. 1 StPO fristgerecht eingelegt und gemäß § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG in Verbindung mit § 345 Abs. 1 S. 2 StPO rechtzeitig begründet worden. Er führt zur Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 80 Abs. 2 Nr. 2 OWiG, weil die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung zur Fortbildung des Rechts geboten erscheint.
8Infolgedessen war das Verfahren dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern zur Entscheidung über die zugelassene Rechtsbeschwerde zu übertragen, §§ 80 a Abs. 3, 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG (Seitz, in: Göhler, OWiG, 16. Aufl., § 80 a Rn. 6).
9In Bezug auf die Entscheidungen zu Ziff. I. handelt es sich um solche der nach § 80 Abs. 1 OWiG zuständigen Einzelrichterin (vgl. Seitz, in: Göhler, 16. Aufl., § 80 a Rn. 6).
102.
11Die Rechtsbeschwerde ist allerdings unbegründet. Der mit der Rechtsbeschwerde gerügte Verfahrensverstoß in Gestalt der Verletzung des rechtlichen Gehörs infolge einer gesetzeswidrigen Einspruchsverwerfung nach § 74 Abs. 2 OWiG liegt nicht vor.
12Grundsätzlich gilt, dass ein Urteil bereits dann den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, wenn sich das Amtsgericht mit den Gründen des Antrags des Betroffenen, ihn vom persönlichen Erscheinen im Hauptverhandlungstermin zu entbinden, im Urteil nicht befasst hat bzw. sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt hat, warum es dem Antrag nicht entsprochen hat (Beschluss des hiesigen 2. Senats für Bußgeldsachen vom 16. August 2006 zu 2 Ss OWi 348/06, zitiert nach juris Rn. 14 m.w.N.). Hier hat sich das Amtsgericht weder mit den Gründen des Betroffenen für den Entbindungsantrag befasst noch über den Entbindungsantrag entschieden.
13Dennoch ist eine Verletzung des Anspruchs nicht gegeben. In einer Konstellation wie der vorliegenden ist der Anspruch auf rechtliches Gehör nur dann verletzt, wenn die erlassene Entscheidung auf einem Verfahrensfehler beruht, der seinen Grund in der pflichtwidrig unterlassenen Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung eines Entbindungsantrages nach § 73 Abs. 2 OWiG hat.
14Dies ist nicht der Fall. Denn der Entbindungsantrag des Betroffenen ist weder rechtzeitig noch in ordnungsgemäßer Form, sondern insbesondere unter Verstoß gegen das allgemeine Missbrauchsverbot im Strafprozess (vgl. dazu: BGH, Urteil vom 11. August 2006 zu 3 StR 284/05, zitiert nach juris Rn. 16 m.w.N.), das erst Recht im Ordnungswidrigkeitenverfahren gilt (vgl. Beschluss des hiesigen 3. Strafsenats vom 27. Januar 2015 zu III-3 RBs 5/15), gestellt worden, weswegen ihn das Amtsgericht offensichtlich nicht zur Kenntnis genommen und nur deshalb (nicht pflichtwidrig) nicht beschieden hat.
15Der Schriftsatz des Verteidigers vom 02. Februar 2015, der (auch) den Entbindungsantrag enthält, ist am selben Tage um 09:52 Uhr per Fax abgesandt worden und um 10.00 Uhr beim Amtsgericht Soest eingegangen. Er umfasst insgesamt etwa anderthalb eng beschriebene Din A-4-Seiten. Zwar enthält er unter „Eilt, bitte sofort vorlegen“ einen Hinweis auf den am selben Tage stattfindenden Hauptverhandlungstermin um 13.00 Uhr und den weiteren Zusatz: „1. Etage, Sitzungssaal 1, O-Straße, T!“, inhaltlich befasst er sich aber zunächst ausführlich mit dem bisherigen Verfahrensgang und der - nach Meinung des Betroffenen bzw. seines Verteidigers – stattgehabten Versagung ausreichender Akteneinsicht durch das Amtsgericht. Im weiteren Fließtext schließt sich sodann ein Ablehnungsantrag wegen der Besorgnis der Befangenheit gegen den zuständigen Amtsrichter an. Im Zuge dieser Ausführungen, ohne dass dies an dieser Stelle notwendig oder zu erwarten gewesen wäre, insbesondere ohne Absatz oder Hervorhebung im Text (z.B. durch Fettdruck), wird erstmalig und eher beiläufig erwähnt, dass der Betroffene am Hauptverhandlungstag berufsbedingt ortsabwesend sei, sich abschließend geäußert habe und eine weitere Einlassung nicht erfolgen werde. Gleichfalls ohne jedwede Hervorhebung folgt im weiteren Fließtext sodann der Satz:
16„(…) Der Betroffene beantragt, von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbunden zu werden, und beantragt des Weiteren,
17- die Verfahrensakte zur Entscheidung dem Beschwerdegericht über die versagte Akteneinsicht vorzulegen;
18- den erkennenden Richter Herrn … (es folgt der Familienname des Amtsrichters - Anm. des Senats) wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen;
19- dem Verteidiger die dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters Herrn …(es folgt wiederum der Familienname des Amtsrichters – Anm. des Senats) zur Kenntnisnahme und etwaigen Stellungnahme einzureichen.“
20Dem folgen Ausführungen zur Glaubhaftmachung der Befangenheitsgründe.
21Zwar enthält der Schriftsatz (auch) einen Entbindungsantrag nach § 73 Abs. 2 OWiG. Dieser Antrag ist aber nicht wie erforderlich angebracht worden. Ein Entbindungsantrag ist so rechtzeitig und in einer solchen Aufmachung anzubringen, dass das Gericht – in Anlehnung an den Zugang von empfangsbedürftigen Willenserklärungen im Zivilrecht – unter gewöhnlichen Umständen bei üblichem Geschäftsgang und zumutbarer Sorgfalt ihn als solchen erkennen, von ihm Kenntnis nehmen kann und muss und ihn deshalb einer Bearbeitung zuzuführen hat. Dabei verbietet sich jegliche schematische Betrachtung, sondern es kommt stets auf sämtliche Umstände des konkreten Einzelfalls an (OLG Rostock, Beschluss vom 15. April 2015 zu 21 Ss OWi 45/15 (Z), zitiert nach juris Rn. 7, 8).
22Vorliegend steht für der Senat fest angesichts der Zusendung des Schriftsatzes per Fax am Terminstag um 09.52 Uhr (Eingang beim Amtsgericht: 10.00 Uhr) und der optischen Hervorhebung des Antrags zur Vorlage an das Beschwerdegericht wegen der „versagten Akteneinsicht“, des Befangenheitsantrages und der Aufforderung, die „dienstliche Äußerung“ des Amtsrichters dem Verteidiger „zur Kenntnisnahme und etwaigen Stellungnahme einzureichen“ sowie des Aufbaus und des dadurch erzielten optischen Eindrucks, dass dem Tatrichter die Kenntnisnahme von dem gleichsam im Fließtext „versteckten“ Entbindungsantrag des Betroffenen gerade nicht ermöglicht, sondern im Gegenteil – letztlich erfolgreich – gezielt erschwert bzw. unmöglich gemacht werden sollte. Denn der Entbindungsantrag ist in keiner Weise optisch hervorgehoben. Daher war es dem Amtsrichter vorliegend kaum möglich, jedenfalls aber nicht zuzumuten, den versteckten Entbindungsantrag in dem Schriftsatz überhaupt zu finden. Dies gilt hier, obwohl der Entbindungsantrag nicht „verklausuliert“ (dazu: OLG Rostock, Beschluss vom 15. April 2015 zu 21 Ss OWi 45/15 (Z), veröffentlicht bei juris), sondern ausdrücklich gestellt war. Denn zum einen lag der Schwerpunkt des inhaltlichen Anliegens des Schriftsatzes aufgrund seines Aufbaus und seiner optischen Gestaltung auf dem Befangenheitsantrag. Zum anderen wurde die Kenntnisnahme des Antrags durch den Amtsrichter aufgrund der (engen) zeitlichen Abläufe am Terminstag (02. Februar 2015) zusätzlich erschwert bzw. unmöglich gemacht. Auch wenn der Schriftsatz um 09.52 Uhr abgesandt wurde und um 10.00 Uhr, also drei Stunden vor der angesetzten Terminsstunde per Fax beim Amtsgericht einging, war dies in der vorliegenden Konstellation nicht rechtzeitig. Denn dem Senat ist aus anderen Verfahren (z.B. zu dem Aktenzeichen 21 OWi 180 Js 703/14-242/14 Amtsgericht Soest) bekannt, dass der Amtsrichter am 02. Februar 2015 bereits seit dem frühen Vormittag verhandelte, was im Übrigen der üblichen und gemeinhin bekannten Gerichtspraxis entspricht. Seine dadurch deutlich eingeschränkten zeitlichen Möglichkeiten wurden zudem durch den vorrangig zu bescheidenden Befangenheitsantrag und das insoweit einzuhaltende Verfahren (Einschaltung des nach § 27 Abs. 3 Satz 1 StPO zur Entscheidung berufenen - weiteren - Amtsrichters, Einholung einer dienstlichen Äußerung, Zuleitung derselben an den Antragsteller bzw. seinen Verteidiger mit Gelegenheit zur Stellungnahme, Beschlussfassung durch den zuständigen Amtsrichter) weiter eingeschränkt.
23Da all dies den üblichen gerichtlichen Abläufen entspricht, was dem Verteidiger auch bekannt sein musste, steht zweifelsfrei fest, dass es sich vorliegend um einen Fall missbräuchlichen Verteidigungsverhaltens handelt.
24Ein Missbrauch prozessualer Rechte ist dann anzunehmen, wenn ein Verfahrensbeteiligter die ihm durch die Strafprozessordnung eingeräumten Möglichkeiten zur Wahrung seiner verfahrensrechtlichen Belange nutzt, um gezielt verfahrensfremde oder verfahrenswidrige Zwecke zu verfolgen (BGH, Urteil vom 11. August 2006 zu 3 StR 284/05, zitiert nach juris Rn. 17 m.w.N.). Diese Definition ist entsprechend auf das Ordnungswidrigkeitenrecht zu übertragen (Beschluss des hiesigen 3. Strafsenats vom 27. Januar 2015 zu III-3 RBs 5/15).
25Angesichts der kurzfristigen Übersendung des wie dargestellt aufgebauten und optisch gestalteten Schriftsatzes vom 02. Februar 2015 an das Amtsgericht per Fax am Vormittag des Terminstages liegt es auf der Hand, dass dies in der Erwartung geschah, der den Entbindungsantrag enthaltende Schriftsatz werde dem in anderen Sachen verhandelnden Amtsrichter entweder nicht rechtzeitig vor der Terminsstunde in der Sache des Betroffenen vorgelegt oder von ihm (in der durch den Befangenheitsantrag zusätzlich gesteigerten Zeitnot) nicht wahrgenommen, um dann aus diesem Versehen eine Verfahrensbeanstandung herzuleiten. Damit ist ein missbräuchliches und auf Irreführung der Gerichte angelegtes Verteidigungsverhalten zu konstatieren, das der Rechtsbeschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen vermag.
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(1) Das Beschwerdegericht läßt die Rechtsbeschwerde nach § 79 Abs. 1 Satz 2 auf Antrag zu, wenn es geboten ist,
- 1.
die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen, soweit Absatz 2 nichts anderes bestimmt, oder - 2.
das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben.
(2) Die Rechtsbeschwerde wird wegen der Anwendung von Rechtsnormen über das Verfahren nicht und wegen der Anwendung von anderen Rechtsnormen nur zur Fortbildung des Rechts zugelassen, wenn
- 1.
gegen den Betroffenen eine Geldbuße von nicht mehr als einhundert Euro festgesetzt oder eine Nebenfolge vermögensrechtlicher Art angeordnet worden ist, deren Wert im Urteil auf nicht mehr als einhundert Euro festgesetzt worden ist, oder - 2.
der Betroffene wegen einer Ordnungswidrigkeit freigesprochen oder das Verfahren eingestellt worden ist und wegen der Tat im Bußgeldbescheid oder im Strafbefehl eine Geldbuße von nicht mehr als einhundertfünfzig Euro festgesetzt oder eine solche Geldbuße von der Staatsanwaltschaft beantragt worden war.
(3) Für den Zulassungsantrag gelten die Vorschriften über die Einlegung der Rechtsbeschwerde entsprechend. Der Antrag gilt als vorsorglich eingelegte Rechtsbeschwerde. Die Vorschriften über die Anbringung der Beschwerdeanträge und deren Begründung (§§ 344, 345 der Strafprozeßordnung) sind zu beachten. Bei der Begründung der Beschwerdeanträge soll der Antragsteller zugleich angeben, aus welchen Gründen die in Absatz 1 bezeichneten Voraussetzungen vorliegen. § 35a der Strafprozeßordnung gilt entsprechend.
(4) Das Beschwerdegericht entscheidet über den Antrag durch Beschluß. Die §§ 346 bis 348 der Strafprozeßordnung gelten entsprechend. Der Beschluß, durch den der Antrag verworfen wird, bedarf keiner Begründung. Wird der Antrag verworfen, so gilt die Rechtsbeschwerde als zurückgenommen.
(5) Stellt sich vor der Entscheidung über den Zulassungsantrag heraus, daß ein Verfahrenshindernis besteht, so stellt das Beschwerdegericht das Verfahren nur dann ein, wenn das Verfahrenshindernis nach Erlaß des Urteils eingetreten ist.
(1) Für das Bußgeldverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, sinngemäß die Vorschriften der allgemeinen Gesetze über das Strafverfahren, namentlich der Strafprozeßordnung, des Gerichtsverfassungsgesetzes und des Jugendgerichtsgesetzes.
(2) Die Verfolgungsbehörde hat, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, im Bußgeldverfahren dieselben Rechte und Pflichten wie die Staatsanwaltschaft bei der Verfolgung von Straftaten.
(3) Anstaltsunterbringung, Verhaftung und vorläufige Festnahme, Beschlagnahme von Postsendungen und Telegrammen sowie Auskunftsersuchen über Umstände, die dem Post- und Fernmeldegeheimnis unterliegen, sind unzulässig. § 160 Abs. 3 Satz 2 der Strafprozeßordnung über die Gerichtshilfe ist nicht anzuwenden. Ein Klageerzwingungsverfahren findet nicht statt. Die Vorschriften über die Beteiligung des Verletzten am Verfahren und über das länderübergreifende staatsanwaltschaftliche Verfahrensregister sind nicht anzuwenden; dies gilt nicht für § 406e der Strafprozeßordnung.
(4) § 81a Abs. 1 Satz 2 der Strafprozeßordnung ist mit der Einschränkung anzuwenden, daß nur die Entnahme von Blutproben und andere geringfügige Eingriffe zulässig sind. Die Entnahme einer Blutprobe bedarf abweichend von § 81a Absatz 2 Satz 1 der Strafprozessordnung keiner richterlichen Anordnung, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass eine Ordnungswidrigkeit begangen worden ist
- 1.
nach den §§ 24a und 24c des Straßenverkehrsgesetzes oder - 2.
nach § 7 Absatz 1 des Binnenschifffahrtsaufgabengesetzes in Verbindung mit einer Vorschrift einer auf Grund des § 3 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Binnenschifffahrtsaufgabengesetzes erlassenen Rechtsverordnung, sofern diese Vorschrift das Verhalten im Verkehr im Sinne des § 3 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa des Binnenschifffahrtsaufgabengesetzes regelt.
(4a) § 100j Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 der Strafprozessordnung, auch in Verbindung mit § 100j Absatz 2 der Strafprozessordnung, ist mit der Einschränkung anzuwenden, dass die Erhebung von Bestandsdaten nur zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten zulässig ist, die gegenüber natürlichen Personen mit Geldbußen im Höchstmaß von mehr als fünfzehntausend Euro bedroht sind.
(5) Die Anordnung der Vorführung des Betroffenen und der Zeugen, die einer Ladung nicht nachkommen, bleibt dem Richter vorbehalten. Die Haft zur Erzwingung des Zeugnisses (§ 70 Abs. 2 der Strafprozessordnung) darf sechs Wochen nicht überschreiten.
(6) Im Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende kann von der Heranziehung der Jugendgerichtshilfe (§ 38 des Jugendgerichtsgesetzes) abgesehen werden, wenn ihre Mitwirkung für die sachgemäße Durchführung des Verfahrens entbehrlich ist.
(7) Im gerichtlichen Verfahren entscheiden beim Amtsgericht Abteilungen für Bußgeldsachen, beim Landgericht Kammern für Bußgeldsachen und beim Oberlandesgericht sowie beim Bundesgerichtshof Senate für Bußgeldsachen.
(8) Die Vorschriften zur Durchführung des § 191a Absatz 1 Satz 1 bis 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes im Bußgeldverfahren sind in der Rechtsverordnung nach § 191a Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes zu bestimmen.
(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.
(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.
(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.
(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.
(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.
(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag
- 1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder - 2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.
(1) Gegen das Urteil und den Beschluß nach § 72 ist Rechtsbeschwerde zulässig, wenn
- 1.
gegen den Betroffenen eine Geldbuße von mehr als zweihundertfünfzig Euro festgesetzt worden ist, - 2.
eine Nebenfolge angeordnet worden ist, es sei denn, daß es sich um eine Nebenfolge vermögensrechtlicher Art handelt, deren Wert im Urteil oder im Beschluß nach § 72 auf nicht mehr als zweihundertfünfzig Euro festgesetzt worden ist, - 3.
der Betroffene wegen einer Ordnungswidrigkeit freigesprochen oder das Verfahren eingestellt oder von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen worden ist und wegen der Tat im Bußgeldbescheid oder Strafbefehl eine Geldbuße von mehr als sechshundert Euro festgesetzt, ein Fahrverbot verhängt oder eine solche Geldbuße oder ein Fahrverbot von der Staatsanwaltschaft beantragt worden war, - 4.
der Einspruch durch Urteil als unzulässig verworfen worden ist oder - 5.
durch Beschluß nach § 72 entschieden worden ist, obwohl der Beschwerdeführer diesem Verfahren rechtzeitig widersprochen hatte oder ihm in sonstiger Weise das rechtliche Gehör versagt wurde.
(2) Hat das Urteil oder der Beschluß nach § 72 mehrere Taten zum Gegenstand und sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 oder Satz 2 nur hinsichtlich einzelner Taten gegeben, so ist die Rechtsbeschwerde nur insoweit zulässig.
(3) Für die Rechtsbeschwerde und das weitere Verfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Revision entsprechend. § 342 der Strafprozeßordnung gilt auch entsprechend für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 72 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1.
(4) Die Frist für die Einlegung der Rechtsbeschwerde beginnt mit der Zustellung des Beschlusses nach § 72 oder des Urteils, wenn es in Abwesenheit des Beschwerdeführers verkündet und dieser dabei auch nicht nach § 73 Abs. 3 durch einen mit nachgewiesener Vollmacht versehenen Verteidiger vertreten worden ist.
(5) Das Beschwerdegericht entscheidet durch Beschluß. Richtet sich die Rechtsbeschwerde gegen ein Urteil, so kann das Beschwerdegericht auf Grund einer Hauptverhandlung durch Urteil entscheiden.
(6) Hebt das Beschwerdegericht die angefochtene Entscheidung auf, so kann es abweichend von § 354 der Strafprozeßordnung in der Sache selbst entscheiden oder sie an das Amtsgericht, dessen Entscheidung aufgehoben wird, oder an ein anderes Amtsgericht desselben Landes zurückverweisen.
(1) Die Revision muß bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, binnen einer Woche nach Verkündung des Urteils zu Protokoll der Geschäftsstelle oder schriftlich eingelegt werden.
(2) Hat die Verkündung des Urteils nicht in Anwesenheit des Angeklagten stattgefunden, so beginnt für diesen die Frist mit der Zustellung, sofern nicht in den Fällen der §§ 234, 329 Absatz 2, § 387 Absatz 1, § 411 Absatz 2 und § 434 Absatz 1 Satz 1 die Verkündung in Anwesenheit des Verteidigers mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht stattgefunden hat.
(1) Gegen das Urteil und den Beschluß nach § 72 ist Rechtsbeschwerde zulässig, wenn
- 1.
gegen den Betroffenen eine Geldbuße von mehr als zweihundertfünfzig Euro festgesetzt worden ist, - 2.
eine Nebenfolge angeordnet worden ist, es sei denn, daß es sich um eine Nebenfolge vermögensrechtlicher Art handelt, deren Wert im Urteil oder im Beschluß nach § 72 auf nicht mehr als zweihundertfünfzig Euro festgesetzt worden ist, - 3.
der Betroffene wegen einer Ordnungswidrigkeit freigesprochen oder das Verfahren eingestellt oder von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen worden ist und wegen der Tat im Bußgeldbescheid oder Strafbefehl eine Geldbuße von mehr als sechshundert Euro festgesetzt, ein Fahrverbot verhängt oder eine solche Geldbuße oder ein Fahrverbot von der Staatsanwaltschaft beantragt worden war, - 4.
der Einspruch durch Urteil als unzulässig verworfen worden ist oder - 5.
durch Beschluß nach § 72 entschieden worden ist, obwohl der Beschwerdeführer diesem Verfahren rechtzeitig widersprochen hatte oder ihm in sonstiger Weise das rechtliche Gehör versagt wurde.
(2) Hat das Urteil oder der Beschluß nach § 72 mehrere Taten zum Gegenstand und sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 oder Satz 2 nur hinsichtlich einzelner Taten gegeben, so ist die Rechtsbeschwerde nur insoweit zulässig.
(3) Für die Rechtsbeschwerde und das weitere Verfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Revision entsprechend. § 342 der Strafprozeßordnung gilt auch entsprechend für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 72 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1.
(4) Die Frist für die Einlegung der Rechtsbeschwerde beginnt mit der Zustellung des Beschlusses nach § 72 oder des Urteils, wenn es in Abwesenheit des Beschwerdeführers verkündet und dieser dabei auch nicht nach § 73 Abs. 3 durch einen mit nachgewiesener Vollmacht versehenen Verteidiger vertreten worden ist.
(5) Das Beschwerdegericht entscheidet durch Beschluß. Richtet sich die Rechtsbeschwerde gegen ein Urteil, so kann das Beschwerdegericht auf Grund einer Hauptverhandlung durch Urteil entscheiden.
(6) Hebt das Beschwerdegericht die angefochtene Entscheidung auf, so kann es abweichend von § 354 der Strafprozeßordnung in der Sache selbst entscheiden oder sie an das Amtsgericht, dessen Entscheidung aufgehoben wird, oder an ein anderes Amtsgericht desselben Landes zurückverweisen.
(1) Die Revisionsanträge und ihre Begründung sind spätestens binnen eines Monats nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, anzubringen. Die Revisionsbegründungsfrist verlängert sich, wenn das Urteil später als einundzwanzig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen Monat und, wenn es später als fünfunddreißig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen weiteren Monat. War bei Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels das Urteil noch nicht zugestellt, so beginnt die Frist mit der Zustellung des Urteils und in den Fällen des Satzes 2 der Mitteilung des Zeitpunktes, zu dem es zu den Akten gebracht ist.
(2) Seitens des Angeklagten kann dies nur in einer von dem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle geschehen.
(1) Das Beschwerdegericht läßt die Rechtsbeschwerde nach § 79 Abs. 1 Satz 2 auf Antrag zu, wenn es geboten ist,
- 1.
die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen, soweit Absatz 2 nichts anderes bestimmt, oder - 2.
das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben.
(2) Die Rechtsbeschwerde wird wegen der Anwendung von Rechtsnormen über das Verfahren nicht und wegen der Anwendung von anderen Rechtsnormen nur zur Fortbildung des Rechts zugelassen, wenn
- 1.
gegen den Betroffenen eine Geldbuße von nicht mehr als einhundert Euro festgesetzt oder eine Nebenfolge vermögensrechtlicher Art angeordnet worden ist, deren Wert im Urteil auf nicht mehr als einhundert Euro festgesetzt worden ist, oder - 2.
der Betroffene wegen einer Ordnungswidrigkeit freigesprochen oder das Verfahren eingestellt worden ist und wegen der Tat im Bußgeldbescheid oder im Strafbefehl eine Geldbuße von nicht mehr als einhundertfünfzig Euro festgesetzt oder eine solche Geldbuße von der Staatsanwaltschaft beantragt worden war.
(3) Für den Zulassungsantrag gelten die Vorschriften über die Einlegung der Rechtsbeschwerde entsprechend. Der Antrag gilt als vorsorglich eingelegte Rechtsbeschwerde. Die Vorschriften über die Anbringung der Beschwerdeanträge und deren Begründung (§§ 344, 345 der Strafprozeßordnung) sind zu beachten. Bei der Begründung der Beschwerdeanträge soll der Antragsteller zugleich angeben, aus welchen Gründen die in Absatz 1 bezeichneten Voraussetzungen vorliegen. § 35a der Strafprozeßordnung gilt entsprechend.
(4) Das Beschwerdegericht entscheidet über den Antrag durch Beschluß. Die §§ 346 bis 348 der Strafprozeßordnung gelten entsprechend. Der Beschluß, durch den der Antrag verworfen wird, bedarf keiner Begründung. Wird der Antrag verworfen, so gilt die Rechtsbeschwerde als zurückgenommen.
(5) Stellt sich vor der Entscheidung über den Zulassungsantrag heraus, daß ein Verfahrenshindernis besteht, so stellt das Beschwerdegericht das Verfahren nur dann ein, wenn das Verfahrenshindernis nach Erlaß des Urteils eingetreten ist.
(1) Die Hauptverhandlung wird in Abwesenheit des Betroffenen durchgeführt, wenn er nicht erschienen ist und von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbunden war. Frühere Vernehmungen des Betroffenen und seine protokollierten und sonstigen Erklärungen sind durch Mitteilung ihres wesentlichen Inhalts oder durch Verlesung in die Hauptverhandlung einzuführen. Es genügt, wenn die nach § 265 Abs. 1 und 2 der Strafprozeßordnung erforderlichen Hinweise dem Verteidiger gegeben werden.
(2) Bleibt der Betroffene ohne genügende Entschuldigung aus, obwohl er von der Verpflichtung zum Erscheinen nicht entbunden war, hat das Gericht den Einspruch ohne Verhandlung zur Sache durch Urteil zu verwerfen.
(3) Der Betroffene ist in der Ladung über die Absätze 1 und 2 und die §§ 73 und 77b Abs. 1 Satz 1 und 3 zu belehren.
(4) Hat die Hauptverhandlung nach Absatz 1 oder Absatz 2 ohne den Betroffenen stattgefunden, so kann er gegen das Urteil binnen einer Woche nach Zustellung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter den gleichen Voraussetzungen wie gegen die Versäumung einer Frist nachsuchen. Hierüber ist er bei der Zustellung des Urteils zu belehren.
(1) Der Betroffene ist zum Erscheinen in der Hauptverhandlung verpflichtet.
(2) Das Gericht entbindet ihn auf seinen Antrag von dieser Verpflichtung, wenn er sich zur Sache geäußert oder erklärt hat, daß er sich in der Hauptverhandlung nicht zur Sache äußern werde, und seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts nicht erforderlich ist.
(3) Hat das Gericht den Betroffenen von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbunden, so kann er sich durch einen mit nachgewiesener Vollmacht versehenen Verteidiger vertreten lassen.
Tenor
Die Sache wird dem Senat für Bußgeldsachen in der Besetzung mit drei Richtern übertragen (Entscheidung des Einzelrichters).
Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten der Betroffenen als unbegründet verworfen.
1
Gründe
2I.
3Das Amtsgericht Gütersloh hat die Betroffene wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 280,00 Euro verurteilt und ihr unter Gewährung von Vollstreckungsaufschub für die Dauer von einem Monat verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art im öffentlichen Straßenverkehr zu führen. Nach den Feststellungen hat die Betroffene die der Verurteilung zugrunde liegende Tat am 16. August 2013 begangen.
4Gegen dieses Urteil wendet sich die Betroffene mit ihrer Rechtsbeschwerde. Sie macht geltend, dass einer Verurteilung das Verfolgungshindernis der Verjährung entgegenstehe, weil ihr der Bußgeldbescheid nicht ordnungsgemäß zugestellt worden sei. Bei der Anschrift I-straße # in I1 handele es sich um die Wohnung ihrer Eltern. Tatsächlich habe sie zum Zeitpunkt der Zustellung in C gewohnt. Zuzugeben sei allerdings, dass sie es versäumt habe, sich umzumelden.
5Dem liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:
6Mit Schreiben der Bußgeldbehörde vom 28. August 2013 wurde die Betroffene zu dem ihr vorgeworfenen Verstoß vom 16. August 2013 angehört. Das Anhörungsschreiben war adressiert an die Betroffene, I-straße # in ###28 I1. Hierbei handelte es sich um die Anschrift unter der die Betroffene zu diesem Zeitpunkt amtlich gemeldet war und unter der ausweislich der Voreintragungen auch Bußgeldbescheide vom 21. Oktober 2009 – rechtskräftig seit dem 24. Februar 2010 – und 20. April 2012 – rechtskräftig seit dem 19. Oktober 2012 – jeweils rechtskräftig wurden.
7Mit Schreiben vom 6. September 2013 meldete sich der Verteidiger für die Betroffene und bat um Akteneinsicht, ohne eine entsprechende Vollmacht vorzulegen. Eine Stellungnahme wurde auch nach erfolgter Akteneinsicht nicht abgegeben.
8Daraufhin erließ die Bußgeldbehörde am 14. Oktober 2013 einen Bußgeldbescheid gegen die Betroffene, in dem ihr zur Last gelegt wurde, am 16. August 2013 um 9.45 Uhr in der N-straße in H die dort außerhalb geschlossener Ortschaften zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h nach Toleranzabzug um 42 km/h überschritten zu haben. Festgesetzt wurden ein aufgrund Voreintragungen erhöhtes Bußgeld in Höhe von 200,00 € sowie ein Fahrverbot von einem Monat.
9Dieser Bußgeldbescheid vom 14. Oktober 2013 wurde der Betroffenen am 16. Oktober 2013 unter der Anschrift I-straße # in ###28 I1 durch Einlegung in den Briefkasten zugestellt.
10Eine Abschrift des Bußgeldbescheides wurde formlos an ihre Verteidiger übersandt, wo dieses Schreiben ebenfalls am 16. Oktober 2013 einging.
11Mit Telefax vom 29. Oktober 2013 legte Verteidiger Einspruch gegen den Bußgeldbescheid vom 14. Oktober 2013 ein. Begründet wurde der Einspruch auch nach einer am 14. November 2013 beantragten und anschließend gewährten Akteneinsicht zunächst nicht.
12In einem an die Bußgeldbehörde gerichteten Telefax des Verteidigers vom 28. November 2013 vertrat dieser erstmals die Auffassung, das Verfahren sei wegen Verfolgungsverjährung einzustellen, ohne diese Auffassung zu begründen.
13Im Rahmen eines ersten Hauptverhandlungstermins am 1. Juli 2014 legte die Betroffene Mietverträge aus C vor. Im Rahmen der Feststellungen des angefochtenen Urteils heißt es insoweit:
14„ (..) Der Bußgeldbescheid ist der Betroffenen unter der Anschrift I-straße #, ###28 I1, unter der die Betroffene immer noch gemeldet ist, im Wege der Ersatzzustellung zugestellt worden. Sie hat zwar – nicht widerlegbar – mitgeteilt, dass sie seit dem 22.08.2010 in C wohne und unter dieser Anschrift erreichbar sei. (…)“
15Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen. Sie vertritt die Auffassung, dass die Verjährung durch den Erlass und die Zustellung des Bußgeldbescheides vom 14. Oktober 2013 am 16. Oktober 2013 aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung unterbrochen worden sei. Ferner sei ein unterstellter Zustellungsmangel jedenfalls gem. § 8 LZG NRW geheilt worden. Es dürfe fernliegend sein und werde auch in der Rechtsbeschwerdebegründung nicht behauptet, dass der Verteidiger für die Betroffene Einspruch eingelegt haben könnte, ohne dass diese den Bußgeldbescheid – und sei es durch Vermittlung ihrer Eltern oder des Verteidigers – tatsächlich erhalten habe.
16Die vollständige Stellungnahme des Verteidigers zur Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft lautet wie folgt:
17„In dem Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren
18gegen T C
19unser Zeichen: 478/13CB09
20- 12 OWi 202 Js-OWi 172/14 – AK 79/14 AG Gütersloh –
21erwidern wir auf den Schriftsatz der Generalstaatsanwaltschaft Hamm (Az.: SS OWi 1214/14) vom 30.12.2014 wie folgt:
22Gemäß § 51 Abs. 3 Satz 3 OWiG ist der Verteidiger des Betroffenen von der Zustellung des Bußgeldbescheides an den Betroffenen zu unterrichten. So lag es hier. Die Abschrift des Bußgeldbescheides vom 14.10.2013 überreiche ich anliegend zur Kenntnisnahme. Von einer Heilung des Zustellungsmangels kann mithin nicht die Rede sein.“
23II.
24Die Rechtsbeschwerde wird zur Fortbildung des Rechts gemäß § 80a Abs. 3 OWiG dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen (Entscheidung des mitentscheidenden Einzelrichters des Senats).
25III.
26Die zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
271) Entgegen der Rechtsauffassung der Betroffenen ist eine Verfolgungsverjährung nicht eingetreten. Die Betroffene kann sich unabhängig davon, ob ein eventueller Zustellungsmangel gemäß § 8 LZG NRW geheilt worden ist, wegen Rechtsmissbrauchs nicht auf eine fehlerhafte Ersatzzustellung nach § 51 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 3 Abs. 2 LZG NRW i.V.m. § 180 ZPO berufen.
28Nach den Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils hat die Betroffene – nicht widerlegbar – mitgeteilt, dass sie seit dem 22. August 2010 in C wohne, so dass die am 16. Oktober 2013 durch Einlegung des Bußgeldbescheides in den Briefkasten unter der Anschrift ihrer Eltern in I1 erfolgte Ersatzzustellung unwirksam war, weil die Ersatzzustellung nach den §§ 178-181 ZPO voraussetzt, dass eine Wohnung an dem Ort, an dem zugestellt werden soll, tatsächlich von dem Adressaten genutzt wird (vgl. BGH, NJW 2011, 2440 Rn.13 m.w.N.).
29In der Rechtsprechung ist jedoch anerkannt, dass es eine unzulässige Rechtsausübung darstellt, wenn der Zustellungsadressat eine fehlerhafte Ersatzzustellung geltend macht, obwohl er einen Irrtum über seinen tatsächlichen Lebensmittelpunkt bewusst und zielgerichtet herbeigeführt hat (BGH, NJW 2011, 2440 Rn. 13; BVerfG, NJW-RR 2010, 421 Rn. 17; OLG Jena NStZ-RR 2006, 238, OLG Köln NJW-RR 2001, 1511, jeweils m.w.N.). Hierbei handelt es sich nicht um die Erleichterung einer wirksamen Zustellung im Wege der objektiven Zurechnung eines Rechtsscheins (BGH, NJW 2011, 2440 Rn. 13). Vielmehr wird dem Empfänger im Lichte des das gesamte Recht beherrschenden Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) unter engen Voraussetzungen lediglich versagt, sich auf die Unwirksamkeit einer Zustellung zu berufen ( BGH, NJW 2011, 2440 Rn. 13; BVerfG, NJW-RR 2010, 421 Rn. 18). Dies ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung etwa für die Fälle anerkannt, dass sich der Adressat nicht nur für diese Wohnung angemeldet hat, sondern sich dolos als dort wohnend geriert, seinen Schriftwechsel unter dieser Anschrift führt und seine Post dort abholt (vgl. OLG Jena, NStZ-RR 2006, 238; OLG Hamm, Beschluss vom 14. Oktober 2003 – 2 Ss OWi 219/03 -, BeckRS 2003, 30330529; BayObLG, Beschluss vom 16. März 2004 – 2 ObOWi 7/04 -, BeckRS 2004 03759).
30Der vorliegende Fall weist allerdings die Besonderheit auf, dass abweichend von den den o.g. Entscheidungen zugrunde liegenden Sachverhalten hier keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Betroffene ihren Schriftwechsel unter der Anschrift in I1 aktiv geführt hat oder sich über die unterlassene Ummeldung hinaus als dort wohnend geriert hätte. Aber auch wenn die Betroffene im vorliegenden Verfahren daher nicht aktiv einen Rechtsschein dahin gesetzt hat, an ihrer Meldeanschrift in I1 auch tatsächlich zu wohnen, war das Verhalten der Betroffenen insgesamt rechtsmissbräuchlich, so dass sie sich auf die Unwirksamkeit der Ersatzzustellung nicht berufen kann. Hierbei weist der Senat ausdrücklich darauf hin, dass die hier vertretene Rechtauffassung nur für das Zustellungserfordernis in § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG unmittelbare Geltung hat.
31Die Ausdehnung der o.g. Rechtsprechung auch auf die Fälle, in denen ein Betroffener nicht durch Angabe einer falschen Anschrift selbst aktiv geworden ist, sondern im Wesentlichen lediglich die erforderliche Ummeldung unterlassen hat, beruht auf folgenden Erwägungen:
32Es ist anerkannt, dass selbst im Strafprozess – und deswegen erst Recht im Ordnungswidrigkeitenverfahren – ein allgemeines Missbrauchsverbot gilt (vgl. BGH, NStZ 2007, 49 Rn. 2 m.w.N.). Nach der Definition des Bundesgerichtshofes ist ein Missbrauch prozessualer Rechte dann anzunehmen, wenn ein Verfahrensbeteiligter die ihm durch die Strafprozessordnung eingeräumten Möglichkeiten zur Wahrung seiner verfahrensrechtlichen Belange benutzt, um gezielt verfahrensfremde oder verfahrenswidrige Zwecke zu verfolgen (vgl. BGH, NStZ 2007, 49 Rn. 3 m.w.N.). Diese Definition kann auch auf das Ordnungswidrigkeitenrecht übertragen werden. Im vorliegenden Verfahren hat es die anwaltlich beratene Betroffene ganz offensichtlich in Kenntnis der Rechtsprechung zu § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG im Hinblick auf eine möglicherweise fehlerhafte Ersatzzustellung bewusst unterlassen, ihren tatsächlichen Wohnsitz gegenüber der Bußgeldbehörde zu offenbaren, um auf diese Weise Verfolgungsverjährung eintreten zu lassen. Hierfür spricht bereits, dass die Betroffene die Änderung ihrer Anschrift nicht – wie es ansonsten regelmäßig üblich ist – mitgeteilt hat und sie sich durch Fax ihres Verteidigers vom 28. November 2013 – exakt 3 Monate nach der am 28. August 2013 erfolgten schriftlichen Anhörung – erstmals auf den Eintritt der Verfolgungsverjährung berufen hat.
33Bei der Frage, ob die Betroffene sich rechtsmissbräuchlich verhalten hat, hat der Senat auch berücksichtigt, dass die Betroffene durch die unterlassene Ummeldung zudem eine weitere Ordnungswidrigkeit begangen hat (§§ 11 Abs. 1 Satz 1, 30 Abs. 1 Nr. 1. b) MeldeG C) und ihr Verteidigungsverhalten daher auf einen ordnungswidrigen Umstand gestützt wird.
34Hinzu kommt, dass das Abstellen auf den Zeitpunkt der Zustellung in § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG nach dem Willen des Gesetzgebers lediglich bezwecken soll, die Bußgeldbehörden zu zügiger Erledigung der Zustellungen anzuhalten und nicht dazu dient, Betroffene, die gegen die landesrechtlichen Meldegesetze verstoßen, gegenüber anderen, die Meldegesetze beachtende Betroffene, zu bevorzugen (vgl. BT-Drs. 13/3691, Seite 6 i.V.m. BT-Drs. 13/8655, Seite 12). Nach § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG in der bis zum 28. Februar 1998 geltenden Fassung unterbrach bereits der Erlass des Bußgeldbescheid die Verfolgungsverjährung, ohne dass es auf die (wirksame) Zustellung des Bußgeldbescheides ankam. Erst durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten und anderer Gesetze vom 26. Januar 1998 (Bundesgesetzblatt 1998 Teil I, Nr. 6, Seite 156) wurde das Erfordernis der Zustellung eingeführt. Während der ursprüngliche Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 24. Mai 1996 keine Änderung der Nr. 9 vorsah (vgl. BT-Drs. 392/96, Seite 2), ergibt sich aus der späteren Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses vom 1. Oktober 1997 (vgl. BT-Drs. 13/8655, Seite 12), dass die Änderung der Nr. 9 auf dem Vorschlag des SPD-Entwurfs beruht. In diesem Gesetzentwurf vom 6. Februar 1996 heißt es (vgl. BT-Drs. 13/3691, Seite 6):
35„Beobachtungen in der Praxis haben ergeben, dass in einer häufigeren Zahl von Fällen der Bußgeldbescheid erst bis zu sechs Wochen nach seinem Erlass an die Betroffenen zugestellt wird. Diese ausschließlich auf verwaltungsinternen Abläufen beruhende Verzögerung dient nicht der Beschleunigung der Verfahren und führt darüber hinaus zu einer Verunsicherung der Betroffenen und der daraus resultierenden Einlegung eines in aller Regel nicht beabsichtigten Rechtsmittels:
36Die Betroffenen wissen durch die vorangegangene Anhörung, dass sie eine Geldbuße zu gewärtigen haben und sind auch bereit, diese zu akzeptieren. In den Vorstellungen der Menschen ist aber auch gegenwärtig, dass Verkehrsordnungswidrigkeiten drei Monate nach der Begehung verjähren. Wenn diese Frist um eine lange Zeit überschritten wird, manifestiert sich der Glaube, die „Sache sei erledigt“. Der dann Wochen nach dem fiktiven und angenommenen Datum zugestellt Bußgeldbescheid weckt dann nur die Lust zum Prozess. Dies gilt insbesondere, wenn zwischen Datum des Erlasses des Bescheides und Datum der Zustellung mehrere Wochen liegen. Betroffene – auch anwaltlich Vertretene - erwarten dann von den Gerichten die Aufhebung des Bußgeldbescheides, zumindest jedoch die Einstellung des Verfahrens.
37Teilweise wird sogar offen behördliche Willkür vermutet.
38Um Verfahren schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt gehörig zu fördern, muss daher besonders die Verwaltungsbehörde durch das Gesetz zu zügiger Erledigung angehalten werden.“
39Im vorliegenden Verfahren hat die Bußgeldbehörde diesen vom Gesetzgeber verfolgten Zweck beachtet. Der am 14. Oktober 2013 erlassene Bußgeldbescheid ist bereits 2 Tage später – nämlich am 16. Oktober 2013 – unter der Meldeanschrift der Betroffenen in I1 zugestellt worden. Da die Betroffene unter dieser Anschrift gemeldet war, sie das zuvor ebenfalls an diese Anschrift gerichtete Anhörungsschreiben auch unzweifelhaft erhalten hat, was sich bereits aus der Verteidigungsanzeige ihres Verteidigers vom 6. September 2013 ergibt, und die Bußgeldbehörde somit keine Anhaltspukte für eine eventuell unwirksame Ersatzzustellung hatte, würde es daher dem o.g. Gesetzeszweck widersprechen, Betroffene nur deswegen in den Genuss der Verfolgungsverjährung kommen zu lassen, weil diese in zudem ordnungswidriger Weise gegen die Meldegesetze der Länder verstoßen.
40Bei der Beurteilung der Frage, ob das rechtsmissbräuchliche Verhalten der Betroffenen ihr das Berufen auf die unwirksame Ersatzzustellung verwehrt, hat der Senat auch in den Blick genommen, dass durch das Zustellungserfordernis des § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG keine von der Betroffenen zu beachtenden Rechtsmittelfristen in Gang gesetzt werden, so dass hier eine effektive Rechtsausübung und das rechtliche Gehör nicht unterlaufen werden (vgl. BVerfG NJW-RR 2010, 421, Rn. 18). Da durch die o.g. Rechtsauffassung – wie erwähnt – lediglich das Zustellungserfordernis des § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG betroffen ist und die Betroffene ohnehin innerhalb der Frist des § 67 Abs. 1 OWiG Einspruch gegen den Bußgeldbescheid eingelegt hat, brauchte nicht entschieden zu werden, ob das Berufen auf die unwirksame Ersatzzustellung auch unter dem Aspekt einer rechtzeitigen Einspruchseinlegung (§ 61 Abs. 1 OWiG) rechtsmissbräuchlich gewesen wäre. Es spricht allerdings einiges dafür, selbst in den Fällen von einem rechtsmissbräuchlichen Verhalten auszugehen, in denen dies im Ergebnis zu einer Beschneidung des Anspruchs auf rechtliches Gehör führt. Denn dies ist sowohl im öffentlichen Recht als auch im Zivilrecht für ähnlich gelagerte Fälle bereits angenommen worden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. April 2004 – 6 B 8.04 – BeckRS 2004, 22567; BVerfG, NJW-RR 2010, 421; BVerwG, NVwZ 1991, 73).
41Ohne dass es hierauf noch ankommt, bemerkt der Senat abschließend, dass auch das vorherige Verhalten sowie das weitere Verteidigungsverhalten der Betroffenen Anhaltspunkte für einen Rechtsmissbrauch darstellen. Obwohl die Betroffene nach ihren Angaben bereits seit August 2010 in C wohnt, ist auch der Bußgeldbescheid vom 20. April 2012 am 19. Oktober 2012 unter der Anschrift in I1 rechtskräftig geworden. Zudem hat die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift vom 30. Dezember 2014 ausgeführt, dass ein eventueller Zustellungsmangel jedenfalls nachträglich gemäß § 8 LZG NRW geheilt worden sei, da davon ausgegangen werden müsse, dass der Verteidiger den Einspruch nicht eingelegt hat, ohne dass die Betroffene selbst den Bußgeldbescheid zuvor nicht tatsächlich – sei es durch Vermittlung ihrer Eltern oder ihren Verteidiger – erhalten hatte. Auch wenn keine Pflicht bestand, zur Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft Stellung zu nehmen, hat der Verteidiger in der unter I. zitierten Weise zu einer evtl. Heilung Stellung genommen, ohne den Zeitpunkt zu benennen, an dem der Bußgeldbescheid der Betroffenen tatsächlich zugegangen ist. Dies hätte aber nahegelegen, wenn der Bußgeldbescheid der Betroffenen bislang überhaupt nicht oder nach Eintritt der Verfolgungsverjährung zugegangen wäre, so dass die den Eintritt der Verfolgungsverjährung geltend machende Betroffene sich auch dadurch rechtsmissbräuchlich verhält, dass sie die Heilung eines eventuellen Zustellungsmangels in Abrede stellt, ohne zugleich einen tatsächlichen Zugang des Bußgeldbescheides entweder insgesamt in Abrede zu stellen oder den Zeitpunkt des Zugangs mitzuteilen.
422) Eine Vorlagepflicht entsprechend § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 121 Abs. 2 GVG besteht nicht. Soweit einzelne Obergerichte teilweise die Rechtsauffassung vertreten haben, dass rechtsmissbräuchliches Verhalten des Zustellungsadressaten nur unter den in § 179 ZPO normierten Voraussetzungen von Bedeutung sei (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 14.02.2005 - 1 Ss 341/04 -, juris; OLG Bamberg, NZV 2006, 314) sind diese Entscheidungen vor der Änderung des § 51 Abs. 5 OWiG durch das Gesetz zur Novellierung des Verwaltungszustellungsrechts vom 12.08.2005 getroffen worden. Zudem beziehen sich diese Entscheidungen auf Ersatzzustellungen nach § 178 ZPO.
433) Die sonstige Überprüfung des Urteils hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil der Betroffenen ergeben. Die vom Amtsgericht Gütersloh getroffenen Feststellungen – die ohnehin nicht ausdrücklich angegriffen werden – tragen die Verurteilung wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Auch der Rechtsfolgenausspruch hält rechtlicher Überprüfung stand. Das nach der Bußgeldkatalogverordnung für eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 42 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften vorgesehene Bußgeld in Höhe 160,00 € hat das Amtsgericht aufgrund der einschlägigen Vorbelastungen in nicht zu beanstandender Weise auf 280,00 € erhöht. Auch das verhängte einmonatige Fahrverbot, das den Vorgaben der Bußgeldkatalogverordnung entspricht, ist nicht zu beanstanden. Aus den Urteilsgründen ergibt sich zudem, dass sich das Amtsgericht der grundsätzlichen Möglichkeit bewusst gewesen ist, bei gleichzeitiger Erhöhung der Geldbuße von der Verhängung des Fahrverbots absehen zu können. Von dieser Möglichkeit hat das Amtsgericht in rechtlich nicht zu beanstandender Weise keinen Gebrauch gemacht. Eine besondere Härte ist nicht ersichtlich.
444) Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Betroffenen liegt ersichtlich nicht vor.
455) Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG.
(1) Der Betroffene ist zum Erscheinen in der Hauptverhandlung verpflichtet.
(2) Das Gericht entbindet ihn auf seinen Antrag von dieser Verpflichtung, wenn er sich zur Sache geäußert oder erklärt hat, daß er sich in der Hauptverhandlung nicht zur Sache äußern werde, und seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts nicht erforderlich ist.
(3) Hat das Gericht den Betroffenen von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbunden, so kann er sich durch einen mit nachgewiesener Vollmacht versehenen Verteidiger vertreten lassen.
(1) Wird die Ablehnung nicht als unzulässig verworfen, so entscheidet über das Ablehnungsgesuch das Gericht, dem der Abgelehnte angehört, ohne dessen Mitwirkung.
(2) Wird ein richterliches Mitglied der erkennenden Strafkammer abgelehnt, so entscheidet die Strafkammer in der für Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung vorgeschriebenen Besetzung.
(3) Wird ein Richter beim Amtsgericht abgelehnt, so entscheidet ein anderer Richter dieses Gerichts. Einer Entscheidung bedarf es nicht, wenn der Abgelehnte das Ablehnungsgesuch für begründet hält.
(4) Wird das zur Entscheidung berufene Gericht durch Ausscheiden des abgelehnten Mitglieds beschlußunfähig, so entscheidet das zunächst obere Gericht.
Tenor
Die Sache wird dem Senat für Bußgeldsachen in der Besetzung mit drei Richtern übertragen (Entscheidung des Einzelrichters).
Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten der Betroffenen als unbegründet verworfen.
1
Gründe
2I.
3Das Amtsgericht Gütersloh hat die Betroffene wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 280,00 Euro verurteilt und ihr unter Gewährung von Vollstreckungsaufschub für die Dauer von einem Monat verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art im öffentlichen Straßenverkehr zu führen. Nach den Feststellungen hat die Betroffene die der Verurteilung zugrunde liegende Tat am 16. August 2013 begangen.
4Gegen dieses Urteil wendet sich die Betroffene mit ihrer Rechtsbeschwerde. Sie macht geltend, dass einer Verurteilung das Verfolgungshindernis der Verjährung entgegenstehe, weil ihr der Bußgeldbescheid nicht ordnungsgemäß zugestellt worden sei. Bei der Anschrift I-straße # in I1 handele es sich um die Wohnung ihrer Eltern. Tatsächlich habe sie zum Zeitpunkt der Zustellung in C gewohnt. Zuzugeben sei allerdings, dass sie es versäumt habe, sich umzumelden.
5Dem liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:
6Mit Schreiben der Bußgeldbehörde vom 28. August 2013 wurde die Betroffene zu dem ihr vorgeworfenen Verstoß vom 16. August 2013 angehört. Das Anhörungsschreiben war adressiert an die Betroffene, I-straße # in ###28 I1. Hierbei handelte es sich um die Anschrift unter der die Betroffene zu diesem Zeitpunkt amtlich gemeldet war und unter der ausweislich der Voreintragungen auch Bußgeldbescheide vom 21. Oktober 2009 – rechtskräftig seit dem 24. Februar 2010 – und 20. April 2012 – rechtskräftig seit dem 19. Oktober 2012 – jeweils rechtskräftig wurden.
7Mit Schreiben vom 6. September 2013 meldete sich der Verteidiger für die Betroffene und bat um Akteneinsicht, ohne eine entsprechende Vollmacht vorzulegen. Eine Stellungnahme wurde auch nach erfolgter Akteneinsicht nicht abgegeben.
8Daraufhin erließ die Bußgeldbehörde am 14. Oktober 2013 einen Bußgeldbescheid gegen die Betroffene, in dem ihr zur Last gelegt wurde, am 16. August 2013 um 9.45 Uhr in der N-straße in H die dort außerhalb geschlossener Ortschaften zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h nach Toleranzabzug um 42 km/h überschritten zu haben. Festgesetzt wurden ein aufgrund Voreintragungen erhöhtes Bußgeld in Höhe von 200,00 € sowie ein Fahrverbot von einem Monat.
9Dieser Bußgeldbescheid vom 14. Oktober 2013 wurde der Betroffenen am 16. Oktober 2013 unter der Anschrift I-straße # in ###28 I1 durch Einlegung in den Briefkasten zugestellt.
10Eine Abschrift des Bußgeldbescheides wurde formlos an ihre Verteidiger übersandt, wo dieses Schreiben ebenfalls am 16. Oktober 2013 einging.
11Mit Telefax vom 29. Oktober 2013 legte Verteidiger Einspruch gegen den Bußgeldbescheid vom 14. Oktober 2013 ein. Begründet wurde der Einspruch auch nach einer am 14. November 2013 beantragten und anschließend gewährten Akteneinsicht zunächst nicht.
12In einem an die Bußgeldbehörde gerichteten Telefax des Verteidigers vom 28. November 2013 vertrat dieser erstmals die Auffassung, das Verfahren sei wegen Verfolgungsverjährung einzustellen, ohne diese Auffassung zu begründen.
13Im Rahmen eines ersten Hauptverhandlungstermins am 1. Juli 2014 legte die Betroffene Mietverträge aus C vor. Im Rahmen der Feststellungen des angefochtenen Urteils heißt es insoweit:
14„ (..) Der Bußgeldbescheid ist der Betroffenen unter der Anschrift I-straße #, ###28 I1, unter der die Betroffene immer noch gemeldet ist, im Wege der Ersatzzustellung zugestellt worden. Sie hat zwar – nicht widerlegbar – mitgeteilt, dass sie seit dem 22.08.2010 in C wohne und unter dieser Anschrift erreichbar sei. (…)“
15Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen. Sie vertritt die Auffassung, dass die Verjährung durch den Erlass und die Zustellung des Bußgeldbescheides vom 14. Oktober 2013 am 16. Oktober 2013 aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung unterbrochen worden sei. Ferner sei ein unterstellter Zustellungsmangel jedenfalls gem. § 8 LZG NRW geheilt worden. Es dürfe fernliegend sein und werde auch in der Rechtsbeschwerdebegründung nicht behauptet, dass der Verteidiger für die Betroffene Einspruch eingelegt haben könnte, ohne dass diese den Bußgeldbescheid – und sei es durch Vermittlung ihrer Eltern oder des Verteidigers – tatsächlich erhalten habe.
16Die vollständige Stellungnahme des Verteidigers zur Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft lautet wie folgt:
17„In dem Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren
18gegen T C
19unser Zeichen: 478/13CB09
20- 12 OWi 202 Js-OWi 172/14 – AK 79/14 AG Gütersloh –
21erwidern wir auf den Schriftsatz der Generalstaatsanwaltschaft Hamm (Az.: SS OWi 1214/14) vom 30.12.2014 wie folgt:
22Gemäß § 51 Abs. 3 Satz 3 OWiG ist der Verteidiger des Betroffenen von der Zustellung des Bußgeldbescheides an den Betroffenen zu unterrichten. So lag es hier. Die Abschrift des Bußgeldbescheides vom 14.10.2013 überreiche ich anliegend zur Kenntnisnahme. Von einer Heilung des Zustellungsmangels kann mithin nicht die Rede sein.“
23II.
24Die Rechtsbeschwerde wird zur Fortbildung des Rechts gemäß § 80a Abs. 3 OWiG dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen (Entscheidung des mitentscheidenden Einzelrichters des Senats).
25III.
26Die zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
271) Entgegen der Rechtsauffassung der Betroffenen ist eine Verfolgungsverjährung nicht eingetreten. Die Betroffene kann sich unabhängig davon, ob ein eventueller Zustellungsmangel gemäß § 8 LZG NRW geheilt worden ist, wegen Rechtsmissbrauchs nicht auf eine fehlerhafte Ersatzzustellung nach § 51 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 3 Abs. 2 LZG NRW i.V.m. § 180 ZPO berufen.
28Nach den Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils hat die Betroffene – nicht widerlegbar – mitgeteilt, dass sie seit dem 22. August 2010 in C wohne, so dass die am 16. Oktober 2013 durch Einlegung des Bußgeldbescheides in den Briefkasten unter der Anschrift ihrer Eltern in I1 erfolgte Ersatzzustellung unwirksam war, weil die Ersatzzustellung nach den §§ 178-181 ZPO voraussetzt, dass eine Wohnung an dem Ort, an dem zugestellt werden soll, tatsächlich von dem Adressaten genutzt wird (vgl. BGH, NJW 2011, 2440 Rn.13 m.w.N.).
29In der Rechtsprechung ist jedoch anerkannt, dass es eine unzulässige Rechtsausübung darstellt, wenn der Zustellungsadressat eine fehlerhafte Ersatzzustellung geltend macht, obwohl er einen Irrtum über seinen tatsächlichen Lebensmittelpunkt bewusst und zielgerichtet herbeigeführt hat (BGH, NJW 2011, 2440 Rn. 13; BVerfG, NJW-RR 2010, 421 Rn. 17; OLG Jena NStZ-RR 2006, 238, OLG Köln NJW-RR 2001, 1511, jeweils m.w.N.). Hierbei handelt es sich nicht um die Erleichterung einer wirksamen Zustellung im Wege der objektiven Zurechnung eines Rechtsscheins (BGH, NJW 2011, 2440 Rn. 13). Vielmehr wird dem Empfänger im Lichte des das gesamte Recht beherrschenden Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) unter engen Voraussetzungen lediglich versagt, sich auf die Unwirksamkeit einer Zustellung zu berufen ( BGH, NJW 2011, 2440 Rn. 13; BVerfG, NJW-RR 2010, 421 Rn. 18). Dies ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung etwa für die Fälle anerkannt, dass sich der Adressat nicht nur für diese Wohnung angemeldet hat, sondern sich dolos als dort wohnend geriert, seinen Schriftwechsel unter dieser Anschrift führt und seine Post dort abholt (vgl. OLG Jena, NStZ-RR 2006, 238; OLG Hamm, Beschluss vom 14. Oktober 2003 – 2 Ss OWi 219/03 -, BeckRS 2003, 30330529; BayObLG, Beschluss vom 16. März 2004 – 2 ObOWi 7/04 -, BeckRS 2004 03759).
30Der vorliegende Fall weist allerdings die Besonderheit auf, dass abweichend von den den o.g. Entscheidungen zugrunde liegenden Sachverhalten hier keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Betroffene ihren Schriftwechsel unter der Anschrift in I1 aktiv geführt hat oder sich über die unterlassene Ummeldung hinaus als dort wohnend geriert hätte. Aber auch wenn die Betroffene im vorliegenden Verfahren daher nicht aktiv einen Rechtsschein dahin gesetzt hat, an ihrer Meldeanschrift in I1 auch tatsächlich zu wohnen, war das Verhalten der Betroffenen insgesamt rechtsmissbräuchlich, so dass sie sich auf die Unwirksamkeit der Ersatzzustellung nicht berufen kann. Hierbei weist der Senat ausdrücklich darauf hin, dass die hier vertretene Rechtauffassung nur für das Zustellungserfordernis in § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG unmittelbare Geltung hat.
31Die Ausdehnung der o.g. Rechtsprechung auch auf die Fälle, in denen ein Betroffener nicht durch Angabe einer falschen Anschrift selbst aktiv geworden ist, sondern im Wesentlichen lediglich die erforderliche Ummeldung unterlassen hat, beruht auf folgenden Erwägungen:
32Es ist anerkannt, dass selbst im Strafprozess – und deswegen erst Recht im Ordnungswidrigkeitenverfahren – ein allgemeines Missbrauchsverbot gilt (vgl. BGH, NStZ 2007, 49 Rn. 2 m.w.N.). Nach der Definition des Bundesgerichtshofes ist ein Missbrauch prozessualer Rechte dann anzunehmen, wenn ein Verfahrensbeteiligter die ihm durch die Strafprozessordnung eingeräumten Möglichkeiten zur Wahrung seiner verfahrensrechtlichen Belange benutzt, um gezielt verfahrensfremde oder verfahrenswidrige Zwecke zu verfolgen (vgl. BGH, NStZ 2007, 49 Rn. 3 m.w.N.). Diese Definition kann auch auf das Ordnungswidrigkeitenrecht übertragen werden. Im vorliegenden Verfahren hat es die anwaltlich beratene Betroffene ganz offensichtlich in Kenntnis der Rechtsprechung zu § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG im Hinblick auf eine möglicherweise fehlerhafte Ersatzzustellung bewusst unterlassen, ihren tatsächlichen Wohnsitz gegenüber der Bußgeldbehörde zu offenbaren, um auf diese Weise Verfolgungsverjährung eintreten zu lassen. Hierfür spricht bereits, dass die Betroffene die Änderung ihrer Anschrift nicht – wie es ansonsten regelmäßig üblich ist – mitgeteilt hat und sie sich durch Fax ihres Verteidigers vom 28. November 2013 – exakt 3 Monate nach der am 28. August 2013 erfolgten schriftlichen Anhörung – erstmals auf den Eintritt der Verfolgungsverjährung berufen hat.
33Bei der Frage, ob die Betroffene sich rechtsmissbräuchlich verhalten hat, hat der Senat auch berücksichtigt, dass die Betroffene durch die unterlassene Ummeldung zudem eine weitere Ordnungswidrigkeit begangen hat (§§ 11 Abs. 1 Satz 1, 30 Abs. 1 Nr. 1. b) MeldeG C) und ihr Verteidigungsverhalten daher auf einen ordnungswidrigen Umstand gestützt wird.
34Hinzu kommt, dass das Abstellen auf den Zeitpunkt der Zustellung in § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG nach dem Willen des Gesetzgebers lediglich bezwecken soll, die Bußgeldbehörden zu zügiger Erledigung der Zustellungen anzuhalten und nicht dazu dient, Betroffene, die gegen die landesrechtlichen Meldegesetze verstoßen, gegenüber anderen, die Meldegesetze beachtende Betroffene, zu bevorzugen (vgl. BT-Drs. 13/3691, Seite 6 i.V.m. BT-Drs. 13/8655, Seite 12). Nach § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG in der bis zum 28. Februar 1998 geltenden Fassung unterbrach bereits der Erlass des Bußgeldbescheid die Verfolgungsverjährung, ohne dass es auf die (wirksame) Zustellung des Bußgeldbescheides ankam. Erst durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten und anderer Gesetze vom 26. Januar 1998 (Bundesgesetzblatt 1998 Teil I, Nr. 6, Seite 156) wurde das Erfordernis der Zustellung eingeführt. Während der ursprüngliche Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 24. Mai 1996 keine Änderung der Nr. 9 vorsah (vgl. BT-Drs. 392/96, Seite 2), ergibt sich aus der späteren Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses vom 1. Oktober 1997 (vgl. BT-Drs. 13/8655, Seite 12), dass die Änderung der Nr. 9 auf dem Vorschlag des SPD-Entwurfs beruht. In diesem Gesetzentwurf vom 6. Februar 1996 heißt es (vgl. BT-Drs. 13/3691, Seite 6):
35„Beobachtungen in der Praxis haben ergeben, dass in einer häufigeren Zahl von Fällen der Bußgeldbescheid erst bis zu sechs Wochen nach seinem Erlass an die Betroffenen zugestellt wird. Diese ausschließlich auf verwaltungsinternen Abläufen beruhende Verzögerung dient nicht der Beschleunigung der Verfahren und führt darüber hinaus zu einer Verunsicherung der Betroffenen und der daraus resultierenden Einlegung eines in aller Regel nicht beabsichtigten Rechtsmittels:
36Die Betroffenen wissen durch die vorangegangene Anhörung, dass sie eine Geldbuße zu gewärtigen haben und sind auch bereit, diese zu akzeptieren. In den Vorstellungen der Menschen ist aber auch gegenwärtig, dass Verkehrsordnungswidrigkeiten drei Monate nach der Begehung verjähren. Wenn diese Frist um eine lange Zeit überschritten wird, manifestiert sich der Glaube, die „Sache sei erledigt“. Der dann Wochen nach dem fiktiven und angenommenen Datum zugestellt Bußgeldbescheid weckt dann nur die Lust zum Prozess. Dies gilt insbesondere, wenn zwischen Datum des Erlasses des Bescheides und Datum der Zustellung mehrere Wochen liegen. Betroffene – auch anwaltlich Vertretene - erwarten dann von den Gerichten die Aufhebung des Bußgeldbescheides, zumindest jedoch die Einstellung des Verfahrens.
37Teilweise wird sogar offen behördliche Willkür vermutet.
38Um Verfahren schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt gehörig zu fördern, muss daher besonders die Verwaltungsbehörde durch das Gesetz zu zügiger Erledigung angehalten werden.“
39Im vorliegenden Verfahren hat die Bußgeldbehörde diesen vom Gesetzgeber verfolgten Zweck beachtet. Der am 14. Oktober 2013 erlassene Bußgeldbescheid ist bereits 2 Tage später – nämlich am 16. Oktober 2013 – unter der Meldeanschrift der Betroffenen in I1 zugestellt worden. Da die Betroffene unter dieser Anschrift gemeldet war, sie das zuvor ebenfalls an diese Anschrift gerichtete Anhörungsschreiben auch unzweifelhaft erhalten hat, was sich bereits aus der Verteidigungsanzeige ihres Verteidigers vom 6. September 2013 ergibt, und die Bußgeldbehörde somit keine Anhaltspukte für eine eventuell unwirksame Ersatzzustellung hatte, würde es daher dem o.g. Gesetzeszweck widersprechen, Betroffene nur deswegen in den Genuss der Verfolgungsverjährung kommen zu lassen, weil diese in zudem ordnungswidriger Weise gegen die Meldegesetze der Länder verstoßen.
40Bei der Beurteilung der Frage, ob das rechtsmissbräuchliche Verhalten der Betroffenen ihr das Berufen auf die unwirksame Ersatzzustellung verwehrt, hat der Senat auch in den Blick genommen, dass durch das Zustellungserfordernis des § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG keine von der Betroffenen zu beachtenden Rechtsmittelfristen in Gang gesetzt werden, so dass hier eine effektive Rechtsausübung und das rechtliche Gehör nicht unterlaufen werden (vgl. BVerfG NJW-RR 2010, 421, Rn. 18). Da durch die o.g. Rechtsauffassung – wie erwähnt – lediglich das Zustellungserfordernis des § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG betroffen ist und die Betroffene ohnehin innerhalb der Frist des § 67 Abs. 1 OWiG Einspruch gegen den Bußgeldbescheid eingelegt hat, brauchte nicht entschieden zu werden, ob das Berufen auf die unwirksame Ersatzzustellung auch unter dem Aspekt einer rechtzeitigen Einspruchseinlegung (§ 61 Abs. 1 OWiG) rechtsmissbräuchlich gewesen wäre. Es spricht allerdings einiges dafür, selbst in den Fällen von einem rechtsmissbräuchlichen Verhalten auszugehen, in denen dies im Ergebnis zu einer Beschneidung des Anspruchs auf rechtliches Gehör führt. Denn dies ist sowohl im öffentlichen Recht als auch im Zivilrecht für ähnlich gelagerte Fälle bereits angenommen worden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. April 2004 – 6 B 8.04 – BeckRS 2004, 22567; BVerfG, NJW-RR 2010, 421; BVerwG, NVwZ 1991, 73).
41Ohne dass es hierauf noch ankommt, bemerkt der Senat abschließend, dass auch das vorherige Verhalten sowie das weitere Verteidigungsverhalten der Betroffenen Anhaltspunkte für einen Rechtsmissbrauch darstellen. Obwohl die Betroffene nach ihren Angaben bereits seit August 2010 in C wohnt, ist auch der Bußgeldbescheid vom 20. April 2012 am 19. Oktober 2012 unter der Anschrift in I1 rechtskräftig geworden. Zudem hat die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift vom 30. Dezember 2014 ausgeführt, dass ein eventueller Zustellungsmangel jedenfalls nachträglich gemäß § 8 LZG NRW geheilt worden sei, da davon ausgegangen werden müsse, dass der Verteidiger den Einspruch nicht eingelegt hat, ohne dass die Betroffene selbst den Bußgeldbescheid zuvor nicht tatsächlich – sei es durch Vermittlung ihrer Eltern oder ihren Verteidiger – erhalten hatte. Auch wenn keine Pflicht bestand, zur Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft Stellung zu nehmen, hat der Verteidiger in der unter I. zitierten Weise zu einer evtl. Heilung Stellung genommen, ohne den Zeitpunkt zu benennen, an dem der Bußgeldbescheid der Betroffenen tatsächlich zugegangen ist. Dies hätte aber nahegelegen, wenn der Bußgeldbescheid der Betroffenen bislang überhaupt nicht oder nach Eintritt der Verfolgungsverjährung zugegangen wäre, so dass die den Eintritt der Verfolgungsverjährung geltend machende Betroffene sich auch dadurch rechtsmissbräuchlich verhält, dass sie die Heilung eines eventuellen Zustellungsmangels in Abrede stellt, ohne zugleich einen tatsächlichen Zugang des Bußgeldbescheides entweder insgesamt in Abrede zu stellen oder den Zeitpunkt des Zugangs mitzuteilen.
422) Eine Vorlagepflicht entsprechend § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 121 Abs. 2 GVG besteht nicht. Soweit einzelne Obergerichte teilweise die Rechtsauffassung vertreten haben, dass rechtsmissbräuchliches Verhalten des Zustellungsadressaten nur unter den in § 179 ZPO normierten Voraussetzungen von Bedeutung sei (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 14.02.2005 - 1 Ss 341/04 -, juris; OLG Bamberg, NZV 2006, 314) sind diese Entscheidungen vor der Änderung des § 51 Abs. 5 OWiG durch das Gesetz zur Novellierung des Verwaltungszustellungsrechts vom 12.08.2005 getroffen worden. Zudem beziehen sich diese Entscheidungen auf Ersatzzustellungen nach § 178 ZPO.
433) Die sonstige Überprüfung des Urteils hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil der Betroffenen ergeben. Die vom Amtsgericht Gütersloh getroffenen Feststellungen – die ohnehin nicht ausdrücklich angegriffen werden – tragen die Verurteilung wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Auch der Rechtsfolgenausspruch hält rechtlicher Überprüfung stand. Das nach der Bußgeldkatalogverordnung für eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 42 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften vorgesehene Bußgeld in Höhe 160,00 € hat das Amtsgericht aufgrund der einschlägigen Vorbelastungen in nicht zu beanstandender Weise auf 280,00 € erhöht. Auch das verhängte einmonatige Fahrverbot, das den Vorgaben der Bußgeldkatalogverordnung entspricht, ist nicht zu beanstanden. Aus den Urteilsgründen ergibt sich zudem, dass sich das Amtsgericht der grundsätzlichen Möglichkeit bewusst gewesen ist, bei gleichzeitiger Erhöhung der Geldbuße von der Verhängung des Fahrverbots absehen zu können. Von dieser Möglichkeit hat das Amtsgericht in rechtlich nicht zu beanstandender Weise keinen Gebrauch gemacht. Eine besondere Härte ist nicht ersichtlich.
444) Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Betroffenen liegt ersichtlich nicht vor.
455) Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG.