Gericht

Oberlandesgericht Bamberg

Gründe

Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revision hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angekl. ergeben (§ 349 II StPO). Ergänzend bemerkt der Senat:

1. Der Schuldspruch wegen Urkundenfälschung ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Zwar handelt es sich bei der vom Angekl. vorgelegten Kopie als solcher, wenn sie nach außen als Reproduktion erkennbar ist, nicht um eine Urkunde i.S.d. § 267 I StGB, weil der Kopie kein Beweiswert zukommt (BGH, Urt. v. 23.09.2015 - 2 StR 434/14 = NJW 2016, 884 = NStZ-RR 2016, 115 = wistra 2016, 161 = AnwBl. 2016, 440 = BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 39 = BGHR StPO § 24 Abs. 2 Befangenheit 24 = StV 2016, 269 m.w.N.). Jedoch stellt die Vorlage der Kopie einer gefälschten Urkunde ein Gebrauchmachen von der Urschrift nach § 267 I, 3. Alt. StGB dar (BGH a.a.O.). So lagen die Dinge hier. Nach den Feststellungen des LG hatte der Angekl. das Original selbst hergestellt und davon eine Kopie gefertigt, die er schließlich beim LRA einreichte.

2. Der Schuldspruch wegen Diebstahls […] hält trotz der unzulänglichen Darstellung des Tatgeschehens im Rahmen der Sachverhaltsschilderung, wo lediglich ohne nähere Beschreibung des Tathergangs von einer „Entwendung“ die Rede ist, so dass das Revisionsgericht aufgrund dessen noch nicht beurteilen kann, ob es überhaupt zur Vollendung des Diebstahlstatbestands gekommen ist (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 01.10.2013 - 3 Ss 96/13; OLG Hamm, Beschluss vom 14.11.2013 - III-5 RVs 111/13 [jew. bei juris], der rechtlichen Nachprüfung stand. Denn im Rahmen der Beweiswürdigung stellt das LG ergänzend fest, dass der Angekl. das Diebesgut in seine Aktentasche gesteckt habe. Da die schriftlichen Urteilsgründe eine Einheit bilden, deren tatsächliche Angaben auch dann berücksichtigt werden müssen, wenn sie sich in verschiedenen und dabei auch in solchen Zusammenhängen befinden, in denen sie nach dem üblichen Urteilsaufbau nicht erwartet werden (vgl. BGH, Urt. v. 26.05.1987 - 1 StR 110/87 = BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1, Feststellungen 1 - Zusammenhang der Urteilsgründe; Beschluss vom 05.12.2008 - 2 StR 424/08 [bei juris]), kann für die vollständige tatsächliche Grundlage der Entscheidung auch auf die diesbezüglichen Ausführungen in der Beweiswürdigung und der rechtlichen Würdigung zurückgegriffen werden (BGH, Urt. v. 21.03.2017 - 1 StR 486/16 = StV 2018, 727).

3. Auch der Rechtsfolgenausspruch hält im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand. Zwar ist strafschärfende Erwägung im Zusammenhang mit der Urkundenfälschung, der Angekl. habe „die Solidargemeinschaft der Steuerzahler in Höhe von 720 € geschädigt“- unbeschadet des Widerspruchs, der darin liegt, dass er nicht auch wegen Betrugs verurteilt wurde, was ihn freilich nicht beschwert - rechtsfehlerhaft. Denn auf die Person des Geschädigten kommt es im Rahmen der Strafzumessung mit Blick auf § 46 III StGB grundsätzlich nicht an, soweit es um den Schutz des Vermögens geht. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn die Straftat den Geschädigten im Hinblick auf seine beengten wirtschaftlichen Verhältnisse besonders hart trifft. In Anbetracht der massiven Vorstrafen des Angekl., bei dem es sich trotz langjährigen Strafvollzugs um einen hartnäckigen Wiederholungstäter handelt, schließt der Senat jedoch aus, dass das LG für diesen Fall bei richtiger Bewertung eine geringere Einzelfreiheitsstrafe verhängt hätte, so dass das Urteil auf diesem Rechtsfehler nicht beruht i.S.d. § 337 I StPO. […]

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Strafrecht: Keine Strafverschärfung wegen Schädigung der Solidargemeinschaft der Steuerzahler

25.06.2019

Grundsätzlich spielt die Person des Geschädigten bei der Strafzumessung hinsichtlich § 46 Abs. 3 StGB keine Rolle, es sei denn die Straftat trifft den Geschädigten aufgrund von beengten wirtschaftlichen Verhältnissen besonders hart – BSP Rechtsanwälte – Anwalt für Strafrecht Berlin

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Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 25. Feb. 2019 - 110 Ss 6/19 zitiert 5 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 267 Urteilsgründe


(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese

Strafgesetzbuch - StGB | § 25 Täterschaft


(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht. (2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

Strafprozeßordnung - StPO | § 24 Ablehnung eines Richters; Besorgnis der Befangenheit


(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. (2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt,

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Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Dez. 2008 - 2 StR 424/08

bei uns veröffentlicht am 05.12.2008

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 424/08 vom 5. Dezember 2008 in der Strafsache gegen wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts

Bundesgerichtshof Urteil, 21. März 2017 - 1 StR 486/16

bei uns veröffentlicht am 21.03.2017

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 486/16 vom 21. März 2017 in der Strafsache gegen wegen gefährlicher Körperverletzung u.a. ECLI:DE:BGH:2017:210317U1STR486.16.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 2

Bundesgerichtshof Urteil, 23. Sept. 2015 - 2 StR 434/14

bei uns veröffentlicht am 23.09.2015

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 434/14 vom 23. September 2015 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen Betrugs ECLI:DE:BGH:2015:230915U2STR434.14.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 23. September 2

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 434/14
vom
23. September 2015
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Betrugs
ECLI:DE:BGH:2015:230915U2STR434.14.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 23. September 2015, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl, Dr. Eschelbach, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Ott, Richter am Bundesgerichtshof Zeng,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger für die Angeklagte G. , Rechtsanwalt als Verteidiger für den Angeklagten S. ,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 4. April 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das vorgenannte Urteil wird verworfen.
Die Staatskasse hat die Kosten dieses Rechtsmittels und die den Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagte G. wegen Betrugs in 17 Fällen unter Einbeziehung von zwei Einzelstrafen aus einer Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und erbrachte Bewährungsauflagen angerechnet. Den Angeklagten S. hat die Strafkammer wegen Betrugs in sechs Fällen unter Einbeziehung einer Freiheitsstrafe aus einer Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, die in der Vorverurteilung ausgesprochene Sperre für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis aufrechterhalten und erbrachte Bewährungsauflagen angerechnet.
2
Die Angeklagte G. beanstandet mit ihrer Revision das Verfahren und erhebt die Sachrüge, während der Angeklagte S. mit seiner Revision nur die Verletzung materiellen Rechts rügt. Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihrer zu Ungunsten der beiden Angeklagten auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision, dass das Landgericht die Angeklagten nicht auch - jeweils tateinheitlich - wegen (gewerbsmäßiger) Urkundenfälschung und damit nicht zu höheren Einzel- und Gesamtstrafen verurteilt hat. Die Revisionen der Angeklagten führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat hingegen keinen Erfolg.

I.


3
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
1. Die Angeklagte G. war als Bankberaterin bei einer Bank unter anderem damit betraut, Kunden über Privatkreditverträge zu beraten und entsprechende Kreditabschlüsse vorzubereiten. Um die finanziellen Verhältnisse der potentiellen Kreditnehmer prüfen zu können, mussten die Kunden - neben einem gültigen Ausweis und gegebenenfalls einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis - nach den internen Bankvorgaben unter anderem aktuelle Gehaltsbescheinigungen und gegebenenfalls Kontoauszüge eines Girokontos vorlegen. Die Angeklagte hatte diese Unterlagen zu prüfen, Kopien der Originale zu fertigen und zu bestätigen, dass die Kopien mit den jeweiligen Originalen übereinstimmten. Anhand bankinterner Kriterien bestimmte sie sodann den Kreditrahmen , bereitete den Kreditvertrag vor und legte diesen zur weiteren Unterschrift einem ihrer unmittelbaren Vorgesetzten oder einer zeichnungsberechtigten Kollegin vor. Neben ihrer eigenen Unterschrift war eine zweite Unterschrift einer zeichnungsberechtigten Person jedenfalls dann erforderlich, wenn - wie in den vorliegenden Fällen - der Kreditbetrag mehr als 20.000 € betrug.
5
Im Zeitraum vom 12. November 2007 bis zum 7. Mai 2008 kamen auf diese Weise „mindestens“ 17 Privatkredite zustande, davon in sechs Fällen auf entsprechende Vermittlung und Empfehlung des Angeklagten S. . Die - teilweise gutgläubigen - Kunden bzw. angeblichen Kreditnehmer waren überwiegend ausländischer Herkunft, zum Teil stammten sie aus dem Familienbzw. Bekanntenkreis des Angeklagten S. .
6
Der Angeklagten G. wurden u.a. Kopien oder Originale gefälschter Gehaltsbescheinigungen, zum Teil auch fingierte Meldebescheinigungen oder Mietzahlungsquittungen vorgelegt. Von diesen fertigte sie Kopien und vermerk- te darauf „Original lag vor“, um die Mitarbeiter der Bank, die die zweite Unter- schrift unter dem Kreditvertrag zu leisten hatten, über die Voraussetzungen der Kreditgewährung zu täuschen.
7
Den Angeklagten war bekannt, dass die vorgelegten Unterlagen gefälscht und die bankinternen Kriterien für eine Kreditvergabe ohne weitere Sicherheiten nicht erfüllt waren. Die zeichnungsberechtigten Vorgesetzten bzw. Kollegen nahmen in Unkenntnis der Fälschungen irrig an, dass wahrheitsgemäße Angaben gemacht worden und die Voraussetzungen für einen Ver- tragsschluss erfüllt seien; sie „genehmigten“ die Vertragsabschlüsse und unterschrieben für die Bank die Vertragsdokumente. „In keinem Fall hätte die Bank in Kenntnis des wahren Sachverhaltes die Kreditverträge abgeschlossen.“
8
Dem Angeklagten S. , der ebenfalls wusste, dass die Gehaltsabrechnungen gefälscht waren und eine Kreditwürdigkeit der einzelnen Kunden nicht gegeben war, oblag es, „Personen, dieals Kreditnehmer in Erscheinung treten konnten, zu beschaffen und diese an die Angeklagte G. zu verweisen bzw. sie dorthin zu bringen“. Nachdem die Angeklagte G. das Geschäfts- modell ab März/April 2008 in der Weise modifizierte, dass sie mit Hilfe gefälschter Unterlagen den Anschein erweckte, als existierten Kreditnehmer, verzichtete sie auf die Mitwirkung des Angeklagten S. .
9
In den sechs Fällen, in denen beide Angeklagte beteiligt waren, erhielten „beide Teile der Kreditsumme“; im Übrigen erhielt die Angeklagte G. zum Teil oder vollständig die Kreditsumme. Angesichts der fehlenden oder - vereinzelt - erheblich eingeschränkten finanziellen Leistungsfähigkeit der Kreditnehmer und dem Fehlen jeglicher Sicherheiten hat die Strafkammer jeweils die Höhe der ausgezahlten Nettokreditbeträge als Vermögensschaden zugrunde gelegt.
10
2. Das Landgericht hat die Taten jeweils als (gewerbsmäßigen) Betrug gemäß § 263 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB gewertet. Die Angeklagten hätten die Taten arbeitsteilig begangen (§ 25 Abs. 1, Var. 1., Abs. 2 StGB); insbesondere hätte der Angeklagte S. (zunächst) eine wichtige Stellung inne- gehabt, da er die „angeblichen Kreditnehmer beigebracht“ habe.
11
Von einer jeweils tateinheitlich begangenen Urkundenfälschung gemäß § 267 Abs. 1 StGB (hinsichtlich der Angeklagten G. ) bzw. von einer hierzu geleisteten Beihilfe (hinsichtlich des Angeklagten S. ) sei nicht auszugehen , weil es sich u.a. bei den von der Angeklagten G. vorgelegten - als solche erkennbaren - Kopien der gefälschten Gehaltsnachweise und Mietzahlungsquittungen um keine Urkunden im Sinne von § 267 Abs. 1 StGB gehandelt habe; überdies könnten ausdrücklich keine Feststellungen dahin getroffen werden , ob überhaupt jemals eine (echte oder verfälschte) Urkunde vorgelegen habe. Bei dem von der Angeklagten G. jeweils angebrachten Vermerk „Ori- ginal lag vor“ handele es sich lediglich um eine straflose schriftliche Lüge.

II.


12
Revisionen der Angeklagten
13
1. Die Revision der Angeklagten G. hat mit der Verfahrensrüge Erfolg, bei dem Urteil habe ein Richter mitgewirkt, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt worden und das Ablehnungsgesuch zu Unrecht verworfen worden sei (§ 24 Abs. 1 und 2, § 338 Nr. 3 StPO).
14
a) Der Rüge liegt das folgende Prozessgeschehen zugrunde:
15
Die Angeklagte hatte den Vorsitzenden Richter zu Beginn der (zweiten) Hauptverhandlung wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, da dieser ihren als Pflichtverteidiger beigeordneten Verteidiger mit Verfügung vom 16. September 2013, am ersten Tag der (ersten) Hauptverhandlung, wegen mangelnder Zuverlässigkeit entbunden und ihm die durch die gleichzeitig verfügte Aussetzung der (ersten) Hauptverhandlung entstandenen Kosten auferlegt habe. Dem lag zugrunde, dass der Verteidiger am 10. September 2013, wenige Tage vor Beginn der (ersten) Hauptverhandlung (16. September 2013), einen Antrag auf ergänzende Akteneinsicht gestellt und, nachdem ihm die Akten in der Folgezeit nicht zugesandt worden waren, die Aussetzung des Verfahrens beantragt hatte. Die mangelnde Zuverlässigkeit begründete der Vorsitzende in seiner Verfügung vom 16. September 2013 damit, dass der Verteidiger schuldhaft „nicht zeitig nach Anklageerhebung … sondern erst wenige Tage vor dem Ter- min“ sein ergänzendes Akteneinsichtsgesuch gestellt habe.
16
Auf die Beschwerde des Verteidigers hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main mit Beschluss vom 28. Oktober 2013 die angefochtene Kostenentscheidung und die Verfügung des Vorsitzenden vom 16. September 2013 aufgehoben.
17
In der dienstlichen Erklärung zum Ablehnungsantrag hat der Vorsitzende Richter ausgeführt, „an den Entscheidungen mitgewirkt bzw. die Entscheidung getroffen“ zu haben und sich im Übrigen „nicht für befangen“ zu halten.
18
Mit Beschluss vom 25. März 2014 hat das Landgericht den Befangenheitsantrag - ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters - als unbegründet zurückgewiesen. Es sei nicht ersichtlich, dass die Entbindungs- oder die Kostenentscheidung des Vorsitzenden willkürlich oder von sachfremden Erwägungen beeinflusst gewesen seien.
19
b) Das Ablehnungsgesuch gegenüber dem Vorsitzenden Richter ist zu Unrecht zurückgewiesen worden. Durch die Erwägung, auf welche er den Widerruf der Pflichtverteidigerbestellung stützte, gab er der Angeklagten berechtigten Grund zu der Annahme mangelnder Unvoreingenommenheit.
20
Das Vorliegen eines Ablehnungsgrundes im Sinne von § 24 Abs. 2 StPO ist grundsätzlich vom Standpunkt der Angeklagten zu beurteilen (BGH, Beschluss vom 27. April 1972 - 4 StR 149/72, BGHSt 24, 336, 338). Misstrauen im Hinblick auf die Unparteilichkeit eines Richters ist dann gerechtfertigt, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, der Richter nehme ihm gegenüber eine Haltung ein, die dessen Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann (vgl. BGH, Urteil vom 2. März 2004 - 1 StR 574/03, BGHR StPO § 24 Abs. 2 Befangenheit 14; BGH, Beschluss vom 8. Mai 2014 - 1 StR 726/13, NJW 2014, 2372, 2373; Senat, Urteil vom 17. Juni 2015 - 2 StR 228/14, NJW 2015, 2986, jeweils mwN).
21
Zwar lässt sich diese Besorgnis grundsätzlich nicht schon allein mit einer fehlerhaften Sachbehandlung begründen. Verfahrensverstöße, die auf einem Irrtum oder auf einer unrichtigen Rechtsansicht beruhen, stellen grundsätzlich keinen Ablehnungsgrund dar (st. Rspr.; vgl. Senat, Urteil vom 20. Juni 2007 - 2 StR 84/07, BGHR StPO § 24 Abs. 2 Befangenheit 19 mwN), sondern nur dann, wenn die Entscheidungen unvertretbar sind oder den Anschein der Willkür erwecken. So liegt der Fall hier.
22
Die Verfügung des Vorsitzenden Richters vom 16. September 2013, mit der der Pflichtverteidiger der Beschwerdeführerin entpflichtet worden ist, und der Beschluss, dem Verteidiger die durch die Aussetzung der (ersten) Hauptverhandlung entstandenen Kosten aufzuerlegen, sind, wie auch der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 11. Dezember 2014 und das Oberlandesgericht Frankfurt am Main - ohne Bindungswirkung für den Senat - im Rahmen des Beschwerdeverfahrens für diesen Sachverhalt mit Beschluss vom 28. Oktober 2013 ausgeführt haben, rechtsfehlerhaft.
23
Der Widerruf der Bestellung eines Pflichtverteidigers, der das Vertrauen der Angeklagten besitzt, berührt die Verteidigungsbelange auf das stärkste. Er setzt daher einen wichtigen Grund voraus. Es müssen Umstände vorliegen, die den Zweck der Pflichtverteidigung ernsthaft gefährden. Dieser besteht darin, dem Beschuldigten einen geeigneten Beistand zu sichern und einen geordneten Verfahrensablauf zu gewährleisten (BVerfGE 39, 238, 245; vgl. auch Senat, Urteil vom 31. Januar 1990 - 2 StR 449/89, BGHR StPO § 24 Abs. 2 Vorsitzender

3).


24
Die - angeblich - verspätete Stellung eines ergänzenden Akteneinsichtsgesuchs durch den Verteidiger der Angeklagten, rechtfertigte es hier nicht, einen geordneten Verfahrensablauf für gefährdet zu halten. Vielmehr konnte diese Begründung den Eindruck erwecken, es handele sich um einen nur vorgeschobenen Grund, mit dem das Ziel verfolgt wurde, einen missliebigen, weil unbequemen Verteidiger aus dem Verfahren zu entfernen.
25
Eine solche bloße Demonstration von Macht richtete sich dann aber nicht nur gegen den Verteidiger, der es - wie auch das Oberlandesgericht Frankfurt am Main im Beschluss vom 28. Oktober 2013 ausgeführt hat - lediglich versehentlich , keineswegs grob pflichtwidrig unterlassen hatte, zeitnah ein ergänzendes Akteneinsichtsgesuch zu stellen. Er traf vielmehr unmittelbar auch die Verteidigungsbereitschaft der Angeklagten. Diese konnte zu Recht befürchten, der Vorsitzende werde ihre Interessen auch sonst nicht ausreichend berücksichtigen und geneigt sein, auf nicht genehmes Verhalten ihrer selbst oder ihres Verteidigers in einer für sie nachteiligen Weise sachfremd zu reagieren (vgl. BGH, Urteil vom 9. März 1988 - 3 StR 567/87, BGHR StPO § 24 Abs. 2 Vorsitzender 1; Beschluss vom 9. August 1988 - 4 StR 222/88, BGHR StPO § 24 Abs. 2 Vorsitzender 2).
26
c) Der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO führt dazu, dass das angefochtene Urteil - soweit es die Angeklagte G. betrifft - mit den Feststellungen aufzuheben ist.
27
2. Die Verurteilung des Angeklagten S. wegen (mittäterschaftlichen ) Betrugs in sechs Fällen hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand. Der Annahme von Mittäterschaft bei den Betrugstaten stünde zwar nicht entgegen, dass der Angeklagte S. keine eigenen Täuschungshandlungen vorgenommen , sondern jeweils (lediglich) Kreditnehmer beschafft und diese an die Angeklagte G. verwiesen bzw. sie dorthin gebracht hat; auch die Beteiligung an Vorbereitungshandlungen kann Mittäterschaft begründen (vgl. nur BGH, Urteile vom 25. Oktober 1994 - 4 StR 173/94, BGHSt 40, 299, 301; vom 7. Mai 1996 - 1 StR 168/96, BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 26).
28
Eine Verurteilung wegen mittäterschaftlich begangenen Betrugs ist jedoch nach den von der Rechtsprechung zur Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe aufgestellten Maßstäben (vgl. Senat, Beschluss vom 4. Dezember 2012 - 2 StR 395/12, BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 36, jeweils mwN) nicht ausreichend belegt. Ob ein Beteiligter eine Tat als Täter oder Gehilfe begeht, ist in wertender Betrachtung nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfasst sind, zu beurteilen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 15. Januar 1991 - 5 StR 492/90, BGHSt 37, 289, 291; Senat, Beschluss vom 4. Dezember 2012 - 2 StR 395/12, BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 36). Wesentliche Anhaltspunkte können der Grad des eigenen Interesses am Erfolg der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung, die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zu ihr sein. Eine solche wertende Gesamtbetrachtung ist vom Tatrichter in einer vom Revisionsgericht nachprüfbaren Weise vorzunehmen. Daran fehlt es hier.
29
Der „des Lesens und Schreibens nur sehr eingeschränkt mächtige“ An- geklagte S. spielte bei den Betrugstaten nur eine untergeordnete Rolle, nämlich beim Vorbereitungsakt der „Beschaffung“ von - aus seinem Verwandten - und Bekanntenkreis stammenden - Kreditnehmern, während sich das weitere Geschehen ersichtlich seinem Einfluss entzog. Tatherrschaft hatte er nicht, denn die Durchführung und der Erfolg der Taten hingen maßgeblich vom Willen der Mitangeklagten G. ab, was sich - wie das Landgericht selbst hervorhebt - auch darin zeigt, dass die Angeklagte G. das Geschäftsmodell ab März/April 2008 modifizierte und eine Mitwirkung des Angeklagten S. dann nicht mehr erforderlich war. Schon angesichts dessen versteht sich die Annahme seiner Mittäterschaft nicht von selbst. Zwar begründet die - freilich nicht für alle Taten einheitliche - Beteiligung am Gewinn ein eigenes Tatinteresse des Angeklagten ; inwieweit dieses und weitere möglicherweise noch feststellbare gegenläufige Anhaltspunkte das gegen die Annahme von Mittäterschaft sprechende Gewicht der genannten Indizien aufzuwiegen vermögen, wird der neue Tatrichter zu entscheiden haben.
30
Der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter wird sich auch eingehend damit zu befassen haben, inwieweit der Angeklagte S. insbesondere in den Fällen II. 1. und II. 2. der Urteilsgründe, in denen die Kreditnehmer die Kredite eine Zeit lang ordnungsgemäß bedienten, zum jeweiligen Tatzeitpunkt mit Schädigungsvorsatz gehandelt hat.
31
Zudem lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen, wann das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main - Außenstelle Höchst - vom 3. Februar 2012 - 904 Ds - 241 Js 42288/11, mit dem die (aufrecht erhaltene) isolierte Sperrfrist angeordnet worden ist, rechtskräftig wurde. Möglicherweise wäre die Fahrerlaubnissperre bereits zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung gegenstands- los im Sinne des § 55 Abs. 2 Satz 1 StGB gewesen (vgl. Senat, Beschluss vom 29. Juli 2009 - 2 StR 264/09; Athing in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., § 69a Rn. 35 mwN).

III.


32
Revision der Staatsanwaltschaft
33
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.
34
1. Die Aufklärungsrüge ist aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 16. Dezember 2014 unzulässig.
35
2. Die auf die Sachrüge vorzunehmende Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zugunsten der Angeklagten ergeben.
36
Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, dass einer bloßen Fotokopie, die nach außen als Reproduktion erscheint, mangels Beweiseignung kein Urkundencharakter beizumessen ist (st. Rspr.; vgl. Senat, Beschluss vom 9. März 2011 - 2 StR 428/10, NStZ-RR 2011, 213, 214 mwN). Daran ändert auch der darauf angebrachte handschriftliche Vermerk durch die Angeklagte G. nichts (vgl. BGH, Beschluss vom 23. März 2010 - 5 StR 7/10, BGHR StGB § 267 Abs. 1 Urkunde, unechte 3).
37
Anders als die Beschwerdeführerin meint, hat die Strafkammer zudem erkennbar bedacht, dass der Tatbestand der Urkundenfälschung auch in der Variante des Gebrauchmachens gemäß § 267 Abs. 1, Var. 3 StGB verwirklicht werden kann, sofern die Kopie einer unechten oder verfälschten Urkunde zur Täuschung über beweiserhebliche Umstände im Rechtsverkehr verwendet, mithin von der Urschrift Gebrauch gemacht wird (vgl. BGH, Urteile vom 30. November 1953 - 1 StR 318/53, BGHSt 5, 291, 292; vom 12. Januar 1965 - 1 StR 480/64, NJW 1965, 642, 643; vom 9. Mai 1978 - 1 StR 104/78, NJW 1978, 2042, 2043; vgl. auch Senat, Beschluss vom 2. Mai 2001 - 2 StR 149/01, BGHR StGB § 267 Abs. 1 Gebrauchmachen 4, jeweils mwN). Die Strafkammer hat indes ausdrücklich keine Feststellungen dahin treffen können, ob überhaupt jemals eine (echte oder verfälschte) Urkunde vorgelegen hat (UA S. 77 f.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 23. März 2010 - 5 StR 7/10, BGHR StGB § 267 Abs. 1 Urkunde, unechte 3; Senat, Beschluss vom 9. März 2011 - 2 StR 428/10, NStZ-RR 2011, 213, 214).
38
Da auch im Übrigen die Feststellungen und Erwägungen der Strafkammer keine Rechtsfehler zugunsten der Angeklagten erkennen lassen, bleibt die zuungunsten der Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft ohne Erfolg.
39
3. Einer (etwaigen) Aufhebung des Urteils auf die Revision der Staatsanwaltschaft zu Gunsten der Angeklagten (§ 301 StPO) bedarf es nicht, da das Urteil insoweit bereits auf die Revisionen der Angeklagten aufzuheben war (vgl. auch BGH, Urteil vom 11. März 2003 - 1 StR 507/02, NStZ-RR 2003, 186, 189 mwN).
Fischer RiBGH Prof. Dr. Krehl ist wegen Eschelbach Urlaubs an der Unterschriftsleistung gehindert. Fischer
Ott Zeng

(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht.

(2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.

(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.

(3) Das Ablehnungsrecht steht der Staatsanwaltschaft, dem Privatkläger und dem Beschuldigten zu. Den zur Ablehnung Berechtigten sind auf Verlangen die zur Mitwirkung bei der Entscheidung berufenen Gerichtspersonen namhaft zu machen.

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 424/08
vom
5. Dezember 2008
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführerin am 5. Dezember 2008 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision der Angeklagten S. wird das Urteil des Landgerichts Trier vom 15. Mai 2008, soweit es sie betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen „Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, in einem Fall in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln sowie in einem Fall in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich die Angeklagte mit ihrer Revision, mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in vollem Umfang Erfolg.
2
1. Das Urteil kann nicht bestehen bleiben, weil es hinsichtlich der Angeklagten S. keine geschlossene und für das Revisionsgericht nachvollzieh- bare Darstellung des verwirklichten strafbaren Verhaltens enthält. Eine solche geschlossene Darstellung des Sachverhaltes, der das Tatgeschehen bildet, ist für die revisionsrechtliche Überprüfung des Urteils erforderlich. Sie muss erkennen lassen, welche Tatsachen der Richter als seine Feststellungen über die Tat seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde legt. Fehlt sie oder ist sie in wesentlichen Teilen unvollständig oder widersprüchlich, so ist dies ein Mangel des Urteils , der auf die Sachrüge zu dessen Aufhebung führt (vgl. BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Sachdarstellung 3, geschlossene Darstellung). So verhält es sich hier.
3
a) Aus den insoweit unübersichtlichen und wenig klar gegliederten Feststellungen ergibt sich, dass die Angeklagte S. in einer Vielzahl von Fällen, deren Anzahl über die abgeurteilten fünf Fälle weit hinausgeht (UA S. 12-15), Fahrzeuge angemietet hat, um sie dem Mitangeklagten B. für die Durchführung von Drogenbeschaffungsfahrten zur Verfügung zu stellen. Die verstreut im Urteil anzutreffenden Ausführungen (UA S. 15-17/18 sowie 51 und 52-54) deuten im Zusammenhang mit dem Schuldspruch allerdings darauf hin, dass die Kammer die Angeklagte lediglich u. a. wegen Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge an den Fahrten vom 18. Mai 2007, 25. Mai 2007, 2. Juni 2007, 16. Juni 2007 und 30. Juni 2007 aburteilen wollte. Diese Interpretation steht jedoch in Widerspruch zur Beschreibung der Taten bei der Festsetzung der Einzelstrafen (UA S. 62/63). Eine ausdrückliche Zuordnung erfolgt dort lediglich zu den Einfuhrfahrten vom „2.6.2008“ und „30.6.2008“ (gemeint ist jeweils 2007), die rechtlich als Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge bezeichnet werden. Geht man - nahe liegend - davon aus, dass das Landgericht die im Text davor festgesetzten zwei Einzelstrafen auf die zeitlich früher liegenden Einfuhrfahrten vom 18. Mai 2007 und 25. Mai 2007 sowie die danach festgesetzte Strafe für „Beihilfe zur Einfuhr in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben in nicht geringer Menge“ auf das zeitlich später liegende Aufbewahren der Betäubungsmittel für den Mitangeklagten B. und deren Sicherstellung bei der Angeklagten am 3. Juli 2007 (UA S. 55) bezogen wissen wollte, fehlt es an der Festsetzung einer Einzelstrafe für die Beteiligung an der Beschaffungsfahrt vom 16. Juni 2007. Darüber hinaus würde bei dieser Lesart im Widerspruch zu den Feststellungen unter II. 2. eine Einzelfreiheitsstrafe für eine Tat bestimmt, die über die Teilnahmehandlungen an den festgestellten Einfuhrfahrten hinausgeht.
4
Dieser Widerspruch kann nicht im Wege der Auslegung der Urteilsgründe ausgeräumt werden. Wollte man die zuletzt aufgeführte Strafe von einem Jahr und zehn Monaten wegen Beihilfe zur Einfuhr in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nämlich auf die Einfuhrfahrt vom 16. Juni 2007 beziehen, um eine Konkordanz zu den Feststellungen unter II. 2. herzustellen, wäre dies nicht mit den rechtlichen Ausführungen UA S. 55 i.V.m. UA S. 17 vereinbar, wonach die Kammer eine Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gerade nicht für den 16. Juni 2007, sondern für den 30. Juni 2007 als gegeben sieht. Die Zuordnung der Einzelfreiheitsstrafen zu den in den Feststellungen ausdrücklich in Bezug genommenen Einfuhrfahrten ist damit nicht widerspruchsfrei möglich.
5
b) Hinzu kommt, dass an Hand der Urteilsgründe auch eine zuverlässige Zuordnung der in drei Fällen tateinheitlich abgeurteilten Taten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu den festgestellten Einfuhrfahrten ausscheidet. Nach den Feststellungen UA S. 18/53 verkaufte die Angeklagte S. im Zeitraum von 3.5.2007 bis zum 3.7.2007 „sechs Mal Betäubungsmittel“ an drei verschiedene Vertrauenspersonen und einen verdeckten Ermittler der Polizei. Die- se Verkäufe stammten aus mindestens drei verschiedenen Lieferungen; zugunsten der Angeklagten sei davon auszugehen, dass diese drei Lieferungen aus drei der fünf festgestellten Beschaffungsfahrten stammten, an denen sie beteiligt gewesen sei (UA S. 53). Bei den am 3.5.2007, am 1.6.2007 und am 8.6.2007 verkauften Betäubungsmitteln habe es sich lediglich um geringe Mengen , bei dem am 14.6.2007 und am 3.7.2007 verkauften Amphetamin habe es sich um nicht geringe Mengen gehandelt.
6
Diesen Ausführungen lässt sich schon nicht entnehmen, welche drei der angegebenen fünf (nicht, wie die Kammer meint, sechs) Verkäufe die Kammer mit welchen konkreten Einfuhrfahrten als tateinheitlich verknüpft angesehen hat. Darüber hinaus erschließt sich aus den Urteilsgründen nicht, warum die Kammer in nur einem Fall tateinheitlich Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, jedoch in zwei Fällen tateinheitlich Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge angenommen hat. Denn selbst wenn man den Verkauf vom 3. Mai 2007 als vor der ersten Einfuhrfahrt am 18. Mai 2007 liegend ausscheidet , verbleiben ausweislich UA S. 53/54 vier Taten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln im relevanten Tatzeitraum, davon zwei - 1.6.2007 und 8.6.2007 - mit geringen und zwei - 14.6.2007 und 3.7.2007 - mit nicht geringen Mengen. Diese Unklarheiten hinsichtlich der in Tateinheit abgeurteilten Delikte des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verstärken die bereits dargelegten, sich aus dem Vergleich der Feststellungen zum Tatgeschehen mit den Ausführungen zur Einzelstraffestsetzung ergebenden Unsicherheiten und machen eine zuverlässige und vor allem widerspruchsfreie Zuordnung zu konkreten Einfuhrfahrten unmöglich.
7
c) Damit bleibt insgesamt unsicher, welchen Sachverhalt der Tatrichter dem Urteil zugrunde gelegt hat. Die unklaren, unübersichtlichen und widersprüchlichen Ausführungen in den Urteilsgründen erlauben eine ausreichende revisionsrechtliche Nachprüfung des Schuldspruchs nicht (vgl. BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Sachdarstellung 13; erkennbare Subsumtion; BGH NStZ 2000, 607 f.). Dies stellt einen sachlich-rechtlichen Mangel des Urteils dar, der - soweit es die Angeklagte S. betrifft - zu seiner Aufhebung führt.
8
2. Ergänzend weist der Senat auf Folgendes hin:
9
a) Ein unübersichtlicher Aufbau sowie an verschiedenen Stellen verstreute Feststellungen können einen durchgreifenden Mangel des Urteils darstellen, weil dann häufig die tatsächliche Grundlage des Urteils unvollständig sein wird. Zudem besteht die Gefahr, dass sich Unklarheiten und Widersprüche in die Urteilsfeststellungen einschleichen, die es dem Revisionsgericht unmöglich machen , einen bestimmten Sachverhalt seiner rechtlichen Überprüfung zugrunde zu legen. Zwar bilden die schriftlichen Entscheidungsgründe eine Einheit, deren tatsächliche Angaben auch dann berücksichtigt werden müssen, wenn sie sich in verschiedenen und dabei auch in solchen Zusammenhängen befinden, in denen sie nach dem üblichen Urteilsaufbau nicht erwartet werden (vgl. BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1, Feststellungen 1, Zusammenhang der Urteilsgründe ). Dies setzt jedoch voraus, dass sich aus der Gesamtheit der Urteilsgründe eine ausreichende tatsächliche Grundlage für die rechtliche Würdigung entnehmen lässt. Es ist nicht die Aufgabe des Revisionsgerichts, unklaren und sich widersprechenden Ausführungen in den Urteilsgründen einen den Schuldspruch möglicherweise tragenden Sinn beizulegen.
10
b) Bei einer - wie hier - Vielzahl angeklagter Taten und wenn mehrere Personen angeklagt sind, empfiehlt es sich, in den Feststellungen jeder einzelnen Tat eine bestimmte Ordnungszahl zuzuordnen und die Beiträge aller Beteiligten an dieser Stelle gemeinsam darzustellen (vgl. Meyer-Goßner/Appl, Die Urteile in Strafsachen, 28. Aufl. 2008, Rn. 234). Es beeinträchtigt dagegen die Klarheit und Übersichtlichkeit der Urteilsgründe, wenn im Wege eines „Mischsystems“ zwar einzelne Taten einer Ordnungsnummer zugeordnet, unter anderen Ordnungsnummern aber eine Vielzahl von - auch nicht abgeurteilten - Einzeltaten zusammengefasst und unter weiteren Ziffern die Tatbeiträge der einzelnen Beteiligten - teilweise - voneinander getrennt abgehandelt werden.
11
c) Besteht aus Sicht des Tatgerichts Anlass, Straftaten zu schildern, die nicht Gegenstand des Schuldspruchs sind - z.B. solche, die gemäß § 154 Abs. 2 StPO aus dem Verfahrensstoff ausgeschieden wurden oder solche, die nicht angeklagt waren, in der Hauptverhandlung aber zu Tage getreten sind -, sollten diese in der Darstellung deutlich von den konkret abgeurteilten Taten geschieden werden, um Missverständnisse und Unklarheiten zu vermeiden.
12
d) Der neue Tatrichter wird zu beachten haben, dass die Formulierungen im Urteil, die Angeklagte S. sei „selbst betäubungsmittelabhängig“ (UA S. 60) und habe die Taten „aufgrund ihrer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen“ (UA S. 63) zur Prüfung der - vom Landgericht nicht erörterten - Frage drängen, ob ihre Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB anzuordnen ist. Von der Unterbringung nach § 64 StGB darf nicht abgesehen werden, weil der Tatrichter - wie in den Urteilsgründen ausgeführt - „bereits jetzt“ einer Zurückstellung der Vollstreckung nach § 35 BtMG zustimmt. Die Unterbringungsanordnung nach § 64 StGB geht der allein dem Vollstreckungsver- fahren vorbehaltenen Zurückstellung nach § 35 BtMG vor (BGH StV 2008, 405 f.).
Fischer Roggenbuck Appl Cierniak Schmitt

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 486/16
vom
21. März 2017
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:210317U1STR486.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. März 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum,
der Richter am Bundesgerichtshof Bellay, die Richterin am Bundesgerichtshof Cirener und die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Radtke, Dr. Bär,
Staatsanwalt – in der Verhandlung –, Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof – bei der Verkündung – als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger, Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Vertreter des Nebenklägers,
Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Nebenklägers gegen das Urteil des Landgerichts Ellwangen (Jagst) vom 28. Juni 2016 wird verworfen.
Der Revisionsführer hat die durch sein Rechtsmittel verursachten Kosten und die dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung und wegen Bedrohung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt. Wegen eines weiteren Vorwurfs der vorsätzlichen Körperverletzung hat es den Angeklagten wegen Schuldunfähigkeit freigesprochen. Es hat die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Soweit dem Angeklagten die Begehung einer gefährlichen Körperverletzung zu Lasten des Nebenklägers vorgeworfen worden ist, hat das Landgericht ihn wegen einer nicht ausschließbaren Notwehrlage freigesprochen. Gegen diesen Teilfreispruch wendet sich der Nebenkläger mit seiner auf eine Verfahrens - und die Sachrüge gestützten Revision, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.

2
1. Nach den Feststellungen und Wertungen des Landgerichts versetzte der Angeklagte am 27. November 2015 seinem Bekannten, den er lästig fand, einen Kopfstoß, wodurch dieser Verletzungen erlitt. Am 5. Januar 2016 bedrohte er einen Polizeibeamten auf dem Amtsgerichtsflur mit der Erschießung. Bei beiden Taten war er aufgrund einer organischen Persönlichkeitsstörung infolge einer frühkindlichen Hirnschädigung in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert. Am 4. Januar 2016 machte er seiner Mutter unzutreffende Vorwürfe , zog sie an den Haaren und drückte sie so gegen eine Tür, dass diese stürzte und mit dem Hinterkopf auf dem Boden aufschlug, wodurch eine Platzwunde entstand. Er kniete sich neben seine am Boden liegende Mutter und drückte mit beiden Händen mindestens 30 Sekunden ihren Hals zu, so dass diese keine Luft mehr bekam. Bei dieser Tat war aufgrund einer wahnhaften Verkennung der Situation nicht auszuschließen, dass seine Unrechtseinsicht aufgehoben war. Diese Taten hat der Angeklagte eingeräumt.
3
Aus Anlass dieser Taten hat das Landgericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB angeordnet.
4
2. a) Darüber hinaus war dem Angeklagten vorgeworfen worden, am Abend des 28. November 2015 mit einem geöffneten Klappmesser auf den Nebenkläger losgegangen zu sein. Der Nebenkläger habe zur Abwehr den linken Arm vor den Körper gehoben, sei deshalb an der linken Hand getroffen worden und habe dort eine Durchtrennung von Muskelfasern und Sehnen erlitten. Erst als der Angeklagte nicht von dem Nebenkläger abgelassen habe, habe dieser letztlich eine Bierflasche genommen und nach dem Angeklagten geworfen , um dessen Angriff zu beenden, wodurch er den Angeklagten an der linken Schläfe verletzt habe.
5
b) In einem vom Landgericht mit Feststellungen zum Sachverhalt bezeichneten Abschnitt ist Folgendes ausgeführt:
6
Am Abend des 28. November 2015 traf der Nebenkläger vor seinem Hauseingang auf den alkoholisierten Angeklagten. Aus unklarem Anlass gerieten beide in Streit, in dessen Verlauf der Angeklagte den Nebenkläger als „Wichser“ bezeichnete. Im Rahmen der plötzlich auch körperlich geführten Auseinandersetzung wurde der Angeklagte an der Schläfe verletzt und erlitt eine blutende Wunde. Diese resultierte daraus, dass der Nebenkläger mit einer mitgeführten Bierflasche zuschlug oder mit ihr nach dem Angeklagten warf. Der Angeklagte zog sein Klappmesser hervor, öffnete dies und führte es in Richtung des Nebenklägers. Dieser hob zur Abwehr den linken Arm vor den Körper, so dass er von dem Messer an der linken Hand getroffen wurde, wodurch Muskelfasern und Sehnen durchtrennt wurden.
7
„Offen blieb“, ob der Angeklagte zuerst mit dem Messer den Nebenklä- ger verletzte, dieser dann mit der Bierflasche den Angeklagten verletzte oder ob umgekehrt zunächst der Angeklagte mit einem Wurf oder Schlag mit der Bierflasche durch den Nebenkläger verletzt wurde und sodann der Angeklagte das Messer gegen den Nebenkläger führte. „Möglicherweise“ war es der Ne- benkläger, welcher mit der Bierflasche in der Hand gegen die Schläfe des Angeklagten schlug und diesen erheblich verletzte, wogegen sich der Angeklagte unmittelbar wehrte – weil der Nebenkläger noch den Flaschenhals in Händen hielt und ihn weiter attackieren wollte –, indem er das Messer hervorzog, um sich gegen diesen fortdauernden Angriff zu verteidigen.
8
c) Zur Begründung des Freispruchs hat das Landgericht ausgeführt, aufgrund der Beweislage nicht ausschließen zu können, dass der Nebenkläger den Angeklagten zuerst angegriffen habe, wogegen sich der Angeklagte im Rahmen eines dynamischen Geschehens unmittelbar mit dem Messer zur Wehr gesetzt habe, um den Angriff und ein Nachsetzen des Nebenklägers mit dem noch in der Hand gehaltenen Flaschenhals zu verhindern. Die dahingehende Einlassung des Angeklagten wertete es als schlüssig, widerspruchsfrei und zu den übrigen Beweisergebnissen – mit Ausnahme der Angaben des Nebenklägers – passend. Der Angeklagte hatte angegeben, den ihm bekannten Nebenkläger im Rahmen einer Unterhaltung gefragt zu haben, wo er etwas zum Rauchen herbekomme, woraufhin dieser ihn als Schmarotzer beschimpft habe. Es habe sich dann ein Streit entwickelt. Der Nebenkläger sei „ausgetickt“ und habe ihm eine Ohrfeige gegeben, weswegen er ihn als „Wichser“ be- schimpft habe. Daraufhin habe der Nebenkläger ihm die Flasche auf die Schläfe gehauen, diese sei dabei zu Bruch gegangen. Er habe nicht genau gesehen, ob der Nebenkläger noch etwas in der Hand halte, habe dies aber „für möglich gehalten“. Aus „Angst“, dass der Nebenkläger ihm nun „den Flaschenhals reinramme“ , habe er sein Messer herausgeholt und eine Stechbewegung gemacht.
9
Die Angaben des Nebenklägers erachtete das Landgericht hingegen für nicht glaubhaft. Dieser schilderte, dass der Angeklagte ihn zuerst übel beschimpft habe. Daraufhin habe er den Angeklagten aus dem Hausflur schieben wollen, als dieser das Messer herausgeholt habe. Der Angeklagte habe eine drohende Haltung mit dem schnell geöffneten Springmesser eingenommen und die Klinge in seine – des Nebenklägers – Richtung gehalten. Er habe betont, seine Ruhe haben zu wollen. Der Angeklagte sei auf ihn zugegangen und habe mit dem Messer in Richtung seines Oberkörpers gestochen. Durch das Heben seines Arms habe er den Stich abgewehrt. Der Angeklagte habe einen Schritt auf ihn zu gemacht, und er habe nun aus Angst die Bierflasche in Richtung des Angeklagten geworfen. Dieser habe zu dem Zeitpunkt zwei oder drei Meter entfernt gestanden und sei am Rücken getroffen worden.

II.

10
Soweit der Nebenkläger die Verletzung der Aufklärungspflicht bean- standet, da es „möglich gewesen“ wäre, durch ein medizinisches Sachverstän- digengutachten festzustellen, „ob die vom Angeklagten behauptete Verletzung überhaupt von einem Schlag mit einer Bierflasche auf die Schläfe, also einem Weichteil, herrühren und dabei diese Flasche zu Bruch gehen kann“, genügt die Rüge nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Denn es wird nicht mit der erforderlichen inhaltlichen Bestimmtheit behauptet, welches Ergebnis die unterbliebene Beweiserhebung erbracht hätte (vgl. BGH, Urteile vom 23. August 1988 – 5 StR 157/88, BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 1 und vom 3. Dezember 2015 – 4 StR 223/15, NStZ 2016, 721, 723).

III.

11
Die auf die Sachrüge veranlasste revisionsrechtliche Prüfung des Freispruchs von der vorgeworfenen gefährlichen Körperverletzung zu Lasten des Nebenklägers zeigt keinen Rechtsfehler auf.
12
1. Die angefochtene Entscheidung genügt noch den Anforderungen an ein freisprechendes Urteil.
13
Das Tatgericht ist gemäß § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO aus sachlichrechtlichen Gründen verpflichtet, all das festzustellen und darzulegen, was für die Beurteilung des Tatvorwurfs relevant und zur Überprüfung des Freispruchs durch das Revisionsgericht auf Rechtsfehler notwendig ist. Dazu gehört bei einem Freispruch aus Notwehr auch, dass deren Voraussetzungen in revisionsrechtlich nachprüfbarer Weise dargelegt werden (vgl. BGH, Urteile vom 23. Juli 2008 – 2 StR 150/08, BGHSt 52, 314 und vom 13. November 2008 – 5 StR 384/08, NStZ-RR 2009, 70). Die Begründung muss im Hinblick auf den der rechtlichen Würdigung zugrunde gelegten Sachverhalt so abgefasst sein, dass das Revisionsgericht prüfen kann, ob dem Tatgericht bei der Ermittlung dieses Sachverhalts Rechtsfehler unterlaufen sind, das heißt, ob die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, ob sie gegen Denkgesetze verstößt oder ob das Tatgericht an die für eine Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt hat (st. Rspr.; BGH, Urteile vom 10. August 1994 – 3 StR 705/93, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 10 mwN; vom 11. Februar 2014 – 1 StR 485/13, BGHSt 59, 177 und vom 27. November 2014 – 3 StR 334/14).
14
Diesen Anforderungen genügt das Urteil noch. Zwar lässt sich dem Abschnitt zu den Feststellungen für sich genommen der Geschehensablauf wie er der rechtlichen Würdigung zugrunde gelegt worden ist, nicht in der erforderlichen Bestimmtheit entnehmen. Da aber die schriftlichen Urteilsgründe eine Einheit bilden, deren tatsächliche Angaben auch dann berücksichtigt werden müssen, wenn sie sich in verschiedenen und dabei auch in solchen Zusammenhängen befinden, in denen sie nach dem üblichen Urteilsaufbau nicht erwartet werden (vgl. BGH, Urteil vom 26. Mai 1987 – 1 StR 110/87, BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1, Feststellungen 1 – Zusammenhang der Urteilsgründe; Beschluss vom 5. Dezember 2008 – 2 StR 424/08), kann für die vollständige tatsächliche Grundlage der Entscheidung auch auf die diesbezüglichen Ausführungen in der Beweiswürdigung und der rechtlichen Würdigung zurückgegriffen werden. Dort hat das Landgericht klar und widerspruchsfrei ausgeführt, die Einlassung des Angeklagten nicht widerlegen zu können, der Nebenkläger habe ihn zunächst mit der Bierflasche gegen den Kopf geschlagen und er habe dann das Messer gegen weitere befürchtete Angriffe durch den zu einer weiteren Attacke bereiten Nebenkläger mittels des Flaschenhalses eingesetzt. Danach ergibt sich eindeutig, dass das Landgericht von dem Sachverhalt ausgegangen ist, wie er in dem feststellenden Teil mit „möglicherweise“ eingeleitet wird. Weiter ergeben die Urteilsgründe mit der erforderlichen Klarheit und Widerspruchsfreiheit , dass das Landgericht der rechtlichen Würdigung zugrunde gelegt hat, dass der erste Angriff durch den Nebenkläger erfolgte und dass die Abwehrhandlung sich im Rahmen eines in hohem Maße dynamischen und in Sekundenbruchteilen ablaufenden Geschehens ohne Zäsur ereignete.
15
Dies erlaubt dem Revisionsgericht in ausreichender Weise, einen bestimmten , widerspruchsfreien Sachverhalt seiner rechtlichen Überprüfung zu Grunde zu legen. Die Begründung für die Ermittlung dieses Sachverhalts lässt sich den Urteilsgründen auch eindeutig entnehmen. Damit ist eine revisionsrechtliche Nachprüfung des Schuldspruchs möglich und dementsprechend den Darlegungsanforderungen genügt.
16
2. Die Beweiswürdigung zeigt keinen Rechtsfehler auf.
17
a) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts. Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich insoweit darauf, ob dem Tatgericht bei der ihm obliegenden Feststellung und Würdigung des Ergebnisses der Hauptverhandlung Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Urteilsgründe widersprüchlich, unklar oder lückenhaft sind oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstoßen oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt werden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 11. November 2015 – 1 StR 235/15, NStZ-RR 2016, 47 mwN und vom 13. Juli 2016 – 1 StR 94/16).
18
b) Derartige Mängel zeigt das Urteil nicht auf.
19
aa) Das Landgericht hat dem Nebenkläger wegen seines Aussageverhaltens nicht geglaubt. Diese Würdigung hat eine tragfähige Grundlage, wie sich aus der Darlegung der Entwicklung des Aussageverhaltens des Nebenklägers ergibt. Danach hat dieser gegenüber dem noch am Tatort ermittelnden Polizeibeamten weder Angaben zum genauen Tatgeschehen noch zur Vorgeschichte gemacht. Eine von diesem eingesetzte Bierflasche fand dabei keine Erwähnung. Das gilt auch für die erste schriftliche, über den Rechtsanwalt erfolgte Einlassung. Es ist nachvollziehbar, dass das Landgericht vor diesem Hintergrund seine späteren Angaben, in denen er die Bierflasche als Abwehrmittel gegen den Angriff des Angeklagten dargestellt hat, als dem objektiven Beweisertrag – Verletzung des Angeklagten und Scherbenfeld am Tatort – angepasst gewertet hat. Es hat zudem berücksichtigt, dass die derart angepassten Angaben sich letztlich nicht mit der konkreten Art der Verletzung des Angeklagten und den Angaben des unbeteiligten Zeugen H. in Übereinstimmung bringen ließen, wonach die beiden Kontrahenten nahe beieinander gestanden hätten, als die Flasche geborsten sei. Dass es danach den Sachverhalt nicht wie vom Nebenkläger geschildert festgestellt hat, ist nach den dargelegten Grundsätzen nicht zu beanstanden.
20
bb) Anders als vom Generalbundesanwalt vertreten, ist nicht zu besorgen , dass das Landgericht verkannt haben könnte, dass Einlassungen, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine objektiven Anhaltspunkte gibt, nicht ohne weiteres als unwiderlegbar hinzunehmen und den Feststellungen zugrunde zu legen sind (vgl. nur BGH, Urteile vom 23. August 1977 – 1 StR 159/77, JZ 1978, 762 und vom 7. September 2016 – 2 StR 101/16). Das Tatgericht hat vielmehr auf der Grundlage des gesamten Beweisergebnisses darüber entschieden und ist zu dem begründeten Ergebnis gelangt, dass die Angaben des Angeklagten geeignet sind, seine Überzeugungsbildung zu beeinflussen. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass die den Angeklagten über seine Einlassung hinaus allein belastenden Angaben des Nebenklägers als unglaubhaft angesehen worden sind. Zum anderen folgt dies aus der Bewertung der Einlassung als schlüssig, widerspruchsfrei und durch das übrige Beweisergebnis – wie die von Dritten wahrgenommene blutende Verletzung an der Schläfe – bestätigt. In die diesbezügliche Überzeugungsbildung sind auch von dem konkreten Tatgeschehen losgelöste Indizien einbezogen worden, wie die Neigung des Angeklagten zu Aggressionsdelikten.
21
cc) Dass der Schluss des Landgerichts, wonach eine Attacke durch den Nebenkläger mit dem Flaschenhals unmittelbar bevorstand, sich von einer tragfähigen Tatsachengrundlage entferne und sich in einer bloßen Vermutung erschöpfe , wie es der Generalbundesanwalt vertritt, ist angesichts der dahin gehenden ausdrücklichen Einlassung des Angeklagten, die das Landgericht dieser Feststellung zugrunde gelegt hat, unter keinem Aspekt zu besorgen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Einlassung des Angeklagten, anders als die ursprünglichen Angaben des Nebenklägers, im Einklang mit dem am Tatort festgestellten Scherbenbild steht. Allein seine Schilderung des Geschehens lässt sich auch mit den Angaben des unbeteiligten Zeugen H. in Übereinstimmung bringen, wonach beide Kontrahenten nah beieinander gestanden hätten, als die Flasche geborsten sei.
22
dd) Die Beweiswürdigung ist auch nicht lückenhaft. Das Landgericht hat vielmehr die wesentlichen für die Entscheidungsfindung bedeutsamen Gesichtspunkte erörtert und diese auch im Rahmen der erforderlichen Gesamtschau (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 6. Februar 2002 – 1 StR 513/01, NJW 2002, 2188, 2189 und vom 2. Dezember 2015 – 1 StR 292/15, NStZ-RR 2016, 150) abgewogen.
23
Soweit die Revision eine Auseinandersetzung damit vermisst, dass der Polizeibeamte, der die Wunde des Angeklagten an der Schläfe gesehen hat, diese als eher von einem Schnitt als von einer Platzwunde herrührend beschrieben hat, zeigt dies keine Lücke auf. Dies gilt schon deswegen, weil nach dem vom Landgericht zugrunde gelegten Sachverhalt die Verletzung des Angeklagten von der zersplitternden, mithin Schnittverletzungen ermöglichenden Flasche verursacht worden ist. Der Fund von Scherben vor der Haustür lässt sich ohne weitere Erörterungen mit den Feststellungen des Landgerichts vereinbaren , wonach sich die Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und dem Nebenkläger „kurzzeitig“ im Hausflur, sodann aber wieder vor der Haustür ereignet hat. Selbst der Nebenkläger schildert den Einsatz der Flasche durch ihn im Bereich vor der Haustür. Das Landgericht hat ausdrücklich auch die Neigung des Angeklagten zu Aggressionstaten in die Gesamtwürdigung eingestellt.
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Zwar ist der Revision darin Recht zu geben, dass sich das Landgericht nicht mehr ausdrücklich damit auseinandergesetzt hat, dass der unbeteiligte Zeuge H. unmittelbar nach dem Geschehen bei dem Angeklagten keine Verletzung wahrgenommen hat. Es ist aber nicht zu besorgen, dass es dies aus dem Blick verloren haben könnte. Denn ausweislich der Urteilsgründe hat es diesen Umstand vom Zeugen erfragt und als Beweisertrag dargestellt. Angesichts der unklaren Sichtverhältnisse des Zeugen begründet es zudem keinen revisionsrechtlich beachtlichen Mangel der Beweiswürdigung, dass das Landgericht nicht eine Selbstverletzung durch den Angeklagten im Nachgang zum Tatgeschehen erörtert hat. Soweit auch der Nebenkläger keine Verletzung des Angeklagten gesehen haben will, ist dies demgegenüber unbeachtlich, da dessen Angaben als unglaubhaft bewertet worden sind.
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ee) Anders als der Generalbundesanwalt besorgt der Senat nicht, das Landgericht habe überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt. Zwar ist insoweit zuzugeben, dass die Urteilsgründe unangebracht häufig auf die Nichtwiderlegbarkeit bzw. die Nichtausschließbarkeit abstellen. Hierdurch wollte das Landgericht allerdings nur auf die Anwendung des Zweifelsgrundsatzes hinweisen, offenbart dadurch aber keinen falschen Maßstab für die richterliche Überzeugungsbildung.
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3. Die Würdigung als gerechtfertigte Verteidigung gegenüber einem gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff hat Bestand.
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a) Ersichtlich ist das Landgericht unter Anwendung des Zweifelssatzes vom Vorliegen eines gegenwärtigen Angriffs im Sinne des § 32 Abs. 2 StGB ausgegangen.
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aa) Gegenwärtig in diesem Sinne kann auch ein Verhalten sein, das zwar noch kein Recht verletzt, aber unmittelbar in eine Verletzung umschlagen kann und deshalb ein Hinausschieben der Abwehrhandlung unter den gegebenen Umständen entweder deren Erfolg gefährden oder den Verteidiger zusätzlicher nicht mehr hinnehmbarer Risiken aussetzen würde (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Dezember 1991 – 2 StR 535/91, BGHR StGB § 32 Abs. 2 Angriff 5; Urteil vom 24. November 2016 – 4 StR 235/16, NStZ-RR 2017, 38 mwN). Hat der Angreifer bereits eine Verletzungshandlung begangen, dauert der Angriff so lange an, wie eine Wiederholung und damit ein erneuter Umschlag in eine Verletzung unmittelbar zu befürchten ist (vgl. BGH, Urteil vom 9. August 2005 – 1 StR 99/05, NStZ 2006, 152, 153; Beschluss vom 25. Januar 2017 – 1 StR 588/16). Dabei kommt es auf die objektive Sachlage an. Entscheidend sind daher nicht die Befürchtungen des Angegriffenen, sondern die Absichten des Angreifers und die von ihm ausgehende Gefahr einer (neuerlichen oder unverändert fortdauernden) Rechtsgutverletzung (vgl. BGH, Urteile vom 18. April 2002 – 3 StR 503/01, NStZ-RR 2002, 203; vom 9. August 2005 – 1 StR 99/05, NStZ 2006, 152, 153 und vom 24. November 2016 – 4 StR 235/16, NStZ-RR 2017, 38; Beschluss vom 25. Januar 2017 – 1 StR 588/16; siehe auch Beschluss vom 28. Oktober 2015 – 5 StR 397/15, JuS 2016, 562).
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bb) Das Landgericht vermochte nicht zu klären, ob tatsächlich vondem Nebenkläger ein Angriff bevorstand. Es ist daher unter Anwendung des Zweifelsgrundsatzes von der für den Angeklagten günstigsten Möglichkeit ausgegangen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 26. August 2004 – 4 StR 236/04, NStZ 2005, 85), nämlich dass ein „Angriff und ein Nachsetzen“ des Nebenklägers „mit dem von ihm noch in der Hand gehaltenen Flaschenhals“ unmittelbar be- vorstand. Danach war der rechtlichen Wertung eine objektiv bestehende Notwehrlage zugrunde zu legen. Das unterscheidet den Sachverhalt von der Fallgestaltung , die dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 23. August 1977 (1 StR 159/77) zugrunde lag und auf die sich der Generalbundesanwalt stützt, die sich aber auf die Voraussetzungen eines Erlaubnistatbestandsirrtums bzw. eines Erlaubnis-(Verbots)irrtums bezieht.
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b) Eine Einschränkung des Notwehrrechts wegen eines sozialethisch zu missbilligenden vorwerfbaren Vorverhaltens des Angeklagten ergibt sich nicht. Hierbei war zu berücksichtigen, dass nach dem als festgestellt beschriebenen Sachverhalt der Angeklagte den Nebenkläger im Rahmen einer bereits andau- ernden wechselseitigen Auseinandersetzung „Wichser“ genannt hat. Nach der ausweislich der Urteilsgründe nicht widerlegten Einlassung des Angeklagten erfolgte diese Äußerung erst als Reaktion auf eine Ohrfeige des Nebenklägers. Außerdem würde eine solche Äußerung in der konkreten Situation auch nicht zu einer Einschränkung des Notwehrrechts gegenüber dem mittels eines abgebrochenen Flaschenhalses unmittelbar drohenden Angriff führen. Denn zumut- bare Möglichkeiten, dem Angriff auszuweichen oder sich zurückhaltender zu verteidigen, sind nach der Tatsachengrundlage, wonach es sich um ein in Sekundenbruchteilen ablaufendes Geschehen ohne Gelegenheit zum Nachdenken für den Angeklagten gehandelt hat, nicht erkennbar (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Januar 1989 – 4 StR 2/89, BGHR StGB § 32 Abs. 2 Verteidigung 4; Urteil vom 27. September 2012 – 4 StR 197/12, NStZ-RR 2013, 139).
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c) Nach dem der rechtlichen Würdigung zugrunde gelegtenSachverhalt handelte der Angeklagte, um sich gegen einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff zu verteidigen. Dies wird durch seine Angabe, er habe „aus Angst, dass M. ihm den Flaschenhals reinramme“, sein Messer herausgeholt und eine Stechbewegung gemacht, ausreichend belegt. Da der Angeklagte infolgedessen mit Verteidigungswillen handelte, kommt es entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts nicht darauf an, dass der Angeklagte einen weiteren An- griff nur „für möglich gehalten“ hat(vgl. nur BGH, Urteil vom 27. Oktober 2015 – 3 StR 199/15, NStZ 2016, 333 mwN). Raum Bellay Cirener Radtke Bär