Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 29. Dez. 2015 - 2 RVs 47/15
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die
Kosten des Rechtsmittels, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bochum zurückverwiesen.
1
Gründe:
2I.
3Das Amtsgericht – Schöffengericht – Bochum verurteilte den Angeklagten am 08.05.2014 wegen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten.
4Das Amtsgericht traf im Urteil folgende Feststellungen: Der von vornherein nicht erfüllungsbereite Angeklagte habe am 10.04.2012 einen zuvor selbst erworbenen Pkw Mercedes der B – Klasse 200 CDI Automatik über eine ebay – Anzeige zum Kaufpreis vom 10.050,00 Euro an den Zeugen N veräußert. Der Zeuge habe am 12.04.2012 verabredungsgemäß vor Übergabe des Fahrzeugs einen Teilbetrag von 5.000 Euro an den Angeklagten über das Konto von dessen Mutter überwiesen, der Wagen sei jedoch nachfolgend – wie von dem Angeklagten beabsichtigt – nicht übergeben worden. Vielmehr habe der Angeklagte mitgeteilt, dass das Fahrzeug, welches auf ausdrücklichen Wunsch des Angeklagten von Berlin an die Anschrift des Zeugen nach Bochum geliefert werden sollte, bei einem Unfall beschädigt worden sei und der Kaufvertrag daher nicht mehr vollzogen werden könne. Entgegen der Ankündigungen des Angeklagten habe dieser die Teilzahlung von 5.000 Euro nicht vollständig an den Zeugen N zurückgeleistet, sondern nur einen Teilbetrag von 2.000 Euro erstattet.
5Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte Rechtsmittel ein, das nach Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe nicht weiter begründet und daher als Berufung durchgeführt wurde.
6In der Berufungshauptverhandlung vom 24.04.2015 erklärte der Vorsitzende zu Beginn zu Protokoll, dass er bislang keine Gespräche geführt habe, die die Möglichkeit einer Verständigung zum Gegenstand gehabt hätten und dass ihm von solchen Gesprächen auch nichts bekannt sei. In der Folge verlas er den Tenor und die Gründe des angefochtenen Urteils. Sodann äußerte sich der Angeklagte zur Sache und der Zeuge N wurde informatorisch zu der Frage gehört, ob der Schaden entsprechend der Angaben des Angeklagten vollständig ausgeglichen sei, was der Zeuge bestätigte. Im Anschluss gab der Vorsitzende folgende Erklärung zu Protokoll:
7„Ich könnte mir vorstellen, dass dem Angeklagten noch einmal Bewährung eingeräumt werden kann, wenn dieser das Rechtsmittel auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt und dadurch Einsicht dokumentiert. Diese Wertung stützt sich auf die Aktenlage und ihr liegt zugrunde, das der Angeklagte den Schaden mittlerweile ausgeglichen hat, dass die Tat länger als drei Jahre zurück liegt und sich der Angeklagten in dieser Zeit straffrei geführt hat, dass der Angeklagte in der Türkei den Wehrdienst abgeleistet hat und von der Bewährungshelferin überaus positiv beurteilt wird.“
8Nachdem der Vertreter der Staatsanwaltschaft der Äußerung des Vorsitzenden nicht widersprochen hatte, wurde ausweislich des Protokolls auf Antrag des Verteidigers die Hauptverhandlung um 12:26 Uhr unterbrochen und um 12:42 Uhr fortgesetzt. Nach Fortsetzung der Hauptverhandlung gab der Angeklagte nach Rücksprache mit dem Verteidiger folgende, im Protokoll niedergeschriebene Erklärung ab:
9„Ich beschränke die Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch.“
10Der Vertreter der Staatsanwaltschaft stimmte der Beschränkung zu, die Hauptverhandlung wurde entsprechend der Beschränkung ohne Vernehmung von Zeuge fortgeführt. Das Landgericht Bochum hat – wie vom Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft zuvor beantragt – die Berufung des Angeklagten mit der Maßgabe verworfen, dass die Vollstreckung der erstinstanzlich erkannten Strafe zu Bewährung ausgesetzt wird. Des Weiteren wurde durch Beschluss die Bewährungszeit auf 4 Jahre festgesetzt, der Angeklagte wurde der Aufsicht der Bewährungshilfe unterstellt und ihm wurde die Ableistung von 80 Sozialstunden auferlegt. Die Hauptverhandlung schloss ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls damit, dass dem Angeklagten neben der Belehrung gemäß § 268a StPO eine „qualifizierte Rechtsmittelbelehrung“ erteilt wurde. Einen Vermerk nach § 273 Abs. 1a S. 3 StPO des Inhalts, dass eine Verständigung nach § 257c StPO nicht stattgefunden hat, enthält das Protokoll nicht.
11Der Angeklagte hat gegen das Urteil des Landgerichts Bochum form- und fristgerecht Revision eingelegt und die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt. Mit seiner unter Wiedergabe des Hauptverhandlungsprotokolls ausgeführten Verfahrensrüge macht der Angeklagte geltend, dass das Urteil auf einer informellen Verfahrensabsprache beruhe, ohne dass die Vorschrift des § 257c StPO beachtet worden sei. Unter Verstoß gegen § 273 Abs. 1a S. 1 StPO sei die (konkludente) Verständigung auch nicht im Protokoll wiedergegeben worden. Schließlich sei dem Angeklagten eine nicht von der Absprache umfasste Bewährungsauflage von 80 Sozialstunden erteilt worden. Zum Verfahrensgang hat der Angeklagte über das dem Protokoll zu entnehmende Geschehen hinaus vorgetragen, sein Verteidiger habe vor der Beschränkung der Berufung noch während der Unterbrechung der Hauptverhandlung dem Gericht mitgeteilt, dass er (Angeklagter) dem Vorschlag des Gerichts zustimmen werde. Dabei sei weder dem Angeklagten noch dem Verteidiger klar gewesen, dass eine Bewährungsentscheidung mit einer Auflage verbunden werde. Das Gericht
12habe mit seinem Vorgehen gegen das Transparenzgebot des § 257c StPO verstoßen und den Angeklagten bis zur Urteilsverkündung im Unklaren darüber gelassen, ob es nach der Berufungsbeschränkung von dem Bestehen einer im Sinne des § 257c StPO verbindlichen Verständigung ausgehe. Für eine konkludent zustande gekommene Verfahrensabsprache spreche, dass der Vorsitzende seinen Vorschlag für eine Einigung und auch die Reaktion der Staatsanwaltschaft protokolliert und dem Angeklagten nach Urteilsverkündung eine qualifizierte Rechtsmittelbelehrung nach § 35a Satz 3 StPO erteilt habe. Zudem habe das Gericht mit der Bewährungsauflage von 80 Sozialstunden, die nicht abgesprochen gewesen sei und den Angeklagten überrascht habe, gegen das Gebot des fairen Verfahrens verstoßen. Auf diesen Verstößen beruhe das Urteil. Es sei insbesondere nicht ausgeschlossen, dass der Angeklagte bei prozessordnungsgemäßer Vorgehensweise des Gerichts und Unterrichtung über die beabsichtigte Bewährungsauflage der Absprache nicht zugestimmt und die Berufung nicht auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hätte.
13Der Strafkammervorsitzende und die Staatsanwaltschaft haben zu der Revisionsbegründung keine Erklärungen abgegeben.
14Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Zuschrift vom 25.08.2015 beantragt, wie erkannt, und ist der Auffassung des Revisionsführers, dem Berufungsurteil liege eine informelle Absprache zugrunde, die gegen das Transparenzgebot sowie die Dokumentations- und Protokollierungspflichten des § 273 Abs. 1a i.V.m. 257c StPO verstoße, beigetreten.
15II.
16Die Revision des Angeklagten ist zulässig und hat in der Sache zumindest vorläufig Erfolg. Das Urteil des Landgerichts Bochum ist aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bochum zurückzuverweisen. Die zulässig gem. § 344 Abs. 2 S. 2 StPO erhobene Verfahrensrüge des Angeklagten, mit der er rügt, das Gericht habe gegen die Vorschriften des Verständigungsgesetzes (§§ 257c, 273 Abs. 1a, 243 Abs. 4 StPO) verstoßen, indem es sich mit den Verfahrensbeteiligten konkludent und informell über deren Prozessverhalten und den Inhalt des Berufungsurteils verständigt habe, ist begründet.
17Der Inhalt des Protokolls der Berufungshauptverhandlung steht der Annahme einer konkludenten, informellen Verfahrensabsprache, wie sie vom Revisionsführer vorgetragen wird, nicht entgegen. Kommt es zu einer – hier von dem Angeklagten schlüssig behaupteten – Verständigung i.S.v. § 257 c StPO, so muss das Protokoll dessen wesentlichen Ablauf und Inhalt sowie das Ergebnis wiedergeben (§ 273 Abs. 1 a S. 1 StPO). Daneben ist dies nach § 267 Abs. 6 S. 5 StPO in den Urteilsgründen anzugeben. Vorliegend findet sich weder in den Gründen des angefochtenen Urteils noch im Protokoll der Berufungshauptverhandlung ein Hinweis auf eine Verständigung. Allerdings sieht § 273 Abs. 1 a S. 3 StPO auch vor, dass in das Protokoll ein sog. „Negativattest“ aufzunehmen ist, wenn keine verfahrensbeendende Absprache stattgefunden hat. Vorliegend hat der Vorsitzende der Strafkammer zwar zu Beginn der Hauptverhandlung gemäß § 243 Abs. 4 S. 1 StPO mitgeteilt, dass bis zum Beginn der Hauptverhandlung keine Gespräche im Hinblick auf eine verfahrensbeendende Absprache geführt worden seien, und dies auch nach § 273 Abs. 1 a S. 2 StPO im Protokoll so festgehalten. Was den weiteren Verlauf der Hauptverhandlung betrifft, schweigt das Protokoll jedoch zu Gesprächen über eine mögliche Absprache oder deren Zustandekommen. Ein „Negativattest“ im Sinne des § 273 Abs. 1a S. 3 StPO, dass keine Absprache stattgefunden hat, ist nicht im Protokoll enthalten. Infolge dieser Widersprüchlichkeit des Protokolls, das insoweit nicht eindeutig und lückenhaft ist, verliert dieses seine Beweiskraft gemäß § 274 StPO (vgl. BGH, NJW 2011, 321; OLG Köln, NStZ 2014, 727). Das Revisionsgericht ist in einem solchen Fall gehalten, im Wege des Freibeweisverfahrens die durch eine diesbezügliche, zulässige Verfahrensrüge aufgeworfene Frage zu überprüfen, ob eine Verfahrensabsprache getroffen worden ist (vgl. OLG Celle, StV 2012, 141; OLG Köln, a.a.O.).
18Die im Protokoll festgehaltenen Abläufe in der Berufungshauptverhandlung sowie die damit in Einklang stehenden ergänzenden Angaben des Revisionsführers in seiner Revisionsbegründungsschrift, denen weder der Strafkammervorsitzende noch die Staatsanwaltschaft entgegengetreten sind, lassen in ihrer Gesamtschau darauf schließen, dass in der Berufungshauptverhandlung zwischen dem Gericht und den Verfahrensbeteiligten eine konkludente, informelle und damit wegen Verstoßes gegen das den §§ 257 c, 243 Abs. 4, § 267 Abs. 4 S. 5, § 273 Abs. 1 a StPO zugrunde liegende Regelungskonzept des Verständigungsgesetzes unzulässige (vgl. BVerfGE 133, 168 f.; BGH, NStZ 2014, 113; OLG München, StV 2014, 79) Verständigung dahingehend getroffen worden ist, dass für den Fall einer von dem Angeklagten mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft erklärten Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch die erstinstanzlich gegen ihn verhängte Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird.
19Die Regelungen des Verständigungsgesetzes gelten, wie sich aus der in § 332 StPO getroffenen Verweisung ergibt, auch für das Berufungsverfahren. In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist zudem anerkannt, dass eine teilweise Berufungsrücknahme in Form einer nachträglichen Beschränkung des Rechtsmittels auf den Rechtsfolgenausspruch wegen der damit verbundenen Geständnisfiktion (zulässiger) Gegenstand einer Verständigung i.S.v. § 257 c StPO sein kann (vgl. OLG Karlsruhe, NStZ 2014, 536; OLG München, StV 2014, 79; OLG Hamburg, NStZ 2014, 534; Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 257 c Rdnr. 17 b). Für eine konkludente, informelle Verständigung zwischen dem Gericht und den Verfahrensbeteiligten (Angeklagter und Staatsanwaltschaft) mit dem beschriebenen Inhalt spricht hier, dass der Vorsitzende neben seinem Hinweis auf eine für den Fall der Berufungsbeschränkung „vorstellbare“ Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung – der wegen der damit vorgenommenen synallagmatischen Verknüpfung zwischen der in Aussicht gestellten Strafaussetzung zur Bewährung und der angeregten Berufungsbeschränkung und der erkennbar angestrebten einvernehmlichen Verfahrenserledigung über eine bloße Erörterung des Verfahrensstandes i.S.v. § 257b StPO deutlich hinausging (vgl. BGH, NStZ 2015, 535) - auch die darauf folgende Reaktion des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft dahingehend protokollierte, dass dieser der Äußerung des Vorsitzenden „nicht widersprochen“ habe. Für eine konkludente Verständigung spricht weiter, dass der Angeklagte nach 16-minütiger Sitzungsunterbrechung und „nach Rücksprache mit seinem Verteidiger“ auf die zuvor protokollierte Äußerung des Vorsitzenden, die der Angeklagte bei verständiger Würdigung als Verständigungsvorschlag des Gerichts i.S.d. § 257 c Abs. 3 S. 1 StPO oder jedenfalls als Anregung einer Verständigung mit dem aufgezeigten Inhalt verstehen durfte und musste, in der Weise reagierte, dass er – diesen Vorschlag aufgreifend – die Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch erklärte, der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft dieser Rechtsmittelbeschränkung zustimmte und – nach anschließender Verlesung von Schriftstücken und ohne förmliche Vernehmung des geschädigten Zeugen – sowohl der Verteidiger als auch der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft in ihren Schlussvorträgen eine Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung beantragten und die Kammer diesen Anträgen in ihrem nachfolgenden Urteil folgte. Das Prozessverhalten der Prozessbeteiligten und der Urteilsspruch der Kammer entsprachen damit exakt der geäußerten „Vorstellung“ des Kammervorsitzenden. In einer derartigen Konstellation ist in aller Regel von einer konkludenten Verständigung der Beteiligten auszugehen (vgl. BGHSt 59, 21; OLG München und OLG Köln, jeweils a.a.O.). Für eine konkludente Verständigung spricht vorliegend insbesondere auch der Umstand, dass der Vorsitzende dem Angeklagten nach Verkündung des Urteils ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls eine „qualifizierte Rechtsmittelbelehrung“ erteilte. Eine derartige „qualifizierte Belehrung“ ist gesetzlich nach § 35 a S. 3 StPO nur vorgesehen und vorgeschrieben, wenn dem Urteil eine Verständigung nach § 257 c StPO vorausgegangen ist. Der Kammervorsitzende ging demnach offenbar selbst von einer dem Urteil zugrunde liegenden Verständigung i.S.v. § 257 c StPO aus, die allerdings entgegen § 257 c Abs. 3, § 243 Abs. 4 S. 2, § 273 Abs. 1 a S. 1 StPO nicht im Protokoll dokumentiert wurde. Eine solche, gegen die genannten Verfahrensvorschriften verstoßende konkludente, informelle Verfahrensabsprache ist jedoch unzulässig. Bereits aus dem Wortlaut des § 257 c StPO folgt, dass mit der abschließenden Regelung der Verständigung, wie sie in den §§ 257c, 243 Abs. 4 und § 273 Abs. 1 a StPO normiert ist, eine abweichende Vorgehensweise gerade verhindert werden soll. Jegliche informelle bzw. konkludente Absprache oder Vereinbarung unter Abweichung von den gesetzlich normierten Protokollierungs-, Mitteilungs- und Dokumentationspflichten ist aus diesem Grunde unzulässig (vgl. BVerfG, NJW 2013, 1058 dort unter Rn. 75 ff). Das Gebot der Transparenz und Dokumentation führt dazu, dass nicht nur die Verständigung selbst, also der formale Verständigungsakt des § 257 c Abs. 3 StPO, sondern darüber hinaus auch die zu einer Verständigung führenden Vorgespräche in die Hauptverhandlung einzuführen sind. Alle Erörterungen außerhalb der Hauptverhandlung sind ihrem wesentlichen Inhalt nach gemäß § 243 Abs. 4 StPO mitzuteilen und diese Mitteilung ist gemäß § 273 Abs. 1 a S. 2 StPO zu protokollieren (vgl. BVerfG, a.a.O., Rn. 82).
20Zudem ist die Verfahrensrüge des Angeklagten, dem Urteil liege eine informelle und damit unzulässige Verfahrensabsprache zugrunde, ohne dass die Vorgaben des § 257 c StPO beachtet worden seien, auch unter dem damit ebenfalls der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterworfenen Gesichtspunkt begründet, dass die nach § 257 c Abs. 5 StPO vorgeschriebene Belehrung des Angeklagten über Voraussetzungen und Folgen einer möglichen Abweichung des Gerichts von dem in Aussicht gestellten Ergebnis einer Verständigung nach dem insoweit beweiskräftigen Hauptverhandlungsprotokoll (vgl. § 257 c Abs. 5, § 273 Abs. 1 a S. 2, § 274 StPO) unterblieben ist, was den Angeklagten in seinem Recht auf ein faires Verfahren und in seiner Selbstbelastungsfreiheit verletzt.
21Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die von dem Angeklagten in diesem Zusammenhang erhobene Rüge der Verletzung des Grundsatzes des fairen Verfahrens wegen unterbliebenen Hinweises auf die im Zusammenhang mit der verhängten Bewährungsstrafe dem Angeklagten erteilte Bewährungsauflage ebenfalls begründet ist. Aus dem Gebot des fairen Verfahrens ergibt sich, dass der Angeklagte vor Vereinbarung einer (hier konkludent zustande gekommenen) Verständigung i.S.v. § 257 c StPO, deren Gegenstand die Verhängung einer zur Bewährung auszusetzenden Freiheitsstrafe ist, konkret auf die in Betracht kommenden Bewährungsauflagen hingewiesen werden muss, die nach § 56 b Abs. 1 StGB der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen und deren Erteilung Voraussetzung für die in Aussicht gestellte Strafaussetzung ist (vgl. BGH, NJW 2014, 1831; 2014, 3173; OLG Saarbrücken, NJW 2014, 238; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 257 c Rdnr. 12). Nur wenn der Angeklagte über den gesamten Umfang der Rechtsfolgenerwartung, deren Bestandteil auch Bewährungsauflagen sind, bei der Verständigung informiert ist, kann er autonom die Entscheidung über seine Mitwirkung treffen (vgl. BGH und OLG Saarbrücken, jew. a.a.O.). Vorliegend ist aufgrund des hierzu „schweigenden“ Protokolls davon auszugehen, dass das Berufungsgericht den Angeklagten, wie von diesem unwidersprochen vorgetragen, vor der Verständigung nicht auf die beabsichtigte Bewährungsauflage (Ableistung von 80 Sozialstunden) hingewiesen hat.
22Selbst wenn man aber trotz der aufgeführten und nach Auffassung des Senats aussagekräftigen Indiztatsachen nicht auf eine konkludent zustande gekommene, informelle Verfahrensabsprache schließen wollte, wäre zumindest ein Verstoß gegen § 243 Abs. 4 S. 2, § 273 Abs. 1 a S. 2 StPO festzustellen. Der Vorsitzende der Kammer hat es, wie sich aus dem Hauptverhandlungsprotokoll ergibt, im Laufe der Berufungshauptverhandlung unter Verstoß gegen § 243 Abs. 4 S. 2 StPO, § 273 Abs. 1 a S. 2 StPO versäumt, sich im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung ergebende Änderungen zu der zu Beginn der Hauptverhandlung getroffenen und protokollierten Feststellung, es hätten bis dahin keine die Möglichkeit einer Verständigung betreffenden Erörterungen nach den §§ 202 a, 212 StPO stattgefunden, mitzuteilen. Die Mitteilungspflicht nach § 243 Abs. 4 StPO setzt sich nach Beginn der Hauptverhandlung fort, insbesondere, wenn erst im weiteren Verlauf der Verhandlung Gespräche, welche die Möglichkeit einer Verständigung zum Gegenstand hatten, geführt worden sind. Nach § 243 Abs. 4 S. 2 StPO muss der Vorsitzende Erörterungen mit den Verfahrensbeteiligten, die nach Beginn, aber auch außerhalb der Hauptverhandlung stattgefunden haben und deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung gewesen ist, in der Hauptverhandlung mit deren wesentlichem Inhalt mitteilen. Dazu gehört zumindest die Mitteilung, welchen Standpunkt die Gesprächsteilnehmer zu einem solchen Vorschlag vertreten und wie sie sich zu den Ansichten der übrigen verhalten haben (vgl. BGH, Beschluss vom 05.08.2015, Az. 5 StR 255/15; Beschluss vom 15.01.2015, Az. 1 StR 315/14; BGHSt 60, 150; Beschluss vom 10.07.2013, Az. 2 StR 195/12; OLG Stuttgart, StraFo 2014, 152). Dieser Mitteilungs- und Dokumentationspflicht ist der Vorsitzende vorliegend nicht nachgekommen. Der nach der Einlassung des Angeklagten erfolgte Hinweis des Vorsitzenden konnte von den Verfahrensbeteiligten bei verständiger Würdigung nur so verstanden werden, dass mit dieser Äußerung zumindest ein Vorschlag über eine mögliche Verständigung unterbreitet und diesbezügliche Verständigungsgespräche angeregt werden sollten. Dementsprechend hat der Vorsitzende auch die Auffassung des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft, nämlich dass dieser der Äußerung des Vorsitzenden nicht widerspreche, im Protokoll festgehalten. Im Hauptverhandlungsprotokoll findet sich jedoch nachfolgend keine Mitteilung darüber, ob und mit welchem Ergebnis der Angeklagte und sein Verteidiger sich zu diesem Vorschlag geäußert haben, ob der Vertreter der Staatsanwaltschaft einem solchen Vorgehen ausdrücklich zugestimmt hat und ob die Kammer als Kollegialspruchkörper die „Vorstellung“ des Vorsitzenden teilte und sich an dessen Verständigungsvorschlag im Sinne eines annahmefähigen „Angebots“ zu einer Verständigung i.S.v. § 257c StPO mit der Folge gebunden sah, dass nur unter den in § 257c Abs. 4 StPO genannten Voraussetzungen Abstand von einer auf dieser Grundlage getroffenen Absprache hätte genommen werden können. Ob und ggf. welche - hier zu erwartenden und nach dem Revisionsvorbringen auch getätigten - Äußerungen die Verfahrensbeteiligten in der 16-minütigen Sitzungsunterbrechung zu der geäußerten „Vorstellung“ des Vorsitzenden abgegeben haben, bleibt nach dem Hauptverhandlungsprotokoll völlig unklar. Selbst wenn in der Sitzungspause keinerlei Gespräche geführt worden und keine diesbezüglichen Äußerungen der Verfahrensbeteiligten abgegeben worden sein sollten (was lebensfremd erscheint und dem Revisionsvorbringen widersprechen würde), bevor der Angeklagte nach Wiedereintritt in die Verhandlung die Beschränkung seiner Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch erklärte, hätte der Vorsitzende dies nach der von ihm durch seine Äußerung getätigten Anregung ausdrücklich im Protokoll im Sinne einer Negativmitteilung festhalten müssen, um der in § 243 Abs. 4 S. 2 i.V.m. § 273 Abs. 1a S. 2 StPO normierten Informations- und Dokumentationspflicht zu entsprechen. Sinn und Zweck der Vorschriften des Verständigungsgesetzes ist es, solche Unsicherheiten in Bezug auf die Frage, ob es zu einer Verständigung gekommen ist oder nicht, gerade zu verhindern. Nur dann kann dem Revisionsgericht auch die ihm gesetzlich auferlegte rechtliche Kontrolle umfassend ermöglicht werden, die nicht ausgeübt werden kann, wenn der Ablauf des Geschehens nach dem Hauptverhandlungsprotokoll im Unklaren bleibt. Darüber hinaus soll der Angeklagte vor der Entscheidung, ob er
23einem Verständigungsangebot zustimmt, und vor der Abgabe einer verständigungsbasierenden Prozesserklärung wie etwa einer Rechtsmittelbeschränkung oder eines Geständnisses über die sich daraus ergebenden rechtlichen Konsequenzen seines Handelns vollumfänglich informiert sein. Unklarheiten darüber, ob eine Verständigung getroffen worden ist, sollen nach dem Gesetz gerade vermieden werden.
24Die hier erhobene und aus den genannten Gründen auch begründete Rüge eines Verstoßes gegen die Mitteilungs- und Dokumentationspflicht nach § 243 Abs. 4 S. 2, § 273 Abs. 1 a S. 2 StPO setzt nicht voraus, dass der Angeklagte bzw. sein Verteidiger zuvor von dem Zwischenrechtsbehelf des § 238 Abs. 2 StPO Gebrauch gemacht hat (vgl. BGH, Beschluss vom 05.06.2014, Az. 2 StR 381/13).
25Auf den festgestellten Verstößen gegen die Vorschriften des Verständigungsgesetzes beruht das Urteil auch (§ 337 StPO). Ein Beruhen des Urteils auf Gesetzesverletzungen nach § 243 Abs. 4, § 257 c Abs. 3 u. 5 StPO kann grundsätzlich nie ausgeschlossen werden, wenn – wie vorliegend - zu besorgen ist, dass das Urteil auf einer gesetzeswidrigen, informellen bzw. konkludenten Absprache oder auf diesbezüglichen, nicht dokumentierten Gesprächsbemühungen beruht (vgl. BVerfGE 133, 168 unter Rdnr. 97 – 98). Schon durch das Fehlen einer umfassenden Dokumentation kann – auch im Falle einer im Ergebnis nicht zustande gekommenen Verständigung – das Prozessverhalten eines Angeklagten beeinflusst worden sein (vgl. BVerfG, NStZ 2014, 592; BGHSt 60, 150; BGH, NStZ 2014, 219). Auch bei einem (hier ebenfalls festgestellten) Verstoß gegen die Belehrungspflicht nach § 257 c Abs. 5 StPO ist im Rahmen der revisionsgerichtlichen Prüfung regelmäßig davon auszugehen, dass das Prozessverhalten des Angeklagten und damit auch das Urteil auf dem Unterlassen der Belehrung beruht (vgl. BVerfGE 133, 168, 225 unter Rdnr. 99; EuGRZ 2014, 650; NStZ-RR 2013, 315). Konkrete gegenteilige Feststellungen lassen sich vorliegend nicht treffen.
26Das Beruhen des Urteils auf den festgestellten Gesetzesverletzungen ergibt sich schließlich auch aus folgender Überlegung: Da davon auszugehen ist, dass die von dem Angeklagten erklärte Berufungsbeschränkung auf der Grundlage einer unzulässigen und damit unwirksamen informellen Verständigung und einem damit einhergehenden Verstoß gegen § 243 Abs. 4 S. 2, § 257 c Abs. 3 u. 5 StPO erfolgte, ist – sofern man nicht mit einem Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung daraus bereits die Unwirksamkeit dieser Prozesserklärung ableitet (vgl. OLG Stuttgart, StV 2014, 397; OLG München, StV 2014, 79), jedenfalls aus Gründen des fairen Verfahrens eine vollständige Rückabwicklung der getroffenen Verständigung dergestalt vorzunehmen, dass der Angeklagte so zu stellen ist, als habe er die Berufungsbeschränkung nicht erklärt (vgl. OLG Hamburg, StV 2015, 280; ähnlich KG, StV 2012, 654). Das Berufungsgericht hätte daher bei dieser Sachlage und zutreffender rechtlicher Bewertung eigene Feststellungen zur Schuldfrage treffen müssen. Solche Feststellungen hat es aber im Hinblick auf die vermeintlich wirksame bzw. unanfechtbare Berufungsbeschränkung nicht getroffen. Diese Folgen des festgestellten Gesetzesverstoßes wird auch die nach der beschlossenen Aufhebung und Zurückverweisung mit der neuen Verhandlung und Entscheidung befasste Berufungskammer zu beachten haben.
27Nach alledem unterliegt das angefochtene Urteil der Aufhebung.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 29. Dez. 2015 - 2 RVs 47/15
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 29. Dez. 2015 - 2 RVs 47/15
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Urteil einreichenOberlandesgericht Hamm Beschluss, 29. Dez. 2015 - 2 RVs 47/15 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).
(1) Wird in dem Urteil die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt, so trifft das Gericht die in den §§ 56a bis 56d und 59a des Strafgesetzbuches bezeichneten Entscheidungen durch Beschluß; dieser ist mit dem Urteil zu verkünden.
(2) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn in dem Urteil eine Maßregel der Besserung und Sicherung zur Bewährung ausgesetzt oder neben der Strafe Führungsaufsicht angeordnet wird und das Gericht Entscheidungen nach den §§ 68a bis 68c des Strafgesetzbuches trifft.
(3) Der Vorsitzende belehrt den Angeklagten über die Bedeutung der Aussetzung der Strafe oder Maßregel zur Bewährung, der Verwarnung mit Strafvorbehalt oder der Führungsaufsicht, über die Dauer der Bewährungszeit oder der Führungsaufsicht, über die Auflagen und Weisungen sowie über die Möglichkeit des Widerrufs der Aussetzung oder der Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe (§ 56f Abs. 1, §§ 59b, 67g Abs. 1 des Strafgesetzbuches). Erteilt das Gericht dem Angeklagten Weisungen nach § 68b Abs. 1 des Strafgesetzbuches, so belehrt der Vorsitzende ihn auch über die Möglichkeit einer Bestrafung nach § 145a des Strafgesetzbuches. Die Belehrung ist in der Regel im Anschluß an die Verkündung des Beschlusses nach den Absätzen 1 oder 2 zu erteilen. Wird die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zur Bewährung ausgesetzt, so kann der Vorsitzende von der Belehrung über die Möglichkeit des Widerrufs der Aussetzung absehen.
(1) Das Protokoll muß den Gang und die Ergebnisse der Hauptverhandlung im wesentlichen wiedergeben und die Beachtung aller wesentlichen Förmlichkeiten ersichtlich machen, auch die Bezeichnung der verlesenen Urkunden oder derjenigen, von deren Verlesung nach § 249 Abs. 2 abgesehen worden ist, sowie die im Laufe der Verhandlung gestellten Anträge, die ergangenen Entscheidungen und die Urteilsformel enthalten. In das Protokoll muss auch der wesentliche Ablauf und Inhalt einer Erörterung nach § 257b aufgenommen werden.
(1a) Das Protokoll muss auch den wesentlichen Ablauf und Inhalt sowie das Ergebnis einer Verständigung nach § 257c wiedergeben. Gleiches gilt für die Beachtung der in § 243 Absatz 4, § 257c Absatz 4 Satz 4 und Absatz 5 vorgeschriebenen Mitteilungen und Belehrungen. Hat eine Verständigung nicht stattgefunden, ist auch dies im Protokoll zu vermerken.
(2) Aus der Hauptverhandlung vor dem Strafrichter und dem Schöffengericht sind außerdem die wesentlichen Ergebnisse der Vernehmungen in das Protokoll aufzunehmen; dies gilt nicht, wenn alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel verzichten oder innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt wird. Der Vorsitzende kann anordnen, dass anstelle der Aufnahme der wesentlichen Vernehmungsergebnisse in das Protokoll einzelne Vernehmungen im Zusammenhang als Tonaufzeichnung zur Akte genommen werden. § 58a Abs. 2 Satz 1 und 3 bis 6 gilt entsprechend.
(3) Kommt es auf die Feststellung eines Vorgangs in der Hauptverhandlung oder des Wortlauts einer Aussage oder einer Äußerung an, so hat der Vorsitzende von Amts wegen oder auf Antrag einer an der Verhandlung beteiligten Person die vollständige Protokollierung und Verlesung anzuordnen. Lehnt der Vorsitzende die Anordnung ab, so entscheidet auf Antrag einer an der Verhandlung beteiligten Person das Gericht. In dem Protokoll ist zu vermerken, daß die Verlesung geschehen und die Genehmigung erfolgt ist oder welche Einwendungen erhoben worden sind.
(4) Bevor das Protokoll fertiggestellt ist, darf das Urteil nicht zugestellt werden.
(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.
(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.
(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.
(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.
(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.
(1) Das Protokoll muß den Gang und die Ergebnisse der Hauptverhandlung im wesentlichen wiedergeben und die Beachtung aller wesentlichen Förmlichkeiten ersichtlich machen, auch die Bezeichnung der verlesenen Urkunden oder derjenigen, von deren Verlesung nach § 249 Abs. 2 abgesehen worden ist, sowie die im Laufe der Verhandlung gestellten Anträge, die ergangenen Entscheidungen und die Urteilsformel enthalten. In das Protokoll muss auch der wesentliche Ablauf und Inhalt einer Erörterung nach § 257b aufgenommen werden.
(1a) Das Protokoll muss auch den wesentlichen Ablauf und Inhalt sowie das Ergebnis einer Verständigung nach § 257c wiedergeben. Gleiches gilt für die Beachtung der in § 243 Absatz 4, § 257c Absatz 4 Satz 4 und Absatz 5 vorgeschriebenen Mitteilungen und Belehrungen. Hat eine Verständigung nicht stattgefunden, ist auch dies im Protokoll zu vermerken.
(2) Aus der Hauptverhandlung vor dem Strafrichter und dem Schöffengericht sind außerdem die wesentlichen Ergebnisse der Vernehmungen in das Protokoll aufzunehmen; dies gilt nicht, wenn alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel verzichten oder innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt wird. Der Vorsitzende kann anordnen, dass anstelle der Aufnahme der wesentlichen Vernehmungsergebnisse in das Protokoll einzelne Vernehmungen im Zusammenhang als Tonaufzeichnung zur Akte genommen werden. § 58a Abs. 2 Satz 1 und 3 bis 6 gilt entsprechend.
(3) Kommt es auf die Feststellung eines Vorgangs in der Hauptverhandlung oder des Wortlauts einer Aussage oder einer Äußerung an, so hat der Vorsitzende von Amts wegen oder auf Antrag einer an der Verhandlung beteiligten Person die vollständige Protokollierung und Verlesung anzuordnen. Lehnt der Vorsitzende die Anordnung ab, so entscheidet auf Antrag einer an der Verhandlung beteiligten Person das Gericht. In dem Protokoll ist zu vermerken, daß die Verlesung geschehen und die Genehmigung erfolgt ist oder welche Einwendungen erhoben worden sind.
(4) Bevor das Protokoll fertiggestellt ist, darf das Urteil nicht zugestellt werden.
(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.
(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.
(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.
(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.
(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.
Bei der Bekanntmachung einer Entscheidung, die durch ein befristetes Rechtsmittel angefochten werden kann, ist der Betroffene über die Möglichkeiten der Anfechtung und die dafür vorgeschriebenen Fristen und Formen zu belehren. Bei der Bekanntmachung eines Urteils ist der Angeklagte auch über die Rechtsfolgen des § 40 Absatz 3 und des § 350 Absatz 2 sowie, wenn gegen das Urteil Berufung zulässig ist, über die Rechtsfolgen der §§ 329 und 330 zu belehren. Ist einem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist der Betroffene auch darüber zu belehren, dass er in jedem Fall frei in seiner Entscheidung ist, ein Rechtsmittel einzulegen.
(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.
(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.
(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.
(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.
(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.
(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.
(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.
(1) Das Protokoll muß den Gang und die Ergebnisse der Hauptverhandlung im wesentlichen wiedergeben und die Beachtung aller wesentlichen Förmlichkeiten ersichtlich machen, auch die Bezeichnung der verlesenen Urkunden oder derjenigen, von deren Verlesung nach § 249 Abs. 2 abgesehen worden ist, sowie die im Laufe der Verhandlung gestellten Anträge, die ergangenen Entscheidungen und die Urteilsformel enthalten. In das Protokoll muss auch der wesentliche Ablauf und Inhalt einer Erörterung nach § 257b aufgenommen werden.
(1a) Das Protokoll muss auch den wesentlichen Ablauf und Inhalt sowie das Ergebnis einer Verständigung nach § 257c wiedergeben. Gleiches gilt für die Beachtung der in § 243 Absatz 4, § 257c Absatz 4 Satz 4 und Absatz 5 vorgeschriebenen Mitteilungen und Belehrungen. Hat eine Verständigung nicht stattgefunden, ist auch dies im Protokoll zu vermerken.
(2) Aus der Hauptverhandlung vor dem Strafrichter und dem Schöffengericht sind außerdem die wesentlichen Ergebnisse der Vernehmungen in das Protokoll aufzunehmen; dies gilt nicht, wenn alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel verzichten oder innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt wird. Der Vorsitzende kann anordnen, dass anstelle der Aufnahme der wesentlichen Vernehmungsergebnisse in das Protokoll einzelne Vernehmungen im Zusammenhang als Tonaufzeichnung zur Akte genommen werden. § 58a Abs. 2 Satz 1 und 3 bis 6 gilt entsprechend.
(3) Kommt es auf die Feststellung eines Vorgangs in der Hauptverhandlung oder des Wortlauts einer Aussage oder einer Äußerung an, so hat der Vorsitzende von Amts wegen oder auf Antrag einer an der Verhandlung beteiligten Person die vollständige Protokollierung und Verlesung anzuordnen. Lehnt der Vorsitzende die Anordnung ab, so entscheidet auf Antrag einer an der Verhandlung beteiligten Person das Gericht. In dem Protokoll ist zu vermerken, daß die Verlesung geschehen und die Genehmigung erfolgt ist oder welche Einwendungen erhoben worden sind.
(4) Bevor das Protokoll fertiggestellt ist, darf das Urteil nicht zugestellt werden.
(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.
(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.
(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.
(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.
(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.
(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.
(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind.
(2) Die Zeugen verlassen den Sitzungssaal. Der Vorsitzende vernimmt den Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse.
(3) Darauf verliest der Staatsanwalt den Anklagesatz. Dabei legt er in den Fällen des § 207 Abs. 3 die neue Anklageschrift zugrunde. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 3 trägt der Staatsanwalt den Anklagesatz mit der dem Eröffnungsbeschluß zugrunde liegenden rechtlichen Würdigung vor; außerdem kann er seine abweichende Rechtsauffassung äußern. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 4 berücksichtigt er die Änderungen, die das Gericht bei der Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung beschlossen hat.
(4) Der Vorsitzende teilt mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben.
(5) Sodann wird der Angeklagte darauf hingewiesen, daß es ihm freistehe, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Ist der Angeklagte zur Äußerung bereit, so wird er nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 zur Sache vernommen. Auf Antrag erhält der Verteidiger in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, Gelegenheit, vor der Vernehmung des Angeklagten für diesen eine Erklärung zur Anklage abzugeben, die den Schlussvortrag nicht vorwegnehmen darf. Der Vorsitzende kann dem Verteidiger aufgeben, die weitere Erklärung schriftlich einzureichen, wenn ansonsten der Verfahrensablauf erheblich verzögert würde; § 249 Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend. Vorstrafen des Angeklagten sollen nur insoweit festgestellt werden, als sie für die Entscheidung von Bedeutung sind. Wann sie festgestellt werden, bestimmt der Vorsitzende.
(1) Das Protokoll muß den Gang und die Ergebnisse der Hauptverhandlung im wesentlichen wiedergeben und die Beachtung aller wesentlichen Förmlichkeiten ersichtlich machen, auch die Bezeichnung der verlesenen Urkunden oder derjenigen, von deren Verlesung nach § 249 Abs. 2 abgesehen worden ist, sowie die im Laufe der Verhandlung gestellten Anträge, die ergangenen Entscheidungen und die Urteilsformel enthalten. In das Protokoll muss auch der wesentliche Ablauf und Inhalt einer Erörterung nach § 257b aufgenommen werden.
(1a) Das Protokoll muss auch den wesentlichen Ablauf und Inhalt sowie das Ergebnis einer Verständigung nach § 257c wiedergeben. Gleiches gilt für die Beachtung der in § 243 Absatz 4, § 257c Absatz 4 Satz 4 und Absatz 5 vorgeschriebenen Mitteilungen und Belehrungen. Hat eine Verständigung nicht stattgefunden, ist auch dies im Protokoll zu vermerken.
(2) Aus der Hauptverhandlung vor dem Strafrichter und dem Schöffengericht sind außerdem die wesentlichen Ergebnisse der Vernehmungen in das Protokoll aufzunehmen; dies gilt nicht, wenn alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel verzichten oder innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt wird. Der Vorsitzende kann anordnen, dass anstelle der Aufnahme der wesentlichen Vernehmungsergebnisse in das Protokoll einzelne Vernehmungen im Zusammenhang als Tonaufzeichnung zur Akte genommen werden. § 58a Abs. 2 Satz 1 und 3 bis 6 gilt entsprechend.
(3) Kommt es auf die Feststellung eines Vorgangs in der Hauptverhandlung oder des Wortlauts einer Aussage oder einer Äußerung an, so hat der Vorsitzende von Amts wegen oder auf Antrag einer an der Verhandlung beteiligten Person die vollständige Protokollierung und Verlesung anzuordnen. Lehnt der Vorsitzende die Anordnung ab, so entscheidet auf Antrag einer an der Verhandlung beteiligten Person das Gericht. In dem Protokoll ist zu vermerken, daß die Verlesung geschehen und die Genehmigung erfolgt ist oder welche Einwendungen erhoben worden sind.
(4) Bevor das Protokoll fertiggestellt ist, darf das Urteil nicht zugestellt werden.
Die Beobachtung der für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden. Gegen den diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt des Protokolls ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.
Im übrigen gelten die im sechsten Abschnitt des zweiten Buches über die Hauptverhandlung gegebenen Vorschriften.
Das Gericht kann in der Hauptverhandlung den Stand des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten erörtern, soweit dies geeignet erscheint, das Verfahren zu fördern.
(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind.
(2) Die Zeugen verlassen den Sitzungssaal. Der Vorsitzende vernimmt den Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse.
(3) Darauf verliest der Staatsanwalt den Anklagesatz. Dabei legt er in den Fällen des § 207 Abs. 3 die neue Anklageschrift zugrunde. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 3 trägt der Staatsanwalt den Anklagesatz mit der dem Eröffnungsbeschluß zugrunde liegenden rechtlichen Würdigung vor; außerdem kann er seine abweichende Rechtsauffassung äußern. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 4 berücksichtigt er die Änderungen, die das Gericht bei der Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung beschlossen hat.
(4) Der Vorsitzende teilt mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben.
(5) Sodann wird der Angeklagte darauf hingewiesen, daß es ihm freistehe, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Ist der Angeklagte zur Äußerung bereit, so wird er nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 zur Sache vernommen. Auf Antrag erhält der Verteidiger in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, Gelegenheit, vor der Vernehmung des Angeklagten für diesen eine Erklärung zur Anklage abzugeben, die den Schlussvortrag nicht vorwegnehmen darf. Der Vorsitzende kann dem Verteidiger aufgeben, die weitere Erklärung schriftlich einzureichen, wenn ansonsten der Verfahrensablauf erheblich verzögert würde; § 249 Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend. Vorstrafen des Angeklagten sollen nur insoweit festgestellt werden, als sie für die Entscheidung von Bedeutung sind. Wann sie festgestellt werden, bestimmt der Vorsitzende.
Die Beobachtung der für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden. Gegen den diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt des Protokolls ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.
(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind.
(2) Die Zeugen verlassen den Sitzungssaal. Der Vorsitzende vernimmt den Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse.
(3) Darauf verliest der Staatsanwalt den Anklagesatz. Dabei legt er in den Fällen des § 207 Abs. 3 die neue Anklageschrift zugrunde. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 3 trägt der Staatsanwalt den Anklagesatz mit der dem Eröffnungsbeschluß zugrunde liegenden rechtlichen Würdigung vor; außerdem kann er seine abweichende Rechtsauffassung äußern. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 4 berücksichtigt er die Änderungen, die das Gericht bei der Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung beschlossen hat.
(4) Der Vorsitzende teilt mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben.
(5) Sodann wird der Angeklagte darauf hingewiesen, daß es ihm freistehe, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Ist der Angeklagte zur Äußerung bereit, so wird er nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 zur Sache vernommen. Auf Antrag erhält der Verteidiger in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, Gelegenheit, vor der Vernehmung des Angeklagten für diesen eine Erklärung zur Anklage abzugeben, die den Schlussvortrag nicht vorwegnehmen darf. Der Vorsitzende kann dem Verteidiger aufgeben, die weitere Erklärung schriftlich einzureichen, wenn ansonsten der Verfahrensablauf erheblich verzögert würde; § 249 Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend. Vorstrafen des Angeklagten sollen nur insoweit festgestellt werden, als sie für die Entscheidung von Bedeutung sind. Wann sie festgestellt werden, bestimmt der Vorsitzende.
Tenor
-
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 11. Dezember 2014 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
-
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
- 1
-
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die auf eine Verfahrensrüge und die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO).
- 2
-
Näherer Erörterung bedarf nur die Rüge eines Verstoßes „gegen die Vorschriften zur Transparenz und Dokumentation von Verständigungsgesprächen (§§ 243 Abs. 4 Satz 2, 273 Abs. 1a Satz 2 StPO)". Die Revision beanstandet, der Vorsitzende habe den Inhalt eines am letzten Verhandlungstag mit dem Ziel einer Verständigung geführten Vorgesprächs außerhalb der Hauptverhandlung nicht in einem den Anforderungen des § 243 Abs. 4 StPO genügenden Umfang mitgeteilt.
- 3
-
1. Im Wesentlichen liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
- 4
-
Am 13. Verhandlungstag (11. Dezember 2014) bat der Instanzverteidiger des Angeklagten im Rahmen der Hauptverhandlung die beiden Berufsrichter der Strafkammer und den Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft um ein Gespräch im Hinblick auf eine mögliche Verständigung. Zu diesem Zeitpunkt stand nach im Wesentlichen durchgeführter Beweisaufnahme nur noch die Erstattung eines Gutachtens zur Übersetzung der Tonaufzeichnungen von überwachten Telefon- und Fahrzeuginnenraumgesprächen an, zu deren Inhalt schon Ermittlungsbeamte als Zeugen gehört worden waren. Der Angeklagte hatte sich bisher in der Hauptverhandlung nicht zur Sache eingelassen und lediglich in einem nach dem neunten Verhandlungstag an die Strafkammer geschriebenen Brief vom 9. November 2014 den Tatvorwurf bestritten, als Mitglied einer Bande an der Einfuhr von jedenfalls 28,7 kg Kokain aus Südamerika zum gewinnbringenden Weiterverkauf mitgewirkt zu haben. In dem Brief hatte er sich als Opfer eines Missbrauchs durch ein gesondert verurteiltes Mitglied der Rauschgifthändlerbande dargestellt. Daraufhin hatte auf Anregung des Instanzverteidigers des Angeklagten im Anschluss an den zehnten Verhandlungstag eine Besprechung mit den Berufsrichtern und dem Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft stattgefunden, in der man sich ohne Verständigungsbezug über Einschätzungen der Beweislage und Aspekte der Beweiswürdigung ausgetauscht hatte. In einem hierüber von ihm angelegten Vermerk hielt der Vorsitzende fest, dass „keiner der am Gespräch Beteiligten sich hinsichtlich der Verurteilungswahrscheinlichkeit und einer Straferwartung fest(legte)“. Ebenso wie eine Übersetzung des Briefes des Angeklagten war am folgenden Fortsetzungstermin auch dieser Besprechungsvermerk verlesen worden, dessen Inhalt als zutreffende Gesprächswiedergabe vom Vertreter der Staatsanwaltschaft und vom Instanzverteidiger bestätigt wurde.
- 5
-
Auf die vom Instanzverteidiger am 13. Verhandlungstag geäußerte Bitte um ein Verständigungsvorgespräch wurde die Hauptverhandlung unterbrochen. Während in der anschließenden zwanzigminütigen Besprechung der Vertreter der Staatsanwaltschaft, der den Angeklagten nach vorläufiger Bewertung des Ergebnisses der Beweisaufnahme nicht für den Kopf der Bande hielt, bei einem Geständnis eine Freiheitsstrafe im Bereich von sechs Jahren für schuldangemessen erachtete, meinte der Instanzverteidiger, dass die Strafe auch noch darunter liegen könne. Der Vorsitzende trat dieser Auffassung zunächst unter Hinweis auf eine möglicherweise gewichtiger zu bewertende Rolle des Angeklagten in dem Tatgeschehen entgegen und erklärte, dass auch eine deutlich höhere Freiheitsstrafe in Betracht käme. Soweit der Revisionsverteidiger zu den geäußerten Straferwartungen weitergehend vorgetragen hat, der Vorsitzende habe „sinngemäß" zum Ausdruck gebracht, dass der Angeklagte ohne umfassendes Geständnis eine Freiheitsstrafe im zweistelligen Bereich zu erwarten habe, hat dies keine Bestätigung gefunden. Der Vorsitzende Richter und der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft haben in ihren dienstlichen Äußerungen übereinstimmend dem diesbezüglichen Revisionsvortrag widersprochen; dieser stützte sich auf eine ohnehin eher vage Erklärung des Instanzverteidigers, der an „Ablauf und Inhalt" des Vorgesprächs „im Einzelnen keine sichere Erinnerung mehr" hatte.
- 6
-
Im weiteren Verlauf der Besprechung erzielten die Gesprächsteilnehmer Einvernehmen über eine mögliche Verständigung. Hierüber fertigte der Vorsitzende einen Gesprächsvermerk folgenden Inhalts:
- 7
-
„Für den Fall eines reuevollen Geständnisses des Inhalts, dass der Angeklagte den Geldtransport organisieren sollte und dafür auch Kurierinnen hat anwerben können, so dass er sich insoweit als Mitglied einer Bande des unerlaubten Handeltreibens und der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge strafbar gemacht hat, stellt die Kammer die Verhängung einer Freiheitsstrafe im Bereich von fünf bis sieben Jahren Freiheitsstrafe in Aussicht. Insoweit haben sich Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Berufsrichter verständigt - es bedarf aber noch der Beratung mit den Schöffen und der Zustimmung des Angeklagten".
- 8
-
Nach Beendigung des Gesprächs unterrichtete der Instanzverteidiger den Angeklagten über das Ergebnis des Gesprächs. Er teilte ihm mit, dass er den vereinbarten Strafrahmen für ein gutes Ergebnis halte, und besprach mit ihm den Inhalt einer Einlassung, die den Bedingungen der Verständigung entsprechen würde. In der sodann fortgesetzten Hauptverhandlung verlas der Vorsitzende zur Unterrichtung über den Inhalt des Verständigungsvorgesprächs seinen Gesprächsvermerk, der als Anlage zu Protokoll genommen wurde. Nach der anschließenden Beratung der Strafkammer gab der Vorsitzende bekannt, dass das Gericht eine Verständigung entsprechend dem im Vermerk niedergelegten Inhalt vorschlage. Der zuvor gemäß § 257c Abs. 5 StPO belehrte Angeklagte und der Vertreter der Staatsanwaltschaft erklärten ihre Zustimmung. Daraufhin wurde dem im Verfahren tätigen Dolmetscher mitgeteilt, dass seine Dienste als (Sprach-)Sachverständiger nicht mehr benötigt würden, und der Angeklagte ließ sich geständig zur Sache ein; dabei ergänzte und präzisierte er auf Nachfragen der Strafkammer seine Angaben (UA S. 17). Das Verfahren endete noch am selben Hauptverhandlungstag mit Urteil.
- 9
-
Das Landgericht hat in dem angefochtenen Urteil seine Feststellung auf das Geständnis des Angeklagten gestützt, das in Einklang mit den Zeugenaussagen von vier gesondert verurteilten jeweils geständigen Tatbeteiligten stand und durch vielfältige Ergebnisse der polizeilichen Überwachung von Teilen des Tatgeschehens und dessen Vorbereitung ergänzt und bestätigt wurde (UA S. 7 f., 9, 18). Soweit darüber hinaus zwei weitere Mittäter in ihren früheren geständigen Einlassungen im Rahmen der gegen sie geführten Strafverfahren den Angeklagten überschießend belastet hatten, hat das Landgericht diesen Angaben keinen Beweiswert zugemessen, der die Glaubhaftigkeit des Geständnisses des Angeklagten in Frage gestellt hätte (UA S. 17, 19).
- 10
-
2. Die Erklärung des Vorsitzenden über das Verständigungsvorgespräch vom 11. Dezember 2014 hat die Informationspflicht aus § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO verletzt.
- 11
-
Nach dieser Vorschrift muss der Vorsitzende zu Erörterungen mit den Verfahrensbeteiligten (§ 212 i.V.m. § 202a StPO), die nach Beginn, aber außerhalb der Hauptverhandlung stattgefunden haben und deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung gewesen ist, in der Hauptverhandlung deren wesentlichen Inhalt mitteilen. Hierzu zählt zumindest, welchen Standpunkt die Gesprächsteilnehmer vertreten und wie sie sich zu den Ansichten der übrigen verhalten haben (vgl. BVerfGE 133, 168, 217 Rn. 85; BGH, Urteil vom 10. Juli 2013 - 2 StR 195/12, BGHSt 58, 310, 313; Beschlüsse vom 14. Juli 2014 - 5 StR 217/14, NStZ-RR 2014, 315, 316, vom 11. Februar 2015 - 1 StR 335/14, NStZ 2015, 416, und vom 25. Februar 2015 - 4 StR 470/14, NStZ 2015, 353, 354).
- 12
-
Dieser Anforderung an eine der Informationspflicht des § 243 Abs. 4 StPO genügenden Mitteilung entsprach die Erklärung des Vorsitzenden nicht, da sie lediglich das Ergebnis der Besprechung mit dem von den Gesprächsteilnehmern abgestimmten Verständigungsvorschlag wiedergab. Zum Inhalt der diesem Vorschlag vorausgegangenen Erörterung und insbesondere zu den von den Beteiligten vertretenen Standpunkten enthielt der verlesene Gesprächsvermerk keine Angaben.
- 13
-
3. Zwar führt ein Verstoß gegen die Transparenz- und Dokumentationspflichten grundsätzlich zur Rechtswidrigkeit einer gleichwohl getroffenen Verständigung und hat zur Folge, dass ein Beruhen des Urteils auf diesem Gesetzesverstoß regelmäßig schon deshalb nicht auszuschließen ist, weil die Verständigung, auf der das Urteil beruht, ihrerseits mit einem Gesetzesverstoß behaftet ist (BVerfGE 133, 168, 223 Rn. 97). Nach Auffassung des Senats liegt jedoch unter den hier gegebenen Umständen ein Ausnahmefall vor, in dem ein Beruhen des Urteils auf dem Rechtsverstoß (§ 337 Abs. 1 StPO) sicher auszuschließen ist. Dass ein Ausschluss des Beruhens bei Verletzung der Mitteilungs- und Dokumentationspflichten in Ausnahmefällen unter Berücksichtigung von Art und Schwere des Gesetzesverstoßes möglich ist, entspricht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE aaO; BVerfG [Kammer], Beschluss vom 15. Januar 2015 - 2 BvR 878/14, NJW 2015, 1235, 1237; siehe auch BGH, Urteil vom 14. April 2015 - 5 StR 20/15; Beschluss vom 15. Januar 2015 - 1 StR 315/14, NJW 2015, 645, 646).
- 14
-
a) Bei der danach gebotenen wertenden Gesamtbetrachtung fällt hier ins Gewicht, dass die Initiative für das Verständigungsvorgespräch von Seiten der Verteidigung in öffentlicher Hauptverhandlung erfolgte. Damit war sowohl für die Öffentlichkeit als auch für sämtliche Verfahrensbeteiligten nicht nur das Thema des durchzuführenden Gesprächs, sondern auch der Umstand offenkundig, dass die Frage nach einer Verständigung von der Verteidigung aufgeworfen worden war. Der Weg zu der Verständigung hin war hierdurch offengelegt. Soweit die Revision in diesem Zusammenhang beanstandet, dass maßgebliche - möglicherweise von einer Informationspflicht umfasste - Gründe für die Verständigung im Dunkeln geblieben seien, trägt sie selbst nicht vor, dass etwa der Instanzverteidiger in dem Vorgespräch überhaupt Ausführungen dazu gemacht hätte, was ihn zu der Anregung einer Verständigung bewogen habe. Zudem kann auch nach dem weiteren Verfahrensablauf, bei dem die Bestimmungen des § 257c StPO für ein regelhaftes Zustandekommen einer Verständigung vom Gericht eingehalten worden sind, mit Gewissheit ausgeschlossen werden, dass das Gespräch auf eine gesetzwidrige Absprache gerichtet war.
- 15
-
Gemessen an der Bandbreite möglicher Verstöße gegen die Mitteilungspflicht nach § 243 Abs. 4 StPO (vgl. BVerfG [Kammer], Beschluss vom 15. Januar 2015 - 2 BvR 878/14, aaO; Beschluss vom 15. Januar 2015 - 1 StR 315/14, aaO) ist die Gesetzesverletzung unter dem Aspekt des Transparenzgebotes und des Gebotes des fairen Verfahrens überdies nicht als gewichtig anzusehen: Eine Unterrichtung über die Besprechung wurde nicht gänzlich unterlassen, sondern fand als solche mit Bekanntgabe ihres Ergebnisses statt. Mit dem damit verbundenen Hinweis auf eine gemeinsame Verständigung über den unterbreiteten vorläufigen, unter dem Vorbehalt abschließender Kammerberatung stehenden Vorschlag war klar, dass nicht nur die Berufsrichter, sondern auch der Vertreter der Staatsanwaltschaft die von der Verteidigung aufgeworfene Frage nach einer Verständigung zustimmend beantwortet hatten. Die nicht mitgeteilten, allerdings nicht weit voneinander entfernten Sanktionsvorstellungen des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft und des Instanzverteidigers lagen von vornherein innerhalb des alsbald gemeinsam mit den Berufsrichtern abgestimmten Strafrahmens. Soweit beide Gesprächsteilnehmer ihre Straferwartungen mit Zumessungsgesichtspunkten näher begründet haben sollten - was die Revision nicht vorträgt -, wäre eine Mitteilung über Einzelheiten ihrer Argumentation von der Informationspflicht des § 243 Abs. 4 StPO ohnehin nicht umfasst gewesen (BGH, Beschluss vom 11. Februar 2015 - 1 StR 335/14, aaO). Nach dem mit der dienstlichen Äußerung des Vertreters der Staatsanwaltschaft übereinstimmenden Revisionsvortrag nahm der Vorsitzende erst im Anschluss an die Äußerung des Instanzverteidigers zu dessen Sanktionsvorstellung ablehnend Stellung. Von dieser Stellungnahme mag die schließlich vorgeschlagene Obergrenze der Strafe beeinflusst worden sein. Völlig fernliegend ist allerdings angesichts der Initiative des Instanzverteidigers für eine Verständigung, der unmittelbar vor ihrem Abschluss stehenden Beweisaufnahme und des nach dem zehnten Hauptverhandlungstag bereits unter den Besprechungsteilnehmern erfolgten Austauschs über Einschätzungen der Beweislage und Aspekte der Beweiswürdigung, dass der Vorsitzende mit seiner Stellungnahme auf das Zustandekommen einer Verständigung gedrängt haben und ein entsprechender Druck durch die Unvollständigkeit seiner späteren Mitteilung nicht offengelegt worden sein könnte.
- 16
-
b) Aufgrund dieser Besonderheiten kann der Senat darüber hinaus sicher ausschließen, dass das infolge der unvollständigen gerichtlichen Mitteilung sowie Dokumentation beim Angeklagten hervorgerufene Informationsdefizit dessen Selbstbelastungsfreiheit in irgendwie fassbarer Weise beeinträchtigt haben könnte und das Landgericht ohne den Rechtsfehler zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Dass sich die fehlende Information über die unterschiedlichen Straferwartungen der Gesprächsteilnehmer, die sich innerhalb des nachfolgend von ihnen abgestimmten Strafrahmens hielten, auf die Fähigkeit des Angeklagten zu autonomer Willensbildung ausgewirkt haben könnte, ist nicht erkennbar.
- 17
-
4. Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung der Protokollierungspflicht aus § 273 Abs. 1a Satz 2 i.V.m. § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO rügt, liegt bereits nach seinem Vortrag ein Rechtsfehler nicht vor. Denn das Protokoll gibt die - tatsächlich unvollständige - Mitteilung und damit den Gang der Hauptverhandlung gerade zutreffend wieder (vgl. BGH, Urteil vom 14. April 2015 - 5 StR 20/15; Beschlüsse vom 15. April 2014 - 3 StR 89/14, NStZ 2014, 418, und vom 15. Januar 2015 - 1 StR 315/14, aaO).
-
Schneider
Dölp
Berger
Bellay
Schneider
(RiBGH Dr. Feilcke ist
wegen urlaubsbedingter
Abwesenheit an der
Unterschrift gehindert)
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung und versuchter Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).
- 2
- 1. Der Beanstandung des Angeklagten liegt im Wesentlichen folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
- 3
- Auf Anregung der Verteidigung des Angeklagten fand im Zwischenverfahren am 15. Dezember 2011 ein Rechtsgespräch mit dem Ziel einer Verständigung statt. An diesem Gespräch nahmen die Berufsrichter der Strafkammer, der Verteidiger des Angeklagten, die Verteidiger der drei nicht revidierenden Mitangeklagten und zwei Vertreter der Staatsanwaltschaft teil. Die Kammer signalisierte Bereitschaft, den Prozessstoff im Falle einer Verständigung auf eine der drei angeklagten Taten zu beschränken. Die Vertreter der Staatsanwalt- schaft äußerten sich zu ihrer Straferwartung dergestalt, dass bei Geständnisbereitschaft der Angeklagten Strafhöhen im bewährungsfähigen Bereich denkbar seien. Nachdem auch die Verteidiger der Angeklagten zu ihren Erwartungen über das Verfahrensergebnis Stellung bezogen hatten, endete das Rechtsgespräch ohne Ergebnis.
- 4
- Am ersten Hauptverhandlungstag, dem 8. Januar 2013, nahm der Vorsitzende folgende Mitteilung ins Protokoll auf:
- 5
- „Es wurde festgestellt, dass im Vorfeld der Hauptverhandlung Erörterun- gen mit den Prozessbeteiligten gemäß § 243 Abs. 4 n.F. stattgefunden haben. Am 15. Dezember 2011 fand ein Gespräch mit den Prozessbeteiligten statt mit dem Ziel einer Möglichkeit der Verständigung. Im Ergebnis wurde keine Einigung erzielt.“
- 6
- Der Angeklagte ließ sich am ersten Verhandlungstag in Gestalt einer Erklärung seines Verteidigers umfassend zur Sache ein.
- 7
- Auf Anregung der Verteidigung des Angeklagten fand am siebten Hauptverhandlungstag während laufender Hauptverhandlung erneut ein Rechtsgespräch mit dem Ziel der Verständigung über den Verfahrensausgang statt, welches ebenfalls nicht zu einer Einigung führte. Ein weiterer ergebnisloser Verständigungsversuch trug sich außerhalb der Hauptverhandlung am 14. Hauptverhandlungstag zu. In das Protokoll über die Hauptverhandlung fand dieser Eingang wie folgt:
- 8
- „In der Verhandlungspause haben die Berufsrichter, die Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft, die Vertreter des Finanzamtes und die Verteidi- ger die Sach- und Rechtslage erörtert. Auch in diesem Gespräch ist es zu keiner Einigung gekommen.“
- 9
- Der Angeklagte war durch seine Verteidiger über den Inhalt der geführten Gespräche jeweils informiert worden.
- 10
- Die Revision rügt, das Landgericht habe seinen sich aus § 243 Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO ergebenden Mitteilungspflichten nicht genügt; auf der unzureichenden Transparenz der ohne den Angeklagten geführten Gespräche beruhe das Urteil, obschon dieser von seinem Verteidiger darüber unterrichtet worden sei, denn es könne nicht ausgeschlossen werden, dass dieser sein Prozessverhalten bei gesetzmäßiger Unterrichtung durch den Vorsitzenden anders ausgerichtet hätte.
- 11
- 2. Die Verfahrensrüge ist begründet. Das Landgericht hat seine Informationspflicht aus § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO bereits in Bezug auf die im Zwischenverfahren erfolgten Verständigungsgespräche verletzt. Unter den hier konkret gegebenen Umständen kann der Senat nicht ausschließen, dass das Urteil auf dem Rechtsverstoß beruht.
- 12
- a) Allerdings liegt, soweit die Revision mit Blick auf die erfolgten Verständigungsgespräche eine Verletzung der Protokollierungspflicht aus § 273 Abs. 1a Satz 2 i.V.m. § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO rügt, ein Rechtsfehler bereits nach ihrem Vortrag nicht vor. Nach § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO muss das Protokoll u.a. die Beachtung der in § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO vorgeschriebenen Mitteilungen wiedergeben. Wird entgegen § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO eine Erörterung , die vor der Eröffnung des Hauptverfahrens stattgefunden hat (§ 202a StPO), nach Beginn der Hauptverhandlung nicht bekannt gemacht und damit die Informationspflicht nicht beachtet, so ergibt sich aus dem Schweigen des Protokolls kein zusätzlicher Rechtsfehler; im Gegenteil gibt dieses den Gang der Hauptverhandlung gerade zutreffend wieder (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 2013 - 2 StR 195/12, BGHSt 58, 310, 312 f.; Beschluss vom 15. April 2014 - 3 StR 89/14, NStZ 2014, 418). So liegt es hier. § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO kann deshalb nicht verletzt sein.
- 13
- b) Verletzt ist aber § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO. Danach teilt der Vorsitzende mit, ob Erörterungen nach §§ 202a, 212 StPO stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt.
- 14
- aa) Das Transparenzgebot soll sicherstellen, dass derartige Erörterungen stets in öffentlicher Hauptverhandlung zur Sprache kommen, so dass für informelles und unkontrollierbares Verhalten unter Umgehung der strafprozessualen Grundsätze kein Raum verbleibt (vgl. BVerfGE 133, 168 ff.; BGH, Urteil vom 5. Juni 2014 - 2 StR 381/13, NStZ 2014, 601, 602; Beschlüsse vom 5. Oktober 2010 - 3 StR 287/10, StV 2011, 72, 73; vom 8. Oktober 2013 - 4 StR 272/13, StV 2014, 67; vom 3. Dezember 2013 - 2 StR 410/13, NStZ 2014, 219; vom 15. April 2014 - 3 StR 89/14, NStZ 2014, 418 und vom 22. Juli 2014 - 1 StR 210/14). Die Pflicht zur Mitteilung der mit dem Ziel einer Verständigung über den Verfahrensausgang geführten Gespräche erstreckt sich deshalb auch auf die Darlegung, von welcher Seite die Frage einer Verständigung aufgeworfen wurde, welche Standpunkte gegebenenfalls vertreten wurden und auf welche Resonanz dies bei den anderen am Gespräch Beteiligten jeweils gestoßen ist (vgl. BVerfGE 133, 168, 215 f.; BGH, Urteil vom 5. Juni 2014 - 2 StR 381/13, NStZ 2014, 601, 602; Beschlüsse vom 5. Oktober 2010 - 3 StR 287/10, StV 2011, 72, 73; vom 3. Dezember 2013 - 2 StR 410/13, NStZ 2014, 219 und vom 9. April 2014 - 1 StR 612/13, NStZ 2014, 416, 417). Dementsprechend hat der Vorsitzende Verlauf und Inhalt der Gespräche in das Protokoll der Hauptverhandlung aufzunehmen. Nur so wird eine effektive Kontrolle in der Revisionsinstanz ermöglicht.
- 15
- bb) Nach Maßgabe dessen erweist sich die Mitteilung des Vorsitzenden über das im Zwischenverfahren geführte Verständigungsgespräch als rechtsfehlerhaft. Denn die formelhafte Wendung, ein abgehaltenes Verständigungsgespräch sei ergebnislos verlaufen, reicht nicht aus. Die wesentlichen Informationen , die Ablauf und Inhalt des Gesprächs offengelegt hätten, wie etwa das Angebot einer Verfahrensbeschränkung durch die Strafkammer oder die Vorstellung der Staatsanwaltschaft über das Strafmaß und ihre Erwartungen an das Prozessverhalten des Angeklagten, hat der Vorsitzende in der Hauptverhandlung nicht mitgeteilt. Die Erwartungen der Verfahrensbeteiligten an den Prozessverlauf und sich hieraus möglicherweise ergebende Folgen sind nach seiner Mitteilung unklar geblieben; das aus § 243 Abs. 4 StPO folgende Transparenzgebot ist dadurch verletzt.
- 16
- cc) Der Senat kann unter den gegebenen Umständen nicht ausschließen , dass das Urteil auf diesem Rechtsverstoß beruht.
- 17
- (1) Von einem Beruhen des Urteils auf der Verletzung der Mitteilungspflicht des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO ist auszugehen, wenn sich nicht ausschließen lässt, dass das Gericht bei gesetzmäßigem Vorgehen zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Verstöße gegen die verfahrensrechtlichen Sicherungen der Verständigung sind nicht den absoluten Revisionsgründen zugeordnet worden, so dass eine Beruhensprüfung (§ 337 Abs. 1 StPO) in jedem Einzelfall vorzunehmen ist (vgl. BVerfGE 133, 168, 223 Rn. 97). Das gesetzliche Schutzkonzept der §§ 243 Abs. 4, 273 Abs. 1a, 257c StPO darf hierbei jedoch nicht unterlaufen werden, so dass das Beruhen des Urteils auf einem Verstoß nur ausnahmsweise ausgeschlossen werden kann, wenn eine Beeinträchtigung dieses Schutzkonzepts nicht droht (BVerfGE 133, 168, 223 Rn. 97; BVerfG, Beschluss vom 26. August 2014 - 2 BvR 2172/13, NStZ 2014, 592, 594). In besonders gelagerten Einzelfällen ist dies denkbar, wenn etwa feststeht, dass es tatsächlich keine Verständigungsgespräche gegeben hat oder der Prozessverlauf trotz stattgefundener Gespräche nicht beeinflusst worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 29. November 2013 - 1 StR 200/13, NStZ 2014, 221, 222 f.).
- 18
- (2) Das Schutzkonzept der gesetzlichen Regelungen über die Verständi- gung erstreckt sich auch auf die Gewährleistung einer „vollumfänglichen“ Kon- trolle verständigungsbasierter Urteile im Sinne umfassender Transparenz des Verständigungsgeschehens in der öffentlichen Hauptverhandlung durch Mitteilung und Dokumentation im Verhandlungsprotokoll (BVerfGE 133, 168, 222 Rn. 96). Ein Beruhen des Urteils auf einem Verstoß gegen die Mitteilungspflicht wird deshalb grundsätzlich dann nie ausgeschlossen werden können, wenn zu besorgen ist, das Urteil könne auf gesetzwidrige „informelle Absprachen“ oder diesbezügliche Gesprächsbemühungen zurückgehen (BVerfGE 133, 168, 223 Rn. 97). Ebenso liegt es, wenn eine „informelle Absprache“ - wie hier - zwar ergebnislos geblieben und eine Einigung nicht zustande gekommen ist, hierauf gerichtete Gesprächsbemühungen aber außerhalb der öffentlichen Hauptverhandlung stattgefunden haben. Da der Schutzmechanismus des Verständigungsgesetzes auch durch erfolglose Verständigungsbemühungen verletzt werden kann, verlangt § 243 Abs. 4 StPO für alle Erörterungen außerhalb der Hauptverhandlung eine Mitteilung deren wesentlichen Inhalts, die gemäß § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO zu protokollieren ist. Hinsichtlich der in der Hauptverhandlung selbst zustande kommenden Verständigung ist demgegenüber gemäß § 273 Abs. 1a Satz 1 StPO nur der wesentliche Ablauf und Inhalt sowie das Ergebnis wiederzugeben. Weitergehender Informationsbedarf besteht hier für die Öffentlichkeit nicht, denn sie hat dem Zustandekommen der Verständigung - anders als den Gesprächen außerhalb der Hauptverhandlung - beigewohnt. Dieses zwar primär auf die Herstellung von Öffentlichkeit ausgerichtete Verfahren ist mittelbar zugleich Teil des dem Angeklagten zugedachten Individualrechtsschutzes , denn es gewährleistet ihm ein bestimmtes Maß an Rechtsstaatlichkeit. Diese Erwägung liegt auch der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zugrunde, nach der das Beruhen eines Urteils auf Verstößen gegen die Mitteilungspflicht des § 243 Abs. 4 StPO nur ausnahmsweise ausgeschlossen werden kann (vgl. BVerfGE 133, 168, 223 Rn. 97).
- 19
- Dennoch führt auch die Beachtung dieser Schutzgüter nicht bei jedem Verstoß gegen die Mitteilungspflicht zu dem Ergebnis, dass ein Beruhen des Urteils hierauf nicht ausgeschlossen werden kann. Aus dem Unterbleiben der nach § 243 Abs. 4 StPO erforderlichen Mitteilung darf nicht per se auf die Bemühung um Herbeiführung einer „informellen Absprache“ geschlossen werden. Bei der - stets an den Umständen des Einzelfalles ausgerichteten - Beruhensprüfung ist vielmehr im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung darauf abzustellen, ob und in welchem Umfang das Gericht Essentialia aus den Vorgesprächen unerwähnt gelassen hat. Verstöße gegen die Mitteilungspflicht sind in einer sehr weit gestreuten Bandbreite denkbar. Sie können von kleinen Ungenauigkeiten und Auslassungen bis hin zur gänzlichen Unterlassung der Mitteilung oder bewussten Falschmitteilung reichen. Dies liegt daran, dass die Mitteilungspflicht sehr früh eingreift und inhaltlich - wie oben dargelegt - von erheblichem Umfang ist. Der Verfahrensverstoß bedarf deshalb einer an seiner Auswirkung zu bemessenden Gewichtung. Sind also insbesondere neben dem Umstand, dass überhaupt Gespräche außerhalb der Hauptverhandlung stattgefunden haben, auch die vorbenannten Aspekte in ihren wesentlichen Umrissen deutlich geworden, wird ein Beruhen des Urteils im Sinne von § 337 StPO auch dann auszuschließen sein, wenn die Mitteilung einzelne notwendige Informationen vermissen lässt.
- 20
- (3) Diese Grundsätze gelten auch für die Konstellation, in der der Verteidiger den Angeklagten über den Inhalt eines zuvor geführten Verständigungsgesprächs informiert hat.
- 21
- In besonders gelagerten Einzelfällen (vgl. Landau NStZ 2014, 425, 430) kann ein Ausschluss des Beruhens im Sinne von § 337 Abs. 1 StPO möglich sein, wenn der Instanzverteidiger den Angeklagten über Ablauf und Inhalt der außerhalb der Hauptverhandlung geführten Gespräche zuverlässig unterrichtet und so ein Informationsdefizit seines Mandanten ausgeglichen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 15. April 2014 - 3 StR 89/14, NStZ 2014, 418; Beschluss vom 15. Juli 2014 - 5 StR 169/14, NStZ-RR 2014, 315; Beschluss vom 16. Juli 2014 - 5 StR 227/14). Aus den dargelegten Erwägungen kann die Frage, ob die Fähigkeit des Angeklagten zu autonomer Willensbildung über sein weiteres Prozessverhalten auf einer tragfähigeren Grundlage beruht, wenn er nicht nur von seinem Verteidiger zusammenfassend und in nicht dokumentierter Weise nach dessen Wahrnehmung und Verständnis informiert wird, sondern durch das Gericht durch Mitteilung in der Hauptverhandlung (vgl. BGH, Urteile vom 10. Juli 2013 - 2 StR 195/12, BGHSt 58, 310, 314 und vom 5. Juni 2014 - 2 StR 381/13, NStZ 2014, 601, 603), nicht allgemeingültig beantwortet werden. Auch insoweit ist eine Betrachtung des Einzelfalles im Lichte des Schutzzwecks des § 243 Abs. 4 StPO erforderlich.
- 22
- Generell kann das Gespräch des Angeklagten mit seinem Verteidiger die Mitteilung durch das Gericht in der Hauptverhandlung - auch im Rahmen der Beruhensprüfung - nicht ersetzen. Dem steht bereits das Schutzgut der Gewährleistung öffentlicher Kontrolle des Verständigungsprozesses entgegen, welches dem Risiko des Angeklagten angemessen Rechnung tragen will, dass sich ein möglicher Interessengleichlauf von Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung zu seinem Nachteil auswirkt (BVerfGE 133, 168, 232 Rn. 114). Richterliche und nicht richterliche Mitteilungen sind strafprozessual auch dem Grunde nach nicht von identischer Qualität. Vielmehr liegt der Strafprozessordnung an verschiedenen Stellen die Wertung zugrunde, wonach Authentizität, Vollständigkeit und Verständlichkeit einer Mitteilung oder Belehrung (nur) durch richterliches Handeln verbürgt sind (vgl. BGH, Urteil vom 13. Februar 2014 - 1 StR 423/13, Rn. 13 ff., StV 2014, 513).
- 23
- Die Information des Angeklagten durch seinen Verteidiger bei fehlender oder unzureichender gerichtlicher Mitteilung über den Inhalt eines gescheiterten Verständigungsgesprächs gemäß § 243 Abs. 1 StPO lässt deshalb einen Ausschluss des Beruhens nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen zu. Je einfacher sich die dem Verständigungsversuch zugrunde liegende Sach- und Rechtslage darstellt, desto weniger stark wird die Selbstbelastungsfreiheit des Angeklagten gefährdet und umso eher wird auszuschließen sein, dass die Verständigung rechtswidrig war und das Gericht bei regelhafter Vornahme und Protokollierung der Mitteilung zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Informationen etwa über leicht erfassbare tatsächliche Umstände wird der Verteidiger dem Angeklagten einfacher vermitteln können, als vielschichtige Rechts- und Verfahrensfragen. Bei komplexen Rechts- oder Verfahrensfragen wird sich dagegen regelmäßig nicht ausschließen lassen, dass die Information des Angeklagten durch das Gericht auf sein Prozessverhalten Einfluss genommen hätte.
- 24
- (4) Nach Maßgabe dessen liegt jedenfalls unter den vorliegenden Umständen hier kein Ausnahmefall vor, in dem das Beruhen des Urteils auf dem Verstoß gegen § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO ausgeschlossen werden kann.
- 25
- Aufgrund der Beschränkung der Mitteilung auf die äußerst dürftige Information , es hätten Gespräche mit dem Ziel einer Verständigung ergebnislos stattgefunden, liegt ein Ausschluss des Beruhens schon aus Transparenzgründen fern. Die Mitteilung des Vorsitzenden in der Hauptverhandlung gibt nicht einmal ansatzweise wieder, was Gegenstand der Gespräche gewesen ist. Selbst wenn der Angeklagte von seinem Verteidiger darüber hinreichend informiert wurde, ist das gesetzliche Schutzkonzept dennoch berührt, denn jedenfalls die Gewährleistung effektiver Kontrolle des mit der Verständigung verbundenen Geschehens durch die Öffentlichkeit konnte hierdurch nicht ersetzt werden. Schon dies steht der Gleichschaltung der Verteidigerinformation mit einer Mitteilung durch das Gericht in laufender Hauptverhandlung entgegen (vgl. auch BGH, Urteil vom 13. Februar 2014 - 1 StR 423/13, Rn. 13 ff., StV 2014,
513).
- 26
- Im Übrigen bekräftigen auch die weiteren Umstände des Falles dieses Ergebnis:
- 27
- Am ersten Tag der Hauptverhandlung, an dem u.a. die Einlassung des Angeklagten zur Sache erfolgte, lag das gescheiterte Verständigungsgespräch bereits länger als ein Jahr zurück. Schon aufgrund des erheblichen zeitlichen Abstands zum Beginn der Verhandlung lässt sich nicht ausschließen, dass dem Angeklagten Inhalt und Bedeutung der Gespräche nicht (mehr) hinreichend bekannt waren. Unklarheit über deren Bedeutung hätte demgegenüber nicht ein- treten können, wenn der Vorsitzende den Angeklagten zu Beginn der Verhandlung auf der Grundlage der von ihm vorgenommenen Dokumentation die von § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO geforderte Mitteilung an den Angeklagten gerichtet hätte.
- 28
- Hinzu kommt, dass es sich bei den dem Angeklagten zur Last gelegten Vorwürfen nicht etwa um einen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht einfach überschaubaren Sachverhalt gehandelt hat. Im vorliegenden Fall war Verfahrensgrundlage eine 45-seitige Anklageschrift, mit welcher die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten vorwarf, sich während eines Zeitraums von rund drei Jahren der Steuerhinterziehung in zwei Fällen und der versuchten Steuerhinterziehung schuldig gemacht zu haben; das Beweismittelverzeichnis der Anklage erstreckt sich über sieben Seiten. Neben dem Angeklagten waren drei weitere Personen angeklagt. Schon die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage gebot eine verständliche und vollständige Mitteilung der Bedeutung der Verständigungsgespräche durch das Gericht.
- 29
- Unter wertender Betrachtung von Art und Ausmaß des Verstoßes lässt sich unter den konkreten Umständen des Falles schon nicht zweifelsfrei ausschließen , dass das Verständigungsgespräch während des Zwischenverfahrens möglicherweise im Sinne des § 257c StPO rechtswidrige Inhalte hatte. Auch der Ausschluss einer auf fehlerhaftem oder verkürztem Verständnis des Verteidigers beruhenden unzureichenden Information des Angeklagten - verstärkt durch den zwischenzeitlich eingetretenen zeitlichen Abstand - war hier alleine durch eine vollständige Mitteilung durch das Gericht in der Hauptverhandlung möglich.
- 30
- Der Senat kann nach alldem nicht ausschließen, dass sich der Verstoß gegen § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO auf den Verfahrensausgang ausgewirkt hat.
- 31
- 3. Ob das Urteil auch auf dem (weiteren) Verstoß gegen die Informationspflicht aus § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO im Hinblick auf das während des Hauptverfahrens geführte Verständigungsgespräch beruht, kann für die Entscheidung über das Rechtsmittel dahinstehen.
(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.
(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.
(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.
(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.
(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.
(1) Das Protokoll muß den Gang und die Ergebnisse der Hauptverhandlung im wesentlichen wiedergeben und die Beachtung aller wesentlichen Förmlichkeiten ersichtlich machen, auch die Bezeichnung der verlesenen Urkunden oder derjenigen, von deren Verlesung nach § 249 Abs. 2 abgesehen worden ist, sowie die im Laufe der Verhandlung gestellten Anträge, die ergangenen Entscheidungen und die Urteilsformel enthalten. In das Protokoll muss auch der wesentliche Ablauf und Inhalt einer Erörterung nach § 257b aufgenommen werden.
(1a) Das Protokoll muss auch den wesentlichen Ablauf und Inhalt sowie das Ergebnis einer Verständigung nach § 257c wiedergeben. Gleiches gilt für die Beachtung der in § 243 Absatz 4, § 257c Absatz 4 Satz 4 und Absatz 5 vorgeschriebenen Mitteilungen und Belehrungen. Hat eine Verständigung nicht stattgefunden, ist auch dies im Protokoll zu vermerken.
(2) Aus der Hauptverhandlung vor dem Strafrichter und dem Schöffengericht sind außerdem die wesentlichen Ergebnisse der Vernehmungen in das Protokoll aufzunehmen; dies gilt nicht, wenn alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel verzichten oder innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt wird. Der Vorsitzende kann anordnen, dass anstelle der Aufnahme der wesentlichen Vernehmungsergebnisse in das Protokoll einzelne Vernehmungen im Zusammenhang als Tonaufzeichnung zur Akte genommen werden. § 58a Abs. 2 Satz 1 und 3 bis 6 gilt entsprechend.
(3) Kommt es auf die Feststellung eines Vorgangs in der Hauptverhandlung oder des Wortlauts einer Aussage oder einer Äußerung an, so hat der Vorsitzende von Amts wegen oder auf Antrag einer an der Verhandlung beteiligten Person die vollständige Protokollierung und Verlesung anzuordnen. Lehnt der Vorsitzende die Anordnung ab, so entscheidet auf Antrag einer an der Verhandlung beteiligten Person das Gericht. In dem Protokoll ist zu vermerken, daß die Verlesung geschehen und die Genehmigung erfolgt ist oder welche Einwendungen erhoben worden sind.
(4) Bevor das Protokoll fertiggestellt ist, darf das Urteil nicht zugestellt werden.
(1) Die Leitung der Verhandlung, die Vernehmung des Angeklagten und die Aufnahme des Beweises erfolgt durch den Vorsitzenden.
(2) Wird eine auf die Sachleitung bezügliche Anordnung des Vorsitzenden von einer bei der Verhandlung beteiligten Person als unzulässig beanstandet, so entscheidet das Gericht.