Landessozialgericht NRW Urteil, 24. Juni 2015 - L 8 R 1054/14
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 06.11.2014 geändert und die Klage abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen trägt die Klägerin zu 1/3, die Beklagte zu 2/3. Die Beigeladenen tragen ihre Kosten selbst. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 25.000,00 EUR festgesetzt.
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Tatbestand:
2Streitig ist im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens letztlich noch, ob die von der Beigeladenen zu 1) bei der Klägerin ausgeübte Tätigkeit als Fremdgeschäftsführerin in der Zeit vom 1.11.2009 bis zum 30.6.2011 Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten-, Kranken- und sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung begründet hat.
3Die Beigeladene zu 1) ist Diplom-Ökonomin und war einige Jahre bei Q als Unternehmensberaterin für Handelsunternehmen tätig. Das Hauptaugenmerk ihrer dortigen Tätigkeit lag auf den Bereichen Sanierung, Prozessoptimierung und Marketing.
4Bei der Klägerin handelt es sich um eine Vertriebs- und Beratungsgesellschaft, die elektronische Waren, vor allem digitale Videoleinwände, vertreibt und ihre Kunden zudem bezüglich dafür erforderlicher bzw. kundenseitig angefragter Softwarelösungen berät. In den Anfangsjahren vertrieb die Klägerin zu etwa 90% Produkte der H Electronic Group mit Sitz in Shanghai in der Volksrepublik China. Danach nahm der Anteil dieser Produkte ab. Bei dem Gründungsgesellschafter der Klägerin, Herrn X, handelt es sich um den Schwager der Beigeladenen zu 1). Herr X ist zudem "legal representative/business owner" der Niederlassung der H Electronics Group in Shanghai. Der weitere Gründungsgesellschafter, Herr T1, ist in der Niederlassung der H Electronics in Nanjing tätig.
5Die Klägerin wurde mit notariellem Gesellschaftsvertrag vom 4.9.2007 (nachfolgend: GesV) mit Sitz in O gegründet (Amtsgericht [AG] Düsseldorf; HRB 000). Die Beigeladene zu 1) wurde gleichzeitig im Rahmen der ersten Gesellschafterversammlung als alleinvertretungsberechtigte und von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreite Geschäftsführerin der Klägerin bestellt. Zugleich wurde die Beigeladene zu 1) bevollmächtigt, alle notwendigen Handlungen für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) in Gründung abzuschließen. Im Innenverhältnis hatte sie diese Handlungen mit den Gesellschaftern abzustimmen. In dem GesV heißt es auszugsweise wörtlich wie folgt:
6"[ ...] § 2 Gegenstand des Unternehmens
7Gegenstand des Unternehmens sind der Handel mit und die Produktion von elektronischen Geräten und sonstigen Waren.
8Die Gesellschaft ist zu allen Geschäften und Maßnahmen berechtigt, die dem Gegenstand des Unternehmens dienen. Sie kann zu diesem Zweck andere Unternehmen gründen, erwerben und sich an ihnen beteiligen; sie kann auch Zweigniederlassungen gründen.
9§ 3 Stammkapital
101. Das Stammkapital beträgt 25.000,00 EUR. 2. Als Gesellschafter übernehmen: Herr X 12.500,00 EUR, Herr T1 12.500,00 EUR. Die Stammeinlagen sind voll in bar an die Gesellschaft zu zahlen. [ ...]
11§ 5 Geschäftsführer und Vertreter 1. Die Gesellschaft hat einen oder mehrere Geschäftsführer. 2. Ist nur ein Geschäftsführer bestellt, so vertritt er die Gesellschaft allein. 3. [ ...] 4. Die Gesellschafterversammlung kann einen oder mehrere Geschäftsführer von den Beschränkungen des § 181 BGB befreien.
12§ 6 Gesellschafterversammlung 1. Beschlüsse der Gesellschaft werden mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst, wenn das Gesetz nicht zwingend eine höhere Mehrheit vorschreibt. 2. Je 100,00 EUR Geschäftsanteil gewähren eine Stimme. 3. Schriftliche Abstimmung ist zulässig, wenn nicht ein Gesellschafter widerspricht. 4. Zu den Gesellschafterversammlungen sind die Gesellschafter zwei Wochen vorher per Fax oder E-Mail zu laden. [ ...]
13Schlussbestimmungen 1. Die Änderung dieses Gesellschaftsvertrages bedarf der notariellen Beurkundung. 2. Sollte eine Bestimmung dieses Vertrages nichtig sein oder sich als ungültig erweisen, bleibt der Vertrag im Übrigen gleichwohl gültig. Die unwirksame Bestimmung ist durch die Regelung zu ersetzen, durch die der mit ihr verfolgte wirtschaftliche und rechtliche Zweck bestmöglich erreicht wird. Die Gesellschafter sind verpflichtet, erforderlichenfalls eine entsprechende Satzungsänderung vorzunehmen."
14Die Beigeladene zu 1) schloss mit der Klägerin zunächst im September 2007 einen Geschäftsführervertrag (nachfolgend: GF-V), auf dessen Inhalt Bezug genommen wird. Dieser wurde mit Wirkung zum 1.6.2009 zwischen der Klägerin, vertreten durch ihre Gesellschafter, und der Beigeladenen zu 1) geändert. Darin heißt es wörtlich auszugsweise wie folgt:
15"[ ...] wird folgender Anstellungsvertrag geschlossen:
16§ 1 Aufgabenbereich 1. Der Geschäftsführer vertritt die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich. Er führt die Geschäfte der Gesellschaft nach Maßgabe des Gesetzes, dem Gesellschaftsvertrag und dieses Anstellungsvertrages. 2. Der Geschäftsführer ist von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. 3. Der Geschäftsführer hat das Recht, jederzeit eine Entscheidung der Gesellschafterversammlung herbeizuführen.
17§ 2 Dauer des Vertrages 1. Dieser Vertrag beginnt am 1. Juni 2009 und wird für die Dauer von 2 Jahren abgeschlossen. Wird er nicht 3 Monate vor seinem Ablauf von der Gesellschaft oder dem Geschäftsführer gekündigt, so verlängert er sich jeweils auf die Dauer von 1 Jahr. Die Kündigung hat in schriftlicher Form zu erfolgen. 2. Der Vertrag endet ohne Kündigung mit dem Eintritt des 65. Lebensjahres. 3. Das Recht der Kündigung aus wichtigem Grunde bleibt für die Gesellschaft und den Geschäftsführer unberührt. Als wichtige Gründe sind unter anderem anzusehen, wenn der Geschäftsführer länger als ein Jahr durch Krankheit oder andere unverschuldete Ursachen an der Ausübung seiner Tätigkeit verhindert ist, die Liquidation der Gesellschaft sowie schwere Verstöße des Geschäftsführers gegen die Weisungen der Gesellschafterversammlung. 4. Im Falle einer ordentlichen Kündigung ist die Gesellschaft berechtigt, den Geschäftsführer bei Weiterzahlung seiner Bezüge zu beurlauben.
18§ 3 Dienstort und Arbeitszeit 1. Der Geschäftsführer ist nicht an einen bestimmten Dienstort gebunden. 2. An eine bestimmte Arbeitszeit ist der Geschäftsführer nicht gebunden. Er ist jedoch gehalten, jederzeit, wenn und soweit es das Wohl der Gesellschaft erfordert, zu Dienstleistungen zur Verfügung zu stehen.
19§ 4 Zustimmungspflichtige Geschäfte Der Geschäftsführer darf folgende Geschäfte nur nach vorheriger Zustimmung der Gesellschafterversammlung ausführen: 1. Veräußerung von wesentlichen Teilen des Unternehmens oder des Unternehmens im Ganzen; 2. Erwerb, Belastung oder Veräußerung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten;
20Folgende Geschäfte kann der Geschäftsführer selbstständig ausführen ohne Zustimmung der Gesellschaft: 1. Aufnahme eines neuen Geschäftszweiges; 2. Errichtung und Aufhebung von Zweigniederlassungen; 3. Erteilung und Widerruf von Prokuren.
21§ 5 Pflichten und Verantwortlichkeit 1. Der Geschäftsführer hat die Geschäfte der Gesellschaft mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu führen und die ihm durch Gesetz, Satzung und diesem Vertrag obliegenden Pflichten genau und gewissenhaft zu erfüllen. 2. Der Geschäftsführer hat innerhalb der Frist des § 264 Abs. 1 HGB den Jahresabschluss für das abgelaufene Geschäftsjahr aufzustellen und jedem Gesellschafter unverzüglich nach Aufstellung zu übersenden. 3. Gleichzeitig mit Übersendung von Jahresabschluss und Geschäftsbericht hat der Geschäftsführer unter Beachtung der Beschlussfrist des § 42a Abs. 2 GmbHG eine Gesellschafterversammlung einzuberufen, in der über die Feststellung des Jahresabschlusses und die Ergebnisverwendung Beschluss zu fassen ist. [ ...]. 4. Der Geschäftsführer ist verpflichtet, gegenüber Außenstehenden über alle Angelegenheiten der Gesellschaft Stillschweigen zu bewahren, soweit er sie nicht im Rahmen pflichtgemäßer Geschäftsführung offenbaren muss. Die Geheimhaltungspflicht endet nach Beendigung des Dienstverhältnisses.
22§ 6 Haftung des Geschäftsführers 1. Die Gesellschaft ist verpflichtet, durch die Gesellschafterversammlung spätestens zum Zeitpunkt des Jahresabschlusses einen Beschluss über die Entlastung des Geschäftsführers für die vorangegangene Tätigkeit zu fassen. 2. Die Haftung des Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft ist auf vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten beschränkt. 3. Der Geschäftsführer haftet gegenüber der Gesellschaft für alle Schäden nur bis zu einem Höchstbetrag in Höhe des Stammkapitals. 4. Der Geschäftsführer haftet gegenüber der Gesellschaft nicht, sofern und soweit er auf ausdrückliche Weisung der Gesellschafter tätig geworden ist. 5. Die Geltendmachung eines Haftungsanspruchs gegen den Geschäftsführer durch die Gesellschaft ist nur im Falle einer Insolvenz der Gesellschaft möglich.
23§ 8 Vergütung 1. Der Geschäftsführer ist an dem unternehmerischen Risiko mitbeteiligt und erhält bis zum 31. Dezember 2009 keine Vergütung. 2. Ab dem 1. Januar 2010 erhält der Geschäftsführer folgende Vergütung für seine Tätigkeit: - ein festes Monatsgehalt, von Euro 2000, - eine Tantieme in Höhe von 33,3 % des Jahresüberschusses (ab 2010 40 % des Jahresüberschusses, ab 2011 50 % des Jahresüberschusses und ab 2012 60 % des Jahresüberschusses). Berechnungsgrundlage für die Tantieme ist der nach handelsrechtlichen Vorschriften ermittelten Jahresüberschuss der Gesellschaft von dem letzten Geschäftsjahr, der sich vor Abzug der Tantieme selbst ergibt. Die Tantieme wird mit Feststellung des Jahresabschlusses durch die Gesellschafterversammlung fällig. 3. Ab 2012 hat der Geschäftsführer Option zum Erwerb der Geschäftsanteile bis zu 40 % der Gesellschaftsanteile. Berechnungsgrundlage für die Erwerbspreise ist die nach handelsrechtlichen Vorschriften ermittelte Eigenkapitalhöhe der Gesellschaft von dem letzten Geschäftsjahr.
24§ 9 Spesen und Auslagen 1. Reisekosten und sonstige Aufwendungen, die im Interesse der Gesellschaft notwendig waren, ersetzt die Gesellschaft im Rahmen der jeweils steuerlich zulässigen Höchstgrenze. 2. Für Dienstreisen im eigenen Pkw erhält der Geschäftsführer den jeweils steuerlich zulässigen Satz als Kilometergeld.
25§ 10 Vergütung bei Krankheit und Tod 1. Wird der Geschäftsführer durch Krankheit vorübergehend gehindert, seine Tätigkeit als Geschäftsführer auszuüben, so wird ihm die vereinbarte Vergütung auf die Dauer von 6 Monaten weiter gezahlt. 2. Wird der Geschäftsführer durch andere unverschuldete Ursachen vorübergehend gehindert, seine Tätigkeit für die Gesellschaft auszuüben, so wird das Gehalt auf die Dauer von sechs Monaten weiter gezahlt, jedoch unter Anrechnung etwaiger aufgrund dieser Ursache von anderer Seite gezahlter Vergütungen. 3. Verstirbt der Geschäftsführer während der Dauer dieses Anstellungsvertrages, so wird seinem Ehepartner das Festgehalt für die auf den Sterbemonat folgenden drei Monate fortbezahlt. Ist der Ehepartner zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben, so steht dieser Anspruch unterhaltsberechtigten Kindern des Geschäftsführers zu. [ ...]
26§ 12 Vertragsänderungen Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform. Mündliche Vereinbarungen sind unwirksam."
27In den Jahren 2007 und 2008 sowie in den Jahren 2011, 2013 und 2014 erzielte die Klägerin keine Gewinne. Mitte 2011 vereinbarten die Klägerin, vertreten durch ihre Gesellschafter, und die Beigeladene zu 1) sodann, dass die Beigeladene zu 1) auf ihr Grundgehalt verzichte und dafür ihre "Gewinnbeteiligung" auf 80% des Jahresüberschusses ab 2011 erhöht werde.
28Die Klägerin zahlte folgende Festgehälter an die Beigeladene zu 1): von November 2009 bis November 2010 jeweils monatlich 3.275,50 EUR (2.000,00 EUR Festgehalt, 467,00 EUR Zuschuss zur privaten Krankenversicherung, 808,50 EUR Kindergartengebühr), in der Zeit von Dezember 2010 bis Juli 2011 monatlich 2.467,00 EUR (2.000,00 EUR Festgehalt, 467,00 EUR Zuschuss zur privaten Krankenversicherung). Ab August 2011 zahlte sie kein Festgehalt mehr.
29Die Klägerin beantragte am 2.3.2011 die Prüfung des sozialversicherungsrechtlichen Status der Beigeladenen zu 1) nach § 7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Sie habe zunächst im Frühjahr 2010 einen Antrag bei der Beigeladenen zu 2) - der AOK Rheinland/Hamburg - gestellt, die die Unterlagen mangels Zuständigkeit zurückgereicht habe. Am 13.7.2010 sei dann ein Antrag bei der Beigeladenen zu 5) - der Novitas BKK - gestellt worden, bei der die Unterlagen nicht mehr auffindbar seien. Den Antrag an die Beklagte begründete die Klägerin wie folgt: Die Beigeladene zu 1) habe als Fremdgeschäftsführerin aufgrund der besonderen Gestaltung innerhalb des Familienunternehmens maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Klägerin. Die Gesellschafter der Klägerin lebten in China und fungierten nur als Kapitalgeber. Beide Gesellschafter sprächen überwiegend Chinesisch und kaum Englisch. Chinesische Unternehmer hätten ferner mentalitätsbedingt ausschließlich Vertrauen zu ihren eigenen Landsleuten und Verwandten. Die Beigeladene zu 1) beherrsche fließend Chinesisch, Deutsch und Englisch in Wort und Schrift. Aufgrund ihrer Ausbildung sowie ihrer langjährigen praktischen Erfahrung verfüge sie über außerordentliche Branchen- und Marktkenntnisse, sowie über persönliche Kundenkontakte und Kenntnisse über Ablauf und Organisation. Sie unterliege keinerlei Weisungen der Gesellschafter und bestimme ihre Arbeitszeit und ihre Arbeitseinteilung frei, wobei sie von Arbeitszeiten von 60 bis 80 Wochenstunden ausgehe. In der Gründungsphase sei sie ausschließlich auf Tantiemenbasis verpflichtet gewesen. Seit dem Jahr 2009 erhalte sie ein Festgehalt. Zudem stünden ihr Tantiemen in Höhe von 40 % des Jahresüberschusses im Jahr 2009 und 50 % des Jahresabschlusses in 2010 zu.
30Die Beklagte teilte daraufhin mit, dass sie die Feststellung beabsichtige, dass die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) für die Klägerin als Fremdgeschäftsführerin im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt werde. Es bestehe Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung ab dem 1.1.2009 (Anhörung vom 12.7.2011). Es bestehe ein gesonderter Arbeitsvertrag, der die Mitarbeit in der Gesellschaft regle. Es werde für die Tätigkeit ein festes Jahresgehalt gezahlt. Es bestehe Weisungsgebundenheit gegenüber der Gesellschafterversammlung. Es würden keine Anteile am Stammkapital gehalten. Für eine selbständige Tätigkeit spreche lediglich, dass die Geschäftsführerin alleinvertretungsberechtigt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit sei sowie erfolgsabhängige Tantiemenzahlungen erhalte.
31Die Klägerin und die Beigeladene zu 1) teilten daraufhin mit, dass die Gesellschafter lediglich die Gründungskosten der Klägerin tragen sollten, da die Beigeladene zu 1) kein Eigenkapital habe einsetzen können. Im Gegenzug sei sie in den Jahren 2007 und 2008 ausschließlich nach dem Geschäftsergebnis bezahlt worden. Das finanzielle Engagement der Gesellschafter sei maßgeblich durch das verwandtschaftliche Verhältnis zu begründen. Sie unterliege keinen Weisungen und übe Arbeitgeberfunktion aus. Seit 2009 sei sie vertraglich von den ursprünglich in § 1 Abs. 3 und § 3 Abs. 1 des GF-V getroffenen Vereinbarungen (Verpflichtung, die Anweisungen der Gesellschafterversammlung auszuführen; Verpflichtung, die Leistung am Sitz der Gesellschaft zu erbringen) befreit worden. Zudem sei der anfängliche Anspruch von 30 Tagen Urlaub gestrichen worden. Über die Zahl der Urlaubstage sowie die Art und Dauer entscheide sie abhängig von der Belangen der Klägerin alleine. Die Höhe der laufenden monatlichen Entnahmen sowie die Höhe der Gewinnentnahmen könne sie selbst bestimmen. Seit 2009 erhalte sie 2.000,00 EUR brutto monatlich. Das Haupteinkommen entnehme sie in Form der Gewinnausschüttung.
32Mit Bescheid vom 29.8.2011 stellte die Beklagte fest, dass die Beigeladene zu 1) ihre Tätigkeit als Geschäftsführerin bei der Klägerin seit dem 1.1.2009 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe. In dem Beschäftigungsverhältnis bestehe Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Die Versicherungspflicht beginne am 1.1.2009. Zur Begründung wiederholte sie im Wesentlichen ihre Ausführungen aus dem Anhörungsschreiben.
33Die Klägerin legte gegen den Bescheid am 23.9.2011 Widerspruch ein. Die Gesellschafterbeschlüsse seien bereits aufgrund der Entfernung zwischen den Gesellschaftern und dem Unternehmen, der Unkenntnis des europäischen Marktes und der Sprachbarriere maßgeblich durch den Einfluss der Beigeladenen zu 1) geprägt. In der Zeit bis zum 31.10.2009 habe die Beigeladene zu 1) keine Einkünfte erzielt. Seit dem 1.1.2011 würden ebenfalls keine monatlichen Bezüge gezahlt. In der Zeit vom 1.11.2009 bis zum 31.12.2010 sei lediglich zeitweise ein geringes monatliches Bruttogehalt in Höhe von 2.000,00 EUR als Vorauszahlung entnommen worden. Sie bestreite ihre Haupteinkünfte durch Tantiemenzahlungen, die außer Verhältnis zum Festgehalt stünden.
34Die Beklagte half dem Widerspruch teilweise durch Bescheid vom 21.12.2011 ab und hob ihren Bescheid vom 29.8.2011 für die Zeit vom 1.1.2009 bis zum 31.10.2009 auf. Sodann wies sie den Widerspruch im Übrigen durch Widerspruchsbescheid vom 27.3.2012 als unbegründet zurück. Es verbleibe bei der Feststellung, dass die Beigeladene zu 1) die Tätigkeit als Geschäftsführerin für die Klägerin seit dem 1.11.2009 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe und Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe. Auch die Zahlung einer über das Bruttogehalt hinausgehenden Tantieme sei als Arbeitsentgelt im Sinne von § 14 SGB IV zu sehen und in der versicherungsrechtlichen Beurteilung zu berücksichtigen. Die Beigeladene zu 1) sei nicht am Stammkapital der Klägerin beteiligt. Sie könne daher mangels Vetorechts bzw. Sperrminorität keine Entscheidungen verhindern. Allein aus der weisungsfreien Ausführung der Tätigkeit könne nicht auf eine selbständige Tätigkeit geschlossen werden. Die Arbeitsleistung verbleibe fremdbestimmt, da sich ein Geschäftsführer in eine von den Gesellschaftern vorgegebene Ordnung des Betriebes eingliedern müsse. Das Merkmal der Fachkompetenz im Geschäftsfeld der Klägerin führe gleichfalls nicht zu einer anderen Beurteilung, da spezielle Fachkenntnisse vielfach gerade Voraussetzung für die Übertragung einer Geschäftsführerposition seien. Bezüglich der Abbedingung einzelner Klauseln des Anstellungsvertrages fehle es an entsprechenden Nachweisen.
35Dagegen hat die Klägerin am 23.4.2012 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhoben. Sie hat ihren Vortrag aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft. Ergänzend hat sie vorgetragen, dass es keinen die Beigeladene zu 1) anweisenden Gesellschafterbeschluss gebe. Für die Zeit ab 2009 hätten die Beteiligten einzelne Klauseln des Anstellungsvertrages aufgehoben. Die Existenz der Klägerin "stehe und falle" mit der Beigeladenen zu 1).
36Nach einem Termin zur Erörterung des Sachverhaltes mit den Beteiligten am 7.1.2014, auf dessen Sitzungsniederschrift verwiesen wird, hat der Vertreter der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung am 6.11.2014 vor dem SG folgende Erklärung abgegeben:
37"Der Beklagtenvertreter erklärt zu Protokoll, dass er folgende Abänderung des Bescheides vom 29.8.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.3.2012 vornehmen will:
38Ich ändere den Verfügungssatz dahingehend, dass festgestellt wird, dass die Prüfung des versicherungsrechtlichen Status von Frau D ergeben hat, dass deren Tätigkeit als Geschäftsführer bei der D GmbH seit dem 1.11.2009 als sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis ausgeübt wird."
39Die Klägerin hat daraufhin beantragt,
40den Bescheid der Beklagten vom 29.8.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.3.2012 in der Gestalt der heute zu Protokoll abgegebenen Änderung der Bescheide aufzuheben und festzustellen, dass die Tätigkeit der Beigeladenen für die Klägerin in der Zeit ab dem 1.11.2009 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung unterliegt.
41Die Beklagte hat beantragt,
42die Klage abzuweisen.
43Sie hat an ihren Bescheiden festgehalten.
44Die mit Beschluss des SG vom 14.6.2012 zum Verfahren beigeladene Beigeladene zu 1) hat keinen Antrag gestellt.
45Die Beklagte hat im Jahr 2013 bei der Klägerin für den Zeitraum Mai 2009 bis Dezember 2012 eine Betriebsprüfung durchgeführt, die mit Bescheid vom 16.5.2013 beendet worden ist. Die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Beigeladenen zu 1) wurde dort ausdrücklich von der Prüfung ausgenommen.
46Durch Urteil vom 6.11.2014 hat das SG sodann die Bescheide aufgehoben und festgestellt dass die Beigeladene zu 1) in ihrer Tätigkeit für die Klägerin nicht der Versicherungspflicht unterliege. Auf die Entscheidungsgründe wird verwiesen.
47Gegen das der Beklagten am 19.11.2014 zugestellte Urteil hat diese am 9.12.2014 Berufung eingelegt. Sie wiederholt und vertieft ihren bisherigen Vortrag. Ergänzend verweist sie darauf, dass die Entscheidung nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) stehe. In seinen jüngeren Entscheidungen vom 29.8.2012 habe das BSG ausdrücklich auf die Rechtsmacht und weniger auf die tatsächlichen Verhältnisse abgestellt.
48Die Beklagte hat ferner mit Bescheid vom 16.3.2015 die streitgegenständlichen Bescheide nochmals dahingehend abgeändert, dass die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) seit dem 13.11.2014 als Geschäftsführerin bei der Klägerin nicht mehr im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde. Es bestehe daher keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung, nachdem die Beigeladene zu 1) mit notariellem Übertragungsvertrag vom 13.11.2014 die Geschäftsanteile der Klägerin übernommen habe und seitdem die Alleingesellschafterin der Klägerin sei. Mit weiterem Bescheid vom 19.3.2015 hat die Beklagte die streitgegenständlichen Bescheide nochmals dahingehend abgeändert, dass für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) in der Zeit vom 1.1.2009 bis zum 12.11.2014 als Geschäftsführerin bei der Klägerin Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestanden habe. Nachdem die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat die streitigen Bescheide erneut nunmehr dahingehend abgeändert hat, dass für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) bei der Klägerin in der Zeit vom 1.11.2009 bis zum 30.6.2011 Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, Renten- und in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestanden hat, beantragt sie nunmehr,
49das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 6.11.2014 zu ändern und die Klage abzuweisen.
50Die Klägerin beantragt,
51die Berufung zurückzuweisen.
52Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Die Beigeladene zu 1) habe in der Zeit von November 2009 bis November 2014 keine Tantiemezahlungen erhalten. Obwohl im Jahr 2012 ein leicht positives Ergebnis erwirtschaftet worden sei, hätten sowohl die Beigeladene zu 1) als auch die Gesellschafter der Klägerin wegen des Vorjahresverlustes und des schlechten Folgejahrausblicks auf Tantiemen und Gewinnausschüttung verzichtet.
53Die Beigeladene zu 1) stellt keinen Antrag.
54Auf Anforderung des Senats hat die Klägerin die Lohnkonten der Beigeladenen zu 1) für die Jahre 2009 bis 2011, Betriebsprüfungsbescheide und Einkommenssteuerbescheide der Beigeladenen zu 1) für die Jahre 2009 bis 2012 vorgelegt.
55Die Beigeladenen zu 2) bis 6) sind durch Beschlüsse vom 4.5.2015 und 8.6.2015 beteiligt worden.
56Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte in diesem Verfahren sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
57Entscheidungsgründe:
58Der Senat hat in Abwesenheit der Beigeladenen zu 2) bis 6) verhandeln und entscheiden können, da er sie mit den ordnungsgemäßen Terminsnachrichten auf diese Möglichkeit hingewiesen hat.
59Der Senat ist zudem befugt, dass erstinstanzliche Urteil im Hinblick auf das dortige offensichtlich unrichtige Rubrum zu berichtigen, nachdem die erstinstanzlich Beteiligten ihre Originalabschriften vorgelegt haben. Die Beseitigung offenbarer Unrichtigkeiten eines angefochtenen Urteils kann auch durch das Rechtsmittelgericht erfolgen, solange der Rechtsstreit vor ihm schwebt und es mit der Sache befasst ist, §§ 153, 138 Sozialgerichtsgesetz ([SGG], BSG, Urteil v. 14.2.1978, 7/12 RAr 73/76, BSGE 46, 34; BSG, Beschluss v. 6.3.2012, B 1 KR 43/11 B, juris). Das ist hier der Fall.
60Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Düsseldorf vom 6.11.2014 hat Erfolg. Sie ist zunächst zulässig und insbesondere gemäß den §§ 143, 153 SGG statthaft sowie form- und fristgerecht erhoben worden, §§ 151 Abs. 1, 64 Abs. 2, 3 SGG.
61Die Berufung ist zudem nach Annahme des Teilanerkenntnisses der Beklagten durch die Klägerin vollumfänglich begründet. Die streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten vom 29.8.2011 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 21.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.3.2012 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 6.11.2014, 16.3.2015 und 19.3.2015 in der Fassung, die diese Bescheide durch das Teilanerkenntnis im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 24.6.2015 erhalten haben, sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG. Die Beklagte hat vielmehr zu Recht nach § 7a Abs. 1 SGB IV in diesen Bescheiden festgestellt, dass die Beigeladene zu 1) in der Zeit vom 1.11.2009 bis zum 30.6.2011 hinsichtlich ihrer Tätigkeit für die Klägerin der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlegen hat.
62Die Versicherungspflicht ergibt sich in der Rentenversicherung aus § 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI), in der Kranken- und Pflegeversicherung aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) bzw. § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit Satz 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) und nach dem Recht der Arbeitsförderung aus § 25 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III), da die Beigeladene zu 1) bei der Klägerin im streitigen Zeitraum gegen Arbeitsentgelt abhängig beschäftigt gewesen ist.
63Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer solchen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil v. 30.12.2013, B 12 KR 17/11 R, juris; Urteil v. 30.4.2013, B 12 KR 19/11 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 21; Urteil v. 29.8.2012, B 12 KR 25/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 17; Urteil v. 25.4.2012, B 12 KR 24/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 15; BSG, Urteil v. 11.3.2009, B 12 KR 21/07 R, USK 2009-25; BSG, Urteil v. 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 20; jeweils m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung: BVerfG, Beschluss v. 20.5.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr. 11).
64Bei der Feststellung des Gesamtbilds kommt dabei den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zu (vgl. BSG, Urteil v. 29.8.2012, a.a.O., juris; ebenso Urteil v. 25.1.2006, B 12 KR 30/04 R, USK 2006-8; Urteil v. 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R, Die Beiträge, Beilage 2008, 333, 341 f.): Nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen sind die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urteil v. 28.9.2011, a.a.O., juris; Senat, Urteil v. 29.6.2011, L 8 (16) R 55/08; Senat, Urteil v. 24.9.2014, L 8 R 1104/13; Senat, Urteil v. 23.4.2014, L 8 R 376/12, jeweils juris).
65Die vorgenannten Grundsätze sind auch bei Organen juristischer Personen anzuwenden (statt vieler: BSG, Urteil v. 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 20). Der Geschäftsführer einer GmbH ist weder wegen seiner Organstellung noch deshalb von einer abhängigen Beschäftigung ausgeschlossen, weil er in der Regel im Alltagsgeschäft keinen Einzelweisungen Dritter bezüglich Zeit, Art, Dauer und Ort der Beschäftigung unterliegt, noch weil er gegenüber Arbeitnehmern der GmbH Arbeitgeberfunktionen ausübt. Es fällt gleichfalls nicht ins Gewicht, dass er gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) nicht als Arbeitnehmer gilt. Denn der Gesetzgeber hat gerade nur in besonderen Ausnahmefällen derartige Personen vom Kreis der Beschäftigten bzw. der Versicherungspflichtigen ausgenommen, so nämlich z.B. Vorstände von Aktiengesellschaften nach § 1 Satz 4 SGB VI, § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III (zu stellvertretenden Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften und Vorstandsmitglieder großer Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit: § 94 AktG und § 34 des Gesetzes über die Beaufsichtigung von Versicherungsunternehmen: BSG, Urteil v. 27.3.1980, 12 RAr 1/79, BB 1980, 1473). Dieser Vorschriften bedürfte es nicht, wenn leitende Angestellte oder Organe juristischer Personen bereits aufgrund ihrer Stellung im Unternehmen per se nicht als Beschäftigte anzusehen wären (BSG, Urteil v. 8.12.1987, 7 Rar 25/86, USK 87170, 826; BSG, Urteil v. 18.12.2001, a.a.O.).
66Maßgebend ist stattdessen vor allem die Bindung des Geschäftsführers an das willensbildende Organ, in der Regel die Gesamtheit der Gesellschafter (BSG, Urteil v. 6.3.2003, B 11 AL 25/02 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 1 m.w.N.; Senat, Urteil v. 2.4.2014, L 8 R 530/13; Senat, Urteil v. 24.9.2014, L 8 R 1104/13, jeweils juris). Insoweit ist von besonderer Bedeutung, ob ein Geschäftsführer gleichzeitig Gesellschafter ist und aufgrund seiner Gesellschafterstellung maßgeblichen Einfluss auf die Willensbildung der GmbH ausüben kann, kraft dessen er Beschlüsse und Einzelweisungen an sich jederzeit verhindern kann (BSG, Urteil v. 8.8.1990, 11 RAr 77/89, SozR 3-2400 § 7 Nr. 4). Ist dies der Fall, ist ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu verneinen, weil der Geschäftsführer mit Hilfe seiner Gesellschafterrechte die für das Beschäftigungsverhältnis typische Abhängigkeit vermeiden kann (BSG, Urteil v. 6.2.1992, 7 RAr 134/90, SozR 3-4100 § 104 Nr. 8). Darüber hinaus ist von Bedeutung, ob der Einfluss des Geschäftsführers auf die Willensbildung der GmbH aufgrund besonderer Einzelfallumstände unabhängig von seiner Gesellschafterstellung so erheblich ist, dass ihm gegenüber nicht genehme Beschlüsse und Weisungen ausgeschlossen sind und er die Geschäfte nach eigenem Gutdünken führen, d.h. frei schalten und walten kann. Dann ist eine persönliche Abhängigkeit auch bei Diensten höherer Art zu verneinen, weil die Gesellschafter tatsächlich keinerlei Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft nehmen und sich der Geschäftsführer nur in der von ihm selbst gegebenen Ordnung des Betriebes einfügt (BSG, Urteil v. 14.12.1999, B 2 U 48/98 R, USK 9975; BSG, Urteil v. 11.2.1993, 7 RAr 48/92, USK 9347; vgl. insgesamt: Senat, Urteil v. 17.10.2012, L 8 R 545/11, juris; Senat, Urteil v. 4.3.2015, L 8 R 931/13, juris).
67Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze steht zur Überzeugung des Senats und unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalles sowohl in vertraglicher als auch in tatsächlicher Hinsicht fest, dass die Beigeladene zu 1) im streitigen Zeitraum bei der Klägerin im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses tätig gewesen ist, da die für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Umstände in der Gesamtabwägung überwiegen.
68Ausgangspunkt der Prüfung, ob die Geschäftsführertätigkeit der Beigeladenen zu 1) für die Klägerin im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung oder einer selbstständigen Tätigkeit ausgeführt wurde, ist der GF-V in der im streitigen Zeitraum relevanten Fassung, nämlich in der Fassung vom 26.6.2009.
69Diese Vertragsversion hat nach ihrem Inhalt maßgeblich arbeitsvertragstypische Elemente zum Gegenstand und ist Ausdruck der der Klägerin bzw. der Gesellschafterversammlung der Klägerin allein obliegenden abstrakten Rechtsmacht.
70Zwar sprechen die Befreiung von § 181 BGB (§ 1 Abs. 2 GF-V), die mangelnde Bindung an Arbeitsort und -zeit (§ 3 Abs. 1, 2 GF-V), die Tantiemeregelung (§ 8 Abs. 2 GF-V), die weitgehende Zustimmungsfreiheit von Geschäften (§ 4 Satz 1 GF-V) und die Option zum Erwerb von Geschäftsanteilen (§ 8 Abs. 3 GF-V) indiziell für eine gewollte Selbständigkeit der Beigeladenen zu 1).
71Allerdings werden diese Elemente durch die weiteren Regelungen des Vertrags relativiert. So gehen die Vertragsparteien selbst nach dem Vertragswortlaut von einem "Anstellungsvertrag" aus. Für eine abhängige Beschäftigung und damit für eine Eingliederung in den Betrieb der Klägerin und eine Weisungsabhängigkeit der Beigeladenen zu 1) spricht zudem, dass die Beigeladene zu 1) die Geschäfte mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu führen, ihre durch Gesetz, Satzung und den Vertrag obliegenden Pflichten genau und gewissenhaft zu erfüllen hat (§§ 1 Abs. 1 Satz 2, 5 Abs. 1 GF-V), sie zur Erstellung eines Jahresabschlusses verpflichtet ist (§ 5 Abs. 2 GF-V) und sie weiterhin für Geschäfte teilweise der Einwilligung der Gesellschafterversammlung bedarf (§ 4 Satz 1 GF-V) - für Grundlagengeschäfte gilt dies ohnehin -. Sie ist zudem gehalten, der Gesellschaft nicht nur während festgelegter Arbeitszeiten sondern jederzeit bei Bedarf zur Verfügung zu stehen (§ 3 Abs. 2 GF-V). Ihr Haftungsrisiko wurde auf die Höhe des Stammkapitals beschränkt (§ 7 Abs. 3 GF-V). Sie erhielt ab dem 1.1.2010 ein erfolgsunabhängiges Festgehalt (§ 8 GF-V), den Ersatz von Reisespesen (§ 9 Abs. 1 GF-V) und Kilometergeld (§ 9 Abs. 2 GF-V). Ferner wurden eine Regelung bei Arbeitsunfähigkeit (§ 10 GF-V) und ein Kündigungsrecht bei schweren Verstößen des Geschäftsführers gegen die Weisungen der Gesellschafterversammlung (§ 2 Abs. 3 GF-V) vereinbart.
72Soweit der GF-V keine Regelungen zu einer bestimmten Arbeitszeit, -dauer und einem bestimmten Arbeitsort enthält, ist dies Ausfluss des Umstandes, dass es sich um eine Tätigkeit höherer Art handelt, bei der das Weisungsrecht des Arbeitgebers von vornherein eingeschränkt und zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert ist (vgl. BSG, Urteil v. 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R, a.a.O.; Senat, Urteil v. 17.10.2012, L 8 R 545/11, juris). Davon abgesehen relativiert sich die Tatsache, dass sie nicht an eine bestimmte Arbeitszeit gebunden ist, dadurch, dass sie gehalten ist jederzeit, wenn und soweit es das Wohl der Gesellschaft erfordert, zu Dienstleistungen zur Verfügung zu stehen (§ 3 Abs. 2 GF-V).
73Auf der beschriebenen vertraglichen Grundlage ist die Beigeladene zu 1) auch in einem fremden Betrieb, nämlich dem der Klägerin, tatsächlich tätig geworden. Während dieser Tätigkeit war sie vollständig in diesen Betrieb und folglich in eine ihr einseitig vorgegebene Organisation eingegliedert (vgl. BSG, Urteil v. 4.6.1998, B 12 KR 5/97 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 17 m.w.N.). Sie ist ausschließlich ausgehend von den Betriebsräumen und mit den dortigen Betriebsmitteln weisungsgebunden tätig geworden.
74Hierbei unterlag die Beigeladene zu 1) auch einem Weisungsrecht der Klägerin bezüglich Ort, Zeit sowie Art und Weise der Tätigkeit, da allein Letzterer die insoweit maßgebliche abstrakte Rechtsmacht zustand.
75Gemäß § 47 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbHG) erfolgen die von den Gesellschaftern in den Angelegenheiten der Gesellschaft zu treffenden Bestimmungen, zu denen die Entlastung, Bestellung und die Abberufung von Geschäftsführern sowie die Überprüfung der Geschäftsführung gehören (§ 46 Nr. 5 und 6 GmbHG), durch Beschlussfassung, vorliegend mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen.
76Die Beigeladene zu 1) hatte demgegenüber keine Möglichkeit, ihr nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung der Klägerin zu verhindern. Ihr fehlte in rechtlicher Hinsicht der notwendige maßgebliche Einfluss auf die Klägerin. Ein solcher maßgeblicher Einfluss liegt regelmäßig dann vor, wenn der Geschäftsführer einen Anteil von mindestens 50 v. H. des Stammkapitals innehat und damit Einzelweisungen an sich als Geschäftsführer im Bedarfsfall jederzeit verhindern kann (vgl. BSG, Urteil v. 8.8.1990, 11 RAr 77/89, m.w.N., jeweils juris). Die Beigeladene zu 1) hatte jedoch im fraglichen Zeitraum keine Gesellschafterstellung inne.
77Dabei zeigt sich entgegen der Auffassung der Klägerin zudem gerade in der Fassung des GF-V, dass die Klägerin gegenüber der Beigeladenen zu 1) auch in tatsächlicher Hinsicht nicht auf ihr Weisungsrecht verzichten wollte. So vereinbarten die Vertragsparteien in § 2 Abs. 3 des GF-V ein Kündigungsrecht der Klägerin aus wichtigem Grund, das u.a. bei schweren Verstößen der Beigeladenen zu 1) gegen die Weisungen der Gesellschafterversammlung bestehen sollte. Demgegenüber entließ die Klägerin die Beigeladene zu 1) folgerichtig aus ihrer Haftung nach § 6 Abs. 4 GF-V, sofern und soweit sie "auf ausdrückliche Weisung der Gesellschafter tätig" wurde. Auch im Übrigen zeigt sich in der Vertragsgestaltung, dass sich die Klägerin zunächst nicht zwingend langfristig an die Beigeladene zu 1) binden und demzufolge deren Einfluss beschränken wollte. So wurde u.a. der Klägerin in § 2 Abs. 1 Satz 2 GF-V ein ordentliches Kündigungsrecht nach einer Vertragslaufzeit von zwei Jahren eingeräumt. Dem steht auch die ab 2012 eingeräumte Option zum Erwerb von Gesellschaftsanteilen nach § 8 Abs. 3 GF-V nicht entgegen, denn diese sah zunächst nur den auf maximal 40% begrenzten Erwerb von Anteilen vor. Zudem konnte die Beigeladene zu 1) die Option auch nur dann nutzen, wenn der GF-V nicht vorher nach § 2 Abs. 1 Satz 2 GF-V durch die Klägerin zum 31.5.2011 ordentlich gekündigt wurde.
78Schließlich sind auch keine besonderen einzelfallbezogenen Umstände gegeben, die abweichend vom Regelfall die Bindung der Beigeladenen zu 1) an das willensbildende Organ der Klägerin ausschließen würde. Bei Geschäftsführern, die - wie die Beigeladene zu 1) - weder über die Mehrheit der Gesellschaftsanteile noch über eine Sperrminorität verfügen, ist im Regelfall von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen. Eine hiervon abweichende Beurteilung kommt nur in Betracht, wenn besondere Umstände des Einzelfalles den Schluss zulassen, es liege keine Weisungsgebundenheit vor (BSG, Urteil v. 4.7.2007, B 11a AL 5/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 8; Senat, Urteil v. 4.3.2015, a.a.O., juris).
79Solche besonderen Umstände sind nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung angenommen worden, wenn die übrigen Gesellschafter tatsächlich ihre Gesellschafterrechte nicht wahrgenommen und in keiner Weise in die Betriebsführung eingegriffen haben und der Geschäftsführer wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken geführt hat, d.h. schalten und walten konnte, wie er wollte. Ein derart beherrschender Einfluss ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bei Geschäftsführern in Familiengesellschaften erwogen worden, wenn der Geschäftsführer mit den Gesellschaftern familiär verbunden war, die Geschäftsführertätigkeit durch familienhafte Rücksichtnahme geprägt und es an der Ausübung der Gesellschafterrechte durch die Gesellschafter mangelte (BSG, Urteil v. 14.12.1999, B 2 U 48/98 R; BSG, Urteil v. 29.10.1986, 7 RAr 43/85; zurückhaltend hingegen BSG, Urteil v. 29.8.2012, B 12 R 14/10 R, USK 2012-182).
80Unter diesem Gesichtspunkt liegt im vorliegenden Verfahren eine faktische Weisungsfreiheit der Beigeladenen zu 1) schon deshalb fern, da eine familiäre Verbundenheit lediglich zu einem der beiden Gesellschafter, nämlich zu ihrem Schwager Herrn X besteht. Auch unter Berücksichtigung des klägerischen Vortrags, dass in der Volksrepublik China die Familie einen höheren Stellenwert als in Europa habe, zeigt sich gerade in der bereits erläuterten Vertragsgestaltung, die der Beigeladenen zu 1) gerade keine Gesellschafterrechte einräumte und auf Weisungsrechte nicht verzichtete, dass die Gesellschafter der Beigeladenen zu 1) unter diesem Aspekt keine erweiterten Handlungsspielräume einräumen wollten.
81Soweit die Klägerin vorträgt, es habe eine faktische Weisungsfreiheit aufgrund der besonderen individuellen fachlichen Qualifikation der Beigeladenen zu 1) bestanden, überzeugt dies den Senat gleichfalls nicht. Die Beigeladene zu 1) kann innerhalb des Betriebs der Klägerin nicht nach "eigenem Gutdünken" frei schalten und walten. Sie verfügt zudem nicht als einzige im Unternehmen über fundiertes Fachwissen und die notwendige Branchenkenntnis, während es den kapitalgebenden Gesellschaftern insoweit an fachlicher Kompetenz fehlt. Diese fungieren auch nicht lediglich als Kapitalgeber ohne weiteres Interesse an der Klägerin.
82Zunächst bleibt bei dem Vortrag der Klägerin unberücksichtigt, dass die Gesellschafter für den Hersteller der Elektronikgeräte tätig sind, deren Vertrieb zu Anfang des Geschäftsbetriebs der Klägerin 90% der von ihr vertriebenen Produkte ausmachte und die von ihr auch weiterhin angeboten werden. Dass die Gesellschafter ggf. nicht über Kenntnisse des europäischen und insbesondere des deutschen Elektronikmarktes verfügen, sieht der Senat hingegen als typisch für Expansionsbemühungen ausländischer Unternehmen in fremde Marktgeschehen an.
83Ferner haben sich die Gesellschafter offenkundig auch im Rahmen der Klägerin engagiert. Sämtliche vorgelegten Verträge - obgleich die Beigeladene zu 1) von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit ist - wurden von beiden Gesellschaftern unterzeichnet. Dies gilt sowohl hinsichtlich der geänderten Fassung des Geschäftsführervertrages als auch hinsichtlich der vorgelegten weiteren, zweisprachig verfassten Änderung des § 8 Abs. 1, 2 GF-V hinsichtlich der Gehalts- und Tantiemenzahlungen. Auch die eingereichten Gewinn- und Verlustrechnungen sind (teilweise) zweisprachig aufgesetzt und von den Gesellschaftern unterzeichnet.
84Doch selbst wenn der Vortrag der Klägerin hypothetisch zugrunde gelegt wird, ergibt sich hieraus keine besondere Konstellation, die zu einer sozialversicherungsrechtlich abweichenden Beurteilung führen könnte. Die damit skizzierte Gesellschaftsstruktur der Klägerin ist keine besondere. Es ist - im Gegenteil - bei einer GmbH als juristische Person des Privatrechts in Form einer Kapitalgesellschaft geradezu typisch, dass deren Gesellschafter zwar Gesellschaftsanteile bereitstellen, die Führung der Gesellschaft jedoch solchen Personen überlassen, die - etwa als Geschäftsführer - die notwendige Branchenkenntnis in das Unternehmen einbringen (Senat, Urteil v. 27.8.2014, L 8 R 728/13, juris).
85Deshalb kann auch letztlich offen bleiben, ob die Gesellschafter der Beigeladenen zu 1) und damit die Gesellschafterversammlung ihr Weisungsrecht gegenüber der Beigeladenen zu 1) tatsächlich ausgeübt haben und sie beispielsweise im Alltagsgeschäft völlig freie Hand hatte (vgl. BSG, Urteil v. 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R, SozR 3.2400 § 7 Nr. 20). Denn selbst wenn dem so wäre, geht dieser Einwand fehl (Senat, Urteil v. 12.2.2014, L 8 R 1108/12). Allein weitreichende Entscheidungsbefugnisse eines "leitenden Angestellten", der in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem gemilderten Weisungsrecht unterliegt, machen diesen nicht schon zu einem Selbständigen (vgl. BSG, Urteil v. 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R; Senat, Urteil v. 17.10.2012, L 8 R 545/11, jeweils juris).
86Die Klägerin hatte es demnach weiterhin allein in der Hand, etwa im Fall eines Zerwürfnisses die Beigeladene zu 1) zu entlassen und an ihre Stelle einen anderen Geschäftsführer mit entsprechendem Fachwissen einzustellen, ohne dass diese die Rechtsmacht besaß, dem mit Erfolgsaussicht entgegenzutreten. Anhaltspunkte dafür, dass allein die Beigeladene zu 1) über ein derart hohes Fachwissen verfügte, dass nur sie in der Lage war, die konkrete Tätigkeit zu verrichten, sind nicht ersichtlich (vgl. dazu BSG, Urteil v. 30.4.2013, a.a.O.). Auch wenn der Senat den klägerischen Vortrag hypothetisch als wahr unterstellt, dass chinesische Gesellschafter mentalitätsbedingt lediglich eigenen Staatsangehörigen ihr Vertrauen schenken könnten, würde dies zu keinem anderen Ergebnis führen, denn dadurch würde allenfalls der Personenkreis potentieller Nachfolger eingeschränkt.
87Dem kann auch nicht entgegen gehalten werden, dass ein Nachfolger ggf. nicht bereit wäre, zu den gleichen Konditionen wie die Beigeladene zu 1) tätig zu werden. Dabei handelt es sich lediglich um wirtschaftliche Überlegungen, die am grundsätzlichen Bestehen einer entsprechenden rechtlichen Möglichkeit nichts ändern (BSG, Urteil v. 30.4.2013, a.a.O.; Senat, Urteil v. 12.2.2014, L 8 R 1108/12).
88Wesentliche Merkmale, die für eine selbständige Tätigkeit sprechen und letztlich im Rahmen der Gesamtabwägung dermaßen überwiegen, dass nicht von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen ist, sind für den Senat nicht festzustellen.
89Zunächst verfügt die Beigeladene zu 1) nicht über eine eigene, unabhängig von dem Betrieb der Klägerin bestehende Betriebsstätte.
90Soweit die Beigeladene zu 1) von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit ist, ist das für einen abhängig beschäftigten Fremdgeschäftsführer nicht untypisch und deutet deshalb nicht zwingend auf eine selbständige Tätigkeit hin (vgl. BSG, Urteil v. 6.3.2003, B 11 AL 25/02 R; BSG, Urteil v. 4.7.2007, B 11a AL 5/06 R, a.a.O.; Senat, Urteil v. 17.10.2012, L 8 R 545/11, a.a.O.; Senat, Urteil v. 18.6.2014, L 8 R 5/13, juris). Entsprechendes gilt für die ihr erteilte Einzelvertretungsbefugnis.
91Die Beigeladene zu 1) trug im streitigen Zeitraum zumindest kein letztlich in der Gesamtabwägung ausschlaggebendes Unternehmerrisiko. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. z.B. BSG, Urteil v. 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R, USK 2008-45) ist maßgebliches Kriterium hierfür, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt werden, der Erfolg des Einsatzes der tatsächlichen und persönlichen Mittel also ungewiss ist. Erforderlich ist ein Risiko, das über das Risiko hinausgeht, für den Arbeitseinsatz kein Entgelt zu erzielen (Segebrecht in: jurisPK-SGB IV, 2. Auflage, § 7 Rdnr. 117). Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (vgl. BSG, Urteil v. 28.5.2008, a.a.O., BSG, Urteil v. 28.9.2011, a.a.O.; Senat, Urteil v. 30.4.2014, L 8 R 376/12, juris).
92Die Beigeladene zu 1) hat zunächst kein Kapital eingesetzt, um Betriebsmittel für die Klägerin anzuschaffen und auch im Übrigen kein eigenes Kapital der Klägerin zur Verfügung gestellt. Die Klägerin hat diesbezüglich zwar eine Übersicht über angeschaffte Betriebsmittel vorgelegt. Dabei handelt es sich jedoch um Anschaffungen durch die Klägerin selbst und nicht um solche, die die Beigeladene zu 1) im eigenen Namen und auf eigene Rechnung für die Klägerin getätigt hat.
93Im noch streitigen Zeitraum vom 1.11.2009 bis zum 30.6.2011 erhielt die Beigeladene zu 1) zudem ein monatliches erfolgsunabhängiges Festgehalt. In dieser Zeit setzte sie ihre Arbeitskraft somit grundsätzlich nicht mit der Gefahr des Verlustes ein.
94Ob die Beigeladene zu 1) ihre Arbeitskraft insofern mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt hat, als sie nach nun vorgetragener Ansicht der Klägerin zu einem zu geringen (aber dennoch vereinbarten) monatlichen Festgehalt von 2.000,00 EUR tätig wurde, kann letztlich offen bleiben. Denn jedenfalls sieht der Senat ein solches Unternehmensrisiko im Rahmen der Gesamtabwägung nicht als ausschlaggebend für eine daraus resultierende Annahme einer Selbständigkeit an. Dies würde nämlich nicht berücksichtigen, dass zu dem Festgehalt noch weitere monatliche Bestandteile, wie (zeitweilig) die Übernahme der Kindergartengebühren und ein Zuschusses zur privaten Krankenversicherung hinzukamen. Ferner ist davon auszugehen, dass sich ein Gehaltsansatz grundsätzlich an Unternehmensgröße, Unternehmens- und Marktentwicklung sowie Verhandlungsgeschick der jeweiligen Vertragsparteien orientiert. Bei der Klägerin ist dabei insbesondere zu berücksichtigen, dass es sich um eine Neugründung handelt, deren wirtschaftliche Entwicklung offensichtlich stagnierte und über Jahre die Gewinnzone objektiv nicht erreichte. Die Anknüpfung des Geschäftsführergehaltes an die wirtschaftliche Situation des Unternehmens ist dem GmbH-Recht nicht fremd. So ist im Falle der Krise der GmbH die - zum Teil auf eine entsprechende Anwendung des § 87 Abs. 2 Aktiengesetz (AktG), zum Teil auf die Treuepflicht gestützte - Verpflichtung des Geschäftsführers anerkannt, seine festen Bezüge (zeitweilig) zu reduzieren. Unterlässt er dies, kann sich daraus ein Schadenersatzanspruch der GmbH ergeben (Oberlandesgericht [OLG] Köln, Beschluss v. 6.11.2007, 18 U 131/07, NZG 2008, 637; Schmidt in: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in der Krise, 4. Auflage, B.3 Rdnr. 2.200; Kleindiek in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Auflage, Anhang zu § 6 Rdnr. 34a). Der weitergehende Hinweis auf das monatliche Gehalt der Beigeladenen zu 1) im Rahmen ihrer Tätigkeit bei einer großen Unternehmensberatungsgesellschaft führt ebenfalls nicht weiter, da er ungleiche Sachverhalte miteinander vergleicht.
95Im noch streitgegenständlichen Zeitraum ist es auch nicht zu einem Gehaltsverzicht der Beigeladenen zu 1) gekommen. Zur Überzeugung des Senats wirken die entsprechenden Regelungen bis Oktober 2009 und ab Dezember 2011 auch nicht ausschlaggebend in den streitgegenständlichen Zeitraum hinein. Zunächst hat der jeweilige Gehaltsverzicht ab dessen Beginn bereits seine Berücksichtigung in der durch die Beklagte anerkannten Versicherungsfreiheit in der Sozialversicherung gefunden, da das Gesetz die Versicherungspflicht nur hinsichtlich einer abhängigen Beschäftigung gegen Entgelt vorsieht. Vor diesem Hintergrund geht der Einwand der Klägerin fehl, dass ein einheitlicher Sachverhalt unberechtigt zersplittert würde, denn der sachliche Grund für diese Bewertung liegt in der mehrfach veränderten Vertragsgestaltung der Beteiligten, die der Senat lediglich in rechtlicher Hinsicht zu bewerten hatte und an die das Gesetz jeweils unterschiedliche Rechtsfolgen knüpft.
96Der Senat konnte sich auch nicht von einem erheblichen Unternehmensrisiko im Hinblick auf die im streitigen Zeitraum vereinbarten erfolgsabhängigen Vergütungsbestandteile überzeugen. § 8 Abs. 2 GF-V sah eine gestaffelten Tantiemeregelung vor, wonach im Jahr 2009 diese 33,3% des Jahresüberschusses, in 2010 40% des Jahresüberschusses und ab 2011 zunächst 50% des Jahresüberschusses betragen sollte. Mitte 2011 setzten die Vertragsparteien diese unter gleichzeitiger Vereinbarung eines Gehaltverzichts auf 80% des Jahresüberschusses hoch. Letztgenannte Regelung betrifft jedoch nicht den streitigen Zeitraum. Tatsächliche Auszahlungen aufgrund der Tantiemevereinbarung hat es (grundsätzlich mangels Gewinn der Klägerin) nicht gegeben.
97Tantiemezahlungen kommen grundsätzlich nur Bedeutung für die Abgrenzung von Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit als (ein) Anknüpfungspunkt für ein mögliches wirtschaftliches Eigeninteresse des für ein Unternehmen Tätigen zu, das im Rahmen der Gesamtwürdigung Gewicht gewinnen kann, jedoch nicht allein entscheidend ist (vgl. BSG, Urteil v. 29.8.2012, B 12 KR 25/10 R, mwN, juris, Senat, Urteil v. 17.10.2012, a.a.O. juris). Vor dem Hintergrund, dass die Gewährung einer Tantieme an Arbeitnehmer nicht ungewöhnlich ist, ist deren Gewicht für die Abgrenzung der Beschäftigung gegenüber einer selbständigen Tätigkeit nicht allein erheblich.
98Vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Entwicklung der Klägerin, die auch den Vertragsparteien offenkundig gewesen sein musste, und der Tatsache, dass sich aufgrund dieser die Regelung zu keiner Zeit in einer Auszahlung realisiert hat, erscheint es dem Senat als unrealistisch, in diesem Punkt ein für die Gesamtabwägung ausschlagendes Eigeninteresse der Beigeladenen zu 1) am Unternehmen festzumachen. Zwar erscheinen die vereinbarten Prozentsätze am Jahresüberschuss zunächst hoch, setzen einen solchen allerdings auch voraus. Hinzu kommt, dass selbst bei Erwirtschaftung eines solchen dieser schon erheblich gewesen sein müsste, um die dann auszuzahlenden Tantiemen im Verhältnis zum damalig gewährten Jahresgehalt als ausschlaggebend betrachten zu können. Vor diesem Hintergrund ist die notwendige Erweiterung unternehmerischer Chancen durch diese Tantiemenregelung im streitigen Zeitraum nicht in wesentlichem Umfang erkennbar.
99Eine Anmeldung zur Sozialversicherung ist zwar nicht erfolgt. Der Wille der Beteiligten, dass die Beigeladene zu 1) selbständig tätig sein solle, ist grundsätzlich allerdings nicht geeignet, Selbständigkeit zu begründen. Entscheidend sind allein die maßgeblichen Grundlagen. Nur wenn der Abwägungsprozess kein Überwiegen von Gesichtspunkten für einen Status ergibt, gibt der Wille der Beteiligten den Ausschlag. Ansonsten unterliegt der sozialversicherungsrechtliche Status keiner uneingeschränkten Dispositionsfreiheit der Beteiligten (BVerfG, Beschluss v. 20.5.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Sozialversicherungsrecht ist öffentliches Recht und steht auch nicht mittelbar dadurch zur Disposition der am Geschäftsleben Beteiligten, dass diese durch die Bezeichnung ihrer vertraglichen Beziehungen über den Eintritt oder Nichteintritt sozialrechtlicher Rechtsfolgen verfügen können (Segebrecht a.a.O. § 7 Rdnr. 116). Der besondere Schutzzweck der Sozialversicherung und ihre Natur als eine Einrichtung des öffentlichen Rechts schließen es grundsätzlich aus, über die rechtliche Einordnung allein nach dem Willen der Vertragsparteien, ihren Vereinbarungen oder ihren Vorstellungen hierüber zu entscheiden (BSG, Urteil v. 3.4.2014, B 5 RE 9/14 R, WuB 2015, 90).
100Weitere in die Gesamtabwägung einzustellende Gesichtspunkte sowie Tatbestände, die zu einer weiteren Versicherungsfreiheit führen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
101Die Beklagte hat zuletzt zu Recht ab dem 1.11.2009 bis zum 30.6.2011 die Beitragspflicht in der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung sowie in der sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung festgestellt. Die Voraussetzungen für einen späteren Beginn gemäß § 7a Abs. 6 SGB IV liegen bereits mangels Zustimmung sowie der nicht fristgerechten Antragstellung nicht vor.
102Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. mit §§ 154 Abs. 3, 155 Abs. 1 Satz 1, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
103Gründe, gemäß § 160 Abs. 2 SGB die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben.
104Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 197a SGG i. V. m. § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG).
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Ein Vertreter kann, soweit nicht ein anderes ihm gestattet ist, im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten ein Rechtsgeschäft nicht vornehmen, es sei denn, dass das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht.
(1) Die gesetzlichen Vertreter einer Kapitalgesellschaft haben den Jahresabschluß (§ 242) um einen Anhang zu erweitern, der mit der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung eine Einheit bildet, sowie einen Lagebericht aufzustellen. Die gesetzlichen Vertreter einer kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaft, die nicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet ist, haben den Jahresabschluss um eine Kapitalflussrechnung und einen Eigenkapitalspiegel zu erweitern, die mit der Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung und dem Anhang eine Einheit bilden; sie können den Jahresabschluss um eine Segmentberichterstattung erweitern. Der Jahresabschluß und der Lagebericht sind von den gesetzlichen Vertretern in den ersten drei Monaten des Geschäftsjahrs für das vergangene Geschäftsjahr aufzustellen. Kleine Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 1) brauchen den Lagebericht nicht aufzustellen; sie dürfen den Jahresabschluß auch später aufstellen, wenn dies einem ordnungsgemäßen Geschäftsgang entspricht, jedoch innerhalb der ersten sechs Monate des Geschäftsjahres. Kleinstkapitalgesellschaften (§ 267a) brauchen den Jahresabschluss nicht um einen Anhang zu erweitern, wenn sie
- 1.
die in § 268 Absatz 7 genannten Angaben, - 2.
die in § 285 Nummer 9 Buchstabe c genannten Angaben und - 3.
im Falle einer Aktiengesellschaft die in § 160 Absatz 3 Satz 2 des Aktiengesetzes genannten Angaben
(1a) In dem Jahresabschluss sind die Firma, der Sitz, das Registergericht und die Nummer, unter der die Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen ist, anzugeben. Befindet sich die Gesellschaft in Liquidation oder Abwicklung, ist auch diese Tatsache anzugeben.
(2) Der Jahresabschluß der Kapitalgesellschaft hat unter Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Kapitalgesellschaft zu vermitteln. Führen besondere Umstände dazu, daß der Jahresabschluß ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild im Sinne des Satzes 1 nicht vermittelt, so sind im Anhang zusätzliche Angaben zu machen. Die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs einer Kapitalgesellschaft, die als Inlandsemittent (§ 2 Absatz 14 des Wertpapierhandelsgesetzes) Wertpapiere (§ 2 Absatz 1 des Wertpapierhandelsgesetzes) begibt und keine Kapitalgesellschaft im Sinne des § 327a ist, haben in einer dem Jahresabschluss beizufügenden schriftlichen Erklärung zu versichern, dass der Jahresabschluss nach bestem Wissen ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild im Sinne des Satzes 1 vermittelt oder der Anhang Angaben nach Satz 2 enthält. Macht eine Kleinstkapitalgesellschaft von der Erleichterung nach Absatz 1 Satz 5 Gebrauch, sind nach Satz 2 erforderliche zusätzliche Angaben unter der Bilanz zu machen. Es wird vermutet, dass ein unter Berücksichtigung der Erleichterungen für Kleinstkapitalgesellschaften aufgestellter Jahresabschluss den Erfordernissen des Satzes 1 entspricht.
(3) Eine Kapitalgesellschaft, die nicht im Sinne des § 264d kapitalmarktorientiert ist und die als Tochterunternehmen in den Konzernabschluss eines Mutterunternehmens mit Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum einbezogen ist, braucht die Vorschriften dieses Unterabschnitts und des Dritten und Vierten Unterabschnitts dieses Abschnitts nicht anzuwenden, wenn alle folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
- 1.
alle Gesellschafter des Tochterunternehmens haben der Befreiung für das jeweilige Geschäftsjahr zugestimmt; - 2.
das Mutterunternehmen hat sich bereit erklärt, für die von dem Tochterunternehmen bis zum Abschlussstichtag eingegangenen Verpflichtungen im folgenden Geschäftsjahr einzustehen; - 3.
der Konzernabschluss und der Konzernlagebericht des Mutterunternehmens sind nach den Rechtsvorschriften des Staates, in dem das Mutterunternehmen seinen Sitz hat, und im Einklang mit folgenden Richtlinien aufgestellt und geprüft worden: - a)
Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen und zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates (ABl. L 182 vom 29.6.2013, S. 19), die zuletzt durch die Richtlinie (EU) 2021/2101 (ABl. L 429 vom 1.12.2021, S. 1) geändert worden ist, - b)
Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006 über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen, zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 84/253/EWG des Rates (ABl. L 157 vom 9.6.2006, S. 87), die zuletzt durch die Richtlinie 2014/56/EU (ABl. L 158 vom 27.5.2014, S. 196) geändert worden ist;
- 4.
die Befreiung des Tochterunternehmens ist im Anhang des Konzernabschlusses des Mutterunternehmens angegeben und - 5.
für das Tochterunternehmen sind nach § 325 Absatz 1 bis 1b offengelegt worden: - a)
der Beschluss nach Nummer 1, - b)
die Erklärung nach Nummer 2, - c)
der Konzernabschluss, - d)
der Konzernlagebericht und - e)
der Bestätigungsvermerk zum Konzernabschluss und Konzernlagebericht des Mutterunternehmens nach Nummer 3.
(4) Absatz 3 ist nicht anzuwenden, wenn eine Kapitalgesellschaft das Tochterunternehmen eines Mutterunternehmens ist, das einen Konzernabschluss nach den Vorschriften des Publizitätsgesetzes aufgestellt hat, und wenn in diesem Konzernabschluss von dem Wahlrecht des § 13 Absatz 3 Satz 1 des Publizitätsgesetzes Gebrauch gemacht worden ist; § 314 Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Die Geschäftsführer haben den Jahresabschluß und den Lagebericht unverzüglich nach der Aufstellung den Gesellschaftern zum Zwecke der Feststellung des Jahresabschlusses vorzulegen. Ist der Jahresabschluß durch einen Abschlußprüfer zu prüfen, so haben die Geschäftsführer ihn zusammen mit dem Lagebericht und dem Prüfungsbericht des Abschlußprüfers unverzüglich nach Eingang des Prüfungsberichts vorzulegen. Hat die Gesellschaft einen Aufsichtsrat, so ist dessen Bericht über das Ergebnis seiner Prüfung ebenfalls unverzüglich vorzulegen.
(2) Die Gesellschafter haben spätestens bis zum Ablauf der ersten acht Monate oder, wenn es sich um eine kleine Gesellschaft handelt (§ 267 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs), bis zum Ablauf der ersten elf Monate des Geschäftsjahrs über die Feststellung des Jahresabschlusses und über die Ergebnisverwendung zu beschließen. Der Gesellschaftsvertrag kann die Frist nicht verlängern. Auf den Jahresabschluß sind bei der Feststellung die für seine Aufstellung geltenden Vorschriften anzuwenden.
(3) Hat ein Abschlußprüfer den Jahresabschluß geprüft, so hat er auf Verlangen eines Gesellschafters an den Verhandlungen über die Feststellung des Jahresabschlusses teilzunehmen.
(4) Ist die Gesellschaft zur Aufstellung eines Konzernabschlusses und eines Konzernlageberichts verpflichtet, so sind die Absätze 1 bis 3 entsprechend anzuwenden. Das Gleiche gilt hinsichtlich eines Einzelabschlusses nach § 325 Abs. 2a des Handelsgesetzbuchs, wenn die Gesellschafter die Offenlegung eines solchen beschlossen haben.
Ein Vertreter kann, soweit nicht ein anderes ihm gestattet ist, im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten ein Rechtsgeschäft nicht vornehmen, es sei denn, dass das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht.
(1) Arbeitsentgelt sind alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Arbeitsentgelt sind auch Entgeltteile, die durch Entgeltumwandlung nach § 1 Absatz 2 Nummer 3 des Betriebsrentengesetzes für betriebliche Altersversorgung in den Durchführungswegen Direktzusage oder Unterstützungskasse verwendet werden, soweit sie 4 vom Hundert der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung übersteigen.
(2) Ist ein Nettoarbeitsentgelt vereinbart, gelten als Arbeitsentgelt die Einnahmen des Beschäftigten einschließlich der darauf entfallenden Steuern und der seinem gesetzlichen Anteil entsprechenden Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung. Sind bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung nicht gezahlt worden, gilt ein Nettoarbeitsentgelt als vereinbart.
(3) Wird ein Haushaltsscheck (§ 28a Absatz 7) verwendet, bleiben Zuwendungen unberücksichtigt, die nicht in Geld gewährt worden sind.
Tenor
-
Auf die Beschwerde der Beklagten wird das Korrektururteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 16. März 2011 aufgehoben.
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Die Klägerin hat die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
-
Der Streitwert wird auf 12 827,24 Euro festgesetzt.
Gründe
- 1
-
I. Die klagende Krankenhausträgerin ist mit ihrem Begehren, für eine im Jahr 2009 an einem bei der beklagten IKK krankenversicherten Patienten durchgeführte Krankenhausbehandlung eine Vergütung iH von 12 827,24 Euro zu erhalten, vor dem SG erfolgreich gewesen. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Das LSG hat hierzu ua ausgeführt, unabhängig davon, ob die Krankenhausbehandlung des Versicherten tatsächlich erforderlich gewesen sei, bestehe eine Vorleistungspflicht der Beklagten aus der Budget- und Entgeltvereinbarung 2008. Die von der Beklagten angeforderte medizinische Begründung über die durchgeführte Krankenhausbehandlung sei datenschutzrechtlich nicht zulässig und laufe überdies auf eine Umgehung des § 275 Abs 1c SGB V hinaus. Im Übrigen hat es die zunächst verkündete Urteilsformel hinsichtlich der Entscheidung, dass Kosten nicht zu erstatten seien, durch eine korrigierte Urteilsformel vom selben Tag dahingehend ersetzt, dass die Beklagte auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen hat (Urteil vom 16.3.2011).
- 2
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Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Beklagte gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.
- 3
-
II. 1. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil ist zulässig. Die Beklagte hat sie fristgerecht erhoben (§ 160a Abs 1 S 2 SGG) und jedenfalls einen zur Zulassung der Revision führenden Verfahrensfehler hinreichend bezeichnet, indem sie die Voraussetzungen eines Verstoßes des LSG gegen § 138 SGG - Berichtigung des Urteils durch den Vorsitzenden - dargelegt hat(§ 160a Abs 2 S 1 und 3 SGG). Auch wenn letztlich die zum Rechtsmittelausschluss führenden Kosten des Verfahrens betroffen sind, zielt die Beschwerde hier nicht auf die - unzulässige - Anfechtung der Kostenentscheidung (vgl § 144 Abs 4, § 165 S 1 SGG), sondern allein auf den Fehler einer verfahrenswidrig vorgenommenen Urteilsberichtigung (vgl zu § 119 VwGO BVerwG Beschluss vom 17.9.2007 - 8 B 30.07 - NVwZ 2007, 1442 RdNr 7 = Juris RdNr 7).
- 4
-
2. Die Beschwerde ist auch begründet. Die Beklagte beanstandet zutreffend die Form der getroffenen Korrekturentscheidung und verweist hierfür auf die allein mögliche Urteilsberichtigung durch Beschluss nach Maßgabe der § 138, § 153 Abs 1 SGG(vgl allgemein zum Verhältnis zur Nichtzulassungsbeschwerde BSG Beschluss vom 10.1.2005 - B 2 U 294/04 B). Danach sind Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten im Urteil jederzeit von Amts wegen zu berichtigen (§ 138 S 1 SGG). Über die Berichtigung entscheidet der Vorsitzende durch Beschluss (§ 138 S 2 SGG),nicht der Senat. Hiervon erkennt das BSG in ständiger Rechtsprechung nur eine Ausnahme: Offenbare Unrichtigkeiten können von der höheren Instanz berichtigt werden, solange ein Rechtsstreit vor ihr schwebt und solange sie mit der Sache befasst ist. Das gilt auch für das Revisionsgericht, sofern für die Berichtigung neue tatsächliche Feststellungen nicht erforderlich sind. Unter dieser Voraussetzung ist die Berichtigung eines angefochtenen vorinstanzlichen Urteils im Rahmen der Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Spruchkörper anstelle des Vorsitzenden vorzunehmen (vgl BSGE 46, 34, 40 = SozR 1500 § 138 Nr 3 S 2; BSG SozR 1500 § 164 Nr 33 S 53; aA Wolff-Dellen in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2008, § 138 RdNr 14).
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Nicht auszuschließen ist auch, dass der Vorsitzende im Berichtigungsverfahren nach § 138 SGG zu einem für die Beklagte günstigeren Ergebnis gekommen wäre(vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 160 RdNr 23 mwN; zum zwingenden Beruhen der Entscheidung auf dem Verfahrensfehler nach § 132 Abs 2 Nr 3 VwGO bei unzulässiger Änderung des Urteilsspruchs BVerwG Beschluss vom 17.9.2007 - 8 B 30.07 - NVwZ 2007, 1442 RdNr 10 = Juris RdNr 10), nämlich, wenn die getroffene Kostenentscheidung nach seiner Auffassung nicht bloß auf einem Artikulationsfehler, sondern auf einem Fehler in der Willensbildung beruht. Eine Berichtigung nach § 138 SGG ist dann ausgeschlossen(vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 138 RdNr 3 mwN). Die verbleibende Möglichkeit einer Urteilsergänzung (§ 140 SGG)wegen der ggf fehlenden Gerichtskostenentscheidung im Berufungsurteil änderte ebenfalls nichts an der ursprünglichen Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten.
- 6
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3. Der Senat durfte sich auf die Aufhebung der Korrekturentscheidung des LSG beschränken mit der Folge, dass das zunächst verkündete Urteil vollumfänglich aufrechterhalten bleibt. Nach § 160a Abs 5 SGG kann das BSG in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverweisen, wenn die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliegen, was - wie ausgeführt - hier der Fall ist. Es kann sich auf die Aufhebung beschränken, wenn mit dieser Aufhebung der Rechtsstreit, soweit der Verfahrensmangel erheblich war, abgeschlossen ist und Gründe für eine weitere vom LSG noch zu treffende Entscheidung nicht bestehen (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 13 RdNr 22; zu § 133 Abs 6 VwGO BVerwG Beschluss vom 17.9.2007 - 8 B 30.07 - NVwZ 2007, 1442 RdNr 13 = Juris RdNr 13). So liegen die Dinge hier. Denn das von Amts wegen durchzuführende Berichtigungsverfahren ist - wie dargelegt - nicht Sache des zuständigen LSG-Senats, sondern seines Vorsitzenden, der allein darüber zu befinden hat, ob eine offenbare Unrichtigkeit hinsichtlich der Kostenentscheidung - und dann auch ihrer Begründung - vorliegt.
- 7
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 3 SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO. Von einer Erhebung der Gerichtskosten ist abzusehen (§ 21 Abs 1 S 1 GKG; vgl BVerwG Beschluss vom 17.9.2007 - 8 B 30.07 - NVwZ 2007, 1442 RdNr 15 = Juris RdNr 15). Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG.
Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.
(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.
(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.
(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.
(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.
(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.
(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.
(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.
(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.
(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.
(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.
(1) Die Beteiligten können bei der Deutschen Rentenversicherung Bund schriftlich oder elektronisch eine Entscheidung beantragen, ob bei einem Auftragsverhältnis eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung von Versicherungspflicht auf Grund einer Beschäftigung eingeleitet. Die Einzugsstelle hat einen Antrag nach Satz 1 zu stellen, wenn sich aus der Meldung des Arbeitgebers (§ 28a) ergibt, dass der Beschäftigte Ehegatte, Lebenspartner oder Abkömmling des Arbeitgebers oder geschäftsführender Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist.
(2) Die Deutsche Rentenversicherung Bund entscheidet auf Grund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles, ob eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt. Wird die vereinbarte Tätigkeit für einen Dritten erbracht und liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass der Auftragnehmer in dessen Arbeitsorganisation eingegliedert ist und dessen Weisungen unterliegt, stellt sie bei Vorliegen einer Beschäftigung auch fest, ob das Beschäftigungsverhältnis zu dem Dritten besteht. Der Dritte kann bei Vorliegen von Anhaltspunkten im Sinne des Satzes 2 ebenfalls eine Entscheidung nach Absatz 1 Satz 1 beantragen. Bei der Beurteilung von Versicherungspflicht auf Grund des Auftragsverhältnisses sind andere Versicherungsträger an die Entscheidungen der Deutschen Rentenversicherung Bund gebunden.
(3) Die Deutsche Rentenversicherung Bund teilt den Beteiligten schriftlich oder elektronisch mit, welche Angaben und Unterlagen sie für ihre Entscheidung benötigt. Sie setzt den Beteiligten eine angemessene Frist, innerhalb der diese die Angaben zu machen und die Unterlagen vorzulegen haben.
(4) Die Deutsche Rentenversicherung Bund teilt den Beteiligten mit, welche Entscheidung sie zu treffen beabsichtigt, bezeichnet die Tatsachen, auf die sie ihre Entscheidung stützen will, und gibt den Beteiligten Gelegenheit, sich zu der beabsichtigten Entscheidung zu äußern. Satz 1 gilt nicht, wenn die Deutsche Rentenversicherung Bund einem übereinstimmenden Antrag der Beteiligten entspricht.
(4a) Auf Antrag der Beteiligten entscheidet die Deutsche Rentenversicherung Bund bereits vor Aufnahme der Tätigkeit nach Absatz 2. Neben den schriftlichen Vereinbarungen sind die beabsichtigten Umstände der Vertragsdurchführung zu Grunde zu legen. Ändern sich die schriftlichen Vereinbarungen oder die Umstände der Vertragsdurchführung bis zu einem Monat nach der Aufnahme der Tätigkeit, haben die Beteiligten dies unverzüglich mitzuteilen. Ergibt sich eine wesentliche Änderung, hebt die Deutsche Rentenversicherung Bund die Entscheidung nach Maßgabe des § 48 des Zehnten Buches auf. Die Aufnahme der Tätigkeit gilt als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse.
(4b) Entscheidet die Deutsche Rentenversicherung Bund in einem Einzelfall über den Erwerbsstatus, äußert sie sich auf Antrag des Auftraggebers gutachterlich zu dem Erwerbsstatus von Auftragnehmern in gleichen Auftragsverhältnissen. Auftragsverhältnisse sind gleich, wenn die vereinbarten Tätigkeiten ihrer Art und den Umständen der Ausübung nach übereinstimmen und ihnen einheitliche vertragliche Vereinbarungen zu Grunde liegen. In der gutachterlichen Äußerung sind die Art der Tätigkeit, die zu Grunde gelegten vertraglichen Vereinbarungen und die Umstände der Ausübung sowie ihre Rechtswirkungen anzugeben. Bei Abschluss eines gleichen Auftragsverhältnisses hat der Auftraggeber dem Auftragnehmer eine Kopie der gutachterlichen Äußerung auszuhändigen. Der Auftragnehmer kann für gleiche Auftragsverhältnisse mit demselben Auftraggeber ebenfalls eine gutachterliche Äußerung beantragen.
(4c) Hat die Deutsche Rentenversicherung Bund in einer gutachterlichen Äußerung nach Absatz 4b das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit angenommen und stellt sie in einem Verfahren nach Absatz 1 oder ein anderer Versicherungsträger in einem Verfahren auf Feststellung von Versicherungspflicht für ein gleiches Auftragsverhältnis eine Beschäftigung fest, so tritt eine Versicherungspflicht auf Grund dieser Beschäftigung erst mit dem Tag der Bekanntgabe dieser Entscheidung ein, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 5 Satz 1 Nummer 2 erfüllt sind. Im Übrigen findet Absatz 5 Satz 1 keine Anwendung. Satz 1 gilt nur für Auftragsverhältnisse, die innerhalb von zwei Jahren seit Zugang der gutachterlichen Äußerung geschlossen werden. Stellt die Deutsche Rentenversicherung Bund die Beschäftigung in einem Verfahren nach Absatz 1 fest, so entscheidet sie auch darüber, ob die Voraussetzungen des Absatzes 5 Satz 1 Nummer 2 erfüllt sind.
(5) Wird der Antrag auf Feststellung des Erwerbsstatus innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit gestellt und stellt die Deutsche Rentenversicherung Bund eine Beschäftigung fest, gilt der Tag der Bekanntgabe der Entscheidung als Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis, wenn der Beschäftigte
- 1.
zustimmt und - 2.
er für den Zeitraum zwischen Aufnahme der Beschäftigung und der Entscheidung eine Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit und zur Altersvorsorge vorgenommen hat, die der Art nach den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht.
(6) Widerspruch und Klage gegen Entscheidungen nach den Absätzen 2 und 4a haben aufschiebende Wirkung. Im Widerspruchsverfahren können die Beteiligten nach Begründung des Widerspruchs eine mündliche Anhörung beantragen, die gemeinsam mit den anderen Beteiligten erfolgen soll. Eine Klage auf Erlass der Entscheidung ist abweichend von § 88 Absatz 1 des Sozialgerichtsgesetzes nach Ablauf von drei Monaten zulässig.
(7) Absatz 2 Satz 2 und 3, Absätze 4a bis 4c und Absatz 6 Satz 2 treten mit Ablauf des 30. Juni 2027 außer Kraft. Die Deutsche Rentenversicherung Bund legt dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales bis zum 31. Dezember 2025 einen Bericht über die Erfahrungen bei der Anwendung des Absatzes 2 Satz 2 und 3, der Absätze 4a bis 4c und des Absatzes 6 Satz 2 vor.
(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
(1a) Eine Beschäftigung besteht auch in Zeiten der Freistellung von der Arbeitsleistung von mehr als einem Monat, wenn
- 1.
während der Freistellung Arbeitsentgelt aus einem Wertguthaben nach § 7b fällig ist und - 2.
das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die vorausgegangenen zwölf Kalendermonate abweicht, in denen Arbeitsentgelt bezogen wurde.
(1b) Die Möglichkeit eines Arbeitnehmers zur Vereinbarung flexibler Arbeitszeiten gilt nicht als eine die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber begründende Tatsache im Sinne des § 1 Absatz 2 Satz 1 des Kündigungsschutzgesetzes.
(2) Als Beschäftigung gilt auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung.
(3) Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt gilt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat. Eine Beschäftigung gilt auch als fortbestehend, wenn Arbeitsentgelt aus einem der Deutschen Rentenversicherung Bund übertragenen Wertguthaben bezogen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn Krankengeld, Krankentagegeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Pflegeunterstützungsgeld oder Mutterschaftsgeld oder nach gesetzlichen Vorschriften Erziehungsgeld oder Elterngeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen oder Wehrdienst oder Zivildienst geleistet wird. Satz 1 gilt auch nicht für die Freistellung nach § 3 des Pflegezeitgesetzes.
(4) Beschäftigt ein Arbeitgeber einen Ausländer ohne die nach § 284 Absatz 1 des Dritten Buches erforderliche Genehmigung oder ohne die nach § 4a Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit, wird vermutet, dass ein Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt für den Zeitraum von drei Monaten bestanden hat.
Tenor
-
Auf die Revision der Klägerin zu 1. werden das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 25. August 2011 und der Bescheid vom 31. März 2011 aufgehoben, soweit beide die Klägerin zu 1. betreffen.
-
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 17. September 2008 wird insoweit zurückgewiesen.
-
Die Beklagte hat der Klägerin zu 1. deren außergerichtliche Kosten für das Revisionsverfahren und das Berufungsverfahren zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.
-
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 5000 Euro festgesetzt.
Tatbestand
- 1
-
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin zu 2. in ihrer für die Klägerin zu 1. ausgeübten Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" wegen Beschäftigung der Sozialversicherungspflicht unterlag.
- 2
-
Die Klägerin zu 1. bot unter einer zentralen Telefonnummer Dienstleistungen in Form von telefonischen Kontakten zu für sie tätigen "telefonischen Gesprächspartnern/Gesprächspartnerinnen" an. Diese führten, wenn sie im Telekommunikationsservice der Klägerin zu 1. "aktiviert" waren, über dieses System gebührenpflichtige Telefonate mit anrufenden Kunden.
- 3
-
Die 1970 geborene Klägerin zu 2., die seinerzeit studierte, war in der Zeit vom 25.10.2000 bis 31.12.2005 als "telefonische Gesprächspartnerin" für die Klägerin zu 1. tätig. Sie arbeitete in dieser Zeit als "telefonische Gesprächspartnerin" auch für die Unternehmen S. GmbH und G. GmbH. Zur Erreichung des Unternehmensziels schlossen die Klägerinnen als "Auftraggeberin" und "Auftragnehmerin" im November 2000 einen "Auftragsvertrag" ua mit folgendem Inhalt:
"§ 3
Die Auftragnehmerin/der Auftragnehmer erhält ihre Vergütung ausschließlich für die Zeiten, in denen sie/er gebührenpflichtige Telefonate mit Anrufen über das System des Telekommunikationsservices geführt hat. Zeiten in dem die Auftragnehmerin/der Auftragnehmer zwar im System des Telekommunikationsservices aktiviert war, allerdings keine gebührenpflichtigen Telefonate mit Anrufen über dieses System geführt hat, werden nicht vergütet.
…
Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, dass mit Abrechnung und Ausgleich sämtliche gegenseitigen Ansprüche in voller Höhe abgegolten sind.
§ 4
Die Auftragnehmerin/der Auftragnehmer ist/sind nicht verpflichtet, die Aufträge in Person auszuführen. Sie/er kann sich auch der Hilfe von Erfüllungsgehilfen bedienen.
Tritt die Auftragnehmerin bzw. der Auftragnehmer als Subunternehmer auf, ist dies der Auftraggeberin unverzüglich anzuzeigen.
In diesem Fall hat die Auftragnehmerin bzw. der Auftragnehmer die dort beschäftigten freien Mitarbeiter auf das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien aufzuklären und ihre/seine eigenen Mitarbeiter auf Einhaltung der getroffenen Vereinbarungen mit der Auftraggeberin hinzuweisen.
…
§ 5
Die Auftragnehmerin/der Auftragnehmer hat das Recht, auch für dritte Arbeitgeber tätig zu sein.
Die Vertragsparteien sind sich bewusst, dass die in § 1 genannten Aufgaben der freien Mitarbeiterin bzw. des freien Mitarbeiters auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erledigt werden könnten.
Von dieser Gestaltungsmöglichkeit haben sie aber bewusst keinen Gebrauch gemacht, sondern in Umgehung gesetzlicher Schutzvorschriften die Form des freien-Mitarbeiter-Vertrages gewählt, um der Mitarbeiterin bzw. dem Mitarbeiter die volle Entscheidungsfreiheit bei Verwertung ihrer/seiner Arbeitskraft zu belassen, soweit diese durch den vorstehenden Vertrag nicht belegt ist.
…
Vor Aufnahme der Tätigkeit verpflichtet sich die Auftragnehmerin bzw. der Auftragnehmer ein Gewerbe als Telekommunikationsagentur anzumelden, insbesondere bei dem für sie zuständigen Finanzamt zur Mehrwertsteuer zu optieren, wenn die Mehrwertsteuer ausgezahlt wird…
…
§ 8
…
Das gleichzeitige Schalten bei mehreren Firmen ist nicht gestattet, wenn einer der ersten beiden Plätze an die Auftragnehmerin bzw. den Auftragnehmer vergeben wurde. Es steht der Auftragnehmerin bzw. dem Auftragnehmer frei, sich auf hintere Plätze schalten zu lassen, sofern dies mindestens 6 Wochen vorher schriftlich angezeigt wird und keine berechtigten In der Auftraggeberin dem entgegenstehen. Außerhalb der Routingzeit bleibt es der Auftragnehmerin bzw. dem Auftragnehmer überlassen, sich bei anderen Firmen schalten zu lassen.
Für jeden Fall des Verstoßes gegen vorbezeichnete Vereinbarungen wird eine Vertragsstrafe von DM 5000 sofort zur Zahlung fällig…
…
Das Abwerben von Kunden auf andere gebührenpflichtige Nummern (gleichgültig ob die der Auftragnehmerin bzw. des Auftragnehmers bzw. die anderer Auftraggeber der Auftragnehmerin bzw. des Auftragnehmers) ist verboten. Für den Fall der Zuwiderhandlung ist gleichfalls eine Vertragsstrafe in Höhe von DM 5000 sofort zur Zahlung fällig.
§ 9
Den Vertragsschließenden ist bekannt, dass der Vertrag nach der jüngsten Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 09.06.1998 - Az: XI ZR 192/97) als sittenwidrig und damit nichtig gem. § 138 Abs. 1 BGB angesehen werden kann.
Die Parteien schließen diesen Vertrag in Kenntnis dieser Problematik ab und verzichten wechselseitig auf das Recht, sich gegenüber der anderen Vertragspartei auf die etwaige Sittenwidrigkeit zu berufen.
…"
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Die Klägerin zu 2. übte ihre Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" von zu Hause aus und über die eigene Telefonanlage aus, indem sie sich in das Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. einwählte und sodann "aktiviert" war. Die Einrichtung der eigenen Telefonanlage wurde durch die Klägerin zu 1. nicht mitfinanziert. Die Klägerin zu 2. teilte der Klägerin zu 1. jeweils im Voraus mit, wann sie zur Entgegennahme von Anrufen bereit sei und wurde sodann nach ihren Vorgaben freigeschaltet; diese Bereitschaftszeiten bestimmte sie selbst und richtete sie an den Anforderungen ihres Studiums aus. Einen verbindlichen Terminplan über die Einsatzzeiten der Klägerin zu 2. gab es nicht; Mindestzeiten der Anwesenheit oder eine Mindestanzahl tatsächlich getätigter Anrufe verlangte die Klägerin zu 1. ebenfalls nicht. Meldete die Klägerin zu 2. weniger Zeit an oder konnte sie angemeldete Bereitschaftszeiten nicht einhalten, sprach die Klägerin zu 1. keine Sanktionen aus. Urlaub zeigte die Klägerin zu 2. der Klägerin zu 1. lediglich an. Ihre Vergütung errechnete sich aus dem ermittelten Zeiteinsatz der Klägerin zu 2. für gebührenpflichtige Telefonate mit Anrufern über den Telekommunikationsservice der Klägerin zu 1. Auf der Grundlage dieser ihr im Folgemonat mitgeteilten Daten erstellte die Klägerin zu 2. ihre Rechnung. Überstundenvergütung, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaubsgeld erhielt die Klägerin zu 2. nicht. Um sich einen eigenen Kundenstamm aufzubauen, ließ sich die Klägerin zu 2. später im Einverständnis mit der Klägerin zu 1. eine zweite, ausschließlich für sie bestimmte Telefonnummer in deren Telekommunikationssystem einrichten, die sie in von ihr bezahlten Zeitungsanzeigen selbst bewarb. Gesprächskunden konnten sie auf diese Weise, nachdem sie sie auf ihre Bereitschaftszeiten hingewiesen hatte, direkt anwählen und wurden bei Abwesenheit nicht an eine andere Gesprächspartnerin vermittelt.
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Im Juni 2001 beantragte die Klägern zu 2. bei der Rechtsvorgängerin des beklagten Rentenversicherungsträgers (Bundesversicherungsanstalt für Angestellte; im Folgenden einheitlich: Beklagte) die "Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status" und stellte sich auf den Standpunkt, dass "ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nach § 7 Abs 1 SGB IV" nicht vorliege. Mit zwei Bescheiden vom 14.10.2002 stellte die Beklagte gegenüber den Klägerinnen fest, dass die Klägerin zu 2. ihre bei der Klägerin zu 1. ausgeübte Tätigkeit als Telefonistin seit Oktober 2000 (1.10.2000) im Rahmen eines abhängigen und damit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe. Beide legten hiergegen Widerspruch mit der Begründung ein, dass die Klägerin zu 2. selbstständig tätig sei; mit Widerspruchsbescheiden vom 24.9.2003 wies die Beklagte ihre Widersprüche zurück.
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Auf die verbundenen Klagen der beiden Klägerinnen hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben (Urteil vom 17.9.2008).
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Die Beklagte hat hiergegen Berufung eingelegt. Nach Ermittlungen zur Höhe der von der Klägerin zu 2. im streitigen Zeitraum erhaltenen Vergütung, insbesondere einer Auswertung von der Klägerin zu 1. übersandter "Honorarrechnungen" der Klägerin zu 2. aus dem Jahr 2001 und beigezogener Einkommensteuerbescheide der Klägerin zu 2. aus den Jahren 2000 bis 2005 hat die Beklagte die ursprünglichen Bescheide mit an die Klägerinnen gerichteten Bescheiden vom 31.3.2011 geändert und festgestellt, dass die Klägerin zu 2. in der von ihr in der Zeit vom 25.10.2000 bis 31.12.2005 ausgeübten Beschäftigung als Telefonistin sozialversicherungspflichtig gewesen sei. Tatbestände, die Versicherungsfreiheit begründeten oder Versicherungspflicht ausschlössen, lägen nicht vor. Die Entscheidung zur Versicherungspflicht sei auf der Grundlage allgemeiner Beweislastregeln zu treffen.
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Das LSG hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klagen abgewiesen (Urteil vom 25.8.2011). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte sei zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin zu 2. in ihrer Tätigkeit für die Klägerin zu 1. wegen einer Beschäftigung der Sozialversicherungspflicht unterlegen habe. Die Klägerin zu 2. habe sich in das Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. einwählen müssen und sei erst damit als telefonische Gesprächspartnerin im Auftrag der Klägerin zu 1. "aktiviert" gewesen. Zwar habe die Klägerin zu 2. von der Klägerin zu 1. keine ins Einzelne gehenden Weisungen erhalten, ihre konkrete Aufgabenstellung habe sich indessen aus dem Vertrag ergeben. Auch sei die Leistungserbringung der Klägerin zu 2. über die Aufzeichnung ihrer aktiven Sprechzeiten durch das Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. kontrolliert worden. Im Hinblick auf die Notwendigkeit, das zur Verfügung gestellte Telekommunikationssystem zu nutzen, reichten diese Umstände für die Annahme einer persönlichen Abhängigkeit durch Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Gewerbes der Klägerin zu 1. aus. Die Klägerin zu 2. habe auch kein eigenes Unternehmerrisiko getragen, weil sie eigene Betriebsmittel nicht habe einsetzen müssen. Auch die Zuteilung einer zweiten Telefonnummer und die hierfür betriebene Eigenwerbung hätten keine Initiative in Richtung "unternehmerisches Risiko" dargestellt. Der Aufbau eines eigenen Kundenstammes habe nur im Rahmen des Gewerbes der Klägerin zu 1. stattgefunden. Die Klägerin zu 2. habe ihre Vergütung mit den Stammkunden nicht etwa selbst aushandeln können. Da im Hinblick auf die vorgelegten Unterlagen nicht erweislich sei, ob die Klägerin zu 2. im streitigen Zeitraum geringfügig beschäftigt und deshalb versicherungsfrei gewesen sei, müsse nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast von Versicherungspflicht ausgegangen werden. Diese Beweislast treffe die Klägerinnen, weil sie im Statusfeststellungsverfahren beantragt hätten, dass die Klägerin zu 2. nicht als Beschäftigte sozialversicherungspflichtig sei. Das LSG hat die Revision im Tenor seines Urteils zugelassen, in den Entscheidungsgründen jedoch ausgeführt, dass die Revision nicht zuzulassen sei, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 SGG nicht vorlägen.
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Mit ihrer Revision rügt (nur) die Klägerin zu 1. eine Verletzung von § 7 Abs 1 und § 7a SGB IV. Die Klägerin zu 2. habe bei ihr eine freiberufliche Tätigkeit ausgeübt. Die für eine selbstständige Tätigkeit sprechenden Indizien überwögen bei Weitem. Die Klägerin zu 2. habe die im "Auftragsvertrag" beschriebene und tatsächlich auch so praktizierte Tätigkeit bei voller Entscheidungsfreiheit über die Verwertung ihrer Arbeitskraft in eigenen Räumlichkeiten ohne Kontrolle ausgeübt. Sie habe die Tätigkeit als telefonische Gesprächspartnerin nicht in Person ausführen müssen und für dritte Arbeitgeber tätig sein dürfen. Weder habe sie - die Klägerin zu 1. - bestimmte Mindestzeiten der Anwesenheit verlangt noch eine Mindestanzahl getätigter Anrufe. Die Klägerin zu 2. habe auch ein eigenes Unternehmerrisiko getragen, weil sie mit ihrer Wohnung und Telefonanlage eigene Betriebsmittel eingesetzt habe und über die Anzahl der entgegengenommenen Anrufe und deren Länge den Umfang ihres persönlichen Einkommens bestimmt habe. Unternehmerische Verantwortung zeige sich auch darin, dass sie mittels einer zweiten, von ihr beworbenen Rufnummer eigene Kunden bedient habe. Die Klägerin zu 1. meint darüber hinaus, hinsichtlich der von ihm zu beantwortenden Fragen nach dem Bestehen von Versicherungsfreiheit wegen geringfügiger Beschäftigung/selbstständiger Tätigkeit habe das LSG Beweislosigkeit nicht annehmen dürfen. Die vorgelegten Unterlagen legten es zumindest nahe, dass die Klägerin zu 2. in ihrer Tätigkeit für die Klägerin zu 1. durchschnittlich nur 270 Euro monatlich verdient habe und deshalb wegen Geringfügigkeit versicherungsfrei gewesen sei.
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Mit Beschluss vom 29.11.2011 hat das LSG die Entscheidungsgründe des angefochtenen Berufungsurteils dahin berichtigt, dass es heißen muss: "Die Revision wird gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG zugelassen."
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Die Klägerin zu 1. beantragt sinngemäß,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 25. August 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 31. März 2011 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 17. September 2008 zurückzuweisen.
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Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zu 1. zurückzuweisen.
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Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Klägerin zu 1. setze sich mit der Argumentation des LSG nicht hinreichend auseinander. Im Übrigen habe das LSG festgestellt, dass sie - die Beklagte - alle Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft und die Beweislastregeln rechtsfehlerfrei angewandt habe. Die Berichtigung sei unwirksam, weil der Berichtigungsbeschluss vom 29.11.2011 nicht auf der Urschrift des Urteils und den Ausfertigungen vermerkt worden sei.
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Auch die Beigeladene zu 3. hält das angefochtene Urteil für zutreffend; sie stellt jedoch keinen Antrag. Die Beigeladenen zu 1. und 2. äußern sich im Revisionsverfahren nicht.
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Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 165 S 1, § 153 Abs 1, § 124 Abs 2 SGG).
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision der Klägerin zu 1. ist begründet.
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1. Die gegen das Berufungsurteil eingelegte Revision ist - entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung - statthaft, weil sie in der Entscheidung des LSG zugelassen worden ist (§ 160 Abs 1 SGG).
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Zwar hat das LSG die Revision im Tenor des Berufungsurteils zugelassen, während in den Entscheidungsgründen - hiermit widersprechend - ausgeführt wird "Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 SGG nicht vorliegen." Bei Abweichungen zwischen Urteilstenor und Entscheidungsgründen erweist sich jedoch die Aussage im Urteilstenor als maßgebend; denn die Entscheidungsgründe dienen der Auslegung des Urteilstenors, nicht aber dessen Änderung (vgl BGH NJW 1997, 3447, 3448, mit Nachweisen aus der zivilgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur; auch BGH NJW 2003, 140, 141; ferner Clausing in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand der Einzelkommentierung März 2008, § 118 RdNr 4). Das muss jedenfalls dann gelten, wenn der Urteilstenor eindeutig ist und sich ein weiteres Indiz für die Absicht der Revisionszulassung - wie hier - aus der Rechtsmittelbelehrung als eines nach § 136 Abs 1 Nr 7 SGG notwendigen Bestandteils des Urteils ergibt(vgl - bei Divergenzfällen mit in sich widersprüchlichen Entscheidungsgründen und einer Teilübereinstimmung von Entscheidungsgründen mit der Urteilsformel - BGH NJW 1997, 3447, 3448, und BGH NJW 2003, 140, 141). Im Hinblick hierauf muss der Senat die von der Beklagten aufgeworfene Frage nicht beantworten, ob das - von ihr angenommene - Fehlen eines Vermerks des Berichtigungsbeschlusses vom 29.11.2011 auf dem Urteil und den Ausführungen die Wirksamkeit des Berichtigungsbeschlusses und damit des Eintritts der Berichtigung der Entscheidungsgründe hindert oder nicht (im letztgenannten Sinne jedenfalls BVerwG NJW 1975, 1795, 1796).
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2. In der Sache hat das LSG das der Anfechtungsklage der Klägerin zu 1. stattgebende Urteil des SG auf die Berufung der Beklagten hin zu Unrecht aufgehoben und - auf Klage - den während des Berufungsverfahrens an die Klägerin zu 1. gerichteten Bescheid der Beklagten vom 31.3.2011 bestätigt. Der die Klägerin zu 1. betreffende ursprüngliche Bescheid der Beklagten vom 14.10.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.9.2003 und ihres "abändernden" Bescheides vom 31.3.2011 sind rechtswidrig. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft entschieden, die Beklagte habe darin zutreffend festgestellt, dass die Klägerin zu 2. in der Zeit vom 25.10.2000 bis 31.12.2005 in ihrer für die Klägerin zu 1. ausgeübten Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" (Telefonistin) wegen einer Beschäftigung in den Zweigen der Sozialversicherung und in der Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig war.
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a) Gegenstand des Revisionsverfahrens ist auch der während des Berufungsverfahrens von der Beklagten erlassene, an die Klägerin zu 1. gerichtete Bescheid vom 31.3.2011. Dieser hat die bis dahin angefochtenen Bescheide über die darin vorgenommene (unzulässige) Elementenfeststellung des Bestehens einer Beschäftigung hinaus in ihrem Verfügungssatz um die notwendigen Feststellungen zum Vorliegen von Versicherungspflicht (und des Zeitraums, für den Versicherungspflicht besteht) ergänzt. Darin liegt eine insgesamt erneuernde Feststellung mit der Folge, dass der Verwaltungsakt vom 31.3.2011 den wegen der Feststellungen eines (unselbstständigen) Tatbestandselements unvollständigen ersten Verwaltungsakt iS von § 96 Abs 1 SGG(iVm § 153 Abs 1 SGG) ersetzt (vgl zur Notwendigkeit und Möglichkeit der Ergänzung sowie zur verfahrensrechtlichen Bewertung im Kontext des § 96 SGG bereits BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 13).
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Im Revisionsverfahren nicht zu entscheiden ist demgegenüber, ob für die Klägerin zu 2. für den Fall, dass für sie in ihrer Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" eine Versicherungspflicht wegen Beschäftigung bei der Klägerin zu 1. nicht festzustellen ist, jedenfalls eine Versicherungspflicht als selbstständig Tätige in der gesetzlichen Rentenversicherung nach einem der Tatbestände des § 2 S 1 SGB VI in Betracht kommt. In dem auf die Feststellung der Sozialversicherungspflicht Beschäftigter gerichteten Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV sollte (und darf) allein geklärt werden, ob die Klägerin zu 2. bei der Klägerin zu 1. wegen Beschäftigung iS von § 7 Abs 1 SGB IV versicherungspflichtig war; eine Feststellung des (Nicht)Bestehens von Versicherungspflicht in der Rentenversicherung der Selbstständigen, die eine Prüfung der (weiteren) Voraussetzungen der § 2 S 1, § 5 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB VI erfordert, ist deshalb vom Streitgegenstand des vorliegenden gerichtlichen Verfahrens nicht umfasst(vgl schon BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 14).
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b) Das LSG ist auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller Umstände des hier zu beurteilenden Einzelfalls (vgl § 7a Abs 2 SGB IV) - ausgehend von den von ihm für den Senat bindend festgestellten (vgl § 163 SGG) Tatsachen - zu einem unzutreffenden Ergebnis gelangt. Die Beklagte hat in ihren an die Klägerin zu 1. gerichteten Bescheiden in dem von der Klägerin zu 2. eingeleiteten Anfrageverfahren, in dessen Rahmen sie über die Frage der Sozialversicherungspflicht wegen Beschäftigung bei der Klägerin zu 1. auch - wie hier - nach Beendigung der zu beurteilenden Tätigkeit entscheiden darf (vgl BSG SozR 4-2400 § 7a Nr 3 RdNr 32) rechtsfehlerhaft angenommen, dass die Klägerin zu 2. in ihrer für die Klägerin zu 1. ausgeübten Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" wegen Beschäftigung der Versicherungspflicht unterlag. Der Senat kann somit offen lassen, ob einer Annahme von Versicherungspflicht wegen Beschäftigung in der Zeit vom 25.10.2000 bis 31.12.2005 möglicherweise auch die Regelungen über die geringfügige Beschäftigung (vgl § 8 Abs 1 SGB IV) in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung und in der Arbeitslosenversicherung entgegenstehen oder die Versicherungspflicht in einem Zweig der Sozialversicherung aus anderen Gründen ausgeschlossen ist. Nicht zu beantworten ist daher auch die im Revisionsverfahren zwischen den Beteiligten umstrittene Frage, ob die Beklagte und das LSG hinsichtlich der Voraussetzungen der (Zeit- und/oder Entgelt)Geringfügigkeit Beweislosigkeit und in Anwendung des Grundsatzes objektiver Beweislast Versicherungspflicht der Klägerin zu 2. annehmen durften.
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aa) In den Jahren 2000 bis 2005, um die es hier geht, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung (vgl § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB XI, § 1 S 1 Nr 1 SGB VI und § 25 Abs 1 S 1 SGB III) der Versicherungspflicht (und Beitragspflicht). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung war § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Tätigkeit und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 17 RdNr 15 und BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; ferner BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Die jeweilige Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw selbstständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 Leitsatz und RdNr 25 ff).
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bb) Im vorliegenden Rechtstreit ist das Berufungsgericht aufgrund der genannten Rechtsprechung in seiner Gesamtwürdigung in revisionsrechtlich zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin zu 2. in ihrer für die Klägerin zu 1. ausgeübten Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" bei dieser beschäftigt war. Das LSG hat zwar - ausgehend von (insoweit jedenfalls) zutreffenden allgemeinen rechtlichen Erwägungen - begründet, dass und warum die für eine Beschäftigung sprechenden Umstände überwiegen. Es hat sich vor allem darauf gestützt, dass die Klägerin zu 2. im streitigen Zeitraum in die Arbeitsorganisation (des Gewerbes) der Klägerin zu 1. eingegliedert und weisungsunterworfen gewesen sei; ein für Selbstständigkeit sprechendes Unternehmerrisiko der Klägerin zu 2. hat es demgegenüber verneint. Diese Würdigung des Sachverhalts, insbesondere die Zuordnung der Tätigkeit nach ihrem Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung durch das Berufungsgericht, ist aber zu beanstanden. Die von der Beklagten mit zulässigen Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellungen des LSG zum Inhalt des (schriftlichen) "Auftragsvertrags" und die - hiermit übereinstimmende - (tatsächliche) Umsetzung des Vertrags gebieten - in dem hier (ausschließlich) zu beurteilenden konkreten Fall einer "telefonischen Gesprächspartnerin" - vielmehr die Annahme, dass die Klägerin zu 2. bei der Klägerin zu 1. nicht als Beschäftigte tätig war.
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cc) Rechtlicher Ausgangspunkt für die Würdigung des Gesamtbildes der Tätigkeit der Klägerin zu 2. ist zunächst, dass der "Auftragsvertrag" nach seinem Gepräge eine Rahmenvereinbarung darstellt, die zwar eine auf Dauer angelegte Geschäftsverbindung eröffnen, dabei jedoch nur (im Voraus) bestimmte Einzelheiten künftig noch abzuschließender Verträge festlegen sollte (vgl zur Struktur von Rahmenverträgen etwa BGH NJW-RR 1992, 977, 978 mwN). Werden aber "unter dem Dach" eines Rahmenvertrags einzelne, gesonderte, (nur) kurze Vertragsverhältnisse begründet, sind jeweils nur diese einzelnen "Einsatzaufträge" am Maßstab der von der Rechtsprechung für die Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und Beschäftigung entwickelten Grundsätze zu bewerten (vgl schon BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 24 ff; ferner BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 17). Einer solchen Beurteilung zu unterziehen sind hier daher jeweils nur die Phasen der "Aktivierung" der Klägerin zu 2. durch (Frei)Schalten im Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. (sog Routingzeit), die die Möglichkeit eröffnete, unter Entgegennahme ankommender Telefonverbindungen mit Dritten Gesprächsinhalte auszutauschen. Zu berücksichtigen ist im Rahmen der Ausgangsüberlegungen ferner, dass Personen, die in dem hier in Rede stehenden Tätigkeitsfeld im weiteren Sinne Sprachkommunikationsleistungen erbringen, grundsätzlich sowohl als Beschäftigte als auch aufgrund freier Dienstverhältnisse tätig sein können (vgl etwa zur Möglichkeit der Führung von Bildschirmdialogen sexuellen Inhalts in Form von Frage- und Antwortspielen im Rahmen einer Beschäftigung BSGE 87, 53 = SozR 3-2400 § 7 Nr 15). Davon, dass die Aufgaben der Klägerin zu 2. alternativ durchaus auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erledigt werden konnten, gingen auch die Klägerinnen aus (vgl § 5 des "Auftragsvertrags").
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dd) Zutreffend wendet die Klägerin zu 1. ein, dass auch das zwischen ihr und der Klägerin zu 2. bestehende (Rahmen)Vertragsverhältnis - und dessen (tatsächliche) Umsetzung - eine Zuordnung der Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" zum Typus der Beschäftigung nicht gestattet. Wäre also nicht (nur) der jeweilige "Einsatzauftrag", sondern darüber hinaus das Dauerrechtsverhältnis zu bewerten, müsste berücksichtigt werden, dass für die Klägerin zu 2. arbeitnehmertypische Leistungspflichten nicht begründet wurden. Wie das LSG festgestellt hat, verlangte die Klägerin zu 1. von der Klägerin zu 2. weder bestimmte Mindestzeiten der Anwesenheit noch eine Mindestanzahl tatsächlich getätigter Anrufe. Die Klägerin zu 2. konnte ihre Bereitschaftszeiten vielmehr selbst bestimmen und sie sowohl hinsichtlich der zeitlichen Verteilung und Lage sowie hinsichtlich des Umfangs nach ihren eigenen Vorstellungen ausrichten; es stand ihr außerdem frei, sich im Telekommunikationssystem auf "vordere" oder "hintere" Plätze schalten zu lassen (vgl § 8 des "Auftragsvertrags"). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sprach die Klägerin zu 1. schließlich keine Sanktionen aus, wenn die Klägerin zu 2. weniger Zeit anmeldete oder angemeldete Bereitschaftszeiten nicht einhalten konnte. Im Hinblick hierauf ist jedenfalls eine im Einzelnen vereinbarte, zeitlich fixierte Arbeitspflicht der Klägerin zu 2. "unter dem Dach" des Rahmenvertrags nicht anzunehmen. Letztere konnte vielmehr stets aufs Neue ihre Entschließungsfreiheit betätigen, einen weiteren "Einsatzauftrag" anzunehmen oder nicht.
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Den Vereinbarungen im Rahmenvertrag ist Indizwirkung gegen eine Beschäftigung auch deshalb beizulegen, weil die Klägerin zu 2. nach den Feststellungen des Berufungsgerichts Überstundenvergütung, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaubsgeld nicht erhielt, ihr die - selbstständige - Rechnungsstellung oblag, sie die Sprachkommunikation nicht in Person vornehmen musste, sondern sich Erfüllungsgehilfen bedienen oder als Subunternehmer auftreten durfte (vgl § 4 des "Auftragsvertrags"), und einem Vertragsstrafenreglement unterlag, wenn sie Vertragspflichten verletzte (vgl § 8 des "Auftragsvertrags"). Obwohl diese rahmenvertraglichen Abreden - für sich allein betrachtet - keine starken Indizien gegen das Vorliegen einer Beschäftigung sind, ist ihnen indessen in ihrer Gesamtheit (doch) zu entnehmen, dass das wirtschaftliche Ergebnis der Gestaltung ihrer Tätigkeit für die Klägerin zu 1. die Klägerin zu 2. nach dem Rahmenvertrag unmittelbar selbst treffen sollte.
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Die Beklagte hat bis in das Berufungsverfahren hinein vorgetragen, den dargestellten rahmenvertraglichen "Optionen" dürfe deshalb keine indizielle Wirkung gegen eine Beschäftigung entnommen werden, weil der Rahmenvertrag gerade unter der "Prämisse" gestanden habe, dass eine Beschäftigung nicht gewollt sei. Die Beklagte sieht hierin einen Zirkelschluss der Klägerin zu 1. und weist darauf hin, dass es bei einer Beurteilung der Tätigkeit als Beschäftigung nach deren tatsächlicher Gestaltung auf die vertraglichen Vereinbarungen nicht ankommen könne. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden (vgl schon BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 21). Zum einen gehören auch die getroffenen Vereinbarungen als rechtlich relevante Umstände zu den tatsächlichen Verhältnissen, nach denen sich das Gesamtbild der Tätigkeit bestimmt (vgl BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 17 mwN). Zum anderen liegt die von der Beklagten aufgestellte Voraussetzung, dass die Tätigkeit der Klägerin zu 2. im Hinblick auf die tatsächliche Praxis der Rechtsbeziehung als Beschäftigung zu werten ist, hier - wie gerade erörtert wird - nicht vor.
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ee) Entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung war die Klägerin zu 2. bei der Durchführung der - gesondert zu beurteilenden - "Einsatzaufträge" auf der Grundlage des Rahmenvertrags nicht wie eine Beschäftigte in eine von der Klägerin zu 1. vorgegebene betriebliche Ordnung eingegliedert. Eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation (des Gewerbes) der Klägerin zu 1. zeigt sich nicht schon allein darin, dass sich die Klägerin zu 2. in das Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. einwählen musste, um "aktiviert" zu sein. Anders als das LSG meint, reicht es für die Annahme einer Eingliederung in den "Betrieb" der Klägerin zu 1. nicht aus, dass diese mit ihrem Gewerbe erst die Möglichkeit (an)bot, "telefonisch Gespräche mit Frauen zu führen", und die Klägerin zu 2. das zur Verfügung gestellte Telekommunikationssystem (be)nutzte. Die bloße Nutzung eines von anderen vorgehaltenen/betriebenen Systems bzw Netzes (Logistik) durch einen "Systempartner" oder Diensteanbieter ohne Vorliegen weiterer, für eine Einbindung in die organisatorische Einheit des "Systemgebers" oder Netzbetreibers sprechender Umstände zwingt nicht (von vornherein) zu der Annahme, es liege eine arbeitnehmertypische Eingliederung in eine von anderen vorgegebene betriebliche Ordnung vor, in der die "Systempartner" oder Diensteanbieter fremdbestimmte Arbeit leisteten (vgl etwa zu Handelsvertretern, die sich ein Handelsvertreternetz zunutze machen: BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 8, 13 und 15; zu Franchise-Nehmern, die sich eine Vertriebskette in einem Franchise-System zunutze machen: BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 12; zu Piloten, die sich ein Charterflug-Netz zunutze machen: BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris; zu hauswirtschaftlichen Familienbetreuern, die sich die Dienste einer privaten Pflege-Agentur zunutze machen: BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris).
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Umstände von Gewicht, die jenseits der (bloßen) Nutzung des Telekommunikationssystems der Klägerin zu 1. für eine Eingliederung der Klägerin zu 2. in deren "Betrieb" sprechen könnten, liegen nicht vor. Das LSG hat vielmehr festgestellt, dass sich die Klägerin zu 2. bei der Durchführung ihrer "Einsatzaufträge" zu Hause und nicht in Betriebsräumen der Klägerin zu 1. aufhielt; sie benutzte jedenfalls teilweise - in der Gestalt ihrer eigenen Telefonanlage - eigene Geräte. Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung hat das BSG für einen solchen Fall nicht bereits "deutlich gemacht", dass eine Eingliederung in die betriebliche Ordnung des Netzbetreibers (gleichwohl und allgemein) anzunehmen sei; das BSG hat diese Frage vielmehr bisher unentschieden gelassen (vgl BSGE 87, 53, 56 = SozR 3-2400 § 7 Nr 15 S 46). Zutreffend weist die Klägerin zu 1. im Übrigen darauf hin, dass die Klägerin zu 2. mit der Zuteilung einer zweiten (individuellen) Rufnummer zwar noch auf das Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1., jedoch nicht mehr auf ihr "Verteilersystem" angewiesen war; denn es war nunmehr die Klägerin zu 2. (selbst), die den anrufenden Kunden gegenüber auftrat.
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Soweit die Klägerin zu 1. gegen die Annahme einer Eingliederung der Klägerin zu 2. in ihren "Betrieb" anführt, dass es einen verbindlichen Terminplan über deren Einsatzzeiten nicht gegeben habe und somit eine ständige Dienstbereitschaft von dieser nicht erwartet worden sei, ist ihr Ansatz allerdings unzutreffend. Denn für die Beurteilung, ob die Klägerin zu 2. in eine von anderer Seite vorgegebene Arbeitsorganisation eingegliedert war, muss auf die Verhältnisse abgestellt werden, die nach Annahme des jeweiligen "Einsatzauftrags" im Hinblick (allein) hierauf bestanden (vgl BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 22).
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ff) Die Klägerin zu 2. unterlag nach Annahme des jeweiligen "Einsatzauftrags" auch nicht - wie LSG und Beklagte meinen - einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht der Klägerin zu 1.
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Das Berufungsgericht räumt selbst ein, dass die Klägerin zu 2. keine Weisungen erhielt, wie sie im Einzelnen ihren "Leistungsauftrag, telefonische Gesprächspartnerin" zu sein, zu erbringen gehabt habe, geht jedoch davon aus, dass (bereits) die "vertragliche Aufgabenstellung", nämlich "die Wünsche der Anrufenden weitmöglichst mittels eines telefonischen Gesprächs zu erfüllen", für die Annahme persönlicher Weisungsunterworfenheit ausreiche. Allein daraus aber, dass gewisse "Eckpunkte" wie etwa der "grobe" Inhalt der Tätigkeit von der Klägerin zu 1. vorgegeben waren und insoweit eine "geminderte Autonomie" bestand, kann nicht auf eine Weisungsgebundenheit im geforderten Sinne geschlossen werden (vgl bereits - mit Hinweisen auf die ältere Rechtsprechung - BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 19, und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 23). Nach Entgegennahme bzw Herstellung ankommender Telefonverbindungen richtete sich die Tätigkeit der Klägerin zu 2. (allgemein) an den Bedürfnissen und Wünschen der anrufenden Kunden aus. Wie die Gesprächsinhalte im Einzelnen ausgestaltet waren und wie lange die Telefongespräche dauerten, bestimmte sich nach den jeweiligen individuellen Erfordernissen; dies verlangte von der Klägerin zu 2. eine Flexibilität bzw die Fähigkeit zu entsprechender Reaktion beim Austausch von Gesprächsinhalten und beließ ihr einen großen Entscheidungsbereich (zu den Voraussetzungen von Weisungsgebundenheit/Weisungsfreiheit, dh Arbeitnehmereigenschaft/Selbstständigkeit bei Tätigkeiten in einem Nachtclub aus steuerrechtlicher Sicht vgl FG München EFG 2011, 56, 57 ff).
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Entgegen der vom LSG vertretenen Auffassung war die Klägerin zu 2. auch nicht wegen der Aufzeichnung ihrer aktiven Sprechzeiten im Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. weisungsabhängig. Woraus das Berufungsgericht schließt, dass die Ermittlung des Zeiteinsatzes der Klägerin zu 2. für gebührenpflichtige Telefonate der (auch inhaltlichen) Kontrolle ihrer Leistungserbringung diente, nachdem es zuvor festgestellt hat, dass diese (lediglich) für die Errechnung der Vergütung Bedeutung hatte, begründet es nicht. Nach den Feststellungen des LSG zum Inhalt des "Auftragsvertrags" stand der Klägerin zu 1. jedenfalls vertraglich keine (Rechts)Macht zur Kontrolle mit dem Ziel zu, die Klägerin zu 2. zur Optimierung ihrer Dienstleistungen anzuhalten; diese konnte Häufigkeit, Inhalt und Dauer ihrer "Einsatzaufträge" nach der Rahmenvereinbarung vielmehr selbst bestimmen.
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gg) Zu Unrecht geht das Berufungsgericht schließlich davon aus, die Klägerin zu 2. habe (überhaupt) kein eigenes, für Selbstständigkeit sprechendes Unternehmerrisiko getragen. Zutreffend hat es allerdings daraufhin hingewiesen, dass nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen (vgl etwa BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; BSG SozVers 2001, 329, 332; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 25 und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27) maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (so schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36, mwN; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 25 und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27). Aus den Feststellungen des LSG ergibt sich, dass die Klägerin zu 2. - wie das für Dienstleistungen im Bereich der Individual- bzw Sprachkommunikation typisch ist - im Wesentlichen ihre Arbeitskraft eingesetzt und dieses im vorgenannten Sinne mit einem Verlustrisiko getan hat.
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Die Annahme eines gewissen Unternehmerrisikos ist gerechtfertigt, weil die Klägerin zu 2. im Zusammenhang mit der Verwertung ihrer Arbeitskraft bei der Durchführung der "Einsatzaufträge" das Risiko des Ausfalls ihres Verdienstes trug. Nach den Feststellungen des LSG zum Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen (vgl § 3 des "Auftragsvertrags") - und deren (tatsächlicher) Umsetzung - erhielt die Klägerin zu 2. ihre Vergütung nicht dafür, dass sie sich nach "Aktivierung" (wie innerhalb einer festen Arbeitszeit) bereithielt, sondern nur für den auf gebührenpflichtige Telefonate innerhalb der sog Routingzeit entfallenden Zeiteinsatz. Führte sie keine oder weniger Telefonate, etwa weil gebührenpflichtige Anrufe ausblieben oder sie im Telekommunikationssystem auf "hintere" Plätze geschaltet war, erzielte sie keine oder weniger Vergütung; insoweit musste sie auch befürchten, dass sie zeitweise überhaupt nichts verdiente. Der Erfolg des Einsatzes ihrer Arbeitskraft nach einer "Aktivierung" war also ungewiss.
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Dieser Belastung mit dem Ausfallrisiko stand auf der anderen Seite bei der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft eine größere Freiheit gegenüber; die Klägerin zu 2. konnte den Einsatz ihrer Arbeitskraft nach Annahme eines "Einsatzauftrags" in einer für Arbeitnehmer untypischen Weise sehr weitreichend selbst steuern. Zutreffend weist die Klägerin zu 1. in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Klägerin 2. durch eine entsprechende Ausgestaltung der Gesprächsinhalte auf die Dauer der gebührenpflichtigen Telefonate und die Anzahl der Anrufe und anrufenden Kunden Einfluss nehmen und so - durch besondere Anstrengungen - ihre Verdienstchancen erhöhen konnte. Letztlich stellt auch die Zuteilung einer zweiten (individuellen) Rufnummer im Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. nichts anderes als eine Reaktion darauf dar, dass bei (bestimmten) anrufenden Kunden infolge für sie attraktiver Gesprächsinhalte bei früheren Telefonverbindungen ein Bedürfnis nach unmittelbarer Kontaktaufnahme mit der Klägerin zu 2. sowie danach entstanden war, nicht (mehr) an eine andere, vom Betroffenen nicht favorisierte "Gesprächspartnerin" vermittelt zu werden. Mit der Heranbildung eines eigenen Kundenstammes nutzte die Klägerin zu 2. die bei den Gesprächseinsätzen bestehenden Optionen und steigerte ihre Verdienstchancen (noch) weiter. Diese Freiheit bei der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft ist nicht - wie das Berufungsgericht meint - deshalb ohne Bedeutung, weil diese und die Möglichkeit zur Erhöhung der Gewinnchancen nur "im Rahmen des Gewerbes der Klägerin zu 1." bestanden und die Klägerin zu 2. damit "keine eigenen Betriebsmittel erhalten" hat. Wie bereits erörtert (dazu oben 2 b ee)), schließt allein die (bloße) Nutzung eines von anderen vorgehaltenen/betriebenen Systems/Netzes (Logistik) selbstständige Tätigkeit (bei Verbindung zu diesem System/Netz) nicht von vornherein aus.
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Zu dem Risiko des Verdienstausfalls, das über dasjenige bei umsatzorientierter Entlohnung in Arbeitsverhältnissen hinausging, trat allerdings nicht deshalb ein Kapitalrisiko der Klägerin zu 2. hinzu, weil sie ihre Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" aus der eigenen Wohnung heraus und über die eigene Telefonanlage ausübte. Zutreffend führt das LSG insoweit aus, dass sie hiermit eigene (sächliche) Betriebsmittel nicht einsetzte, weil eine eigene Wohnung und eine eigene Telefonanlage (vor allem) der allgemeinen Lebensführung dienen und auch von Arbeitnehmern auf eigene Kosten vorgehalten werden. Ein für Arbeitnehmer untypisches (wenn auch geringes) Kapitalrisiko ging die Klägerin zu 2. jedoch ein, als sie die zweite, im Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. ausschließlich für sie eingerichtete Telefonnummer in von ihr bezahlten Zeitungsanzeigen selbst bewarb. Soweit das Berufungsgericht ein hierin liegendes Kapitalrisiko mit der Begründung verneint, die Klägerin zu 2. habe ihre Vergütung gleichwohl mit den anrufenden Kunden nicht unmittelbar selbst aushandeln können, berücksichtigt dies zwei Umstände nicht: dass - erstens - im vorliegenden Rechtsstreit nicht die Rechtsbeziehung der Klägerin zu 2. zu ihren Kunden einer sozialversicherungsrechtlichen Bewertung zu unterziehen ist und dass - zweitens - sich die Höhe der Vergütung allgemein und damit auch des gegen die Klägerin zu 1. gerichteten Vergütungsanspruchs der Klägerin zu 2. bei einheitlichen Gebührensätzen (allein) über die Dauer der Telefonate und deren Anzahl (und gerade nicht über variable, etwa leistungsbezogene Entgelte) bestimmte.
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hh) Der Annahme einer selbstständigen Tätigkeit der Klägerin zu 2. steht schließlich nicht entgegen, dass die Klägerinnen die Form des freien Mitarbeitervertrags "in Umgehung gesetzlicher Schutzvorschriften" vereinbart hatten (vgl § 5 des "Auftragsvertrags"). Hieraus ergibt sich - trotz der missverständlichen Wortwahl - der Sache nach lediglich, dass die Vertragspartner ihre Rechte und Pflichten als "Auftraggeberin" und "Auftragnehmerin" - was rechtlich zulässig ist (dazu oben 2 b cc)) - den Bindungen eines (alternativ auch möglichen) Arbeitsverhältnisses gerade nicht unterwerfen wollten; dagegen kann daraus nicht gefolgert werden, dass nach dem Willen der Vertragspartner zwar ein Arbeitsverhältnis bestehen sollte, dies aber ohne die gerade für ein solches Rechtsverhältnis geltenden gesetzlichen und ggf tariflichen Bindungen und Mindestbedingungen (vgl auch § 32 SGB I).
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Keine Bedeutung für die hier vorgenommene sozialversicherungsrechtliche Beurteilung hat auch, dass der abgeschlossene "Auftragsvertrag" - wie die Klägerinnen damals meinten - im Hinblick auf Rechtsprechung des BGH (vgl BGH NJW 1998, 2895) wegen der Vermittlung und Vermarktung bestimmter Gesprächsinhalte (Telefonsexdienstleistungen) möglicherweise sittenwidrig und nichtig war (vgl allgemein zur Anwendung der Grundsätze zum faktischen Arbeitsverhältnis bei nichtigen Dienstverträgen Selbstständiger BSGE 87, 53, 60 f = SozR 3-2400 § 7 Nr 15 S 50 f). Der BGH hat die von den Klägerinnen zitierte Rechtsprechung im Hinblick auf das am 1.1.2002 in Kraft getretene Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten vom 20.12.2001 (BGBl I 3983) ohnehin mittlerweile aufgegeben (vgl BGH NJW 2008, 140, 141; im Übrigen schon BGH NJW 2002, 361).
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3. Nach alledem war die Klägerin zu 2. in ihrer für die Klägerin zu 1. vom 25.10.2000 bis 31.12.2005 ausgeübten Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" nicht iS von § 7 Abs 1 SGB IV bei dieser beschäftigt, sondern aufgrund eines freien Dienstverhältnisses selbstständig tätig. Das Gesamtbild der Tätigkeit der Klägerin zu 2. im vorliegenden Fall entspricht damit dem in der Rechtsprechungspraxis des BGH vorherrschenden Verständnis, wonach (auch) sog (Mehrwert)Diensteanbieter ihren Kunden gegenüber aufgrund eines mit diesen bestehenden eigenen Vertrags (vgl zu den Rechtsverhältnissen grundlegend BGH NJW 2002, 361) regelmäßig als selbstständige Unternehmer - und nicht als Mitarbeiter im Unternehmen des Netzbetreibers - auftreten (vgl etwa zu Telefonsex-Diensteanbietern als Telefonsex-Unternehmern expliziert BGH NJW 2002, 361).
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Der Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits bedeutet allerdings nicht, dass Leistungen der Sprachkommunikation auf dem hier in Rede stehenden Tätigkeitsfeld, wie sie die Klägerin zu 2. erbrachte, im sozialversicherungsrechtlichen Sinne stets als selbstständige Tätigkeit anzusehen wären. Maßgebend für die Beurteilung sind jeweils die Umstände des Einzelfalls auf der Grundlage der für das BSG bindenden (vgl § 163 SGG) Feststellungen der Tatsacheninstanzen. Diese können bei veränderter Sachlage zu anderen Ergebnissen, das heißt auch zur Annahme von Beschäftigung gelangen.
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4. Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich des Revisionsverfahrens auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 3 SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO, § 162 Abs 3 VwGO, hinsichtlich des Berufungsverfahrens auf § 193 SGG.
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5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 2, § 47 Abs 1 GKG; insoweit war der Auffangstreitwert festzusetzen.
Tenor
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Auf die Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen zu 4. wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 10. November 2010 geändert.
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Das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 14. November 2006 wird insgesamt aufgehoben und die Klage abgewiesen.
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Außergerichtliche Kosten sind in allen Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten (noch) darüber, ob der Kläger in seiner in einem Unternehmen seiner Mutter (Beigeladene zu 3.) verrichteten Tätigkeit in der Zeit ab 24.6.2001 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV), der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), der sozialen Pflegeversicherung (sPV) und im Recht der Arbeitsförderung unterlag.
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Die Beigeladene zu 3. betrieb über mehrere Jahre ein Ladengeschäft, in dem Lebensmittel und Getränke verkauft wurden und in dem der Kläger seit 1986 arbeitete. Am 6.2.1999 wurde in den Räumlichkeiten eine Weinprobierstube eröffnet. Am 23.6.2001 kam es zu einem Brand in dem Lebensmittelladen, der daraufhin geschlossen wurde. Seitdem betreibt die Beigeladene zu 3. ihr Unternehmen als Weinhandlung (Wert des Weinbestandes ca 15 000 bis 20 000 Euro) mit angeschlossener Gaststätte in einem Gebäude, das im Eigentum ihres Bruders und ihres Ehemanns steht. Nach den Feststellungen des LSG wurden die Kosten der Gaststätteneinrichtung (ca 250 000 bis 300 000 DM) größtenteils von den Eltern des Klägers getragen. In dem Unternehmen obliegen der Beigeladenen zu 3. im Wesentlichen die Zubereitung der Speisen und die rechnerische Kontrolle der buchmäßigen Abrechnung. Entsprechend dem früheren Übergang des Unternehmens vom Vater der Beigeladenen zu 3. auf diese im Jahr 1980 soll das Unternehmen zu einem nicht näher feststehenden Termin auf den Kläger übergehen.
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Der 1966 geborene Kläger ist gelernter Wasser- und Gasinstallateur. Gemäß den Regelungen eines schriftlichen Arbeitsvertrag vom 1.6.1991, der an die Stelle eines vorangegangenen schriftlichen Arbeitsvertrags trat, wurde der Kläger im Unternehmen der Beigeladenen zu 3. als "Stellvertreter" eingestellt und war berechtigt, Waren zu bestellen und zu kaufen, sowie bei Abwesenheit der Beigeladenen zu 3. zuständig für Personalfragen. Ferner ist im Arbeitsvertrag ua bestimmt, dass der Kläger als Vollzeitkraft eingestellt wird, er alle ihm übertragenen Arbeiten gewissenhaft und sorgfältig auszuführen hat, Nebenbeschäftigungen nur mit Zustimmung des Arbeitgebers zulässig sind, die Lage der Arbeitszeit vom Arbeitgeber festgesetzt wird und die Tarifverträge für den Einzelhandel in Sachsen gelten sollen. Es wurde ein monatliches Bruttogehalt von 1904 DM, ab 1.1.1993 von 2762 DM vereinbart. Entgegen dieser Orientierung am Tarifniveau wurde das Gehalt des Klägers faktisch von der Entwicklung der Löhne abgekoppelt und lag im Jahr 2010 bei ca 1500 Euro brutto monatlich. Hintergrund dafür war nach den Feststellungen des LSG die Rücksichtnahme des Klägers auf die Belastungen des Familienunternehmens durch eine hohe Miete, die ihrerseits ihre Ursache in den hohen Sanierungskosten für das im Familienbesitz stehende betriebliche Gebäude hatte. Der Kläger war zunächst im Getränkeladen tätig. Seit 24.6.2001 ist er für die Weinbestellung und -annahme, die Prüfung der Lieferantenrechnungen, die Präsentation der Weine, die Preiskalkulation, die Gestaltung der Wein- und Speisekarten sowie die Bedienung und Betreuung der Gäste zuständig. Nach den Feststellungen des LSG beglich der Kläger 2005 bzw 2006 einmalig eine Weinrechnung in Höhe von 5000 Euro aus eigenen Mitteln.
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Auf den Antrag des Klägers zur sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung seines Status stellte die Beklagte als Einzugsstelle durch Bescheid vom 28.7.2004 und Widerspruchsbescheid vom 10.6.2005 fest, dass er in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 3. ab 1.1.1991 der Versicherungspflicht in der GKV, sPV, RV und Arbeitslosenversicherung unterliege. Das SG hat die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide verpflichtet festzustellen, dass der Kläger ab 1.1.1991 eine selbstständige Tätigkeit und keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt habe (Urteil vom 14.11.2006). Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG sowie die Bescheide der Beklagten geändert und festgestellt, dass der Kläger ab 24.6.2001 nicht der Versicherungspflicht in der GKV, sPV, RV und Arbeitslosenversicherung unterlegen habe; im Übrigen hat es die Berufung der Beklagten zurückgewiesen sowie die Klage abgewiesen: Insbesondere die Regelungen im Arbeitsvertrag vom 1.6.1991 über Gehalt, Arbeitszeit, Geltung von Tarifverträgen, Festlegung von Arbeitsaufgaben und Funktionen im Betrieb, ferner die Verbuchung der Personalausgaben als Betriebsausgaben, Abführung von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen und die Gehaltszahlung auf ein privates Konto des Klägers sprächen jedenfalls bis 23.6.2001 für eine (abhängige) Beschäftigung. Die Beigeladene zu 3. habe an der Rechtsform eines Einzelunternehmens festgehalten, dessen alleinige Inhaberin sie auch weiterhin sei. Daher habe ausschließlich die Beigeladene zu 3. die Rechtsmacht, an den rechtlichen Verhältnissen des Unternehmens Änderungen vorzunehmen oder den Kläger von seinen Aufgaben wieder zu entbinden. Dagegen könne ab 24.06.2001 eine Unternehmerstellung des Klägers festgestellt werden, da tags zuvor ein "grundlegender Strukturwandel" im Familienunternehmen seinen Abschluss gefunden habe. Zwar sei nach wie vor die Beigeladene zu 3. alleinige Inhaberin des Unternehmens. Der Kläger habe aber seither rein faktisch eine Handhabe, der Beigeladenen zu 3. im Falle eines Dissenses seinen Willen hinsichtlich der Unternehmensführung aufzuzwingen und über die Geschicke des Unternehmens zu walten wie über ein eigenes. Ein "gewisses Unternehmerrisiko" sei in Gestalt des Gehaltsverzichts auszumachen. Die auch in der Zeit ab 24.6.2001 beibehaltenen äußeren Umstände (festes monatliches Gehalt, Verbuchung der Personalausgaben als Betriebsausgabe, Entrichtung von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen, Überweisung des Gehalts auf ein privates Konto) seien dem Kläger "nicht vorzuwerfen". Immerhin habe er am 19.4.2004 die Beklagte um Überprüfung der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung seiner Tätigkeit gebeten und damit seine Zweifel an der Richtigkeit der Fortführung der bisherigen Praxis zum Ausdruck gebracht (Urteil vom 10.11.2010).
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Dagegen wenden sich die beklagte Krankenkasse als Einzugsstelle und der Rentenversicherungsträger (Beigeladene zu 4.) mit ihren Revisionen. Die Beklagte rügt eine Verletzung von § 7 Abs 1 SGB IV, § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB XI, § 1 Nr 1 SGB VI, § 25 Abs 1 SGB III, die Beigeladene zu 4. sinngemäß eine Verletzung von § 28h SGB IV. Zurecht habe das LSG für den Zeitraum vom 1.1.1991 bis 23.6.2001 festgestellt, dass der Kläger im Unternehmen der Beigeladenen zu 3. abhängig beschäftigt gewesen sei. Für die Zeit ab 24.6.2001 könne nichts anderes gelten. Eine rechtlich wirksame Unternehmensübergabe habe nicht stattgefunden. Für den Kläger habe die fremdbestimmte betriebliche Ordnung im Sinne einer Beschäftigung fortbestanden, auch wenn er sich innerhalb des vorgegebenen Rahmens habe frei bewegen dürfen. Auch an der Rechtsmacht der Beigeladenen zu 3. habe sich nichts geändert. Ein relevantes Unternehmerrisiko sei beim Kläger nicht festzustellen. Vielmehr habe er ein festes monatliches Grundgehalt bezogen, das unabhängig von der Erreichung der unternehmerischen Ziele gewährt worden sei. Der Kläger trage auch kein eigenes Haftungsrisiko, dieses liege vielmehr allein bei der Beigeladenen zu 3.
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Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 10. November 2010 zu ändern, das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 14. November 2006 insgesamt aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Beigeladene zu 4. schließt sich dem Antrag der Beklagten mit der Maßgabe an, dass sich ihre Revision nur auf die Feststellung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung richtet.
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Der Kläger hat sich zu den Revisionen nicht geäußert.
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Die Beigeladene zu 1. hat sich der Revisionsbegründung der Beigeladenen zu 4., die Beigeladene zu 2. den Revisionsbegründungen der Beklagten und der Beigeladenen zu 4. angeschlossen. Die Beigeladene zu 3. hat sich nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Beklagten, die sich auf die Feststellung des Nichtbestehens von Versicherungspflicht des Klägers wegen Beschäftigung in allen Zweigen der Sozialversicherung in der Zeit ab 24.6.2001 bezieht, ist zulässig und begründet. Gleiches gilt für die ebenfalls auf diese Zeit und die Feststellung des Nichtbestehens von Versicherungspflicht in der gesetzlichen RV beschränkte Revision der Beigeladenen zu 4. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind insoweit rechtmäßig. Daher ist das Urteil des LSG in diesem - dem Begehren des Klägers bislang entsprechenden - Umfang aufzuheben und das Urteil des SG ist auch insoweit unter Abweisung der Klage aufzuheben.
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1. Zu Unrecht hat das LSG eine Versicherungspflicht des Klägers wegen Beschäftigung in allen Zweigen der Sozialversicherung in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 3. in der noch streitigen Zeit ab 24.6.2001 verneint und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG insoweit zurückgewiesen.
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Das LSG ist in seinem Urteil zwar zutreffend von den in der Rechtsprechung des BSG zum Vorliegen von zu Versicherungspflicht führender Beschäftigung aufgestellten Grundsätzen ausgegangen (hierzu a). Es hat dabei jedoch die Bedeutung der tatsächlichen Umstände gegenüber den für die Tätigkeit des Klägers im Unternehmen maßgebenden vertraglichen Vereinbarungen, welche hier nur die Annahme von Beschäftigung rechtfertigen können, verkannt (hierzu b). Der Status des Klägers als Selbstständiger lässt sich nicht mit dem LSG unter Hinweis darauf bejahen, dass bestimmte Umstände und Indizien des Einzelfalls gesamtschauend dafür sprächen (hierzu c).
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a) Im streitigen Zeitraum ab 24.6.2001 unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, der Versicherungspflicht in der Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung sowie im Recht der Arbeitsförderung (vgl § 24 Abs 1, § 25 Abs 1 SGB III idF des Gesetzes vom 24.3.1997, BGBl I 594; § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V idF des Gesetzes vom 20.12.1988, BGBl I 2477; § 1 S 1 Nr 1 SGB VI idF des Gesetzes vom 18.12.1989, BGBl I 2261, BGBl 1990 I 1337; § 20 S 1, 2 Nr 1 SGB XI idF des Gesetzes vom 26.5.1994, BGBl I 1014). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung "die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis" (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 15 mwN; BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; siehe insbesondere auch BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11).
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Ob eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung gerechtfertigt ist, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgebend ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (vgl BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 16 mwN).
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b) Die dargestellten Grundsätze sind - trotz der in Fällen der vorliegenden Art jeweils mit in Rechnung zu stellenden engen familiären Bindungen - auch im vorliegenden Fall anzuwenden und gelten unter Berücksichtigung der jüngeren Rechtsprechung des Senats fort, denn der Kläger war im streitigen Zeitraum nicht in seinem eigenen Unternehmen, sondern in einem fremden Unternehmen tätig.
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aa) Alleinige Unternehmensinhaberin bzw Trägerin des Unternehmens war die Beigeladene zu 3., die nach den den Senat bindenden Tatsachenfeststellungen des LSG (vgl § 163 SGG) das Unternehmen durchgehend und damit auch die im streitigen Zeitraum betriebene Weinhandlung mit Gaststätte als Einzelunternehmen führte. Lediglich sie war damit auch nur unmittelbar begünstigtes Rechtssubjekt für die sich aus dem Auftreten des Unternehmens im Geschäftsverkehr ergebenden Ansprüche und Rechte; umgekehrt war ebenso nur die Beigeladene zu 3. den Verpflichtungen hinsichtlich der aus dem Geschäftsbetrieb resultierenden Lasten ausgesetzt, indem sie für die über das Unternehmen eingegangenen Verbindlichkeiten als natürliche Person mit ihrem ganzen Vermögen haftete. Damit muss - auch unter dem Blickwinkel des Sozialversicherungsrechts - ohne besondere dokumentierte bzw von den Tatsacheninstanzen festgestellte Umstände die Annahme einer sich auf seinen Status als Erwerbstätiger auswirkenden Beteiligung des Klägers an der Führung des Einzelunternehmens ausscheiden. Für die Trägerschaft eines Unternehmens durch eine (natürliche) Einzelperson kann insoweit im Kern nichts anderes gelten als in den Fällen, in denen eine juristische Person des Privatrechts Unternehmensträger ist. In den letztgenannten Fällen erkennt die höchstrichterliche Rechtsprechung aber auch seit jeher dann, wenn der im Unternehmen Tätige Gesellschaftsanteile an einer Kapitalgesellschaft - sei es auch eine Familiengesellschaft - hält, den Status als Selbstständiger nur an, wenn damit zugleich eine entsprechende Einflussmöglichkeit auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen verbunden ist; etwa durch ein seinem Gesellschaftsanteil entsprechendes Stimmgewicht oder in Form einer Sperrminorität, und der Betroffene damit rechtlich über die Möglichkeit verfügt, ihm nicht genehme Weisungen hinsichtlich seiner Tätigkeit abzuwehren (vgl hierzu allgemein bereits zB BSGE 38, 53, 57 f = SozR 4600 § 56 Nr 1 S 5; BSGE 42, 1, 3 = SozR 2200 § 723 Nr 1 S 3 mwN; zuletzt BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 25 mwN).
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bb) Ausgangspunkt der Prüfung, ob die Tätigkeit des Klägers im Rahmen einer Beschäftigung oder selbstständig ausgeübt wurde, ist vor diesem Hintergrund vorliegend primär der zwischen ihm und der Beigeladenen zu 3. geschlossene, ausdrücklich so bezeichnete schriftliche "Arbeitsvertrag" vom 1.6.1991, der deren Rechtsverhältnis zueinander auch noch in dem im Revisionsverfahren streitigen Zeitraum ab 24.6.2001 ausschließlich bestimmte. Dieser Vertrag hatte sowohl nach der Bezeichnung als auch nach seinem vom LSG festgestellten Inhalt - ua festes monatliches Gehalt, Einstellung als Vollzeitkraft, Zustimmungserfordernis des Arbeitgebers zu etwaigen Nebentätigkeiten, Festlegung der Arbeitszeiten durch den Arbeitgeber - mit seinen typischen Arbeitnehmerrechten und -pflichten ein "Arbeitsverhältnis" iS von § 7 Abs 1 S 1 SGB IV zum Gegenstand. Damit aber kann das in dieser Norm besonders hervorgehobene Merkmal für das Vorliegen einer zur Versicherungspflicht des Klägers führenden Beschäftigung nicht in Abrede gestellt werden. Im Hinblick darauf, dass die Unternehmensträgerschaft bei der Mutter des Klägers (Beigeladene zu 3.) als Einzelunternehmerin lag, verfügte der Kläger auch nicht über eine rechtliche Handhabe, die ihm einen (mit)beherrschenden Einfluss auf die Unternehmensleitung sicherte. Zudem fehlen jegliche Hinweise darauf, dass die geschäftlichen Beziehungen zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 3. wenigstens im Innenverhältnis als gesellschaftsrechtlich bedeutsame und hier zu beachtende Vereinbarung aufgefasst werden könnten. Weder hat der Kläger zwischen beiden das Bestehen einer - rechtlich wirksamen - sog Innengesellschaft (vgl dazu und zu deren Voraussetzungen schon BSGE 40, 161, 163 = SozR 2200 § 1266 Nr 3 S 17 mwN
, BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 22 f mwN behauptet, noch hat das LSG insoweit den Senat bindende positive Feststellungen (vgl § 163 SGG) getroffen. Unabhängig davon kann nicht angenommen werden, dass dem Kläger auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts darüber hinaus nennenswerte Rechtsmacht eingeräumt war, die es ihm (im Innenverhältnis) ermöglicht hätte bzw ermöglichen würde, die Geschäfte des Unternehmens gegen den Willen der Beigeladenen zu 3. zu betreiben.)
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Der Kläger erbrachte seine Dienste für die Beigeladene zu 3. auch nach weiteren Feststellungen des LSG im Rahmen einer (abhängigen) Beschäftigung iS von § 7 Abs 1 S 1 SGB IV. Der Kläger war ihr - seiner Arbeitgeberin - gegenüber weisungsunterworfen und in die von ihr vorgegebene Arbeitsorganisation ihres Unternehmens eingebunden. Nach der zutreffenden Bewertung des LSG hatte nämlich (allein) die Beigeladene zu 3. die Rechtsmacht (zu deren Bedeutung vgl BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 31 f, ferner sogleich und unten 1. c ee), an den rechtlichen Verhältnissen des Unternehmens Änderungen vorzunehmen oder den Kläger von seinen Aufgaben wieder zu entbinden.
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cc) An dem Ausgangspunkt ändert die verwandtschaftliche Beziehung zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 3. grundsätzlich nichts. Eine (abhängige) Beschäftigung wird nämlich nicht dadurch ausgeschlossen, dass jemand für ein Familienmitglied tätig ist (vgl schon zu so genannten "Meistersöhnen" BSGE 3, 30, 39). Zu prüfen ist allerdings insbesondere, ob der Angehörige in einem Familienunternehmen als Beschäftigter, als Mitunternehmer oder Mitgesellschafter eines Angehörigen oder ob seine Tätigkeit lediglich als familienhafte Mithilfe anzusehen ist (vgl BSGE 74, 275, 276 = SozR 3-2500 § 5 Nr 17 S 57). Die Abgrenzung hängt von den gesamten Umständen des Einzelfalles ab (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 37 S 127; BSGE 74, 275, 278 = SozR 3-2500 § 5 Nr 17 S 60). Die Beurteilung einer Erwerbstätigkeit, die im Unternehmen eines Familienangehörigen ausgeübt wird, der als natürliche Person Unternehmensinhaber bzw Träger des Unternehmens und mit seinem ganzen Vermögen dessen Haftungsobjekt ist, unterscheidet sich insoweit rechtlich gesehen nicht wesentlich von der Beurteilung einer Erwerbstätigkeit in einer Familiengesellschaft, zB in der Rechtsform einer GmbH, deren Kapital in Form von Gesellschaftsanteilen von Familienangehörigen gehalten wird. Die Rechtsprechung des BSG hat in der Vergangenheit allerdings abweichend von diesen Grundsätzen bei Tätigkeiten für eine Gesellschaft eine Selbstständigkeit des Betroffenen für möglich gehalten, wenn seine Tätigkeit durch eine besondere Rücksichtnahme aufgrund familiärer Bindungen geprägt war, auch wenn er nicht über eine Sperrminorität verfügte (vgl zum Ganzen ausführlich BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 31 f). Soweit darüber hinausgehend der 11. Senat des BSG eine selbstständige Tätigkeit sogar im Fall des - nicht an der GmbH beteiligten und nicht zum Geschäftsführer bestellten - Sohnes eines Allein-Gesellschafter-Geschäftsführers für möglich erachtete (BSGE 66, 168 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1), hat der Senat in seiner jüngsten Rechtsprechung allerdings offengelassen, ob der vom 11. Senat des BSG vertretenen Rechtsauffassung (ggf modifiziert bzw auf gänzlich atypische Sonderfälle beschränkt) bezogen auf das Versicherungs- und Beitragsrecht gefolgt werden kann (vgl BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - aaO, RdNr 32). Hierauf kommt es im vorliegenden Fall aber nicht an, da die vom LSG festgestellten Tatsachen dessen Schlussfolgerung, der Kläger sei aufgrund einer "faktischen Machtposition", der derjenigen eines (Mit-)Inhabers gleichkomme, selbstständig gewesen, nicht überzeugen können.
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c) Eine Selbstständigkeit des Klägers lässt sich schließlich nicht mit dem LSG unter Hinweis darauf begründen, dass - hinausgehend über die Darlegungen unter b) - sonstige Umstände und Indizien des Einzelfalls bei einer Gesamtschau für die Zeit ab 24.6.2001 gleichwohl für den von ihm beanspruchten Status sprächen.
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Für die - mangels Revisionseinlegung des Klägers gegen den klageabweisenden Teil des LSG-Urteils - nicht (mehr) im Streit befindliche Zeit vom 1.1.1991 bis 23.6.2001 hat das LSG die Tätigkeit des Klägers als (abhängige) Beschäftigung qualifiziert. Entgegen der Auffassung des LSG ist auch nach der inhaltlichen Neuausrichtung des von der Beigeladenen zu 3. betriebenen Unternehmens ab 24.6.2001 davon auszugehen, dass der Kläger weiterhin (abhängig) beschäftigt blieb.
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aa) Das LSG hat hierzu zunächst zutreffend festgestellt, dass sämtliche Merkmale der "äußeren Abwicklung" der Erwerbstätigkeit des Klägers (= Arbeitsvertrag vom 1.6.1991, festes monatliches Arbeitsentgelt, Verbuchung der Personalkosten als Betriebsausgaben, Entrichtung von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen, Überweisung des Entgelts auf ein privates Konto des Klägers) unverändert blieben. Die in diesem Zusammenhang geäußerte Auffassung, die fehlende Veränderung könne dem Kläger nicht "vorgeworfen" werden, weil er am 19.4.2004 um die Überprüfung seines sozialversicherungsrechtlichen Status gebeten habe, rechtfertigt nicht schon die Schlussfolgerung, der Kläger sei selbst von einer Änderung zum 24.6.2001 ausgegangen: Zum Einen erfolgte der Antrag ohnehin erst ca drei Jahre nach der inhaltlichen Neuausrichtung des Unternehmens, zum Anderen stellte der Kläger selbst nicht nur die Zeit ab 24.6.2001, sondern den gesamten Tätigkeitszeitraum ab 1.1.1991 zur Überprüfung durch die Einzugsstelle.
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bb) Die maßgebenden rechtlichen Rahmenbedingungen blieben auch ab 24.6.2001 unverändert. Der der Tätigkeit des Klägers zugrundeliegende Arbeitsvertrag vom 1.6.1991 wurde nicht geändert. Die Beigeladene zu 3. war nach wie vor Alleininhaberin bzw alleinige Trägerin des von ihr in der Form des Einzelunternehmens betriebenen Unternehmens.
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cc) Der Kläger war auch ab dem 24.6.2001 nicht an dem Unternehmen, zB als Mitunternehmer, gleichberechtigter Partner neben der Beigeladenen zu 3. oder gar rechtlich allein maßgebender Unternehmensträger, beteiligt. Die einmalige Übernahme einer Weinrechnung in Höhe von 5000 Euro zu einem nicht konkret festgestellten Zeitpunkt im Jahr 2005 oder 2006 durch den Kläger rechtfertigt weder die Annahme, dass der Kläger hierdurch einen solchen Status erlangte, noch kann darin ein relevantes "Kapitalrisiko" des Klägers gesehen werden. Zwar hat das LSG keine näheren Feststellungen im Zusammenhang mit der Kostenübernahme getroffen. So ist ungeklärt, ob der Kläger der Beigeladenen zu 3. den Betrag darlehensweise überließ oder ihr den Betrag übereignete. Angesichts der verhältnismäßig geringen Höhe kommt allerdings auch in Betracht, dass es sich hierbei um eine Gefälligkeit des Klägers gehandelt haben könnte, die uU dadurch motiviert war, dass er eines Tages - der Familientradition folgend - das Unternehmen übernehmen würde. Die Höhe der übernommenen Kosten ist jedenfalls auf der Grundlage der Feststellungen des LSG im Verhältnis zu den Einrichtungskosten der Weinhandlung mit Gaststätte und zum Wert des Warenbestandes des Unternehmens als geringfügig anzusehen.
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Soweit das LSG die einmalige Kostenübernahme als sehr geringes "Kapitalrisiko" des Klägers bewertet hat, ist nicht ersichtlich, worauf sich dieses Risiko beziehen sollte: Bei dem von der Beigeladenen zu 3. betriebenen Unternehmen handelt es sich um ein Einzelunternehmen, nicht um eine eigenständige juristische Person des Privatrechts, zB eine Kapitalgesellschaft. Ein Risiko wäre allenfalls gegeben, wenn der Kläger der Beigeladenen zu 3. den Betrag darlehensweise zur Verfügung gestellt hätte. Angesichts der verhältnismäßig geringen Höhe wäre aber auch das entsprechende Kreditausfallrisiko gering gewesen.
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Die Kostenübernahme führte auch nicht zu einer "Mitunternehmerschaft" des Klägers an dem Unternehmen der Beigeladenen zu 3. Vielmehr hielt die Beigeladene zu 3. nach den Feststellungen des LSG durchgängig am Betrieb des Unternehmens als inhabergeführtes Einzelunternehmen fest. Demzufolge trug - wie bereits ausgeführt - ausschließlich die Beigeladene zu 3. als Inhaberin des Einzelunternehmens bzw Trägerin des Unternehmens ein Haftungsrisiko für dessen Verbindlichkeiten. Sie allein haftete mit ihrem gesamten Vermögen für Verbindlichkeiten ihres Unternehmens. Demgegenüber traf den Kläger keinerlei Haftungsrisiko.
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dd) Zu Unrecht hat das LSG angenommen, die fehlende regelmäßige Anpassung des Gehalts des Klägers spreche für dessen Selbstständigkeit im streitigen Zeitraum. Insoweit berücksichtigt das Berufungsgericht bereits nicht hinreichend, dass seine tatsächlichen Feststellungen nicht den Schluss zulassen, der Kläger habe insoweit bereits rechtswirksam auf einen entsprechenden Vergütungsanspruch verzichtet. Mangels eines ausdrücklichen Verzichts stünde einer Geltendmachung eines Anspruchs unter Durchsetzung der entsprechenden arbeitsvertraglichen Regelungen über die regelmäßige Gehaltsanpassung allenfalls dessen Durchsetzbarkeit durch die möglicherweise geltend gemachte Verjährung entgegen. Insoweit trat jedoch auch keine Änderung der Verhältnisse zum 24.6.2001 ein. Vielmehr wurde das Entgelt des Klägers nach den Feststellungen des LSG "vor Jahren" von der Entwicklung der Löhne und Gehälter "abgekoppelt". Einen unmittelbaren Bezug zu der inhaltlichen Ausrichtung des Unternehmens zum 24.6.2001 hat es demgegenüber nicht festgestellt. Soweit das LSG die Nichtanpassung der Arbeitsvergütung als "Gehaltsverzicht" bewertet hat und darin ein gewisses "Unternehmerrisiko" des Klägers sieht, ist wiederum nicht ohne Weiteres ersichtlich, worauf sich dieses Risiko beziehen sollte. Zwar könnte man annehmen, sein Risiko habe darin bestanden, bereits im Vorgriff auf den späteren Übergang des Unternehmens auf die regelmäßige Anpassung seines Entgelts verzichtet zu haben, ohne eine hinsichtlich des Unternehmensübergangs gefestigte Rechtsposition erreicht zu haben. Einem derart angenommenen Risiko steht allerdings entgegen, dass der Kläger durchgehend eine feste Arbeitsvergütung bezog, deren Höhe einerseits deutlich über eine bloße Anerkennung oder ein Taschengeld hinausging und andererseits nicht vom wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens abhängig war. Darüber hinaus trug der Kläger - wie bereits dargelegt - kein rechtlich bedeutsames und auf der Grundlage der Feststellungen des LSG durch entsprechende äußere Umstände dokumentiertes Haftungsrisiko für Verbindlichkeiten des Unternehmens der Beigeladenen zu 3.
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ee) Entgegen der Auffassung des LSG rechtfertigt schließlich eine vermeintliche "faktische Machtposition" des Klägers nicht die Annahme seiner Selbstständigkeit.
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Auch geschuldete Dienste höherer Art werden im Rahmen einer (abhängigen) Beschäftigung geleistet, wenn sie - wie hier - fremdbestimmt bleiben, weil sie in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen (stRspr seit BSGE 16, 289, 294 = SozR Nr 30 zu § 165 RVO und BSGE 21, 57, 58 f = SozR Nr 2 zu § 2 AVG; in jüngerer Zeit zB BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 23 mwN). Wie weit die Lockerung des Weisungsrechts in der Vorstellung des Gesetzgebers gehen kann, ohne dass deswegen die Stellung als Beschäftigter im Rechtssinne entfällt, zeigen beispielhaft die gesetzlichen Regelungen zum Nichtbestehen von Versicherungspflicht bei den Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft in der gesetzlichen RV und im Recht der Arbeitsförderung (§ 1 S 4 SGB VI sowie § 27 Abs 1 Nr 5 SGB III). Diese Personen sind insoweit sozialversicherungsrechtlich den für Beschäftigte geltenden Regelungen unterworfen, auch wenn sie die Gesellschaft in eigener Verantwortung zu leiten haben und gegenüber der Belegschaft des Unternehmens Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen (stRspr BSGE 65, 113, 116 f = SozR 2200 § 1248 Nr 48 S 125; SozR 3-2400 § 7 Nr 18 S 66 f; BSGE 100, 62 = SozR 4-2600 § 1 Nr 3, RdNr 16; BSGE 107, 185 = SozR 4-2600 § 1 Nr 6, RdNr 14). Allein weitreichende Entscheidungsbefugnisse eines "leitenden Angestellten", der in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem verfeinerten Weisungsrecht unterliegt, machen diesen nicht schon zu einem Selbstständigen. Ähnlich verhält es sich hier. Der Kläger war nämlich trotz seiner betrieblichen Befugnisse ununterbrochen in das Unternehmen der Beigeladenen zu 3. organisatorisch eingebunden. Nach den Regelungen des Arbeitsvertrags war er zwar berechtigt, Waren zu bestellen und zu kaufen. Ausdrücklich war er aber nicht umfassend mit gleichen Rechten wie die Beigeladene zu 3. ausgestattet, sondern nur als deren "Stellvertreter" eingesetzt und für Personalfragen nicht durchgehend, sondern nur ausnahmsweise - bei Abwesenheit der Beigeladenen zu 3. - zuständig. Die vom LSG gleichwohl angenommene "Machtposition" des Klägers leitet sich damit lediglich daraus ab, dass er auf die Unternehmenstätigkeit und deren Ausrichtung maßgeblichen Einfluss ausüben konnte, was sich letztlich in der im Sommer 2001 vollzogenen inhaltlichen Neuausrichtung des Unternehmens von einem Lebensmittel- und Getränkeverkauf hin zu einer Weinhandlung mit Gaststätte dokumentierte. Das LSG hat allerdings gleichwohl ausdrücklich festgestellt, dass die Beigeladene zu 3. - trotz Änderung der Geschäftsausrichtung weg von einem Lebensmittel- und Getränkeladen hin zu einer Weinhandlung mit Probierstube und Küchenbetrieb - durchgehend an dem von Beginn an bestehenden und über die Jahre hinweg auch so weitergeführten Form als Einzelunternehmen festhielt. Demzufolge hatte - nach der zutreffenden Bewertung durch das LSG - allein die Beigeladene zu 3. als Unternehmensinhaberin bzw Trägerin des Unternehmens die Rechtsmacht, Änderungen an den rechtlichen Verhältnissen des Unternehmens vorzunehmen oder den Kläger von seinen Aufgaben zu entbinden. Daran änderte sich auch erkennbar nichts nach der inhaltlichen Neuausrichtung des Unternehmens zum 24.6.2001; denn die Beigeladene zu 3. hatte es nach wie vor in der Hand, etwa im Fall eines Zerwürfnisses den Kläger zu entlassen und an seiner Stelle eine andere Arbeitskraft mit entsprechendem Fachwissen einzustellen, ohne dass der Kläger die Rechtsmacht besaß, dem mit Erfolgsaussicht entgegenzutreten (zur vorrangigen Bedeutung formell bestehender Rechtsmacht gegenüber dem Gesichtspunkt ihrer tatsächlichen Nichtausübung vgl bereits BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 32). Anhaltspunkte dafür, dass allein der Kläger über ein derart hohes Fachwissen verfügte, dass nur er in der Lage war, die konkrete Tätigkeit zu verrichten, hat das LSG nicht festgestellt und sind sonst nicht ersichtlich. Auch kann insoweit nicht eingewandt werden, dass eine fremde Arbeitskraft mit entsprechendem Fachwissen möglicherweise nicht bereit gewesen wäre, zu denselben Konditionen tätig zu werden; insoweit handelt es sich lediglich um wirtschaftliche Überlegungen, die am grundsätzlichen Bestehen einer entsprechenden rechtlichen Möglichkeit nichts ändern. Darüber hinaus bezog sich die vom LSG angenommene "Machtposition" des Klägers allein auf die Geschäftstätigkeit des Unternehmens der Beigeladenen zu 3. Nur insoweit hatte der Kläger aufgrund seines geltend gemachten Fachwissens eine herausgehobene Bedeutung für den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens. Eine wirtschaftlich beherrschende Stellung durch den Kläger war demgegenüber nicht gegeben. Nach der Rechtsprechung des BSG können derartige Einflussmöglichkeiten zwar beachtenswert sein, soweit sie einem Geschäftsführer einer GmbH selbst gegenüber der Gesellschaft zur Verfügung stehen (zu einem - im Ergebnis nicht ausreichenden - der Gesellschaft gewährten Darlehen vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 17 f). Wie dargestellt, betreibt die Beigeladene zu 3. das Unternehmen indessen nach wie vor als Einzelunternehmerin bzw alleinige Trägerin. Hinweise auf eine Mitunternehmerschaft bzw eine nennenswerte Kapitalbeteiligung des Klägers an dem Unternehmen verbunden mit einem damit korrespondierenden wesentlichen Einfluss auf dessen Bestand und Geschäftsbetrieb liegen nicht vor.
Tenor
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Auf die Revision der Beigeladenen zu 2. wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. September 2010 aufgehoben, soweit es die Feststellung der Rentenversicherungspflicht des Klägers in seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. vom 30. April 1996 bis 30. November 1999 betrifft.
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In diesem Umfang wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 26. November 2008 zurückgewiesen.
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Die Beklagte hat dem Kläger ein Viertel der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klage- und Berufungsverfahrens zu erstatten. Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten (noch) darüber, ob der Kläger in der Zeit vom 30.4.1996 bis 30.11.1999 als Beschäftigter in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV) versicherungspflichtig war.
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Der am 1961 geborene Kläger arbeitete aufgrund eines Anstellungsvertrags vom 11.2.1986 zunächst als Schlosser und nach Ablegen der Meisterprüfung noch im selben Jahr als Betriebsleiter bei der Beigeladenen zu 1., einer GmbH mit dem Unternehmensgegenstand "Rührwerksbau". Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer war bis zu seinem Tod am 11.5.2001 der Vater des Klägers. Die Geschäftsanteile erbte dessen Ehefrau; der Kläger wurde mit Dienstvertrag vom 31.8.2001 zum Geschäftsführer bestellt. Bereits am 30.4.1996 hatte der Vater des Klägers "gemäß § 48 Abs 2 GmbHG" folgende Niederschrift verfasst:
"… Aus gesundheitlichen Gründen werden meine Kinder S. und M. die Leitung des Unternehmens übernehmen. Mein Sohn wird aufgrund seiner beruflichen Fähigkeiten den technischen und gewerblichen Teil des Unternehmens übernehmen, meine Tochter den kaufmännischen Teil, aufgrund ihrer Ausbildung beim Steuerberater. Die entsprechenden Vollmachten werden beiden Kindern umgehend erteilt. Ab sofort nehmen die Kinder am betrieblichen Erfolg mit einer Gewinntantieme teil und sind vom Selbstkontrahierungsverbot befreit. Auf das Weisungsrecht meinerseits verzichte ich. Arbeits- und Urlaubszeit kann nach Lage der Gesellschaft frei bestimmt und gestaltet werden."
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Der Kläger war bis 30.11.1999 Mitglied der beklagten Krankenkasse, seit 1.1.1996 aufgrund freiwilliger Versicherung. Nachdem eine neu gewählte Krankenkasse festgestellt hatte, dass der Kläger in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. für spätere Zeiträume nicht versicherungspflichtig in der RV und nach dem Recht der Arbeitsförderung gewesen sei, beantragte der Kläger mit Schreiben vom 14.9.2005 eine entsprechende Beurteilung auch für den (nun streitigen) Zeitraum 30.4.1996 bis 30.11.1999 durch die Beklagte als Einzugsstelle. Diese stellte mit Bescheid vom 23.9.2005 und Widerspruchsbescheid vom 20.4.2006 fest, dass der Kläger in diesem Zeitraum bei der Beigeladenen zu 1. beschäftigt gewesen sei und der Versicherungspflicht in der RV und Arbeitslosenversicherung unterlegen habe. Das SG hat die auf Feststellung des Nichtbestehens von Versicherungspflicht in der RV und Arbeitslosenversicherung gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 26.11.2008).
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Auf die Berufung des Klägers hat das LSG unter Aufhebung des Urteils des SG und der Bescheide der Beklagten festgestellt, dass der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. im streitigen Zeitraum nicht der Versicherungspflicht in der RV und Arbeitslosenversicherung unterlegen habe (Urteil vom 22.9.2010): Für eine Beschäftigung sprächen ua die fehlende Geschäftsführer- und Gesellschafterstellung des Klägers, die Vereinbarungen des Anstellungsvertrags und die begrenzte Befugnis des Klägers, die Geschicke "der Firma" rechtsverbindlich zu gestalten. Demgegenüber sprächen die tatsächlichen Verhältnisse gegen eine Beschäftigung. So habe sein Vater dem Kläger mit der Niederschrift vom 30.4.1996 unter Verzicht auf sein Weisungsrecht die Unternehmensleitung übertragen. Dadurch habe der Kläger zusammen mit seiner Schwester nach eigenem Gutdünken frei "schalten und walten" können. Durch Übernahme einer Bürgschaft über 100 000 DM habe er ein wirtschaftliches Risiko getragen und sei am Gewinn der Firma beteiligt gewesen. Er habe die alleinigen Branchenkenntnisse in dem von ihm geleiteten Teilbereich der Geschäfte gehabt, sei vom Selbstkontrahierungsverbot befreit gewesen und habe Kundengespräche geführt, Angebote eingeholt sowie Kalkulationen erstellt, ohne sich im Einzelnen mit seinem Vater abzusprechen. Diesen tatsächlichen Verhältnissen komme bei der rechtlichen Beurteilung Vorrang gegenüber den vertraglichen Regelungen zu.
- 5
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Mit der allein vom ihm eingelegten Revision rügt der Rentenversicherungsträger (Beigeladene zu 2.) eine Divergenz zur Rechtsprechung des BSG seit dem Jahr 2006 (BSG Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R - USK 2006-8 = Die Beiträge, Beilage 2006, 149; BSG Urteil vom 24.1.2007 - B 12 KR 31/06 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 7), da das LSG sinngemäß den Rechtssatz aufgestellt habe, "dass eine im Widerspruch zu getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung der formellen Vereinbarung unabhängig von der rechtlichen Möglichkeit einer formlosen Abbedingung vorgehen bzw. auch dann, wenn eine formlose Abbedingung rechtlich nicht möglich ist". Das LSG habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass der Kläger am Stammkapital der zu 1. beigeladenen GmbH nicht beteiligt gewesen sei und bezogen auf die Gesellschaft keinerlei "Rechtsmacht" besessen habe. Diese Rechtsmacht habe trotz des Verzichts auf ein Weisungsrecht bei dessen Vater, dem Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1., gelegen. Zudem habe der Kläger die Beigeladene zu 1. nicht wie ein Alleininhaber, sondern nur zusammen mit seiner Schwester geleitet.
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Die Beigeladene zu 2. beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. September 2010 aufzuheben, soweit dieses unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Oldenburg vom 26. November 2008 sowie des Bescheides der Beklagten vom 23. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. April 2006 festgestellt hat, der Kläger habe in seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. vom 30. April 1996 bis 30. November 1999 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlegen,
ferner, insoweit die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 26. November 2008 zurückzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
die Revision der Beigeladenen zu 2. zurückzuweisen.
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Er verteidigt das angegriffene Urteil. Insbesondere sei mit der Niederschrift vom 30.4.1996 bereits die Bevollmächtigung beider Kinder durch ihren Vater erfolgt, der zugleich auf sein Weisungsrecht sowohl als Geschäftsführer wie auch als Gesellschafter verzichtet habe. Darauf, dass die Unternehmensleitung gemeinsam mit der - im Übrigen als nicht rentenversicherungspflichtig eingestuften - Schwester erfolgte, komme es nicht an.
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Die Beklagte und die zu 3. beigeladene Bundesagentur für Arbeit schließen sich der Rechtsansicht der Beigeladenen zu 2. an, die Beigeladene zu 3. ohne einen Antrag zu stellen.
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Die Beigeladene zu 1. äußert sich nicht.
Entscheidungsgründe
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Die auf die angefochtene Feststellung von Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen RV im Zeitraum 30.4.1996 bis 30.11.1999 beschränkte Revision der Beigeladenen zu 2. ist zulässig und begründet. Bescheid und Widerspruchsbescheid der Beklagten sind bezogen darauf rechtmäßig. Daher ist das Urteil des LSG in diesem Umfang aufzuheben und die Berufung des Klägers insoweit zurückzuweisen.
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1. Obwohl die Beigeladene zu 2. in der Revisionsbegründung entgegen § 164 Abs 2 S 3 SGG keine Rechtsnorm ausdrücklich bezeichnet hat, die sie durch das Urteil des LSG als verletzt ansieht, ist die Revision noch zulässig. Denn es reicht aus, wenn sich aus dem Inhalt der Darlegungen des Revisionsklägers ergibt, dass er sich mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung rechtlich auseinandergesetzt hat und inwieweit er bei der Auslegung der angewandten Rechtsvorschriften anderer Auffassung ist (vgl BSG SozR 3-5555 § 15 Nr 1 S 2 mwN; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 164 RdNr 9c, 11 mwN). Vorliegend lässt das Revisionsvorbringen noch hinreichend deutlich erkennen, dass die Beigeladene zu 2. die Auffassung des LSG angreift, bei der Abgrenzung von Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit komme den tatsächlichen Verhältnissen generell Vorrang gegenüber den gesellschafts- und arbeitsvertraglichen Regelungen zu, und dass sie dadurch § 7 Abs 1 SGB IV als verletzt ansieht.
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2. Die Revision der Beigeladenen zu 2. ist auch begründet.
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Zu Unrecht hat das LSG hier die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen RV verneint und die Bescheide der Beklagten sowie das SG-Urteil insoweit aufgehoben. Dabei ist das LSG zunächst zutreffend von den in der Rechtsprechung des BSG zum Tatbestand der Beschäftigung aufgestellten Rechtssätzen ausgegangen; es hat jedoch die jüngere Rechtsprechung zum Vorrang der tatsächlichen Verhältnisse gegenüber den vertraglichen Vereinbarungen nicht hinreichend berücksichtigt (hierzu a). Wiederum zutreffend hat das LSG eine Tätigkeit in einem fremden Betrieb vorausgesetzt und den "Anstellungsvertrag" des Klägers zum Ausgangspunkt der weiteren Prüfung und seiner Tatsachenfeststellungen gemacht (hierzu b). Im Ergebnis keinen Bestand haben indes die hierauf aufbauende rechtliche Würdigung des LSG sowie seine davon ausgehende Bewertung des Gesamtbildes der Erwerbstätigkeit (hierzu c). Dabei steht der Einordnung der Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 1. als (abhängige) Beschäftigung die Rechtsprechung des BSG zur Tätigkeit in Familiengesellschaften nicht entgegen (hierzu d).
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a) In den Jahren 1996 bis 1999, die hier in Streit stehen, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der RV der Versicherungspflicht (vgl § 1 S 1 Nr 1 SGB VI; ab 1.1.1998 idF durch Gesetz vom 24.3.1997, BGBl I 594). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; siehe insbesondere auch BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11).
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Zutreffend weist die Beigeladene zu 2. in ihrer Revisionsbegründung darauf hin, dass zur Feststellung des Gesamtbilds den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zukommt. Zwar hat der Senat noch im Urteil vom 22.6.2005 (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 5 RdNr 7) ausgeführt, dass beim Abweichen der Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen letztere den Ausschlag geben. Jedoch hat er diese Aussage in Zusammenfassung älterer Entscheidungen nachfolgend präzisiert (insbesondere BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 17; ebenso Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R - USK 2006-8 = Die Beiträge, Beilage 2006, 149, und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Die Beiträge, Beilage 2008, 333, 341 f): Danach sind die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist. Hieran hat der Senat seither festgehalten (vgl BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - USK 2009-25; BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-25).
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Der vorliegende Fall bietet keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzurücken: Die tatsächlichen Verhältnisse weichen hier zwar von den Regelungen des zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1. geschlossenen Anstellungsvertrags ab, jedoch führt dies mit Blick auf die Frage des Vorliegens einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit zu keinem anderen Ergebnis (hierzu unten c). Daher kommt es auch nicht darauf an, dass das LSG keine Feststellungen dazu getroffen hat, unter welchen Voraussetzungen die Bestimmungen des Anstellungsvertrags überhaupt abdingbar waren.
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b) Die dargestellten Grundsätze sind auch im vorliegenden Fall anzuwenden, denn der Kläger war im streitigen Zeitraum nicht in seinem eigenen, sondern in einem fremden Betrieb tätig. Die alleinige Betriebs- bzw Unternehmensinhaberin war die Beigeladene zu 1., die als GmbH juristische Person mit eigener Rechtspersönlichkeit ist und deshalb unabhängig von den als Gesellschafter dahinterstehenden juristischen oder natürlichen Personen (hierzu vgl nur BSGE 95, 275 = SozR 4-2600 § 2 Nr 7, RdNr 21 mwN)und deren verwandtschaftlichen oder wirtschaftlichen Beziehungen betrachtet werden muss.
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Ausgangspunkt der Prüfung, ob die Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 1. im Rahmen einer Beschäftigung oder selbstständig ausgeübt wurde, ist der "Anstellungsvertrag" vom 11.2.1986, der deren Vertragsverhältnis zunächst ausschließlich bestimmte. Dieser Vertrag hatte sowohl nach der Bezeichnung als auch nach seinem vom LSG - lückenhaft - festgestellten Inhalt - regelmäßiges Entgelt, feste wöchentliche Arbeitszeit, Urlaubsansprüche nach dem Bundesurlaubsgesetz und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall - ein Arbeitsverhältnis zum Gegenstand. Nach abgelegter Meisterprüfung wurde der Kläger sodann als Betriebsleiter eingesetzt; hiermit evtl verbundene rechtlich relevante Änderungen des schriftlichen "Anstellungsvertrags" hat das LSG aber ebenso wenig festgestellt, wie es Feststellungen zur Frage dafür einzuhaltender möglicher Formerfordernisse bei Vertragsänderungen getroffen hat.
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Eine weitere Änderung der Stellung des Klägers erfolgte aufgrund der als Gesellschafterbeschluss (§ 48 GmbHG) auszulegenden Niederschrift seines Vaters vom 30.4.1996 mit der Übertragung der "Leitung" des technischen und gewerblichen Bereichs der GmbH an ihn. Dieser Beschluss enthielt gleichzeitig eine Befreiung des Klägers vom Selbstkontrahierungsverbot und einen Verzicht seines Vater - des Allein-Gesellschafter-Geschäftsführers der Beigeladenen zu 1. - auf ein Weisungsrecht gegenüber dem Kläger. Zudem wurde dem Kläger eine Gewinntantieme zugesagt und das Recht eingeräumt, über seine eigene Arbeits- und Urlaubszeit "nach Lage der Gesellschaft" frei zu bestimmen. Den insoweit nicht mit Revisionsrügen angegriffenen und daher für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG ist zu entnehmen, dass dies auch der betrieblichen Praxis entsprach. So führte der Kläger fortan die Kundengespräche, holte Angebote ein und stellte Kalkulationen auf, ohne im Einzelnen Rücksprache mit seinem Vater zu nehmen. Der Kläger war Ansprechpartner für Kunden und für Mitarbeiter. Zumindest einen Mitarbeiter stellte er ein, wenn auch der Arbeitsvertrag auf Seiten der Beigeladenen zu 1. vom Vater des Klägers unterschrieben wurde. Der Vater hatte sich - obwohl täglich im Betrieb anwesend - nach den Feststellungen des LSG "nicht mehr eingemischt" und nahm auch auf die Einstellung von Personal keinen Einfluss mehr.
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Offenbleiben kann vorliegend, ob die in der Niederschrift des Gesellschafterbeschlusses vom 30.4.1996 erwähnten Vollmachten für den Kläger zu diesem Zeitpunkt oder später tatsächlich erteilt wurden und ob die Beigeladene zu 2. insoweit eine zulässige Sachrüge erhoben hat. Denn auch für den Fall, dass dem Kläger die zur Leitung des technischen und gewerblichen Teils der Beigeladenen zu 1. erforderlichen Vollmachten erteilt wurden, tragen die vom LSG festgestellten Umstände nicht dessen rechtlichen Schluss, dass sich mit der Niederschrift vom 30.4.1996 der Charakter der vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1. dahingehend wandelte, dass der Kläger nunmehr selbstständig tätig sein sollte.
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c) Der Kläger erbrachte seine Dienste für die Beigeladene zu 1. auch in der Zeit vom 30.4.1996 bis 30.11.1999 im Rahmen einer (abhängigen) Beschäftigung.
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Eine Selbstständigkeit des Klägers in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. - etwa in Form eines freien Dienstverhältnisses - ergibt sich nicht daraus, dass der Vater des Klägers in seiner Funktion als Alleingesellschafter der Beigeladenen zu 1. durch Gesellschafterbeschluss vom 30.4.1996 auf "das Weisungsrecht" gegenüber dem Kläger verzichtete und diesem das Recht einräumte, seine Arbeits- und Urlaubszeit "nach Lage der Gesellschaft" frei zu bestimmen. Zwar unterlag der Kläger dadurch nicht mehr umfassend einem Weisungsrecht seines Arbeitgebers - handelnd durch den weiterhin allein als Geschäftsführer und Gesellschafter der GmbH im Handelsregister eingetragenen Vater - hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung seiner Tätigkeit. Jedoch werden gerade höhere Dienste dennoch im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung geleistet, wenn sie - wie hier - fremdbestimmt bleiben, weil sie in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen (stRspr seit BSGE 16, 289, 294 = SozR Nr 30 zu § 165 RVO und BSGE 21, 57, 58 f = SozR Nr 2 zu § 2 AVG; in jüngerer Zeit zB BSG SozR 3-2940 § 3 Nr 2 S 9 mwN; BSGE 66, 168 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1 und SozR 3-2400 § 7 Nr 20 S 80; vgl - zum Fehlen einer Eingliederung einer hauswirtschaftlichen Familienbetreuerin - BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125, Juris RdNr 22; vgl zum Begriff des "Betriebes" BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 33 ff). Wie weit die Lockerung des Weisungsrechts in der Vorstellung des Gesetzgebers gehen kann, ohne dass deswegen die Stellung als Beschäftigter entfällt, zeigen beispielhaft die gesetzlichen Sonderregelungen zur Versicherungsfreiheit von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft in der RV und Arbeitslosenversicherung (§ 1 S 4 SGB VI sowie § 27 Abs 1 Nr 5 SGB III), die regelmäßig abhängig beschäftigt sind, auch wenn sie die Gesellschaft in eigener Verantwortung zu leiten haben und gegenüber der Belegschaft Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen (stRspr BSGE 65, 113, 116 f = SozR 2200 § 1248 Nr 48 S 125; SozR 3-2400 § 7 Nr 18 S 66 f; BSGE 100, 62 = SozR 4-2600 § 1 Nr 3, RdNr 16; BSGE 107, 185 = SozR 4-2600 § 1 Nr 6, RdNr 14). Allein weit reichende Entscheidungsbefugnisse eines "leitenden Angestellten", der in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem verfeinerten Weisungsrecht unterliegt, machen diesen nämlich nicht schon zu einem Selbstständigen, selbst wenn andere Betriebsangehörige den Betroffenen bisweilen als "Chef" betrachten mögen (wie das LSG im vorliegenden Fall anhand der Aussage des Zeugen R. festgestellt hat).
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Eine solche noch dem Typus der Beschäftigung zuzuordnende Eingliederung in eine vorgegebene Ordnung des Betriebes bestand bei dem Kläger auch nach dem 30.4.1996. Durch den Gesellschafterbeschluss erlangte er die Stellung eines Angestellten, der nach den Feststellungen des LSG auch in der betrieblichen Praxis den technischen und gewerblichen Teil der Beigeladenen zu 1. mit "entsprechenden Vollmachten" eigenverantwortlich zu leiten hatte. Dennoch blieb der Kläger weiterhin in die durch die Beigeladene zu 1. bzw ihren gesellschaftsrechtlich maßgebenden Geschäftsführer (= Vater des Klägers) vorgegebene Organisation eingebunden, da seine Leitungsmacht nur auf einen bestimmten Unternehmensteil beschränkt war, während die Leitung des kaufmännischen Teils der Beigeladenen zu 1. ausschließlich seiner Schwester oblag. Die Vollmacht, diese Entscheidung zur konkreten Ausgestaltung der betrieblichen Organisation auf der Leitungsebene zu ändern, besaß der Kläger nicht. Selbst innerhalb des ihm zugewiesenen Zuständigkeitsbereichs war seine Vertretungsbefugnis rechtlich zwingend auf den Umfang einer rechtsgeschäftlichen Handlungsvollmacht iS von § 54 Handelsgesetzbuch (HGB) begrenzt, die sich zwar auf sämtliche Geschäfte erstreckt, die in einem Geschäftsbetrieb üblich sind, die jedoch nicht auf eine unmittelbare Vertretung der Gesellschaft, sondern lediglich auf ein (rechtlich nachgeordnetes) Handeln in Vollmacht des Geschäftsführers gerichtet war(BGH Urteil vom 20.10.2008 - II ZR 107/07 - NJW 2009, 293, 294 mwN). Schon von Gesetzes wegen (§ 54 Abs 2 HGB) waren jedenfalls die Veräußerung oder Belastung von Grundstücken, die Eingehung von Wechselverbindlichkeiten, die Aufnahme von Darlehen und die Prozessführung von der Bevollmächtigung ausgenommen. Die anderenfalls notwendige besondere Erteilung der Vollmacht auch für diese Befugnisse hat das LSG nicht festgestellt. Darüber hinaus unterlag der Kläger selbst in dem ihm danach zugewiesenen eingeschränkten Vollmachtsrahmen zwingend der Kontrolle des GmbH-Geschäftsführers (vgl zu dessen Stellung allgemein zB Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 19. Aufl 2010, § 35 RdNr 76 mwN). Soweit der Vater des Klägers in seiner Funktion als Alleingeschäftsführer der Beigeladenen zu 1. diese Kontrolle tatsächlich nicht oder nur sehr eingeschränkt ausübte, etwa weil - wie das LSG herausstellt - er sich darauf verließ, dass der Kläger die einzelnen Aufträge ordnungsgemäß einholte und durchführte, ist dies für die hier vorzunehmende Abgrenzung ebenso unbeachtlich, wie ein auch die zur Ausübung dieser Kontrolle notwendigen Weisungen umfassender Verzicht auf das Weisungsrecht, denn insoweit wären die Grenzen des rechtlich Zulässigen überschritten (hierzu bereits oben a). Im Übrigen deutet sogar die Feststellung des LSG, der Zeuge R. sei "von dem Kläger eingestellt worden", den Arbeitsvertrag habe jedoch der Vater unterschrieben, darauf hin, dass die dem Kläger erteilten Vollmachten auch in der betrieblichen Praxis nicht umfassend, sondern begrenzt waren.
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Der Kläger hatte auch weder rechtlich noch tatsächlich die Möglichkeit, wie ein beherrschender oder zumindest mit einer Sperrminorität ausgestatteter Gesellschafter-Geschäftsführer ihm nicht genehme Weisungen jederzeit abzuwenden (vgl hierzu allgemein zB BSGE 66, 69 = SozR 4100 § 104 Nr 19; SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 13 f; aus jüngerer Zeit BSG <12. Senat> SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 28 und<11a. Senat> SozR 4-2400 § 7 Nr 8 RdNr 15, jeweils mwN). Hierzu fehlte es bereits an einer Beteiligung des Klägers am Stammkapital der Beigeladenen zu 1. Gleichzeitig blieb seine Position innerhalb des Unternehmens ohnehin deutlich hinter der organschaftlich begründeten Stellung eines Geschäftsführers - als solcher wurde er trotz der vorgenommenen Änderungen (weiterhin) nicht bestellt, sondern erst nach dem Tod des Vaters Ende August 2001 - zurück. Bereits aufgrund einer solchen Unterordnung unter den Geschäftsführer ist regelmäßig von einer Beschäftigung auszugehen (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 17 S 57; BSG Urteil vom 23.6.1994 - 12 RK 72/92 - USK 9448 S 253).
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Eine Vergleichbarkeit des Klägers mit einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt tatsächlicher wirtschaftlicher Einflussmöglichkeiten. Zwar sind nach der Rechtsprechung des BSG auch solche Einflussmöglichkeiten zu beachten, soweit sie einem Geschäftsführer selbst gegenüber der Gesellschaft zur Verfügung stehen (zu einem - im Ergebnis nicht ausreichenden - der Gesellschaft gewährten Darlehen: BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 17 f), doch bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die am 5.2.1994 für die Beigeladene zu 1. übernommene Bürgschaft des Klägers über 100 000 DM ihm eine solche Einflussnahme ermöglichte. Aus diesem Grunde war der durch den Gesellschafterbeschluss vom 30.4.1996 erfolgte, in seinem Umfang ohnehin begrenzte Verzicht auf das Weisungsrecht nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich im Konfliktfall jederzeit widerrufbar, ohne dass der Kläger dieses hätte verhindern können.
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Für eine fortbestehende Eingliederung in eine vorgegebene betriebliche Ordnung trotz des - wie aufgezeigt - begrenzten Verzichts auf ein Weisungsrecht spricht auch die im Gesellschafterbeschluss vom 30.4.1996 festgelegte Bindung der vom Kläger im Übrigen frei selbst zu bestimmenden Arbeits- und Urlaubszeit an die "Lage der Gesellschaft" (in diesem Sinne zur Bindung der Urlaubsplanung an die Bedürfnisse der Geschäftsführung BSG SozR 3-2200 § 723 Nr 4 S 17). Dass der Kläger im Rahmen der ihm erteilten begrenzten Vollmachten vom Selbstkontrahierungsverbot befreit war, spricht - wie das BSG bezogen auf Geschäftsführer einer kleineren GmbH bereits entschieden hat (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 1, RdNr 11 und Nr 8 RdNr 17)- nicht zwingend für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit.
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Ebenso hat das BSG bereits entschieden, dass die Gewährung einer Tantieme als solche nicht genügt, um eine Beschäftigung auszuschließen (vgl BSG Urteil vom 10.5.2007 - B 7a AL 8/06 R - USK 2007-53). Bedeutung für die Abgrenzung von Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit kommt Tantiemen nur als (ein) Anknüpfungspunkt für ein mögliches wirtschaftliches Eigeninteresse des für ein Unternehmen Tätigen zu, das im Rahmen der Gesamtwürdigung Gewicht gewinnen kann, jedoch nicht allein entscheidend ist (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 18 mwN). Vor dem Hintergrund, dass die Gewährung einer Tantieme an Arbeitnehmer nicht ungewöhnlich ist (vgl zB BSG SozR 2100 § 17 Nr 3; BSG Urteil vom 28.4.1982 - 12 RK 12/80 - Die Beiträge 1982, 382 = USK 8244), ist deren Gewicht für die hier im Vordergrund stehende Abgrenzung der Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis gegenüber einem selbstständigen Dienstverhältnis eher gering. Wie die Gewichtung beispielsweise bei einer Tätigkeit in einem Einzelunternehmen zu beurteilen ist, wenn die Tätigkeit im fremden oder im (auch) eigenen Betrieb in Frage steht, braucht hier nicht entschieden zu werden. Eine Tätigkeit im (auch) eigenen Betrieb scheidet hier bereits aufgrund der Rechtsform der Beigeladenen zu 1., einer GmbH, an deren Stammkapital der Kläger nicht beteiligt war, aus (vgl oben unter b). Daher ist es auch unschädlich, dass das LSG die konkrete Höhe der Tantieme und Anlass, zu sicherndes Risiko sowie Fortbestand der Bürgschaft während des streitigen Zeitraums nicht festgestellt hat und somit das Ausmaß des wirtschaftlichen Eigeninteresses des Klägers am Erfolg der Beigeladenen zu 1. nicht einmal genau feststeht.
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Soweit das LSG im Hinblick auf die Bürgschaft über ein wirtschaftliches Eigeninteresse hinaus auch ein "typisches Unternehmerrisiko" des Klägers angenommen und als Indiz für eine Selbstständigkeit gewertet hat, erfasst es die Bedeutung dieses Merkmals im vorliegenden Kontext nicht zutreffend. So kann eine Bürgschaft wie die des Klägers für die Beigeladene zu 1., bei der er die hier streitige Tätigkeit ausübt, in erster Linie für die Abgrenzung einer Beschäftigung gegenüber einer durch "Mitunternehmerschaft" begründeten Tätigkeit im (auch) eigenen Betrieb von Bedeutung sein. Für die vorliegend vorzunehmende Zuordnung einer Tätigkeit in einem - wie oben dargelegt zweifellos - fremden Betrieb ist ihre Bedeutung jedoch gering. Denn diese Bürgschaft begründete kein mit der Tätigkeit - sei es als Beschäftigter oder selbstständiger Dienstverpflichteter - des Klägers bei der Beigeladenen zu 1. verbundenes Risiko. Es handelt sich nämlich nicht um einen mit den geschuldeten Diensten verbundenen Aufwand, weil die Bürgschaft für die Erfüllung der diesbezüglichen Pflichten nicht erforderlich war. Die Gründe für ihre Bestellung sind vielmehr außerhalb der Beschäftigung bzw des Dienstverhältnisses zu suchen (vgl hierzu allgemein Segebrecht in jurisPK-SGB IV, 2. Aufl 2011, § 7 RdNr 153). Bezogen auf seine Tätigkeit hatte der Kläger gerade kein Unternehmerrisiko zu tragen; denn als Gegenleistung für seine Tätigkeit stand ihm nach den Feststellungen des LSG auch nach dem 30.4.1996 unabhängig vom wirtschaftlichen Ergebnis der Beigeladenen zu 1. ein Anspruch auf "die Zahlung eines regelmäßigen Entgeltes" zu, wie dies für Beschäftigte typisch ist. Bezogen auf die geschuldeten Dienste hatte der Kläger - wie jeder andere Beschäftigte auch - allein das Risiko des Entgeltausfalls in der Insolvenz des Arbeitgebers zu tragen.
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d) Die Annahme von Selbstständigkeit des Klägers in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. kann schließlich auch nicht mit Erfolg auf die Rechtsprechung des BSG zur Versicherungspflicht von in Familiengesellschaften verrichteten Tätigkeiten gestützt werden.
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Das BSG hat in der Vergangenheit in seiner Rechtsprechung - überwiegend zu Leistungsansprüchen des Arbeitsförderungs- und Unfallversicherungsrechts - auch für den Fall, dass der Geschäftsführer einer Gesellschaft nicht zumindest über eine Sperrminorität verfügte, eine selbstständige Tätigkeit des Betroffenen für möglich erachtet, wenn dessen Tätigwerden innerhalb einer Gesellschaft durch eine besondere Rücksichtnahme aufgrund familiärer Bindungen geprägt war (BSG Urteil vom 29.10.1986 - 7 RAr 43/85 - USK 86145; BSG Urteil vom 8.12.1987 - 7 RAr 25/86 - USK 87170; BSG Urteil vom 14.12.1999 - B 2 U 48/98 R - USK 9975; BSG SozR 2100 § 7 Nr 7 S 6; BSG Urteil vom 28.1.1992 - 11 RAr 133/90 - USK 9201; BSG Urteil vom 11.2.1993 - 7 RAr 48/92 - USK 9347; im konkreten Fall abgelehnt: BSG Urteil vom 10.5.2007 - B 7a AL 8/06 R - USK 2007-53; umgekehrt allerdings
: BSG SozR 3-4100 § 104 Nr 8 S 37) . Ohne Geschäftsführerstellung hat der 12. Senat eine - nach den allgemeinen Grundsätzen eigentlich ausgeschlossene - selbstständige Tätigkeit für den Fall als gegeben erachtet, dass der in einer GmbH Tätige neben seinem Ehegatten alleiniger oder gleichberechtigter Gesellschafter der GmbH ist (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 17). Dabei hat der Senat jedoch nicht auf eine familiäre Verbundenheit, sondern maßgebend auf die mit der Gesellschafterstellung verbundene Rechtsmacht abgestellt (BSG, aaO, S 58, 60). Weitergehend hatte allerdings der 3. Senat bereits 1971 die Selbstständigkeit eines nicht zum (ggf weiteren) Geschäftsführer bestellten Minderheitsgesellschafters angenommen, weil dieser in der betrieblichen Praxis der mit ihm verheirateten Geschäftsführerin und Mehrheitsgesellschafterin vollständig gleichgestellt gewesen sei sowie sich faktisch als zweiter Geschäftsführer betätigt und neben der hauptamtlichen Geschäftsführerin die GmbH nach außen vertreten habe (BSG SozR Nr 68 zu § 165 RVO; vgl auch BSG Urteil vom 23.6.1994 - 12 RK 72/92 - USK 9448). Noch darüber hinausgehend hat der 11. Senat des BSG eine selbstständige Tätigkeit sogar im Fall des - nicht an der GmbH beteiligten und nicht zum Geschäftsführer bestellten - Sohnes eines Allein-Gesellschafter-Geschäftsführers für möglich gehalten (BSGE 66, 168 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1; in Abgrenzung zur familienhaften Mithilfe vgl aber BSG SozR Nr 22 zu § 165 RVO). Dabei ist der 11. Senat davon ausgegangen, dass für einen Fremdgeschäftsführer einer Familiengesellschaft, der mit den Gesellschaftern familiär verbunden ist, eine Ausnahme von der Beschäftigtenstellung in Betracht komme, wenn er faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führen konnte und geführt hat, ohne dass ihn der oder die Gesellschafter daran hinderten (BSG Urteil vom 8.12.1987 - 7 RAr 25/86 - USK 87170). Diese Ausnahme solle - so der 11. Senat - auch gelten, wenn der Alleingesellschafter zugleich Alleingeschäftsführer ist und die Tätigkeit der faktischen Leitung des Betriebes formal auf der Ebene unter dem Geschäftsführer ausgeübt werde. Indessen lasse eine bloß "probeweise" Leitung des Betriebs durch den als Unternehmensnachfolger uU vorgesehenen Sohn eine (abhängige) Beschäftigung nicht entfallen. Wollten die Eltern, dass der Sohn den Betrieb in der bisherigen Art fortführe, und erlaube es ihre Mitarbeit im Betrieb verbunden mit ihrer Rechtsstellung als Gesellschafter und Geschäftsführer, diesen Willen durchzusetzen, so habe für den Sohn die fremdbestimmte betriebliche Ordnung im Sinne einer Beschäftigung fortbestanden, auch wenn er sich innerhalb des durch die bisherige Betriebsführung vorgegebenen Rahmens frei bewegen durfte (BSGE 66, 168, 170 ff = SozR 3-2400 § 7 Nr 1 S 4 f; zu einer solchen Konstellation vgl auch LSG Baden-Württemberg Urteil vom 18.5.2010 - L 11 KR 1423/08).
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Der Senat kann vorliegend offenlassen, ob der vom 11. Senat des BSG formulierten Rechtsauffassung (ggf modifiziert bzw auf gänzlich atypische Sonderfälle beschränkt) bezogen auf das Versicherungs- und Beitragsrecht gefolgt werden kann oder ob - wofür Einiges spricht - der aus gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben entspringenden Rechtsmacht als Teil der tatsächlichen Verhältnisse, auf die auch der 11. Senat ausdrücklich hingewiesen hat, größere Bedeutung beizumessen ist. Für Letzteres spricht, dass entscheidender Gesichtspunkt für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit anstelle einer formal vorliegenden (abhängigen) Beschäftigung auch im Zusammenhang mit Familiengesellschaften die Möglichkeit ist, unliebsame Weisungen des Arbeitgebers bzw Dienstberechtigten abzuwenden. Dies mag aufgrund familiärer Rücksichtnahme solange der Fall sein, wie das Einvernehmen der Familienmitglieder gewahrt bleibt. Im Falle eines familiären Zerwürfnisses zwischen den Beteiligten käme jedoch allein die den einzelnen Familienmitgliedern zustehende Rechtsmacht zum Tragen, sodass auch nach den gelebten tatsächlichen Verhältnissen eine Weisungsunterworfenheit bestünde (kritisch aus diesem Grunde auch Segebrecht in jurisPK-SGB IV, aaO, § 7 RdNr 124). Eine solche "SchönwetterSelbstständigkeit" ist mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände schwerlich hinnehmbar. So hat das BSG in der Vergangenheit wiederholt darauf hingewiesen, dass es im Interesse aller Beteiligten, der Versicherten und der Versicherungsträger, liegt, die Frage der Versicherungspflicht und der Versicherungsfreiheit schon zu Beginn der Tätigkeit zu klären, weil diese nicht nur für die Entrichtung der Beiträge, sondern auch für die Leistungspflichten des Sozialleistungsträgers und die Leistungsansprüche des Betroffenen von entscheidender Bedeutung sein kann (vgl SozR Nr 6 zu § 168 RVO; SozR 2200 § 1228 Nr 1 S 2; SozR 2200 § 205 Nr 41 S 103; zuletzt Urteil des Senats vom 27.7.2011 - B 12 R 15/09 R - SozR 4-2600 § 5 Nr 6 RdNr 16).
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Auf die dargestellte Frage kommt es vorliegend nicht an, da die vom LSG festgestellten Tatsachen dessen Schlussfolgerung, der Kläger habe seit April 1996 die Geschäfte der Beigeladenen zu 1. "nach eigenem Gutdünken führen und frei schalten und walten" können (vgl dazu BSG <11. Senat> BSGE 66, 168, 171 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1 S 4), nicht tragen. So hat das LSG seine Schlussfolgerung bereits selbst dahin eingeschränkt, dass der Kläger die Beigeladene zu 1. "mit seiner Schwester allein" geführt habe (Seite 15 des Urteils) bzw nur zusammen mit ihr habe führen können. In diesem Zusammenhang ist auch unerheblich, dass das LSG keine Feststellungen zum Umfang des Einvernehmens zwischen dem Kläger und seiner Schwester getroffen hat. Denn auch bei großzügiger Auslegung des Gesellschafterbeschlusses vom 30.4.1996 war die Leitungsmacht des Klägers ausschließlich auf "den technischen und gewerblichen Teil des Unternehmens" beschränkt. Nur die darauf bezogenen "entsprechenden Vollmachten" wurden erteilt oder sollten noch erteilt werden. Die Leitung der Beigeladenen zu 1. insgesamt war dem Kläger damit nicht übertragen worden. Auf Grundlage der Feststellungen des LSG kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger seine Schwester und den - wenn auch zunehmend nur noch der Form halber - weiterhin an der Unternehmensleitung mitwirkenden Vater derart dominiert hätte, dass nach den tatsächlichen Verhältnissen eine Gesamtleitung der Beigeladenen zu 1. allein durch den Kläger vorgelegen hätte. Vielmehr hat auch das LSG alleinige Branchenkenntnisse des Klägers nicht in allumfassender Weise, sondern nur in dem von ihm geleiteten Teilbereich der Geschäfte festgestellt. Die Leitung des kaufmännischen Teils des Unternehmens hatte der Vater des Klägers gerade mit Rücksicht auf deren durch eine Ausbildung bei einem Steuerberater erworbenen Kenntnisse der Schwester des Klägers übertragen. Zudem verfügte der Vater des Klägers über langjährige Erfahrung in der Leitung des Gesamtunternehmens, die er als Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer bereits zu einem Zeitpunkt innehatte, bevor der Kläger die Meisterprüfung ablegte und zum Betriebsleiter bestellt wurde. Zugleich spricht der Umstand, dass der Kläger und seine Schwester trotz Übertragung bereichsbezogener Leitungsfunktionen und eines Verzichts des Vaters auf "das Weisungsrecht" nicht zu Geschäftsführern berufen wurden, dafür, dass sich der Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer eine Kontrolle und Letztentscheidungsbefugnis zumindest bezüglich grundlegender unternehmerischer Entscheidungen vorbehalten wollte. Nicht zuletzt spricht auch der Umstand, dass die Beigeladene zu 1. im Erbgang an die Mutter und nicht den Kläger und seine Schwester fiel, dafür, dass ihr Vater das Unternehmen trotz seiner fortschreitenden Krankheit jedenfalls während des hier zu beurteilenden Zeitraums noch nicht vollständig an seine Kinder übergeben hatte.
Tenor
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Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. September 2010 aufgehoben.
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Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg zurückverwiesen.
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Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 18 877,06 Euro festgesetzt.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beigeladene zu 1. als Familienhelferin der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterlag und ob das klagende Land Berlin für sie Gesamtsozialversicherungsbeiträge zu entrichten hat.
- 2
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Die Beigeladene zu 1. ist Diplompädagogin und Diplompsychologin. Sie war von Juli 1995 bis 31.12.1999 als Familienhelferin für den Kläger als Träger der öffentlichen Jugendhilfe tätig, indem sie jugendhilferechtlich leistungsberechtigte Familien regelmäßig in deren Wohnung aufsuchte und diese dort vor Ort unterstützte; ab 1.1.2000 setzte die Beigeladene zu 1. die Tätigkeit für den Kläger als (abhängig) Beschäftigte eines freien Jugendhilfeträgers fort. Der Kläger legte für die von ihm bis 31.12.1999 als selbstständig angesehene Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. - wie in ähnlichen anderen Fällen auch - einen "Helfervorgang" mit ihren persönlichen Daten auf einem "Personenblatt" mit Nachweisen ihrer bisherigen Ausbildung und Tätigkeiten, Lebenslauf und Führungszeugnis an. Zu der Tätigkeit der Beigeladene zu 1. kam es jeweils nach der Bewilligung von Leistungen nach §§ 27, 31 SGB VIII an die Familien durch den Kläger. Diese Leistungsbewilligung erfolgte auf der Grundlage eines durch einen beim Kläger beschäftigten Sozialarbeiter erstellten Hilfeplans, der den Einsatz einer Familienhelferin vorsah und Aufgaben und Ziele der Hilfen umschrieb. Der Bewilligungsbescheid regelte die Übernahme der Kosten für den Familienhelfereinsatz in einem bestimmten Zeitraum mit einer festgelegten Wochenstundenzahl, benannte die Beigeladene zu 1. als ausführende Person und enthielt den Hinweis, dass seitens des Klägers mit dieser direkt abgerechnet werde. Die Beigeladene zu 1. erhielt Durchschriften der Bescheide und wurde in Anschreiben des Klägers zugleich darüber informiert, dass das "Familienhelfergeld" 26,40 DM je Stunde betrage; wörtlich heißt es in den Anschreiben: "Wir weisen darauf hin, dass die Familienhelfertätigkeit nicht im Rahmen von Rechtsbeziehungen zum Land Berlin ausgeübt wird, insbesondere zum Land Berlin kein Arbeitsverhältnis, freies Dienstvertrags- oder Werkvertragsverhältnis begründet wird". Die Beigeladene zu 1. war berechtigt, die Übernahme einer Betreuung abzulehnen. Für die Abrechnung hatte die Beigeladene zu 1. dem Kläger monatliche Stundenaufstellungen vorzulegen, die von ihr und den betreuten Familien zu unterzeichnen waren. Der Kläger gewährte der Beigeladenen zu 1. neben der beschriebenen Vergütung "Urlaubsabgeltung" sowie laufende monatliche Zuschüsse zu ihrer freiwilligen Krankenversicherung in Höhe von "6,6 %". Die Beigeladene zu 1. arbeitete pro Betreuungsfall maximal 14 Stunden wöchentlich neben einer Weiterbildung zur Verhaltenstherapeutin; teilweise betreute sie gleichzeitig zwei oder mehrere Familien. Darüber, ob die Hilfebedürftigkeit iS des Jugendhilferechts fortbestand, informierte sie den Kläger in Gesprächen und erstellte Berichte über ihre Tätigkeit.
- 3
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Im Mai 1999 beantragte die Beigeladene zu 1. bei der beklagten Krankenkasse als Einzugsstelle die Prüfung, ob sie in ihrer Tätigkeit als Familienhelferin der Sozialversicherungspflicht unterliege. Die Beklagte stellte daraufhin - nach einem vorangegangenen anderen Rechtsstreit - gegenüber dem Kläger fest, dass die Beigeladene zu 1. in ihrer Tätigkeit als Familienhelferin vom 1.12.1995 bis 31.12.1999 der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterlegen habe, und forderte vom Kläger Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 18 877,06 Euro (Bescheid vom 27.12.2004; Widerspruchsbescheid vom 14.3.2005).
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Das SG hat die Bescheide der Beklagten aufgehoben (Urteil vom 24.1.2007). Die dagegen eingelegte Berufung der Beklagten hat das LSG zurückgewiesen: Zwar sprächen für eine Beschäftigung der Beigeladenen zu 1. im streitigen Zeitraum das fehlende Unternehmerrisiko, das stundenweise gezahlte, in Bezug auf seine Höhe vom Kläger vorgegebene Honorar, die Gewährung eines Zuschusses zur Krankenversicherung und die Abgeltung von Urlaub; es überwögen jedoch - bei gleichzeitigem Vorliegen einiger "neutraler" Gesichtspunkte - die für eine selbstständige Tätigkeit sprechenden Merkmale. Diese Merkmale seien der Inhalt der getroffenen vertraglichen Vereinbarungen, die zeitliche Beanspruchung der Beigeladenen zu 1. durch die Tätigkeit und ihre fehlende Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Klägers. So sei die Beigeladene zu 1. nur bei der erstmaligen Übernahme eines Einsatzes sowie bei eventuellen Gesprächen über den Stand der Hilfe in Kontakt mit den Mitarbeitern des Klägers getreten. Auch habe sie im Wesentlichen Ort, Zeit und inhaltliche Ausgestaltung ihrer Arbeitsleistung unabhängig von Vorgaben des Klägers bestimmen können, wie bereits "aus der Natur der Tätigkeit als Familienhelferin" folge. Dass dem Kläger als Träger der öffentlichen Jugendhilfe gemäß § 79 Abs 1 SGB VIII die Gesamtverantwortung für die von ihm zu erbringenden Leistungen nach dem SGB VIII oblegen habe, lasse keine Rückschlüsse auf eine Tätigkeit der von ihm eingesetzten Personen als Arbeitnehmer zu (Urteil vom 22.9.2010).
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Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung der § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 1 S 1 Nr 1 SGB VI, § 20 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB XI und § 25 Abs 1 S 1 SGB III sowie sinngemäß eine Verletzung von § 7 Abs 1 SGB IV. Die Gesamtschau aller Umstände ergebe hier, dass die Beigeladene zu 1. in ihrer Tätigkeit für den Kläger beschäftigt und damit versicherungspflichtig gewesen sei. Dafür sprächen neben der Gewährung von Zuschüssen zur Krankenversicherung, der Abgeltung von Urlaub und einem fehlenden Unternehmerrisiko vor allem die Eingliederung der Beigeladenen zu 1. in die Arbeitsorganisation des Klägers, die aus der Wahrnehmung der ihm obliegenden gesetzlichen Aufgaben im Bereich des Jugendhilferechts, insbesondere seiner Verantwortung nach § 79 Abs 1 SGB VIII und nach § 36 Abs 2 SGB VIII, folge. Zum Ausschluss von Haftungsrisiken habe er die Tätigkeit sowie die Aus- und Fortbildung der von ihm eingesetzten Familienhelfer weitgehend selbst zu kontrollieren. Die gesetzlich vorgeschriebene Verknüpfung von Kontakt- und Berichtspflichten ermögliche eine ständige, die freie Gestaltung der Tätigkeit einschränkende Überwachung der Familienhelfer durch den zuständigen Sozialarbeiter. Das Weisungsrecht des Klägers dokumentiere sich in erstellten und fortgeschriebenen Hilfeplänen, in Rücksprachen sowie in den Berichtspflichten der Beigeladenen zu 1.
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Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. September 2010 und des Sozialgerichts Berlin vom 24. Januar 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
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Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Zuschüsse zur Krankenversicherung seien bis zum Ende des Jahres 2003 freien Mitarbeitern, die den Status arbeitnehmerähnlicher Personen gehabt hätten und als sozial schutzbedürftig angesehen worden seien, ohne rechtliche Verpflichtung als freiwillige Leistung gezahlt worden. Aus dem primär auf den Hilfeempfänger bezogenen und für die öffentlich-rechtliche Bewilligung erforderlichen Hilfeplanverfahren könne ein für eine Beschäftigung sprechendes Weisungsrecht nicht hergeleitet werden.
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Die Beigeladene zu 1. äußert sich nicht.
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Der zu 3. beigeladene Rentenversicherungsträger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. September 2010 und des Sozialgerichts Berlin vom 24. Januar 2007 hinsichtlich der Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 1. in der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung aufzuheben und die Klage insoweit abzuweisen.
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Er schließt sich der Rechtsauffassung der Beklagten an. Ergänzend führt er aus, der Träger der öffentlichen Jugendhilfe sei verpflichtet, aufgrund seiner Gesamtverantwortung gemäß § 79 SGB VIII und in Erfüllung seines Schutzauftrags gemäß § 8a SGB VIII sicherzustellen, dass der jeweilige Vertragspartner die nach dem SGB VIII und nachgeordneten Regelungen bestehenden Pflichten und Qualitätsanforderungen bei der Leistungserbringung erfülle. Jedenfalls für Leistungen der Jugendhilfe nach § 31 SGB VIII erfordere die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung eine derart enge Anbindung der eingesetzten Mitarbeiter, dass diese in die betrieblichen Abläufe eingegliedert sein müssten. Deshalb könnten diese Tätigkeiten der Familienhilfe - wie sie auch durch die Beigeladene zu 1. erfolgt seien - nur im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt werden.
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Die zu 2. beigeladene Pflegekasse und die zu 4. beigeladene Bundesagentur für Arbeit stellen keinen Antrag. Sie schließen sich im Wesentlichen der Auffassung der Beklagten an.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision der beklagten Krankenkasse ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (vgl § 170 Abs 2 S 2 SGG).
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Das Urteil, mit dem das LSG die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des SG zurückgewiesen hat, hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht Stand. Das LSG hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass die angefochtenen Bescheide der Beklagten rechtswidrig seien, weil die Beigeladene zu 1. in ihrer Tätigkeit als Familienhelferin nicht als Beschäftigte sozialversicherungspflichtig gewesen sei und der Kläger für sie deshalb keine Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten habe. Die - aus einer unzureichenden Würdigung des Gesamtbildes der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. gewonnene - Beurteilung des LSG, dass die Beigeladene zu 1. selbstständig tätig war, erweist sich als rechtsfehlerhaft. Ob die Beklagte deren Versicherungspflicht als Beschäftigte zu Recht festgestellt und die Beiträge in zutreffender Höhe festgesetzt hat, kann der Senat allerdings nicht selbst entscheiden, weil es dazu an erforderlichen weiteren Feststellungen durch das LSG fehlt. Dies führt zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.
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1. Allerdings hat das LSG für sein Urteil einen zutreffenden rechtlichen Ausgangspunkt gewählt und dazu im Kern zutreffend die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung für die Abgrenzung zwischen - Versicherungspflicht begründender - Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit entwickelten Grundsätze herangezogen.
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In den Jahren 1995 bis 1999, um die es hier geht, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw Beitragspflicht (vgl § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB XI, § 1 S 1 Nr 1 SGB VI, § 168 Abs 1 Arbeitsförderungsgesetz bzw § 25 Abs 1 S 1 SGB III, jeweils in den seinerzeit maßgebenden Gesetzesfassungen). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung war § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R, USK 2011-125, Juris RdNr 16 mwN; vgl auch BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; BSG Urteil vom 28.5.2008 -B 12 KR 13/07 R - USK 2008-45; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f; jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11).Das kann bei manchen Tätigkeiten - zB in Bereichen, in denen persönliche Zuwendung Gegenstand zu erbringender Dienste ist - dazu führen, dass sie nach den jeweiligen Umständen sowohl als Beschäftigung als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses ausgeübt werden können (zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R, USK 2011-125, Juris RdNr 17
; BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 14 RdNr 11 mwN .)
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2. Das LSG hat unter zutreffender Berücksichtigung der im SGB VIII geregelten Familienhilfe (dazu unter a) diese Grundsätze angewandt (dazu unter b). Es hat jedoch nicht alle für und gegen eine Beschäftigung bzw selbstständige Tätigkeit sprechenden Umstände aufgeklärt, in ihrer indiziellen Wirkung erkannt und ihnen daher nicht das Gewicht und den Stellenwert beimessen können, der diesen Umständen im Rahmen der Gesamtabwägung der für die Abgrenzung heranzuziehenden Tätigkeitsmerkmale zukommen muss (dazu unter c).
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a) Entgegen der Ansicht der Beklagten ist dem LSG allerdings darin zuzustimmen, dass nicht schon aus der einen Jugendhilfeträger treffenden Gesamtverantwortung für die Erbringung von Familienhilfe nach dem SGB VIII zu entnehmen ist, die Tätigkeit einer Familienhelferin - wie von der Beigeladenen zu 1. ausgeübt - könne (rechtmäßig) nur in einem Beschäftigungsverhältnis ausgeübt werden.
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Den Regelungen des SGB VIII, insbesondere § 79 Abs 1 SGB VIII, aber auch § 31 und § 36 SGB VIII sowie § 8a SGB VIII, kann kein für eine Beschäftigung sprechendes, eine persönliche Abhängigkeit iS von § 7 Abs 1 SGB IV begründendes Weisungsrecht des Klägers gegenüber der Beigeladenen zu 1. entnommen werden. Entscheidend ist insoweit, dass das SGB VIII schon von seinem Regelungsansatz her keine Aussagen über den arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Status von Familienhelfern treffen will und trifft, sondern allein die - dann im Einzelnen näher ausgestaltete - staatliche Verantwortung für die Aufgaben der Jugendhilfe im Verhältnis zu den Leistungsberechtigten im Blick hat (vgl im hier bedeutsamen Zusammenhang § 27 Abs 1 Nr 2 und Nr 4 SGB I, § 2 Abs 1 und Abs 2 Nr 2 und Nr 4 iVm §§ 16 ff, 27 ff SGB VIII). Selbst die Regelungen des SGB VIII über die Leistungserbringung enthalten keine Vorgaben über den sozialversicherungsrechtlichen Status von Mitarbeitern (vgl dagegen zB §§ 72, 72a SGB VIII zu den persönlichen und fachlichen Anforderungen an Mitarbeiter bei Trägern der öffentlichen Jugendhilfe). Zwar tragen nach § 79 Abs 1 SGB VIII die Träger der öffentlichen Jugendhilfe für die Erfüllung der Aufgaben nach dem SGB VIII die Gesamtverantwortung einschließlich der Planungsverantwortung. Hieraus folgt jedoch keine für eine Beschäftigung typische Weisungsbefugnis eines öffentlichen Jugendhilfeträgers gegenüber einem für ihn zur Aufgabenerfüllung Tätigen. Eine Weisungsbefugnis setzt vielmehr eine entsprechende rechtliche Verankerung, ggf durch vertragliche Vereinbarung, im Verhältnis zu dem Dritten voraus, der zur Erfüllung der Aufgaben der Jugendhilfe herangezogen wird. Zwar hat das BAG in seinem Urteil vom 6.5.1998 (5 AZR 347/97 - BAGE 88, 327 = AP Nr 94 zu § 611 BGB Abhängigkeit) die Weisungsabhängigkeit einer Familienhelferin (§ 31 SGB VIII) und deren Eingliederung in den Betrieb des Jugendhilfeträgers angenommen und das Weisungsrecht der den Träger der öffentlichen Jugendhilfe gemäß § 79 Abs 1 SGB VIII treffenden Gesamtverantwortung entnommen. Das BAG ist jedoch in seiner späteren Rechtsprechung (Urteil vom 25.5.2005 - 5 AZR 347/04 -, BAGE 115, 1 = AP Nr 117 zu § 611 BGB Abhängigkeit
) hiervon abgerückt. Es stellt nunmehr entscheidend darauf ab, dass aus § 79 Abs 1 SGB VIII und der jedermann treffenden Pflicht, öffentlich-rechtlichen Anordnungen der Aufsichtsbehörde im Jugendhilferecht nachzukommen, keine arbeitsrechtliche Weisungsgebundenheit der zur Erfüllung jugendhilferechtlicher Aufgaben eingesetzten Erwerbstätigen gegenüber dem Jugendhilfeträger abgeleitet werden kann. Dieser überzeugenden jüngeren Rechtsprechung schließt sich der Senat auch für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung an. Nichts anderes gilt für den den Hilfeplan betreffenden § 36 SGB VIII, weil diese Vorschrift ebenfalls keine Aussage zu dem arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Status einer Erwerbstätigkeit zur Erfüllung jugendhilferechtlicher Aufgaben und zur Umsetzung eines Hilfeplans trifft.
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Die Regelung des § 8a SGB VIII konnte entgegen der Auffassung der Beklagten hier bereits deshalb keine persönliche Abhängigkeit der Beigeladenen zu 1. begründen, weil sie erst mit Wirkung zum 1.10.2005 (durch Art 1 Nr 4 des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe vom 8.9.2005, BGBl I 2729) in das SGB VIII eingefügt wurde und damit im hier streitigen Zeitraum bis Ende 1999 noch nicht galt. Hinsichtlich der von der Beigeladenen zu 3. benannten Vorschriften des Berliner Landesrechts kann offenbleiben, ob ihnen entsprechende Weisungsrechte zu entnehmen waren, weil diese ebenfalls erst nach 1999 in Kraft traten.
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Ob - wie die Beklagte und die Beigeladenen zu 3. und 4. meinen - die Familienhilfe nach dem SGB VIII "sachgerecht" nur durch Beschäftigte, nicht aber durch Selbstständige erbracht werden kann (vgl hierzu zB Stähr in Hauck/Noftz, SGB VIII, K § 31, RdNr 16 ff, Stand Einzelkommentierung 5/2004), kann hier dahinstehen. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, kann hieraus jedenfalls nicht ohne Weiteres darauf geschlossen werden, dass auch der Kläger dieser Einschätzung folgen und sie in seiner Praxis bei der Erfüllung jugendhilferechtlicher Leistungsansprüche umsetzen wollte und dies entsprechend getan hat.
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b) Das LSG hat die unter 1. beschriebenen Grundsätze zur Abgrenzung einer selbstständigen Tätigkeit von einer (abhängigen) Beschäftigung zutreffend zum rechtlichen Ausgangspunkt seiner Erwägungen genommen. Zutreffend ist das Berufungsgericht auch davon ausgegangen, dass eine Bewertung jeweils der einzelnen vom Kläger vergebenen Aufträge am Maßstab der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zu erfolgen hat; maßgebend sind danach die Verhältnisse nach Annahme - also bei Durchführung - des einzelnen Auftrags (vgl BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125, Juris RdNr 17; BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - USK 2008-45, Juris RdNr 24 ff).
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Das LSG hat ausgehend von der Rechtsprechung des Senats zutreffend einige Merkmale der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. als Indizien für deren (abhängige) Beschäftigung gewertet, andere Umstände als Indizien für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit angesehen und dann eine Gesamtbetrachtung der Indizien vorgenommen. Es hat vor allem das fehlende Unternehmerrisiko (vgl dazu zB zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125, Juris RdNr 25 mwN), das stundenweise gezahlte, vom Kläger der Höhe nach vorgegebene Honorar, die Gewährung eines Zuschusses zur Krankenversicherung sowie die Abgeltung von Urlaub als für eine Beschäftigung der Beigeladenen zu 1. sprechende Umstände gewertet und diesen Umständen einige von ihm als "neutral" eingestufte bzw für eine selbstständige Tätigkeit sprechende Gesichtspunkte (Inhalt der getroffenen vertraglichen Vereinbarungen - bei als "befremdlich" erscheinendem Hinweis, dass "keinerlei Rechtsbeziehungen" zwischen Kläger und Beigeladener zu 1. bestünden -, zeitliche Beanspruchung der Beigeladenen zu 1. durch die Tätigkeit, fehlende Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Klägers) gegenübergestellt. Als maßgebend für das Fehlen einer abhängigen Beschäftigung hat es das Fehlen der Ausübung eines "ins Einzelne gehenden Weisungsrechts" angesehen, gleichwohl aber andererseits die "weitgehende Freiheit von arbeitsbezogenen Weisungen" - ähnlich der Sachlage bei Diensten höherer Art - (wiederum) nicht als Beleg für Selbstständigkeit eingestuft. Die Beigeladene zu 1. sei nicht in einer Art und Weise in den Betrieb des Klägers eingegliedert gewesen, die auf eine Beschäftigung hindeute, weil sie nur bei der erstmaligen Übernahme eines Einsatzes sowie bei eventuellen Gesprächen über den Stand der Hilfe in Kontakt mit den Mitarbeitern des Klägers getreten sei. Die Beigeladene zu 1. habe auch im Wesentlichen Ort, Zeit und inhaltliche Ausgestaltung ihrer Arbeitsleistung unabhängig von Vorgaben des Klägers bestimmen können, wie bereits "aus der Natur der Tätigkeit als Familienhelferin" folge. Es hat weiter zugrunde gelegt, dass dem in den schriftlichen Vereinbarungen dokumentierten Willen, keine Beschäftigung zu wollen, dann keine indizielle Bedeutung zukommt, wenn die tatsächlichen Verhältnisse von diesen Vereinbarungen rechtlich relevant abweichen, und dass dann maßgebend ist, wie die Rechtsbeziehung tatsächlich praktiziert wurde.
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c) Das Urteil des LSG kann allerdings trotz seines zutreffend gewählten rechtlichen Ansatzes keinen Bestand haben, weil seine Abwägung der für und gegen eine Beschäftigung bzw selbstständige Tätigkeit sprechenden Umstände rechtliche Defizite aufweist und deshalb der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht Stand hält. Wesentliche Umstände, aus denen das LSG auf eine selbstständige Tätigkeit geschlossen hat, sind in ihren Hintergründen und ihrer Tragweite nicht hinreichend aufgeklärt worden, sodass eine nur unzureichende, sich in wesentlichen Punkten nur an der "Oberfläche" bewegende Gesamtwürdigung vorliegt, die die Annahme, die Beigeladene zu 1. sei als Familienhelferin für den Kläger im streitigen Zeitraum selbstständig tätig gewesen, nicht schlüssig und nachvollziehbar trägt.
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Die Zuordnung des konkreten Lebenssachverhalts zum rechtlichen Typus der (abhängigen) Beschäftigung als "nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis" iS von § 7 Abs 1 S 1 SGB IV nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung erfordert - wie oben unter 1. beschrieben - eine Gewichtung und Abwägung aller als Indizien für und gegen eine Beschäftigung bzw selbstständige Tätigkeit sprechenden Merkmale der Tätigkeit im Einzelfall. Bei Vorliegen gegenläufiger, dh für die Bejahung und die Verneinung eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmals sprechender tatsächlicher Umstände oder Indizien hat das Gericht insoweit eine wertende Zuordnung aller Umstände im Sinne einer Gesamtabwägung vorzunehmen. Diese Abwägung darf allerdings nicht (rein) schematisch oder schablonenhaft erfolgen, etwa in der Weise, dass beliebige Indizien jeweils zahlenmäßig einander gegenübergestellt werden, sondern es ist in Rechnung zu stellen, dass manchen Umständen wertungsmäßig größeres Gewicht zukommen kann als anderen, als weniger bedeutsam einzuschätzenden Indizien. Eine rechtmäßige Gesamtabwägung setzt deshalb - der Struktur und Methodik jeder Abwägungsentscheidung (innerhalb und außerhalb des Rechts) entsprechend - voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls wesentlichen Indizien festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und in dieser Gesamtschau nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden (vgl zu Abwägungsvorgängen im Sozialrecht, etwa bei der Ursachenbewertung nach der Theorie der wesentlichen Bedingung im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung, zB BSGE 61, 127, 129 f = SozR 2200 § 548 Nr 84 S 235 f; BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 15 ff mwN; zu verschiedenen Formen der Abwägung allgemein - in unterschiedlichen Rechtsgebieten und Zusammenhängen - siehe die Beiträge von Koch und Ossenbühl in: Erbguth/Oebbecke/Rengeling/Schulte, Abwägung im Recht, Symposium zur Emeritierung von Werner Hoppe, 1996, S 9 ff, 25 ff; Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Aufl 2008, § 82
, S 651 ff; zur Abwägung widerstreitender Belange im Planungsrecht zB BVerwGE 45, 309, 314 ff; BVerwGE 64, 270, 271 ff).
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Um diesen Anforderungen im vorliegenden Zusammenhang zu genügen, muss zunächst den für die Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit in Betracht kommenden Merkmalen der Tätigkeit nachgegangen und vorab das Vorliegen bzw Nichtvorliegen dieser Merkmale - verfahrensrechtlich beanstandungsfrei auf der Grundlage des Amtsermittlungsprinzips (§ 103 SGG) - festgestellt werden. Für die Prüfung, welche dieser festgestellten Merkmale bei einer Gesamtbetrachtung überwiegen, sind sodann alle entscheidungserheblichen Merkmale zu berücksichtigen und in ihrer Bedeutung zu gewichten sowie nachvollziehbar gegeneinander abzuwägen. Dem haben die Vorinstanzen bislang nicht hinreichend entsprochen.
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So hätte zunächst genauer ermittelt und gewürdigt werden müssen, unter welchen rechtlichen Vorgaben Familienhelfer im Land Berlin in der streitigen Zeit bis Ende 1999 überhaupt tätig wurden und wie das Rechtsverhältnis der Beigeladenen zu 1., die gegen eine stundenweise, vom Kläger festgesetzte Vergütung arbeitete, in diesem Zusammenhang nach der im Land Berlin üblichen Praxis einzuordnen ist. Nach dem Akteninhalt und dem Vorbringen der Beteiligten könnten gewichtige Anhaltspunkte bestehen, die deutlicher als vom LSG angenommen für eine Beschäftigung und gegen eine Selbstständigkeit der Beigeladenen zu 1. sprechen und im Rahmen der Gesamtschau überwiegen könnten. Das LSG durfte es nicht dabei belassen, dass Vorgaben über die Ausgestaltung der tatsächlichen oder rechtlichen Beziehungen zwischen der Beigeladenen zu 1. und dem Kläger "nicht zu finden" seien und dass die Feststellung, es bestünden "keinerlei Rechtsbeziehungen" zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1., "befremdlich" erscheine, und nicht schon darauf seine Abwägung aufbauen. Dies rechtfertigt es, ein relevantes Abwägungsdefizit zu bejahen. Obwohl der vom LSG festgestellte Inhalt der vorhandenen Unterlagen den Schluss zulässt, dass Selbstständigkeit gewollt war, könnte den weiteren Umständen der Erwerbstätigkeit der Beigeladenen zu 1. gleichwohl zu entnehmen sein, dass diese abweichend hiervon als Beschäftigte tätig werden sollte und tatsächlich auch in dieser Weise tätig wurde. So sollte - wie bereits beschrieben - auf der einen Seite der einzelne Einsatz als Familienhelferin und dessen Durchführung allein mittelbar im Bewilligungsbescheid des Jugendamtes gegenüber der leistungsberechtigten Familie seine Grundlage haben und sollten sogar "keinerlei Rechtsbeziehungen zum Land Berlin" begründet und Arbeitnehmerrechte (insbesondere auf Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen) nicht gewährt werden. Im Gegensatz dazu steht die Gewährung typischer Arbeitnehmerleistungen des Klägers an die Beigeladene zu 1. ("Urlaubsabgeltung", was gedanklich einen eingeräumten Urlaubsanspruch voraussetzt; laufende gewährte Zuschüsse zur freiwilligen Krankenversicherung in Höhe von "6,6 %"). Allerdings wäre insoweit ebenso zu berücksichtigen, dass ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung auch arbeitnehmerähnlichen Personen zustehen kann, was der Senat in der Vergangenheit als Indiz für Selbstständigkeit angesehen hat (vgl BSG Urteil vom 12.2.2004 - B 12 KR 26/02 R - USK 2004-25, Juris RdNr 25). Zu den Einzelheiten der praktischen Gestaltung der Erwerbstätigkeit der Beigeladenen zu 1. fehlen die erforderlichen Feststellungen.
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Nicht geprüft und ermittelt hat das LSG auch, ob aufgrund zusätzlicher Absprachen zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1. - zB in einer ggf mündlichen Rahmenvereinbarung über Einsätze als Familienhelferin, deren Umsetzung sich in den jeweils einzelnen Aufträgen vollzog (vgl zu einer solchen Rahmenvereinbarung zB BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - USK 2008-45, Juris RdNr 18, 22), oder in zusätzlichen ggf mündlichen Abreden zu den einzelnen Einsätzen selbst - weitere Rechte und Pflichten bestanden, die für eine Beschäftigung der Beigeladenen zu 1. sprechen.
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Hinzu kommen im vorliegenden Fall Hinweise auf ein gänzlich fehlendes rechtlich relevantes Unternehmerrisiko der Beigeladenen zu 1. Nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36, mwN; BSG SozVers 2001, 329, 332; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 25) ist maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (so schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36, mwN; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011, aaO). Unter diesem Blickwinkel könnten sich Zweifel an der Selbstständigkeit der Beigeladenen zu 1. ergeben, falls sich nach Ermittlungen herausstellen sollte, dass die Arbeitsstunden-Vergütung mit 26,40 DM brutto betragsmäßig im Bereich dessen lag, was einer Familienhelferin im Jugendhilfebereich mit der Qualifikation der Beigeladenen zu 1. als Angestellte tariflich oder einzelvertraglich als Vergütung zustand. Aufgeklärt werden müsste auch, ob die Beigeladene zu 1. in einer für Arbeitnehmer allerdings eher untypischen Weise ihre einzelnen Einsätze ohne Begründung und ohne Folgen für spätere Einsatzoptionen abbrechen konnte und vom Kläger ggf aus einem laufenden Einsatz gegen ihren Willen abgezogen und nach den Bedürfnissen einer fremden betrieblichen Organisation anderen Familien "zugeteilt" werden konnte (vgl zu diesen Gesichtspunkten BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 27). Vor diesem Hintergrund bleibt bislang offen, ob überhaupt typische Risiken, aber auch höhere Chancen einer vermeintlichen Selbstständigkeit bestanden.
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Schließlich ergibt sich auch in Bezug auf weitere Abgrenzungsmerkmale Anlass zu einer näheren Betrachtung der Umstände, unter denen die Beigeladene zu 1. tätig wurde. Das LSG hat größere Entscheidungsspielräume der Beigeladenen zu 1., insbesondere eine im Wesentlichen Ort, Zeit und inhaltliche Ausgestaltung ihrer Arbeitsleistung unabhängig von Vorgaben des Klägers bestimmbare und von Kontrollen des Klägers weitgehend freie Arbeitsleistung, als letztlich entscheidend für die Selbstständigkeit angesehen. Insoweit fehlt es an einem Vergleich mit den Spielräumen, die einer in - ggf befristeten oder projektbezogenen - (Teilzeit-)Beschäftigung erwerbstätigen Familienhelferin für deren Tätigkeit eingeräumt waren. Da das LSG insoweit selbst davon ausgeht, bereits "aus der Natur der Tätigkeit als Familienhelferin" folgten größere Spielräume, kann ein für die Tätigkeit bestehender Spielraum, der in gleicher Weise für eine angestellte, Familien vor Ort betreuende Familienhelferin besteht, kein maßgebendes Kriterium für die Abgrenzung selbstständiger Tätigkeit von Beschäftigung sein. Vielmehr ist hierzu zu ermitteln, welche wesentlichen, gerade einer Selbstständigkeit das Gepräge gebenden Freiräume für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. bestanden, die einer im öffentlichen Dienst oder bei einem freien Träger beschäftigten Familienhelferin (als solche war die Beigeladene zu 1. ab dem Jahr 2000 für den Kläger eingesetzt) im streitigen Zeitraum nicht zustanden. Insoweit bietet es sich an, auch der Frage nachzugehen, ob höchstpersönliche Leistungspflichten und/oder Vertretungsregelungen bestanden. Diese nach entsprechenden Ermittlungen vorzunehmende Vergleichsbetrachtung ist dann in die erforderliche Gesamtabwägung einzustellen.
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d) Dem Senat ist nach alledem wegen fehlender hinreichender Feststellungen des LSG keine eigene abschließende Entscheidung darüber möglich, ob die Beigeladene zu 1. bei einer rechtmäßigen, an bestimmte Voraussetzungen geknüpften Gesamtschau aller Umstände als Familienhelferin in der öffentlichen Jugendhilfe bei dem Kläger (abhängig) beschäftigt oder selbstständig tätig war. Deshalb hat das LSG die vorstehend unter c) beschriebenen, bislang fehlenden erforderlichen weiteren Feststellungen durch entsprechende Ermittlungen - ggf auch persönlicher Anhörung der Beigeladenen zu 1. - nachzuholen. Sodann muss das LSG eine darauf aufbauende neue Gesamtwürdigung unter Einbeziehung der oben dargelegten Vorgaben vornehmen und gewichtend und abwägend erneut in der Sache entscheiden.
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3. Das LSG wird auch über die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
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4. Der Streitwert für das Revisionsverfahrens war gemäß § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 GKG in Höhe des vom LSG für das Berufungsverfahren festgesetzten, der streitigen Beitragsforderung entsprechenden Betrages von 18 877,06 Euro festzusetzen.
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 25.10.2013 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens (§ 7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch [SGB IV]) über die Versicherungspflicht des Klägers zu 1) als mitarbeitender Kommanditist bei der Klägerin zu 2) in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung in dem Zeitraum vom 1.5.2010 bis zum 26.7.2011 sowie in der gesetzlichen Krankenversicherung, sozialen Pflegeversicherung, gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung in dem Zeitraum vom 1.5.2010 bis zum 31.12.2010.
3Die Klägerin zu 2) (Amtsgericht [AG] Q, HRA 000) ist aus einem von dem am 00.00.1944 geborenen Großhandelskaufmann K gen. I L unter der Firma I L e. K. (AG Q, HRA 000) betriebenen Gewerbebetrieb hervorgegangen und durch notariell beurkundeten Vertrag vom 13.4.2010 mit seinem Sohn, dem am 00.00.1987 geborenen Kläger zu 1), rückwirkend zum 1.1.2010 errichtet worden. Der Gesellschaftsvertrag lautet auszugsweise:
4"§ 1 Firma; Sitz 1.1 Die Firma der Gesellschaft lautet: L KG
51.2 Sitz der Gesellschaft ist Q
6§ 2 Gegenstand des Unternehmens
72.1 Gegenstand des Unternehmens ist der Holzhandel und Parkettvertrieb. 2.2 Die Gesellschaft ist zu allen Geschäften und Maßnahmen berechtigt, die dem Gesellschaftszweck unmittelbar oder mittelbar zu dienen geeignet sind. Die Gesellschaft kann sich an gleichartigen oder ähnlichen Unternehmen beteiligen, deren Vertretung übernehmen und Zweigniederlassungen errichten.
8§ 3 Gesellschafter; Einlage
93.1 Der persönlich haftende Gesellschafter ist beteiligt mit einem festen Kapitalanteil von 10.000,00 EUR 3.2 Der Kommanditist ist beteiligt mit einem festen Kapitalanteil von 100,00 EUR 3.3 Der Komplementär erbringt seine Einlage dadurch, dass Herr I L sämtliche Aktiva und Passiva sowie alle sonstigen Vermögensgegenstände der Einzelfirma I L e. K. (Amtsgericht Q, HRA 000) gemäß der Bilanz des einzelkaufmännischen Unternehmens zum 31.12.2009 und mit Wirkung zum 31.12.2009, 24:00 Uhr/1.1.2010, 0:00 Uhr auf die Gesellschaft überträgt. Die Sacheinlage wird bis zu einem Wert von 10.000,00 Euro auf die Festeinlage angerechnet. Ein darüber hinausgehender Mehr- oder Minderbetrag ist dem Kapitalkonto II von Herrn I L gutzuschreiben. 3.4 Der Kommanditist erbringt seinen Kapitalanteil in bar. 3.5 Die in das Handelsregister einzutragenden Haftsummen der Kommanditisten entsprechen ihren festen Kapitalanteilen.
10§ 4 Gesellschafterkonten
114.1 Für jeden Gesellschafter wird ein Kapitalkonto I geführt, auf das der eingezahlte/eingebrachte Kapitalanteil des Gesellschafters zu buchen ist. Das Kapitalkonto I ist unverzinslich. 4.2 Daneben wird für jeden Gesellschafter ein Kapitalkonto II geführt. Darauf sind die festgestellten, aber nicht entnahmefähigen Gewinnanteile, etwaige auf ihn entfallende Verluste, von den Gesellschaftern beschlossene nicht entnahmefähige Rücklagen sowie von etwaigen eintretenden Gesellschaftern gezahlte Agios zu buchen. Das Kapitalkonto II ist unverzinslich.
124.3 Außerdem wird für jeden Gesellschafter ein Privatkonto geführt. Darauf werden die entnahmefähigen Gewinnanteile, Tätigkeitsvergütungen, Zinsen und der Zahlungsverkehr mit der Gesellschaft verbucht. Das Privatkonto ist im Soll und Haben mit 5 Prozentpunkten zu verzinsen. Die Zinsen gelten im Verhältnis der Gesellschafter zueinander als Aufwand und Ertrag.
13§ 5 Geschäftsführung; Vertretung
145.1 Zur Geschäftsführung und Vertretung ist der Komplementär berechtigt und verpflichtet. Er ist für Rechtsgeschäfte mit der Gesellschaft von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. 5.2 Macht ein Kommanditist von seinem Widerspruchsrecht nach § 164 HGB Gebrauch, so entscheidet auf Antrag des Komplementärs die Gesellschafterversammlung durch Beschluss über die Vornahme der Handlung.
15§ 6 Vergütung des Komplementärs
166.1 Der Komplementär erhält als Gegenleistung für seine Geschäftsführung eine Vorabvergütung von monatlich 5.000,00 EUR, die zum Ende des jeweiligen Monats fällig ist. Diese Vergütung ist zu Beginn jedes Geschäftsjahres neu festzusetzen. Für die Höhe der Neufestsetzung sind folgende Kriterien maßgebend: - die Entwicklung der Lebenshaltungskosten; - die Entwicklung der Ertragslage der Gesellschaft; - die Entwicklung des Haftungsrisikos des Komplementärs (auch aufgrund veränderter Umsätze). 6.2 Außerdem erstattet die Gesellschaft dem Komplementär sämtliche Auslagen für die Geschäftsführung. 6.3 Die Vergütung des Komplementärs gilt im Verhältnis der Gesellschafter zueinander als Aufwand bzw. Ertrag.
17§ 7 Tätigkeit des Kommanditisten
187.1 Der Kommanditist ist über die Einlage seines Kapitalanteils hinaus verpflichtet, seine Arbeitsleistung einzubringen. Art und Umfang seiner Arbeitsleistung sowie die Vergütung ergeben sich aus dem gesondert abgeschlossenen Anstellungsvertrag vom 01. April 2010. 7.2 Die Vergütung des Kommanditisten gilt im Verhältnis der Gesellschafter zueinander als Aufwand bzw. Ertrag.
19§ 8 Gesellschafterversammlungen
208.1 Gesellschafterversammlungen werden durch den Komplementär einberufen und geleitet. Jährlich findet mindestens eine ordentliche Gesellschafterversammlung statt. ( ...) 8.4 Sind sämtliche Gesellschafter anwesend oder vertreten und mit der Beschlussfassung einverstanden, können Beschlüsse auch dann gefasst werden, wenn die für die Einberufung und Ankündigung geltenden gesetzlichen oder gesellschaftsvertraglichen Vorschriften nicht eingehalten worden sind. 8.5 Die Gesellschafterversammlung ist beschlussfähig, wenn sie ordnungsgemäß einberufen ist und der Komplementär und unabhängig davon mindestens 75 % der Kapitalanteile vertreten sind. ( ...)
21§ 9 Gesellschafterbeschlüsse
229.1 Die Beschlüsse der Gesellschafter werden in Versammlungen gefasst. Außerhalb von Versammlungen können sie, soweit nicht zwingendes Recht eine andere Form vorschreibt, in Textform oder telefonisch gefasst werden, wenn sich jeder Gesellschafter an der Abstimmung beteiligt und kein Gesellschafter dieser Art der Beschlussfassung widerspricht. Über die Beschlüsse ist unverzüglich ein Protokoll entsprechend Ziff. 8.6 zu erstellen und allen Gesellschaftern unverzüglich zuzusenden. 9.2 Ein Gesellschafter hat - sofern nicht der Gesellschaftsvertrag dies an anderer Stelle ausdrücklich vorsieht - nur dann kein Stimmrecht, wenn darüber Beschluss gefasst wird, ob er zu entlasten oder von einer Verbindlichkeit zu befreien ist oder ob die Gesellschaft gegen ihn einen Anspruch geltend machen soll. 9.3 Jede 100,00 EUR eines Kapitalanteils gewähren eine Stimme. 9.4 Gesellschafterbeschlüsse über die folgenden Maßnahmen bedürfen der Zustimmung der Mehrheit der bei Beschlussfassung anwesenden, stimmberechtigten Stimmen: 1. Außerordentliche Geschäftsführungsmaßnahmen, denen ein Kommanditist nach § 164 HGB widersprochen hat; 2. Feststellung des Jahresabschlusses und Beschluss über die Gewinnverwendung. 9.5 Gesellschafterbeschlüsse über die folgenden Maßnahmen bedürfen der Zustimmung einer Mehrheit von 75 % der bei Beschlussfassung anwesenden, stimmberechtigten Stimmen: 1. Änderungen des Gesellschaftsvertrages; 2. Aufnahme neuer, Aufgabe und wesentliche Änderung bestehender Produktions- und Geschäftszweige sowie wesentliche Änderungen der Unternehmensstrategie, der Produktionsverfahren, der Marketing-Strategie und des Vertriebssystems; 3. die Veräußerung des Unternehmens der Gesellschaft als Ganzes oder in Teilen; 4. Abschluss, Änderung und Kündigung von Unternehmensverträgen; 5. Kapitalerhöhungen; 6. alle Maßnahmen, bei denen der Gesellschaftsvertrag dies an anderer Stelle ausdrücklich vorsieht. 9.6 Die Fehlerhaftigkeit von Gesellschafterbeschlüssen kann nur innerhalb eines Monats durch Klageerhebung gegenüber der Gesellschaft geltend gemacht werden. Die Frist beginnt mit Zugang des Protokolls bei dem anfechtungswilligen Gesellschafter. Sie endet auf alle Fälle spätestens sechs Monate nach Beschlussfassung.
23§ 10 Beirat
24Die Gesellschafter können mit 75 % ihrer Stimmen beschließen, dass die Gesellschaft einen Beirat erhält, wie sich dieser zusammensetzt und welche Befugnisse er hat.
25§ 11 Ergebnisverteilung
2611.1 An Gewinn und Verlust sind die Gesellschafter im Verhältnis ihrer festen Kapitalanteile beteiligt. 11.2 Die Gewinnanteile des einzelnen Gesellschafters sind, solange und soweit dessen Kapitalkonto I den Betrag des festen Kapitalanteils nicht erreicht, dem Kapitalkonto I gutzuschreiben. Weitere Gewinnanteile sind, solange und soweit das Kapitalkonto II negativ ist, auf dieses zu buchen. Verbleibende Gewinnanteile werden dem Privatkonto gutgeschrieben. 11.3 Die Gesellschafter können auf Vorschlag des Komplementärs beschließen, dass und in welcher Höhe Gewinnanteile unabhängig von der Regelung in Ziff. 2 Satz 2 den Kapitalkonten II als Rücklagen zugeschrieben werden, wenn dies aus kaufmännischer Sicht erforderlich ist. Der Beschluss bedarf einer Mehrheit von 75 %.
27§ 12 Entnahmen
2812.1 Jeder Gesellschafter darf diejenigen Beträge entnehmen, die er benötigt, um die Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer (einschließlich etwaiger Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag) auf seine Gewinnanteile zu bezahlen. Die Höhe der Einkommensteuer wird durch Anwendung des Spitzensteuersatzes (einschließlich etwaiger Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag) auf seinen Gewinnanteil ermittelt, unabhängig davon, ob Steuern in dieser Höhe anfallen oder nicht. 12.2 Weitere Entnahmen bedürfen der Zustimmung des Komplementärs.
29§ 13 Wettbewerbsverbot; Geheimhaltungspflicht
3013.1 Den Gesellschaftern ist es untersagt, sich außerhalb der Gesellschaft in deren durch Ziff. 2 sachlich und räumlich definiertem Geschäftszweig unmittelbar oder mittelbar wirtschaftlich zu betätigen. Dieses Verbot gilt auch für Beteiligungen jedweder Art an mit der Gesellschaft konkurrierenden Unternehmen und für sonstige unterstützende Tätigkeiten für solche Unternehmen. Es gilt bis zum Ablauf von zwei Jahren nach Ausscheiden des Gesellschafters aus der Gesellschaft. Ergänzend gelten - auch im Verhältnis zu den Kommanditisten - §§ 112, 113 HGB. 13.2 Die Gesellschafter sind verpflichtet, sämtliche Unterlagen, Datenträger und Informationen, die sie durch ihre Beteiligung an und ihre Tätigkeit für die Gesellschaft erhalten, streng vertraulich zu behandeln, Dritten gegenüber geheim zu halten und ausschließlich zum Zwecke der Tätigkeit für die Gesellschaft zu verwenden (Geheimhaltungspflicht). Dies gilt insbesondere auch für die Jahresabschlüsse der Gesellschaft sowie die darin enthaltenen Informationen. Die Geheimhaltungspflicht besteht unabhängig davon, ob die Unterlagen, Datenträger oder Informationen Betriebsgeheimnisse im rechtlichen Sinne sind. Sie besteht nach Ausscheiden aus der Gesellschaft fort und endet erst dann, wenn die betreffenden Informationen offenkundig geworden oder dem Gesellschafter von anderer Seite in befugter Weise zugänglich gemacht worden sind.
31( ...)
32§ 15 Ausschluss von Gesellschaftern
3315.1 Gesellschafter können aus wichtigem Grund aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn 1. gegenüber dem Gesellschafter ein Grund vorliegt, der die anderen Gesellschafter zur Erhebung der Auflösungsklage berechtigen würde; 2. über das Vermögen des Gesellschafters ein gerichtliches Insolvenzverfahren eröffnet oder die Eröffnung eines solchen Verfahrens mangels Masse abgelehnt wird oder der Gesellschafter die Richtigkeit seines Vermögensverzeichnisses an Eides Statt zu versichern hat; 3. in den Gesellschaftsanteil die Zwangsvollstreckung betrieben und diese nicht innerhalb von drei Monaten, spätestens zur Verwertung des Gesellschaftsanteils, aufgehoben wird; 4. der Gesellschafter durch Rechtsnachfolge den Anteil erworben hat, ohne zu dem in Ziff. 14.2 bestimmten Gesellschafterkreis zu gehören; 5. der Gesellschafter gegen die Gesellschaft Auflösungsklage erhebt. 15.2 Der Ausschluss bedarf eines Gesellschafterbeschlusses mit einer Mehrheit von 75 %. Bei der Beschlussfassung steht dem betroffenen Gesellschafter kein Stimmrecht zu.
34( ...)
35§ 17 Geschäftsjahr; Dauer der Gesellschaft; Kündigung
3617.1 Geschäftsjahr ist das Kalenderjahr. Das erste Geschäftsjahr beginnt mit Beginn der Gesellschaft und endet am darauf folgenden 31.12. 17.2 Die Gesellschaft beginnt im Außenverhältnis mit Eintragung im Handelsregister. Im Innenverhältnis der Gesellschafter zueinander beginnt sie am 01.01.2010, spätestens mit Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister. 17.3 Die Gesellschaft wird auf unbestimmte Zeit errichtet. Sie kann von jedem Gesellschafter mit einer Frist von einem Jahr zum Ende eines Geschäftsjahres gekündigt werden. Der Kündigende scheidet aus der Gesellschaft gegen Erhalt einer Abfindung nach Ziff. 16 aus.
37( ...)
38§ 19 Schlussbestimmungen
3919.1 Alle das Gesellschaftsverhältnis betreffenden Vereinbarungen zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform, soweit nicht kraft Gesetzes notarielle Beurkundung vorgeschrieben ist. Dies gilt auch für einen etwaigen Verzicht auf das Schriftformerfordernis. 19.2 Sollten einzelne Bestimmungen dieses Vertrages unwirksam sein oder werden, wird hierdurch die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen nicht berührt. Anstelle der unwirksamen Bestimmung gilt diejenige wirksame Bestimmung als vereinbart, die dem Sinn und Zweck der unwirksamen Bestimmung am nächsten kommt. Im Falle von Lücken gilt diejenige Bestimmung als vereinbart, die dem entspricht, was nach Sinn und Zweck dieses Vertrages vereinbart worden wäre, hätte man die Angelegenheit von vornherein bedacht.
40( ...)"
41Der Kläger zu 1) absolvierte zunächst vom 1.8.2007 bis zum 31.1.2010 in der Fa. I L e. K. eine Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann und arbeitete im Anschluss daran als kaufmännischer Angestellter dort. Seit dem 1.5.2010 ist er in der Unternehmensführung auf der Grundlage eines Vertrages vom 1.4.2010 tätig, der auszugsweise lautet:
42"§ 1 Aufgabenbereich
43Der Kommanditist vertritt neben dem persönlich haftenden Gesellschafter die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich. Er führt die Geschäfte der Gesellschaft und hat die verantwortliche Leitung des gesamten Geschäftsbetriebes.
44Die Rechte und Pflichten des Kommanditisten ergeben sich, soweit dieser Vertrag nichts anderes bestimmt, aus dem Gesellschaftsvertrag der L KG und den Gesetzen, insbesondere dem HGB.
45§ 2 Vertragsdauer/Beendigung
46Dieser Vertrag beginnt am 01.05.2010 und wird auf unbestimmte Dauer geschlossen. Der Vertrag endet mit Ablauf des Quartals, in dem die Kommanditistenstellung endet. Hiervon unberührt bleibt das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund.
47§ 3 Vertretungsbefugnis
48Der Kommanditist ist neben dem alleinvertretungsberechtigten Komplementär ebenfalls alleinvertretungsberechtigt.
49§ 4 Arbeitszeit
50Der Kommanditist ist an bestimmte Arbeitszeiten nicht gebunden.
51§ 5 Bezüge
52Der Kommanditist erhält als Vergütung für seine Tätigkeit eine monatliche Vergütung in Höhe von Euro 5.000,00; diese Tätigkeitsvergütung ist zahlbar am Ende eines jeden Monats.
53§ 6 Dienstwagen
54Der Kommanditist dieses Vertrages erhält einen Firmenwagen, der auch zu privaten Zwecken benutzt werden darf. Die auf die private Nutzung entfallende Steuer trägt der Kommanditist.
55§ 7 Spesen und Auslagen
56Dem Kommanditisten werden Reisekosten und sonstige Aufwendungen, soweit diese im Interesse der Gesellschaft notwendig waren, gegen Einzelnachweise erstattet. Tages- und Übernachtungsgelder können nach Wahl von dem Kommanditisten auch im Rahmen der jeweils steuerlich zulässigen Sätze pauschal abgerechnet werden.
57Der Kommanditist darf die erste Klasse der Bahn, bei Flugreisen die Business Class benutzen.
58§ 8 Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall
59Bei Arbeitsverhinderung des Geschäftsführers wegen Krankheit wird die Vergütung als Vorabgewinn weiter gezahlt.
60§ 9 Urlaub
61Dem Kommanditisten wird in Ansehung seiner Unternehmensnachfolgeposition ein Urlaub nach pflichtgemäßem Ermessen zugestanden.
62§ 10 Nebentätigkeit
63Der Kommanditist hat der Gesellschaft sein Wissen und Können und seine gesamte Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen.
64§ 11 Beschlussbestimmung
65Sollte eine der Bestimmungen dieser Vereinbarung unwirksam sein oder werden, so wird die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen hiervon nicht berührt. Die Parteien verpflichten sich, die unwirksame Bestimmung durch eine Vereinbarung zu ersetzen, die der unwirksamen Bestimmung in Interessenlage und Bedeutung möglichst nahe kommt. Entsprechendes gilt für den Fall, dass die Regelungen dieses Vertrages eine von den Vertragsparteien nicht beabsichtigte Lücke aufweisen."
66Bis zum 30.4.2010 bestand für den Kläger zu 1) eine gesetzliche Krankenversicherung bei der Beigeladenen zu 1). Seitdem ist er bei der T privat krankenversichert.
67Am 11.5.2011 beantragte der Kläger zu 1) bei der Beklagten die Statusfeststellung. Im Feststellungsbogen gab er unter anderem an, 2010 die allgemeine Jahresarbeitsentgeltgrenze überschritten zu haben und sie voraussichtlich 2011 erneut zu überschreiten. Im Formular für mitarbeitende Angehörige teilte er ein regelmäßiges monatliches Arbeitsentgelt i.H.v. 6.000,00 Euro brutto sowie eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 60 Stunden an 6 Arbeitstagen mit. Auf die Frage: "Wird die Tätigkeit aufgrund einer mündlichen oder schriftlichen arbeitsvertraglichen Vereinbarung ausgeübt?" kreuzte er "ja" an. Er sei nicht wie eine Arbeitskraft in den Betrieb eingegliedert und nicht an Weisungen des Betriebsinhabers über die Ausführungen der Arbeit gebunden. Die Frage "Hätte ohne die Mitarbeit des Angehörigen eine andere Arbeitskraft eingestellt werden müssen?" verneinte er und fügte den Begriff "Unternehmensnachfolge" hinzu. Die Privatentnahme/Tätigkeitsvergütung werde regelmäßig auf sein Privatkonto überwiesen und entspreche nicht dem tariflichen oder ortsüblichen Lohn, wobei er als Grund "Gewinnverteilungsabrede" angab. Lohnsteuer werde auf diese nicht entrichtet, auch werde sie nicht als Betriebsausgabe verbucht. Er habe dem Betrieb weder Darlehen gewährt noch Bürgschaften oder sonstige Sicherheiten für diesen übernommen. Die Vermögenswerte des Betriebes stünden nicht in seinem (Mit-)Eigentum. Er sei schließlich auch nicht Verpächter, Vermieter oder Überlassender der Betriebsstätte.
68Mit Schreiben vom 30.6.2011 hörte die Beklagte daraufhin die Kläger zur beabsichtigten Feststellung des Vorliegens einer abhängigen Beschäftigung an. Daraufhin ließen die Kläger durch ihre Steuerberater vortragen, dass derzeit der Gesellschaftsvertrag unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse seit dem 1.5.2010 überarbeitet werde, um die gesellschaftsrechtliche Stellung des Klägers zu 1) als Unternehmensnachfolger in weisungsgebender Funktion noch deutlicher zum Ausdruck zu bringen. Im Übrigen sprächen bereits jetzt die tatsächlichen Verhältnisse gegen eine abhängige Beschäftigung. Eine Weisungsgebundenheit bestehe nicht. Der Kläger zu 1) sei nicht wie eine fremde Arbeitskraft in den Betrieb der Klägerin zu 2) eingegliedert.
69Mit Schreiben vom 28.7.2011 legten die Kläger einen Gesellschaftsvertrag vom 27.7.2011 vor, der in folgenden Punkten von dem vorherigen abweicht:
70"( ...)
71§ 3 Gesellschafter; Einlage
723.1 Der persönlich haftende Gesellschafter ist beteiligt mit einem festen Kapitalanteil von 10.000,00 EUR 3.2 Der Kommanditist ist beteiligt mit einem festen Kapitalanteil von 10.000,00 EUR 3.3 Der Komplementär hat seine Einlage dadurch erbracht, dass Herr I L sämtliche Aktiva und Passiva sowie alle sonstigen Vermögensgegenstände der Einzelfirma I L e. K. (Amtsgericht Q, HRA 000) gemäß der Bilanz des einzelkaufmännischen Unternehmens zum 31.12.2009 und mit Wirkung zum 31.12.2009, 24:00 Uhr/1.1.2010, 0.00 Uhr auf die Gesellschaft übertragen hat. Die Sacheinlage wurden bis zu einem Wert von 10.000,00 Euro auf die Festeinlage angerechnet. Ein darüber hinausgehender Mehr- oder Minderbetrag ist dem Kapitalkonto II von Herrn I L gutzuschreiben.
73( ...)
74§ 5 Geschäftsführung; Vertretung
755.1 Zur Geschäftsführung und Vertretung ist der Komplementär berechtigt und verpflichtet. Er ist alleinvertretungsberechtigt und für Rechtsgeschäfte mit der Gesellschaft von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Die Rechte und Pflichten des Kommanditisten zur Geschäftsführung und Vertretung ergeben sich aus § 7.1 dieses Vertrages; ihm wird Prokura erteilt.
76( ...)
77§ 6 Vergütung des Komplementärs
786.1 Der Komplementär erhält als Gegenleistung für seine Geschäftsführung eine Vorabvergütung auf den Gewinn von monatlich 5.000,00 EUR, die zum Ende des jeweiligen Monats fällig ist. Diese Vergütung ist zu Beginn jedes Geschäftsjahres neu festzusetzen. Für die Höhe der Neufestsetzung sind folgende Kriterien maßgebend: - die Entwicklung der Lebenshaltungskosten; - die Entwicklung der Ertragslage der Gesellschaft; - die Entwicklung des Haftungsrisikos des Komplementärs (auch aufgrund veränderter Umsätze). 6.2 Außerdem erstattet die Gesellschaft dem Komplementär sämtliche Auslagen für die Geschäftsführung.
796.3 (gestrichen)
80§ 7 Tätigkeit und Vergütung des Kommanditisten
817.1 Der Kommanditist ist über die Einlage seines Kapitalanteils hinaus verpflichtet, seine Arbeitsleistung einzubringen: Dabei führt er die Geschäfte der Gesellschaft gemäß § 5 dieses Vertrages und entgegen den Bestimmungen des § 164 S. 1 HGB selbständig neben dem Komplementär und übernimmt die verantwortliche Leitung des gesamten Geschäftsbetriebs. Dem Kommanditisten wird Prokura erteilt; er vertritt die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich, soweit § 170 HGB dem nicht entgegensteht; ihm wird Alleinvertretungsberechtigung eingeräumt und er ist von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Der Kommanditist arbeitet weisungsfrei, bei der Gestaltung seiner Arbeitszeiten ist er frei. Der Anstellungsvertrag vom 01.04.2010 ist gegenstandlos. 7.2 Der Kommanditist erhält als Gegenleistung für seine Tätigkeit eine Vorabvergütung auf den Gewinn in Höhe von monatlich 5.000,- EUR, welche zum Ende des jeweiligen Monats fällig ist. Diese Vergütung ist zu Beginn jedes Geschäftsjahrs neu festzusetzen. Für die Höhe der Neufestsetzung sind folgende Kriterien maßgebend: - die Entwicklung der Lebenshaltungskosten; - die Entwicklung der Ertragslage der Gesellschaft.
82Außerdem erstattet die Gesellschaft dem Kommanditisten sämtliche Auslagen für die Geschäftsführung.
83( ...)
84§ 9 Gesellschafterbeschlüsse
85( ...)
869.5 Gesellschafterbeschlüsse über die folgenden Maßnahmen bedürfen der Zustimmung einer Mehrheit von 75 % der bei Beschlussfassung anwesenden, stimmberechtigten Stimmen: ( ...) 6. Aufnahme neuer Gesellschafter; 7. alle Maßnahmen, bei denen der Gesellschaftsvertrag dies an anderer Stelle ausdrücklich vorsieht.
87§ 11 Ergebnisverteilung
88( ...)
8911.2 Die Gesellschafter können auf Vorschlag eines Gesellschafters beschließen, ob und in welcher Höhe Gewinnanteile unabhängig von der Regelung in § 2 Satz 2 dieses Vertrages den Kapitalkonten II als Rücklagen zugeschrieben werden, wenn dies aus kaufmännischer Sicht erforderlich ist. Der Beschluss bedarf einer Mehrheit von 75 %.
9011.3 (gestrichen)
91§ 12 Entnahmen
92( ...)
9312.2 Weitere Entnahmen bedürfen der Zustimmung der Gesellschafterversammlung.
94§ 19 Schlussbestimmungen
95( ...)
9619.3 Die Änderungen dieses Vertrages gelten mit Ausnahme der für ihre Wirksamkeit zwingend in das Handelsregister einzutragenden Sachverhalte rückwirkend ab dem 01.05.2010.
97( ...)"
98Durch an den Kläger zu 1) und die "Fa. L e. K., vertreten durch den Komplementär" adressierte Bescheide vom 27.9.2011 stellte die Beklagte fest, dass die Tätigkeit des Klägers zu 1) als mitarbeitender Gesellschafter bei der Klägerin zu 2) seit dem 1.5.2010 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde und somit Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung bestehe. In der Gesamtwürdigung überwögen die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Der Kläger zu 1) verfüge aufgrund seines Anteiles am Stammkapital nicht über einen maßgebenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft. Beschlüsse der Klägerin zu 2) würden mit einfacher Mehrheit bzw. einer Mehrheit von 75 % gefasst. Der Komplementär habe sich den maßgeblichen Einfluss innerhalb der Gesellschaft vorbehalten. Eine Sperrminorität sei nicht gegeben. Der Kläger zu 1) sei zwar als Geschäftsführer eingestellt, verfüge jedoch nicht als Einziger über die zur Führung des Unternehmens notwendigen Branchenkenntnisse. Zudem sei ein Anstellungsvertrag geschlossen worden, den insbesondere eine feste monatliche Tätigkeitsvergütung kennzeichne. Demgegenüber bestehe eine Gestaltungsfreiheit hinsichtlich Zeit, Ort und Art der Tätigkeit sowie eine Gewinnbeteiligung, es bleibe aber eine Eingliederung in einen fremdbestimmten Betrieb prägend.
99Hiergegen legten die Kläger am 24.10.2011 Widerspruch ein. Die Bescheide seien bereits formell rechtswidrig. In dem Bescheid an den Kläger zu 1) habe die Beklagte darauf abgestellt, dass die Gesellschaftsvertragsänderung nur mit einer notariellen Bestätigung zu berücksichtigen sei. Diese Auffassung sei zum einen gesellschaftsvertragsrechtlich unzutreffend und hätte zum anderen Grund für eine erneute Anhörung gegeben. Im weiteren Bescheid an die Klägerin zu 2) sei übersehen worden, dass die Stellungnahme auf die Anhörung hin auch im Namen derselben erfolgt sei. Überdies sei der Bescheid an die Fa. I L e. K. adressiert worden. In materiell-rechtlicher Hinsicht habe die Beklagte fehlerhaft die Besonderheiten einer Familiengesellschaft nicht berücksichtigt. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) müsse ein Weisungsrecht nach Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsausführung bestehen. Ein solches werde in Familiengesellschaften regelmäßig - wie hier - aus familiärer Rücksichtnahme nicht ausgeübt. Zwischen dem Kläger zu 1) und dem Komplementär der Klägerin zu 2) bestehe ein vollständiges Einvernehmen. Die ursprüngliche Verteilung der Geschäftsanteile habe allein den Hintergrund gehabt, dass im Falle eines Verlustes dieser steuerlich gegen die Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung des Komplementärs hätten gegengerechnet werden können. Keineswegs sei beabsichtigt gewesen, ein Weisungsrecht gegenüber dem Kläger zu 1) zu begründen. Der Komplementär habe sich vielmehr aufgrund des Erreichens des Renteneintrittsalters aus dem Unternehmen zurückziehen wollen. Die formaljuristisch bestehende Möglichkeit, auf der Grundlage des ursprünglichen Gesellschaftsvertrages Gesellschafterbeschlüsse gegen den Willen des Klägers zu 1) herbeizuführen, sei weder beabsichtigt noch praktiziert worden. Tatsächlich stehe ihm der Komplementär seit dem 1.5.2010 nur noch beratend zur Seite. Der Kläger zu 1) könne Verträge und Aufträge ohne Beschränkung und Abstimmung namens der Gesellschaft abschließen bzw. vergeben.
100Daraufhin half die Beklagte durch an die Kläger adressierte Bescheide vom 23.12.2011 dem Widerspruch teilweise ab, indem sie die Ausgangsbescheide mit Wirkung ab dem 27.7.2011 aufhob. Die Verhältnisse hätten sich nun so maßgeblich geändert, dass eine Eingliederung des Klägers zu 1) in die Arbeitsorganisation der Klägerin zu 2) nicht mehr vorliege.
101Den Widerspruch im Übrigen wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheide vom 10.5.2012 als unbegründet zurück. Es hätten sich gegenüber den Ausgangsbescheiden keine neuen Erkenntnisse für den Zeitraum vom 1.5.2010 bis zum 26.7.2011 ergeben.
102Hiergegen haben die Kläger am 13.6.2012 Klage zum Sozialgericht (SG) Detmold erhoben.
103Sie haben zur Begründung ihr vorheriges Vorbringen vertieft und ergänzend im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte verkenne die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Familiengesellschaft. Vor diesem Hintergrund sei der Einzelfall unzureichend und im Ergebnis falsch gewürdigt worden. Die Frage familiärer Besonderheiten besitze gerade dort Relevanz, wo ein Minderheitsgesellschafter in der Gesellschaft mitarbeite. Zwar habe der Kläger zu 1) nicht die alleinigen Branchenkenntnisse besessen, aufgrund des Rückzuges des Vaters aus dem Betrieb habe er diesen jedoch allein geführt. Die Beklagte habe zudem die Motivationslage nach wie vor nicht aufgeklärt. Das unternehmerische Risiko des Klägers zu 1) liege darin, dass die Entnahmen gesellschaftsrechtlich der Gefahr des Verlustes ausgesetzt seien. Das Indiz der Stimmenverteilung nach dem Wortlaut des ursprünglichen Gesellschaftsvertrages sei durch die tatsächlichen Verhältnisse widerlegt. Dieser sei überdies auszulegen, zumal ein Personengesellschaftsvertrag grundsätzlich formfrei sei und auch jederzeit formfrei geändert werden könne. Nach dem Rechtsgrundsatz "falsa demonstratio non nocet" genieße das tatsächlich Gewollte Vorrang vor dem schriftlich Niedergelegten. Es könne nicht ernsthaft davon ausgegangen werden, dass der Wortlaut des Gesellschaftsvertrages im Hinblick auf die Verteilung der Stimmenmehrheit dem zum damaligen Zeitpunkt tatsächlich Gewollten entsprochen habe. Vielmehr sei eine Stimmenmehrheit des Komplementärs und die Möglichkeit, den Kläger zu 1) zu überstimmen, tatsächlich gerade nicht gewollt gewesen. Dass die Verteilung der Stimmenanteile im Verhältnis 100:1 offensichtlich nicht dem Willen der Vertragsparteien entsprochen habe, zeige sich auch an der Änderung des Wortlautes und der Stimmenverteilung, nachdem die Kläger die Abweichung von Wortlaut und tatsächlich Gewolltem erkannt hatten. Zudem sei kein Ausgleich im Innenverhältnis nach der Vertragsanpassung erfolgt, was ebenfalls belege, dass nun das ursprünglich Gewollte schriftlich niedergelegt worden sei.
104Die Kläger haben schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
105unter Abänderung der Bescheide vom 27.9.2011 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 23.12.2011 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 10.5.2012 festzustellen, dass die Tätigkeit des Klägers zu 1) als mitarbeitender Kommanditist bei der Klägerin zu 2) in der Zeit vom 1.5.2010 bis zum 26.7.2011 im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit ausgeübt wurde und keine Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht.
106Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
107die Klage abzuweisen.
108Sie hat Bezug genommen auf die Begründung ihrer Bescheide und Widerspruchsbescheide und ergänzend im Wesentlichen ausgeführt: Die Nichtausübung des Weisungsrechts durch den Komplementär sei unbeachtlich, solange die Rechtsposition nicht wirksam abbedungen worden sei. Dies gelte auch in Fällen enger Verwandtschaftsverhältnisse zwischen den Beteiligten. Es handele sich hier um einen in der betrieblichen Praxis nicht untypischen Entwicklungsprozess des Hineinwachsens eines jüngeren Familienangehörigen in die Unternehmensnachfolge.
109Durch Beschluss vom 8.11.2012 sind die Beigeladenen zu 1) bis 2) zum Verfahren beigeladen worden.
110Der Rechtsstreit ist mit den Beteiligten am 29.5.2013 erörtert worden. Sie haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
111Durch Urteil vom 25.10.2013 hat das SG ohne mündliche Verhandlung der Klage teilweise stattgegeben und die angefochtenen Bescheide insoweit abgeändert, als die Beklagte darin die Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung vom 1.1.2011 bis zum 26.7.2011 festgestellt hatte. Für das Jahr 2011 bestehe wegen des Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze Versicherungsfreiheit in diesen Zweigen der Sozialversicherung. Im Übrigen hat das SG die Klage unter Annahme einer abhängigen Beschäftigung abgewiesen. Der Anstellungsvertrag vom 1.4.2010 und der Gesellschaftsvertrag vom 13.4.2010 rechtfertigten diese in der Gesamtschau. Die vorhandene Rechtsmacht entfalle auch nicht dadurch, dass in "ruhigen Zeiten" von ihr aus familiärer Rücksichtnahme kein Gebrauch gemacht werde. Im Übrigen wird auf den Inhalt der Entscheidungsgründe Bezug genommen.
112Am 31.10.2013 ist das Urteil den Klägerbevollmächtigten zugestellt worden. Daraufhin haben die Kläger zunächst am 14.11.2013 einen Antrag auf Tatbestandsberichtigung gestellt und sodann am 29.11.2013 Berufung eingelegt. Das SG hat den Antrag durch Beschluss vom 15.12.2013 abgelehnt.
113Die Kläger tragen zur Begründung ihrer Berufung unter Vertiefung ihres vorherigen Vortrages vor: Die Rechtsauffassung der Beklagten und des SG beruhe - abgesehen von einer Verletzung der Amtsermittlungspflicht - auf einem zentralen Missverständnis. Nach den Vorgaben des Gesetzgebers und der Rechtsprechung komme es darauf an, ob der Kläger zu 1) weisungsfrei arbeiten könne oder nicht. Für diese tatsächliche Frage sei auf den Willen der Beteiligten abzustellen. Denn die Weisungsabhängigkeit könne sich ausschließlich aus den getroffenen vertraglichen Vereinbarungen ergeben. Insoweit folge das Sozialrecht dem Zivilrecht. Dort bestehe der Vorrang des von den Parteien wirklich Gewollten vor dem schriftlich Niedergelegten. Gewollt gewesen sei eine Kapitalmehrheit des Vaters des Klägers zu 1), nicht jedoch eine Stimmenmehrheit. Der Fehler beruhe auf der Verwendung eines Vertragsmusters, bei dessen Anpassung die Differenzierung übersehen worden sei. Aufgrund der von Anfang an gewollten Stimmenverteilung nach Kopfteilen entfalle die Annahme eines Weisungsrechtes. Dafür sprächen zudem die sonstigen Umstände. Die Entnahme von 5.000,00 Euro pro Monat stelle auch vor dem Hintergrund der Pflicht zur Einbringung seiner Arbeitsleistung kein festes Gehalt des Klägers zu 1) dar. Schließlich habe das BSG seine jahrzehntelange Rechtsprechung zur Familiengesellschaft noch nicht ausdrücklich aufgegeben. Die Rechtsprechung aus dem Jahre 2012 sei überdies 2010 noch nicht bekannt gewesen, die Beklagte müsse sich daher zumindest in einem solchen Altfall an der früheren Rechtsprechung festhalten lassen.
114Die Kläger beantragen,
115das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 25.10.2013 zu ändern und unter Aufhebung der Bescheide der Beklagten vom 27.9.2011 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 23.12.2011 in der Gestalt der Widerspruchbescheide vom 10.5.2012 festzustellen, dass für die Tätigkeit des Klägers zu 1) bei der Klägerin zu 2) als mitarbeitender Kommanditist im Zeitraum vom 1.5.2010 bis zum 31.12.2010 keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung, der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung und im Zeitraum vom 1.1.2011 bis zum 26.7.2011 keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung bestanden hat.
116Die Beklagte beantragt,
117die Berufung zurückzuweisen.
118Die Beklagte tritt der Berufung entgegen und verteidigt das erstinstanzliche Urteil, soweit darin die Klage abgewiesen worden ist. Die neuere Rechtsprechung des BSG habe die Bedeutung der Rechtsmacht in Familiengesellschaften bestätigt und betreffe auch den Fall der Kläger.
119Die Beigeladenen zu 1) bis 2) sowie die durch Beschluss vom 3.6.2014 verfahrensbeteiligte Beigeladene zu 3) stellen keine Anträge.
120Der Rechtsstreit ist am 24.9.2014 mündlich verhandelt worden. Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Notars T und des Steuerberaters M.
121Die Beklagte hat den angefochtenen Bescheid im Verhandlungstermin im Umfang der ausdrücklichen Feststellung der abhängigen Beschäftigung aufgehoben.
122Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, insbesondere die Sitzungsniederschriften, und der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
123Entscheidungsgründe:
124Der Senat hat in Abwesenheit der Beigeladenen zu 1) bis 3) verhandeln und entscheiden können, da er sie mit den ordnungsgemäßen Terminsnachrichten auf diese Möglichkeit hingewiesen hat.
125I. Die Berufung der Kläger ist zulässig. Sie ist insbesondere gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft sowie form- und fristgerecht erhoben worden (§§ 151 Abs. 1, 64 Abs. 2, Abs. 3 SGG). Die vollständige Entscheidung ist den Klägerbevollmächtigten am 31.10.2013 zugestellt worden. Die Berufungsschrift ist bei dem erkennenden Gericht am 29.11.2013 eingegangen.
126II. Die Berufung ist jedoch unbegründet.
127Streitgegenstand sind die Bescheide vom 27.9.2011 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 23.12.2011 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 10.5.2012 sowie des Urteils vom 25.10.2013, soweit es mangels (Anschluss-)Berufung der Beklagten in Rechtskraft erwachsen ist.
128Die gegen diese Bescheide in zulässiger Weise erhobene Anfechtungs- und die auf Feststellung des Nichtbestehens der Versicherungspflicht des Klägers zu 1) in der gesetzlichen Krankenversicherung, sozialen Pflegeversicherung, gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung vom 1.5.2010 bis zum 31.12.2010 und zur gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung vom 1.1.2011 bis zum 26.7.2011 gerichtete Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
1291. Die angefochtenen Bescheide vom 27.9.2011 sind formell rechtmäßig.
130Es kann letztlich dahingestellt bleiben, ob der Bescheid vom 27.9.2011, gerichtet an "I L e.K." eine ordnungsgemäße Bekanntgabe im Sinne von § 39 Abs. 1 SGB X gegenüber der Klägerin zu 2) darstellt. Denn jedenfalls sind die nachfolgenden Bescheide, welche die nunmehr zur Entscheidung stehenden Regelungen beinhalten, unstreitig ordnungsgemäß bekannt gegeben worden.
131Ein Anhörungsmangel (§ 24 Abs. 1 SGB X) ist nicht ersichtlich. Auch wenn die Beklagte ausweislich der Begründung des Ausgangsbescheides verkannt hat, dass die Stellungnahme der Steuerberater im Anhörungsverfahren im Auftrag beider Kläger erfolgt ist, so hat sie sich inhaltlich damit auseinandergesetzt.
1322. Die streitgegenständlichen Bescheide sind auch materiell rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht nach § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG in ihren Rechten. Denn die Beklagte hat zu Recht nach § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV bezüglich der von dem Kläger zu 1) ausgeübten Beschäftigung als mitarbeitender Kommanditist der Klägerin zu 2) seine Versicherungspflicht zur gesetzlichen Krankenversicherung, sozialen Pflegeversicherung, gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung vom 1.5.2010 bis zum 31.12.2010 und zur gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung vom 1.1.2011 bis zum 26.7.2011 angenommen. Das SG hat die Klage insoweit zu Recht abgewiesen.
133Die Versicherungspflicht des Klägers zu 1) in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung ergibt sich aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI), § 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) und § 25 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III), da er in den Streitzeiträumen bei der Klägerin zu 2) gegen Arbeitsentgelt abhängig beschäftigt gewesen ist.
134Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (st. Rspr.; vgl. zum Ganzen z.B. BSG, Urteil v. 29.8.2012, B 12 R 14/10 R, USK 2012-82; BSG, Urteil v. 25.4.2012, B 12 KR 24/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 15; BSG, Urteil v. 11.3.2009, B 12 KR 21/07 R, USK 2009-25; BSG, Urteil v. 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 20; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung: BVerfG, Beschluss vom 20.5.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr. 11).
135Bei der Feststellung des Gesamtbilds kommt dabei den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zu (vgl. BSG, Urteil v. 29.8.2012, a.a.O., juris; ebenso Urteil v. 25.1.2006, B 12 KR 30/04 R, USK 2006-8; Urteil v. 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R, Die Beiträge, Beilage 2008, 333, 341 f.): Nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen sind die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urteil v. 28.9.2011, B 12 R 17/09 R, juris; Senat, Urteil v. 29.6.2011, L 8 (16) R 55/08, juris).
136Nach diesen Grundsätzen ist auch zu beurteilen, ob der Geschäftsführer einer KG zu dieser in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht (BSG, Urteil v. 29.8.2012, a.a.O.). Der neben dem Komplementär mit der Geschäftsführung betraute Kommanditist einer KG ist dabei weder wegen seiner Organstellung noch deshalb von einer abhängigen Beschäftigung ausgeschlossen, weil er gegenüber Arbeitnehmern der KG Arbeitgeberfunktionen ausübt. Denn auch wer Arbeitgeberfunktionen ausübt, kann seinerseits bei einem Dritten persönlich abhängig beschäftigt sein. Maßgebend ist vor allem die Bindung des geschäftsführenden Kommanditisten an das willensbildende Organ, in der Regel die Gesamtheit der Gesellschafter (vgl. zum GmbH-Gesellschafter BSG, Urteil v. 6.3.2003, B 11 AL 25/02 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 1 m.w.N.). Insoweit ist von besonderer Bedeutung, ob ein geschäftsführender Kommanditist aufgrund seiner Gesellschafterstellung maßgeblichen Einfluss auf die Willensbildung der KG hat und damit Beschlüsse und Einzelweisungen an sich jederzeit verhindern kann (vgl. zum GmbH-Gesellschafter BSG, Urteil v. 8.8.1990, 11 RAr 77/89, SozR 3-2400 § 7 Nr. 4). Ist dies der Fall, ist ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu verneinen, weil der geschäftsführende Kommanditist mit Hilfe seiner Gesellschafterrechte die für das Beschäftigungsverhältnis typische Abhängigkeit vermeiden kann (vgl. zum GmbH-Gesellschafter BSG, Urteil v. 6.2.1992, 7 RAr 134/90, SozR 3-4100 § 104 Nr. 8). Darüber hinaus ist von Bedeutung, ob sein Einfluss auf die Willensbildung der KG aufgrund besonderer Einzelfallumstände unabhängig von seiner Gesellschafterstellung so erheblich ist, dass ihm gegenüber nicht genehme Beschlüsse und jede Weisung ausgeschlossen sind und er die Geschäfte nach eigenem Gutdünken führen, d.h. frei schalten und walten kann. Dann ist eine persönliche Abhängigkeit auch bei Diensten höherer Art zu verneinen, weil die Gesellschafter tatsächlich keinerlei Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft nehmen und sich der Geschäftsführer nur in die von ihm selbst gegebene Ordnung des Betriebes einfügt (BSG, Urteil v. 14.12.1999, B 2 U 48/98 R, USK 9975; BSG, Urteil vom 11.2.1993, 7 RAr 48/92, USK 9347; vgl. insgesamt: Senat, Urteil vom 17.10.2012, L 8 R 545/11, juris).
137Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze spricht unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls sowohl in vertraglicher als auch in tatsächlicher Hinsicht überwiegendes dafür, dass der Kläger zu 1) vom 1.5.2010 bis zum 27.7.2011 bei der Klägerin zu 2) im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses tätig gewesen ist.
138a) Ausgangspunkt der Prüfung ist der Vertrag vom 1.4.2010, der das Vertragsverhältnis zwischen den Klägern bestimmt. Hierbei handelt es sich der Sache nach um einen Anstellungsvertrag und nicht um eine gesellschaftsvertragliche Regelung.
139Für dieses Verständnis des Vertrages sprechen zunächst § 7.1 Satz 2 des Gesellschaftsvertrages vom 13.4.2010, wonach Art und Umfang der "Arbeitsleistung" des Klägers zu 1) sowie seine Vergütung sich "aus dem gesonderten abgeschlossenen Anstellungsvertrag vom 01. April 2010" ergeben sowie § 1 Abs. 2 des auf diese Weise in Bezug genommenen Vertrages vom 1.4.2010, wonach sich die Rechte und Pflichten des Klägers zu 1) aus dem Gesellschaftsvertrag ergeben, "soweit dieser Vertrag" - gemeint ist derjenige vom 1.4.2010 - nichts anderes bestimmt.
140Soweit § 1 Abs. 1 Satz 1 des Vertrages vom 1.4.2010 dem Kläger zu 1) die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung der Gesellschaft neben dem persönlich haftenden Gesellschafter einräumt und ihm daher offenbar eine organschaftliche Stellung verschaffen soll, ist dies im Hinblick auf § 170 HGB, wonach der Kommanditist zur Vertretung der Gesellschaft nicht berechtigt ist, unwirksam.
141Soweit der Kläger zu 2) nach § 1 Abs. 1 Satz 2 des Vertrages vom 1.4.2010 die Geschäfte der Gesellschaft führt und die verantwortliche Leitung des gesamten Geschäftsbetriebes innehat, mag dies auf § 164 HGB hinzielen, wonach Kommanditisten von der Führung der Geschäfte der Gesellschaft ausgeschlossen sind. Unabhängig von der Frage der Wirksamkeit dieser Regelung spricht jedenfalls der Umstand, dass sie außerhalb des Gesellschaftsvertrages getroffen worden ist, dagegen, dass eine Ausweitung der gesellschaftsrechtlichen Befugnisse des Klägers zu 1) beabsichtigt war, sondern vielmehr die Begründung eines Anstellungsvertrages.
142Die weiteren Regelungen des Vertrages vom 1.4.2010 enthalten überwiegend arbeitsvertragstypische Elemente. Das gilt für die Vereinbarung fester Bezüge (§ 5), die nur für den Fall der Krankheit als Vorabgewinn gezahlt werden (§ 8), die Dienstwagenregelung (§ 6), den Anspruch auf Ersatz von Spesen und Auslagen (§ 7), die grundsätzliche Einräumung eines Urlaubsanspruchs (§ 9) und die Nebentätigkeitsregelung (§ 10). Die darin geregelte Verpflichtung des Klägers zu 1), der Klägerin zu 2) seine gesamte Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen, relativiert im Übrigen § 4, wonach er an bestimmte Arbeitszeiten nicht gebunden ist. § 4 ist insoweit Ausfluss des Umstandes, dass der Kläger zu 1) Tätigkeiten höherer Art leistet, bei denen die Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers von vornherein eingeschränkt und zur dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert ist (vgl. BSG, Urteil v. 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 20; Senat, Urteil v. 17.10.2012, L 8 R 545/11, juris). Auch bei leitenden Angestellten ist eine Vertrauensarbeitszeit keineswegs unüblich. Bei dem vom Kläger zu 1) im Feststellungsbogen angegebenen zeitlichen Umfang seiner Tätigkeit von 60 Stunden pro Woche bedarf es auch keiner näheren Weisungen zur Lage der Arbeitszeit mehr.
143b) Auf dieser vertraglichen Grundlage ist der Kläger zu 1) (auch) ab dem 1.5.2010 in einem fremden Betrieb, nämlich dem der Klägerin zu 2), tatsächlich tätig geworden. Während dieser Tätigkeit war er umfassend in den Betrieb und folglich in eine ihm vorgegebene Organisation eingegliedert. Der Kläger zu 1), der verpflichtet war, der Klägerin zu 2) seine gesamte Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen, ist ausschließlich ausgehend von den Betriebsräumen der Klägerin zu 2) mit den dort vorgehaltenen Betriebsmitteln und unter Nutzung der betrieblichen Infrastruktur tätig geworden. Hierbei unterlag er einem Weisungsrecht der Klägerin zu 2) bezüglich Ort, Zeit sowie Art und Weise der Tätigkeit, da der Gesellschafterversammlung der Klägerin zu 2) die insoweit maßgebliche abstrakte Rechtsmacht zustand.
144aa) Nach § 9 Ziff. 9.3 des Gesellschaftsvertrages gewähren je 100 EUR eines Kapitalanteils eine Stimme. Gesellschafterbeschlüsse werden entweder - in den Fällen von § 9 Ziff. 9.4. - mit einfacher Mehrheit oder - in den Fällen von § 9 Ziff. 9.5. - mit einer Mehrheit von 75 % der Stimmen gefasst. Auf der Grundlage der in § 3 geregelten Kapitalanteile verfügten im Streitzeitraum der Kläger zu 1) mithin über eine Stimme, der Komplementär der Klägerin zu 2) über 100 Stimmen (entsprechend 99,01 %). Unabhängig von einfachen oder qualifizierten Mehrheitserfordernissen hatte der Komplementär der Klägerin zu 2) damit die Rechtsmacht, sämtliche Entscheidungen der Gesellschafterversammlung auch gegen den Willen des Klägers zu 1) zu bestimmen und dementsprechend diesem auch in seiner Eigenschaft als Mitarbeiter der Klägerin zu 2) nicht genehme Weisungen zu erteilen. Eine (umfassende) Sperrminorität, die es dem Kläger zu 1) ermöglicht hätte, ihm unliebsame Weisungen der Gesellschaft an sich zu verhindern, enthält der Gesellschaftsvertrag vom 13.4.2010 nicht.
145bb) Die Mehrheitsregelungen in § 9 des Gesellschaftsvertrages lassen sich nicht nach dem Grundsatz "falsa demonstratio non nocet" dahingehend auslegen, dass entweder die Gesellschafter abweichend vom Wortlaut gleiche Stimmrechte haben sollten oder dass sich die Mehrheit nach der Zahl der Gesellschafter richten sollte. Ein dahingehender wirklicher Wille der Gesellschafter bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages (vgl. zu diesem Kriterium BGH, Urteil v. 7.12.2001, V ZR 65/01, NJW 2002, 1038 ff.; Urteil v. 13.8.1996, XI ZR 218/95, NJW-RR 1458; Reichold in jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 133 Rdnr. 18; Singer in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2012, § 133 Rdnr. 13; jeweils m.w.N. auch zur älteren Rechtsprechung) lässt sich nicht feststellen.
146(1) Der Komplementär der Klägerin zu 2) hat zum tatsächlichen Ablauf des Vertragsschlusses unwidersprochen erklärt, der Vertragsentwurf stamme vom Steuerberater, dem Zeugen M. Auf diesen habe man sich verlassen. Der Vertragstext sei bei seiner Unterzeichnung durch den Notar, den Zeugen T, entsprechend allgemeinen Gepflogenheiten bei notariellen Beurkundungen verlesen worden. Er könne sich nicht daran erinnern, dass über die Mehrheitsregelungen in § 9 gesprochen worden sei. Diese Angaben stimmen mit denjenigen der Zeugen M und T überein. Insbesondere der Zeuge T hat ausgesagt, er habe bei einem Vorgespräch den Zeugen M über die divergierenden Kapitalbeteiligungen und Stimmrechte befragt. Der Zeuge M habe ihm die ertragssteuerrechtlichen Hintergründe der Kapitalanteile und die aus der Verteilung folgenden Verlustverrechnungsmöglichkeiten für den Komplementär der Klägerin zu 2) informiert. Man sei übereingekommen, die Stimmrechte nicht mit den Gesellschaftern zu problematisieren, weil es sich um eine Familiengesellschaft handele und die Frage unterschiedlicher Stimmverhältnisse dort nicht zum Tragen kommen werde. Jedenfalls in seiner Gegenwart sei die Frage der Stimmrechtsverteilung mit den Gesellschaftern zu keinem Zeitpunkt diskutiert worden. Der Zeuge M hat bekundet, er habe den Vertrag aus einer Formularsammlung abgeschrieben, die einen Gleichklang zwischen Kapital und Stimmrechten vorsehe. Er habe die Regelung wegen der familienrechtlichen Bindungen nicht für problematisch gehalten und sie auch weder mit dem Kläger zu 1) noch mit dem Komplementär der Klägerin zu 2) besprochen.
147(2) Der Senat hat keine Bedenken, den Angaben der Gesellschafter und den Bekundungen der Zeugen zu folgen. Sie stimmen in allen wesentlichen Punkten überein und schildern den Geschehensablauf in sich widerspruchsfrei. Insbesondere ist glaubhaft, dass es dem Zeugen M in erster Linie um eine den steuerlichen Interessen der Gesellschafter entgegenkommende Gestaltung des Gesellschaftsvertrages ging. Da er davon ausging, dass sich die vertragschließenden Parteien in vollem Umfang auf die Empfehlungen ihres Steuerberaters verlassen würden, hat auch der Zeuge T von einer abweichenden Beratung abgesehen.
148(3) Angesichts dessen lässt sich als wirklicher Wille der Gesellschafter nur feststellen, dass diese den von ihrem Steuerberater, dem Zeugen M, entworfenen Vertrag genauso wie vorgeschlagen schließen wollten, d.h. mit der vom gesetzlichen Leitbild der §§ 119 Abs. 2, 161 Abs. 2 HGB, wonach in der Gesellschafterversammlung im Zweifel die Mehrheit der Gesellschafter entscheidet, abweichenden Regelung der Mehrheit nach Kapitalanteilen. Für die Richtigkeit dieser Beurteilung spricht im Übrigen, dass auch im Gesellschaftsvertrag vom 27.7.2011 nicht etwa eine Verteilung der Stimmrechte nach Köpfen erfolgt ist, sondern stattdessen bei Fortbestand der Mehrheitsregelung nach Stimmrechten eine - bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages vom 13.4.2010 aus steuerrechtlichen Gründen gerade noch nicht gewollte - Kapitalaufstockung auf Seiten des Klägers zu 1) stattgefunden hat. Da der wirkliche Wille und der im Vertrag niedergelegte Wille der Gesellschafter damit in vollem Umfang übereinstimmen, liegt kein Anwendungsfall des Grundsatzes "falsa demonstratio non nocet" vor. Ein Rechtsgrundsatz dahingehend, dass Vertragserklärungen abweichend von ihrem Wortlaut und dem wirklichen Willen der Parteien so auszulegen sind, wie sie von den vertragschließenden Parteien bei sachgerechter Beratung vernünftigerweise hypothetisch abgegeben worden wären, ist dem deutschen Recht dagegen fremd.
149(4) Dem tatsächlichen Anliegen der Kläger, die Rechtsfolgen ihrer aus steuerrechtlichen Gründen gewollten Vereinbarungen nicht auf dem Gebiet des Sozialrechts eintreten lassen zu wollen, ist kein Erfolg beschieden. Es unterliegt nicht ihrer Disposition, die Wirkungen des Vertragsverhältnisses nach Maßgabe ihrer Individualnützlichkeit auf bestimmte Rechtsgebiete zu beschränken (BSG, Urteil v. 24.1.2007, B 12 KR 31/06 R; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 25.10.2013, L 1 KR 165/11, jeweils zitiert nach juris).
150cc) Die getroffenen Mehrheitsregelungen sind vor dem 27.7.2011 nicht abbedungen worden. Hierzu hätte es im Hinblick auf das in § 19 Ziff. 19.1 geregelte qualifizierte Schriftformerfordernis einer mindestens privatschriftlichen Vereinbarung bedurft, wofür nichts ersichtlich oder vorgetragen ist. Eine Änderung der Mehrheitserfordernisse ergab sich erst durch die Kapitalerhöhung gemäß dem Gesellschaftsvertrag vom 27.7.2011, wodurch - wie von der Beklagten zutreffend angenommen - nur mit Wirkung für die Zukunft auch die Rechtsmacht innerhalb der Gesellschafterversammlung geändert worden ist.
151dd) Gegen eine umfassende Handlungsfreiheit des Klägers zu 1) spricht weiter der bereits dargelegte Umstand, dass nur der Komplementär der Klägerin zu 2) ihr vertretungsberechtigtes Organ sein kann. Auch die Befreiung des Klägers zu 1) von den Beschränkungen des § 181 BGB ändert hieran nichts, zumal dies gerade bei kleineren Gesellschaften nicht unüblich ist und erst recht nicht zwingend für Selbständigkeit spricht (vgl. BSG, Urteil v. 29.8.2012, a.a.O., m.w.N.).
152ee) Soweit der Komplementär der Klägerin zu 2) auf ausdrückliches Befragen seines Bevollmächtigten erklärt hat, er habe das ihm zustehende Weisungsrecht gegenüber dem Kläger zu 1) weder hätte haben noch ausüben wollen, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Der Bevollmächtigte der Kläger verkennt insoweit die Bedeutung der vereinbarten rechtlichen Rahmenbedingungen. Die gesellschaftsvertraglichen Regelungen können nicht durch den Willen, nicht von ihnen Gebrauch machen zu wollen, stillschweigend abbedungen werden (BSG, Urteil v. 29.8.2012, a.a.O.). Erst recht gilt dies, wenn von rechtlich zustehenden Gesellschafterrechten aus Gründen familiärer Rücksichtnahme solange kein Gebrauch gemacht wird, wie das Einvernehmen der Familienmitglieder gewahrt bleibt. Im Falle eines - bei Beginn des Vertragsverhältnisses, auf den es entscheidend ankommt, nie auszuschließenden - familiären Zerwürfnisses käme allein die den einzelnen Familienmitgliedern zustehende Rechtsmacht zum Tragen, sodass auch nach den tatsächlich gelebten Verhältnissen eine Weisungsunterworfenheit bestünde. Eine solche "Schönwetter-Selbständigkeit" ist mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungsrechtlicher Tatbestände schwerlich hinnehmbar (BSG, Urteil v. 29.8.2012, a.a.O.).
153ff) Es ist schließlich weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Kläger zu 1) über alleinige Branchenkenntnisse verfügt hätte. Auch die Anhörung durch den Senat hat dieses nicht ergeben. Der Kläger zu 1) hat vielmehr die wesentlich größere Erfahrung seines Vaters bestätigt, die dieser auch noch in den Betrieb einbringt.
154c) Wesentliche für Selbständigkeit sprechende Kriterien sind ebenfalls nicht zu erkennen.
155aa) Der Kläger zu 1) besaß keine eigene Betriebsstätte und trug zudem kein wesentliches Unternehmerrisiko. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. z.B. BSG, Urteil v. 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R, USK 2008-45) ist maßgebliches Kriterium dafür, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Eine solche Ungewissheit ist nicht festzustellen.
156Der Kläger zu 1) bezog im Streitzeitraum ein monatliches Festgehalt (zusätzlich - arbeitnehmertypisch - vermögenswirksame Leistungen i.H.v. 320,00 Euro (2010) und 80,00 Euro (2011) ohne entsprechende vertragliche Vereinbarung) und haftete lediglich mit seiner Kapitaleinlage von 100,00 Euro. Die vereinbarte Gewinn-/Verlustbeteiligung im Verhältnis der festen Kapitalanteile (§ 11 Ziffer 11.1 Gesellschaftsvertrag - beide Fassungen -) stellt kein relevantes Unternehmerrisiko dar, da sie nicht mit einer Steigerung der unternehmerischen Chancen verbunden ist. Es bestand unabhängig vom Unternehmenserfolg der Anspruch auf eine feste Vergütung von 5.000,00 Euro monatlich, sodass der Kläger zu 1) seine Arbeitskraft nicht mit unsicherer Aussicht einzusetzen brauchte.
157Der Kläger zu 1) hatte Anspruch auf Vergütung ohne Leistung in Urlaubszeiten, auch wenn diese nicht genauer festgelegt worden sind. Dass eine Regelung über die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall fehlt, kann nur als schwaches Indiz für eine abweichende Risikoverteilung und somit gewollte Selbständigkeit angesehen werden.
158Eine erfolgsbezogene Vergütung (z. B. in Form einer Tantieme oder Provision) ist im Vertrag vom 1.4.2010 weder vereinbart noch von der Klägerin zu 1) ausgeschüttet worden.
159Dass die Vergütung ab 2010 als Entnahme und nicht als Aufwand gebucht und hierauf keine Lohnsteuer abgeführt worden ist, fällt schließlich nicht wesentlich ins Gewicht.
160bb) Etwaigen unternehmerischen Risiken standen zudem keine erweiterten Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft gegenüber. Der Kläger zu 1) durfte nicht für andere Auftraggeber tätig werden. § 10 des Vertrages vom 1.4.2010 weist zwar in der Überschrift den Begriff "Nebentätigkeit" auf, schließt eine solche nach dem Wortlaut jedoch aus, da der Kläger zu 1) danach der Klägerin zu 2) seine gesamte Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen hat. Damit korrespondieren seine Angaben im Feststellungsbogen, wonach er seiner Arbeit an sechs Tagen pro Woche im Umfang von 60 Stunden nachgehe. Abgesehen davon konnte er seine Tätigkeit und Zeit nur in dem betrieblich vorgegebenen Rahmen frei gestalten.
161d) Weitere in die Gesamtabwägung einzustellende Gesichtspunkte sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Es spricht überwiegendes dafür, dass der Kläger zu 1) mit einem beherrschenden Gesellschafter kraft tatsächlicher faktischer oder wirtschaftlicher Einflussmöglichkeit nicht verglichen werden kann.
162e) Die Voraussetzungen für eine Versicherungsfreiheit in der Kranken- und Pflegeversicherung - Überschreiten der jeweils maßgeblichen Jahresarbeitsentgeltgrenze - sind für den diesbezüglich nur noch streitigen Zeitraum nicht erfüllt (§ 6 Abs. 1 Nr. 1, 6 SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB XI). Auf die zutreffenden Ausführungen des SG wird Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG).
163f) Die Beklagte hat auch zu Recht die Versicherungspflicht ab dem 1.5.2010 festgestellt, da die Voraussetzungen für einen späteren Beginn gemäß § 7a Abs. 6 SGB IV nicht vorliegen. Die Antragstellung gemäß § 7a Abs. 1 SGB IV ist bereits nicht innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit erfolgt.
164Bei dem Klageverfahren handelt es sich im Hinblick auf die Beteiligung des kostenprivilegierten Klägers zu 1) um ein insgesamt nach den §§ 183, 193 SGG kostenprivilegiertes Verfahren.
165Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Tenor
Auf die Berufungen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) wird das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 27.3.2012 geändert. Unter entsprechender Teilaufhebung der Bescheide vom 1.3.2010 und 18.5.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.8.2010 wird festgestellt, dass die Klägerin für die Zeit vom 1.10.2009 bis zum 31.10.2009 nicht wegen einer Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1) der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlegen hat. Im Übrigen werden die Berufungen zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsrechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Streitig ist im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens, ob für die von der Klägerin bei der Beigeladenen zu 1) ausgeübte Tätigkeit als Hygieneauditorin Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht.
3Die 1976 geborene Klägerin ist Diplom-Ökotrophologin. Seit dem 1.4.2007 ist sie als solche freiberuflich in der Ernährungswirtschaft sowie im Rahmen der Ernährungsberatung für eine hausärztliche Praxis in N und als Dozentin in der Erwachsenenbildung tätig. Bei der Beigeladenen zu 1) handelt es sich um ein Prüf-, Testier- und Zertifizierungsunternehmen, welches sich u.a. mit der Prüfung der Einhaltung von Hygienestandards der Lebensmittelbranche im Bereich der gesamten Nahrungsmittelkette, angefangen vom Tierfutter über die Tierhaltung bis zur Produktion und zum Verkauf in Lebensmittelmärkten beschäftigt. Im letztgenannten Bereich bietet die Beigeladene zu 1) ihren Endkunden u.a. in vertraglich vereinbarten Zeitabständen visuelle Hygienekontrollen einschließlich mikrobiologischer Probenentnahmen und Etikettierungskontrollen für Filialen selbständiger Einzelhändler oder Regiebetriebe entsprechender Einzelhandelsketten an. Sind die Voraussetzungen erfüllt, wird ein Hygienezertifikat vergeben. Die Hygienekontrollen werden dabei auf der Grundlage sog. "T-Checklisten" (nachfolgend: Checklisten) durchgeführt, die die Beigeladene zu 1) gemäß den Kundenwünschen, den Zertifizierungsvoraussetzungen und den gesetzlichen Vorgaben zusammenstellt. Nach Kontrolle und Probenentnahme wird ein Abschlussgespräch mit dem jeweiligen Verantwortlichen vor Ort geführt und ein (vorläufiger) (Mängel-)Bericht überlassen. Die gewonnenen Ergebnisse erfasst die Beigeladene zu 1) in einer Datenbank, zu welcher der Endkunde Zugriffsrechte erhält. Für die Ausführung der angebotenen Leistungen setzt die Beigeladene zu 1) sog. Auditoren ein, von denen sie acht im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses und 33 als sog. freie Mitarbeiter beschäftigt. Die letztgenannten Auditoren - unter ihnen die Klägerin - sind regional verteilt; für Nordrhein-Westfalen sind neun freie Mitarbeiter tätig.
4Die Klägerin schloss mit der Beigeladenen zu 1) am 1. bzw. 16.10.2009 eine Rahmenvereinbarung, in der es auszugsweise wie folgt heißt:
5"1. Vereinbarungsgegenstand
61.1 Der Auftragnehmer übernimmt mit Wirkung zum 1.10.2009 für den Auftragsgeber die Durchführung von Kontrolltätigkeiten gemäß Anlage 1.
71.2 Die einzelnen Spezifikationen der Aufgabenstellung gem. Punkt 1.1 nach Art, Ziel und Umfang ergeben sich aus den jeweiligen Einzelaufträgen.
81.3 Der Auftraggeber ist nicht verpflichtet, den Auftragnehmer gem. Punkt 1.1 zu beauftragen; gleichfalls ist der Auftragnehmer nicht verpflichtet, ihm vom Auftraggeber angetragene Aufgaben zu übernehmen.
91.4 Der Auftragnehmer hat das Recht, einzelne Aufträge ohne Angabe von Gründen abzulehnen.
102. Weisungsrecht
112.1 Der Auftragnehmer unterliegt bei der Durchführung der von ihm übernommenen Aufgaben gem. Punkt 1 keinen Weisungen des Auftraggebers. Er ist vielmehr hinsichtlich der Durchführung der Rahmenvereinbarung frei.
122.2. Nicht als Weisungen im vorstehenden Sinne gelten jedoch allgemein von dem Auftraggeber erlassene Regelungen, die auf dem Betriebsgelände für jeden Dritten (z.B. Sicherheitsanforderungen, Verkehrsregelungen, etc.) gelten sowie sonstige Vorgaben, die für die Durchführung der Tätigkeit dem Auftragnehmer in allgemeiner Form gegeben werden.
132.3 Im Gegenzug ist der Auftragnehmer nicht befugt, gegenüber Mitarbeitern des Auftraggebers irgendwelche Weisungen auszusprechen.
143. Durchführung der Rahmenvereinbarung
153.1. [ ]
163.2 Der Auftragnehmer hat bei einer evtl. Unterbeauftragung bzw. Einschaltung von Dritten mit Ausnahme evtl. eigener Arbeitskräfte die vorherige schriftliche Zustimmung des Auftraggebers einzuholen, die dieser nur aus wichtigem Grund verweigern darf.
173.3 Der Auftraggeber wird den Auftraggeber - sofern erforderlich - rechtzeitig über die für seine Tätigkeiten relevanten betrieblichen Gegebenheiten informieren, Hintergrundinformationen mitteilen und gegebenenfalls erforderliche Unterlagen übergeben.
183.4 Sofern zwischen den Parteien ein Terminplan/Fristen vereinbart wurde, kommt der Auftragnehmer bei Nichterfüllung einer fälligen Leistung ohne gesonderte Mahnung in Verzug.
193.5 Beabsichtigt der Auftragnehmer, einen Auftrag für den Auftraggeber gemäß Punkt 1.3 nicht zu übernehmen, so hat er dies dem Auftraggeber unverzüglich nach Auftragsübermittlung mündlich oder schriftlich mitzuteilen.
203.6 Der Auftragnehmer ist verpflichtet, sich auf dem vertragsgegenständlichen Gebiet fortzubilden und insofern im Rahmen der Durchführung der Vereinbarung den jeweils neuesten Stand der Entwicklung und Erkenntnisse zu berücksichtigen und einfließen zu lassen.
213.7 Der Auftragnehmer stellt sicher, dass er die nötigen Qualifikationen, Zulassung etc. für die ordnungsgemäße Durchführung der Kontrollen hat.
224. Erfüllungsort
23Der Auftragnehmer ist in der Bestimmung seines Arbeitsortes frei, sofern sich nicht aus der Besonderheit der übernommenen Tätigkeit etwas anderes notwendigerweise ergibt.
245. Arbeitszeit
255.1 Der Auftragnehmer unterliegt hinsichtlich seiner Arbeitszeit keinen Beschränkungen oder Auflagen des Auftraggebers. Der Auftraggeber erstellt für den Auftraggeber jeweils monatlich eine Liste der zu erfüllenden Aufträge. In der Einteilung seiner Zeit zur Erfüllung seiner Aufgaben ist der Auftragnehmer frei und vereinbart selbstständig die Termine. Sollte der jeweilige Zeitplan vom Auftragnehmer nicht eingehalten werden können, wird er den Auftraggeber hierüber rechtzeitig und unverzüglich unterrichten unter Angabe eines nächstmöglichen Nachholtermins.
265.2 Generell wird der Auftragnehmer dem Auftraggeber eine länger andauernde Verhinderung an der Ausübung seiner Tätigkeit jeweils schnellstmöglich anzeigen. [ ].
277. Honorar
287.1 Der Auftragnehmer erhält für die von ihm übernommene und erledigte Tätigkeit eine entsprechend vereinbarte Vergütung gemäß Anlage 1. Der Auftragnehmer wird die Aufstellung der geleisteten Tätigkeiten der Rechnung gemäß Punkt 8.1 als Anlage beifügen.
297.2. Die Regelung des § 616 BGB (Vergütungspflicht bei vorübergehender Dienstverhinderung) wird ausdrücklich ausgeschlossen.
308. Rechnungsstellung/Zahlung
318.1 Der Auftragnehmer wird dem Auftraggeber jeweils bis zum 25. eines Monats für den vorhergehenden Monat eine Rechnung übermitteln unter offenem Ausweis der gesetzlichen Umsatzsteuer.
328.2 Der entsprechende Rechnungsbetrag ist vom Auftraggeber innerhalb von 14 Tagen nach Rechnungseingang ohne Abzüge mit schuldbefreiender Wirkung auf ein vom Auftragnehmer noch zu benennendes Konto dort eingehend zu überweisen.
338.3 Mit der Zahlung der Vergütung und der eventuell zu erstattenden Reisekosten sowie sonstigen Aufwendungen sind die Leistungen des Auftragnehmers gemäß Punkt 1.1 abgegolten.
349. Reisekosten und sonstige Aufwendungen
35Die Erstattung von Reisekosten und sonstigen Auslagen ist in der Anlage 1 geregelt.
3610. Haftung
3710.1 Gewährleistungsansprüche des Auftraggebers beschränken sich zunächst auf Nachbesserung. Sollte dies nicht möglich sein, mindert sich das Honorar des Auftragnehmers entsprechend.
3810.2 Im Übrigen haftet der Auftragnehmer nach den gesetzlichen Bestimmungen nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit.
3911. Sozialversicherung/Steuern/Abgaben
4011.1 Nach Aussage des Auftragnehmers gegenüber dem Auftraggeber hat er den Status eines selbständigen Unternehmers und ist damit nicht sozialversicherungspflichtig. Der Auftragnehmer wird kurzfristig mit der BfA eine Klärung seines Status herbeiführen. Der Auftraggeber ist unverzüglich darüber zu unterrichten. Sollte ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis festgestellt werden, so hat der Auftraggeber in Abweichung von Punkt 16 im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten ein Recht zur sofortigen Kündigung dieser Rahmenvereinbarung. Der Auftragnehmer ermächtigt den Auftraggeber, das Ergebnis der Prüfung selbst bei der zuständigen Stelle zu erfragen und weitere sachdienliche Hinweise geben zu dürfen. Der Auftraggeber wird im Übrigen - soweit möglich - den Auftragnehmer im Rahmen der versicherungsrechtlichen Klärung unterstützen.
4111.2 Der Auftragnehmer verpflichtet sich, dem Auftraggeber Kenntnis von allen weiteren Beschäftigungen und Aufträgen zu verschaffen und ihm hierüber im Falle der Durchführung eines Prüfverfahrens durch die BfA Unterlagen und Belege zur Verfügung zu stellen. Änderungen der Verhältnisse des Auftragnehmers sind dem Auftraggeber unverzüglich und unaufgefordert schriftlich anzuzeigen. Verstößt der Auftraggeber gegen seine Verpflichtung gemäß Punkt 11.2 kann der Auftraggeber die Auftragnehmer-Anteile zur Sozialversicherung rückerstattet und künftig erstattet verlangen, falls die BfA nach der Vermutungswirkung des § 7 Abs. 4 SGB IV ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis feststellt. [ ]."
42Im Übrigen wird auf den Inhalt des Vertrags und seine Anlagen Bezug genommen.
43Am 28.10.2009 stellte die Klägerin einen Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status nach § 7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Sie übe für die Beigeladene zu 1) die Tätigkeit eines Auditors Lebensmittel/Hygiene aus. Sie führe selbständig sog. Hygiene-Audits (Hygienekontrollen) und Probennahmen (z.B. bei Fleischwaren) vor Ort im Lebensmitteleinzelhandel durch. Anhand einer Checkliste würden verschiedene Kriterien überprüft wie z.B. Personalhygiene, Ordnung und Sauberkeit der Räume und Kühlhäuser, Temperaturkontrolle der Produkte, Rohstoffe und Kühlgeräte und Kennzeichnungskontrollen (Überprüfung der Etiketten bzw. Preisschilder) an Lebensmitteln. Sie habe keine regelmäßigen Arbeits- oder Anwesenheitszeiten einzuhalten. Sie könne entscheiden, wann, wo und wie viel sie arbeite. Dies seien durchschnittlich 15 bis 20 Stunden pro Woche. Im Fall der Verhinderung müsse sie niemanden informieren. Sie könne die Aufträge ohne Grund jederzeit stornieren. Eine Vertretung müsse von ihr nicht gestellt werden. Die Aufträge erhalte sie per Mail bzw. über ein SAP-Programm. Bei den Kunden trete sie im Namen des Auftraggebers auf. Weisungen hinsichtlich der Ausführung der Tätigkeit würden nicht erteilt. Eine Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern finde nicht statt. Es gebe aber telefonische Rücksprachen zum Erfahrungsaustausch. Übergaben, Kontrollen und Abnahmen ihrer Arbeit gebe es nicht. Für die Tätigkeit würden bestimmte Arbeitsmitteln benötigt, von denen die Beigeladene zu 1) ihr lediglich Styroporkartons und Kühlakkus zur Versendung der Proben, Stomacherbeutel, Rodacplatten und Frachtbriefe zur Verfügung stelle.
44Die Beklagte hörte sie mit Schreiben vom 7.1.2010 zum Erlass eines Bescheides an, mit welchem sie beabsichtigte, das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1) ab dem 1.10.2009 festzustellen. Für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis spreche, dass die Klägerin nach Auftragsannahme vorgeschriebene Arbeitstage und -zeiten einzuhalten habe. Sie werde bei den Kunden des Auftraggebers tätig und somit eingesetzt, um dessen vertragliche Verpflichtungen zu erfüllen. Sie sei dadurch in seine Arbeitsorganisation eingegliedert. Es würden Fahrtkosten erstattet. Zudem trete sie als Mitarbeiterin des Auftraggebers auf und habe entsprechende Arbeitskleidung tragen. Demgegenüber seien Merkmale für eine selbständige Tätigkeit nicht ersichtlich.
45Die Klägerin teilte daraufhin mit, dass die Beklagte den Sachverhalt teilweise falsch wiedergegeben habe. Arbeitstage und Arbeitszeiten würden ihr nicht vorgeschrieben. Das Tragen einer weißen Oberbekleidung sei in der Lebensmittelbranche durch den Gesetzgeber vorgeschrieben. Sie stelle für ihre Leistung ordnungsgemäß eine Rechnung an die Beigeladene zu 1), die die gesetzliche Mehrwertsteuer ausweise. Fahrtkosten seien bereits im Pauschalbetrag enthalten. Sie zahle Umsatz- und Einkommensteuer anstelle von Lohnsteuer. Sie führe Geschäftsbücher und habe eine eigene Buchhaltung.
46Die Beigeladene zu 1) teilte auf die Anhörung mit, dass ein unternehmerisches Risiko der Klägerin darin liege, keine weiteren Aufträge akquirieren zu können. Zudem hafte sie auf Schadensersatz. Sie habe keinen Anspruch auf Urlaub. Es bestehe keine Eingliederung in die Arbeitsorganisation. Die Arbeitszeit werde frei gestaltet.
47Mit Bescheid vom 1.3.2010 stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin bei der Beigeladenen zu 1) seit dem 1.10.2009 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses tätig sei. Die Versicherungspflicht dem Grunde nach beginne mit dem Tag der Aufnahme der Beschäftigung. Ein späterer Beginn der Versicherungspflicht nach § 7a Abs. 6 SGB IV komme nicht in Betracht, da die Klägerin ihm nicht zugestimmt habe.
48Am 22.3.2010 legte die Klägerin dagegen Widerspruch ein. Sie wiederholte und vertiefte ihr Vorbringen aus dem Anhörungsverfahren. Sie kontrolliere vorwiegend Edeka-Märkte. Es gebe dafür eine Checkliste mit ca. 200 Punkten, die in dem jeweiligen Einzelhandelsgeschäft überprüft werde. Sie ziehe zudem Proben in den Geschäften und überprüfe die Dokumente. Die Proben würden nach I in das Labor der Beigeladenen zu 1) verschickt, wo sie ausgewertet würden. Am Ende der Dokumentenprüfung und Probenentnahmen schreibe sie einen (vorläufigen) Bericht für das jeweilige Einzelhandelsgeschäft, welcher der Beigeladenen zu 1) in digitaler Form zur Verfügung gestellt werde. Von der Beigeladenen zu 1) werde ihr nur vorgegeben, wo die Kontrollen durchzuführen seien. Sie erhalte ein Pauschalhonorar, welches unabhängig davon sei, wie viel Zeit sie in einem Markt tatsächlich verbringe. Sie trete nicht als Mitarbeiterin der Beigeladenen zu 1) auf. Sie nutze ihren eigenen Pkw.
49Mit Datum vom 18.5.2010 änderte die Beklagte zunächst den Bescheid vom 1.3.2010 dahingehend ab, dass in der seit dem 1.10.2009 ausgeübten Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1) Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.8.2010 wies sie den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Der Widerspruchsbescheid ging der Klägerin am 25.8.2010 zu.
50Dagegen hat die Klägerin am 27.9.2010 vor dem Sozialgericht (SG) Münster Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt hat. Sie hat ihr Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft. Zu berücksichtigen sei zudem, dass sie die Pauschalpreise einzeln mit dem Zeugen X ausgehandelt habe.
51Die Klägerin hat beantragt,
52die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 1.3.2010 und 18.5.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.8.2010 zu verurteilen festzustellen, dass ihre Tätigkeit bei der Beigeladenen selbständig ausgeübt wird.
53Die Beklagte hat beantragt,
54die Klage abzuweisen.
55Sie hat zunächst auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen. Es sei von einer Eingliederung in die Arbeitsorganisation der Beigeladenen zu 1) auszugehen. Die Endkunden würden die Beigeladene zu 1) mit der Prüfung der Einhaltung der Hygienestandards beauftragen, welche diese weiterleite. Sofern die Klägerin diese Aufträge annehme, sei die Erledigung fristgebunden. Zwar stehe es ihr frei, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen. Jedoch werde damit lediglich die Entschließungsfreiheit begründet, nach Ende einer Vertragsbeziehung eine neue zu begründen oder abzulehnen. Bestehende Freiheiten hinsichtlich der Terminierung der einzelnen Prüfungen würden dagegen nicht über die Freiheit einer abhängig Beschäftigten hinausgehen. Die Klägerin habe zudem unter Verwendung der durch die Beigeladene zu 1) zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel Proben entnommen, die dann auf Kosten der Beigeladenen zu 1) in deren Labor untersucht würden. Sie habe die Leistungen zwar nicht persönlich erbringen müssen. Allerdings wäre beim Einsatz dritter Arbeitskräfte zunächst die schriftliche Zustimmung des Auftraggebers erforderlich gewesen, der diese erst nach Prüfung der fachspezifischen Eignung der Person erteile. Dies spreche eindeutig gegen eine Selbständigkeit der Klägerin, die als Selbständige die fachliche Eignung des von ihr eingesetzten Personals selbst prüfen müsste.
56Die Beigeladene zu 1) hat sich dem Antrag der Klägerin angeschlossen. Ihren bisherigen Vortrag vertiefend hat sie ausgeführt, dass die Klägerin ihre Aufträge per E-Mail bzw. über ein SAP-Programm erhalte. Der Zeitraum, der für die Aufträge angesetzt werde, werde vermerkt. Innerhalb dieses Zeitrahmens könne sie ihre Tätigkeit frei einteilen. Sie sei nicht in den Betriebsablauf eingegliedert. Sie plane die Routen für die von ihr übernommenen Aufträge selbst und könne die für sie optimale Gestaltung im Hinblick auf einen möglichst geringen Zeitaufwand und Fahrweg frei wählen. Sie trage auch ein unternehmerisches Risiko, denn bei mangelnden Aufträgen erziele sie kein Einkommen. Die Klägerin verfüge über eigene Büroräume und damit über eine eigene Betriebsstätte.
57Mit Beschluss vom 7.12.2010 hat das SG die Beigeladene zu 1) beigeladen und mit Urteil vom 27.3.2012 die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
58Die Klägerin hat gegen das ihr am 13.4.2012 zugestellte Urteil am 9.5.2012 und die Beigeladene zu 1) hat gegen das ihr ebenfalls am 13.4.2012 zugestellte Urteil am 4.5.2012 Berufung eingelegt. Klägerin und Beigeladene zu 1) wiederholen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Ergänzend tragen sie vor, dass das SG zu Unrecht den Willen der vertragsschließenden Parteien nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt habe. Ferner schließe die auszuübende Tätigkeit aufgrund ihrer Art und Komplexität Weisungen der Beigeladenen zu 1) aus. Die Klägerin habe ein unternehmerisches Risiko. Sie habe einen Dienstwagen im Wert von 15.000 Euro, eine Kühlbox für ca. 50 Euro, mobile Drucker für etwa 300 Euro und Arbeitskleidung für 200 bis 300 Euro angeschafft. Hinzu kämen Verbrauchsutensilien sowie weitere Gegenstände, wie etwa ein Thermometer, das alleine etwa 200 bis 300 Euro koste. In ihrem Betriebsvermögen befänden sich zwei Laptops, wobei sie extra für die Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) zwei mobile Drucker sowie einen Laptop angeschafft habe, auf dem sie eine spezielle Software habe installieren müssen. Ergänzend verweisen sie insbesondere auf ein Urteil des BSG v. 28.9.2011 (B 12 R 17/09 R, USK 2011-125).
59Die Klägerin und die Beigeladene zu 1) beantragen,
60das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 27.3.2012 zu ändern und unter Aufhebung der Bescheide vom 1.3.2010 und 18.5.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.8.2010 festzustellen, dass für die Tätigkeit der Klägerin bei der Beigeladenen zu 1) ab dem 1.10.2009 keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht.
61Die Beklagte beantragt,
62die Berufung zurückzuweisen.
63Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
64Mit Beschluss vom 14.11.2012 hat der Senat die Beigeladenen zu 2) bis 4) beigeladen. Auf Anforderung hat die Klägerin einige Einzelaufträge, Rechnungen, exemplarische Audit-Berichte und ihre Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 2009 bis 2011 sowie die Beigeladene zu 1) ihren Integritäts- und Berufskodex eingereicht.
65Der Senat hat am 29.10.2013 ein Termin zur Erörterung des Sachverhaltes mit den Beteiligten durchgeführt, in diesem die Klägerin angehört und den präsenten Zeugen X, der als Divisionsmanager für den Außendienst der Beigeladenen zu 1) zuständig ist, uneidlich vernommen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme am 5.3.2014 hat der Senat die Klägerin und den Vertreter der Beigeladenen zu 1) angehört sowie die Zeugen X und X1, den Disponenten der Beigeladenen zu 1), uneidlich vorgenommen. Auf die jeweiligen Sitzungsniederschriften wird Bezug genommen.
66Im Nachgang hat die Beigeladene zu 1) auf Nachfrage des Senats mitgeteilt, dass die angestellten Auditoren ausgehend von ihrem Wohnort in einem sog. Home Office regional im Umkreis von ca. 150 Kilometern (km) und auch überregional in Deutschland eingesetzt würden. Dies setze der zuständige Einsatzplaner (Disponent) anhand der Qualifikation und Auftragslage in Abstimmung mit dem disziplinarischen Vorgesetzten fest. Sie verfügten überwiegend über ein abgeschlossenes Studium, mehrjährige Berufserfahrung und müssten ihre Qualifikation über Seminare und Trainings erhalten. Ihnen würden Dienstfahrzeug (einschließlich der Verbrauchskosten), EDV (Hard-/Software), Mobilfunkgerät und Büromaterialien zur Verfügung gestellt. Exemplarische Anstellungsverträge hat die Beigeladene zu 1) vorgelegt. Die Planung der zu prüfenden Märkte erfolge durch die angestellten Auditoren wöchentlich, wobei dies in Absprache mit dem Disponenten erfolge. Ihnen werde die Route vorgeplant. Sie müssten die Wochenplanung abarbeiten. Alle Prüfaufträge hätten einen Endtermin, der bei der Wochenplanung zu berücksichtigen sei. Ad hoc-Aufträge könnten zu einer kurzfristigen Änderung der Wochenplanung führen. Die festangestellten Mitarbeiter seien verpflichtet, ihre Prüfberichte und Checklisten täglich in die EDV der Beigeladenen zu 1) hochzuladen. Die Disposition überprüfe, ob die Wochenplanung abgearbeitet werde. Die festangestellten Auditoren seien verpflichtet, die Beigeladene zu 1) zu kontaktieren, wenn ein Markt nicht entsprechend der Vorplanung besucht werden könne und einen täglichen Stundennachweis/Tagesbericht auszufüllen, der wöchentlich zum disziplinarischen Vorgesetzten gesandt werde. Die Audits fänden bei angestellten Mitarbeitern vorwiegend montags bis donnerstags statt. Freitags werde die Wochenplanung für die nächste Woche erstellt. Ein freier Auditor erhalte hingegen Angebote für Aufträge gemäß Rahmenvereinbarung und Qualifikation unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben. Er könne diese ablehnen oder annehmen. Freien Mitarbeitern würden die Aufträge Anfang Januar eines jeden Jahres mitgeteilt und es stehe hinsichtlich der daraus gewählten Aufträge zur Durchführung ein Zeitraum von mehreren Monaten zur Verfügung. Eine Überprüfung bzgl. des Fortschritts der übernommenen Aufträge finde hinsichtlich der freien Mitarbeiter nicht statt. Es werde lediglich am Enddatum geprüft, ob durch den freien Mitarbeiter übernommene Aufträge noch offen seien. Der Disponent könne jedoch den Auftragsstand der freien Auditoren über das SAP-System abrufen. Folgender Status sei ersichtlich "angenommen, in Planung, abgelehnt, erledigt". Über das Hochladen der Prüfberichte nach Erledigung des Auftrages sei es für die Beigeladene zu 1) erkennbar, dass dieser Prüfauftrag durch den freien Mitarbeiter bereits erledigt worden sei.
67Im weiteren Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 23.4.2014 hat der Senat den Beigeladenen zu 1) angehört und Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen X und des präsenten Zeugen T, Teamleiter des Customer Services der Beigeladenen zu 1). Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
68Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
69Entscheidungsgründe:
70Der Senat hat in Abwesenheit der Beigeladenen zu 2) bis 4) verhandeln und entscheiden können, da er sie mit den ordnungsgemäßen Terminsnachrichten auf diese Möglichkeit hingewiesen hat.
71Die nach §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässigen Berufungen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) gegen das Urteil des SG Münster vom 27.3.2012 sind hinsichtlich des bereits für den Monat Oktober 2009 festgestellten Beginns der Versicherungspflicht begründet, für die Zeit fortlaufend ab November 2009 allerdings unbegründet.
72Das SG hat die Klage dabei zunächst zu Recht für zulässig erachtet. Sie ist insbesondere fristgerecht durch die Klägerin eingelegt worden. Ihrer Prozessbevollmächtigten ist der Widerspruchsbescheid vom 20.8.2010 am 25.8.2010 zugegangen. Damit endete die Klagefrist grundsätzlich am 25.9.2010. Da es sich dabei jedoch um einen Sonnabend gehandelt hat, lief sie erst am ersten darauffolgenden Werktag und somit am 27.9.2010 ab. Damit ist die Frist von einem Monat durch Einreichung der Klage am 27.9.2010 gewahrt worden, §§ 87 Abs. 1, 2, 85 Abs. 3, 64 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 SGG.
73Für die Zeit ab November 2009 hat das SG die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Die streitgegenständlichen Bescheide vom 1.3.2010 und 18.5.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.8.2010 verletzen die Klägerin nur hinsichtlich der Feststellung der Versicherungspflicht im Oktober 2009 nach § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG in ihren Rechten. Im Übrigen sind die streitgegenständlichen Bescheide jedoch rechtmäßig. Die Beklagte hat insofern nach § 7a Abs. 1 SGB IV bezüglich der von der Klägerin ab November 2009 ausgeübten Beschäftigung als Hygiene-Auditorin bei der Beigeladenen zu 1) rechtmäßig die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung angenommen. Die Versicherungspflicht ergibt sich in der Rentenversicherung aus § 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI), in der Kranken- und Pflegeversicherung aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) bzw. § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 in Verbindung mit Satz 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) und nach dem Recht der Arbeitsförderung aus § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III, da die Klägerin bei der Beigeladenen zu 1) gegen Arbeitsentgelt abhängig beschäftigt ist.
74Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.
75Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (st. Rspr.; vgl. zum Ganzen z.B. BSG, Urteil v. 29.8.2012, B 12 R 14/10 R, USK 2012-82; BSG, Urteil v. 25.4.2012, B 12 KR 24/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 15; BSG, Urteil v.11.3.2009, B 12 KR 21/07 R, USK 2009-25; BSG, Urteil v. 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 20; Senat, Beschluss vom 7.1.2011, L 8 R 864/10 B ER, NZS 2011, 906; Senat, Urteil v. 17.10.2012, L 8 R 545/11, juris; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung: Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluss v. 20.5.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr. 11).
76Bei der Feststellung des Gesamtbilds kommt dabei den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zu (vgl. BSG, Urteil v. 29.8.2012, a.a.O., juris; ebenso Urteil v. 25.1.2006, B 12 KR 30/04 R, USK 2006-8; Urteil v. 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R, Die Beiträge, Beilage 2008, 333, 341 f.): Nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen sind die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urteil v. 28.9.2011, a.a.O., juris; Senat, Urteil v. 29.6.2011, L 8 (16) R 55/08, juris).
77Ausgehend von diesen Grundsätzen ist das SG zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin seit November 2009 fortlaufend bei der Beigeladenen zu 1) abhängig beschäftigt ist. Der Senat geht dabei nach der Beweisaufnahme für die Bewertung der vertraglichen wie der tatsächlichen Ausgestaltung der Tätigkeit der Klägerin bei der Beigeladenen zu 1) von den insoweit übereinstimmenden Angaben der Klägerin, der Beigeladenen zu 1) und den glaubhaften Bekundungen der glaubwürdigen Zeugen X, X1 und T sowie den von den Beteiligten eingereichten Unterlagen aus.
78Danach stellt sich das gelebte Vertragsverhältnis so dar, dass der Customer Service der Beigeladenen zu 1) nach den glaubhaften Bekundungen des Zeugen T zunächst mit dem Endkunden den Inhalt der jeweiligen Projekte aushandelt. Es werden dort u.a. die Zahl der Kontrollen, ihr Inhalt und die anzuwendenden Systeme festgelegt. Auf Grundlage der mit dem Endkunden getroffenen Vereinbarungen und der gesetzlichen Vorgaben erstellt der Customer Service die von den Auditoren abzuarbeitenden Checklisten. Die Aufträge werden dann unter Angabe der im Einzelfall zur Durchführung der Aufträge bei dem jeweiligen Auditor benötigten Qualifikationen an den zur Verteilung zuständigen Außendienst weitergeleitet.
79Im Außendienst sind u.a. der Zeuge X als Divisionmanager und damit disziplinarischer Vorgesetzter der Teamleiter, die wiederum ihrerseits disziplinarische Vorgesetzte der festangestellten Auditoren sind, und der Zeuge X1 als Disponent tätig und für die Verteilung zuständig. Die Auswahl des jeweils einzusetzenden Auditors erfolgt durch den Disponenten zum einen nach der erforderlichen Qualifikation und zum anderen nach der Ortsnähe des Auditors zum Prüfbetrieb, denn die Aufträge werden grundsätzlich nach Postleitzahlen vergeben. Dabei werden Aufträge zunächst an festangestellte Mitarbeiter verteilt. Danach werden die Aufträge den sog. freien Mitarbeitern per E-Mail angeboten. Zu Beginn eines Jahres bietet die Beigeladene zu 1) dabei üblicherweise Auftragspakete an, in denen sie die Prüfungen diverser Lebensmitteleinzelhandelsgeschäfte auflistet, für deren Bearbeitung jeweils mehrere Monate bzw. teilweise ein Zeitraum bis Ende November eines Jahres zur Verfügung stehen. Diese Form des Paketangebots erfolgt ausschließlich individuell. Darüber hinaus ergeben sich Angebote im laufenden Jahr, die sich ebenso an mehrere Auditoren wenden können und für die bei Annahme ebenfalls teils mehrere Wochen und teils mehrere Monate Bearbeitungsdauer gewährt werden. Die Klägerin hat teilweise Angebote der Beigeladenen zu 1) im Paket, einzelne Aufträge daraus sowie einzeln angebotene Aufträge nicht angenommen bzw. zurückgegeben.
80Die Beigeladene zu 1) unterhält ein Internetportal, zu welchem die einzelnen Auditoren einen geschützten Zugang erhalten. Einblick in Aufträge anderer Auditoren wird ihnen nicht gewährt; der Disponent der Beigeladenen zu 1) hat umfassenden Zugriff. Die Auditoren können dort die ihnen angebotenen Aufträge und den Auftragsstatus ersehen, der mit "angenommen", "in Planung", "abgelehnt" und "erledigt" bezeichnet wird. Sie fragen zudem die benötigten Zusatzinformationen ab und erhalten die durch den Customer Service erstellten Checklisten. Der Projektleiter bzw. Projektmanager im Customer Service ist zudem Ansprechpartner für die Auditoren bei Rückfragen. Diese fachliche Leitung ist für freie wie für festangestellte Auditoren identisch. Bei den Auditoren, die auf Grund einer Rahmenvereinbarung für die Beigeladene zu 1) tätig sind, wird zur Prüfung des Auftragsfortschritts nach Aussage des Zeugen X ein regelmäßiges Monitoring durchgeführt. Erscheint die Auftragserfüllung bis zum Endzeitpunkt nicht mehr realistisch, hält die Beigeladene zu 1) mit dem betroffenen Auditor Rücksprache.
81Vor Ort führt die Klägerin namens der Beigeladenen zu 1) unangemeldet die Kontrolle durch, wobei sie die zur Verfügung gestellte Checkliste abarbeitet. Sie fertigt einen vorläufigen Bericht, der mit dem Marktleiter besprochen wird. Diesen Bericht lädt sie in die Datenbank der Beigeladenen zu 1) hoch, welche ihr die dafür benötigte Software zur Verfügung stellt. Die entnommenen Proben leitet sie an das Labor der Beigeladenen zu 1) weiter, wo sie analysiert werden. Ihre Leistungen enden grundsätzlich zu diesem Zeitpunkt und werden von ihr sodann in Rechnung gestellt.
82In der Regel wird die Probenanalyse nach Eingabe der Ergebnisse durch die EDV der Beigeladenen zu 1) automatisch generiert und ggf. in den vorläufigen Bericht integriert. Die hochgeladenen Berichte der Auditoren durchlaufen einen sog. Technical Review nach dem Vier-Augen-Prinzip durch den Customer Service, der die Plausibilität des Audits überprüft. Im Anschluss an den beanstandungslosen Technical Review wird im Customer Service entschieden, ob dem Endkunden eine Zertifizierung erteilt wird. Diese wird dann ggf. mit dem Bericht an den Kunden geleitet. Werden hingegen Mängel des Berichtes festgestellt, kommt es zu einer Rücksprache. Diese wird zum Teil über den Teamleiter und zum Teil unmittelbar mit dem betroffenen Auditor selbst durchgeführt. Dabei hat der Zeuge T glaubhaft bekundet, dass er diesbezüglich im Prozedere keinen Unterschied zwischen festangestellten und sog. freien Auditoren macht. Nach den weiteren Erläuterungen des Zeugen T führt der Customer Service zudem Jahresgespräche mit den Endkunden. Dort kommt es vor, dass Bitten oder Beschwerden geäußert werden, die er sodann für die Einsatzplanung an den Zeugen X weitergibt. Es gibt im Customer Service jedoch kein System, mit dem Fehlerhäufungen einzelner Auditoren festgehalten werden. Sog. freie Auditoren erhalten nach den glaubhaften Angaben des Zeugen X zwar keine Leistungsbeurteilungen und es wird für sie auch keine dokumentierte Evaluation durchgeführt, allerdings werden Erfahrungswerte über die Zusammenarbeit mit ihnen gesammelt.
83Diese Grundlage in Verbindung mit den von den Beteiligten vorgelegten Unterlagen sind Ausgangspunkt der Prüfung zunächst die vertraglichen Grundlagen der zu prüfenden Rechtsbeziehung. Dabei ist die Klägerin zur Überzeugung des Senats im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses mit daraus erwachsenden Leistungspflichten ihrerseits für die Beigeladene zu 1) tätig geworden. Dieses Dauerschuldverhältnis haben die Klägerin und die Beigeladene zu 1) allerdings nicht bereits durch ihre Vereinbarung vom 1. bzw. 16.10.2009 begründet. Hierbei handelt es sich aus Sicht des Senats vielmehr um einen Rahmenvertrag. Ein solcher eröffnet eine auf Dauer angelegte Geschäftsverbindung, legt jedoch (im Voraus) nur bestimmte Einzelheiten künftig noch abzuschließender Verträge fest [BSG, Urteil v. 30.10.2013, B 12 KR 17/11 R, juris; Bundesgerichtshof (BGH), Urteil v. 30.4.1992, VII ZR 159/91, NJW-RR 1992, 977, 978]. Das ist vorliegend der Fall. Die Vertragsparteien haben sich nach dem Wortlaut der Vereinbarung in dieser gerade noch nicht auf eine Leistungspflicht der Klägerin und damit korrespondierend auf ein allgemeines Heranziehungsrecht der Beigeladenen zu 1) geeinigt. Nach Ziff. 1.3 der Vereinbarung war weder die Beigeladene zu 1) verpflichtet, die Klägerin zu beauftragen, noch die Klägerin verpflichtet, angetragene Aufträge anzunehmen. Dafür spricht auch, dass der jeweilige tatsächliche Vertragsgegenstand erst noch konkretisiert werden musste (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 14.2.2012, L 11 KR 3007/11, juris). Es standen nach dem Vertrag weder Dauer, Ort noch die konkrete Anzahl der "Einzelaufträge" fest, die abgewickelt werden sollten. Daher vereinbarten die Vertragsparteien in Ziff. 1.2 der Vereinbarung zudem, dass sich die einzelnen Spezifikationen der Aufgabenstellung nach Art, Ziel und Umfang aus den jeweiligen Einzelaufträgen ergeben werden.
84Werden jedoch "unter dem Dach" eines Rahmenvertrags einzelne, gesonderte, (nur) kurze Vertragsverhältnisse begründet, sind grundsätzlich jeweils nur diese einzelnen "Einsatzaufträge" am Maßstab der von der Rechtsprechung für die Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und Beschäftigung entwickelten Grundsätze zu bewerten (BSG, Urteil v. 28.5.2008, a.a.O.; BSG, Urteil v. 28.9.2011, a.a.O.; BSG, Urteil v. 30.10.2013, a.a.O.). Der Rahmenvertrag tritt daher - trotz der sich vorliegend daraus ergebenden Anhaltspunkte für eine selbstständige Tätigkeit (z.B. Weisungsfreiheit in inhaltlicher, zeitlicher und örtlicher Hinsicht, kein Anspruch auf Urlaubsgeld, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Weihnachtsgratifikation, Firmenwagen und Überstundenvergütung, keine feste Arbeitszeit, kein festes monatliches Gehalt, Rechnungsstellung mit USt.) - in den Hintergrund und übt damit keinen maßgeblichen Einfluss mehr auf die Beurteilung der konkreten Beauftragung aus.
85Die vorliegend zu beurteilende Ausgestaltung von tatsächlicher Beauftragung und Durchführung dieser "Einzelaufträge" stellt sich allerdings nicht als "kurzes" Vertragsverhältnis im o.g. Sinne dar. Denn bei den durch die Beigeladene zu 1) erteilten Paketaufträgen und den üblicherweise vorgegebenen monatelangen Laufzeiten kann der Senat diese nur als sich "überschneidende" und damit jährliche Auftragsverhältnisse werten, die bei wertender Betrachtung zu einem einheitlichem Dauerschuldverhältnis zusammenzufassen sind. Dass sich darunter zusätzlich sog. Ad hoc-Aufträge befinden, die von der Klägerin kurzfristig abzuarbeiten sind, hindert diese Einschätzung nicht. Die bereits begründete dauerhafte Leistungspflicht der Klägerin wird dadurch lediglich überlagert, ist aber nicht anders zu beurteilen. Ebenso wenig kommt es darauf an, dass grundsätzlich Auftragslaufzeiten maximal bis Ende November eines jeden Jahres angesetzt werden. Nach übereinstimmender Auskunft der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) sowie nach Einsicht in das Fahrtenbuch der Klägerin für das Jahr 2012 steht für den Senat fest, dass üblicherweise im Dezember eines Jahres die noch offenen Kontrollen abgearbeitet werden, so dass diesbezüglich keine Beauftragungslücke entsteht und eine durchgängige Leistung der Klägerin erfolgt. Da nach Angaben der Klägerin, denen die übrigen Beteiligten nicht entgegengetreten sind und an deren Richtigkeit keine Zweifel bestehen, die erste Beauftragung erst im November 2009 stattgefunden hat, besteht für den Oktober 2009 keine Versicherungspflicht.
86Im Rahmen des festgestellten Sachverhaltes und des o.g. Prüfungsmaßstabs zeigt die Bewertung und Gewichtung der relevanten Abgrenzungsmerkmale, dass das vertraglich vereinbarte und tatsächlich praktizierte Vertragsverhältnis im Wesentlichen dem eines abhängig Beschäftigten entspricht, wogegen Aspekte, die für eine selbständige Tätigkeit sprechen, nicht in einem im Rahmen der Gesamtabwägung überwiegendem Umfang vorhanden sind.
87Nach dem festgestellten Sachverhalt ist der Senat vielmehr davon überzeugt, dass die Klägerin in die betriebliche Organisation der Beigeladenen zu 1) eingegliedert ist und dabei deren Weisungsrecht unterliegt.
88Für die Beurteilung, ob jemand in einer von anderer Seite vorgegebenen Arbeitsorganisation eingegliedert ist, muss auf die Verhältnisse abgestellt werden, die nach Annahme des Vertragsverhältnisses im Hinblick hierauf bestanden (BSG, Urteil v. 12.2.2004, B 12 KR 26/02 R, juris; BSG, Urteil v. 28.5.2008, a.a.O.; BSG, Urteil v. 28.9.2011, a.a.O.). Die Klägerin ist zunächst in einen fremden Betrieb, nämlich in den der Beigeladenen zu 1) und folglich in eine ihr einseitig durch diese vorgegebene Organisation eingegliedert (vgl. BSG, Urteil v. 4.6.1998, B 12 KR 5/97 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 17 m.w.N.). Dagegen spricht zunächst nicht, dass sie nicht am Sitz der Beigeladenen zu 1) tätig ist, sondern maßgeblich bei deren Endkunden und in einem sog. Home-Office. Denn insoweit besteht kein Unterschied zu den unstreitig abhängig beschäftigten Auditoren der Beigeladenen zu 1).
89Der Klägerin ist allerdings zuzugeben, dass sie nicht wie die angestellten Auditoren einer mit dem Disponenten abgestimmten Wochen- und vorgegebenen Routenplanung unterliegt. Sie erhält auch keine schriftliche Leistungsbeurteilung und hat keinen sog. disziplinarischen Vorgesetzten. Ihr werden weder Dienstwagen, Dienstausweis bzw. Visitenkarten zur Verfügung gestellt noch das Home-Office ausgestattet und sie unterliegt auch nicht der Schulungspflicht wie festangestellte Auditoren.
90Diese Umstände stehen der Annahme einer Eingliederung der Klägerin in den Betrieb der Beigeladenen zu 1) jedoch nicht durchgreifend entgegen. Zunächst kann die Klägerin ihre Tätigkeit nur über die Beigeladene zu 1) ausüben, da diese über die dafür nötigen Zertifizierungen verfügt, sie aber nicht. Ihr allein wäre es daher nicht möglich, auf dem Markt erfolgreich entsprechende Leistungen anzubieten. Sie bedarf dafür zudem des Rückgriffs auf Kundenstamm, Know-how (Checklisten) und Infrastruktur (Labor) der Beigeladenen zu 1). Dies bestätigend hat die Klägerin vorgetragen, dass ihr das Material für die Probenentnahmen von der Beigeladenen zu 1) gestellt werden müsse, da diese ihr nicht zugänglich seien.
91Die Klägerin ist ferner in die elektronische Infrastruktur der Beigeladenen zu 1) eingebunden. Über das Internetportal der Beigeladenen zu 1), zu welchem ihr Zugriffsrechte erteilt wurden, muss sich die Klägerin zunächst die auszuführenden Checklisten herunterladen, die sie dann bei dem Endkunden der Beigeladenen zu 1) abarbeitet. Zudem lädt sie mit Hilfe der zur Verfügung gestellten Software ihre Berichte in die Datenbank der Beigeladenen zu 1) hoch.
92Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass die Klägerin lediglich ein von der Beigeladenen zu 1) vorgehaltenes System ohne Vorliegen weiterer, für eine Einbindung in die organisatorische Einheit des "Systemgebers" sprechende Umstände, nutze (vgl. hierzu BSG, Urteil v. 30.10.2013, a.a.O., m.V.a BSG, SozR 4-2600 § 2 Nr. 15; Franchise-System: BSG, SozR 4-2600 § 2 Nr. 12; Charterflug-Netz: BSG, Urteil v. 28.5.2008, a.a.O.; Dienste einer privaten Pflege-Agentur: BSG, Urteil v. 28.9.2011, a.a.O.). Denn dieser Annahme steht die tatsächliche Ausgestaltung des zu beurteilenden Rechtsverhältnisses entgegen.
93Zunächst nutzt die Beigeladene zu 1) die von der Klägerin und die über sie erhaltenden Daten zur Auftragsüberwachung. Sie registriert in ihrer Datenbank die jedem Auditor angebotenen Aufträge und damit auch die der Klägerin. Der Status der Aufträge wird mit "angenommen", "in Planung", "abgelehnt" und "erledigt" gekennzeichnet. Aus den von der Klägerin hochgeladenen Auditberichten kann zudem teilweise Beginn und Ende des Audits vor Ort ersehen werden (vorgelegter Auditbericht vom 19.4.2010). Es erfolgt über diese Datenbank eine ständige und für die Beigeladene zu 1) verfolgbare Rückkopplung. Sie kann dort ersehen, ob und wie oft die Klägerin ihr angebotene Aufträge en bloc oder einzeln annimmt, sie ablehnt oder durch Hochladen ihrer Auditberichte Erledigung anzeigt. Der Klägerin gewährt die Beigeladene zu 1) einen geschützten Zugriff und stellt ihr die benötigte Software zur Verfügung. Diese Rückkopplung nutzt die Beigeladene zu 1) nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme gerade dazu, den Fortschritt der Auftragsabwicklung der sog. freien Auditoren und damit auch den der Klägerin zu überwachen. Der Zeuge X hat von einem sog. regelmäßigen Monitoring zur Prüfung des Auftragsfortschritts und Rücksprachen für den Fall gesprochen, dass eine rechtzeitige Auftragsabwicklung nicht mehr realistisch erscheint. Zudem werden Erfahrungswerte bezüglich der sog. freien Auditoren durchaus registriert, auch wenn dies nicht durch eine dokumentierte Evaluation erfolgt. Ergänzend hat der Zeuge T bekundet, dass im Rahmen der Jahresgespräche mit den Endkunden deren Wünsche oder Beschwerden über die Auditoren an den Zeugen X weitergeleitet werden. Daraus zeigt sich, dass auch die sog. freien Auditoren und damit auch die Klägerin Bestandteil eines umfangreichen Qualitätssicherungsmanagement der Beigeladenen zu 1) sind.
94Die Klägerin ist ferner in die Arbeitsabläufe der Beigeladenen zu 1) eingebunden und wird darin im Wege arbeitsteiligen Zusammenwirkens eingesetzt. Sie erhält die seitens des Customer Service der Beigeladenen zu 1) nach Maßgabe der Kundenwünsche, Zertifizierungsnotwendigkeiten und gesetzlichen Vorgaben erstellten Checklisten und führt diese vor Ort aus. Dabei fertigt sie lediglich einen vorläufigen Bericht, da in diesen die Analyse der entnommenen Proben noch nicht eingeflossen ist. Mit dem Hochladen dieser Berichtsversion ist grundsätzlich ihre (Teil-)Leistung erfüllt. Bei der Beigeladenen zu 1) werden anschließend die Probenentnahmen analysiert, dem Bericht zugeführt und sodann die Ergebnisse im Rahmen des Technical Review überprüft. Bei Mängeln erfolgt eine Rücksprache. Ferner stehen Qualifizierungsmaßnahmen der Beigeladenen zu 1) auch der Klägerin, mit Ausnahme des sog. Career Centers, (unentgeltlich) offen.
95Der Einwand, dass die Umstände der klägerischen Leistung als nicht für eine abhängige Beschäftigung sprechende Merkmale anzusehen seien, weil die Einbindung der Klägerin über das sich allein aus der Art der zu leistenden Tätigkeit ergebende Maß nicht hinausgegangen sei, kann gleichfalls nicht überzeugen. Dabei wird nicht berücksichtigt, dass eine tatsächlich bestehende Eingliederung in den Betrieb des Dienstherrn nicht deshalb in ihrer Bedeutung zurücktritt, weil sie (auch) in der Eigenart der zu erbringenden Leistung begründet ist (BSG, Urteil v. 11.3.2009, a.a.O., juris).
96Die Klägerin unterliegt daran anknüpfend einem Weisungsrecht der Beigeladenen zu 1) bezüglich Ort, Zeit sowie Art und Weise der Tätigkeit.
97Die Art der Tätigkeit bestimmt sich jeweils aus den von der Beigeladenen zu 1) zu den jeweiligen Prüfmärkten erstellten Checklisten und den fachlichen Weisungen der Projektmanager. Bei den durch den Customer Service erstellten Checklisten handelt es sich um Einzelweisungen an den jeweiligen Auditor. Da die Auftragsvergabe an die einzelnen Auditoren jedoch erst nach Checklistenerstellung und Auftragsweiterleitung erfolgt, ist im Zeitpunkt der Erstellung noch unbekannt, ob die Checklisten einem festangestellten oder einem sog. freien Auditor zur Verfügung gestellt werden, d.h. sie weisen in beiden Konstellationen eine identische Weisungsdichte auf. Da diese Checklisten zudem das genaue Prüfprogramm darstellen, welches die Beigeladene zu 1) mit ihrem Endkunden vereinbart hat, ist jeder Auditor und damit auch die Klägerin verpflichtet, sie genauestens abzuarbeiten. Gestaltungsfreiheiten obliegen ihr diesbezüglich gerade nicht. Entsprechendes ist auch nicht vorgetragen worden. Würde die Beigeladene zu 1) diese zulassen, wäre die von ihr auf die Klägerin ausgelagerte Leistung nicht mehr im Rahmen des dem Endkunden geschuldeten Gesamtergebnisses nutzbar. Vor dem Hintergrund des umfangreichen Prüfprogramms, welches die zusammengestellten Checklisten enthalten, können sie aus Sicht des Senats auch nicht mehr als lediglich den groben Inhalt der Tätigkeit vorgebende "Eckpunkte" qualifiziert werden, die zwar eine geminderte Autonomie hervorrufen, von denen aber gerade nicht auf eine Weisungsgebundenheit geschlossen werden kann (dazu: BSG, Urteil v. 28.9.2011, a.a.O.; BSG, Urteil v. 28.5.2008, a.a.O.; BSG, Urteil v. 30.10.2013, a.a.O.).
98Der Ort der auszuführenden Tätigkeit ergibt sich aus dem angenommenen Auftrag. Das gilt sowohl für die Klägerin als auch für die bei der Beigeladenen zu 1) festangestellten Auditoren. Zudem schränkt die Beigeladene zu 1) durch die regionale Aufteilung der freien Auditoren und die entsprechende Steuerung der Auftragsangebote nach Postleitzahlen den Ort der Tätigkeit ein.
99In zeitlicher Hinsicht mag die Weisungsdichte gegenüber der Klägerin geringer sein als diejenige gegenüber den festangestellten Auditoren der Beigeladenen zu 1). Insbesondere ist sie nicht einer stringenten Wochen- und Routenplanung durch die Beigeladene zu 1) unterworfen. Die Klägerin ist damit nur verpflichtet, die Aufträge binnen eines oftmals großzügig vorgegebenen Zeitfensters abzuarbeiten. Allerdings verfolgt die Beigeladene zu 1) den Fortschritt der Auftragsabarbeitung im Wege eines Monitorings und schreitet bei Gefährdung der Zeitvorgabe ein. Im Hinblick darauf gebietet die gelockerte Weisungsdichte (lediglich) im Bereich der Weisungsgebundenheit hinsichtlich der Arbeitszeit nicht die Beurteilung, die Klägerin sei selbstständig. Denn es ist unbedenklich möglich, innerhalb eines Unternehmens verschiedene Gruppen von abhängig Beschäftigten auch bei ähnlicher Tätigkeit unterschiedlich dichten Weisungen zu unterwerfen, ohne dass dies sozialversicherungsrechtlich statusrelevant wird.
100Die Klägerin beziffert zudem den Umfang ihrer Tätigkeit auf bis zu 20 Wochenstunden, was einer Teilzeittätigkeit entspricht. Es sind gerade auch in abhängigen Beschäftigungen häufig flexible Arbeitszeiten anzutreffen, da Arbeitgeber zunehmend durch flexible Arbeitszeitsysteme wie Gleitzeitsystem etc. den persönlichen Bedürfnissen ihrer Arbeitnehmer entgegenkommen, aber solche Systeme auch zu ihrem Vorteil nutzen, um zum Beispiel zum Teil schwankenden Arbeitsanfall abzufedern und teure Arbeitskraft effektiver einzusetzen (Senat, Urteil v. 20.7.2011, L 8 R 534/10, juris).
101Soweit die Klägerin einwendet, dass ihr bislang keine Weisungen erteilt worden seien, ergibt sich daraus nichts anderes. Denn der Gebrauch bestehender Rechtsmacht ist unbeachtlich, weil die versicherungsrechtliche Beurteilung sonst wesentlich davon abhinge, ob die Tätigkeit aus Sicht des Rechtsmachtinhabers beanstandungsfrei ausgeübt wurde (vgl. LSG NRW, Urteil v. 25.3.2010, L 16 (5) KR 190/08, juris; Senat, Urteil v. 12.2.2014, L 8 R 1108/12).
102Letztlich ist ein stark abgeschwächtes Weisungsrecht für die ausgeübte Tätigkeit ebenso wie z.B. bei der Wahrnehmung von Tätigkeiten für leitende Angestellte, die in einem Betrieb höhere Dienste leisten, geradezu charakteristisch. Dennoch werden auch Tätigkeiten für leitende Angestellte im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung geleistet, wenn sie fremdbestimmt bleiben, weil sie in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen (st. Rspr. seit BSGE 16, 289, 294 = SozR Nr. 30 zu § 165 RVO und BSGE 21, 57, 58 f = SozR Nr. 2 zu § 2 AVG S. 4; in jüngerer Zeit z.B. BSG SozR 3-2940 § 3 Nr. 2 S. 9 m.w.N.; BSGE 66, 168 = SozR 3-2400 § 7 Nr. 1 und SozR 3-2400 § 7 Nr. 20 S. 80; vgl. - zum Fehlen einer Eingliederung einer hauswirtschaftlichen Familienbetreuerin - BSG, Urteil v. 28.9.2011, a.a.O., juris). Wie weit die Lockerung des Weisungsrechts in der Vorstellung des Gesetzgebers gehen kann, ohne dass deswegen die Stellung als Beschäftigter entfällt, zeigen beispielhaft die gesetzlichen Sonderregelungen zur Versicherungsfreiheit von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft in der Renten- und Arbeitslosenversicherung (§ 1 Satz 4 SGB VI sowie § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III), die regelmäßig abhängig beschäftigt sind, auch wenn sie die Gesellschaft in eigener Verantwortung zu leiten haben und gegenüber der Belegschaft Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen (st. Rspr. BSGE 65, 113, 116 f = SozR 2200 § 1248 Nr. 48 S. 125; SozR 3-2400 § 7 Nr. 18 S. 65; BSGE 100, 62 = SozR 4-2600 § 1 Nr. 3, Rdnr. 16; BSGE 107, 185 = SozR 4-2600 § 1 Nr. 6 Rdnr. 14). Allein weit reichende Entscheidungsbefugnisse eines "leitenden Angestellten", der in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem gemilderten Weisungsrecht unterliegt, machen diesen nicht schon zu einem Selbstständigen (BSG, Urteil v. 18.12.2001, a.a.O.; Senat, Urteil v. 17.10.2012, a.a.O, juris). Nichts anderes kann im vorliegenden Fall gelten.
103Wesentliche Merkmale, die für eine selbstständige Tätigkeit sprechen, und im Rahmen der Gesamtabwägung dermaßen überwiegen, dass nicht von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen ist, liegen nicht vor.
104Die Tätigkeit wird von allen Auditoren vor Ort beim Endkunden bzw. im Home-Office durchgeführt. Vor diesem Hintergrund ist der Tatsache, dass die Klägerin über eine eigene Betriebsstätte, nämlich ein Büro mit Lagermöglichkeiten für die entnommenen Proben, verfügt, kein maßgebliches Gewicht zuzubilligen. Auch die weiteren Indizien für eine selbständige Tätigkeit, nämlich die steuerliche Erfassung als Einkünfte aus selbstständiger Arbeit, die Rechnungsstellung mit Mehrwertsteuer und das Vorhalten einer Buchhaltung, weisen kein überwiegendes Gewicht in der Gesamtabwägung auf.
105Alsdann ist zur Überzeugung des Senats ein Unternehmerrisiko der Klägerin nicht in erheblichem Umfang festzustellen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. u.a. BSG, Urteil v. 28.5.2008, a.a.O.) ist maßgebliches Kriterium hierfür, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der tatsächlichen und persönlichen Mittel also ungewiss ist (Senat, Beschluss v. 9.1.2013, a.a.O., juris). Erforderlich ist ein Risiko, das über das Risiko hinausgeht, für den Arbeitseinsatz kein Entgelt zu erzielen (Segebrecht in: jurisPK-SGB IV, 2. Auflage, § 7 Rdnr. 117). Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (vgl. BSG, Urteil v. 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R, BSG, Urteil v. 28.9.2011, a.a.O.).
106Die Klägerin erhält eine pauschale Vergütung nach Rechnungsstellung. Über den praktizierten Abrechnungsmodus wird ein regelmäßiger Zahlungsfluss sichergestellt. Aufgrund der stetigen Auftragslage setzt die Klägerin ihre Arbeitskraft damit nicht mit der Gefahr des Verlustes ein. Das Risiko, dass die Beigeladene zu 1) nicht oder verspätet die Rechnungen begleicht, entspricht dem Risiko eines abhängigen Beschäftigten, dessen Arbeitgeber mit der Lohnzahlung in Verzug gerät.
107Das weitere Fehlen von Regelungen zu Ansprüchen auf Urlaubsentgelt bzw. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall rechtfertigt für sich genommen nicht die Annahme eines unternehmerischen Risikos. Die Überbürdung sozialer Risiken abweichend von der das Arbeitsrecht prägenden Risikoverteilung ist nur dann ein gewichtiges Indiz für unternehmerisches Handeln, wenn damit auch tatsächliche Chancen einer Einkommenserzielung verbunden sind, also eine Erweiterung der unternehmerischen Möglichkeiten stattfindet (BSG, Urteil v. 11.3.2009, a.a.O.; Senat, Urteil v. 20.7.2011, L 8 R 534/10, jeweils juris). Hierfür ist im vorliegenden Fall jedoch nichts ersichtlich.
108Zwar hat die Klägerin eigenes Kapital aufgewandt. Sie hat zunächst Betriebsmittel angeschafft, die sie steuerlich als Betriebsausgaben geltend macht. Dazu gehören ein Pkw im Wert von 15.000,00 Euro sowie PC, Drucker, Arbeitskleidung sowie weitere benötigte Verbrauchsutensilien und Büromaterialien. Zudem hat sie sich ein Arbeitszimmer eingerichtet. Sie hat ferner in ihre Fortbildung insoweit investiert, als sie zur Teilnahme an den von der Beigeladenen zu 1) - im Übrigen kostenfrei - angebotenen Schulungen Fahrt- und Übernachtungskosten selbst tragen musste.
109Dem Einsatz des eigenen Fahrzeugs ist allerdings kein maßgebliches Gewicht beizumessen. Denn auch viele Arbeitnehmer nutzen zumindest den eigenen Pkw, um den Weg zur Arbeit anzutreten (vgl. Senat, Urteil v. 20.7.2011, L 8 R 532/10, juris; BSG, Urteil v. 22.6.2005, B 12 KR 28/03 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 5).
110Eine Steigerung der unternehmerischen Chancen kann die Klägerin im Rahmen dieser Investitionen ferner kaum generieren. Denn mangels eigener Zertifizierung ist sie zunächst auf die Aufträge der Beigeladenen zu 1) angewiesen und kann sich keinen eigenen Kundenstamm aufbauen. Die angebotenen Aufträge beschränken sich grundsätzlich auf ortsnahe Prüfobjekte, so dass eine Vergrößerung des Prüfradius nicht in Betracht kommt. Auftragspakete werden grundsätzlich nicht mehreren Auditoren gleichzeitig angeboten, sondern durch die Beigeladene zu 1) zugeteilt. Damit ist es der Klägerin auch nicht möglich, durch schnellen und geschickten Zugriff auf die gesamten Angebote ihren Verdienst zu steigern. Die Klägerin selbst hat die Frage des Senates, ob sie von sich aus freie Kapazitäten mitgeteilt habe, verneint.
111Verdienststeigerungen sind ihr damit nur in äußerst geringem Maße möglich, so z.B. mit einer verbrauchssparenden Routenplanung. Dabei zeigt eine Einsicht in das Fahrtenbuch der Klägerin für das Jahre 2012 allerdings exemplarisch, dass sie an vielen Tagen lediglich einen Markt, mehrfach zwei und selten drei Märkte an einem Tag geprüft hat, was die entsprechenden Gestaltungsmöglichkeiten als eher gering erscheinen lässt.
112In beschränktem Maße bieten sich unternehmerische Chancen über den Besuch von Schulungen, denn über den Erwerb zusätzlicher Qualifikationen kann die Klägerin sich weitere Auftragsgebiete erschließen. Allerdings haben auch abhängig beschäftigte Auditoren die Möglichkeit, durch Verbesserung ihrer Qualifikation Gehaltssteigerungen zu erzielen. Da sich die auf die Schulungen entfallenden Fahrt- und Unterbringungskosten zudem nach der vorgelegten BWA-Jahresübersicht der Jahre 2009 bis 2012 auf Beträge zwischen 0,00 Euro bis 220,99 Euro jährlich belaufen, fällt das Investitionsvolumen nicht so maßgeblich ins Gewicht, dass vor diesem Hintergrund zwingend von einer selbstständigen Tätigkeit auszugehen wäre.
113Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der vereinbarten Haftung auf Schadensersatz bei Schlechtleistung (BSG, Urteil v. 28.9.2011, a.a.O.). Die Haftung für Pflichtverletzungen ist für Arbeitnehmer nicht untypisch. So haftet der Arbeitnehmer nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) im Rahmen eines dreistufigen Haftungsmodells nicht für leichte Fahrlässigkeit und anteilig für mittlere Fahrlässigkeit. Die volle Haftung muss er für grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz übernehmen (BAG GS, Beschluss v. 27.9.1994, GS 1/89 (A), AP Nr. 103 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers, BAG, Urteil v. 25.9.1997, 8 AZR 288/96, AP N r. 111 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers; Griese in: Küttner, Personalbuch 2012, Arbeitnehmerhaftung, Rdnr. 12f.). Demgegenüber ist vorliegend die Haftung sogar noch eingeschränkt, da die Klägerin nur auf Schadenersatz für grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz haften sollte.
114Eine andere Beurteilung folgt auch nicht daraus, dass die Klägerin zur Ablehnung und Rückgabe von Aufträgen an die Beigeladene zu 1) berechtigt ist und entsprechendes auch mehrfach getan hat. Die Ablehnung bzw. Rückgabe der Aufträge erfolgen nach Angaben der Klägerin zunächst, wenn sie die entsprechenden Berechtigungen und Erfahrungen für die durchzuführenden Prüfungen nicht hat. Ihre Ablehnung beruht damit nicht auf ihrem Status, sondern aufgrund der Tatsache, dass die Beigeladene zu 1) sie zur Erfüllung einer subjektiv unmöglichen Leistung auffordert. In einem solchen Fall steht auch einem abhängig Beschäftigten ein Ablehnungsrecht zu. Darüber hinaus hat die Klägerin von diesem Recht Gebrauch gemacht, wenn sie aus Überlastungsgründen nicht in der Lage gewesen ist, die angebotenen Aufträge anzunehmen bzw. bereits übernommene Aufträge fristgerecht durchzuführen. Überlastungsanzeigen kommen jedoch ebenfalls im Rahmen von abhängigen Beschäftigungen vor [vgl. Arbeitsgericht (ArbG) Köln, Urteil v. 17.2.2009, 14 Ca 5366/08, juris]. Sie sind daher kein zwingendes Indiz für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit.
115Der Einwand, dass die Klägerin berechtigt gewesen ist, mit Zustimmung der Beigeladenen zu 1) einen Dritten zur Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen einzusetzen, spricht gleichfalls nicht für eine selbständige Tätigkeit. Tatsächlich hat sie die Arbeiten ausschließlich selbst erledigt. Die Möglichkeit, Arbeiten laufend durch eigenes Personal (also nicht höchstpersönlich) durchführen lassen zu können, ist zwar grundsätzlich ein Anhaltspunkt für eine selbständige Tätigkeit. Mit der Einstellung von Personal sind nämlich unabhängig von der Auftragslage laufende Ausgaben und die wirtschaftliche Verpflichtungen verbunden, die das Risiko in sich bergen, Kapital mit dem Risiko eines Verlustes einzusetzen und damit letztlich ein Unternehmerrisiko darstellen. Davon zu unterscheiden ist aber die bloß formale vertragliche Berechtigung, die Arbeiten auch durch andere durchführen zu lassen, wenn von dieser tatsächlich nie Gebrauch gemacht wird und die persönliche Leistungserbringung die Regel ist (BSG, Urteil v. 19.8.2003, B 2 U 38/02 R, SozR 4-2700 § 2 Nr. 1). Derartige formale Berechtigungen können, wenn sie tatsächlich nicht zum Tragen kommen, nicht als Indiz für eine selbständige Tätigkeit, sondern allenfalls als Ausdruck des Wunsches, dass eine selbständige Tätigkeit vorliegen soll, gewertet werden (vgl. insgesamt: Segebrecht in: a.a.O., § 7 Rdnr. 117).
116Weitere in die Gesamtabwägung einzustellende Gesichtspunkte sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Angesichts des eindeutigen Überwiegens der Gesichtspunkte für eine abhängige Beschäftigung kommt dem in der Rahmenvereinbarung geäußerten Wunsch, eine selbständige Tätigkeit zu begründen, keine entscheidende Bedeutung zu.
117Die Beklagte hat die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung, in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung zu Recht ab dem 1.11.2009 festgestellt. Die Voraussetzungen für einen späteren Beginn gemäß § 7a Abs. 6 SGB IV liegen bereits mangels Zustimmung der Klägerin nicht vor.
118Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 183, 193 SGG. Im Rahmen seines Ermessens hat der Senat von einer Kostenquotelung aufgrund der Geringfügigkeit des Obsiegens abgesehen.
119Gründe gemäß § 160 Abs. 2 SGG für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Entscheidung orientiert sich an der ständigen Rechtsprechung des BSG.
Versicherungspflichtig sind
- 1.
Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind; während des Bezuges von Kurzarbeitergeld nach dem Dritten Buch besteht die Versicherungspflicht fort, - 2.
behinderte Menschen, die - a)
in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 226 des Neunten Buches oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit oder bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches tätig sind, - b)
in Anstalten, Heimen oder gleichartigen Einrichtungen in gewisser Regelmäßigkeit eine Leistung erbringen, die einem Fünftel der Leistung eines voll erwerbsfähigen Beschäftigten in gleichartiger Beschäftigung entspricht; hierzu zählen auch Dienstleistungen für den Träger der Einrichtung,
- 3.
Personen, die in Einrichtungen der Jugendhilfe oder in Berufsbildungswerken oder ähnlichen Einrichtungen für behinderte Menschen für eine Erwerbstätigkeit befähigt werden sollen; dies gilt auch für Personen während der individuellen betrieblichen Qualifizierung im Rahmen der Unterstützten Beschäftigung nach § 55 des Neunten Buches, - 3a.
(weggefallen) - 4.
Mitglieder geistlicher Genossenschaften, Diakonissen und Angehörige ähnlicher Gemeinschaften während ihres Dienstes für die Gemeinschaft und während der Zeit ihrer außerschulischen Ausbildung.
- 1.
Auszubildende, die in einer außerbetrieblichen Einrichtung im Rahmen eines Berufsausbildungsvertrages nach dem Berufsbildungsgesetz ausgebildet werden, - 2.
Teilnehmer an dualen Studiengängen und - 3.
Teilnehmer an Ausbildungen mit Abschnitten des schulischen Unterrichts und der praktischen Ausbildung, für die ein Ausbildungsvertrag und Anspruch auf Ausbildungsvergütung besteht (praxisintegrierte Ausbildungen).
(1) Versicherungsfrei sind Personen in einer Beschäftigung als
- 1.
Beamtin, Beamter, Richterin, Richter, Soldatin auf Zeit, Soldat auf Zeit, Berufssoldatin oder Berufssoldat der Bundeswehr sowie als sonstige Beschäftigte oder sonstiger Beschäftigter des Bundes, eines Landes, eines Gemeindeverbandes, einer Gemeinde, einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft, Anstalt, Stiftung oder eines Verbandes öffentlich-rechtlicher Körperschaften oder deren Spitzenverbänden, wenn sie nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen bei Krankheit Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge und auf Beihilfe oder Heilfürsorge haben, - 2.
Geistliche der als öffentlich-rechtliche Körperschaften anerkannten Religionsgesellschaften, wenn sie nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen bei Krankheit Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge und auf Beihilfe haben, - 3.
Lehrerin oder Lehrer an privaten genehmigten Ersatzschulen, wenn sie hauptamtlich beschäftigt sind und nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen bei Krankheit Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge und auf Beihilfe haben, - 4.
satzungsmäßige Mitglieder von geistlichen Genossenschaften, Diakonissen und ähnliche Personen, wenn sie sich aus überwiegend religiösen oder sittlichen Beweggründen mit Krankenpflege, Unterricht oder anderen gemeinnützigen Tätigkeiten beschäftigen und nicht mehr als freien Unterhalt oder ein geringes Entgelt beziehen, das nur zur Beschaffung der unmittelbaren Lebensbedürfnisse an Wohnung, Verpflegung, Kleidung und dergleichen ausreicht, - 5.
Mitglieder des Vorstandes einer Aktiengesellschaft für das Unternehmen, dessen Vorstand sie angehören. Konzernunternehmen im Sinne des § 18 des Aktiengesetzes gelten als ein Unternehmen.
(2) Versicherungsfrei sind Personen in einer geringfügigen Beschäftigung; abweichend von § 8 Abs. 2 Satz 1 des Vierten Buches werden geringfügige Beschäftigungen und nicht geringfügige Beschäftigungen nicht zusammengerechnet. Versicherungsfreiheit besteht nicht für Personen, die
- 1.
im Rahmen betrieblicher Berufsbildung, nach dem Jugendfreiwilligendienstegesetz, nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz, - 2.
wegen eines Arbeitsausfalls mit Entgeltausfall im Sinne der Vorschriften über das Kurzarbeitergeld oder - 3.
wegen stufenweiser Wiedereingliederung in das Erwerbsleben (§ 74 Fünftes Buch, § 44 Neuntes Buch) oder aus einem sonstigen der in § 146 Absatz 1 genannten Gründe
(3) Versicherungsfrei sind Personen in einer
- 1.
unständigen Beschäftigung, die sie berufsmäßig ausüben. Unständig ist eine Beschäftigung, die auf weniger als eine Woche der Natur der Sache nach beschränkt zu sein pflegt oder im voraus durch Arbeitsvertrag beschränkt ist, - 2.
Beschäftigung als Heimarbeiterin oder Heimarbeiter, die gleichzeitig mit einer Tätigkeit als Zwischenmeisterin oder Zwischenmeister (§ 12 Abs. 4 Viertes Buch) ausgeübt wird, wenn der überwiegende Teil des Verdienstes aus der Tätigkeit als Zwischenmeisterin oder Zwischenmeister bezogen wird, - 3.
Beschäftigung als ausländische Arbeitnehmerin oder ausländischer Arbeitnehmer zur beruflichen Aus- oder Fortbildung, wenn - a)
die berufliche Aus- oder Fortbildung aus Mitteln des Bundes, eines Landes, einer Gemeinde oder eines Gemeindeverbandes oder aus Mitteln einer Einrichtung oder einer Organisation, die sich der Aus- oder Fortbildung von Ausländerinnen oder Ausländern widmet, gefördert wird, - b)
sie verpflichtet sind, nach Beendigung der geförderten Aus- oder Fortbildung das Inland zu verlassen, und - c)
die im Inland zurückgelegten Versicherungszeiten weder nach dem Recht der Europäischen Gemeinschaft noch nach zwischenstaatlichen Abkommen oder dem Recht des Wohnlandes der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers einen Anspruch auf Leistungen für den Fall der Arbeitslosigkeit in dem Wohnland der oder des Betreffenden begründen können,
- 4.
Beschäftigung als Bürgermeisterin, Bürgermeister, Beigeordnete oder Beigeordneter, wenn diese Beschäftigung ehrenamtlich ausgeübt wird, - 5.
Beschäftigung, die nach den §§ 16e und 16i des Zweiten Buches gefördert wird.
(4) Versicherungsfrei sind Personen, die während der Dauer
- 1.
ihrer Ausbildung an einer allgemeinbildenden Schule oder - 2.
ihres Studiums als ordentliche Studierende einer Hochschule oder einer der fachlichen Ausbildung dienenden Schule
(5) Versicherungsfrei sind Personen, die während einer Zeit, in der ein Anspruch auf Arbeitslosengeld besteht, eine Beschäftigung ausüben. Satz 1 gilt nicht für Beschäftigungen, die während der Zeit, in der ein Anspruch auf Teilarbeitslosengeld besteht, ausgeübt werden.
Die Vorschriften für die Vorstandsmitglieder gelten auch für ihre Stellvertreter.
(1) Die Prüfung durch die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats sowie die Prüfung durch die Gründungsprüfer haben sich namentlich darauf zu erstrecken,
- 1.
ob die Angaben der Gründer über die Übernahme der Aktien, über die Einlagen auf das Grundkapital und über die Festsetzungen nach §§ 26 und 27 richtig und vollständig sind; - 2.
ob der Wert der Sacheinlagen oder Sachübernahmen den geringsten Ausgabebetrag der dafür zu gewährenden Aktien oder den Wert der dafür zu gewährenden Leistungen erreicht.
(2) Über jede Prüfung ist unter Darlegung dieser Umstände schriftlich zu berichten. In dem Bericht ist der Gegenstand jeder Sacheinlage oder Sachübernahme zu beschreiben sowie anzugeben, welche Bewertungsmethoden bei der Ermittlung des Wertes angewandt worden sind. In dem Prüfungsbericht der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats kann davon sowie von Ausführungen zu Absatz 1 Nr. 2 abgesehen werden, soweit nach § 33a von einer externen Gründungsprüfung abgesehen wird.
(3) Je ein Stück des Berichts der Gründungsprüfer ist dem Gericht und dem Vorstand einzureichen. Jedermann kann den Bericht bei dem Gericht einsehen.
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 23.4.2013 wird zurückgewiesen. Die Klagen gegen die Bescheide vom 15.11.2013 werden abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsrechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob für die bei der Klägerin zu 2) ausgeübte Tätigkeit des Klägers zu 1) als Fremdgeschäftsführer ab dem 1.7.2010 Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht.
3Bei der Klägerin zu 2) handelt es sich um eine im Handelsregister des Amtsgerichtes C (HRB 000) eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), welche zum E-Konzern gehört. Sie erbringt Dienstleistungen auf dem Gebiet des elektronischen Zahlungsverkehrs. Alleinige Gesellschafterin der Klägerin zu 2) ist die E Beteiligungen Holding GmbH, deren Anteile wiederum zu 100 v.H. von der E AG als Konzernmutter gehalten werden.
4Die Klägerin zu 2) firmierte ursprünglich unter dem Namen "J GmbH". Zu diesem Zeitpunkt bestand zwischen ihr und der E Beteiligungen Holding GmbH als ihrer alleinigen Gesellschafterin ein auf den 30.10.2003 datierender Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag. Dort war u.a. in § 1 vereinbart:
51. Die J GmbH unterstellt die Leitung ihrer Gesellschaft der E Beteiligungen Holding GmbH. Die E Beteiligungen Holding GmbH ist demgemäß berechtigt, der Geschäftsführung der Organgesellschaft Weisungen zu erteilen. Die Geschäftsführung der Organgesellschaft verpflichtet sich, derartigen Weisungen Folge zu leisten. Das Weisungsrecht erstreckt sich nicht darauf, diesen Vertrag zu ändern, aufrecht zu erhalten oder zu beenden.
62. Das Recht zur Erteilung von Weisungen gilt ab dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens dieses Vertrages.
7Nach der Eintragung der Umfirmierung ins Handelsregister am 25.2.2010 und anlässlich der Beantragung einer Erlaubnis nach § 8 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Beaufsichtigung von Zahlungsdiensten [Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG)] bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), um als Zahlungsinstitut im Inland gewerbsmäßig Zahlungsdienste erbringen zu können, gaben die Klägerin zu 2) und die E Beteiligungen Holding GmbH im Hinblick auf den o.g. Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag und nach eigenem Bekunden auf Aufforderung durch die BaFin am 7.6.2010 eine von den unterzeichnenden Parteien so bezeichnete "Verbindliche Erklärung" ab. Dort heißt es u.a. unter Ziff. 2:
8"a) Die E Beteiligungen Holding GmbH als Organträgerin verpflichtet sich und erklärt hiermit verbindlich, dass sie keine Weisungen erteilen wird, deren Ausführung zur Folge hat, dass die E Zahlungsdienste GmbH oder ihre Organe bzw. ihre Geschäftsleiter gegen ihnen durch das ZAG, KWG, GwG oder sonstige für Zahlungsinstitute verbindliche gesetzliche oder aufsichtsrechtliche Regelungen auferlegte Pflichten verstoßen.
9Die E Beteiligungen Holding GmbH wird die nach dem ZAG bestehende Alleinverantwortung der Geschäftsleitung der E Zahlungsdienste GmbH bei ihren Weisungen beachten."
10b) Die E Beteiligungen Holding GmbH verzichtet hiermit ausdrücklich auf die Erteilung jedweder Weisungen, die dem vorstehend unter 1 a) erklärten zuwiderlaufen (nachstehend "aufsichtsrechtlich unzulässige Weisungen"). Es wird klargestellt, dass aufsichtsrechtlich unzulässige Weisungen durch die E Zahlungsdienste GmbH nicht verbindlich sind und weder von ihr bzw. ihren Geschäftsleitern noch von sonstigen für sie handelnden Personen umgesetzt werden müssen."
11Nachfolgend kündigten die Vertragsparteien zum 31.12.2010 den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag und schlossen sodann mit Datum vom 8.3.2011 einen reinen Ergebnisabführungsvertrag, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird.
12Mit Erteilung der beantragten Erlaubnis handelt es sich bei der Klägerin zu 2) nunmehr um ein Zahlungsinstitut im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 5 ZAG, das als solches der fortlaufenden Aufsicht der BaFin untersteht. Nach § 2 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin zu 2) vom 6.8.2010 umfasst ihr Unternehmensgegenstand die Erbringung von Zahlungsdiensten im Sinne des § 1 Abs. 2 ZAG, nämlich das Lastschriftgeschäft ohne und mit Kreditgewährung, das Überweisungsgeschäft ohne und mit Kreditgewährung sowie das Zahlungsauthentifizierungsgeschäft. Die Gewährung von Krediten gemäß § 19 des Gesetzes über das Kreditwesen (KWG) erfolgt ausschließlich im Zusammenhang mit der Erbringung von Zahlungsdiensten. Ferner ist die Erbringung betrieblicher und mit den Zahlungsdiensten eng verbundener Nebendienstleistungen im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 ZAG sowie alle sonstigen Geschäftstätigkeiten, die erforderlich und geeignet sind, um den Geschäftszweck der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu erreichen, inbegriffen. Organe der über ein Stammkapital von 25.000,00 Euro verfügenden Gesellschaft sind die Gesellschafterversammlung und die Geschäftsführung (§§ 5, 6 des Gesellschaftsvertrags). Nach § 7 des Gesellschaftsvertrags hat die Klägerin zu 1) zwei oder mehr Geschäftsleiter, die als Geschäftsführer bestellt sind. Sie wird durch zwei Geschäftsführer oder durch einen Geschäftsführer in Gemeinschaft mit einem Prokuristen vertreten. Dabei kann durch Beschluss der Gesellschafterversammlung einzelnen oder allen Geschäftsführern die Befugnis zur Einzelvertretung übertragen sowie die Befreiung von Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erteilt werden. Die Geschäftsführer sind an die Regelungen des Gesellschaftsvertrags sowie an die Geschäftsordnung für die Geschäftsführung gebunden (§ 7 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrags). Die Gesellschafterversammlung kann zustimmungsbedürftige Geschäfte in eine Geschäftsordnung für die Geschäftsführung aufnehmen (§ 8 des Gesellschaftsvertrags). Gesellschafterbeschlüsse werden, soweit das Gesetz oder der Gesellschaftsvertrag nicht andere Mehrheiten vorsehen, mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst (§ 10 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags). Im Übrigen wird auf die Regelungen des Gesellschaftsvertrags Bezug genommen.
13Nach der Geschäftsordnung der Klägerin zu 2) hat die Geschäftsführung in ihrer Gesamtheit und jedes einzelne Geschäftsführungsmitglied bei der Führung der Geschäfte der Gesellschaft die gesetzlichen Bestimmungen sowie die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages und der Geschäftsordnung gewissenhaft zu beachten (§ 1 Satz 1 der Geschäftsordnung). Ferner heißt es dort auszugsweise wörtlich:
14"[ ] § 2 Gesamt- und Einzelgeschäftsführung
15Die Geschäftsführung führt die Geschäfte der Gesellschaft gesamtverantwortlich nach einheitlichen Zielsetzungen, Plänen und Richtlinien. Unbeschadet der Gesamtverantwortung der Geschäftsführung handelt jedes Geschäftsführungsmitglied in dem ihm zugewiesenen Ressort eigenverantwortlich, ist aber gehalten, die ressortbezogenen Interessen stets dem Gesamtwohl des Unternehmens unterzuordnen.
16§ 3 Ressortverteilung
171. Die Aufgabenverteilung innerhalb der Geschäftsführung regeln die Mitglieder der Geschäftsführung im Einvernehmen mit der Gesellschafterversammlung in einem Geschäftsverteilungsplan, der dieser Geschäftsordnung als Anlage beigefügt ist.
182. Bestehen zwischen einzelnen Geschäftsführern Meinungsverschiedenheiten über die Ressortabgrenzung entscheidet hierüber die Gesellschafterversammlung.
19§ 4 Gesamtverantwortung
20Unbeschadet dieser Ressortzuständigkeit wird jeder Geschäftsführer alle für den Geschäftsverlauf der Gesellschaft entscheidenden Daten laufend verfolgen, um jederzeit auf die Abwendung drohender Nachteile, auf wünschenswerte Verbesserungen oder zweckmäßige Änderungen durch Anrufung der Gesamtgeschäftsführung oder sonst auf geeignete Weise hinwirken zu können.
21[ ] § 6 Zwingende Entscheidungsbefugnis der Gesamtgeschäftsführung
22Die Gesamtgeschäftsführung beschließt über alle Angelegenheiten, die von besonderer Bedeutung und Tragweite für die Gesellschaft sind, insbesondere über:
23a) Angelegenheiten, in denen das Gesetz, der Gesellschaftsvertrag, die Konzernrichtlinien in ihrer jeweils gültigen Fassung oder diese Geschäftsordnung eine Entscheidung über die Gesamtgeschäftsführung vorsehen,
24b) den Jahresabschluss der Gesellschaft,
25c) Angelegenheiten, die der Gesellschafterversammlung vorzulegen sind,
26d) Fragen der Geschäftsordnung und der Geschäftsverteilung,
27e) Angelegenheiten, die ein Mitglied der Geschäftsführung der Gesamtgeschäftsführung zur Entscheidung vorlegt.
28[ ] § 8 Zustimmungspflichtige Geschäfte der Geschäftsführung
29Die Geschäftsführung legt bis spätestens zum Ende eines jeden Geschäftsjahres den Wirtschafts- und Finanzplan für das folgende Geschäftsjahr der Gesellschafterversammlung zur Zustimmung vor. Darüber hinaus bedarf die Geschäftsführung für folgende Geschäfte und Maßnahmen, soweit sie nicht im jeweiligen Wirtschafts- und Finanzplan enthalten sind, der Zustimmung der Gesellschafterversammlung:
301. Veräußerung des Unternehmens oder von wesentlichen Teilen, Aufgabe wesentlicher neuer Tätigkeitsgebiete sowie Aufgabe vorhandener wesentlicher Tätigkeitsgebiete;
312. Erwerb von und Verfügung über Beteiligungen an anderen Unternehmen: ferner Abschluss, Änderung und Aufhebung von stillen Gesellschafts-, Betriebsüberlassungs-, Interessengemeinschafts- sowie anderen Unternehmensverträgen;
323. Errichtung oder Aufgabe von Zweigniederlassungen;
334. Erwerb, Belastung und Veräußerung von Grundstücken und/oder grundstücksgleichen Rechten und Errichtung von Gebäuden;
345. Durchführung von Investitionen (auch auf Leasingbasis), soweit die Anschaffungs- oder Herstellungskosten innerhalb eines Jahres Euro 100.000,- überschreiten.
356. Abschluss, Änderung oder Beendigung von Miet-, Pacht-, Lizenz- oder sonstigen Verträgen mit einer Laufzeit oder Kündigungsfrist von mehr als fünf Jahren und/oder einer Jahresmiete oder Pacht von mehr als Euro 50.000,-;
367. Bestellung von Prokuristen, General- und Handlungsbevollmächtigten für den gesamten Geschäftsbetrieb;
378. Abschluss, Änderung und einvernehmliche Aufhebung von Anstellungs-, Beratungs- und ähnlichen Verträgen, soweit die Jahresbezüge Euro 10.000,- übersteigen oder durch eine Änderung übersteigen würden oder mit einer längeren Kündigungsfrist als sechs Monaten;
389. Übernahme von Bürgschaften, Abgabe von Patronatserklärungen oder Garantieversprechen, soweit diese nicht zum üblichen Geschäftsverkehr gehören, sowie die Übernahme der dinglichen Haftung für fremde Verbindlichkeiten;
3910. Aufnahme von langfristigen Krediten sowie von solchen, durch die die von der Gesellschafterversammlung gebilligten Kreditlinien überschritten werden;
4011. Gewährung von Darlehen außerhalb des üblichen Geschäftsbetriebes;
4112. Einleitung von Aktivprozessen mit einem Streitwert von mehr als Euro 100.000,-, Abschluss von Vergleichen oder Erlass von Forderungen, soweit dies außerhalb des üblichen Geschäftsverkehrs geschieht,
4213. Erlass von Betriebsordnungen;
4314. Vereinbarungen über Altersversorgungen, Gewinnbeteiligungen oder sonstige Zuwendungen an Belegschaftsmitglieder mit Ausnahme der üblichen Weihnachtsgratifikation;
4415. Wahrnehmung der Gesellschafterrechte bei Beteiligungsgesellschaften;
4516. Verträge mit Gesellschaftern, Geschäftsführern oder ihnen nahestehenden Personen;
4617. Alle Rechtsgeschäfte und Maßnahmen, zu deren Vornahme sich die Gesellschafterversammlung die Zustimmung vorbehalten hat;
4718. Alle Rechtsgeschäfte von grundsätzlicher oder im Einzelfall außerordentlicher Bedeutung.
48Der vorherigen Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedürfen auch alle Rechtsgeschäfte gemäß Ziff. 1-4, die bei Tochtergesellschaften der E Zahlungsdienste GmbH zur Entscheidung anstehen.
49§ 9 Urlaub- und Dienstreisen
50Die Mitglieder der Geschäftsführung haben Zeit und Dauer von Urlaub und Dienstreisen kollegial abzustimmen. [ ]"
51Im Übrigen wird auf den Inhalt der Geschäftsordnung Bezug genommen.
52Die Geschäftsführung der Klägerin zu 2) wird durch zwei Geschäftsführer, die gleichzeitig Geschäftsleiter nach § 1 Abs. 8 Satz 1 ZAG sind, getragen. Der Kläger zu 1) ist nach dem vorgelegten Geschäftsverteilungsplan im Wesentlichen für Risikomanagement, Controlling, Rechnungswesen, Finanzen sowie für das Anzeige- und Meldewesen zuständig. Das Aufgabengebiet des weiteren Geschäftsführers, Herrn L, liegt demgegenüber vornehmlich im Bereich Vertrieb, Produktgestaltung, Personal und in der Auslagerung von IT-Leistungen sowie der Geldwäschecompliance.
53Die Klägerin zu 2) ist dabei nach § 1 Abs. 2, 3 des mit dem Kläger zu 1) geschlossenen Anstellungsvertrags vom 29.3.2010 (verlängert durch Änderungs- und Verlängerungsvertrag zum 1.7.2013) berechtigt, ihm innerhalb der Gesellschaft sowie innerhalb einer anderen zum Konzern gehörenden Gesellschaft vorübergehend oder dauerhaft eine zusätzliche oder eine andere, seiner Position, Eignung und Qualifikation entsprechende Tätigkeit zu übertragen. Der Vorbehalt erstreckt sich auch auf die Versetzung an einen anderen Ort. Im Fall der konzernweiten dauerhaften Versetzung stimmt der Kläger zu 1) einer Vertragsübernahme des aufnehmenden Unternehmens bereits im Anstellungsvertrag zu. Als Vergütung erhielt der Kläger zu 1) zunächst bis zum 30.6.2013 ein festes Jahresgehalt von 85.000,00 Euro brutto, welches nach Abzug der gesetzlichen Abgaben in zwölf gleichen Beträgen ausbezahlt wurden (§ 7 Abs. 1 des Anstellungsvertrags). Zudem vereinbarten die Kläger die Teilnahme des Klägers zu 1) an einem variablen Vergütungssystem, dessen Rahmenbedingungen in § 7 Abs. 2 des Anstellungsvertrags niedergelegt wurden. Die Höhe der variablen Zielvergütung betrug dabei 30.000,00 Euro brutto pro Geschäftsjahr. Zum 1.7.2013 vereinbarten die Kläger ein festes Jahresgehalt von nunmehr 100.000,00 Euro und eine variable Zielvergütung von 32.000,00 Euro brutto pro Geschäftsjahr (§ 7 des Änderungs- und Verlängerungsvertrags). Ferner heißt es im Anstellungsvertrag auszugsweise wörtlich:
54"[ ] § 3 Nebentätigkeit, Wettbewerbsverbot
551. Die Pflichten des Herrn S bestimmen sich nach Maßgabe dieses Vertrages, der gesetzlichen Bestimmungen, des Gesellschaftsvertrages, der jeweils geltenden Geschäftsordnung der Gesellschaft sowie der Weisungen der Gesellschafterversammlung. Herr S hat die Geschäfte mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu führen.
562. Jede Nebentätigkeit, gleichgültig ob sie entgeltlich oder unentgeltlich ausgeübt wird, ist vor deren Aufnahme der Gesellschaft schriftlich anzuzeigen. Die Gesellschaft kann die Nebentätigkeit untersagen, wenn die Wahrnehmung der vertraglichen Aufgaben oder sonstige berechtigte Interessen der Gesellschaft durch die Nebentätigkeit beeinträchtigt werden können. Satz 1 und 2 gelten entsprechend für eine direkte oder indirekte kapitalmäßige Beteiligung an einem Unternehmen ab einer Höhe von 10 Prozent der Gesellschafteranteile sowie für eine Mitwirkung in Aufsichtsorganen einer anderen Gesellschaft.
573. [ ]
584. Veröffentlichungen, Vorträge und Interviews, deren Inhalte in einem sachlichen Zusammenhang mit der Tätigkeit von Herrn S stehen, bedürfen der vorherigen Abstimmung mit der Gesellschaft. Ebenso darf die Zugehörigkeit von Herrn S bei Veröffentlichungen, Vorträgen und Interviews nur nach vorheriger Abstimmung mit der Gesellschaft nach außen in Erscheinung treten.
59[ ] § 5 E E Code of Conduct
60Die Standards und Regelungen des E E Code of Conduct in seiner jeweils geltenden Fassung wird Herr S als Teil seiner anstellungsvertraglichen Pflichten beachten und einhalten und seine Entscheidungen in Übereinstimmung mit den Vorgaben des Code of Conduct treffen. Des Weiteren wird Herr S die Umsetzung des Code of Conduct in der Organisationseinheit, für die er zuständig ist, nach besten Kräften fördern. Hierzu wird er auf die Einhaltung der Bestimmungen des Code of Conduct durch die in seiner Organisationseinheit tätigen Mitarbeiter achten und die Mitarbeiter insoweit auch informierend und beratend unterstützen.
61[ ] § 8 Arbeitszeit
62Der Geschäftsführer hat seine volle Arbeitskraft sowie sein ganzes Wissen und Können in die Dienste der Gesellschaft zu stellen. Herr S hat jederzeit, soweit dies das Wohl der Gesellschaft erfordert, zu ihrer Verfügung zu stehen und ihre Interessen wahrzunehmen.
63§ 9 Arbeitsverhinderung, Erkrankung
64Im Falle einer Erkrankung oder einer sonstigen Arbeitsverhinderung ist Herr S verpflichtet, die Arbeitsverhinderung und ihre voraussichtliche Dauer der Gesellschaft unverzüglich mitzuteilen.
65§ 10 Gehaltsfortzahlung, variable Vergütung bei Arbeitsunfähigkeit
661. Im Falle unverschuldeter Arbeitsunfähigkeit durch Krankheit - auch unfallbedingt - erhält Herr S Entgeltfortzahlung entsprechend den Voraussetzungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG). Das Gehalt gemäß § 7 Abs. 1 des Vertrages wird abweichend von § 3 Abs. 1 EFZG für die Dauer von 13 Wochen gezahlt.
672. Der Anspruch nach Maßgabe des § 7 Abs. 2 des Vertrages vermindert sich pro rata temporis, wenn die Arbeitsunfähigkeit ununterbrochen länger als sechs Monate dauert. Etwaige gesetzliche Ansprüche bleiben unberührt.
683. [ ]
69§ 11 Krankheitsfürsorge
70Herr S erhält nach Maßgabe der Bestimmungen des Sozialgesetzbuch (§ 257 SGB V, 61 SGB XI) einen Zuschuss der Gesellschaft zur Kranken- und Pflegeversicherung.
71[ ] § 14 Versteuerung
72Die Steuern für geldwerte Leistungen aus diesem Vertrag hat Herr S zu zahlen.
73§ 15 Urlaub
74Herrn S steht ein jährlicher bezahlter Erholungsurlaub von 30 Arbeitstagen zu. Arbeitstage sind die Werktage von Montag bis Freitag. Der Urlaub ist so zu legen, dass die Belange der Gesellschaft nicht beeinträchtigt werden. Die Lage des Urlaubs ist mit dem Vorsitzenden des Gesellschafterausschusses abzustimmen. Zur Abwicklung des Urlaubs finden die Bestimmungen des Bundesurlaubsgesetzes (Übergangsregelung) entsprechend Anwendung.
75[ ] § 18 Haftung des Geschäftsführers
76Bzgl. der Haftung des Geschäftsführers gelten die allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere die Vorschriften des GmbH-Gesetzes und des Bürgerlichen Gesetzbuches. Für die Gesellschaft wird eine D & O Versicherung oder erforderlichenfalls ein Adäquat geschlossen, die sich an die spezifischen Risiken der aufsichtsrechtlichen Aspekte für Zahlungsdienste orientierte.
77[ ] § 22 Freistellung von der Arbeitspflicht, Anrechnungsregelung, Urlaubsabgeltung
781. Die Gesellschaft ist berechtigt, Herrn S bei Fortzahlung der Vergütung nach § 7 vorübergehend von der Verpflichtung der Dienstleistung freizustellen, wenn überwiegende Interessen der Gesellschaft an der Freistellung vorliegen. [ ]"
79Im Übrigen wird auf den Inhalt der Verträge Bezug genommen. Seit Beginn der Tätigkeit führte die Klägerin zu 2) für den Kläger zu 1) Lohnsteuer sowie Abgaben zur Sozialversicherung ab.
80Am 19.8.2011 stellte die Klägerin zu 2) bei der Beklagten einen Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status nach § 7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Der Kläger zu 1) sei nicht im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV bei ihr beschäftigt und unterliege somit auch nicht der Versicherungspflicht in den verschiedenen Zweigen der Sozialversicherung. Das bestehende Anstellungsverhältnis sei durch banken- und aufsichtsrechtliche Vorschriften überlagert. Diese erforderten, dass der Kläger zu 1) trotz seiner Eigenschaft als Fremdgeschäftsführer bei der Ausübung seiner Tätigkeit von den Weisungen sowohl der Klägerin zu 2) als auch der alleinigen Gesellschafterin der Klägerin zu 2) und der E AG als Konzernmutter unabhängig sei. Für den Kläger zu 1) als Geschäftsleiter im Sinne des ZAG seien besondere Vorschriften anzuwenden, die vergleichbar mit den Aufsichtsprinzipien seien, die für Geschäftsleiter von Kreditinstituten nach dem KWG gelten (insbesondere nach § 1 Abs. 2, § 33 Abs. 2 KWG). Der damit anzuwendende Grundsatz der Alleinverantwortlichkeit der Geschäftsleitung besage, dass nur die Geschäftsleitung eines beaufsichtigten Instituts gegenüber der BaFin für die Führung der Geschäfte verantwortlich sei. Ein Entscheidungsvorbehalt eines Aufsichtsorgans oder eines sonstigen Dritten, der fühlbar in die Geschäftsleitung eingreife, werde von der BaFin regelmäßig als mit den Grundsätzen der §§ 33 bis 36 KWG nicht vereinbar beanstandet. Ein uneingeschränktes Weisungsrecht eines Gesellschafters oder einer für den Gesellschafter handelnden Person sei aufsichtsrechtlich nicht zulässig. Dass die BaFin diese Ansicht auch im Rahmen des ZAG vertrete, zeige gerade ihre Beanstandung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag vom 30.10.2003, welche die sog. verbindliche Erklärung vom 7.6.2010 veranlasst habe. Käme der Kläger zu 1) als Geschäftsleiter daher aufsichtsrechtlich zu beanstandenden Weisungen nach, könnte die BaFin letztlich seine Abberufung verlangen (§ 15 ZAG bzw. § 36 KWG). Das Prinzip der Weisungsfreiheit und Alleinverantwortung des Geschäftsleiters korrespondiere zudem mit dem Prinzip der nach dem ZAG geforderten Geschäftsleiterqualifikation. Denn nur der Geschäftsleiter, nicht aber die Gesellschafter etc. würde von der BaFin auf berufliche Erfahrungspraxis hin geprüft. Der Kläger zu 1) sei daher auch sozialversicherungsrechtlich in der Bestimmung von Art, Ort, Zeit und Dauer der zu leistenden Arbeit frei.
81Die Beklagte hörte die Kläger sodann mit Schreiben vom 14.12.2011 zu ihrer Absicht an, die Tätigkeit des Klägers zu 1) bei der Klägerin zu 2) ab dem 1.7.2010 als abhängige Beschäftigung zu werten.
82Dem traten die Kläger entgegen. Die Tätigkeit des Klägers zu 1) sei der eines Vorstandes im Rahmen einer Aktiengesellschaft vergleichbar und bereits aus diesem Grunde nicht als abhängige Beschäftigung zu werten. Der Kläger zu 1) entwickle als Geschäftsleiter die Geschäftsstrategie des Unternehmens selbständig mit dem zweiten Geschäftsleiter, Herrn L. Beide handelten frei von Weisungen des Gesellschafters bzw. der Konzernmutter, die aufgrund bankenrechtlicher Anforderungen auch nicht befugt seien, ihnen Weisungen zu erteilen. Strategische Ausrichtungen würden weisungsunabhängig beschlossen und ausgeführt. Dies gelte insbesondere im Bereich der Gründung von Tochtergesellschaften im In- und Ausland, der Einrichtung neuer Geschäftszweige, der Entscheidung unternehmerischer Maßnahmen, die zu einer Reduktion oder dem Aufbau von Personal führten, sowie grundsätzlicher strategischer Entscheidungen über die Ausrichtung der Tätigkeit der Gesellschaften. Zudem müsse das Risikomanagement durch die Geschäftsleiter selbst- und eigenständig verantwortet werden. Dies ergebe sich bereits aus einem Rundschreiben der BaFin vom 15.12.2010 (Mindestanforderungen an das Risikomanagement - MaRisk -, dort AT 4.2.3), wonach die Geschäftsleitung die Verantwortung für die Festlegung und Anpassung der Strategien trage und diese Verantwortung nicht delegierbar sei. Dass die Geschäftsleiter auch sonst weisungsfrei seien, zeige sich darin, dass beide Geschäftsführer entgegen der Empfehlungen der Gesellschafter die Entwicklung zweier Produkte abgelehnt hätten, da diese ihrer Ansicht nach den Anforderungen des Aufsichtsrechts sowie den Regelungen zur Geldwäsche-Bekämpfung nicht gerecht geworden wären.
83Mit Bescheiden vom 29.2.2012 stellte die Beklagte gegenüber den Klägern fest, dass der Kläger zu 1) die Tätigkeit bei der Klägerin zu 2) seit dem 1.7.2010 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe. Versicherungspflicht bzw. -freiheit bestehe gemäß Anmeldung. Für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnisses spreche, dass ein gesonderter Anstellungsvertrag geschlossen worden sei und für die Tätigkeit ein monatliches übliches Arbeitsentgelt gezahlt werde. Der Kläger zu 1) habe mangels eigener Anteile am Stammkapital keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft. Es bestehe Weisungsgebundenheit gegenüber der Gesellschafterversammlung. Für eine selbständige Tätigkeit spreche lediglich, dass er indirekt am Gewinn der Gesellschaft beteiligt werde.
84Dagegen legten die Kläger am 29.3.2012 Widerspruch ein. Sie wiederholten und vertieften ihren Vortrag aus dem Anhörungsverfahren. Aufgrund des nahezu identischen Wortlautes der Kernvorschriften nach § 9 Nr. 4, 5 ZAG einerseits sowie § 33 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 4 KWG andererseits, die die Verantwortung der Geschäftsleitung umschrieben, sei davon auszugehen, dass die dazu aufgestellten Prinzipien auch im Rahmen des ZAG Anwendung finden müssten.
85Mit Widerspruchsbescheiden vom 23.7.2012 wies die Beklagte die Widersprüche unter Vertiefung ihrer Argumentation als unbegründet zurück.
86Dagegen haben die Kläger am 24.8.2012 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Köln erhoben. Sie haben ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt. Ergänzend haben sie vorgetragen, dass es unerheblich sei, ob die Satzung der Klägerin zu 2) oder der Anstellungsvertrag des Klägers zu 1) diesem gegenüber Weisungsrechte der Gesellschafterversammlung enthielten, da diese bereits unter aufsichtsrechtlichen Gesichtspunkten rein faktisch nicht ausgeübt werden dürften und nicht ausgeübt würden. Die gesellschaftsrechtlichen Weisungsrechte seien durch diese Vorgaben dermaßen überlagert, dass sie letztlich für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung nicht mehr entscheidungsrelevant wären. Der Kläger zu 1) werde daher genau wie Herr L nicht in den Arbeitsprozess der Klägerin zu 2) eingegliedert. Er bestimme vielmehr den Arbeitsprozess und gliedere andere in diesen ein.
87Die Kläger haben beantragt,
88die Bescheide vom 29.2.2012 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 23.7.2012 aufzuheben. Darüber hinaus wird festgestellt, dass der Kläger zu 1) seine Tätigkeit als Geschäftsführer der Klägerin zu 2) seit dem 1.7.2010 nicht im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung ausübt.
89Die Beklagte hat beantragt,
90die Klage abzuweisen.
91Sie hat auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden Bezug genommen. Die Handlungsbefugnis des Geschäftsführers bestehe nur im Rahmen des Gesellschaftervertrages und der Gesellschafterbeschlüsse.
92Mit Beschluss vom 15.4.2013 hat das SG die Beiladungen der Beigeladenen zu 1) bis 3) vorgenommen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat das SG den Kläger angehört. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen. Das SG hat sodann mit Urteil vom 23.4.2013 die Klagen abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
93Das am 30.4.2013 zugestellte Urteil ist von den Klägern am 31.5.2013 mit der Berufung angefochten worden. Sie wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Die Gesamtabwägung des SG habe den Schwerpunkt auf das Kriterium des unternehmerischen Risikos gesetzt und insbesondere die aufsichtsrechtlichen Indizien nicht ihrem Gewicht entsprechend in die Gesamtwürdigung einbezogen. Ergänzend tragen die Kläger vor, dass die Klägerin zu 2) an den Kläger zu 1) Tantiemezahlungen im Jahr 2010 in Höhe von 18.148,00 Euro, 2011 in Höhe von 43.706,00 Euro und im Jahre 2012 in Höhe von 43.379,00 Euro geleistet habe.
94Die Beklagte hat am 15.11.2013 weitere Bescheide erlassen, mit denen sie die streitgegenständlichen Bescheide dahingehend abändert, dass in der seit dem 1.7.2010 ausgeübten Beschäftigung als Geschäftsführer bei der Klägerin zu 2) Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht. In der gesetzlichen Krankenversicherung bestehe Versicherungsfreiheit.
95Die Kläger beantragen,
96das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 23.4.2013 zu ändern und unter Aufhebung der Bescheide vom 29.2.2012 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 23.7.2012 in der Fassung der Bescheide vom 15.11.2013 festzustellen, dass der Kläger zu 1) für seine Tätigkeit als Geschäftsführer bei der Klägerin zu 2) ab dem 1.7.2010 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.
97Die Beklagte beantragt,
98die Berufung zurückzuweisen und die Klagen gegen die Bescheide vom 15.11.2013 abzuweisen.
99Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
100Der Senat hat einen Handelsregisterauszug der Klägerin zu 2) eingeholt und den E E Code of Conduct beigezogen. Ferner haben die Kläger die Firmenwagenregelung und Gehaltsabrechnungen des Klägers zu 1) vorgelegt.
101Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
102Entscheidungsgründe:
103Der Senat hat in Abwesenheit der Beigeladenen zu 1) bis 3) verhandeln und entscheiden können, da er sie mit den ordnungsgemäßen Terminsnachrichten auf diese Möglichkeit hingewiesen hat.
104Streitgegenständlich sind vorliegend die Bescheide der Beklagten vom 29.2.2012 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 23.7.2012 in Gestalt der Bescheide vom 15.11.2013. Die Bescheide vom 15.11.2013 sind erstmalig im Berufungsverfahren nach §§ 153, 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Gegenstand des Verfahrens geworden, sodass der Senat diesbezüglich erstinstanzlich auf Klage entscheidet.
105Die Klagen sind ebenso wie die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des SG Köln vom 23.4.2013 zulässig. Die Berufungen sind insbesondere nach §§ 143, 144 SGG statthaft und fristgerecht nach § 151 Abs. 1 SGG eingelegt worden. Danach ist die Berufung bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Das ist vorliegend geschehen. Gegen das ihnen am 30.4.2013 zugestellte Urteil haben die Kläger am Freitag, den 31.5.2013, jeweils fristgerecht Berufung eingelegt, da es sich bei dem 30.5.2013 (Fronleichnam) in Nordrhein-Westfalen um einen gesetzlichen Feiertag gehandelt hat, §§ 151 Abs. 1, 64 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 SGG, § 2 Abs. 1 Nr. 7 Feiertagsgesetz NRW.
106Es fehlt zudem auch nicht deshalb an einem Rechtsschutzbedürfnis, weil die Klägerin zu 2) den Kläger zu 1) zur Sozialversicherung bei der zuständigen Einzugsstelle gemeldet und Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung für ihn entrichtet hat. Das Rechtsschutzinteresse fehlt zwar dann, wenn Umstände vorliegen, die das subjektive oder objektive Interesse an der Durchführung des Rechtsstreites entfallen lassen (vgl. dazu BSG, Urteil v. 12.7.2012, B 14 AS 35/12 R, SozR 4-1500 § 54 Nr. 28). Schon der Umstand, dass die Kläger das Statusfeststellungsverfahren beantragt haben, belegt jedoch ihre Zweifel am Vorliegen bzw. Nichtvorliegen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis, die die Durchführung des in § 7a Abs. 1 SGB IV vorgesehenen Verfahrens und daran anschließend die gerichtliche Überprüfung der dort erlassenen Bescheide rechtfertigen (vgl. zur Frage des Feststellungsinteresses Pietrek in: jurisPK-SGB IV, 2. Aufl. 2011, § 7a Rdnr. 91ff.).
107Klage und Berufungen sind jedoch unbegründet. Wie das SG zutreffend entschieden hat, sind die streitgegenständlichen Bescheide rechtmäßig. Sie verletzen die Kläger daher nicht nach § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG in ihren Rechten. Denn die Beklagte hat zu Recht nach § 7 a Abs. 1 Satz 1 SGB IV bezüglich der von dem Kläger zu 1) (jedenfalls) seit dem 1.7.2010 fortlaufend ausgeübten Beschäftigung als Geschäftsführer der Klägerin zu 2) Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung angenommen. Die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung ergibt sich aus § 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) und nach dem Recht der Arbeitsförderung aus § 25 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III), da der Kläger zu 1) bei der Klägerin zu 2) gegen Arbeitsentgelt abhängig beschäftigt ist.
108Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (st. Rspr.; vgl. zum Ganzen z.B. BSG, Urteil v. 29.8.2012, B 12 R 14/10 R, USK 2012-82; BSG, Urteil v. 25.4.2012, B 12 KR 24/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 15; BSG, Urteil v.11.3.2009, B 12 KR 21/07 R, USK 2009-25; BSG, Urteil v. 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 20; Senat, Beschluss vom 7.1.2011, L 8 R 864/10 B ER, NZS 2011, 906; Senat, Urteil v. 17.10.2012, L 8 R 545/11, juris; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung: BVerfG, Beschluss v. 20.5.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr. 11).
109Bei der Feststellung des Gesamtbilds kommt dabei den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zu (vgl. BSG, Urteil v. 29.8.2012, a.a.O., juris; ebenso Urteil v. 25.1.2006, B 12 KR 30/04 R, USK 2006-8; Urteil v. 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R, Die Beiträge, Beilage 2008, 333, 341 f.): Nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen sind die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urteil v. 28.9.2011, B 12 R 17/09 R, juris; Senat, Urteil v. 29.6.2011, L 8 (16) R 55/08, juris).
110Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze steht zur Überzeugung des Senats und unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls sowohl in vertraglicher als auch in tatsächlicher Hinsicht fest, dass der Kläger zu 1) fortlaufend bei der Klägerin zu 2) im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses tätig gewesen und weiter tätig ist, da die für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Umstände in der Gesamtabwägung überwiegen.
111Ausgangspunkt der Prüfung, ob die Geschäftsführertätigkeit des Klägers zu 1) für die Klägerin zu 2) im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung oder selbständig ausgeführt wurde bzw. wird, ist der Anstellungsvertrag vom 29.3.2010. Dieser Vertrag hat nach seiner Bezeichnung und seinem Inhalt - umfangreiche, einseitig durch die Klägerin zu 2) ausübbare Versetzungsvorbehalte (§ 1 Abs. 2, 3, bzgl. einer anderen Position/Tätigkeit, einer anderen Konzerngesellschaft, eines anderen Orts), Bindung an die Weisungen der Gesellschafterversammlung (§ 3 Abs. 1 Satz 1 a.E.), Bindung an den E E Code of Conduct als anstellungsvertragliche Pflicht (§ 5), monatlich festes Gehalt, von dem die gesetzlichen Abgaben in Abzug zu bringen sind (§ 7 Abs. 1 Satz 1 bis 3), Verpflichtung, seine volle Arbeitskraft der Klägerin zu 2) zur Verfügung zu stellen (§ 8 Satz 1), Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (§ 10 Abs. 1), Anspruch auf bezahlten jährlichen Erholungsurlaub (§ 15) - maßgebliche Elemente eines Arbeitsverhältnisses zum Gegenstand. Das bestätigen auch die Regelungen in dem E E Code of Conduct, dem der Kläger zu 1) nach § 5 des Anstellungsvertrags vom 29.3.2010 verpflichtet ist.
112Auf der beschriebenen vertraglichen Grundlage ist der Kläger zu 1) auch in einem fremden Betrieb, nämlich dem der Klägerin zu 2), tatsächlich tätig geworden. Während dieser Tätigkeit war er vollständig in den Betrieb und folglich in eine ihm einseitig vorgegebene Organisation eingegliedert (vgl. BSG, Urteil v. 4.6.1998, B 12 KR 5/97 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 17 m.w.N.). Er ist ausschließlich ausgehend von den Betriebsräumen und mit den dortigen Betriebsmitteln tätig geworden.
113Der Geschäftsführer einer GmbH ist dabei zudem weder wegen seiner Organstellung noch deshalb von einer abhängigen Beschäftigung ausgeschlossen, weil er gegenüber Arbeitnehmern der GmbH Arbeitgeberfunktionen ausübt. Dies steht seiner Eingliederung nicht entgegen. Denn auch wer Arbeitgeberfunktionen ausübt, kann seinerseits bei einem Dritten persönlich abhängig beschäftigt sein (vgl. z.B. zum europäischen Arbeitnehmerbegriff im Falle einer alleinigen Geschäftsführerin einer lettischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung: EuGH Urteil v. 11.11.2010, C-232/09 - Danosa, Slg 2010, I-11405). Maßgebend ist vor allem die Bindung des Geschäftsführers an das willensbildende Organ, in der Regel die Gesamtheit der Gesellschafter (BSG, Urteil v. 6.3.2003, B 11 AL 25/02 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 1 m.w.N.). Insoweit ist von besonderer Bedeutung, ob ein Geschäftsführer gleichzeitig Gesellschafter ist und aufgrund seiner Gesellschafterstellung maßgeblichen Einfluss auf die Willensbildung der GmbH hat und damit Beschlüsse und Einzelweisungen an sich jederzeit verhindern kann (BSG, Urteil v. 8.8.1990, 11 RAr 77/89, SozR 3-2400 § 7 Nr. 4). Ist dies der Fall, ist ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu verneinen, weil der Geschäftsführer mit Hilfe seiner Gesellschafterrechte die für das Beschäftigungsverhältnis typische Abhängigkeit vermeiden kann (BSG, Urteil v. 6.2.1992, 7 RAr 134/90, SozR 3-4100 § 104 Nr. 8). Darüber hinaus ist von Bedeutung, ob der Einfluss des Geschäftsführers auf die Willensbildung der GmbH aufgrund besonderer Einzelfallumstände unabhängig von seiner Gesellschafterstellung so erheblich ist, dass ihm gegenüber nicht genehme Beschlüsse und Weisungen ausgeschlossen sind und er die Geschäfte nach eigenem Gutdünken führen, d.h. frei schalten und walten kann. Dann ist eine persönliche Abhängigkeit auch bei Diensten höherer Art zu verneinen, weil die Gesellschafter tatsächlich keinerlei Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft nehmen und sich der Geschäftsführer nur in der von ihm selbst gegebenen Ordnung des Betriebes einfügt (BSG, Urteil v. 14.12.1999, B 2 U 48/98 R, USK 9975; BSG, Urteil v. 11.2.1993, 7 RAr 48/92, USK 9347; vgl. insgesamt: Senat, Urteil v. 17.10.2012, L 8 R 545/11, juris).
114Eine Weisungsfreiheit in diesem Sinne ist im Falle des Klägers zu 1) jedoch nicht gegeben. Vielmehr unterlag und unterliegt er dem Weisungsrecht der Klägerin zu 2) bzw. deren Gesellschafterversammlung bezüglich Ort, Zeit sowie Art und Weise der Tätigkeit, und er war bzw. ist rechtlich nicht in der Lage, ihm nicht genehme Weisungen zu verhindern.
115Die abstrakte Rechtsmacht der Klägerin zu 2) bzw. ihres willensbildenden Organs zur Erteilung von Weisungen gegenüber dem Kläger zu 1) folgt aus ihrem Gesellschaftsvertrag und ihrer darauf basierenden, einseitig durch Gesellschafterbeschluss gegebenen Geschäftsordnung. An diese Vertragslage ist der Kläger zu 1) bereits nach dem ausdrücklichen Willen der Beteiligten gebunden, vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 des Anstellungsvertrags. Gleiches folgt aus § 7 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages und § 1 der Geschäftsordnung, wonach die Geschäftsführer u.a. den Regelungen des Gesellschaftsvertrages und der Geschäftsordnung verpflichtet sind. Hinsichtlich der Geschäftsordnung gilt dies im Gegensatz zu den dort ebenfalls genannten Konzernrichtlinien der E AG sogar ohne eine explizite Einschränkung dieser Bindung durch die Aufsichtspraxis der BaFin, vgl. § 1 Satz 2 der Geschäftsordnung.
116Im Rahmen ihrer Rechtsmacht hat die Klägerin zu 2) ihr Weisungsrecht insbesondere bzgl. der Art und Weise der auszuübenden Tätigkeit bereits in der Geschäftsordnung konkretisiert. Dies zeigt sich zunächst bzgl. der Regelung der Ressortverteilung (§ 3 der Geschäftsordnung). Diese wird zwar grundsätzlich durch die Geschäftsführung lediglich im Einvernehmen mit der Gesellschafterversammlung festgelegt. Das gilt allerdings nicht bei Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Geschäftsführung über die Ressortabgrenzung. In diesem Fall entscheidet die Gesellschafterversammlung allein. Zudem regelt die Geschäftsordnung das Verhältnis der Ressortverantwortlichkeit zur sog. Gesamtverantwortung der Geschäftsführer (§§ 2, 4 der Geschäftsordnung), wonach die ressortbezogenen Interessen stets dem Gesamtwohl des Unternehmens unterzuordnen sind. Überdies regelt die Klägerin zu 2) nicht nur den Inhalt der auszuübenden Tätigkeit, sondern nimmt gleichzeitig auch Einfluss auf den formalen Ablauf und die zeitliche Einteilung innerhalb der Geschäftsführung (z.B. durch die Verpflichtung zur Verfolgung des Geschäftsverlaufs durch alle Geschäftsführer, § 4; den Regelungen zu Anlass, Intervall, Ablauf und Beschlussfähigkeit der Geschäftsführersitzungen und deren zwingende Zuständigkeiten, §§ 5, 6 der Geschäftsordnung). Direkten Einfluss auf die Geschäftsführung nimmt die Gesellschafterversammlung über die in § 8 der Geschäftsordnung geregelten Berichtspflichten und Zustimmungsvorbehalte. Nach § 8 Satz 1 der Geschäftsordnung ist die Geschäftsführung verpflichtet, bis zum Ende eines jeden Geschäftsjahres den Wirtschafts- und Finanzplan für das folgende Geschäftsjahr der Gesellschafterversammlung zur Zustimmung vorzulegen. Darüber hinaus hat die Geschäftsführung nach § 8 Satz 2 der Geschäftsordnung für 18 weitere, in der Geschäftsordnung näher bezeichnete Geschäfte die Zustimmung der Gesellschafterversammlung einzuholen. Dabei handelt es sich um Geschäfte, die die Klägerin zu 2) in ihrem Bestand und finanziellen Möglichkeiten erheblich einschränken können und z.B. auch um Verträge mit ihren Geschäftsführern (§ 8 Satz 2 Nr. 16 der Geschäftsordnung).
117In zeitlicher und örtlicher Hinsicht ist der Kläger zu 1) bereits im Rahmen des Anstellungsvertrages verpflichtet worden, seine volle Arbeitskraft sowie sein ganzes Wissen und Können der Klägerin zu 2) zur Verfügung zu stellen (§ 8 Satz 1) und ihr jederzeit zur Verfügung zu stehen, soweit dies das Wohl der Gesellschaft erfordert (§ 8 Satz 2). Zudem übte und übt er die Tätigkeit am Betriebssitz der Klägerin zu 2) aus, was diese einseitig aufgrund der bestehenden Versetzungsvorbehalte ändern kann (§ 1 Abs. 2, 3).
118Der Kläger zu 1) hatte und hat demgegenüber keine Möglichkeiten, ihm nicht genehme Weisungen der Klägerin zu 2) zu verhindern. Ihm fehlt in rechtlicher Hinsicht der notwendige maßgebliche Einfluss auf sie. Ein solcher Einfluss liegt regelmäßig dann vor, wenn der Geschäftsführer einen Anteil von mindestens 50 v.H. des Stammkapitals innehat und damit Einzelweisungen an sich als Geschäftsführer im Bedarfsfall jederzeit verhindern kann (BSG, Urteil v. 8.8.1990, a.a.O., m.w.N). Der Kläger zu 1) verfügt nicht über Anteile an der Klägerin zu 2). Er ist sog. Fremdgeschäftsführer. Damit stellt sich ebenfalls die Frage einer Sperrminorität nicht, mit der er auf andere Weise ihm unerwünschte Weisungen der Gesellschaft verhindern könnte (BSG, Urteil v. 6.2.1992, a.a.O.).
119Etwas anderes folgt auch nicht aus der auf konzernrechtlicher Ebene angesiedelten sog. "Verbindlichen Erklärung" vom 7.6.2010, die den zunächst bestehenden Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zwischen der Klägerin zu 2) und ihrer Gesellschafterin, der E Beteiligungen Holding GmbH, betraf und bis zu der Kündigung dieses Vertrages zum 31.12.2010 Geltung entfaltet hat.
120Zwischen der Klägerin und ihrer Gesellschafterin bestand zwar u.a. aufgrund des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags ein sog. Unterordnungskonzern, der die Klägerin unter die einheitliche Leitung eines anderen Unternehmens, nämlich ihrer Gesellschafterin, stellte [§§ 17, 18, 291 Abs. 1 Aktiengesetz (AktG), die auch auf den GmbH-Vertragskonzern anwendbar ist: statt vieler Altmeppen in: MüKo, AktG, 3. Aufl. 2010, § 291 Rdnr. 17]. Der Vertrag hatte dabei die umfassende Leitung der Untergesellschaft zum Gegenstand, denn die Klägerin unterstellte sich in diesem der Leitung durch die E Beteiligungen Holding GmbH. Diese war dadurch berechtigt, der Geschäftsführung der Untergesellschaft Weisungen zu erteilen, denen diese Folge zu leisten hatte (§ 1 des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags). Dadurch verstärkte sich jedoch lediglich die ohnehin bestehende gesellschaftsrechtliche Weisungsmacht der Gesellschafterin auf konzernrechtlicher Ebene.
121Dieses Weisungsrecht ist wiederum durch die Erklärung vom 7.6.2010 nicht maßgeblich eingeschränkt worden. Diese Erklärung regelt ihrem Inhalt nach allein, was bereits im Rahmen des § 308 AktG (analog) ebenfalls anerkannt ist, nämlich, dass Weisungen des herrschenden Unternehmens sich im Rahmen der geltenden Gesetze halten müssen und z.B. bei Banken das Weisungsrecht daher auch durch das KWG eingeschränkt wird (Altmeppen, Roth/Altmeppen, a.a.O., § 308 Rdnr. 100 m.w.N.). Nichts anderes kann aus Sicht des Senates für das ZAG gelten.
122Das Weisungsrecht ist - entgegen dem Vortrag der Kläger - auch nicht durch aufsichtsrechtliche Vorschriften suspendiert. Sie überlagern die Rechtsmacht der Gesellschafterversammlung der Klägerin zu 2) gegenüber dem Kläger zu 1) gerade nicht dergestalt, dass dieser sich mit einem Hinweis auf sie jeglichen ihm nicht genehmen Weisungen entziehen könnte.
123Zunächst lässt sich den Regelungen des ZAG nicht entnehmen, dass die Stellung des Geschäftsleiters ausschließlich im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit ausgeübt werden muss. Denn das wäre die Konsequenz der nach der klägerischen Argumentation vollständigen Überlagerung des Weisungsrechts, welche aus ihrer Sicht sämtliche weiteren in die Abwägung einzustellenden Kriterien zurücktreten ließe. Demgegenüber sind nach § 1 Abs. 8 ZAG Geschäftsleiter diejenigen natürlichen Personen, die nach Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Führung der Geschäfte und zur Vertretung eines Zahlungsinstituts oder E-Geld-Instituts in der Rechtsform einer juristischen Person oder einer Personenhandelsgesellschaft berufen sind (sog. geborene Geschäftsleiter). In Ausnahmefällen kann auch eine andere mit der Führung der Geschäfte betraute und zur Vertretung ermächtigte Person widerruflich als Geschäftsleiter bezeichnet werden, wenn sie zuverlässig ist und über die erforderliche fachliche Eignung verfügt (sog. gekorene Geschäftsleiter). Die Parallelvorschrift findet sich in § 1 Abs. 2 Satz 1, 2 KWG, die ebenfalls neben den sog. geborenen Geschäftsleitern - z.B. wie hier: dem Geschäftsführer einer GmbH - die sog. gekorenen Geschäftsleiter, die neben oder anstelle des geborenen Geschäftsleiters mit der Führung der Geschäfte betraut und mit der Vertretung ermächtigt sind, kennt (§ 1 Abs. 2 Satz 2 bis 4 KWG). Voraussetzung ist u.a. die tatsächliche Innehabung umfassender Geschäfts- und Vertretungsbefugnisse, was z.B. bei einem Prokuristen oder Handlungsbevollmächtigten der Fall ist (Schwennicke, KWG, 2. Auflage, § 1 Rdnr. 165). Folglich kann einerseits der Geschäftsführer der GmbH, bei dem aufgrund der Organisationsstruktur der GmbH bereits grundsätzlich ein nach § 37 Abs. 1 GmbHG und den gesellschaftsvertraglichen Regelungen näher ausgestaltetes Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung besteht, andererseits aber auch ein Prokurist oder Handlungsbevollmächtigter die Geschäftsleiterposition übernehmen. Bei Letztgenannten handelt es sich um Personen, die im Rahmen von abhängigen Beschäftigungen auf einer nachgelagerten Führungsebene des Unternehmens tätig werden. Dass diesbezüglich auch im Übrigen keine Bedenken geboten sind, zeigt sich auch daran, dass z.B. Vorstände einer eingetragenen Genossenschaft Geschäftsleiter i.S.d. KWG werden können (BVerwG, Urteil v. 1.12.1987, 1 C 8/87, BVerwGE 78, 297), für diese jedoch grundsätzlich gilt, dass sie der Sozialversicherungspflicht unterliegen (BSG, Urteil v. 21.2.1990, 12 RK 47/87, SozR 3-2940 § 3 Nr. 1 - nicht zum KWG).
124Den Klägern ist auch nicht insofern beizupflichten, dass der Kläger zu 1) jeder missliebigen Weisung der Gesellschafterin stets mit Hinweis auf den sog. Grundsatz der Alleinverantwortlichkeit der Geschäftsleiter nach dem KWG/ZAG entgehen kann. Nach diesem Grundsatz müssen die Geschäftsleiter eigenverantwortlich tätig sein, bestimmenden Einfluss auf die laufenden Geschäfte nehmen und sich gegenseitig kontrollieren, vertreten und entlasten können. Dabei ist der Geschäftsleiter nicht eigenverantwortlich tätig, wenn er weisungsunterworfen ist (Schwennicke, a.a.O. § 33 Rdnr. 66; BVerwG, Urteil v. 1.12.1987, 1 C 8/87, BVerwGE 78, 297).
125Die Auslegung dieses Grundsatzes durch die Kläger i.S. einer allumfassenden Weisungsfreiheit des Klägers zu 1) begegnet zunächst Bedenken im Hinblick auf die eindeutige Vertragslage. Dieser Grundsatz findet seinen Niederschlag weder in dem Gesellschaftsvertrag der Klägerin zu 2) noch in der darauf basierenden Geschäftsordnung für die Geschäftsführung oder in dem mit dem Kläger zu 1) geschlossenen Anstellungsvertrag. Aus ihr folgt stattdessen, wie bereits festgestellt, das umfassende Weisungsrecht der Klägerin zu 2). Die Verträge sind nach Bekunden der Kläger auch nicht geändert worden, obwohl es grundsätzlich rechtlich wirksam möglich ist, z.B. Überwachungsaufgaben der Gesellschafterversammlung der Klägerin zu 2) auf andere Organe, etwa den Geschäftsführer, zu übertragen. Das gilt jedenfalls, solange ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Leitungsmacht und Kontrolle übrigbleibt (vgl. insg.: Schmidt in: Scholz, GmbHG, 11. Aufl., § 46 Rdnr. 113). Von dieser Möglichkeit wurde jedoch kein Gebrauch gemacht.
126Das scheint offenkundig aufsichtsrechtlich auch nicht erforderlich gewesen zu sein. Denn nach § 8 Abs. 3 Nr. 11 ZAG hatte die Klägerin zu 2) bei der beantragten Erlaubnis der BaFin ihren Gesellschaftsvertrag einzureichen. Wesentliche Änderungen sind dieser zudem nach § 8 Abs. 6 ZAG ebenfalls mitzuteilen. Der Kläger zu 1) hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt, dass auch der Anstellungsvertrag und die Geschäftsordnung der BaFin vorgelegt worden und ihr daher bekannt seien. Beanstandungen durch die BaFin sind jedoch weder vorgetragen worden noch für den Senat ersichtlich.
127Entgegen der Auffassung der Kläger liegen auch keine weiteren einzelfallbezogenen Umstände vor, die abweichend vom Regelfall eine Bindung des Klägers zu 1) an das willensbildende Organ der Klägerin zu 2), d.h. die Gesellschafterversammlung, ausschließen und damit einer für ein Beschäftigungsverhältnis typischen Abhängigkeit von der Klägerin zu 2) entgegenstehen. Solche besonderen Umstände sind nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ausnahmsweise dann angenommen worden, wenn die übrigen Gesellschafter tatsächlich ihre Gesellschafterrechte nicht wahrgenommen und in keiner Weise in die Betriebsführung eingegriffen haben und der Geschäftsführer wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken geführt hat, d.h. schalten und walten konnte, wie er wollte. Ein derartig beherrschender Einfluss ist von der höchstrichterlichen Rechtsprechung teilweise bei Geschäftsführern in Familiengesellschaften bejaht worden, wenn der Geschäftsführer mit den Gesellschaftern familiär verbunden war, die Geschäftsführertätigkeit durch familienhafte Rücksichtnahme geprägt war und es an der Ausübung der Gesellschafterrechte durch die Gesellschafter völlig mangelte (BSG, Urteil v. 14.12.1999, B 2 U 48/98 R, juris: Keine Ausübung von Gesellschafterrechten durch die Ehefrau des Geschäftsführers; BSG, Urteil v. 29.10.1986, 7 RAr 43/85, juris: Keine Ausübung von Gesellschafterrechten durch die Kinder des Geschäftsführers; BSG, Urteil v. 7.9.1988, 10 RAr 10/87, SozR 4100 § 141b Nr. 41).
128Ein solcher einzelfallbezogener Umstand ist nicht in dem klägerischen Vortrag zu sehen, dass die Geschäftsordnung für die Geschäftsführung der Klägerin zu 2) nur insoweit gelebt werde, wie keine aufsichtsrechtlichen Kollisionen zu befürchten seien und sie gleichsam im Sinne einer "praktischen Konkordanz" einschränkend dahingehend ausgelegt werde, dass Rechte seitens der Gesellschafterversammlung in diesen Fällen nicht wahrgenommen würden. Zunächst sind Weisungsrechte stets im Rahmen der geltenden Gesetze auszuüben, welche auch das ZAG einschließen. Übt die Gesellschafterversammlung ihr Weisungsrecht tatsächlich bei Kollision mit aufsichtsrechtlichen Normen und aufgrund der für die Position des Geschäftsleiters notwendigen Zuverlässigkeit i.S.d. ZAG nicht aus, ist dies zudem letztlich Ausfluss des Umstandes, dass es sich vorliegend - nicht nur aufgrund der Tätigkeit als Geschäftsführer sondern auch wegen der in § 8 Abs. 3 Nr. 9 i.V.m. § 9 Satz 1 Nr. 5 ZAG besonders geforderten Geschäftsleiterqualifikation - um eine Tätigkeit höherer Art handelt, bei der das Weisungsrecht des Arbeitgebers von Vornherein eingeschränkt und zur dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert ist (vgl. BSG, Urteil v. 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 20; Senat, Urteil v. 17.10.2012, L 8 R 545/11, juris).
129Ein stark abgeschwächtes Weisungsrecht ist für die ausgeübte Tätigkeit ebenso wie z.B. bei der Wahrnehmung von Tätigkeiten für leitende Angestellte, die in einem Betrieb höhere Dienste leisten, geradezu charakteristisch. Dennoch werden auch Tätigkeiten für leitende Angestellte im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung geleistet, wenn sie fremdbestimmt bleiben, weil sie in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen (st. Rspr. seit BSGE 16, 289, 294 = SozR Nr. 30 zu § 165 RVO und BSGE 21, 57, 58 f = SozR Nr. 2 zu § 2 AVG S. 4; in jüngerer Zeit z.B. BSG SozR 3-2940 § 3 Nr. 2 m.w.N.; BSGE 66, 168 = SozR 3-2400 § 7 Nr. 1 und SozR 3-2400 § 7 Nr. 20; vgl. - zum Fehlen einer Eingliederung einer hauswirtschaftlichen Familienbetreuerin - BSG, Urteil v. 28.9.2011, a.a.O., juris). Wie weit die Lockerung des Weisungsrechts in der Vorstellung des Gesetzgebers gehen kann, ohne dass deswegen die Stellung als Beschäftigter entfällt, zeigen beispielhaft die gesetzlichen Sonderregelungen zur Versicherungsfreiheit von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft in der Renten- und Arbeitslosenversicherung (§ 1 Satz 4 SGB VI sowie § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III), die regelmäßig abhängig beschäftigt sind, auch wenn sie die Gesellschaft in eigener Verantwortung zu leiten haben und gegenüber der Belegschaft Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen (st. Rspr. BSGE 65, 113, 116 f = SozR 2200 § 1248 Nr. 48; SozR 3-2400 § 7 Nr. 18; BSGE 100, 62 = SozR 4-2600 § 1 Nr. 3, Rdnr. 16; BSGE 107, 185 = SozR 4-2600 § 1 Nr. 6 Rdnr. 14). Allein weit reichende Entscheidungsbefugnisse eines "leitenden Angestellten", der in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem gemilderten Weisungsrecht unterliegt, machen diesen nicht schon zu einem Selbstständigen (BSG, Urteil v. 18.12.2001, a.a.O.; Senat, Urteil v. 17.10.2012, a.a.O., juris).
130Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem MaRisk-Rundschreiben der BaFin vom 15.12.2010. Nach AT 4.2.3 ist zwar die Geschäftsleitung verantwortlich für die Festlegung und Anpassung der Strategien; diese Verantwortung ist auch nicht delegierbar. Da unter Delegation allerdings grundsätzlich eine Übertragung von Aufgaben in eine - gleich- bzw. untergeordnete - Organisationsebene zu verstehen ist, tangiert dieser Grundsatz nicht das Verhältnis der Geschäftsführer zur Gesellschafterversammlung. Es ist vorliegend auch nicht relevant, ob die Geschäftsführung von sich aus eigene Aufgaben auf Dritte überträgt, sondern ob ihr ohne ihr Einverständnis Weisungen erteilt werden können.
131Soweit der Kläger zu 1) geltend macht, er habe aufgrund besonderer Branchenkenntnisse und der durch die BaFin geprüften Geschäftsleiterqualifikation i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 9 i.V.m. § 9 Satz 1 Nr. 5 ZAG eine faktisch beherrschende Stellung in der Gesellschaft inne und könne deshalb quasi schalten und walten, wie er wolle, stimmt dies mit den rechtlichen Verhältnissen nicht überein.
132Zwischen den beiden Geschäftsführern der Klägerin zu 2) gab und gibt es entsprechend ihrer Qualifikation und ihrer beruflichen Kenntnissen eine Aufgabenverteilung nach Geschäftsbereichen (vgl. dazu bereits: Senat, Urteil v. 17.10.2012, a.a.O., juris). So ist der weitere Geschäftsführer, Herr L, vornehmlich für den Vertrieb, Produktgestaltung, Personal, Auslagerung von IT-Leistungen sowie Geldwäschecompliance und der Kläger zu 1) als Geschäftsführer für Risikomanagement, Controlling, Rechnungswesen, Finanzen sowie für das Anzeige- und Meldewesen zuständig. Dabei liegt es in der Natur der Sache, dass jeder Geschäftsführer für seinen Geschäftsbereich ein besonderes Fachwissen und spezielle Kenntnisse und Erfahrungen einbringt, die ihn befähigen, in seinem Zuständigkeitsbereich für die Gesellschaft erfolgreich tätig zu sein (Senat, Urteil v. 17.10.2012, a.a.O., juris).
133Dabei ist unerheblich, dass das Ressortprinzip letztlich Ausfluss des in § 8 Abs. 3 Nr. 9 ZAG zwingend vorgeschriebenen sog. Vier-Augen-Prinzips ist. Danach war die Klägerin zu 2) verpflichtet, über zwei Geschäftsleiter zu verfügen. Dieses Prinzip soll gerade den Gefahren entgegenwirken, die sich bei der Leitung eines Zahlungsinstituts nur durch einen Geschäftsleiter durch Krankheit, Urlaubsabwesenheit und durch fehlende Kontrolle bei nicht erkennbarer Unzuverlässigkeit ergeben können. Es soll damit auch die Aufdeckung krimineller Handlungen durch einzelne Geschäftsleiter ermöglichen (Schwennicke, a.a.O. § 33 Rdnr. 64). Das setzt gerade eine gegenseitige Kontrolle der Geschäftsleiter untereinander voraus, schränkt gleichzeitig die Handlungsfähigkeit des einzelnen Geschäftsleiters ein und bewirkt ein arbeitsteiliges Zusammenwirken, welches auch in der Geschäftsordnung seinen Niederschlag gefunden hat und letztlich eine faktisch beherrschende Stellung eines Geschäftsleiters ausschließt.
134Dass das erforderliche Fachwissen und die Zuverlässigkeit nach dem ZAG zudem im Ressort des Klägers zu 1) allein durch diesen sicherzustellen sei und die Klägerin zu 2) sich im Falle eines Zerwürfnisses nicht von ihm hätte trennen können, ist nicht ersichtlich (vgl. dazu BSG, Urteil v. 30.4.2013, B 12 KR 19/11 R, USK 2013-39). Dass dabei die eigentliche Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern nicht im Gesellschaftsvertrag geregelt sind, schadet diesbezüglich nicht. Insofern sind die gesetzlichen Regelungen anzuwenden, wonach nach § 46 Nr. 5 GmbHG ihre Bestellung und Abberufung der Gesellschafterversammlung obliegt. Dabei verkennt der Senat nicht, dass nach § 8 Abs. 3 Nr. 9 ZAG die von der BaFin erteilte Erlaubnis auch die Namen der für die Geschäftsleitung des Zahlungsinstitutes verantwortlichen Personen sowie deren Nachweis über Zuverlässigkeit, Kenntnisse und Fähigkeiten beinhaltet und die Klägerin zu 2) daher in der Auswahl der Geschäftsführer eingeschränkt ist. Innerhalb des Kreises der Kandidaten, die die aufsichtsrechtlichen Anforderungen erfüllen, ist sie frei, Geschäftsführer zu bestellen und innerhalb des bestehenden Rechtsverhältnisses auch wieder abzuberufen.
135Wesentliche Merkmale, die für eine selbstständige Tätigkeit sprechen und im Rahmen der Gesamtabwägung dermaßen überwiegen, dass nicht von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen ist, sind nicht ersichtlich.
136Zunächst verfügt der Kläger zu 1) nicht über eine eigene, unabhängig von dem Betrieb der Klägerin zu 2) bestehende Betriebsstätte. Er hat auch kein erhebliches, für eine selbständige Tätigkeit maßgeblich sprechendes Unternehmerrisiko zu tragen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. z.B. BSG, Urteil v. 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R, USK 2008-45) ist maßgebliches Kriterium dafür, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist.
137Eine solche Ungewissheit ist nicht festzustellen, soweit es um den Einsatz der Arbeitskraft des Klägers zu 1) geht. Denn er erhielt ein monatliches, erfolgsunabhängiges Festgehalt in Höhe von 7.083,33 Euro (85.000,00 Euro Jahresgehalt) und ab dem 1.7.2013 in Höhe von 8.333,33 Euro (100.000,00 Euro Jahresgehalt).
138Zudem sind (erfolgsabhängige) Tantiemen von der Klägerin zu 2) ausgeschüttet worden. Ihnen kommt jedoch nur Bedeutung für die Abgrenzung von Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit als (ein) Anknüpfungspunkt für ein mögliches wirtschaftliches Eigeninteresse des für ein Unternehmen Tätigen zu, das im Rahmen der Gesamtwürdigung Gewicht gewinnen kann, jedoch nicht allein entscheidend ist (vgl. BSG, Urteil v. 29.8.2012, B 12 KR 25/10 R, mwN, juris, Senat, Urteil v. 17.10.2012, a.a.O. juris). Vor dem Hintergrund, dass die Gewährung einer Tantieme an Arbeitnehmer nicht ungewöhnlich ist, ist deren Gewicht für die Abgrenzung der Beschäftigung gegenüber einer selbständigen Tätigkeit nicht allein erheblich. Diese ergebnisabhängige Verdienstmöglichkeit führt vorliegend zwar zu einem wirtschaftlichen Eigeninteresse des Klägers. Da aber schon das Festgehalt in Höhe von 85.000,00 Euro (bzw. ab dem 1.7.2013 100.000,00 Euro) jährlich die ergebnisabhängigen Tantiemen in Höhe von 18.148,00 Euro im Jahr 2010, 43.706,00 Euro im Jahr 2011 und 43.379,00 Euro im Jahr 2012 deutlich überschreitet, kann der Tantiemengewährung nach den vorgenannten Grundsätzen keine ausschlaggebende Bedeutung bei der Gesamtabwägung zukommen.
139Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der vereinbarten Haftung auf Schadensersatz. Die Haftung für Pflichtverletzungen ist für Arbeitnehmer nicht untypisch. So haftet der Arbeitnehmer nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) im Rahmen eines dreistufigen Haftungsmodells nicht für leichte Fahrlässigkeit und anteilig für mittlere Fahrlässigkeit. Die volle Haftung muss er für grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz übernehmen (BAG GS, Beschluss v. 27.9.1994, GS 1/89 (A), AP Nr. 103 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers, BAG, Urteil v. 25.9.1997, 8 AZR 288/96, AP Nr. 111 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers; Griese in: Küttner, Personalbuch 2012, Arbeitnehmerhaftung, Rdnr. 12f.). Zwar ist die Haftung gegenüber diesem Haftungsmodell erweitert. Es ist jedoch nicht ersichtlich, inwieweit dieser erweiterten Haftung eine Erweiterung der unternehmerischen Möglichkeiten gegenübersteht.
140Mangels Mitunternehmerschaft war der Kläger zu 1) weitergehend weder am Gewinn noch am Verlust der Klägerin zu 2) beteiligt. Er genoss zudem den üblichen sozialen Schutz einer Entgeltfortzahlung in Urlaubs- und Krankheitsfall.
141Weitere in die Gesamtabwägung einzustellende Gesichtspunkte sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
142Die Beklagte hat zu Recht die Versicherungspflicht ab dem 1.7.2010 festgestellt, da die Voraussetzungen für einen späteren Beginn gemäß § 7 a Abs. 6 SGB VI nicht vorliegen. Die Antragstellung gemäß § 7 a Abs. 1 SGB IV ist bereits nicht innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit erfolgt.
143Diese umfasst die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung. Dabei ist der Kläger zu 1) nicht nach § 1 Satz 4 SGB VI als versicherungsfrei in der gesetzlichen Rentenversicherung anzusehen. Danach sind Mitglieder des Vorstandes einer Aktiengesellschaft in dem Unternehmen, dessen Vorstand sie angehören, nicht versicherungspflichtig beschäftigt, wobei Konzernunternehmen im Sinne des § 18 AktG als ein Unternehmen gelten. Diese Regelung ist entgegen der Ansicht der Kläger nicht anwendbar. Der Kläger zu 1) ist weder Gesellschafter der Klägerin zu 2) noch hält er Anteile an einem Konzernunternehmen. Eine analoge Anwendung auf ihn als GmbH-Fremdgeschäftsführer kommt gleichfalls nicht in Betracht. Während die Rechtsstellung von stellvertretenden Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften und Vorstandsmitglieder großer Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit (BSG, Urteil v. 27.3.1980, 12 RAr 1/79, BB 1980, 1473), auf die die Regelung gleichfalls Anwendung findet, nach § 94 AktG und § 34 des Gesetzes über die Beaufsichtigung von Versicherungsunternehmen (VAG) überwiegend den Vorschriften für Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft folgt, ist dies bei GmbH-Geschäftsführern gerade nicht der Fall (abgelehnt für Vorstandsmitglieder eingetragener Vereine: BSG, Urteil v. 19.6.2011, B 12 KR 44/00 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 18; vgl. insg.: Segebrecht in: Kreikebohm, SGB VI, 4. Aufl. 2013, § 1 Rdnr. 42; Vor in: jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 1 Rdnr. 95ff.).
144Eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung besteht hingegen entsprechend den Feststellungen der Beklagten wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht.
145Da es sich um einen Rechtsstreit u.a. des Versicherten handelt, ist dieser gerichtskostenfrei (Senat, Beschluss v. 24.3.2011, L 8 R 1107/10 B, juris). Die Entscheidung über die Kosten beruht demnach auf §§ 183, 193 SGG. Im Rahmen seines Ermessens hat der Senat von einer Kostenquotelung trotz der erst im Berufungsverfahrens entsprechend den Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung ergangenen Bescheide vom 15.11.2013 aufgrund der Geringfügigkeit des diesbezüglichen Obsiegens abgesehen.
146Gründe gemäß § 160 Abs. 2 SGG für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Entscheidung orientiert sich an der ständigen Rechtsprechung des BSG.
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 25.10.2013 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens (§ 7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch [SGB IV]) über die Versicherungspflicht des Klägers zu 1) als mitarbeitender Kommanditist bei der Klägerin zu 2) in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung in dem Zeitraum vom 1.5.2010 bis zum 26.7.2011 sowie in der gesetzlichen Krankenversicherung, sozialen Pflegeversicherung, gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung in dem Zeitraum vom 1.5.2010 bis zum 31.12.2010.
3Die Klägerin zu 2) (Amtsgericht [AG] Q, HRA 000) ist aus einem von dem am 00.00.1944 geborenen Großhandelskaufmann K gen. I L unter der Firma I L e. K. (AG Q, HRA 000) betriebenen Gewerbebetrieb hervorgegangen und durch notariell beurkundeten Vertrag vom 13.4.2010 mit seinem Sohn, dem am 00.00.1987 geborenen Kläger zu 1), rückwirkend zum 1.1.2010 errichtet worden. Der Gesellschaftsvertrag lautet auszugsweise:
4"§ 1 Firma; Sitz 1.1 Die Firma der Gesellschaft lautet: L KG
51.2 Sitz der Gesellschaft ist Q
6§ 2 Gegenstand des Unternehmens
72.1 Gegenstand des Unternehmens ist der Holzhandel und Parkettvertrieb. 2.2 Die Gesellschaft ist zu allen Geschäften und Maßnahmen berechtigt, die dem Gesellschaftszweck unmittelbar oder mittelbar zu dienen geeignet sind. Die Gesellschaft kann sich an gleichartigen oder ähnlichen Unternehmen beteiligen, deren Vertretung übernehmen und Zweigniederlassungen errichten.
8§ 3 Gesellschafter; Einlage
93.1 Der persönlich haftende Gesellschafter ist beteiligt mit einem festen Kapitalanteil von 10.000,00 EUR 3.2 Der Kommanditist ist beteiligt mit einem festen Kapitalanteil von 100,00 EUR 3.3 Der Komplementär erbringt seine Einlage dadurch, dass Herr I L sämtliche Aktiva und Passiva sowie alle sonstigen Vermögensgegenstände der Einzelfirma I L e. K. (Amtsgericht Q, HRA 000) gemäß der Bilanz des einzelkaufmännischen Unternehmens zum 31.12.2009 und mit Wirkung zum 31.12.2009, 24:00 Uhr/1.1.2010, 0:00 Uhr auf die Gesellschaft überträgt. Die Sacheinlage wird bis zu einem Wert von 10.000,00 Euro auf die Festeinlage angerechnet. Ein darüber hinausgehender Mehr- oder Minderbetrag ist dem Kapitalkonto II von Herrn I L gutzuschreiben. 3.4 Der Kommanditist erbringt seinen Kapitalanteil in bar. 3.5 Die in das Handelsregister einzutragenden Haftsummen der Kommanditisten entsprechen ihren festen Kapitalanteilen.
10§ 4 Gesellschafterkonten
114.1 Für jeden Gesellschafter wird ein Kapitalkonto I geführt, auf das der eingezahlte/eingebrachte Kapitalanteil des Gesellschafters zu buchen ist. Das Kapitalkonto I ist unverzinslich. 4.2 Daneben wird für jeden Gesellschafter ein Kapitalkonto II geführt. Darauf sind die festgestellten, aber nicht entnahmefähigen Gewinnanteile, etwaige auf ihn entfallende Verluste, von den Gesellschaftern beschlossene nicht entnahmefähige Rücklagen sowie von etwaigen eintretenden Gesellschaftern gezahlte Agios zu buchen. Das Kapitalkonto II ist unverzinslich.
124.3 Außerdem wird für jeden Gesellschafter ein Privatkonto geführt. Darauf werden die entnahmefähigen Gewinnanteile, Tätigkeitsvergütungen, Zinsen und der Zahlungsverkehr mit der Gesellschaft verbucht. Das Privatkonto ist im Soll und Haben mit 5 Prozentpunkten zu verzinsen. Die Zinsen gelten im Verhältnis der Gesellschafter zueinander als Aufwand und Ertrag.
13§ 5 Geschäftsführung; Vertretung
145.1 Zur Geschäftsführung und Vertretung ist der Komplementär berechtigt und verpflichtet. Er ist für Rechtsgeschäfte mit der Gesellschaft von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. 5.2 Macht ein Kommanditist von seinem Widerspruchsrecht nach § 164 HGB Gebrauch, so entscheidet auf Antrag des Komplementärs die Gesellschafterversammlung durch Beschluss über die Vornahme der Handlung.
15§ 6 Vergütung des Komplementärs
166.1 Der Komplementär erhält als Gegenleistung für seine Geschäftsführung eine Vorabvergütung von monatlich 5.000,00 EUR, die zum Ende des jeweiligen Monats fällig ist. Diese Vergütung ist zu Beginn jedes Geschäftsjahres neu festzusetzen. Für die Höhe der Neufestsetzung sind folgende Kriterien maßgebend: - die Entwicklung der Lebenshaltungskosten; - die Entwicklung der Ertragslage der Gesellschaft; - die Entwicklung des Haftungsrisikos des Komplementärs (auch aufgrund veränderter Umsätze). 6.2 Außerdem erstattet die Gesellschaft dem Komplementär sämtliche Auslagen für die Geschäftsführung. 6.3 Die Vergütung des Komplementärs gilt im Verhältnis der Gesellschafter zueinander als Aufwand bzw. Ertrag.
17§ 7 Tätigkeit des Kommanditisten
187.1 Der Kommanditist ist über die Einlage seines Kapitalanteils hinaus verpflichtet, seine Arbeitsleistung einzubringen. Art und Umfang seiner Arbeitsleistung sowie die Vergütung ergeben sich aus dem gesondert abgeschlossenen Anstellungsvertrag vom 01. April 2010. 7.2 Die Vergütung des Kommanditisten gilt im Verhältnis der Gesellschafter zueinander als Aufwand bzw. Ertrag.
19§ 8 Gesellschafterversammlungen
208.1 Gesellschafterversammlungen werden durch den Komplementär einberufen und geleitet. Jährlich findet mindestens eine ordentliche Gesellschafterversammlung statt. ( ...) 8.4 Sind sämtliche Gesellschafter anwesend oder vertreten und mit der Beschlussfassung einverstanden, können Beschlüsse auch dann gefasst werden, wenn die für die Einberufung und Ankündigung geltenden gesetzlichen oder gesellschaftsvertraglichen Vorschriften nicht eingehalten worden sind. 8.5 Die Gesellschafterversammlung ist beschlussfähig, wenn sie ordnungsgemäß einberufen ist und der Komplementär und unabhängig davon mindestens 75 % der Kapitalanteile vertreten sind. ( ...)
21§ 9 Gesellschafterbeschlüsse
229.1 Die Beschlüsse der Gesellschafter werden in Versammlungen gefasst. Außerhalb von Versammlungen können sie, soweit nicht zwingendes Recht eine andere Form vorschreibt, in Textform oder telefonisch gefasst werden, wenn sich jeder Gesellschafter an der Abstimmung beteiligt und kein Gesellschafter dieser Art der Beschlussfassung widerspricht. Über die Beschlüsse ist unverzüglich ein Protokoll entsprechend Ziff. 8.6 zu erstellen und allen Gesellschaftern unverzüglich zuzusenden. 9.2 Ein Gesellschafter hat - sofern nicht der Gesellschaftsvertrag dies an anderer Stelle ausdrücklich vorsieht - nur dann kein Stimmrecht, wenn darüber Beschluss gefasst wird, ob er zu entlasten oder von einer Verbindlichkeit zu befreien ist oder ob die Gesellschaft gegen ihn einen Anspruch geltend machen soll. 9.3 Jede 100,00 EUR eines Kapitalanteils gewähren eine Stimme. 9.4 Gesellschafterbeschlüsse über die folgenden Maßnahmen bedürfen der Zustimmung der Mehrheit der bei Beschlussfassung anwesenden, stimmberechtigten Stimmen: 1. Außerordentliche Geschäftsführungsmaßnahmen, denen ein Kommanditist nach § 164 HGB widersprochen hat; 2. Feststellung des Jahresabschlusses und Beschluss über die Gewinnverwendung. 9.5 Gesellschafterbeschlüsse über die folgenden Maßnahmen bedürfen der Zustimmung einer Mehrheit von 75 % der bei Beschlussfassung anwesenden, stimmberechtigten Stimmen: 1. Änderungen des Gesellschaftsvertrages; 2. Aufnahme neuer, Aufgabe und wesentliche Änderung bestehender Produktions- und Geschäftszweige sowie wesentliche Änderungen der Unternehmensstrategie, der Produktionsverfahren, der Marketing-Strategie und des Vertriebssystems; 3. die Veräußerung des Unternehmens der Gesellschaft als Ganzes oder in Teilen; 4. Abschluss, Änderung und Kündigung von Unternehmensverträgen; 5. Kapitalerhöhungen; 6. alle Maßnahmen, bei denen der Gesellschaftsvertrag dies an anderer Stelle ausdrücklich vorsieht. 9.6 Die Fehlerhaftigkeit von Gesellschafterbeschlüssen kann nur innerhalb eines Monats durch Klageerhebung gegenüber der Gesellschaft geltend gemacht werden. Die Frist beginnt mit Zugang des Protokolls bei dem anfechtungswilligen Gesellschafter. Sie endet auf alle Fälle spätestens sechs Monate nach Beschlussfassung.
23§ 10 Beirat
24Die Gesellschafter können mit 75 % ihrer Stimmen beschließen, dass die Gesellschaft einen Beirat erhält, wie sich dieser zusammensetzt und welche Befugnisse er hat.
25§ 11 Ergebnisverteilung
2611.1 An Gewinn und Verlust sind die Gesellschafter im Verhältnis ihrer festen Kapitalanteile beteiligt. 11.2 Die Gewinnanteile des einzelnen Gesellschafters sind, solange und soweit dessen Kapitalkonto I den Betrag des festen Kapitalanteils nicht erreicht, dem Kapitalkonto I gutzuschreiben. Weitere Gewinnanteile sind, solange und soweit das Kapitalkonto II negativ ist, auf dieses zu buchen. Verbleibende Gewinnanteile werden dem Privatkonto gutgeschrieben. 11.3 Die Gesellschafter können auf Vorschlag des Komplementärs beschließen, dass und in welcher Höhe Gewinnanteile unabhängig von der Regelung in Ziff. 2 Satz 2 den Kapitalkonten II als Rücklagen zugeschrieben werden, wenn dies aus kaufmännischer Sicht erforderlich ist. Der Beschluss bedarf einer Mehrheit von 75 %.
27§ 12 Entnahmen
2812.1 Jeder Gesellschafter darf diejenigen Beträge entnehmen, die er benötigt, um die Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer (einschließlich etwaiger Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag) auf seine Gewinnanteile zu bezahlen. Die Höhe der Einkommensteuer wird durch Anwendung des Spitzensteuersatzes (einschließlich etwaiger Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag) auf seinen Gewinnanteil ermittelt, unabhängig davon, ob Steuern in dieser Höhe anfallen oder nicht. 12.2 Weitere Entnahmen bedürfen der Zustimmung des Komplementärs.
29§ 13 Wettbewerbsverbot; Geheimhaltungspflicht
3013.1 Den Gesellschaftern ist es untersagt, sich außerhalb der Gesellschaft in deren durch Ziff. 2 sachlich und räumlich definiertem Geschäftszweig unmittelbar oder mittelbar wirtschaftlich zu betätigen. Dieses Verbot gilt auch für Beteiligungen jedweder Art an mit der Gesellschaft konkurrierenden Unternehmen und für sonstige unterstützende Tätigkeiten für solche Unternehmen. Es gilt bis zum Ablauf von zwei Jahren nach Ausscheiden des Gesellschafters aus der Gesellschaft. Ergänzend gelten - auch im Verhältnis zu den Kommanditisten - §§ 112, 113 HGB. 13.2 Die Gesellschafter sind verpflichtet, sämtliche Unterlagen, Datenträger und Informationen, die sie durch ihre Beteiligung an und ihre Tätigkeit für die Gesellschaft erhalten, streng vertraulich zu behandeln, Dritten gegenüber geheim zu halten und ausschließlich zum Zwecke der Tätigkeit für die Gesellschaft zu verwenden (Geheimhaltungspflicht). Dies gilt insbesondere auch für die Jahresabschlüsse der Gesellschaft sowie die darin enthaltenen Informationen. Die Geheimhaltungspflicht besteht unabhängig davon, ob die Unterlagen, Datenträger oder Informationen Betriebsgeheimnisse im rechtlichen Sinne sind. Sie besteht nach Ausscheiden aus der Gesellschaft fort und endet erst dann, wenn die betreffenden Informationen offenkundig geworden oder dem Gesellschafter von anderer Seite in befugter Weise zugänglich gemacht worden sind.
31( ...)
32§ 15 Ausschluss von Gesellschaftern
3315.1 Gesellschafter können aus wichtigem Grund aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn 1. gegenüber dem Gesellschafter ein Grund vorliegt, der die anderen Gesellschafter zur Erhebung der Auflösungsklage berechtigen würde; 2. über das Vermögen des Gesellschafters ein gerichtliches Insolvenzverfahren eröffnet oder die Eröffnung eines solchen Verfahrens mangels Masse abgelehnt wird oder der Gesellschafter die Richtigkeit seines Vermögensverzeichnisses an Eides Statt zu versichern hat; 3. in den Gesellschaftsanteil die Zwangsvollstreckung betrieben und diese nicht innerhalb von drei Monaten, spätestens zur Verwertung des Gesellschaftsanteils, aufgehoben wird; 4. der Gesellschafter durch Rechtsnachfolge den Anteil erworben hat, ohne zu dem in Ziff. 14.2 bestimmten Gesellschafterkreis zu gehören; 5. der Gesellschafter gegen die Gesellschaft Auflösungsklage erhebt. 15.2 Der Ausschluss bedarf eines Gesellschafterbeschlusses mit einer Mehrheit von 75 %. Bei der Beschlussfassung steht dem betroffenen Gesellschafter kein Stimmrecht zu.
34( ...)
35§ 17 Geschäftsjahr; Dauer der Gesellschaft; Kündigung
3617.1 Geschäftsjahr ist das Kalenderjahr. Das erste Geschäftsjahr beginnt mit Beginn der Gesellschaft und endet am darauf folgenden 31.12. 17.2 Die Gesellschaft beginnt im Außenverhältnis mit Eintragung im Handelsregister. Im Innenverhältnis der Gesellschafter zueinander beginnt sie am 01.01.2010, spätestens mit Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister. 17.3 Die Gesellschaft wird auf unbestimmte Zeit errichtet. Sie kann von jedem Gesellschafter mit einer Frist von einem Jahr zum Ende eines Geschäftsjahres gekündigt werden. Der Kündigende scheidet aus der Gesellschaft gegen Erhalt einer Abfindung nach Ziff. 16 aus.
37( ...)
38§ 19 Schlussbestimmungen
3919.1 Alle das Gesellschaftsverhältnis betreffenden Vereinbarungen zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform, soweit nicht kraft Gesetzes notarielle Beurkundung vorgeschrieben ist. Dies gilt auch für einen etwaigen Verzicht auf das Schriftformerfordernis. 19.2 Sollten einzelne Bestimmungen dieses Vertrages unwirksam sein oder werden, wird hierdurch die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen nicht berührt. Anstelle der unwirksamen Bestimmung gilt diejenige wirksame Bestimmung als vereinbart, die dem Sinn und Zweck der unwirksamen Bestimmung am nächsten kommt. Im Falle von Lücken gilt diejenige Bestimmung als vereinbart, die dem entspricht, was nach Sinn und Zweck dieses Vertrages vereinbart worden wäre, hätte man die Angelegenheit von vornherein bedacht.
40( ...)"
41Der Kläger zu 1) absolvierte zunächst vom 1.8.2007 bis zum 31.1.2010 in der Fa. I L e. K. eine Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann und arbeitete im Anschluss daran als kaufmännischer Angestellter dort. Seit dem 1.5.2010 ist er in der Unternehmensführung auf der Grundlage eines Vertrages vom 1.4.2010 tätig, der auszugsweise lautet:
42"§ 1 Aufgabenbereich
43Der Kommanditist vertritt neben dem persönlich haftenden Gesellschafter die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich. Er führt die Geschäfte der Gesellschaft und hat die verantwortliche Leitung des gesamten Geschäftsbetriebes.
44Die Rechte und Pflichten des Kommanditisten ergeben sich, soweit dieser Vertrag nichts anderes bestimmt, aus dem Gesellschaftsvertrag der L KG und den Gesetzen, insbesondere dem HGB.
45§ 2 Vertragsdauer/Beendigung
46Dieser Vertrag beginnt am 01.05.2010 und wird auf unbestimmte Dauer geschlossen. Der Vertrag endet mit Ablauf des Quartals, in dem die Kommanditistenstellung endet. Hiervon unberührt bleibt das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund.
47§ 3 Vertretungsbefugnis
48Der Kommanditist ist neben dem alleinvertretungsberechtigten Komplementär ebenfalls alleinvertretungsberechtigt.
49§ 4 Arbeitszeit
50Der Kommanditist ist an bestimmte Arbeitszeiten nicht gebunden.
51§ 5 Bezüge
52Der Kommanditist erhält als Vergütung für seine Tätigkeit eine monatliche Vergütung in Höhe von Euro 5.000,00; diese Tätigkeitsvergütung ist zahlbar am Ende eines jeden Monats.
53§ 6 Dienstwagen
54Der Kommanditist dieses Vertrages erhält einen Firmenwagen, der auch zu privaten Zwecken benutzt werden darf. Die auf die private Nutzung entfallende Steuer trägt der Kommanditist.
55§ 7 Spesen und Auslagen
56Dem Kommanditisten werden Reisekosten und sonstige Aufwendungen, soweit diese im Interesse der Gesellschaft notwendig waren, gegen Einzelnachweise erstattet. Tages- und Übernachtungsgelder können nach Wahl von dem Kommanditisten auch im Rahmen der jeweils steuerlich zulässigen Sätze pauschal abgerechnet werden.
57Der Kommanditist darf die erste Klasse der Bahn, bei Flugreisen die Business Class benutzen.
58§ 8 Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall
59Bei Arbeitsverhinderung des Geschäftsführers wegen Krankheit wird die Vergütung als Vorabgewinn weiter gezahlt.
60§ 9 Urlaub
61Dem Kommanditisten wird in Ansehung seiner Unternehmensnachfolgeposition ein Urlaub nach pflichtgemäßem Ermessen zugestanden.
62§ 10 Nebentätigkeit
63Der Kommanditist hat der Gesellschaft sein Wissen und Können und seine gesamte Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen.
64§ 11 Beschlussbestimmung
65Sollte eine der Bestimmungen dieser Vereinbarung unwirksam sein oder werden, so wird die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen hiervon nicht berührt. Die Parteien verpflichten sich, die unwirksame Bestimmung durch eine Vereinbarung zu ersetzen, die der unwirksamen Bestimmung in Interessenlage und Bedeutung möglichst nahe kommt. Entsprechendes gilt für den Fall, dass die Regelungen dieses Vertrages eine von den Vertragsparteien nicht beabsichtigte Lücke aufweisen."
66Bis zum 30.4.2010 bestand für den Kläger zu 1) eine gesetzliche Krankenversicherung bei der Beigeladenen zu 1). Seitdem ist er bei der T privat krankenversichert.
67Am 11.5.2011 beantragte der Kläger zu 1) bei der Beklagten die Statusfeststellung. Im Feststellungsbogen gab er unter anderem an, 2010 die allgemeine Jahresarbeitsentgeltgrenze überschritten zu haben und sie voraussichtlich 2011 erneut zu überschreiten. Im Formular für mitarbeitende Angehörige teilte er ein regelmäßiges monatliches Arbeitsentgelt i.H.v. 6.000,00 Euro brutto sowie eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 60 Stunden an 6 Arbeitstagen mit. Auf die Frage: "Wird die Tätigkeit aufgrund einer mündlichen oder schriftlichen arbeitsvertraglichen Vereinbarung ausgeübt?" kreuzte er "ja" an. Er sei nicht wie eine Arbeitskraft in den Betrieb eingegliedert und nicht an Weisungen des Betriebsinhabers über die Ausführungen der Arbeit gebunden. Die Frage "Hätte ohne die Mitarbeit des Angehörigen eine andere Arbeitskraft eingestellt werden müssen?" verneinte er und fügte den Begriff "Unternehmensnachfolge" hinzu. Die Privatentnahme/Tätigkeitsvergütung werde regelmäßig auf sein Privatkonto überwiesen und entspreche nicht dem tariflichen oder ortsüblichen Lohn, wobei er als Grund "Gewinnverteilungsabrede" angab. Lohnsteuer werde auf diese nicht entrichtet, auch werde sie nicht als Betriebsausgabe verbucht. Er habe dem Betrieb weder Darlehen gewährt noch Bürgschaften oder sonstige Sicherheiten für diesen übernommen. Die Vermögenswerte des Betriebes stünden nicht in seinem (Mit-)Eigentum. Er sei schließlich auch nicht Verpächter, Vermieter oder Überlassender der Betriebsstätte.
68Mit Schreiben vom 30.6.2011 hörte die Beklagte daraufhin die Kläger zur beabsichtigten Feststellung des Vorliegens einer abhängigen Beschäftigung an. Daraufhin ließen die Kläger durch ihre Steuerberater vortragen, dass derzeit der Gesellschaftsvertrag unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse seit dem 1.5.2010 überarbeitet werde, um die gesellschaftsrechtliche Stellung des Klägers zu 1) als Unternehmensnachfolger in weisungsgebender Funktion noch deutlicher zum Ausdruck zu bringen. Im Übrigen sprächen bereits jetzt die tatsächlichen Verhältnisse gegen eine abhängige Beschäftigung. Eine Weisungsgebundenheit bestehe nicht. Der Kläger zu 1) sei nicht wie eine fremde Arbeitskraft in den Betrieb der Klägerin zu 2) eingegliedert.
69Mit Schreiben vom 28.7.2011 legten die Kläger einen Gesellschaftsvertrag vom 27.7.2011 vor, der in folgenden Punkten von dem vorherigen abweicht:
70"( ...)
71§ 3 Gesellschafter; Einlage
723.1 Der persönlich haftende Gesellschafter ist beteiligt mit einem festen Kapitalanteil von 10.000,00 EUR 3.2 Der Kommanditist ist beteiligt mit einem festen Kapitalanteil von 10.000,00 EUR 3.3 Der Komplementär hat seine Einlage dadurch erbracht, dass Herr I L sämtliche Aktiva und Passiva sowie alle sonstigen Vermögensgegenstände der Einzelfirma I L e. K. (Amtsgericht Q, HRA 000) gemäß der Bilanz des einzelkaufmännischen Unternehmens zum 31.12.2009 und mit Wirkung zum 31.12.2009, 24:00 Uhr/1.1.2010, 0.00 Uhr auf die Gesellschaft übertragen hat. Die Sacheinlage wurden bis zu einem Wert von 10.000,00 Euro auf die Festeinlage angerechnet. Ein darüber hinausgehender Mehr- oder Minderbetrag ist dem Kapitalkonto II von Herrn I L gutzuschreiben.
73( ...)
74§ 5 Geschäftsführung; Vertretung
755.1 Zur Geschäftsführung und Vertretung ist der Komplementär berechtigt und verpflichtet. Er ist alleinvertretungsberechtigt und für Rechtsgeschäfte mit der Gesellschaft von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Die Rechte und Pflichten des Kommanditisten zur Geschäftsführung und Vertretung ergeben sich aus § 7.1 dieses Vertrages; ihm wird Prokura erteilt.
76( ...)
77§ 6 Vergütung des Komplementärs
786.1 Der Komplementär erhält als Gegenleistung für seine Geschäftsführung eine Vorabvergütung auf den Gewinn von monatlich 5.000,00 EUR, die zum Ende des jeweiligen Monats fällig ist. Diese Vergütung ist zu Beginn jedes Geschäftsjahres neu festzusetzen. Für die Höhe der Neufestsetzung sind folgende Kriterien maßgebend: - die Entwicklung der Lebenshaltungskosten; - die Entwicklung der Ertragslage der Gesellschaft; - die Entwicklung des Haftungsrisikos des Komplementärs (auch aufgrund veränderter Umsätze). 6.2 Außerdem erstattet die Gesellschaft dem Komplementär sämtliche Auslagen für die Geschäftsführung.
796.3 (gestrichen)
80§ 7 Tätigkeit und Vergütung des Kommanditisten
817.1 Der Kommanditist ist über die Einlage seines Kapitalanteils hinaus verpflichtet, seine Arbeitsleistung einzubringen: Dabei führt er die Geschäfte der Gesellschaft gemäß § 5 dieses Vertrages und entgegen den Bestimmungen des § 164 S. 1 HGB selbständig neben dem Komplementär und übernimmt die verantwortliche Leitung des gesamten Geschäftsbetriebs. Dem Kommanditisten wird Prokura erteilt; er vertritt die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich, soweit § 170 HGB dem nicht entgegensteht; ihm wird Alleinvertretungsberechtigung eingeräumt und er ist von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Der Kommanditist arbeitet weisungsfrei, bei der Gestaltung seiner Arbeitszeiten ist er frei. Der Anstellungsvertrag vom 01.04.2010 ist gegenstandlos. 7.2 Der Kommanditist erhält als Gegenleistung für seine Tätigkeit eine Vorabvergütung auf den Gewinn in Höhe von monatlich 5.000,- EUR, welche zum Ende des jeweiligen Monats fällig ist. Diese Vergütung ist zu Beginn jedes Geschäftsjahrs neu festzusetzen. Für die Höhe der Neufestsetzung sind folgende Kriterien maßgebend: - die Entwicklung der Lebenshaltungskosten; - die Entwicklung der Ertragslage der Gesellschaft.
82Außerdem erstattet die Gesellschaft dem Kommanditisten sämtliche Auslagen für die Geschäftsführung.
83( ...)
84§ 9 Gesellschafterbeschlüsse
85( ...)
869.5 Gesellschafterbeschlüsse über die folgenden Maßnahmen bedürfen der Zustimmung einer Mehrheit von 75 % der bei Beschlussfassung anwesenden, stimmberechtigten Stimmen: ( ...) 6. Aufnahme neuer Gesellschafter; 7. alle Maßnahmen, bei denen der Gesellschaftsvertrag dies an anderer Stelle ausdrücklich vorsieht.
87§ 11 Ergebnisverteilung
88( ...)
8911.2 Die Gesellschafter können auf Vorschlag eines Gesellschafters beschließen, ob und in welcher Höhe Gewinnanteile unabhängig von der Regelung in § 2 Satz 2 dieses Vertrages den Kapitalkonten II als Rücklagen zugeschrieben werden, wenn dies aus kaufmännischer Sicht erforderlich ist. Der Beschluss bedarf einer Mehrheit von 75 %.
9011.3 (gestrichen)
91§ 12 Entnahmen
92( ...)
9312.2 Weitere Entnahmen bedürfen der Zustimmung der Gesellschafterversammlung.
94§ 19 Schlussbestimmungen
95( ...)
9619.3 Die Änderungen dieses Vertrages gelten mit Ausnahme der für ihre Wirksamkeit zwingend in das Handelsregister einzutragenden Sachverhalte rückwirkend ab dem 01.05.2010.
97( ...)"
98Durch an den Kläger zu 1) und die "Fa. L e. K., vertreten durch den Komplementär" adressierte Bescheide vom 27.9.2011 stellte die Beklagte fest, dass die Tätigkeit des Klägers zu 1) als mitarbeitender Gesellschafter bei der Klägerin zu 2) seit dem 1.5.2010 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde und somit Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung bestehe. In der Gesamtwürdigung überwögen die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Der Kläger zu 1) verfüge aufgrund seines Anteiles am Stammkapital nicht über einen maßgebenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft. Beschlüsse der Klägerin zu 2) würden mit einfacher Mehrheit bzw. einer Mehrheit von 75 % gefasst. Der Komplementär habe sich den maßgeblichen Einfluss innerhalb der Gesellschaft vorbehalten. Eine Sperrminorität sei nicht gegeben. Der Kläger zu 1) sei zwar als Geschäftsführer eingestellt, verfüge jedoch nicht als Einziger über die zur Führung des Unternehmens notwendigen Branchenkenntnisse. Zudem sei ein Anstellungsvertrag geschlossen worden, den insbesondere eine feste monatliche Tätigkeitsvergütung kennzeichne. Demgegenüber bestehe eine Gestaltungsfreiheit hinsichtlich Zeit, Ort und Art der Tätigkeit sowie eine Gewinnbeteiligung, es bleibe aber eine Eingliederung in einen fremdbestimmten Betrieb prägend.
99Hiergegen legten die Kläger am 24.10.2011 Widerspruch ein. Die Bescheide seien bereits formell rechtswidrig. In dem Bescheid an den Kläger zu 1) habe die Beklagte darauf abgestellt, dass die Gesellschaftsvertragsänderung nur mit einer notariellen Bestätigung zu berücksichtigen sei. Diese Auffassung sei zum einen gesellschaftsvertragsrechtlich unzutreffend und hätte zum anderen Grund für eine erneute Anhörung gegeben. Im weiteren Bescheid an die Klägerin zu 2) sei übersehen worden, dass die Stellungnahme auf die Anhörung hin auch im Namen derselben erfolgt sei. Überdies sei der Bescheid an die Fa. I L e. K. adressiert worden. In materiell-rechtlicher Hinsicht habe die Beklagte fehlerhaft die Besonderheiten einer Familiengesellschaft nicht berücksichtigt. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) müsse ein Weisungsrecht nach Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsausführung bestehen. Ein solches werde in Familiengesellschaften regelmäßig - wie hier - aus familiärer Rücksichtnahme nicht ausgeübt. Zwischen dem Kläger zu 1) und dem Komplementär der Klägerin zu 2) bestehe ein vollständiges Einvernehmen. Die ursprüngliche Verteilung der Geschäftsanteile habe allein den Hintergrund gehabt, dass im Falle eines Verlustes dieser steuerlich gegen die Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung des Komplementärs hätten gegengerechnet werden können. Keineswegs sei beabsichtigt gewesen, ein Weisungsrecht gegenüber dem Kläger zu 1) zu begründen. Der Komplementär habe sich vielmehr aufgrund des Erreichens des Renteneintrittsalters aus dem Unternehmen zurückziehen wollen. Die formaljuristisch bestehende Möglichkeit, auf der Grundlage des ursprünglichen Gesellschaftsvertrages Gesellschafterbeschlüsse gegen den Willen des Klägers zu 1) herbeizuführen, sei weder beabsichtigt noch praktiziert worden. Tatsächlich stehe ihm der Komplementär seit dem 1.5.2010 nur noch beratend zur Seite. Der Kläger zu 1) könne Verträge und Aufträge ohne Beschränkung und Abstimmung namens der Gesellschaft abschließen bzw. vergeben.
100Daraufhin half die Beklagte durch an die Kläger adressierte Bescheide vom 23.12.2011 dem Widerspruch teilweise ab, indem sie die Ausgangsbescheide mit Wirkung ab dem 27.7.2011 aufhob. Die Verhältnisse hätten sich nun so maßgeblich geändert, dass eine Eingliederung des Klägers zu 1) in die Arbeitsorganisation der Klägerin zu 2) nicht mehr vorliege.
101Den Widerspruch im Übrigen wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheide vom 10.5.2012 als unbegründet zurück. Es hätten sich gegenüber den Ausgangsbescheiden keine neuen Erkenntnisse für den Zeitraum vom 1.5.2010 bis zum 26.7.2011 ergeben.
102Hiergegen haben die Kläger am 13.6.2012 Klage zum Sozialgericht (SG) Detmold erhoben.
103Sie haben zur Begründung ihr vorheriges Vorbringen vertieft und ergänzend im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte verkenne die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Familiengesellschaft. Vor diesem Hintergrund sei der Einzelfall unzureichend und im Ergebnis falsch gewürdigt worden. Die Frage familiärer Besonderheiten besitze gerade dort Relevanz, wo ein Minderheitsgesellschafter in der Gesellschaft mitarbeite. Zwar habe der Kläger zu 1) nicht die alleinigen Branchenkenntnisse besessen, aufgrund des Rückzuges des Vaters aus dem Betrieb habe er diesen jedoch allein geführt. Die Beklagte habe zudem die Motivationslage nach wie vor nicht aufgeklärt. Das unternehmerische Risiko des Klägers zu 1) liege darin, dass die Entnahmen gesellschaftsrechtlich der Gefahr des Verlustes ausgesetzt seien. Das Indiz der Stimmenverteilung nach dem Wortlaut des ursprünglichen Gesellschaftsvertrages sei durch die tatsächlichen Verhältnisse widerlegt. Dieser sei überdies auszulegen, zumal ein Personengesellschaftsvertrag grundsätzlich formfrei sei und auch jederzeit formfrei geändert werden könne. Nach dem Rechtsgrundsatz "falsa demonstratio non nocet" genieße das tatsächlich Gewollte Vorrang vor dem schriftlich Niedergelegten. Es könne nicht ernsthaft davon ausgegangen werden, dass der Wortlaut des Gesellschaftsvertrages im Hinblick auf die Verteilung der Stimmenmehrheit dem zum damaligen Zeitpunkt tatsächlich Gewollten entsprochen habe. Vielmehr sei eine Stimmenmehrheit des Komplementärs und die Möglichkeit, den Kläger zu 1) zu überstimmen, tatsächlich gerade nicht gewollt gewesen. Dass die Verteilung der Stimmenanteile im Verhältnis 100:1 offensichtlich nicht dem Willen der Vertragsparteien entsprochen habe, zeige sich auch an der Änderung des Wortlautes und der Stimmenverteilung, nachdem die Kläger die Abweichung von Wortlaut und tatsächlich Gewolltem erkannt hatten. Zudem sei kein Ausgleich im Innenverhältnis nach der Vertragsanpassung erfolgt, was ebenfalls belege, dass nun das ursprünglich Gewollte schriftlich niedergelegt worden sei.
104Die Kläger haben schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
105unter Abänderung der Bescheide vom 27.9.2011 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 23.12.2011 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 10.5.2012 festzustellen, dass die Tätigkeit des Klägers zu 1) als mitarbeitender Kommanditist bei der Klägerin zu 2) in der Zeit vom 1.5.2010 bis zum 26.7.2011 im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit ausgeübt wurde und keine Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht.
106Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
107die Klage abzuweisen.
108Sie hat Bezug genommen auf die Begründung ihrer Bescheide und Widerspruchsbescheide und ergänzend im Wesentlichen ausgeführt: Die Nichtausübung des Weisungsrechts durch den Komplementär sei unbeachtlich, solange die Rechtsposition nicht wirksam abbedungen worden sei. Dies gelte auch in Fällen enger Verwandtschaftsverhältnisse zwischen den Beteiligten. Es handele sich hier um einen in der betrieblichen Praxis nicht untypischen Entwicklungsprozess des Hineinwachsens eines jüngeren Familienangehörigen in die Unternehmensnachfolge.
109Durch Beschluss vom 8.11.2012 sind die Beigeladenen zu 1) bis 2) zum Verfahren beigeladen worden.
110Der Rechtsstreit ist mit den Beteiligten am 29.5.2013 erörtert worden. Sie haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
111Durch Urteil vom 25.10.2013 hat das SG ohne mündliche Verhandlung der Klage teilweise stattgegeben und die angefochtenen Bescheide insoweit abgeändert, als die Beklagte darin die Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung vom 1.1.2011 bis zum 26.7.2011 festgestellt hatte. Für das Jahr 2011 bestehe wegen des Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze Versicherungsfreiheit in diesen Zweigen der Sozialversicherung. Im Übrigen hat das SG die Klage unter Annahme einer abhängigen Beschäftigung abgewiesen. Der Anstellungsvertrag vom 1.4.2010 und der Gesellschaftsvertrag vom 13.4.2010 rechtfertigten diese in der Gesamtschau. Die vorhandene Rechtsmacht entfalle auch nicht dadurch, dass in "ruhigen Zeiten" von ihr aus familiärer Rücksichtnahme kein Gebrauch gemacht werde. Im Übrigen wird auf den Inhalt der Entscheidungsgründe Bezug genommen.
112Am 31.10.2013 ist das Urteil den Klägerbevollmächtigten zugestellt worden. Daraufhin haben die Kläger zunächst am 14.11.2013 einen Antrag auf Tatbestandsberichtigung gestellt und sodann am 29.11.2013 Berufung eingelegt. Das SG hat den Antrag durch Beschluss vom 15.12.2013 abgelehnt.
113Die Kläger tragen zur Begründung ihrer Berufung unter Vertiefung ihres vorherigen Vortrages vor: Die Rechtsauffassung der Beklagten und des SG beruhe - abgesehen von einer Verletzung der Amtsermittlungspflicht - auf einem zentralen Missverständnis. Nach den Vorgaben des Gesetzgebers und der Rechtsprechung komme es darauf an, ob der Kläger zu 1) weisungsfrei arbeiten könne oder nicht. Für diese tatsächliche Frage sei auf den Willen der Beteiligten abzustellen. Denn die Weisungsabhängigkeit könne sich ausschließlich aus den getroffenen vertraglichen Vereinbarungen ergeben. Insoweit folge das Sozialrecht dem Zivilrecht. Dort bestehe der Vorrang des von den Parteien wirklich Gewollten vor dem schriftlich Niedergelegten. Gewollt gewesen sei eine Kapitalmehrheit des Vaters des Klägers zu 1), nicht jedoch eine Stimmenmehrheit. Der Fehler beruhe auf der Verwendung eines Vertragsmusters, bei dessen Anpassung die Differenzierung übersehen worden sei. Aufgrund der von Anfang an gewollten Stimmenverteilung nach Kopfteilen entfalle die Annahme eines Weisungsrechtes. Dafür sprächen zudem die sonstigen Umstände. Die Entnahme von 5.000,00 Euro pro Monat stelle auch vor dem Hintergrund der Pflicht zur Einbringung seiner Arbeitsleistung kein festes Gehalt des Klägers zu 1) dar. Schließlich habe das BSG seine jahrzehntelange Rechtsprechung zur Familiengesellschaft noch nicht ausdrücklich aufgegeben. Die Rechtsprechung aus dem Jahre 2012 sei überdies 2010 noch nicht bekannt gewesen, die Beklagte müsse sich daher zumindest in einem solchen Altfall an der früheren Rechtsprechung festhalten lassen.
114Die Kläger beantragen,
115das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 25.10.2013 zu ändern und unter Aufhebung der Bescheide der Beklagten vom 27.9.2011 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 23.12.2011 in der Gestalt der Widerspruchbescheide vom 10.5.2012 festzustellen, dass für die Tätigkeit des Klägers zu 1) bei der Klägerin zu 2) als mitarbeitender Kommanditist im Zeitraum vom 1.5.2010 bis zum 31.12.2010 keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung, der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung und im Zeitraum vom 1.1.2011 bis zum 26.7.2011 keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung bestanden hat.
116Die Beklagte beantragt,
117die Berufung zurückzuweisen.
118Die Beklagte tritt der Berufung entgegen und verteidigt das erstinstanzliche Urteil, soweit darin die Klage abgewiesen worden ist. Die neuere Rechtsprechung des BSG habe die Bedeutung der Rechtsmacht in Familiengesellschaften bestätigt und betreffe auch den Fall der Kläger.
119Die Beigeladenen zu 1) bis 2) sowie die durch Beschluss vom 3.6.2014 verfahrensbeteiligte Beigeladene zu 3) stellen keine Anträge.
120Der Rechtsstreit ist am 24.9.2014 mündlich verhandelt worden. Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Notars T und des Steuerberaters M.
121Die Beklagte hat den angefochtenen Bescheid im Verhandlungstermin im Umfang der ausdrücklichen Feststellung der abhängigen Beschäftigung aufgehoben.
122Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, insbesondere die Sitzungsniederschriften, und der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
123Entscheidungsgründe:
124Der Senat hat in Abwesenheit der Beigeladenen zu 1) bis 3) verhandeln und entscheiden können, da er sie mit den ordnungsgemäßen Terminsnachrichten auf diese Möglichkeit hingewiesen hat.
125I. Die Berufung der Kläger ist zulässig. Sie ist insbesondere gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft sowie form- und fristgerecht erhoben worden (§§ 151 Abs. 1, 64 Abs. 2, Abs. 3 SGG). Die vollständige Entscheidung ist den Klägerbevollmächtigten am 31.10.2013 zugestellt worden. Die Berufungsschrift ist bei dem erkennenden Gericht am 29.11.2013 eingegangen.
126II. Die Berufung ist jedoch unbegründet.
127Streitgegenstand sind die Bescheide vom 27.9.2011 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 23.12.2011 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 10.5.2012 sowie des Urteils vom 25.10.2013, soweit es mangels (Anschluss-)Berufung der Beklagten in Rechtskraft erwachsen ist.
128Die gegen diese Bescheide in zulässiger Weise erhobene Anfechtungs- und die auf Feststellung des Nichtbestehens der Versicherungspflicht des Klägers zu 1) in der gesetzlichen Krankenversicherung, sozialen Pflegeversicherung, gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung vom 1.5.2010 bis zum 31.12.2010 und zur gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung vom 1.1.2011 bis zum 26.7.2011 gerichtete Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
1291. Die angefochtenen Bescheide vom 27.9.2011 sind formell rechtmäßig.
130Es kann letztlich dahingestellt bleiben, ob der Bescheid vom 27.9.2011, gerichtet an "I L e.K." eine ordnungsgemäße Bekanntgabe im Sinne von § 39 Abs. 1 SGB X gegenüber der Klägerin zu 2) darstellt. Denn jedenfalls sind die nachfolgenden Bescheide, welche die nunmehr zur Entscheidung stehenden Regelungen beinhalten, unstreitig ordnungsgemäß bekannt gegeben worden.
131Ein Anhörungsmangel (§ 24 Abs. 1 SGB X) ist nicht ersichtlich. Auch wenn die Beklagte ausweislich der Begründung des Ausgangsbescheides verkannt hat, dass die Stellungnahme der Steuerberater im Anhörungsverfahren im Auftrag beider Kläger erfolgt ist, so hat sie sich inhaltlich damit auseinandergesetzt.
1322. Die streitgegenständlichen Bescheide sind auch materiell rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht nach § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG in ihren Rechten. Denn die Beklagte hat zu Recht nach § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV bezüglich der von dem Kläger zu 1) ausgeübten Beschäftigung als mitarbeitender Kommanditist der Klägerin zu 2) seine Versicherungspflicht zur gesetzlichen Krankenversicherung, sozialen Pflegeversicherung, gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung vom 1.5.2010 bis zum 31.12.2010 und zur gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung vom 1.1.2011 bis zum 26.7.2011 angenommen. Das SG hat die Klage insoweit zu Recht abgewiesen.
133Die Versicherungspflicht des Klägers zu 1) in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung ergibt sich aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI), § 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) und § 25 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III), da er in den Streitzeiträumen bei der Klägerin zu 2) gegen Arbeitsentgelt abhängig beschäftigt gewesen ist.
134Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (st. Rspr.; vgl. zum Ganzen z.B. BSG, Urteil v. 29.8.2012, B 12 R 14/10 R, USK 2012-82; BSG, Urteil v. 25.4.2012, B 12 KR 24/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 15; BSG, Urteil v. 11.3.2009, B 12 KR 21/07 R, USK 2009-25; BSG, Urteil v. 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 20; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung: BVerfG, Beschluss vom 20.5.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr. 11).
135Bei der Feststellung des Gesamtbilds kommt dabei den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zu (vgl. BSG, Urteil v. 29.8.2012, a.a.O., juris; ebenso Urteil v. 25.1.2006, B 12 KR 30/04 R, USK 2006-8; Urteil v. 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R, Die Beiträge, Beilage 2008, 333, 341 f.): Nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen sind die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urteil v. 28.9.2011, B 12 R 17/09 R, juris; Senat, Urteil v. 29.6.2011, L 8 (16) R 55/08, juris).
136Nach diesen Grundsätzen ist auch zu beurteilen, ob der Geschäftsführer einer KG zu dieser in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht (BSG, Urteil v. 29.8.2012, a.a.O.). Der neben dem Komplementär mit der Geschäftsführung betraute Kommanditist einer KG ist dabei weder wegen seiner Organstellung noch deshalb von einer abhängigen Beschäftigung ausgeschlossen, weil er gegenüber Arbeitnehmern der KG Arbeitgeberfunktionen ausübt. Denn auch wer Arbeitgeberfunktionen ausübt, kann seinerseits bei einem Dritten persönlich abhängig beschäftigt sein. Maßgebend ist vor allem die Bindung des geschäftsführenden Kommanditisten an das willensbildende Organ, in der Regel die Gesamtheit der Gesellschafter (vgl. zum GmbH-Gesellschafter BSG, Urteil v. 6.3.2003, B 11 AL 25/02 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 1 m.w.N.). Insoweit ist von besonderer Bedeutung, ob ein geschäftsführender Kommanditist aufgrund seiner Gesellschafterstellung maßgeblichen Einfluss auf die Willensbildung der KG hat und damit Beschlüsse und Einzelweisungen an sich jederzeit verhindern kann (vgl. zum GmbH-Gesellschafter BSG, Urteil v. 8.8.1990, 11 RAr 77/89, SozR 3-2400 § 7 Nr. 4). Ist dies der Fall, ist ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu verneinen, weil der geschäftsführende Kommanditist mit Hilfe seiner Gesellschafterrechte die für das Beschäftigungsverhältnis typische Abhängigkeit vermeiden kann (vgl. zum GmbH-Gesellschafter BSG, Urteil v. 6.2.1992, 7 RAr 134/90, SozR 3-4100 § 104 Nr. 8). Darüber hinaus ist von Bedeutung, ob sein Einfluss auf die Willensbildung der KG aufgrund besonderer Einzelfallumstände unabhängig von seiner Gesellschafterstellung so erheblich ist, dass ihm gegenüber nicht genehme Beschlüsse und jede Weisung ausgeschlossen sind und er die Geschäfte nach eigenem Gutdünken führen, d.h. frei schalten und walten kann. Dann ist eine persönliche Abhängigkeit auch bei Diensten höherer Art zu verneinen, weil die Gesellschafter tatsächlich keinerlei Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft nehmen und sich der Geschäftsführer nur in die von ihm selbst gegebene Ordnung des Betriebes einfügt (BSG, Urteil v. 14.12.1999, B 2 U 48/98 R, USK 9975; BSG, Urteil vom 11.2.1993, 7 RAr 48/92, USK 9347; vgl. insgesamt: Senat, Urteil vom 17.10.2012, L 8 R 545/11, juris).
137Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze spricht unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls sowohl in vertraglicher als auch in tatsächlicher Hinsicht überwiegendes dafür, dass der Kläger zu 1) vom 1.5.2010 bis zum 27.7.2011 bei der Klägerin zu 2) im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses tätig gewesen ist.
138a) Ausgangspunkt der Prüfung ist der Vertrag vom 1.4.2010, der das Vertragsverhältnis zwischen den Klägern bestimmt. Hierbei handelt es sich der Sache nach um einen Anstellungsvertrag und nicht um eine gesellschaftsvertragliche Regelung.
139Für dieses Verständnis des Vertrages sprechen zunächst § 7.1 Satz 2 des Gesellschaftsvertrages vom 13.4.2010, wonach Art und Umfang der "Arbeitsleistung" des Klägers zu 1) sowie seine Vergütung sich "aus dem gesonderten abgeschlossenen Anstellungsvertrag vom 01. April 2010" ergeben sowie § 1 Abs. 2 des auf diese Weise in Bezug genommenen Vertrages vom 1.4.2010, wonach sich die Rechte und Pflichten des Klägers zu 1) aus dem Gesellschaftsvertrag ergeben, "soweit dieser Vertrag" - gemeint ist derjenige vom 1.4.2010 - nichts anderes bestimmt.
140Soweit § 1 Abs. 1 Satz 1 des Vertrages vom 1.4.2010 dem Kläger zu 1) die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung der Gesellschaft neben dem persönlich haftenden Gesellschafter einräumt und ihm daher offenbar eine organschaftliche Stellung verschaffen soll, ist dies im Hinblick auf § 170 HGB, wonach der Kommanditist zur Vertretung der Gesellschaft nicht berechtigt ist, unwirksam.
141Soweit der Kläger zu 2) nach § 1 Abs. 1 Satz 2 des Vertrages vom 1.4.2010 die Geschäfte der Gesellschaft führt und die verantwortliche Leitung des gesamten Geschäftsbetriebes innehat, mag dies auf § 164 HGB hinzielen, wonach Kommanditisten von der Führung der Geschäfte der Gesellschaft ausgeschlossen sind. Unabhängig von der Frage der Wirksamkeit dieser Regelung spricht jedenfalls der Umstand, dass sie außerhalb des Gesellschaftsvertrages getroffen worden ist, dagegen, dass eine Ausweitung der gesellschaftsrechtlichen Befugnisse des Klägers zu 1) beabsichtigt war, sondern vielmehr die Begründung eines Anstellungsvertrages.
142Die weiteren Regelungen des Vertrages vom 1.4.2010 enthalten überwiegend arbeitsvertragstypische Elemente. Das gilt für die Vereinbarung fester Bezüge (§ 5), die nur für den Fall der Krankheit als Vorabgewinn gezahlt werden (§ 8), die Dienstwagenregelung (§ 6), den Anspruch auf Ersatz von Spesen und Auslagen (§ 7), die grundsätzliche Einräumung eines Urlaubsanspruchs (§ 9) und die Nebentätigkeitsregelung (§ 10). Die darin geregelte Verpflichtung des Klägers zu 1), der Klägerin zu 2) seine gesamte Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen, relativiert im Übrigen § 4, wonach er an bestimmte Arbeitszeiten nicht gebunden ist. § 4 ist insoweit Ausfluss des Umstandes, dass der Kläger zu 1) Tätigkeiten höherer Art leistet, bei denen die Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers von vornherein eingeschränkt und zur dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert ist (vgl. BSG, Urteil v. 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 20; Senat, Urteil v. 17.10.2012, L 8 R 545/11, juris). Auch bei leitenden Angestellten ist eine Vertrauensarbeitszeit keineswegs unüblich. Bei dem vom Kläger zu 1) im Feststellungsbogen angegebenen zeitlichen Umfang seiner Tätigkeit von 60 Stunden pro Woche bedarf es auch keiner näheren Weisungen zur Lage der Arbeitszeit mehr.
143b) Auf dieser vertraglichen Grundlage ist der Kläger zu 1) (auch) ab dem 1.5.2010 in einem fremden Betrieb, nämlich dem der Klägerin zu 2), tatsächlich tätig geworden. Während dieser Tätigkeit war er umfassend in den Betrieb und folglich in eine ihm vorgegebene Organisation eingegliedert. Der Kläger zu 1), der verpflichtet war, der Klägerin zu 2) seine gesamte Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen, ist ausschließlich ausgehend von den Betriebsräumen der Klägerin zu 2) mit den dort vorgehaltenen Betriebsmitteln und unter Nutzung der betrieblichen Infrastruktur tätig geworden. Hierbei unterlag er einem Weisungsrecht der Klägerin zu 2) bezüglich Ort, Zeit sowie Art und Weise der Tätigkeit, da der Gesellschafterversammlung der Klägerin zu 2) die insoweit maßgebliche abstrakte Rechtsmacht zustand.
144aa) Nach § 9 Ziff. 9.3 des Gesellschaftsvertrages gewähren je 100 EUR eines Kapitalanteils eine Stimme. Gesellschafterbeschlüsse werden entweder - in den Fällen von § 9 Ziff. 9.4. - mit einfacher Mehrheit oder - in den Fällen von § 9 Ziff. 9.5. - mit einer Mehrheit von 75 % der Stimmen gefasst. Auf der Grundlage der in § 3 geregelten Kapitalanteile verfügten im Streitzeitraum der Kläger zu 1) mithin über eine Stimme, der Komplementär der Klägerin zu 2) über 100 Stimmen (entsprechend 99,01 %). Unabhängig von einfachen oder qualifizierten Mehrheitserfordernissen hatte der Komplementär der Klägerin zu 2) damit die Rechtsmacht, sämtliche Entscheidungen der Gesellschafterversammlung auch gegen den Willen des Klägers zu 1) zu bestimmen und dementsprechend diesem auch in seiner Eigenschaft als Mitarbeiter der Klägerin zu 2) nicht genehme Weisungen zu erteilen. Eine (umfassende) Sperrminorität, die es dem Kläger zu 1) ermöglicht hätte, ihm unliebsame Weisungen der Gesellschaft an sich zu verhindern, enthält der Gesellschaftsvertrag vom 13.4.2010 nicht.
145bb) Die Mehrheitsregelungen in § 9 des Gesellschaftsvertrages lassen sich nicht nach dem Grundsatz "falsa demonstratio non nocet" dahingehend auslegen, dass entweder die Gesellschafter abweichend vom Wortlaut gleiche Stimmrechte haben sollten oder dass sich die Mehrheit nach der Zahl der Gesellschafter richten sollte. Ein dahingehender wirklicher Wille der Gesellschafter bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages (vgl. zu diesem Kriterium BGH, Urteil v. 7.12.2001, V ZR 65/01, NJW 2002, 1038 ff.; Urteil v. 13.8.1996, XI ZR 218/95, NJW-RR 1458; Reichold in jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 133 Rdnr. 18; Singer in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2012, § 133 Rdnr. 13; jeweils m.w.N. auch zur älteren Rechtsprechung) lässt sich nicht feststellen.
146(1) Der Komplementär der Klägerin zu 2) hat zum tatsächlichen Ablauf des Vertragsschlusses unwidersprochen erklärt, der Vertragsentwurf stamme vom Steuerberater, dem Zeugen M. Auf diesen habe man sich verlassen. Der Vertragstext sei bei seiner Unterzeichnung durch den Notar, den Zeugen T, entsprechend allgemeinen Gepflogenheiten bei notariellen Beurkundungen verlesen worden. Er könne sich nicht daran erinnern, dass über die Mehrheitsregelungen in § 9 gesprochen worden sei. Diese Angaben stimmen mit denjenigen der Zeugen M und T überein. Insbesondere der Zeuge T hat ausgesagt, er habe bei einem Vorgespräch den Zeugen M über die divergierenden Kapitalbeteiligungen und Stimmrechte befragt. Der Zeuge M habe ihm die ertragssteuerrechtlichen Hintergründe der Kapitalanteile und die aus der Verteilung folgenden Verlustverrechnungsmöglichkeiten für den Komplementär der Klägerin zu 2) informiert. Man sei übereingekommen, die Stimmrechte nicht mit den Gesellschaftern zu problematisieren, weil es sich um eine Familiengesellschaft handele und die Frage unterschiedlicher Stimmverhältnisse dort nicht zum Tragen kommen werde. Jedenfalls in seiner Gegenwart sei die Frage der Stimmrechtsverteilung mit den Gesellschaftern zu keinem Zeitpunkt diskutiert worden. Der Zeuge M hat bekundet, er habe den Vertrag aus einer Formularsammlung abgeschrieben, die einen Gleichklang zwischen Kapital und Stimmrechten vorsehe. Er habe die Regelung wegen der familienrechtlichen Bindungen nicht für problematisch gehalten und sie auch weder mit dem Kläger zu 1) noch mit dem Komplementär der Klägerin zu 2) besprochen.
147(2) Der Senat hat keine Bedenken, den Angaben der Gesellschafter und den Bekundungen der Zeugen zu folgen. Sie stimmen in allen wesentlichen Punkten überein und schildern den Geschehensablauf in sich widerspruchsfrei. Insbesondere ist glaubhaft, dass es dem Zeugen M in erster Linie um eine den steuerlichen Interessen der Gesellschafter entgegenkommende Gestaltung des Gesellschaftsvertrages ging. Da er davon ausging, dass sich die vertragschließenden Parteien in vollem Umfang auf die Empfehlungen ihres Steuerberaters verlassen würden, hat auch der Zeuge T von einer abweichenden Beratung abgesehen.
148(3) Angesichts dessen lässt sich als wirklicher Wille der Gesellschafter nur feststellen, dass diese den von ihrem Steuerberater, dem Zeugen M, entworfenen Vertrag genauso wie vorgeschlagen schließen wollten, d.h. mit der vom gesetzlichen Leitbild der §§ 119 Abs. 2, 161 Abs. 2 HGB, wonach in der Gesellschafterversammlung im Zweifel die Mehrheit der Gesellschafter entscheidet, abweichenden Regelung der Mehrheit nach Kapitalanteilen. Für die Richtigkeit dieser Beurteilung spricht im Übrigen, dass auch im Gesellschaftsvertrag vom 27.7.2011 nicht etwa eine Verteilung der Stimmrechte nach Köpfen erfolgt ist, sondern stattdessen bei Fortbestand der Mehrheitsregelung nach Stimmrechten eine - bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages vom 13.4.2010 aus steuerrechtlichen Gründen gerade noch nicht gewollte - Kapitalaufstockung auf Seiten des Klägers zu 1) stattgefunden hat. Da der wirkliche Wille und der im Vertrag niedergelegte Wille der Gesellschafter damit in vollem Umfang übereinstimmen, liegt kein Anwendungsfall des Grundsatzes "falsa demonstratio non nocet" vor. Ein Rechtsgrundsatz dahingehend, dass Vertragserklärungen abweichend von ihrem Wortlaut und dem wirklichen Willen der Parteien so auszulegen sind, wie sie von den vertragschließenden Parteien bei sachgerechter Beratung vernünftigerweise hypothetisch abgegeben worden wären, ist dem deutschen Recht dagegen fremd.
149(4) Dem tatsächlichen Anliegen der Kläger, die Rechtsfolgen ihrer aus steuerrechtlichen Gründen gewollten Vereinbarungen nicht auf dem Gebiet des Sozialrechts eintreten lassen zu wollen, ist kein Erfolg beschieden. Es unterliegt nicht ihrer Disposition, die Wirkungen des Vertragsverhältnisses nach Maßgabe ihrer Individualnützlichkeit auf bestimmte Rechtsgebiete zu beschränken (BSG, Urteil v. 24.1.2007, B 12 KR 31/06 R; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 25.10.2013, L 1 KR 165/11, jeweils zitiert nach juris).
150cc) Die getroffenen Mehrheitsregelungen sind vor dem 27.7.2011 nicht abbedungen worden. Hierzu hätte es im Hinblick auf das in § 19 Ziff. 19.1 geregelte qualifizierte Schriftformerfordernis einer mindestens privatschriftlichen Vereinbarung bedurft, wofür nichts ersichtlich oder vorgetragen ist. Eine Änderung der Mehrheitserfordernisse ergab sich erst durch die Kapitalerhöhung gemäß dem Gesellschaftsvertrag vom 27.7.2011, wodurch - wie von der Beklagten zutreffend angenommen - nur mit Wirkung für die Zukunft auch die Rechtsmacht innerhalb der Gesellschafterversammlung geändert worden ist.
151dd) Gegen eine umfassende Handlungsfreiheit des Klägers zu 1) spricht weiter der bereits dargelegte Umstand, dass nur der Komplementär der Klägerin zu 2) ihr vertretungsberechtigtes Organ sein kann. Auch die Befreiung des Klägers zu 1) von den Beschränkungen des § 181 BGB ändert hieran nichts, zumal dies gerade bei kleineren Gesellschaften nicht unüblich ist und erst recht nicht zwingend für Selbständigkeit spricht (vgl. BSG, Urteil v. 29.8.2012, a.a.O., m.w.N.).
152ee) Soweit der Komplementär der Klägerin zu 2) auf ausdrückliches Befragen seines Bevollmächtigten erklärt hat, er habe das ihm zustehende Weisungsrecht gegenüber dem Kläger zu 1) weder hätte haben noch ausüben wollen, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Der Bevollmächtigte der Kläger verkennt insoweit die Bedeutung der vereinbarten rechtlichen Rahmenbedingungen. Die gesellschaftsvertraglichen Regelungen können nicht durch den Willen, nicht von ihnen Gebrauch machen zu wollen, stillschweigend abbedungen werden (BSG, Urteil v. 29.8.2012, a.a.O.). Erst recht gilt dies, wenn von rechtlich zustehenden Gesellschafterrechten aus Gründen familiärer Rücksichtnahme solange kein Gebrauch gemacht wird, wie das Einvernehmen der Familienmitglieder gewahrt bleibt. Im Falle eines - bei Beginn des Vertragsverhältnisses, auf den es entscheidend ankommt, nie auszuschließenden - familiären Zerwürfnisses käme allein die den einzelnen Familienmitgliedern zustehende Rechtsmacht zum Tragen, sodass auch nach den tatsächlich gelebten Verhältnissen eine Weisungsunterworfenheit bestünde. Eine solche "Schönwetter-Selbständigkeit" ist mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungsrechtlicher Tatbestände schwerlich hinnehmbar (BSG, Urteil v. 29.8.2012, a.a.O.).
153ff) Es ist schließlich weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Kläger zu 1) über alleinige Branchenkenntnisse verfügt hätte. Auch die Anhörung durch den Senat hat dieses nicht ergeben. Der Kläger zu 1) hat vielmehr die wesentlich größere Erfahrung seines Vaters bestätigt, die dieser auch noch in den Betrieb einbringt.
154c) Wesentliche für Selbständigkeit sprechende Kriterien sind ebenfalls nicht zu erkennen.
155aa) Der Kläger zu 1) besaß keine eigene Betriebsstätte und trug zudem kein wesentliches Unternehmerrisiko. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. z.B. BSG, Urteil v. 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R, USK 2008-45) ist maßgebliches Kriterium dafür, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Eine solche Ungewissheit ist nicht festzustellen.
156Der Kläger zu 1) bezog im Streitzeitraum ein monatliches Festgehalt (zusätzlich - arbeitnehmertypisch - vermögenswirksame Leistungen i.H.v. 320,00 Euro (2010) und 80,00 Euro (2011) ohne entsprechende vertragliche Vereinbarung) und haftete lediglich mit seiner Kapitaleinlage von 100,00 Euro. Die vereinbarte Gewinn-/Verlustbeteiligung im Verhältnis der festen Kapitalanteile (§ 11 Ziffer 11.1 Gesellschaftsvertrag - beide Fassungen -) stellt kein relevantes Unternehmerrisiko dar, da sie nicht mit einer Steigerung der unternehmerischen Chancen verbunden ist. Es bestand unabhängig vom Unternehmenserfolg der Anspruch auf eine feste Vergütung von 5.000,00 Euro monatlich, sodass der Kläger zu 1) seine Arbeitskraft nicht mit unsicherer Aussicht einzusetzen brauchte.
157Der Kläger zu 1) hatte Anspruch auf Vergütung ohne Leistung in Urlaubszeiten, auch wenn diese nicht genauer festgelegt worden sind. Dass eine Regelung über die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall fehlt, kann nur als schwaches Indiz für eine abweichende Risikoverteilung und somit gewollte Selbständigkeit angesehen werden.
158Eine erfolgsbezogene Vergütung (z. B. in Form einer Tantieme oder Provision) ist im Vertrag vom 1.4.2010 weder vereinbart noch von der Klägerin zu 1) ausgeschüttet worden.
159Dass die Vergütung ab 2010 als Entnahme und nicht als Aufwand gebucht und hierauf keine Lohnsteuer abgeführt worden ist, fällt schließlich nicht wesentlich ins Gewicht.
160bb) Etwaigen unternehmerischen Risiken standen zudem keine erweiterten Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft gegenüber. Der Kläger zu 1) durfte nicht für andere Auftraggeber tätig werden. § 10 des Vertrages vom 1.4.2010 weist zwar in der Überschrift den Begriff "Nebentätigkeit" auf, schließt eine solche nach dem Wortlaut jedoch aus, da der Kläger zu 1) danach der Klägerin zu 2) seine gesamte Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen hat. Damit korrespondieren seine Angaben im Feststellungsbogen, wonach er seiner Arbeit an sechs Tagen pro Woche im Umfang von 60 Stunden nachgehe. Abgesehen davon konnte er seine Tätigkeit und Zeit nur in dem betrieblich vorgegebenen Rahmen frei gestalten.
161d) Weitere in die Gesamtabwägung einzustellende Gesichtspunkte sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Es spricht überwiegendes dafür, dass der Kläger zu 1) mit einem beherrschenden Gesellschafter kraft tatsächlicher faktischer oder wirtschaftlicher Einflussmöglichkeit nicht verglichen werden kann.
162e) Die Voraussetzungen für eine Versicherungsfreiheit in der Kranken- und Pflegeversicherung - Überschreiten der jeweils maßgeblichen Jahresarbeitsentgeltgrenze - sind für den diesbezüglich nur noch streitigen Zeitraum nicht erfüllt (§ 6 Abs. 1 Nr. 1, 6 SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB XI). Auf die zutreffenden Ausführungen des SG wird Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG).
163f) Die Beklagte hat auch zu Recht die Versicherungspflicht ab dem 1.5.2010 festgestellt, da die Voraussetzungen für einen späteren Beginn gemäß § 7a Abs. 6 SGB IV nicht vorliegen. Die Antragstellung gemäß § 7a Abs. 1 SGB IV ist bereits nicht innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit erfolgt.
164Bei dem Klageverfahren handelt es sich im Hinblick auf die Beteiligung des kostenprivilegierten Klägers zu 1) um ein insgesamt nach den §§ 183, 193 SGG kostenprivilegiertes Verfahren.
165Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 10.09.2013 wird zurückgewiesen. Von den Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen trägt die Klägerin 45 % und die Beklagten 55 % mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten selbst tragen. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 201.112,73 Euro festgesetzt.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Betriebsprüfungsverfahrens nach § 28p Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) noch darüber, ob die Klägerin für die Beigeladene zu 1) aufgrund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung für die Zeit vom 1.12.2004 bis zum 31.12.2008 einschließlich von Säumniszuschlägen nachzuzahlen hat.
3Einer der Geschäftsführer der Klägerin, Herr S Q, und sein Bruder, der Zeuge Herr G Q, sind ausgebildete Einzelhandelskaufleute. Sie waren ursprünglich alleinige Gesellschafter der Firma N Gebrüder Q oHG, D. Für diese Gesellschaft wurde im Jahr 1998 die Eröffnung eines Konkursverfahrens beantragt.
4Am 2.9.1998 gründete der Neffe der Brüder Q, Herr M Q, als Alleingesellschafter die anfänglich noch unter dem Namen N Q GmbH firmierende Klägerin mit einem Stammkapital von 50.000 DM und Sitz in D (AG D, HRB 000, später: AG E, HRB 001, jetzt: AG Q, HB 002). In dem Gesellschaftsvertrag vom 2.9.1998 heißt es auszugsweise wörtlich:
5"2.0 Gegenstand des Unternehmens, Beherrschung- und Gewinnabführung
62.1 Gegenstand des Unternehmens ist die Produktion und der Transport von und der Handel mit Dreh- und Frästeilen. ( ...)
75.0 Geschäftsführung, Vertretung
85.1 Die Gesellschaft hat einen oder mehrere Geschäftsführer; bei nur einem Geschäftsführer wird die Gesellschaft durch diesen allein, bei mehreren Geschäftsführern durch zwei Geschäftsführer gemeinschaftlich oder einen Geschäftsführer in Gemeinschaft mit einem Prokuristen vertreten. Die Gesellschafterversammlung kann auch bei Vorhandensein mehrerer Geschäftsführer allen oder einzelnen von ihnen Alleinvertretungsbefugnis erteilen.
95.2 Zuständig für die Bestellung und Einstellung eines Geschäftsführers ist die Gesellschafterversammlung.
105.3 Die Geschäftsführungsbefugnis aller Geschäftsführer erstreckt sich nur auf Handlungen, die der gewöhnliche Geschäftsverkehr mit sich bringt; für alle darüber hinausgehenden Geschäfte ist ein Gesellschafterbeschluss erforderlich.
115.4 Alle Rechte und Pflichten der Geschäftsführer ergeben sich aus dem Gesetz, dem Geschäftsführervertrag und den von der Gesellschafterversammlung gegebenen Anweisungen.
125.5 Alle Geschäftsführer sind von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. ( ...)
136.0 Gesellschafterversammlung ( ...)
146.9 Der Gesellschafterversammlung obliegt insbesondere die Zustimmung zur Gesellschafter-Geschäftsführer-Anstellungsverträgen sowie der Änderung der Gesellschafter-Geschäftsführer-Anstellungsverträge. ( ...)
157.0 Gesellschafterbeschlüsse, Wettbewerbsverbot ( ...)
167.2 Gesellschaftsbeschlüsse werden mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst, soweit nicht die Satzung oder das Gesetz eine andere Mehrheit vorschreibt. ( ...)
177.4 Über die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern beschließt die Gesellschafterversammlung mit 3/4 Mehrheit. ( ...)
187.6 Abgestimmt wird nach Geschäftsanteilen. Je 100,- DM eines Geschäftsanteils gewähren eine Stimme. ( ...)
1919.0 Schlussbestimmungen
2019.1 Alle das Gesellschaftsverhältnis betreffenden Vereinbarungen der Gesellschafter untereinander und mit der Gesellschaft müssen schriftlich erfolgen, soweit nicht das Gesetz eine notarielle Beurkundung vorschreibt. Auch der Verzicht auf eine Schriftform bedarf der Schriftform. Mündliche Vereinbarungen sind nichtig. ( ...)"
21Durch Gesellschafterbeschluss ebenfalls vom 2.9.1998 wurden zunächst S und G Q zu Geschäftsführern der Klägerin bestellt. Diese sowie M Q betreiben zudem in Polen seit 1997 ein weiteres, metallverarbeitendes Unternehmen.
22Durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 4.3.2003 wurden sodann der Gesellschaftssitz der Klägerin (E), die Firma (n-GmbH) und der Gegenstand des Unternehmens (Beratung von Unternehmen bei der Entwicklung und Qualitätssicherung von Produkten sowie der Handel mit Werkzeugen aller Art) geändert, das Stammkapital nach Euro-Umstellung (um 435,41 Euro) auf insgesamt 26.000,00 Euro erhöht und der Zeuge G Q als Geschäftsführer abberufen.
23Die am 21.8.1970 geborene Beigeladene zu 1) war zunächst dabei als Verwaltungsleiterin bei der Klägerin angestellt und bei der Beigeladenen zu 4) krankenversichert. Am 7.10.2004 schloss sie mit der Klägerin einen Geschäftsführervertrag, in dem es wörtlich u.a. wie folgt heißt:
24"§ 1 (1) Die Geschäftsführerin führt selbständig, verantwortlich und mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns die Geschäfte der Gesellschaft im Rahmen von Satzung und Recht nach Maßgabe der Beschlüsse der Gesellschafter und der geschlossenen Verträge. ( ...)
25§ 2 Die Gesellschaft ist berechtigt, der Geschäftsführerin weitere oder andere Aufgaben im Unternehmensbereich zuzuweisen, wenn diese Aufgaben nicht wesentlich vom bisherigen Tätigkeitsbild der Geschäftsführerin abweichen und die Übernahme solcher Funktionen unter den Bedingungen dieses Vertrages zumutbar ist.
26§ 3 Die Geschäftsführerin beteiligt sich während der Dauer des Dienstvertrages nicht an einem Unternehmen, das mit der Gesellschaft in Konkurrenz steht oder in wesentlichem Umfang Geschäftsbeziehungen mit der Gesellschaft unterhält.
27§ 4 (1) Die Geschäftsführerin verpflichtet sich, ihre Arbeitskraft für die Gesellschaft einzusetzen. (2) Die Übernahme anderweitiger entgeltlicher oder unentgeltlicher Tätigkeiten, die regelmäßig auszuüben sind oder für die gelegentlich nicht ganz unerheblicher Zeiteinsatz erforderlich ist, ist ihr nur mit Zustimmung gestattet. (3) Die Geschäftsführerin ist nicht an Dienstzeiten gebunden. Sie richtet ihre Arbeitszeit nach persönlichen und den Belangen der Firma aus.
28§ 5 Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis und der Zeichnungsberechtigung der Geschäftsführerin ergeben sich aus den Gesellschafterbeschlüssen in Verbindung mit der Satzung der Gesellschaft.
29§ 6 Die Geschäftsführerin unterrichtet den oder die Gesellschafter zeitnah, umfassend und kontinuierlich oder auf Ersuchen über Geschäftsverlauf, Planung und einzelne Vorgänge von besonderem Interesse.
30§ 7 (1) Innerhalb des genehmigten Finanzplans und ohne Änderung ihres grundsätzlichen Rahmens entscheidet die Geschäftsführerin frei. (2) Erfolgen Entscheidungen der Gesellschafter aus irgendwelchen Gründen nicht, nicht rechtzeitig oder ist Gefahr im Verzuge, so entscheidet die Geschäftsführerin nach den Grundsätzen eines ordentlichen Kaufmanns unter Berücksichtigung der Interessen der Gesellschafter.
31§ 8 Die Geschäftsführerin hat - unbeschadet weitergehender Bestimmungen des Gesellschaftervertrages - für folgende Geschäfte die vorherige Zustimmung der Gesellschafter einzuholen: a) die Bestellung von Prokuristen und den Widerruf von Prokuren; b) die Zustimmung zum Abschluss oder zur Änderung von Anstellungsverträgen, wenn sie ein Jahresgehalt von mehr als 10.000,00 Euro brutto einschließlich der üblichen Nebenleistungen beinhalten; Abmachungen über eine Gewinn- oder Umsatzbeteiligung; c) den Erwerb, die Veräußerung oder die Belastung von Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten; d) den Erwerb und die Veräußerung von Beteiligungen und sonstige Verfügungen darüber; e) den Erwerb oder die Veräußerung von Gegenständen des Anlagevermögens, wenn der Wert des einzelnen Geschäftsvorfalles 10.000,00 Euro übersteigt; f) den Abschluss oder die Änderung von Dauerschuldverhältnissen, wie z.B. Lizenz-, Knowhow-, Beratungs-, Management-, oder Mietverträgen, wenn die der Gesellschaft daraus erwachsende Belastung 1.000,00 Euro pro Monat oder 12.000,00 Euro pro Jahr übersteigt; g) die Erklärung von Bürgschaften, Garantieerklärungen oder Einzelfall 5.000,00 Euro übersteigen; h) die Ausstellung und Annahme von Wechseln sowie Aufnahme von kurzfristigen Krediten, wenn diese das jährlich zu genehmigende kurzfristige Kreditlimit übersteigen; die Aufnahme von langfristigen Krediten, wie Hypotheken und Maschinenkredite; i) Rechtsgeschäfte zwischen der Gesellschaft und - einem Gesellschafter oder - der Geschäftsführerin oder - einer anderen Gesellschaft, die die Geschäftsführerin ebenfalls vertritt.
32Die Geschäftsführerin wird generell von den Vorschriften des § 181 BGB befreit.
33§ 9 (1) Die Geschäftsführerin erhält für ihre Tätigkeit ein monatliches Gehalt von 3.748,81 Euro brutto. (2) Die Geschäftsführerin erhält eine Gewinntantieme in Höhe von 10 %, berechnet nach den in Abs. 3 niedergelegten Grundsätzen. Die Gewinntantieme ist mit Feststellung des Jahresabschlusses durch die Gesellschafterversammlung fällig. Dies gilt auch dann, wenn ein wirksamer Feststellungsbeschluss nicht zustande kommt. Die Tantieme ist hiernach innerhalb der nächsten 3 Monate zu zahlen. (3) Für die Berechnung der Tantieme ist der körperschaftssteuerpflichtige Gewinn, der sich vor Abzug der Tantieme für den (oder die) Geschäftsführer und nach Verrechnung mit Verlustvorträgen ergibt, zugrunde zu legen. Gewinnabhängige Rückstellungen sowie steuerliche Sonderabschreibungen oder andere steuerliche Vergünstigungen, die den Gewinn unmittelbar beeinflussen, mindern die Bemessungsgrundlage. Eine nachträgliche Erhöhung oder Verminderung des körperschaftssteuerpflichtigen Gewinns durch das Finanzamt ändert die Bemessungsgrundlage nicht. (4) Im Krankheitsfalle erhält die Geschäftsführerin ihren Lohn bis zur Dauer von 6 Wochen gezahlt. (5) Die Zahlungen von Urlaubs- und Weihnachtsgeld richtet sich nach den Gepflogenheiten des im Betrieb üblichen. Wie es auch bei einem fremden Dritten üblich ist. (6) Die Gesellschaft schließt für die Geschäftsführerin nach dessen Wahl eine Unfall-, Berufsunfähigkeits- oder Lebensversicherung (Direktversicherung) ab. (7) Die Geschäftsführerin erhält zusätzlich einen Arbeitgeberanteil in Höhe von 26,59 Euro zu den vermögenswirksamen Leistungen, wenn ein entsprechender Vertrag vorliegt. (8) Die Geschäftsführerin erhält vorerst kein Firmenfahrzeug. Sollten betriebliche Fahrten mit dem privaten PKW erfolgen, so werden diese mit 0,30 Euro je gefahrenen Kilometer und gemäß prüfbarer Aufzeichnungen, vergütet. Sollte ein Betriebs-PKW notwendig werden, so wird dies durch Gesellschafterbeschluss geregelt. ( ...)
34§ 10 (1) Der Geschäftsführerin werden die von ihr bei dienstlichen Reisen und für Repräsentationszwecke im Interesse der Gesellschaft gemachten tatsächlichen Aufwendungen ersetzt. ( ...) (2) Dienstreisen in das Ausland wird die Geschäftsführerin nur im Einvernehmen mit den Gesellschaftern unternehmen. (3) Zum Zwecke der Begleichung von Spesen und Ausgaben, die die Gesellschaft betreffen, einschließlich der Bewirtung von Geschäftsfreunden und Kunden, erhält die Geschäftsführerin die widerrufliche Befugnis, eine Kreditkarte zu benutzen.
35§ 11 Die Geschäftsführerin spricht ihre Urlaubs- und Abwesenheitstage rechtzeitig mit einem Gesellschafter ab. Die Urlaubstage sollen 30 Arbeitstage im Jahr nicht überschreiten und werden als Lohn weitergezahlt.
36§ 12 (1) Dieser Vertrag ist nicht befristet und besteht weiter, wenn er nicht drei Monate vor Vertragsende schriftlich gekündigt wird. Die Kündigung durch die Geschäftsführerin ist gegenüber einem Gesellschafter zu erklären. (2) Die Bestellung der Geschäftsführerin kann durch Beschluss der Gesellschafterversammlung jederzeit widerrufen werden, unbeschadet ihrer Ansprüche nach diesem Vertrag. Der Widerruf gilt als Kündigung des Dienstvertrages zum nächstzulässigen Zeitpunkt.
37§ 13 (1) Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen nicht der Schriftform. (2) Für den Fall, dass einzelne Bestimmungen dieses Vertrages unwirksam sein sollten, bleiben die übrigen Bestimmungen bestehen. Die unwirksame Bestimmung ist durch eine wirksame zu ersetzen, die dem ursprünglich gewollten Sinn am nächsten kommt."
38Eine organschaftliche Bestellung der Beigeladenen zu 1) zur Geschäftsführerin erfolgte zunächst nicht.
39Auf einem als "Gesellschafterversammlung" bezeichneten Treffen des damaligen Alleingesellschafters M Q mit der Beigeladenen zu 1) und den Brüdern Q wurde in einer von allen unterschriebenen Niederschrift vom 16.10.2004 unter der Überschrift "Beschlüsse" folgender Text aufgenommen:
40"Alle bisher getroffenen Beschlüsse hinsichtlich der Vertretung der Gesellschaft werden hiermit aufgehoben. Die Geschäftsführer Herr S Q und Frau E T vertreten die Gesellschaft neben Herrn G Q jeder für sich uneingeschränkt. Frau E T, Herr S Q und Herr G Q erhalten je 1 Stimme. Das Stimmenverhältnis lautet 1 - 1 - 1. Die betriebliche Situation erfordert diese Entscheidung."
41Nach Verlobung des Geschäftsführers S Q mit der Beigeladenen zu 1) wurde dieser durch den Alleingesellschafter M Q mit notariell beurkundetem Abtretungsvertrag vom 10.11.2004 ein Teilgeschäftsanteil in Höhe von 8.100,00 Euro zum Nennwert übertragen.
42Am 27.2.2007 schloss der nunmehrige Mehrheitsgesellschafter, M Q, mit der Gesellschaft einen Geschäftsführer-Anstellungsvertrag ab dem 1.4.2007.
43Durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 4.4.2008 wurde die Beigeladene zu 1) zur alleinvertretungsberechtigten und von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreiten Geschäftsführerin bestellt.
44In der Zeit vom 16.11.2009 bis zum 29.3.2010 führte die Beklagte bei der Klägerin eine Betriebsprüfung betreffend den Prüfzeitraum vom 1.12.2004 bis zum 31.12.2008 durch.
45Nach Anhörung der Klägerin mit Schreiben vom 2.8.2010 forderte die Beklagte mit Bescheid vom 14.10.2010 Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 201.112,73 Euro einschließlich Säumniszuschläge in Höhe von 57.644,00 Euro für den Zeitraum vom 1.12.2004 bis zum 31.12.2008 nach. Zur Begründung führte sie aus, die Beigeladene zu 1) und die Brüder Q seien jeweils im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses für die Klägerin tätig gewesen und unterlägen daher der Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung. Die Beigeladene zu 1) halte nur ca. 31 % der Gesellschaftsanteile. Die Gesellschafterversammlung könne ihr weitere oder andere Aufgaben zuweisen. Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis und der Zeichnungsberechtigung ergäben sich aus den Gesellschafterbeschlüssen in Verbindung mit der Satzung der Gesellschaft. Lediglich innerhalb des genehmigten Finanzplans und ohne Änderung des grundsätzlichen Rahmens entscheide die Beigeladene zu 1) frei. Für bestimmte Geschäfte sei die vorherige Zustimmung der Gesellschafter einzuholen. Die Bestellung als Geschäftsführerin könne durch Beschluss der Gesellschafterversammlung jederzeit widerrufen werden. Auch Arbeitnehmer könnten im Rahmen des Dienstverhältnisses ein hohes Maß an eigener Verantwortlichkeit und Entscheidungsfreiheit tragen. Der Arbeitgeber setze jedoch den äußeren Rahmen, innerhalb dessen der Beschäftigte tätig sei. Die Beigeladene zu 1) sei daher weisungsgebunden. Angesichts der Zahlung fester Bezüge in Höhe von 3.748,81 Euro monatlich trage die Beigeladene zu 1) kein eine selbständige Tätigkeit kennzeichnendes Unternehmerrisiko. Zwar sei sie aufgrund der vom Geschäftserfolg abhängigen Tantiemenzahlung in Höhe von 10 % indirekt am Gewinn der Gesellschaft beteiligt. Eine Kürzung bzw. den Wegfall der Bezüge bei schlechter Geschäftslage müsse sie jedoch nicht befürchten. Obwohl hinsichtlich der Arbeitszeit, des Arbeitsortes und der Ausübung der Geschäftsführung der Beigeladenen zu 1) weitgehende Gestaltungsfreiheit belassen werde, bleibe sie in ihrer Arbeitsleistung fremdbestimmt, da sie sich in eine vom Mehrheitsgesellschafter vorgegebene Ordnung eingliedere. Die Weisungsgebundenheit verfeinere sich, wie bei Diensten höherer Art üblich, zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess. Aus den genannten Gründen stehe die Beigeladene zu 1) daher in der ausgeübten Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführerin in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur Klägerin. Da die Beigeladene zu 1) daneben selbständige Tätigkeiten nicht ausübe, bestehe Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung. Unter Berücksichtigung des Verjährungszeitraums seien daher u.a. für sie Beiträge zu diesen Sozialversicherungszweigen sowie die Beiträge zur Umlage 1 und Umlage 2 für die Zeit vom 1.12.2004 bis zum 31.12.2008 nachzuberechnen. Außerdem habe die Klägerin die Nichtabführung der Sozialversicherungsbeiträge billigend in Kauf genommen, sodass Säumniszuschläge zu berechnen seien. Die Klägerin habe es unterlassen, die Beschäftigungen von einer Einzugsstelle oder der Clearingstelle der Beklagten versicherungsrechtlich beurteilen zu lassen. Im Übrigen wird auf die Begründung des Bescheides Bezug genommen.
46Am 21.10.2010 legte die Klägerin Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, die Beigeladene zu 1) und die Brüder Q seien nicht als abhängig Beschäftigte anzusehen. Die Beigeladene zu 1) sei im Streitzeitraum alleinvertretungsberechtigt und von dem Selbstkontrahierungsverbot des § 181 BGB befreit gewesen. Die Regelungen des Geschäftsführervertrages hinsichtlich der Zuweisung weiterer Aufgaben, der Vertretungs- und Zeichnungsbefugnis, der Bindung an den genehmigten Finanzplan und die Möglichkeit des jederzeitigen Widerrufs der Bestellung als Geschäftsführerin seien nicht mehr bindend gewesen und ausgehebelt worden. Sie habe die Geschäfte zusammen mit ihrem Verlobten, S Q, selbständig geführt. Jeder für sich habe das Unternehmen selbständig steuern können. Außerdem habe sie eine Sperrminorität inne gehabt. Sie habe keine Vorgaben zur Arbeitszeit erhalten und weder ihren Urlaub noch die Einstellung oder Entlassung von Mitarbeitern abstimmen müssen. Etwaige Beiträge für die Jahre bis einschließlich 2005 seien im Übrigen verjährt.
47Mit Schreiben vom 28.12.2010 setzte die Beklagte auf Antrag der Klägerin die Vollziehung der Beitragsforderung aus, soweit sie die Beigeladene zu 1) betraf.
48Durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 7.11.2011 wurden erneut die Firma der Klägerin (nunmehr: n Verwaltungs GmbH) und ihr Unternehmensgegenstand (Beteiligung an und die Geschäftsführung der n GmbH & Co. KG, deren Unternehmensgegenstand die Entwicklung und Qualitätssicherung von Produkten sowie der Handel mit Werkzeugen aller Art ist) geändert. Zudem wurde M Q zum weiteren Geschäftsführer bestellt. Am selben Tage übertrug dieser an S Q Geschäftsanteile im Wert von 12.900,00 Euro.
49Mit Widerspruchsbescheid vom 11.4.2012 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Sie führte aus, dass in allen drei Fällen von abhängigen Beschäftigungen auszugehen sei. Insbesondere seien Sperrminoritäten nicht erkennbar. Der angefochtene Bescheid entspreche daher der Sach- und Rechtslage und sei nicht zu beanstanden. Was die Frage der Verjährung angehe, so sei diese für die Dauer der Prüfung beim Arbeitgeber gehemmt. Die Prüfung habe am 16.11.2009 begonnen, jedoch nicht, wie im Bescheid angegeben, am 29.3.2010 geendet, sondern mindestens bis zum 5.6.2010 gedauert. Denn an diesem Tag sei noch ein Schreiben des Steuerberaters der Klägerin vom 19.5.2010 mit Angaben zum Sachverhalt eingegangen. Insofern sei mit Bescheiderteilung am 14.10.2010 die in § 25 Abs. 2 SGB IV genannte Frist von sechs Kalendermonaten noch nicht verstrichen gewesen.
50Die Klägerin hat am 7.5.2012 Klage zum Sozialgericht (SG) Detmold erhoben. Zur Begründung hat sie u.a. ausgeführt, allein aus haftungsrechtlichen Gründen habe M Q nach dem Konkurs der von den Brüdern Q gehaltenen N Gebrüder Q oHG die Klägerin gegründet. Ausschließlich die vormaligen Gesellschafter der oHG hätten die Branchenkenntnisse, technischen Kenntnisse und Kontakte besessen, um das Unternehmen zu führen, mit der Folge, dass die wirtschaftliche Entwicklung der Gesellschaft ausschließlich von ihnen abhängig gewesen sei. S Q sei alleinverantwortlich zuständig für den technischen Bereich, insbesondere Qualitätswesen, Kundenbetreuung und technische Ausarbeitung für die Durchführung von Bearbeitungskonzepten gewesen. Die Beigeladene zu 1) sei für den kaufmännischen Bereich zuständig gewesen. Sie habe insbesondere die Bereiche Auftragsbearbeitung, Rechnungswesen und Personalwesen bearbeitet. Nach den tatsächlichen Verhältnissen sei jeder für seinen Bereich eigenverantwortlich und selbständig tätig gewesen und habe entsprechende Entscheidungen alleine und ohne Rücksprache treffen können. Zudem hätten die familiären Verhältnisse dazu geführt, dass die Geschäftsführertätigkeit überwiegend durch familienhafte Rücksichtnahme geprägt worden sei. Weisungen durch die Gesellschafterversammlung erfolgten nicht und seien auch nicht vorstellbar gewesen. Die Beigeladene zu 1) und die Brüder Q hätten insgesamt keinerlei Weisungen anderer Personen unterlegen. Auch sei die Zahlung eines festen Monatsgehaltes nicht unbedingt arbeitnehmertypisch. Die Vereinbarung von Geschäftsführergehältern sei ein klassisches Gestaltungsinstrument zur Verringerung der Steuerlast. Für eine selbständige Tätigkeit spreche jedoch gerade, dass im Hinblick auf die familiäre Verknüpfung alle Beteiligten wirtschaftlich abhängig von dem erwirtschafteten Unternehmensergebnis gewesen seien.
51Die Klägerin hat beantragt,
52den Bescheid der Beklagten vom 14.10.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.4.2012 aufzuheben.
53Die Beklagte hat beantragt,
54die Klage abzuweisen.
55Sie hat auf den Inhalt ihres Bescheides und Widerspruchsbescheides Bezug nehmend ergänzend u.a. ausgeführt, auch die Beigeladene zu 1) habe die Geschäfte der Klägerin nicht wie eine Alleininhaberin führen können. Sie sei zwar nach außen alleinvertretungsberechtigt und vom Selbstkontrahierungsverbot befreit, aber im Innenverhältnis an die Entscheidungen der Gesellschaft gebunden gewesen. Ihr Handeln habe daher selbst bei Belassen größter Freiheiten der Überwachung durch die Gesellschaft unterlegen. Dies gelte auch dann, wenn von der Überwachungsbefugnis regelmäßig kein Gebrauch gemacht worden sei. Da aufgrund des Kapitalanteils von 31 % ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nicht von vornherein ausgeschlossen sei, sei das Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse maßgebend. Hier spreche insbesondere die Festlegung von arbeitsrechtlichen Ansprüchen wie das Recht auf ein monatliches Gehalt, bezahlten Urlaub und auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung.
56In einer Neufassung des Gesellschaftsvertrages vom 7.11.2012 ist unter Ziffer 7.2 ein Einstimmigkeitserfordernis für alle Gesellschafterbeschlüsse und unter Ziffer 7.3 explizit ein solches für die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern verankert worden.
57Das SG hat mit Beschluss vom 5.6.2013 die Herren S und G Q und die jetzigen Beigeladenen zu 1) bis 3) beigeladen. Diese haben keinen Antrag gestellt und auf eine Stellungnahme verzichtet.
58Das SG hat die Klage durch Urteil vom 10.9.2013 abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
59Gegen das ihrem damaligen Bevollmächtigten am 17.9.2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 30.9.2013 Berufung eingelegt. Sie trägt zur Begründung insbesondere vor, dass sich das SG mit den Gründen ihrer Errichtung und der Herkunft der eingesetzten Finanzmittel hätte beschäftigen müssen. Auch sei der Mehrheitsgesellschafter M Q seit 1998 trotz seiner Bestellung zum Geschäftsführer nicht für sie tätig geworden. Er habe schon damals ein eigenes Unternehmen betrieben. Ihr, der Klägerin, Stammkapital sei ihm von den Brüdern Q, die dieses wiederum "aus Familienkreisen" erhalten hätten, zur Verfügung gestellt worden. Es sei zwischen Onkel und Neffen vereinbart gewesen, dass er ausschließlich seinen Namen für das Unternehmen hergeben solle, die tatsächliche Geschäftsführung jedoch durch seine Onkel wahrgenommen werde. Zudem sei vereinbart worden, dass diese ihn von allen Verpflichtungen einschließlich von Schulden der Gesellschaft freistellen würden. In rechtlicher Hinsicht habe das SG zwar zutreffend auf die sog. "Schönwetter-Rechtsprechung" des Bundessozialgerichts (BSG) hingewiesen. Es habe jedoch verkannt, dass das ursprünglich bestehende Weisungsrecht des Allein- und späteren Mehrheitsgesellschafters M Q wirksam abbedungen worden sei. Abzustellen sei auf die Stimmrechts- und nicht auf die Kapitalanteile. Das SG habe zudem die wirksam getroffene Stimmbindungsvereinbarung nicht gewürdigt. Im vorliegenden Fall verfüge jeder Gesellschafter-Geschäftsführer über die Rechtsmacht, ihm unliebsame Weisungen der Gesellschafterversammlung zu verhindern.
60Die Klägerin beantragt,
61das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 10.9.2013 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 14.10.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.4.2012 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 29.12.2014 aufzuheben.
62Die Beklagte beantragt,
63die Berufung zurückzuweisen.
64Sie verteidigt das - aus ihrer Sicht zutreffende - erstinstanzliche Urteil. Ergänzend trägt sie vor: In dem seit Jahren laufenden Rechtsstreit sei nun erstmals eine Stimmbindungsvereinbarung behauptet worden, was Zweifel an ihrer Rechtswirksamkeit begründe.
65Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 10.12.2014 hat der Senat den Geschäftsführer der Klägerin, S Q, und die Beigeladene zu 1) angehört. Die Beklagte hat den angefochtenen Bescheid hinsichtlich der gesamten Beitragsforderungen einschließlich der Säumniszuschläge betreffend die Brüder Q sowie hinsichtlich der Beitragsforderung bezogen auf die Kranken- und Pflegeversicherung betreffend die Beigeladene zu 1) einschließlich der insoweit festgesetzten Säumniszuschläge aufgehoben. Die Klägerin hat diese Teilanerkenntnisse "angenommen". Im Übrigen wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Im Nachgang hat die Beklagte das Teilanerkenntnis durch Bescheid vom 29.12.2014 vollzogen. Darin hat sie die Nachforderung auf insgesamt 89.899,37 Euro inkl. Säumniszuschlägen in Höhe von 25.724,00 Euro begrenzt.
66Durch Beschluss vom 12.12.2014 sind die Brüder Q und die AOK Nordwest - Pflegekasse - aus der Beiladung entlassen und die Beigeladene zu 4) zum Verfahren beigeladen worden. Die Beigeladenen zu 1) bis 4) haben keine Anträge gestellt.
67Im weiteren Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 4.3.2015 hat der Senat die Geschäftsführer der Klägerin, S und M Q sowie die Beigeladene zu 1) angehört und Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen N T1, des Steuerberaters der Klägerin, sowie des Zeugen G Q. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
68Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
69Entscheidungsgründe:
70Der Senat hat in Abwesenheit der Beigeladenen zu 2) bis 4) verhandeln und entscheiden können, da er sie mit den ordnungsgemäßen Terminsnachrichten auf diese Möglichkeit hingewiesen hat.
71Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Detmold vom 10.9.2013 ist zunächst zulässig. Sie ist insbesondere gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft sowie form- und fristgerecht erhoben worden, §§ 151 Abs. 1, 64 Abs. 2, 3 SGG. Die vollständige Entscheidung ist dem Klägerbevollmächtigten am 17.9.2013 zugestellt worden. Die Berufungsschrift ist bei dem erkennenden Gericht am 30.9.2013 eingegangen.
72Die Berufung ist jedoch nach Annahme des Teilanerkenntnisses der Beklagten durch die Klägerin und dessen Vollzug durch den Bescheid vom 29.12.2014 unbegründet. Denn der nunmehr noch streitgegenständliche Bescheid vom 14.10.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.4.2012 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 29.12.2014, der nach §§ 153, 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden ist, verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten nach § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, da er sich als rechtmäßig erweist. Vor diesem Hintergrund hat das SG zu Recht die erhobene Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 1. Alt. SGG als zulässig, aber unbegründet erachtet.
73Ermächtigungsgrundlage für den angefochtenen Bescheid ist § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV. Danach erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung bei den Arbeitgebern Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung.
74Nach § 28e Abs. 1 SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag für die bei ihm Beschäftigten, d.h. die für einen versicherungspflichtigen Beschäftigten zu zahlenden Beiträge zur Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung (§ 28d Sätze 1 und 2 SGB IV), zu entrichten. Der Versicherungspflicht in der - vorliegend noch streitigen - Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliegen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind (§ 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch [SGB VI], § 25 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch [SGB III]). Die Pflicht zur Zahlung der Umlagen U1 und U2 folgt aus § 7 Abs. 1, 2 Satz 1 Gesetz über den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung (AAG).
75Die Klägerin war im streitgegenständlichen Zeitraum Arbeitgeberin der Beigeladenen zu 1) und als solche zur Abführung des (teilweisen) Gesamtsozialversicherungsbetrages verpflichtet. Als Arbeitgeber im sozialversicherungsrechtlichen Sinne ist regelmäßig derjenige anzusehen, zu dem ein anderer - der Beschäftigte - in einem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis steht (BSG, Urteil v. 27.7.2011, B 12 KR 10/09 R, SozR 4-2400 § 28e Nr. 4). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer solchen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV.
76Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil v. 30.12.2013, B 12 KR 17/11 R, juris; Urteil v. 30.4.2013, B 12 KR 19/11 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 21; Urteil v. 29.8.2012, B 12 KR 25/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 17; Urteil v. 25.4.2012, B 12 KR 24/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 15; BSG, Urteil v. 11.3.2009, B 12 KR 21/07 R, USK 2009-25; BSG, Urteil v. 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 20; jeweils m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung: BVerfG, Beschluss v. 20.5.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr. 11).
77Bei der Feststellung des Gesamtbilds kommt dabei den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zu (vgl. BSG, Urteil v. 29.8.2012, a.a.O., juris; ebenso Urteil v. 25.1.2006, B 12 KR 30/04 R, USK 2006-8; Urteil v. 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R, Die Beiträge, Beilage 2008, 333, 341 f.): Nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen sind die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urteil v. 28.9.2011, a.a.O., juris; Senat, Urteil v. 29.6.2011, L 8 (16) R 55/08; Senat, Urteil v. 24.9.2014, L 8 R 1104/13; Senat, Urteil v. 23.4.2014, L 8 R 376/12, jeweils juris).
78Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze steht zur Überzeugung des Senats und unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls sowohl in vertraglicher als auch in tatsächlicher Hinsicht fest, dass die Beigeladene zu 1) im streitigen Zeitraum bei der Klägerin im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses tätig gewesen ist, da die für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Umstände in der Gesamtabwägung überwiegen.
79Dabei ist zunächst unerheblich, dass die Beigeladene zu 1) ab dem 10.11.2004 Gesellschafterin der Klägerin und ab dem 4.4.2008 durch entsprechenden Gesellschafterbeschluss nicht mehr wie bis zu diesem Zeitpunkt lediglich auf dienstvertraglicher Grundlage als Geschäftsführerin tätig war, sondern nunmehr auch die entsprechende organschaftliche Stellung innehatte.
80Denn die vorgenannten Grundsätze sind auch bei Organen juristischer Personen anzuwenden (statt vieler: BSG, Urteil v. 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 20). Der Geschäftsführer einer GmbH ist weder wegen seiner Organstellung noch deshalb von einer abhängigen Beschäftigung ausgeschlossen, weil er in der Regel im Alltagsgeschäft keinen Einzelweisungen Dritter bezüglich Zeit, Art, Dauer und Ort der Beschäftigung unterliegt, noch weil er gegenüber Arbeitnehmern der GmbH Arbeitgeberfunktionen ausübt. Es fällt gleichfalls nicht ins Gewicht, dass er gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) nicht als Arbeitnehmer gilt. Denn der Gesetzgeber hat gerade nur in besonderen Ausnahmefällen derartige Personen vom Kreis der Beschäftigten bzw. der Versicherungspflichtigen ausgenommen, so nämlich z.B. Vorstände von Aktiengesellschaften nach § 1 Satz 4 SGB VI, § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III (zu stellvertretenden Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften und Vorstandsmitglieder großer Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit: § 94 AktG und § 34 des Gesetzes über die Beaufsichtigung von Versicherungsunternehmen BSG, Urteil v. 27.3.1980, 12 RAr 1/79, BB 1980, 1473). Dieser Vorschriften bedürfte es nicht, wenn leitende Angestellte oder Organe juristischer Personen bereits aufgrund ihrer Stellung im Unternehmen per se nicht als Beschäftigte anzusehen wären (BSG, Urteil v. 8.12.1987, 7 Rar 25/86, USK 87170, 826; BSG, Urteil v. 18.12.2001, a.a.O.).
81Maßgebend ist stattdessen vor allem die Bindung des Geschäftsführers an das willensbildende Organ, in der Regel die Gesamtheit der Gesellschafter (BSG, Urteil v. 6.3.2003, B 11 AL 25/02 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 1 m.w.N.; Senat, Urteil v. 2.4.2014, L 8 R 530/13; Senat, Urteil v. 24.9.2014, L 8 R 1104/13, jeweils juris). Insoweit ist von besonderer Bedeutung, ob ein Geschäftsführer gleichzeitig Gesellschafter ist und aufgrund seiner Gesellschafterstellung maßgeblichen Einfluss auf die Willensbildung der GmbH ausüben kann, kraft dessen er Beschlüsse und Einzelweisungen an sich jederzeit verhindern kann (BSG, Urteil v. 8.8.1990, 11 Rar 77/89, SozR 3-2400 § 7 Nr. 4). Ist dies der Fall, ist ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu verneinen, weil der Geschäftsführer mit Hilfe seiner Gesellschafterrechte die für das Beschäftigungsverhältnis typische Abhängigkeit vermeiden kann (BSG, Urteil v. 6.2.1992, 7 RAr 134/90, SozR 3-4100 § 104 Nr. 8). Darüber hinaus ist von Bedeutung, ob der Einfluss des Geschäftsführers auf die Willensbildung der GmbH aufgrund besonderer Einzelfallumstände unabhängig von seiner Gesellschafterstellung so erheblich ist, dass ihm gegenüber nicht genehme Beschlüsse und Weisungen ausgeschlossen sind und er die Geschäfte nach eigenem Gutdünken führen, d.h. frei schalten und walten kann. Dann ist eine persönliche Abhängigkeit auch bei Diensten höherer Art zu verneinen, weil die Gesellschafter tatsächlich keinerlei Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft nehmen und sich der Geschäftsführer nur in der von ihm selbst gegebenen Ordnung des Betriebes einfügt (BSG, Urteil v. 14.12.1999, B 2 U 48/98 R, USK 9975; BSG, Urteil v. 11.2.1993, 7 RAr 48/92, USK 9347; vgl. insgesamt: Senat, Urteil v. 17.10.2012, L 8 R 545/11, juris).
82Ausgangspunkt der Prüfung, ob die Geschäftsführertätigkeit der Beigeladenen zu 1) für die Klägerin im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung oder selbständig ausgeführt wurde, ist damit der Geschäftsführervertrag vom 7.10.2004.
83Dieser Vertrag hat nach seinem Inhalt maßgebliche arbeitsvertragstypische Elemente zum Gegenstand und ist Ausdruck der der Klägerin allein obliegenden abstrakten Rechtsmacht. So ist die Beigeladene zu 1) danach verpflichtet, ihre Arbeitskraft für die Gesellschaft einzusetzen (§ 4 Abs. 1 des Geschäftsführervertrags). Anderweitige Tätigkeiten sind ihr nur mit Zustimmung gestattet (§ 4 Abs. 2 des Geschäftsführervertrags). Ihr ist während der Dauer des Dienstvertrages die Beteiligung an Konkurrenzunternehmen nicht erlaubt (§ 3 des Geschäftsführervertrags). Die Klägerin kann der Beigeladenen zu 1) weitere oder andere Aufgaben im Unternehmensbereich, soweit diese dem bisherigen Tätigkeitsbild verwandt und zumutbar sind (§ 2 des Geschäftsführervertrags), zuweisen. Inhalt und Umfang ihrer Vertretungsbefugnis und Zeichnungsberechtigung sind eingeschränkt, nämlich durch die Gesellschafterbeschlüsse in Verbindung mit der Satzung der Gesellschaft (§ 5 des Geschäftsführervertrags). Sie unterliegt nicht nur regelmäßigen Berichtspflichten. Diese sind auch zeitlich und inhaltlich dahingehend konkretisiert, dass der oder die Gesellschafter zeitnah, umfassend und kontinuierlich oder auf Ersuchen über Geschäftsverlauf, Planung und einzelne Vorgänge von besonderem Interesse zu unterrichten sind (§ 6 des Geschäftsführervertrags). Die Beigeladene zu 1) ist hinsichtlich eines Kataloges von neun näher bezeichneten Geschäftsvorgängen zur Einholung der vorherigen Zustimmung der Gesellschafter verpflichtet (§ 8 Abs. 1 des Geschäftsführervertrags), darunter beispielsweise der Erwerb und die Veräußerung von Gegenständen des Anlagevermögens, so der Wert des einzelnen Geschäftsvorfalles 10.000,00 Euro übersteigt. § 9 Abs. 1 des Geschäftsführervertrags sieht die Zahlung eines festen monatlichen Gehalts von 3.748,81 Euro brutto und Abs. 4 die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bis zur Dauer von sechs Wochen vor. § 9 Abs. 5 des Geschäftsführervertrags regelt die Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld nach den Gepflogenheiten des im Betrieb Üblichen und Abs. 7 die Zahlung eines "Arbeitgeber"anteils in Höhe von 26,59 Euro zu vermögenswirksamen Leistungen. Die Beigeladene zu 1) hat ihre Urlaubs- und Abwesenheitstage rechtzeitig mit einem Gesellschafter abzustimmen. Hinsichtlich der bezahlten Urlaubstage gibt es eine feste Obergrenze von 30 Arbeitstagen im Jahr (§ 11 Satz 1 des Geschäftsführervertrags). Auch die Vereinbarung einer Tantieme (§ 9 Abs. 2-4 des Geschäftsführervertrags), der Fahrtkostenerstattung (§ 9 Abs. 8 des Geschäftsführervertrags) und des Auslagenersatzes (§ 10 Abs. 1, 3 des Geschäftsführervertrags) sind bei leitenden Angestellten durchaus üblich.
84Auf dieser beschriebenen vertraglichen Grundlage ist die Beigeladene zu 1) in einem fremden Betrieb, nämlich dem der Klägerin, tatsächlich tätig geworden. Während dieser Tätigkeit war sie vollständig in den Betrieb und folglich in eine ihr einseitig vorgegebene Organisation eingegliedert (vgl. BSG, Urteil v. 4.6.1998, B 12 KR 5/97 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 17 m.w.N.). Sie ist ausschließlich ausgehend von den Betriebsräumen und mit den dortigen Betriebsmitteln weisungsgebunden tätig geworden.
85Hierbei unterlag sie einem Weisungsrecht der Klägerin bezüglich Ort, Zeit, Dauer sowie Art und Weise der Tätigkeit, da allein Letzterer die insoweit maßgebliche abstrakte Rechtsmacht zustand.
86Gemäß § 47 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbHG) erfolgen die von den Gesellschaftern in den Angelegenheiten der Gesellschaft zu treffenden Bestimmungen, zu denen die Bestellung und die Abberufung von Geschäftsführern sowie die Überprüfung der Geschäftsführung gehören (§ 46 Nr. 5 und 6 GmbHG), durch Beschlussfassung. Entsprechend wurde in Ziff. 5.2 und Ziff. 7.4 des Gesellschaftsvertrags geregelt, dass es für die Bestellung und Abberufung eines Geschäftsführers einer Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen bedarf, während sonst eine einfache Mehrheit ausreicht. Korrespondierend dazu vereinbarten die Klägerin und die Beigeladene zu 1) im Rahmen von § 12 Abs. 2 des Geschäftsführervertrags, dass die Bestellung zur Geschäftsführerin - so sie erfolgt - durch Beschluss der Gesellschafterversammlung jederzeit unbeschadet ihrer Ansprüche nach diesem Vertrag widerrufen werden kann und der Widerruf auch als Kündigung des Dienstvertrages zum nächstzulässigen Zeitpunkt gilt.
87Aufgaben, Rechte und Pflichten der Geschäftsführer richten sich in erster Linie nach diesem Vertrag. Nach Ziff. 5.3 des Gesellschaftsvertrags erstreckt sich die Geschäftsführungsbefugnis aller Geschäftsführer und damit auch der Beigeladenen zu 1) nur auf Handlungen, die der gewöhnliche Geschäftsverkehr mit sich bringt. Für alle darüber hinausgehenden Geschäfte war ein Gesellschafterbeschluss erforderlich. Entsprechend stellt Ziff. 5.4 des Gesellschaftsvertrages nochmals heraus, dass die Rechte und Pflichten des Geschäftsführers sich aus dem Gesetz, dem Geschäftsführervertrag und zudem aus den von der Gesellschafterversammlung gegebenen Anweisungen ergeben.
88Die Beigeladene zu 1) hatte demgegenüber im streitigen Zeitraum keine Möglichkeit, ihr nicht genehme Weisungen der Klägerin zu verhindern. Ihr fehlte in rechtlicher Hinsicht der notwendige maßgebliche Einfluss auf die Klägerin. Ein solcher Einfluss liegt regelmäßig dann vor, wenn der Geschäftsführer einen Anteil von mindestens 50 v. H. des Stammkapitals innehat und damit Einzelweisungen an sich als Geschäftsführer im Bedarfsfall jederzeit verhindern kann (vgl. BSG, Urteil v. 8.8.1990, 11 RAr 77/89, m.w.N., juris).
89Die Beigeladene zu 1) verfügte im Streitzeitraum zu keinem Zeitpunkt ihrer Geschäftsführertätigkeit über Anteile an der Klägerin in dieser Höhe. Sie hielt ab November 2004 einen Anteil von 8.100,00 Euro am Stammkapital in Höhe von 26.000,00 Euro. Diese Anteile gewährten ihr nach Ziff. 7.6 des Gesellschaftsvertrags Stimmrechte i.H.v. 31,15% (je 100,00 Euro = 1 Stimme).
90Auch über eine umfassende Sperrminorität, mit der sie ihr nicht genehme Weisungen der Gesellschaft hätte verhindern können und die daher die Annahme einer abhängigen Beschäftigung ausschließen würde, verfügte die Beigeladene zu 1) nicht (vgl. hierzu BSG, Urteil v. 6.2.1992, 7 RAr 134/90, juris).
91Nach Ziff. 7.2 des Gesellschaftsvertrags werden Beschlüsse der Gesellschafter grundsätzlich mit einfacher Mehrheit der Stimmen gefasst. Mit den ihr vorbehaltenen 31,15 % konnte sie damit im Streitzeitraum keine Beschlüsse verhindern. Unerheblich ist dabei, dass es nach Ziff. 7.4 des Gesellschaftsvertrags für die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern einer Drei-Viertel-Mehrheit bedurfte. Eine nur partielle Sperrminorität, z.B. bzgl. der Unternehmenspolitik, der Auflösung der Gesellschaft oder wie hier hinsichtlich der Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern, die im Übrigen Weisungen an den Geschäftsführer aber nicht ausschließt, steht der Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses nicht entgegen, denn die höchstrichterliche Rechtsprechung fordert hinsichtlich einer relevanten Rechtsmachtverschiebung, dass der Betroffene ihm nicht genehme Weisungen "jederzeit" abwenden kann (BSG, Urteil v. 24.9.1992, 7 RAr 12/92; BSG SozR 3-4100 § 168 Nr. 8 S. 16; BSG, Urteil v. 25.1.2006, B 12 KR 30/04 R, ZIP 2006, 678; BSG, Urteil v. 29.8.2012, B 12 R 14/10 R; BSG, Beschluss v. 31.3.2014, B 12 R 53/13 B; Senat, Urteil v. 2.7.2014, L 8 R 777/12; Senat, Urteil v. 3.9.2014, L 8 R 55/13; Senat, Urteil v. 27.8.2014, L 8 R 337/13, jeweils juris ).
92Eine Rechtsmachtverschiebung in diesem Sinne zugunsten der Beigeladenen zu 1) hat im Streitzeitraum nicht stattgefunden.
93Auf das unter Neufassung des Gesellschaftsvertrages vom 7.11.2012 während des Klageverfahrens vereinbarte Einstimmigkeitserfordernis für alle Gesellschafterbeschlüsse kann sich die Klägerin schon deshalb nicht berufen, weil es im Streitzeitraum noch nicht gegolten hat.
94In dem "Beschluss" vom 16.10.2004 liegt keine Vereinbarung, die der Beigeladenen zu 1) die Möglichkeit gegeben hätte, ihr nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung jederzeit zu verhindern. Dem Beschluss nach sollten die Beigeladene zu 1), der Geschäftsführer S Q sowie der Zeuge G Q die Klägerin "jeder für sich uneingeschränkt" vertreten und "je 1 Stimme erhalten". Eine Auslegung dieser Vereinbarung als Stimmrechtsvereinbarung innerhalb der Gesellschafterversammlung scheidet von vornherein aus. Denn bei Abschluss der Vereinbarung waren alle drei Genannten keine Gesellschafter, sondern M Q Alleingesellschafter. Demgemäß haben sowohl der Geschäftsführer, S Q, als auch der Zeuge N T1 in der mündlichen Verhandlung bekundet, Ziel der Vereinbarung sei gewesen, dass jeder der Geschäftsführer für sich allein habe handeln können. Dem steht auch die Aussage des Zeugen G Q nicht entgegen, da sich diese sich insoweit als unergiebig erwiesen hat. Er konnte sich an die Hintergründe der Vereinbarung vom 16.10.2004 nicht mehr erinnern.
95Der Beschluss vom 16.10.2004 kann nicht dahingehend ausgelegt werden, dass der Alleingesellschafter M Q sich jeglicher Weisung gegenüber der Beigeladenen zu 1) enthalten wollte. Abgesehen davon, dass dem Beschluss bestenfalls der Wille entnommen werden kann, ihr, dem weiteren Geschäftsführer S Q und dem Zeugen G Q (der allerdings seinerzeit in der Gesellschaft überhaupt keine Funktion innehatte), jeweils Alleinvertretungsbefugnis einzuräumen, wäre ein Verständnis in dem Sinne, dass diese Alleinvertretungsbefugnis unabhängig von jeglichen Weisungen der Gesellschafterversammlung ausgeübt werden sollte, ausgeschlossen. Denn die Kontrolle über den Geschäftsführer nicht dadurch beseitigt werden, dass er jeder von den Gesellschaftern beeinflussbaren Aufsicht entzogen wird. Vielmehr ist die Verantwortlichkeit eines Geschäftsführers gegenüber den Gesellschaftern in ihrem Kern nicht abdingbar (Verbot der Selbstentmündigung der Gesellschafter bzw. Grundsatz der Verbandssouveränität; vgl. dazu Schmidt a.a.O., § 46 Rdnr. 113; Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl. 2012, § 45 Rdnr. 11; Mollenkopf in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 2011, § 45 Rdnr. 9; Zöllner in: Baumbach/Hueck, a.a.O., § 46 Rdnr. 7; BSG, Urteil v. 22.8.1973, 12 RK 24/72, BB 1973, 1310 für Personengesellschaften aus diesem Grund jedenfalls gegen eine stillschweigende Abbedingung der Gesellschafterbefugnis BSG, Urteil v. 29.8.2012, B 12 R 14/10 R, USK 2012-182).
96Für den - erstmals im Berufungsverfahren vorgetragenen - Abschluss einer mündlichen Stimmbindungsvereinbarung bestehen nach der durchgeführten Beweisaufnahme schon in tatsächlicher Hinsicht keinerlei Anhaltspunkte.
97Die in der mündlichen Verhandlung im Zusammenhang mit der Änderung des Gesellschaftsvertrages vom 7.11.2012 gestellte Frage, ob es vorher Vereinbarungen zur Ausübung von Stimmrechten gegeben habe, hat der Gesellschafter und Geschäftsführer der Klägerin, M Q, ausdrücklich verneint. Die Geschäftsführer haben zwar ebenso erklärt, dass alles gemeinsam besprochen und entschieden worden sei. Hierbei handelte es sich zur Überzeugung des Senates jedoch nicht um eine rechtswirksame Vereinbarung über eine Stimmbindung. Diesbezüglich fehlt es den Beteiligten jedenfalls an einem Rechtsbindungswillen. Denn die Geschäftsführer haben weiter unwidersprochen erklärt, dass es sich bei dem geschilderten üblichen Gang der Entscheidungsprozesse weniger um eine vertragliche Vereinbarung als um eine "Selbstverständlichkeit" gehandelt habe.
98Schließlich hat der Zeuge G Q bekundet, dass er mit Erfolg interveniert hätte, wenn M Q als Alleingesellschafter die finanzielle Stabilität der Klägerin eigennützig riskiert hätte. Wenn aber die maßgeblichen Entscheidungen innerhalb der Gesellschaft sogar von einer Person dominiert werden, die weder Gesellschafter noch Geschäftsführer ist, ist es mehr als unwahrscheinlich, dass die Beigeladene zu 1) als Geschäftsführerin "schalten und walten" konnte wie sie wollte.
99Schließlich sind auch keine besonderen einzelfallbezogenen Umstände gegeben, die abweichend vom Regelfall die Bindung der Beigeladenen zu 1) an das willensbildende Organ der Klägerin ausschließen. Bei Geschäftsführern, die - wie die Beigeladene zu 1) - weder über die Mehrheit der Gesellschaftsanteile noch über eine Sperrminorität verfügen, ist im Regelfall von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen. Eine hiervon abweichende Beurteilung kommt nur in Betracht, wenn besondere Umstände des Einzelfalles den Schluss zulassen, es liege keine Weisungsgebundenheit vor (BSG, Urteil v. 4.7.2007, B 11a AL 5/06, BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 8).
100Solche besonderen Umstände sind nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung angenommen worden, wenn die übrigen Gesellschafter tatsächlich ihre Gesellschafterrechte nicht wahrgenommen und in keiner Weise in die Betriebsführung eingegriffen haben und der Geschäftsführer wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken geführt hat, d.h. schalten und walten konnte, wie er wollte. Ein derart beherrschender Einfluss ist der höchstrichterlichen Rechtsprechung bei Geschäftsführern in Familiengesellschaften erwogen worden, wenn der Geschäftsführer mit den Gesellschaftern familiär verbunden war, die Geschäftsführertätigkeit durch familienhafte Rücksichtnahme geprägt und es an der Ausübung der Gesellschafterrechte durch die Gesellschafter mangelte (BSG, Urteil v. 14.12.1999, B 2 U 48/98 R; BSG, Urteil v. 29.10.1986, 7 RAr 43/85; zurückhaltend hingegen BSG, Urteil v. 29.8.2012, B 12 R 14/10 R).
101Unter diesem Gesichtspunkt liegt im vorliegenden Verfahren eine faktische Weisungsfreiheit der Beigeladenen zu 1) schon deshalb fern, da eine familiäre Verbundenheit allenfalls im Rahmen eines Verlöbnisses lediglich zwischen der Beigeladenen zu 1) und dem Geschäftsführer S Q festzustellen ist. Dieser ist allerdings erst durch Gesellschafterbeschluss vom 7.11.2011 Mitgesellschafter der Klägerin geworden. Eine verwandtschaftliche Beziehung zu dem insofern allein maßgeblichen Gesellschafter im streitgegenständlichen Zeitraum M Q ist weder ersichtlich noch vorgetragen.
102Eine faktische Weisungsfreiheit der Beigeladenen zu 1) ergibt sich auch nicht aus ihrer besonderen individuellen fachlichen Qualifikation. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens ist die Annahme nicht gerechtfertigt, dass die Beigeladene zu 1) innerhalb des Betriebs der Klägerin nach "eigenem Gutdünken" frei schalten und walten konnte. Gegen diese Beurteilung spricht neben den bereits dargestellten Bedenken auch, dass neben ihr zunächst S Q und später mit Geschäftsführervertrag vom 27.2.2007 auch M Q (dienstvertraglich) zum Geschäftsführer geworden ist.
103Zwar trägt die Klägerin vor, dass zwischen den verschiedenen Geschäftsführern und dem Zeugen G Q eine Ressortverteilung bestanden habe. So sei Herr S Q ausschließlich für den technischen Bereich insbesondere Qualitätswesen, Kundenbetreuung und die technische Ausarbeitung für die Durchführung von Bearbeitungskonzepten zuständig gewesen. Die Beigeladene zu 1) habe hingegen allein den kaufmännischen Bereich betreut. Sie sei insbesondere für die Bereiche Auftragsbearbeitung, Rechnungswesen und Personalwesen zuständig gewesen. Dies führt indes zu keinem anderen Ergebnis. Denn zum Einen zeugt die Zuständigkeitsverteilung bereits für ein arbeitsteiliges Zusammenwirken der Betroffenen und spricht gegen eine umfassende Entscheidungsbefugnis der Beigeladenen zu 1). Zum Anderen hat sich die strikte Zuständigkeitsverteilung im Rahmen der Beweisaufnahme nicht bestätigt. Zur Überzeugung des Senats hat diese nämlich ergeben, dass sowohl der Geschäftsführer S Q als auch die Beigeladene zu 1) für den kaufmännischen Bereich Verantwortung zeichneten. So hat der Zeuge T1 glaubhaft bekundet, dass neben der Beigeladenen zu 1) auch der Geschäftsführer S Q sein Ansprechpartner im Rahmen der durch sein Büro durchgeführten Buchführung, Lohnabrechnung sowie für die jeweilig gefertigten Jahresabschlüsse gewesen ist. Die Beigeladene zu 1) habe zwar die entsprechenden Unterlagen vorbereitet, bei der jährlichen Bilanzbesprechung sei allerdings neben ihr auch Herr S Q anwesend gewesen. Die Entscheidung, wie z.B. mit Gewinnen umgegangen werden sollte, haben nach der weiteren Aussage des Zeugen T1 ebenfalls der Geschäftsführer S Q sowie die Beigeladene zu 1) gemeinsam getroffen. Die Aussage des Zeugen T1 hat insofern die bereits vorangegangene Erklärung der Beigeladenen zu 1) bestätigt, die zudem ergänzend vorgetragen hat, dass in die jeweiligen Entscheidungsprozesse zudem der Zeuge G Q sowie der weitere Geschäftsführer M Q eingebunden gewesen seien. Dem hat auch der Zeuge G Q insoweit beigepflichtet, als dass er im Falle eigenmächtiger, finanziell die Klägerin beeinträchtigender Entscheidungen in Entscheidungsprozesse maßgeblich eingegriffen hätte.
104Doch auch wenn sich der Vortrag der Klägerin bestätigt hätte, liegt es in der Natur der Sache, dass jeder Geschäftsführer für seinen Geschäftsbereich ein besonderes Fachwissen und spezielle Kenntnisse und Erfahrungen einbringt, die ihn befähigen, in seinem Zuständigkeitsbereich für die Gesellschaft erfolgreich tätig zu sein (Senat, Urteil v. 17.10.2012, a.a.O., juris). In solchen Fällen ist ein stark abgeschwächtes Weisungsrecht für die ausgeübte Tätigkeit ebenso wie z. B. bei der Wahrnehmung von Tätigkeiten für leitende Angestellte, die in einem Betrieb höhere Dienste leisten, geradezu charakteristisch. Dennoch werden auch Tätigkeiten für leitende Angestellte im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung geleistet, wenn sie fremdbestimmt bleiben, weil sie in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes. Wie weit die Lockerung des Weisungsrechts in der Vorstellung des Gesetzgebers gehen kann, ohne dass deswegen die Stellung als Beschäftigter entfällt, zeigen beispielhaft die gesetzlichen Sonderregelungen zur Versicherungsfreiheit von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft in der Renten- und Arbeitslosenversicherung (§ 1 Satz 4 SGB VI sowie § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III), die regelmäßig abhängig beschäftigt sind, auch wenn sie die Gesellschaft in eigener Verantwortung zu leiten haben und gegenüber der Belegschaft Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen (BSG, Urteil v. 30.4.2013, B 12 KR 19/11 R, a.a.O.; Urteil v. 29.8.2012, B 12 KR 25/10 R, a.a.O.; jeweils m.w.N.). Allein weitreichende Entscheidungsbefugnisse eines "leitenden Angestellten", der in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem gemilderten Weisungsrecht unterliegt, machen diesen nicht schon zu einem Selbständigen (vgl. BSG, Urteil v. 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R; Senat, Urteil v. 17.10.2012, a.a.O.).
105Anhaltspunkte dafür, dass allein die Beigeladenen zu 1) über ein derart hohes Fachwissen verfügte, dass nur sie in der Lage gewesen ist, die konkrete Tätigkeit zu verrichten, sind - wie bereits erläutert - nicht zu erkennen (vgl. dazu BSG, Urteil v. 30.4.2013, a.a.O.). Auch kann insoweit nicht eingewandt werden, dass eine fremde Arbeitskraft mit entsprechendem Fachwissen möglicherweise nicht bereit gewesen wäre, zu denselben Konditionen tätig zu werden; insoweit handelt es sich lediglich um wirtschaftliche Überlegungen, die am grundsätzlichen Bestehen einer entsprechenden rechtlichen Möglichkeit nichts ändern (BSG, Urteil v. 30.4.2013, a.a.O.; Senat, Urteil v. 12.2.2014, L 8 R 1108/12).
106Wesentliche Merkmale, die für eine selbstständige Tätigkeit sprechen und im Rahmen der Gesamtabwägung dermaßen überwiegen, dass nicht von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen ist, sind nicht ersichtlich.
107Zunächst verfügt die Beigeladene zu 1) nicht über eine eigene, unabhängig von dem Betrieb der Klägerin, bestehende Betriebsstätte und sie hat auch kein erhebliches, für eine selbständige Tätigkeit maßgeblich sprechendes Unternehmerrisiko zu tragen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. z.B. BSG, Urteil v. 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R, USK 2008-45) ist maßgebliches Kriterium dafür, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist.
108Eine solche Ungewissheit ist zunächst nicht festzustellen, soweit es um den Einsatz der Arbeitskraft der Beigeladenen zu 1) geht. Denn sie erhielt ein monatliches erfolgsunabhängiges Festgehalt.
109Zudem sind (erfolgsabhängige) Tantiemen von der Klägerin nur einmal im Oktober 2008 i.H.v. 9.711,00 Euro ausgeschüttet worden. Zwar kommt der Zahlung von Tantiemen für die Abgrenzung von Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit insoweit Bedeutung zu, als sie Anknüpfungspunkt für ein mögliches wirtschaftliches Eigeninteresse des für ein Unternehmen Tätigen ist (vgl. BSG, Urteil v. 29.8.2012, B 12 KR 25/10 R, mwN, juris, Senat, Urteil v. 17.10.2012, a.a.O. juris). Vor dem Hintergrund, dass die Gewährung einer Tantieme an Arbeitnehmer nicht ungewöhnlich ist, ist ihr jedoch jedenfalls dann keine Indizwirkung von wesentlichem Gewicht für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit beizumessen, wenn sie in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung - wie hier - deutlich hinter dem Festgehalt zurückbleibt.
110Der Beigeladenen zu 1) oblag auch keine umfassende Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft. Das folgt bereits aus § 1 Abs. 1, § 4 Abs. 1, 3 Satz 1 des Geschäftsführervertrag, wonach sie zwar - wie bei Diensten höherer Art üblich - über Zeit und Dauer ihrer Tätigkeit bestimmen konnte, allerdings der Gesellschaft jederzeit zur Verfügung zu stehen hatte, soweit es deren Wohl erforderte.
111Der Umstand, dass die Beigeladene zu 1) von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit ist, ist gerade bei einer kleineren Gesellschaft wie der Klägerin für einen abhängig beschäftigten Gesellschafter-Geschäftsführer nicht untypisch und daher als Indiz für eine selbständige Tätigkeit ebenfalls nicht von hohem Gewicht. Entsprechendes gilt für die der Beigeladenen zu 1) erteilte Einzelvertretungsbefugnis (vgl. BSG, Urteil v. 6.3.2003, B 11 AL 25/02 R; BSG, Urteil v. 4.7.2007, B 11a AL 5/06 R, a.a.O.; Senat, Urteil v. 17.10.2012, a.a.O.; Senat, Urteil v. 18.6.2014, L 8 R 5/13, juris).
112Weitere in die Gesamtabwägung einzustellende Gesichtspunkte sind weder ersichtlich noch vorgetragen. In der Gesamtabwägung überwiegen eindeutig die für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Gesichtspunkte der Weisungsgebundenheit und Eingliederung, während für eine selbständige Tätigkeit sprechende Indizien nur in ganz geringem Maß vorhanden sind.
113Vor diesem Hintergrund besteht die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung. Auf Tatbestände, aus denen sich die Versicherungsfreiheit in diesen Zweigen der Sozialversicherung ergeben, kann sich die Beigeladene zu 1) nicht berufen.
114Fehler bei der Berechnung der Beitragshöhe sind weder geltend gemacht worden noch ersichtlich. Ursprünglich war eine Forderung von 201.112,73 Euro einschließlich Säumniszuschläge von 57.644,00 Euro streitig. Nach Annahme des Teilanerkenntnisses beschränkt sich die Nachforderung auf 89.899,37 Euro einschließlich Säumniszuschlägen in Höhe von 25.724,90 Euro.
115Die noch bestehende Nachforderung ist auch nicht verjährt. Dabei kann dahinstehen, ob auch die Voraussetzungen der dreißigjährigen Verjährungsfrist gemäß § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV vorliegen. Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB IV wurden bis zum 31.12.2005 Beiträge spätestens am 15. des Monats fällig, der dem Monat folgt, in dem die Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt worden ist. Ab dem 1.1.2006 werden Beiträge, die nach dem Arbeitsentgelt oder dem Arbeitseinkommen zu bemessen sind, in voraussichtlicher Höhe der Beitragsschuld spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des Monats fällig, in dem die Beschäftigung oder Tätigkeit, mit der das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt wird, ausgeübt worden ist oder als ausgeübt gilt. Ein verbleibender Restbeitrag wird zum drittletzten Bankarbeitstag des Folgemonats fällig (§ 23 Abs. 1 SGB IV).
116Die ersten streitgegenständlichen Beiträge für Dezember 2004 sind am 15.1.2005 fällig gewesen. Die vierjährige Verjährungsfrist ist jedoch vor ihrem grundsätzlichen Ablauf am 31.12.2009 durch die Beklagte wirksam gehemmt worden.
117Nach § 25 Abs. 2 Satz 2 SGB IV ist die Verjährung nämlich für die Dauer einer Prüfung beim Arbeitgeber gehemmt. Dies gilt nicht, wenn die Prüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die prüfende Stelle zu vertreten hat (Satz 3). Die Hemmung beginnt mit dem Tag des Beginns der Prüfung beim Arbeitgeber oder bei der vom Arbeitgeber mit der Lohn- und Gehaltsabrechnung beauftragten Stelle und endet mit der Bekanntgabe des Beitragsbescheides, spätestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Abschluss der Prüfung (Satz 4).
118Die Voraussetzungen einer Hemmung liegen hier vor. Die Prüfung der Beklagten begann bei der Klägerin am 16.11.2009 im Steuerbüro T1. In der Folgezeit wurden verschiedene Unterlagen und Informationen angefordert, aber nur unvollständig vorgelegt bzw. erteilt. Zwischen dem 18.12.2009 und dem 6.4.2010 erinnerte die Beklagte die Klägerin mehrfach diesbezüglich. Erst am 19.5.2010 reagierte die Klägerin über ihren Steuerberater, den Zeugen T1.
119Nach § 25 Abs. 2 Satz 4 SGB IV endet die Hemmung grundsätzlich mit der Bekanntgabe des Beitragsbescheides [§ 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV, § 37 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X)], spätestens aber sechs Kalendermonate nach Abschluss der Prüfung. Den Abschluss der Prüfung markiert zwar grundsätzlich das so genannte Schlussgespräch, das die Funktion einer Anhörung i.S.d. § 24 SGB X hat. Erfolgt eine Anhörung allerdings - wie vorliegend - auf schriftlichem Wege, endet die Hemmung mit der Beendigung des Anhörungsverfahrens (vgl. Segebrecht in: jurisPK-SGB IV, 2. Aufl. 2011, § 25 SGB IV, Rn. 56). Hier ist am 2.8.2010 die Anhörung auf schriftlichem Wege unter Fristsetzung bis zum 6.9.2010 erfolgt.
120Der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, wird entsprechend § 209 BGB in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet. Die Hemmung beginnt mit dem Tag, an dem sich der Hemmungstatbestand verwirklicht hat, und endet mit dem Tag, an dem er weggefallen ist bzw. mit dem Tag, der ausdrücklich im Gesetz bezeichnet wird. Dabei werden der Tag, an dem der Hemmungsgrund entsteht, der Tag, an dem er entfällt, und die Tage dazwischen nicht in die Verjährung eingerechnet, die um 0 Uhr des folgenden Tages weiterläuft (OLG Köln v. 10.06.2008, 9 U 144/07, juris, Rdnr. 47). Die Hemmung endete mithin mit Ablauf des 6.9.2010. Die Verjährungsfrist lief weiter vom 7.9.2010 bis zum 22.11.2010. Zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses am 14.10.2010 waren die Beiträge für Dezember 2004 folglich noch nicht verjährt.
121Die noch erhobenen Säumniszuschläge sind gleichfalls nicht zu beanstanden. Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist für Beiträge, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 v.H. des rückständigen auf 50,00 EUR nach unten abgerundeten Betrages zu zahlen. Wird eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt, ist ein darauf entfallender Säumniszuschlag nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte (§ 24 Abs. 2 SGB IV).
122Der Senat kann dabei dahinstehen lassen, ob verschuldete Unkenntnis von der Zahlungspflicht im Sinne von § 24 Abs. 2 SGB IV erst bei (zumindest bedingtem) Vorsatz (so der 12. Senat BSG, Urteil v. 26.1.2005, B 12 KR 3/04 R, SozR 4-2400 § 14 Nr. 7; Urteil v. 9.11.2011, B 12 R 18/09 R, SozR 4-2400 § 14 Nr. 13) oder schon bei Fahrlässigkeit im Sinne von § 276 Bürgerliches Gesetzbuch (so der 13. Senat des BSG, Urteil v. 1.7.2010, B 13 R 67/09 R, SozR 4-2400 § 24 Nr. 5; aus der Literatur Segebrecht in jurisPK-SGB IV, § 24 Rdnr. 60 m.w.N.) vorliegt. Denn die Klägerin hat auch nicht glaubhaft gemacht, dass sie ihre Beitragspflicht nicht vorsätzlich (sondern lediglich fahrlässig) verletzt hat.
123Vorsätzlich in diesem Sinne handelt bereits, wer seine Beitragspflicht für möglich hält, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf nimmt. Dazu muss das Vorliegen des inneren (subjektiven) Tatbestandes festgestellt, d.h. anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles und bezogen auf den betreffenden Beitragsschuldner individuell ermittelt werden. Zwar sind allgemein geltende Aussagen zum Vorliegen des subjektiven Tatbestandes ausgeschlossen. Jedoch wird Vorsatz regelmäßig vorliegen, wenn für das gesamte typische Arbeitsentgelt (z.B. bei "Schwarzarbeit") überhaupt keine Beiträge entrichtet werden (BSG, Urteil v. 30.3.2000, B 12 KR 14/99 R, SozR 3-2400 § 25 Nr. 7). Weiter ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber bei Unklarheiten hinsichtlich der versicherungs- und beitragsrechtlichen Beurteilung einer Erwerbstätigkeit die Möglichkeit hat, darüber im Einzugsstellen- (vgl. § 28h SGB IV) und/oder Anfrageverfahren (vgl. § 7a SGB IV) Gewissheit durch Herbeiführung der Entscheidung einer fachkundigen Stelle zu erlangen; der Verzicht auf einen entsprechenden Antrag kann auf bedingten Vorsatz schließen lassen (BSG, Urteil v. 9.11.2011, a.a.O.; Senat, Urteil v. 30.4.2014, L 8 R 981/12, juris).
124Nach diesen Maßstäben ist davon auszugehen, dass die Klägerin ihre Beitragspflicht mindestens für möglich gehalten und die Nichtabführung von Beiträgen zumindest billigend in Kauf genommen hat. Die objektive Verletzung ihrer Arbeitgeberpflichten steht außer Zweifel. Die Klägerin hat insbesondere ihrer Meldepflicht nach § 28a SGB IV nicht genügt. Angesichts dessen stellt der Verzicht auf die vom Gesetzgeber zur Verfügung gestellte Möglichkeit, eine Klärung des Status nach §§ 7a, 28h Abs. 2 SGB IV herbeizuführen, ein gewichtiges Indiz für das Vorliegen von bedingtem Vorsatz dar. Das gilt umso mehr als der Geschäftsführer der Klägerin, S Q, sowie der Zeuge G Q durch einen entsprechenden Bescheid der Beigeladenen zu 2) vom 25.11.1999 von der Möglichkeit der Versicherungspflicht von Gesellschafter-Geschäftsführern bereits Kenntnis hatten.
125Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 Satz 1, 161 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung, hinsichtlich der Beigeladenen nach §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 SGG. Hinsichtlich der Kostentragung durch die Hauptbeteiligten folgt sie dem Verhältnis des Obsiegens zum Unterliegen.
126Gründe gemäß § 160 Abs. 2 SGG für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Entscheidung orientiert sich an der ständigen Rechtsprechung des BSG.
127Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 197a SGG i. V. m. §§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz.
Ein Vertreter kann, soweit nicht ein anderes ihm gestattet ist, im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten ein Rechtsgeschäft nicht vornehmen, es sei denn, dass das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht.
Die Rechtsfähigkeit des Menschen beginnt mit der Vollendung der Geburt.
Der Bestimmung der Gesellschafter unterliegen:
- 1.
die Feststellung des Jahresabschlusses und die Verwendung des Ergebnisses; - 1a.
die Entscheidung über die Offenlegung eines Einzelabschlusses nach internationalen Rechnungslegungsstandards (§ 325 Abs. 2a des Handelsgesetzbuchs) und über die Billigung des von den Geschäftsführern aufgestellten Abschlusses; - 1b.
die Billigung eines von den Geschäftsführern aufgestellten Konzernabschlusses; - 2.
die Einforderung der Einlagen; - 3.
die Rückzahlung von Nachschüssen; - 4.
die Teilung, die Zusammenlegung sowie die Einziehung von Geschäftsanteilen; - 5.
die Bestellung und die Abberufung von Geschäftsführern sowie die Entlastung derselben; - 6.
die Maßregeln zur Prüfung und Überwachung der Geschäftsführung; - 7.
die Bestellung von Prokuristen und von Handlungsbevollmächtigten zum gesamten Geschäftsbetrieb; - 8.
die Geltendmachung von Ersatzansprüchen, welche der Gesellschaft aus der Gründung oder Geschäftsführung gegen Geschäftsführer oder Gesellschafter zustehen, sowie die Vertretung der Gesellschaft in Prozessen, welche sie gegen die Geschäftsführer zu führen hat.
Tenor
-
Auf die Revision der Beigeladenen zu 2. werden das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 5. November 2010 und das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 22. Oktober 2009 aufgehoben, soweit es die Feststellung der Rentenversicherungspflicht des Klägers in seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. in der Zeit vom 1. Februar 2003 bis 31. Dezember 2005 betrifft.
-
Insoweit wird die Klage abgewiesen.
-
Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klage- und Berufungsverfahrens zu erstatten. Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
- 1
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Die Beteiligten streiten (noch) darüber, ob der Kläger in der Zeit vom 1.2.2003 bis 31.12.2005 als Beschäftigter in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV) versicherungspflichtig war.
- 2
-
Der 1975 geborene Kläger war bereits während seines Gartenbaustudiums für die Beigeladene zu 1. - eine GmbH & Co. KG mit dem Unternehmensgegenstand "Handel mit Baumschulerzeugnissen" - tätig. Persönlich haftende Gesellschafterin war die " H Verwaltungsgesellschaft mit beschränkter Haftung" (im Folgenden: Komplementär-GmbH). Gesellschafter der Komplementär-GmbH waren ursprünglich die Eltern des Klägers mit einer Einlage in Höhe von insgesamt 20 000 DM sowie Herr D (im Folgenden D.) mit einer Einlage in Höhe von 30 000 DM. D. war zugleich Geschäftsführer der Komplementär-GmbH. Kommanditisten der Beigeladenen zu 1. waren D. mit einer Kommanditeinlage von 15 000 DM und die Mutter des Klägers mit einer Kommanditeinlage von 10 000 DM. Die Beigeladene zu 1. ist dem Einzelunternehmen "Baumschule H" (im Folgenden: Baumschule) "vorgeschaltet", um die Baumschule von Haftungsrisiken aus dem Handel mit den Erzeugnissen zu entlasten. Die Baumschule verkauft sämtliche Pflanzen an die Beigeladene zu 1., die sie wiederum an Gartenzentren weiterverkauft. Die Baumschule ist der einzige Lieferant der Beigeladenen zu 1. Sie verfügte über ca 100 Beschäftigte, während die Beigeladene zu 1. als "Vertriebsgesellschaft" über neun Beschäftigte verfügte. Die Baumschule ist ein Hof im Sinn der Höfeordnung. Der Kläger ist der einzige Hoferbe. Die Nachfolge ist zum 1.1.2006 tatsächlich vollzogen worden. Der Kläger führt seit diesem Zeitpunkt auch die Geschäfte der Baumschule und hat deren Bewirtschaftung übernommen.
- 3
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Der Kläger wurde durch einen zwischen ihm und der Beigeladenen zu 1. geschlossenen "Anstellungsvertrag" vom 27.1.2003 neben dem Geschäftsführer D. zum weiteren Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1. bestellt. In dem Vertrag wurde festgehalten, dass der Geschäftsführer berechtigt und verpflichtet ist, die Gesellschaft nach Maßgabe der Gesetze, des Gesellschaftsvertrages und einer etwaigen Geschäftsführerordnung allein zu vertreten und die Geschäfte der Gesellschaft allein zu führen. Weiterhin wurde der Geschäftsführer von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Als Monatsgehalt wurde ein Betrag in Höhe von 2100 Euro brutto vereinbart. Im Krankheitsfall sollte eine sechsmonatige Weiterzahlung der Bezüge erfolgen. Als Jahresurlaub wurden 24 Arbeitstage vereinbart. Zeitgleich mit der Übernahme der Leitung der Baumschule wurde der Kläger am 1.1.2006 Gesellschafter der Beigeladenen zu 1.
- 4
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Durch Bescheid vom 23.8.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.2.2007 stellte die beklagte Krankenkasse als Einzugsstelle aufgrund der Angaben des Klägers in einem Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung fest, dass der Kläger in der Zeit vom 1.2.2003 bis 31.12.2005 kranken-, pflege-, renten- und arbeitslosenversicherungspflichtig sei.
- 5
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Die dagegen erhobene Anfechtungsklage ist in beiden Vorinstanzen erfolgreich gewesen (Urteil des SG vom 22.10.2009; Urteil des LSG vom 5.11.2010). Das LSG ist von fehlender Versicherungspflicht des Klägers ausgegangen und hat ausgeführt: Für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung sprächen zwar der Anstellungsvertrag, die Vereinbarung eines monatlichen festen Gehalts, der Anspruch auf Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall sowie der Anspruch auf bezahlten jährlichen Erholungsurlaub; zudem habe der Kläger mangels Kapitalbeteiligung im streitigen Zeitraum nicht die Rechtsmacht gehabt, Beschlüsse der Gesellschaft herbeizuführen oder zu verhindern. Gleichwohl habe der Kläger "in der Familiengesellschaft" wie ein Alleininhaber nach eigenem Gutdünken das Geschäft geführt. Als Geschäftsführer sei er alleinvertretungsberechtigt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit gewesen. Er habe in weitaus größerem Maße als der Mitgeschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter D. über die erforderlichen Branchenkenntnisse verfügt. Er habe bereits seine Diplomarbeit über "die Betriebswirtschaft und das Rating in seinem Unternehmen" geschrieben und konkrete Vorstellungen über die zukünftige Entwicklung des Betriebs entwickelt. Wesentliche Geschäftsbereiche habe er selbst wahrgenommen. Er habe die Verhandlungen mit wichtigen Kunden geführt, neue Märkte erschlossen, mit Banken verhandelt und sei Ansprechpartner für den Bilanzbuchhalter und den Steuerberater gewesen. Der Kläger habe über Einstellungen und Entlassungen von Mitarbeitern entschieden, soweit sie in seinem Geschäftsbereich - "dem Vertriebsunternehmen der Beigeladenen zu 1." - tätig waren. Er habe die Verantwortung getragen und das Unternehmen weiter entwickelt. Weder der Gesellschafter D. noch die Mutter des Klägers hätten seine Aktivitäten tatsächlich kontrolliert. Darüber hinaus habe der Kläger regelmäßig auf einen Teil des vertraglich vereinbarten Jahresurlaubs verzichtet. Besonders zu berücksichtigen seien die familiären Umstände und die Verbindung der beiden Unternehmen. Der Kläger habe als künftiger Mitgesellschafter der Beigeladenen zu 1. und künftiger Inhaber der Baumschule und Hoferbe ein besonderes eigenes Interesse am wirtschaftlichen Erfolg der "miteinander verbundenen Unternehmen" gehabt. Aufgrund der vorliegenden Konstellation sei der Mitgeschäftsführer und Gesellschafter D. eher vom Kläger abhängig gewesen als umgekehrt.
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Mit der allein von ihm eingelegten Revision rügt der RV-Träger (Beigeladene zu 2.) sinngemäß eine Verletzung von § 7 Abs 1 SGB IV, insbesondere eine Divergenz zur seit dem Jahr 2006 ergangenen Rechtsprechung des BSG(BSG Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R - USK 2006-8 = Die Beiträge, Beilage 2006, 66; BSG Urteil vom 24.1.2007 - B 12 KR 31/06 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 7), da nach der Rechtsauffassung des LSG eine Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinne ausscheide, wenn die tatsächlichen Verhältnisse (vorliegend eine familiäre Verbundenheit und eine Verbindung von zwei Unternehmen) die für das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses sprechenden rechtlichen Aspekte überlagern. Dabei habe das LSG nicht die aktuelle Rechtsprechung des BSG berücksichtigt, wonach maßgeblich die Rechtsbeziehung sei, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist. Bei einem Geschäftsführer, der wie der Kläger nicht Gesellschafter der GmbH ist, sei auf die ihm eingeräumte Rechtsmacht abzustellen. Sowohl der Anstellungsvertrag als auch der Gesellschaftsvertrag unterwürfen jedoch Änderungen der Vertragsbestimmungen der Schriftform. Entsprechende Änderungen seien nicht dokumentiert, weshalb davon auszugehen sei, dass der Kläger Beschlüsse der Gesellschafterversammlung weder habe herbeiführen noch verhindern können.
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Die Beigeladene zu 2. beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 5. November 2010 und des Sozialgerichts Oldenburg vom 22. Oktober 2009 aufzuheben, soweit sie die Feststellung der Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Rentenversicherung in seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. vom 1. Februar 2003 bis 31. Dezember 2005 betreffen und die Klage insoweit abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
die Revision der Beigeladenen zu 2. zurückzuweisen.
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Er verteidigt die angefochtenen Urteile. Er habe in Bezug auf die Beigeladene zu 1. ohne Beschränkungen handeln können. Ein nach dem Gesellschaftsvertrag eventuell erforderliches Zustimmungserfordernis der Kommanditisten für außergewöhnliche Geschäfte sei stillschweigend abbedungen worden. Die Schriftformklausel sei hierfür ohne Belang, da auch sie stillschweigend abbedungen worden sei.
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Die Beklagte hat sich dem Antrag der Beigeladenen zu 2. angeschlossen. Die Beigeladenen zu 1., 3. und 4. äußern sich nicht.
Entscheidungsgründe
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Die auf die Feststellung von Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen RV im Zeitraum 1.2.2003 bis 31.12.2005 beschränkte Revision der Beigeladenen zu 2. ist zulässig und begründet. Bescheid und Widerspruchsbescheid der beklagten Krankenkasse (als Einzugsstelle) erweisen sich insoweit als rechtmäßig. In diesem Umfang sind die Urteile des SG und des LSG aufzuheben und ist die Klage abzuweisen.
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1. Obwohl die Beigeladene zu 2. in der Revisionsbegründung entgegen § 164 Abs 2 S 3 SGG keine Rechtsnorm ausdrücklich bezeichnet hat, die sie durch das Urteil des LSG als verletzt ansieht, ist die Revision noch zulässig. Denn es reicht aus, wenn sich aus dem Inhalt der Darlegungen des Revisionsklägers ergibt, dass er sich mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung auseinandergesetzt hat und inwieweit er bei der Auslegung der angewandten Rechtsvorschriften anderer Meinung ist (BSG SozR 3-5555 § 15 Nr 1 S 2 mwN; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 164 RdNr 9c, 11 mwN). Die Revisionsbegründung macht hinreichend deutlich, dass die Beigeladene zu 2. zum einen die Auffassung des LSG angreift, bei der Abgrenzung von Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit komme den familiären Umständen und der besonderen wirtschaftlichen Verbindung zwischen zwei Unternehmen ausschlaggebende Bedeutung zu, und zum anderen dadurch § 7 Abs 1 SGB IV als verletzt ansieht.
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2. Die Revision der Beigeladenen zu 2. ist auch begründet.
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Zu Unrecht hat das LSG die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen RV verneint und die Berufung der Beklagten gegen das die Bescheide der Beklagten aufhebende SG-Urteil zurückgewiesen. Das LSG ist zunächst zutreffend von den in der Rechtsprechung des BSG zum Typus der Beschäftigung aufgestellten Rechtssätzen ausgegangen, hat in diesem Rahmen aber die jüngere Rechtsprechung zum Vorrang der tatsächlichen Verhältnisse gegenüber den individualvertraglichen sowie handels- und gesellschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen nicht hinreichend berücksichtigt (hierzu a). Zutreffend hat das LSG Merkmale der konkret vom Kläger ausgeübten Tätigkeit festgestellt (hierzu b). Die hierauf aufbauende rechtliche Würdigung und Beurteilung des Gesamtbilds der Tätigkeit als selbstständige Tätigkeit kann jedoch aufgrund der fehlerhaften Maßstabsbildung keinen Bestand haben (hierzu c). Damit sind auch die vom LSG entscheidungserheblich in den Fokus gerückten familiären Umstände und die Verbindung der beiden Unternehmen miteinander nicht geeignet, die Annahme von Selbstständigkeit zu rechtfertigen (hierzu d).
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a) Im streitigen Zeitraum unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, der Versicherungspflicht in der gesetzlichen RV (vgl § 1 Nr 1 SGB VI idF des Gesetzes vom 19.2.2002, BGBl I 754). Nach § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; siehe insbesondere auch BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11).
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Die Beigeladene zu 2. weist in ihrer Revisionsbegründung zu Recht darauf hin, dass bei der Feststellung des Gesamtbilds den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zukommt. Zwar hat der Senat noch im Urteil vom 22.6.2005 (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 5 RdNr 7) ausgeführt, dass beim Abweichen der Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen letztere den Ausschlag geben. Jedoch hat er diese Aussage in Zusammenfassung älterer Entscheidungen nachfolgend präzisiert (insbesondere BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 17; ebenso Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R - USK 2006-8 = ZIP 2006, 678 = Die Beiträge, Beilage 2006, 66, und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Die Beiträge, Beilage 2008, 333, 341 f): Danach sind die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist. Hieran hat der Senat seither festgehalten (vgl zB BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - USK 2009-25; BSG Urteil vom 29.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125 = Juris RdNr 17; ferner auch BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R -, SozR 4-2400 § 7 Nr 17, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen).
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Der vorliegende Fall bietet keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzurücken: Die tatsächlichen Verhältnisse weichen hier nach den Feststellungen des LSG zwar insbesondere von den Regelungen des zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1. geschlossenen Anstellungsvertrags ab, jedoch führt dies mit Blick auf die Frage des Vorliegens einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit zu keinem anderen Ergebnis (hierzu c). Daher vermögen auch die Gesichtspunkte "familiäre Umstände" und "Verbindung der beiden Unternehmen" kein anderes Ergebnis zu rechtfertigen (hierzu d).
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b) Die dargestellten Grundsätze sind auch im vorliegenden Fall maßgebend, denn der Kläger war im streitigen Zeitraum nicht in seinem eigenen, sondern in einem fremden Betrieb tätig. Die alleinige Betriebs- bzw Unternehmensinhaberin war die Beigeladene zu 1., die als GmbH & Co. KG ein Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit ist und deshalb unabhängig von den als Gesellschafter dahinterstehenden juristischen oder natürlichen Personen (hierzu vgl nur BSGE 95, 275 = SozR 4-2600 § 2 Nr 7, RdNr 21 mwN)und deren verwandtschaftlichen oder wirtschaftlichen Beziehungen betrachtet werden muss.
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Ausgangspunkt der Prüfung, ob die Geschäftsführertätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 1. im Rahmen einer Beschäftigung oder selbstständig ausgeübt wurde, ist der "Anstellungsvertrag" vom 27.1.2003, der deren Vertragsverhältnis bestimmte. Dieser Vertrag hatte sowohl nach der Bezeichnung als auch nach seinem vom LSG festgestellten Inhalt - monatliches festes Gehalt, Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sowie Anspruch auf bezahlten jährlichen Erholungsurlaub - ein Arbeitsverhältnis zum Gegenstand. Auf der Grundlage dieses Vertrages wurde der Kläger als weiterer Geschäftsführer neben dem Geschäftsführer D. der Beigeladenen zu 1. tätig. Rechtlich relevante Änderungen des schriftlichen "Anstellungsvertrags" - unabhängig von der Frage insoweit einzuhaltender Formerfordernisse - hat das LSG nicht festgestellt.
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c) Der Kläger verrichtete seine Geschäftsführertätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. im Zeitraum vom 1.2.2003 bis 31.12.2005 im Rahmen einer (abhängigen) Beschäftigung.
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Der Kläger war im streitigen Zeitraum weder an der Beigeladenen zu 1. noch an deren Komplementär-GmbH beteiligt. Er war weder Kommanditist der Beigeladenen zu 1. noch Gesellschafter der Komplementär-GmbH. Vielmehr war er insoweit als Fremdgeschäftsführer anzusehen. Bei Fremdgeschäftsführern einer GmbH hat das BSG jedoch regelmäßig eine abhängige Beschäftigung angenommen und diese nur unter besonderen Umständen verneint (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 20 S 79 mwN).
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Der Kläger war auch in die Arbeitsorganisation der Beigeladenen zu 1. eingebunden. Nach § 2 Abs 1 des Anstellungsvertrags hatte er seine Arbeitskraft und seine gesamten Kenntnisse und Erfahrungen der Beigeladenen zu 1. zur Verfügung zu stellen.
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Der Kläger war zudem auch nicht alleiniger Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1. Vielmehr war neben ihm D. als weiterer Geschäftsführer tätig. Eine Einschränkung der Befugnisse von D. als Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1. hat das LSG nicht festgestellt. Zwar ergibt sich aus dem vom Kläger ausgefüllten Feststellungsbogen aus dem Jahr 2006, dass er für die Geschäftsbereiche "Kredit, Steuern, Werbung, Investition" exklusiv zuständig war. Die Geschäftsbereiche "Einkauf, Vertrieb, Personal" fielen danach aber sowohl in die Zuständigkeit des Klägers als auch in die Zuständigkeit des D. Auch in der praktischen Zusammenarbeit bewahrte sich D. einen eigenen Aufgabenbereich: Nach den Feststellungen der Vorinstanzen beschränkte er seine Tätigkeit mehr auf den praktischen Bereich des Unternehmens, insbesondere auf die Verpackung und Übersendung der Ware. Auch ist ausdrücklich festgestellt worden, dass D. dem Kläger lediglich "in seinen Geschäftsbereichen" völlig freie Hand gelassen habe. Schließlich haben die Vorinstanzen auch bei der Feststellung, dass der Kläger über die Einstellung und Entlassung von Mitarbeitern entschieden habe, ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dies nur für den Geschäftsbereich galt, für den er zuständig war.
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Weder die dem Kläger im Anstellungsvertrag eingeräumte Handlungsfreiheit noch die darin eingeräumte Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot können eine Selbstständigkeit des Klägers im Rechtssinne rechtfertigen. Dies gilt schon deshalb, weil sich nach den bindenden Feststellungen der Vorinstanzen die Handlungsfreiheit des Klägers von vornherein nur auf bestimmte Geschäftsbereiche der Beigeladenen zu 1. bezog. Zudem hat das BSG bereits entschieden, dass die Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot nicht zwingend für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit spricht (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 1 RdNr 11 und Nr 8 RdNr 17). Im Übrigen ist die Wahrnehmung von Handlungsfreiheiten für leitende Angestellte, die in einem Betrieb höhere Dienste leisten, geradezu charakteristisch. Sie werden dennoch im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung geleistet, wenn sie - wie hier - fremdbestimmt bleiben, weil sie in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen (stRspr seit BSGE 16, 289, 294 = SozR Nr 30 zu § 165 RVO und BSGE 21, 57, 58 f = SozR Nr 2 zu § 2 AVG S 4; in jüngerer Zeit zB BSG SozR 3-2940 § 3 Nr 2 S 9 mwN; BSGE 66, 168 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1 und SozR 3-2400 § 7 Nr 20 S 80; vgl - zum Fehlen einer Eingliederung einer hauswirtschaftlichen Familienbetreuerin - BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125 = Juris RdNr 22; vgl zum Begriff des "Betriebes" BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 33 ff). Wie weit die Lockerung des Weisungsrechts in der Vorstellung des Gesetzgebers gehen kann, ohne dass deswegen die Stellung als Beschäftigter entfällt, zeigen beispielhaft die gesetzlichen Sonderregelungen zur Versicherungsfreiheit von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft in der RV und Arbeitslosenversicherung (§ 1 S 4 SGB VI sowie § 27 Abs 1 Nr 5 SGB III), die regelmäßig abhängig beschäftigt sind, auch wenn sie die Gesellschaft in eigener Verantwortung zu leiten haben und gegenüber der Belegschaft Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen (stRspr BSGE 65, 113, 116 f = SozR 2200 § 1248 Nr 48 S 125; SozR 3-2400 § 7 Nr 18 S 65; BSGE 100, 62 = SozR 4-2600 § 1 Nr 3, RdNr 16; BSGE 107, 185 = SozR 4-2600 § 1 Nr 6, RdNr 14). Allein weit reichende Entscheidungsbefugnisse eines "leitenden Angestellten", der in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem gemilderten Weisungsrecht unterliegt, machen diesen nicht schon zu einem Selbstständigen. Auch der von den Vorinstanzen ohne konkrete Feststellungen angeführte Verzicht des Klägers auf einen Teil des Jahresurlaubs spricht per se nicht für Selbstständigkeit, da es auch unter (abhängig) Beschäftigten vorkommt, dass diese auf einen Teil ihres Jahresurlaubs verzichten. Der Verzicht auf einen Teil des Jahresurlaubs hat somit lediglich indiziellen Charakter (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 17 S 60).
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Eine solche, noch dem Typus der Beschäftigung zuzuordnende Eingliederung des Klägers in eine vorgegebene Ordnung des Betriebes der Beigeladenen zu 1. bestand während des gesamten streitigen Zeitraums. Als Mitgeschäftsführer blieb er in die vorgegebene Organisation der Beigeladenen zu 1. eingebunden. Der Kläger besaß keine rechtliche Möglichkeit, auf die konkrete Ausgestaltung der betrieblichen Organisation der Beigeladenen zu 1. Einfluss zu nehmen. Die Organe einer juristischen Person können nicht in einem rechtsfreien bzw der Beliebigkeit der Beteiligten unterstehenden Raum agieren. Vielmehr sind die rechtlichen Rahmenbedingungen, wie sie insbesondere durch das Zivilrecht ausgestaltet sind, zu beachten. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass diese Rahmenbedingungen keinen bloßen, auf den Innenbereich der juristischen Person beschränkten Anwendungsbereich haben, sondern vielfältige und umfangreiche weitere Konsequenzen, etwa zum Schutz von Gläubigern, bei Haftungsfragen oder beispielsweise im Steuerrecht nach sich ziehen. So macht § 164 S 1 HGB bei einer KG Handlungen, die über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft hinausgehen, von der Zustimmung der grundsätzlich von der Führung der Geschäfte der Gesellschaft ausgeschlossenen Kommanditisten abhängig. Zwar ist § 164 HGB dispositiv. Der Kernbereich der Kommanditistenrechte ist jedoch unantastbar (vgl hierzu zB Hopt in Hopt ua, HGB, 35. Aufl 2012, § 164 RdNr 6). Hinzu kommt, dass sog Grundlagengeschäfte, die das Gesellschaftsverhältnis und seine Gestaltung betreffen, stets der Zustimmung aller Gesellschafter bedürfen (vgl § 114 HGB; BGHZ 132, 263, 266). Angesichts dieser rechtlichen Rahmenbedingungen kann vorliegend aus der vom LSG angenommenen faktischen Nichtwahrnehmung von Aufsichts-, Kontroll- und Weisungsrechten durch die dazu gesellschaftsrechtlich berufenen Organe nicht ohne Weiteres geschlossen werden, dass dadurch die ihnen zugrundeliegenden Rechte und Pflichten "stillschweigend" abbedungen worden seien. Dabei kommt es auch auf die Frage des Einhaltens der in dem Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Schriftform nicht an. Vor dem Hintergrund der umfangreichen gesellschaftsrechtlichen Verfahrens- und Formvorschriften (vgl §§ 114, 119 Abs 1 HGB) ist eine "stillschweigende" Änderung der grundlegenden rechtlichen Verhältnisse der Gesellschaft ausgeschlossen. Darüber hinaus sieht § 3 Abs 1 des Gesellschaftsvertrags, der der Gründung der Beigeladenen zu 1. zugrunde lag, ausdrücklich vor, dass zur Geschäftsführung und Vertretung die Komplementärin berechtigt und verpflichtet ist. Änderungen des Gesellschaftsvertrags oder Gesellschafterbeschlüsse der Beigeladenen zu 1. oder der Komplementär-GmbH, die eine Änderung der Geschäftsführerbefugnisse oder eine Definition der Wahrnehmung von Aufsichts-, Kontroll- und Weisungsrechten innerhalb der Beigeladenen zu 1. dokumentieren würden, haben SG und LSG nicht festgestellt. Der Kläger hatte auch weder rechtlich noch tatsächlich die Möglichkeit, wie ein beherrschender oder zumindest mit einer Sperrminorität ausgestatteter Gesellschafter-Geschäftsführer ihm nicht genehme Weisungen jederzeit abzuwenden (vgl hierzu allgemein zB BSGE 66, 69 = SozR 4100 § 104 Nr 19; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 13 f; aus jüngerer Zeit BSG <12. Senat> SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 28 und<11a. Senat> SozR 4-2400 § 7 Nr 8 RdNr 15, jeweils mwN). Hierzu fehlte es bereits an einer Beteiligung des Klägers am Stammkapital der Beigeladenen zu 1.
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d) Entgegen der Auffassung des LSG sind auch weder die familiären Umstände (hierzu im Folgenden aa) noch die Verbindung der beiden Unternehmen (hierzu bb) geeignet, die Selbstständigkeit des Klägers zu bejahen.
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aa) Das BSG hat in der Vergangenheit in seiner Rechtsprechung - überwiegend zu Leistungsansprüchen des Arbeitsförderungs- und Unfallversicherungsrechts - auch für den Fall, dass der Geschäftsführer einer Gesellschaft nicht zumindest über eine Sperrminorität verfügte, eine selbstständige Tätigkeit des Betroffenen für möglich erachtet, wenn dessen Tätigwerden innerhalb einer Gesellschaft durch eine besondere Rücksichtnahme aufgrund familiärer Bindungen geprägt war (BSG Urteil vom 29.10.1986 - 7 RAr 43/85 - USK 86145; BSG Urteil vom 8.12.1987 - 7 RAr 25/86 - USK 87170; BSG Urteil vom 14.12.1999 - B 2 U 48/98 R - USK 9975; BSG SozR 2100 § 7 Nr 7 S 6; BSG Urteil vom 28.1.1992 - 11 RAr 133/90 - USK 9201; BSG Urteil vom 11.2.1993 - 7 RAr 48/92 - USK 9347; im konkreten Fall abgelehnt: BSG Urteil vom 10.5.2007 - B 7a AL 8/06 R - USK 2007-53; umgekehrt allerdings
: BSG SozR 3-4100 § 104 Nr 8 S 37). Ohne Geschäftsführerstellung hat der 12. Senat eine - nach den allgemeinen Grundsätzen eigentlich ausgeschlossene - selbstständige Tätigkeit für den Fall als gegeben erachtet, dass der in einer GmbH Tätige neben seinem Ehegatten alleiniger oder gleichberechtigter Gesellschafter der GmbH ist (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 17). Dabei hat der Senat jedoch nicht auf eine familiäre Verbundenheit, sondern maßgebend auf die mit der Gesellschafterstellung verbundene Rechtsmacht abgestellt (BSG, aaO, S 58, 60). Weitergehend hatte allerdings der 3. Senat bereits 1971 die Selbstständigkeit eines nicht zum (ggf weiteren) Geschäftsführer bestellten Minderheitsgesellschafters angenommen, weil dieser in der betrieblichen Praxis der mit ihm verheirateten Geschäftsführerin und Mehrheitsgesellschafterin vollständig gleichgestellt gewesen sei sowie sich faktisch als zweiter Geschäftsführer betätigt und neben der hauptamtlichen Geschäftsführerin die GmbH nach außen vertreten hatte (BSG SozR Nr 68 zu § 165 RVO; vgl auch BSG Urteil vom 23.6.1994 - 12 RK 72/92 - USK 9448). Noch darüber hinausgehend hat der 11. Senat des BSG eine selbstständige Tätigkeit sogar im Fall des - nicht an der GmbH beteiligten und nicht zum Geschäftsführer bestellten - Sohnes eines Allein-Gesellschafter-Geschäftsführers für möglich gehalten (BSGE 66, 168 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1; in Abgrenzung zur familienhaften Mithilfe vgl aber BSG SozR Nr 22 zu § 165 RVO). Dabei ist der 11. Senat davon ausgegangen, dass für einen Fremdgeschäftsführer einer Familiengesellschaft, der mit den Gesellschaftern familiär verbunden ist, eine Ausnahme von der Beschäftigtenstellung in Betracht komme, wenn er faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führen konnte und geführt hat, ohne dass ihn der oder die Gesellschafter daran hinderten (unter Hinweis auf BSG Urteil vom 8.12.1987 - 7 RAr 25/86 - USK 87170). Diese Ausnahme solle - so der 11. Senat - auch gelten, wenn der Alleingesellschafter zugleich Alleingeschäftsführer ist und die Tätigkeit der faktischen Leitung des Betriebes formal auf der Ebene unter dem Geschäftsführer ausgeübt werde. Indessen lasse eine bloß "probeweise" Leitung des Betriebs durch den als Unternehmensnachfolger vorgesehenen Sohn eine (abhängige) Beschäftigung nicht entfallen. Wollten die Eltern, dass der Sohn den Betrieb in der bisherigen Art fortführe, und erlaube es ihre Mitarbeit im Betrieb verbunden mit ihrer Rechtsstellung als Gesellschafter und Geschäftsführer, diesen Willen durchzusetzen, so habe für den Sohn die fremdbestimmte betriebliche Ordnung im Sinne einer Beschäftigung fortbestanden, auch wenn er sich innerhalb des durch die bisherige Betriebsführung vorgegebenen Rahmens frei bewegen durfte (BSGE 66, 168, 170 ff = SozR 3-2400 § 7 Nr 1 S 4 f; zu einer solchen Konstellation vgl auch LSG Baden-Württemberg Urteil vom 18.5.2010 - L 11 KR 1423/08).
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Der Senat kann vorliegend offenlassen, ob der vom 11. Senat des BSG formulierten Rechtsauffassung (ggf modifiziert bzw auf gänzlich atypische Sonderfälle beschränkt) bezogen auf das Versicherungs- und Beitragsrecht gefolgt werden kann oder ob - wofür einiges spricht - der aus gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben entspringenden Rechtsmacht als Teil der tatsächlichen Verhältnisse, auf die auch der 11. Senat ausdrücklich hingewiesen hat, maßgebende Bedeutung beizumessen ist. Für Letzteres spricht, dass entscheidender Gesichtspunkt für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit anstelle einer (abhängigen) Beschäftigung auch im Zusammenhang mit Familiengesellschaften die Möglichkeit ist, unliebsame Weisungen des Arbeitgebers bzw Dienstberechtigten abzuwenden. Dies mag aufgrund familiärer Rücksichtnahme solange der Fall sein, wie das Einvernehmen der Familienmitglieder gewahrt bleibt. Im Falle eines familiären Zerwürfnisses zwischen den Beteiligten käme jedoch allein die den einzelnen Familienmitgliedern zustehende Rechtsmacht zum Tragen, sodass auch nach den gelebten tatsächlichen Verhältnissen eine Weisungsunterworfenheit bestünde (kritisch aus diesem Grunde auch Segebrecht in jurisPK-SGB IV, 2. Aufl 2011, § 7 RdNr 124). Eine solche "Schönwetter-Selbstständigkeit" ist mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände schwerlich hinnehmbar. So hat das BSG in der Vergangenheit wiederholt darauf hingewiesen, dass es im Interesse aller Beteiligten, der Versicherten und der Versicherungsträger, liegt, die Frage der Versicherungspflicht und der Versicherungsfreiheit schon zu Beginn der Tätigkeit zu klären, weil diese nicht nur für die Entrichtung der Beiträge, sondern auch für die Leistungspflichten des Sozialleistungsträgers und die Leistungsansprüche des Betroffenen von entscheidender Bedeutung sein kann (vgl SozR Nr 6 zu § 168 RVO; SozR 2200 § 1228 Nr 1 S 2; SozR 2200 § 205 Nr 41 S 103; zuletzt Urteil des Senats vom 27.7.2011 - B 12 R 15/09 R - SozR 4-2600 § 5 Nr 6 RdNr 16).
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Es kann dahingestellt bleiben, inwieweit die Grundsätze über die rechtliche Relevanz familiärer Rücksichtnahme auf den vorliegenden Fall einer GmbH & Co. KG - bestehend aus natürlichen Personen und einer juristischen Person - überhaupt übertragbar sind. Vorliegend bestanden "familiäre" Beziehungen des Klägers lediglich zu einem der beiden Kommanditisten der Beigeladenen zu 1., nämlich seiner Mutter. Zu D. als weiterem Mehrheits-Kommanditisten und gleichzeitigem Geschäftsführer der Komplementär-GmbH sind keine verwandtschaftlichen Beziehungen festgestellt worden. Zur Komplementär-GmbH der Beigeladenen zu 1. sind verwandtschaftliche Beziehungen von vornherein ausgeschlossen. Selbst zu den Gesellschaftern der Komplementär-GmbH der Beigeladenen zu 1. bestanden nur teilweise verwandtschaftliche Beziehungen des Klägers, nämlich soweit diese seine Eltern waren bzw nach dem Ausscheiden des Vaters aus der Gesellschaft seine Mutter war. Die Mehrheit der Geschäftsanteile in der Komplementär-GmbH wie auch die Mehrheit der Kommanditeinlagen lagen bei D.
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bb) Die konkrete wirtschaftliche Situation bzw die faktische Verbindung der Beigeladenen zu 1. zur Baumschule als "vorgeschaltetem" Einzelunternehmen sind schließlich ebenfalls nicht geeignet, eine Selbstständigkeit des Klägers zu bejahen. Eine auch sozialversicherungsrechtlich - möglicherweise - relevante wirtschaftliche Verflechtung der Beigeladenen zu 1. zu der im streitigen Zeitraum vom Vater des Klägers betriebenen Baumschule - beispielsweise innerhalb einer Konzernstruktur (vgl § 18 AktG) - haben die Vorinstanzen nicht festgestellt. Eine Verbindung beider Unternehmen miteinander bestand nach den Feststellungen lediglich insoweit, als die Baumschule der einzige Lieferant der Beigeladenen zu 1. war. Diese wirtschaftliche Situation legt zwar die Annahme einer wirtschaftlichen Abhängigkeit der Beigeladenen zu 1. von der Baumschule nahe. Hieraus allein ergäbe sich aber keine Änderung der Beurteilung der Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 1., da der Kläger im streitigen Zeitraum nicht Eigentümer bzw Betriebsinhaber der Baumschule war. Er hatte seinerzeit lediglich die Aussicht, als Hoferbe die Baumschule zu übernehmen, was jedoch erst später zum 1.1.2006 erfolgte.
Ein Vertreter kann, soweit nicht ein anderes ihm gestattet ist, im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten ein Rechtsgeschäft nicht vornehmen, es sei denn, dass das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht.
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 7.6.2013 wird zurückgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander auch im Berufungsrechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens (§ 7a Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch [SGB IV]) über die Versicherungspflicht des Klägers zu 2) im Rahmen seiner Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin zu 1) in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung sowie dem Recht der Arbeitsförderung in dem Zeitraum vom 10.9.2008 bis zum 31.7.2012.
3Die Klägerin zu 1) wurde mit notariellem Gesellschaftsvertrag vom 19.2.2008 gegründet und am 25.3.2008 in das Handelsregister eingetragen (Amtsgericht L [HRB 000]). Nach § 3 Abs. 1 des ursprünglichen Gesellschaftsvertrages der Klägerin zu 1) betrug deren Stammkapital 25.000,00 EUR. Hierauf haben die E GmbH, L eine Einlage von 12.200,00 EUR sowie der Kläger zu 2) und Herr E L eine Einlage von jeweils 6.400,00 EUR geleistet (§ 3 Abs. 2). Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Gesellschaftsvertrages vom 19.2.2008 Bezug genommen.
4Mit Beschluss der Gründungsgesellschafter vom 19.2.2008 wurden als gesamtvertretungsberechtigte Geschäftsführer der Gesellschaft der Kläger zu 2) sowie Herr E L bestellt.
5Mit zwischen den Gründungsgesellschaftern vereinbartem notariellen "Investor Agreement (Beteiligungsvertrag bzw. Kauf- und Abtretungsverpflichtung)" vom 19.2.2008 (Investor Agreement) verpflichteten sich der Kläger zu 2) sowie Herr E L, den Aufbau der Klägerin zu 1) mit ihrer Arbeitskraft als Geschäftsführer sicherzustellen. Zugleich vereinbarten die Gründungsgesellschafter der Klägerin zu 1) eine Verteilung der Ressortzuständigkeit beider Geschäftsführer. Hiernach war der Kläger zu 2) für die Bereiche "Marketing & Sales, Strategie & Konzeption", der weitere Geschäftsführer L für die Geschäftsbereiche "Personal & Business Development, Strategie & Konzeption" zuständig. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Investor Agreements vom 19.2.2008 Bezug genommen.
6Am 2.9.2008 übertrug die E GmbH Anteile des von ihr geleisteten Stammkapitals an der Klägerin zu 1) an Herrn D H, Herrn N B sowie Herrn J T. Der Stammkapitalanteil des Klägers zu 2) blieb unverändert.
7Mit Gesellschafterbeschluss vom 10.9.2008 wurde der ursprüngliche Gesellschaftsvertrag der Klägerin zu 1) neu gefasst und eine Erhöhung des Stammkapitals auf 33.350,00 EUR beschlossen. In diesem Zuge trat als weitere Gesellschafterin der Klägerin zu 1) die E Holding GmbH & Co. KG hinzu, die auch die weitere Einlage auf das Stammkapital leistete. Der neu gefasste Gesellschaftsvertrag der Klägerin zu 1) enthielt auszugsweise folgenden Wortlaut:
8"1. Firma, Sitz, Geschäftsjahr 1.1 Die Gesellschaft führt die Firma Q GmbH. ( ...)
92. Gegenstand des Unternehmens 2.1 Gegenstand des Unternehmens ist die Erbringung von Dienstleistungen zu veranstaltungsfördernden Maßnahmen und der Planung von Freizeitaktivitäten, insbesondere durch den Betrieb einer Suchmaschine und eines Content Netzwerkes im Internet sowie die Vermarktung von Veranstaltungen in Online-wie Offline Medien. ( ...).
104. Stammkapital 4.1 Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt EUR 33.350,00 ( ...). ( ...).
115. Geschäftsführer 5.1 Die Gesellschaft hat einen oder mehrere Geschäftsführer. Ist nur ein Geschäftsführer bestellt, so vertritt dieser die Gesellschaft allein; sind mehrere Geschäftsführer bestellt, wird die Gesellschaft entweder durch zwei Geschäftsführer oder durch einen Geschäftsführer zusammen mit einem Prokuristen vertreten. 5.2 Durch Beschluss der Gesellschafterversammlung kann einem Geschäftsführer - auch einem solchen, der Geschäftsanteile innehat - die Befugnis zur Einzelvertretung und auch allgemein oder für Einzelfälle Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB erteilt werden.
126. Geschäftsführung 6.1 Die Geschäftsführer sind verpflichtet, die Geschäfte der Gesellschaft in Übereinstimmung mit dem Gesetz, diesem Gesellschaftsvertrag in seiner jeweils gültigen Fassung, den Geschäftsführerdienstverträgen, einer ggfs. bestehenden Geschäftsordnung sowie den Beschlüssen und Weisungen der Gesellschafter zu führen. ( ...).
137. Gesellschafterversammlung 7.1 Die Gesellschafterversammlung wird durch die Geschäftsführer einberufen. Jeder Geschäftsführer ist einzeln einberufungsberechtigt. Jeder Gesellschafter kann die Einberufung einer Gesellschafterversammlung bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen verlangen. 7.2 Die Einberufung erfolgt an jeden Gesellschafter unter der der Gesellschaft zuletzt schriftlich bekannt gegebenen Anschrift unter Angabe von Ort, Tag, Zeit und Tagesordnung mit einer Frist von mindestens zwei (2) Wochen bei ordentlichen Gesellschafterversammlungen und von mindestens einer (1) Woche bei außerordentlichen Gesellschafterversammlungen. ( ...). 7.3 Eine Gesellschafterversammlung ist nur beschlussfähig, wenn 80% des Stammkapitals vertreten sind. Andernfalls ist unter Beachtung von Ziffer 7.2 unverzüglich eine neue Gesellschafterversammlung mit gleicher Tagesordnung einzuberufen. Diese ist ohne Rücksicht auf das vertretene Stammkapital beschlussfähig, falls hierauf in der Einberufung hingewiesen worden ist und die neue Gesellschafterversammlung nicht später als sechs (6) Wochen nach der nicht beschlussfähigen Versammlung stattfindet. ( ...).
148. Gesellschafterbeschlüsse 8.1 Die Beschlüsse der Gesellschafter werden in Versammlungen gefasst. ( ...). ( ...). 8.3 Sämtliche Gesellschafterbeschlüsse werden mit einer einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst, soweit nicht das Gesetz oder dieser Gesellschaftsvertrag ein höheres Mehrheitserfordernis vorsehen. Je EUR 50,00 eines Geschäftsanteils gewähren eine Stimme. Stimmenthaltungen zählen als nicht abgegebene Stimme. ( ...). 8.5 Soweit dieser Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt, ist ein Geschäftsführer nur dann, aber auch immer dann von der Stimmabgabe ausgeschlossen, wenn darüber Beschluss zu fassen ist, - ob er zu entlasten oder von einer Verbindlichkeit zu befreien ist, - ob die Gesellschaft einen Anspruch gegen ihn geltend machen soll; - ob ihm bei Vorliegen eines wichtigen Grundes ein Amt oder eine Befugnis entzogen werden soll oder - ob sein Geschäftsanteil eingezogen oder bei Vorliegen der Einziehungsvoraussetzungen über diesen anderweitig verfügt werden soll. 8.6 Abweichend von Ziffer 8.3 dürfen Gesellschafterbeschlüsse hinsichtlich der nachfolgenden Gegenstände nicht ohne Zustimmung der Gesellschafterin E Holding GmbH & Co. KG (im folgenden "Investor") und der Gesellschafterin E gmbh gefasst werden (Vetorechte): a) Feststellung des Jahresabschlusses auf Vorschlag der Geschäftsführung; b) Verwendung des Bilanzgewinnes; c) Entlastung der Geschäftsführung; d) Wahl eines Abschlussprüfers; e) Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern sowie Beschlüsse zur Einräumung von Einzelvertretungsberechtigung und zur Befreiung von § 181 BGB; f) Abschluss, Änderung und Beendigung von Geschäftsführerdienstverträgen; g) Zustimmung zur Übertragung von Geschäftsanteilen; h) Einziehung und Abtretung von Geschäftsanteilen; i) Freistellung vom Wettbewerbsverbot; j) Zustimmung zu Maßnahmen der Geschäftsführung, die nach der Geschäftsordnung für die Geschäftsführer der Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedürfen und k) Beschlüsse, die nach Gesetz oder Gesellschaftsvertrag einer Mehrheit von mindestens drei Vierteln der abgegebenen Stimmen bedürfen. Für den Fall, dass der Investor und E GmbH das ihnen zustehende Vetorecht in einem Gesellschafterbeschluss unterschiedlich ausüben wollen, ist der entsprechende Gesellschafterbeschluss durch die Gesellschafterversammlung mit einer Mehrheit von 75% der abgegebenen Stimmen ohne Berücksichtigung eines Vetorechts zu fassen. ( ...).
159. Beirat 9.1 Bei der Gesellschaft kann ein Beirat errichtet werden, der nur beratende Funktion hat. 9.2 § 52 GmbHG findet auf den Beirat keine Anwendung. 9.3 Der Beirat kann sich eine Geschäftsordnung geben."
16Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Gesellschaftsvertrages der Klägerin zu 1) in seiner Fassung vom 10.9.2008 Bezug genommen.
17Mit Wirkung zum 10.9.2008 schlossen die Kläger einen "Geschäftsführervertrag" mit auszugsweise folgenden Regelungen:
181. Tätigkeit 1.1 Der Geschäftsführer hat die Geschäfte der Gesellschaft - ggf. mit weiteren Geschäftsführern - mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns gewissenhaft zu führen und die ihm durch Gesetz, Satzung, Vertrag, Geschäftsordnung oder Beschlüsse und Weisungen der Gesellschafterversammlung übertragenen Obliegenheiten verantwortungsbewusst wahrzunehmen. 1.2 Die Tätigkeit des Geschäftsführers besteht insbesondere in der verantwortlichen Führung und Überwachung des gesamten Tätigkeitsbereiches der Gesellschaft, einschließlich der Veranlassung, Abstimmung und Durchführung aller Maßnahmen, soweit nach Gesetz, Satzung, Gesellschafter- und Beiratsbeschlüssen sowie der Geschäftsordnung zulässig. Die Gesellschafterversammlung behält sich das Recht vor, die Zuständigkeitsbereiche der Geschäftsführer neu zu regeln. 1.3 Der Geschäftsführer stellt seine gesamte Arbeitskraft sowie sein gesamtes Wissen und Können ausschließlich der Gesellschaft zur Verfügung. 1.4 Der Geschäftsführer hat sich bei seiner Tätigkeit kollegial mit etwaigen weiteren Geschäftsführern abzustimmen.
192. Rechte und Pflichten 2.1 Die Rechte und Pflichten des Geschäftsführers ergeben sich aus dem Gesetz, der Satzung, der bestehenden Geschäftsordnung sowie Beschlüssen und Weisungen - allgemein oder im Einzelfall - der Gesellschafterversammlung. 2.2 Folgende Geschäftsführungsmaßnahmen bedürfen der vorherigen Zustimmung durch die Gesellschafterversammlung: a) Bestellung und Abberufung von Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten zum gesamten Geschäftsbetrieb; b) Aufnahme von Krediten ab EUR 50.000,00; c) Gewährung von Darlehen ab EUR 10.000,00; d) Zustimmung zur Teilung von Geschäftsanteilen; e) Errichtung, Erwerb, Schließung und Veräußerung von Betrieben, Teilbetrieben oder Zweigniederlassungen und Übernahme anderer Unternehmen oder deren Veräußerung oder Kündigung; f) Aufnahme von Geschäftsbereichen und deren Aufgabe; g) Erwerb und Veräußerung von Beteiligungen an anderen Unternehmungen einschließlich der Begründung beteiligungsartiger Finanzierungsgeschäfte. Das gleiche gilt für die Änderung von Verträgen im Sinne des vorangehenden Satzes; h) Erwerb, Veräußerung oder Belastung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten; i) Investitionen über (im Einzelfall) EUR 50.000,00; j) Einräumung von Beteiligungen an Vermögen, Umsatz oder Gewinn der Gesellschaft. Ausgenommen sind Gewinn- und Umsatzbeteiligungen von Mitarbeitern bis zu einer Höhe von EUR 25.000,00 jährlich, k) Sicherheitsleistungen, Abgabe von Bürgschaften und Garantien sowie Eingehung von Wechselverpflichtungen; ausgenommen ist die übliche Gewährleistung für Produkte der Gesellschaft; l) Rechtsgeschäfte mit Gesellschaftern der Gesellschaft oder mit diesen verbundenen Unternehmen (§ 15 AktG) oder diesen nahe stehenden Personen; m) Einstellung und Kündigung von Mitarbeitern, wenn deren gesamte Vergütung einschließlich etwaiger Nebenvergütungen (z.B. Tantieme) EUR 50.000,00 jährlich übersteigt; n) Erteilung von Ruhegeld- oder Pensionszusagen; eventuelle Pensionszusagen für Geschäftsführer oder Gesellschafter werden mit ihren Kosten für die Gesellschaft wie ein Teil des Gehalts betrachtet; o) Abschluss anderer Verträge, durch die der Gesellschaft Aufwendungen oder Verpflichtungen von über (im Einzelfall oder insgesamt) EUR 25.000,00 entstehen, mit Ausnahme von Veräußerungsgeschäften im Rahmen des üblichen Geschäftsverkehrs; p) Eingehung von Dauerschuldverhältnissen mit einem jährlichen Gesamtverpflichtungswert von EUR 50.000,00; q) Einleitung von Aktivprozessen. Das gilt nicht für Verfahren im vorläufigen Rechtsschutz und zur Wahrung von Rechtsbehelfsverfahren oder in sonst eilbedürftigen Fällen. In Fällen des vorstehenden Satzes sind die Gesellschafter unverzüglich zu unterrichten und die Entscheidung über die Aufrechterhaltung ihrer Maßnahmen herbeizuführen; und r) Abschluss von Vergleichen und Erlass von Forderungen, soweit sich dies außerhalb des normalen Geschäftsverkehrs bewegt. 2.3 Die Zustimmung zu einem Jahresbudget oder einer anderen Jahresplanung, das eine der zustimmungspflichtigen Maßnahmen enthält, gilt als Zustimmung, soweit bei der Verabschiedung diesbezüglich kein Vorbehalt gemacht wurde.
203. Dauer, Kündigung 3.1 Dieser Vertrag beginnt am 10. September 2008 und wird auf unbestimmte Zeit geschlossen. Er kann von beiden Seiten unter Beachtung einer Kündigungsfrist von drei (3) Monaten zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden. 3.2 Die Kündigung dieses Vertrages aus wichtigem Grundblatt unberührt. Ein wichtiger Grund für die Gesellschaft liegt insbesondere vor, wenn der Geschäftsführer substanziell zum Nachteil der Gesellschaft gegen die Bestimmungen dieses Vertrages oder die ihm im Innenverhältnis auferlegten Beschränkungen hinsichtlich der Geschäftsführung verstößt. ( ...).
215. Geschäftsführung- und Vertretungsbefugnis 5.1 Der Geschäftsführer vertritt die Gesellschaft neben den übrigen Geschäftsführern gerichtlich und außergerichtlich nach Maßgabe seiner Bestellung und des Gesellschaftsvertrages. Ihm kann durch Gesellschafterbeschluss Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB erteilt werden. 5.2 Der Geschäftsführer hat die ihm durch diesen Vertrag, das Gesetz, die Satzung, die Geschäftsordnung oder durch Beschlüsse oder Weisungen der Gesellschafterversammlung auferlegten Beschränkungen zu beachten.
226. Vergütung 6.1 Der Geschäftsführer erhält als Vergütung für seine Tätigkeit ein jährliches Grundgehalt in Höhe von EUR 42.000 brutto, zahlbar in 12 Monatsbeträgen, jeweils am Ende des Monats, abzüglich der gesetzlichen Abzüge. 6.2 Durch die Vergütung entsprechend den vorstehenden Bestimmungen ist die gesamte Tätigkeit des Geschäftsführers für die Gesellschaft und verbundene Unternehmen einschließlich etwaiger Tätigkeiten an Sonn- und Feiertagen, Erfindungen und Urheberrechte gemäß Ziffer 13 dieses Vertrages abgegolten.
237. Spesen Die Gesellschaft ist dem Geschäftsführer zum Ersatz notwendiger und angemessener, dienstlich veranlasster Auslagen verpflichtet. Die Auslagen sind im Einzelfall nach den steuerlichen Vorschriften zu belegen, sofern nicht nach den steuerlichen Vorschriften zulässige Pauschalbeträge abgerechnet werden.
248. Urlaub 8.1 Der Geschäftsführer hat Anspruch auf einen jährlichen Urlaub von 20 Arbeitstagen auf Basis einer Fünf-Tage Woche. 8.2 Der Zeitpunkt des Urlaubs ist mit den weiteren Geschäftsführern unter Wahrung der Belange der Gesellschaft abzustimmen. 8.3 Kann der Geschäftsführer aus geschäftlichen oder in seiner Person liegenden Gründen den Urlaub nicht oder nicht vollständig bis zum Jahresende nehmen, so bleibt ihm der Anspruch auf Urlaub insoweit bis zum 31. März des Folgejahres erhalten. Kann aus geschäftlichen Gründen auch bis zu diesem Zeitpunkt der Urlaub nicht oder nicht vollständig genommen werden, so ist er dem Geschäftsführer abzugelten. Kann der Urlaub wegen Beendigung des Anstellungsverhältnisses nicht oder nicht vollständig gewährt werden, so ist er dem Geschäftsführer auf Basis der Vergütung gemäß Ziffer 6.1 abzugelten.
259. Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall 9.1 Im Falle der Erkrankung oder sonstigen unverschuldeten Verhinderung wird die monatliche Vergütung für die Dauer von sechs (6) Monaten, längstens jedoch bis zur Beendigung des Geschäftsführeranstellungsverhältnisses fortgezahlt. Die Fortzahlung beginnt mit dem Monat, der dem Eintritt der Arbeitsverhinderung folgt. 9.2 Verstirbt der Geschäftsführer während der Dauer dieses Vertrages, so haben seine Witwe bzw. Lebensgefährtin sowie die ehelichen Kinder bzw. nicht ehelichen Kinder, für die ein Sorgerecht des Verstorbenen bestanden hat, soweit diese das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und noch in der Berufsausbildung stehen, als Gesamtgläubiger Anspruch auf Fortzahlung des Gehalts gemäß Ziffer 6.1 für den Sterbemonat und die drei folgenden Monate.
2610. Pflichten, Nebentätigkeiten 10.1 Der Geschäftsführer hat seine gesamte Arbeitskraft und deren Ergebnisse allein der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen. 10.2 Jede sonstige auf Erwerb gerichtete andere Beschäftigung bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung durch die Gesellschafterversammlung. Der Geschäftsführer verpflichtet sich, der Gesellschafterversammlung jede tatsächliche oder möglicherweise zustimmungsbedürftige Nebenbeschäftigung im voraus schriftlich anzuzeigen. ( ...).
2714. Wettbewerbsverbot 14.1 Dem Geschäftsführer ist untersagt, während der Dauer dieses Vertrages in selbständiger, unselbständiger oder in sonstiger Weise für ein Unternehmen tätig zu werden, welches mit der Gesellschaft in direktem oder indirektem Wettbewerb steht. In gleicher Weise ist es dem Geschäftsführer untersagt, während der Dauer dieses Vertrages ein solches Unternehmen zu errichten, zu erwerben oder sich hieran unmittelbar oder mittelbar zu beteiligen. ( ...).
28Wegen der weiteren Einzelheiten des Geschäftsführervertrags vom 10.9.2008 wird auf dessen Inhalt Bezug genommen.
29Mit Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 24.9.2009 wurde Ziffer 4.1 des Gesellschaftsvertrages abermals geändert und das Stammkapital durch eine von der E Holding GmbH & Co. KG geleistete weitere Einlage von 5.135,00 Euro erhöht und auf 38.485,00 Euro festgelegt. Der Stammkapitalanteil des Klägers zu 2) blieb unverändert. In diesem Zuge wurde Ziffer 8.3 Satz 2 des Gesellschaftsvertrages in der zuvor geltenden Fassung dahingehend neu gefasst, dass fortan je 1,00 Euro eines Geschäftsanteils eine Stimme gewährt. Ziffer 8.6 des Gesellschaftsvertrages wurde - im Hinblick auf einen zwischenzeitlich erfolgten Erwerb von Geschäftsanteilen durch die Kernpunkte Software GmbH im Nennwert von 2.580,00 Euro - zu Gunsten folgenden Wortlauts geändert:
30"Abweichend von Ziffer 8.3 dürfen Gesellschafterbeschlüsse hinsichtlich der nachfolgenden Gegenstände nicht ohne Zustimmung der Gesellschafter der E Holding GmbH & Co. KG (im Folgenden "Investor"), E GmbH und der kernpunkte Software GmbH gefasst werden ("Vetorechte"), wobei der Investor und die kernpunkte Software GmbH ihre Entscheidungen gemeinsam mit einfacher Mehrheit der ihnen bezogen auf ihre Beteiligung am Stammkapital zugewiesenen Stimmen treffen."
31Mit Gesellschafterbeschluss vom 13.4.2010 kam es zu einer weiteren Veränderung im Gesellschafterbestand der Klägerin zu 1). Das Stammkapital von 38.485,00 Euro blieb unverändert. Nach der in diesem Zusammenhang aktualisierten Gesellschafterliste wurde dem Kläger zu 2) ein weiterer Geschäftsanteil in Höhe eines Nennbetrages von 1.550,00 Euro zugewiesen.
32Im Zuge einer weiteren Stammkapitalerhöhung (Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 27.5.2010) auf einen Betrag von 42.371,00 Euro traten als weitere Gesellschafter der Klägerin zu 1) die N GmbH mit einem Geschäftsanteil von 679,00 Euro und die F GmbH mit einem Geschäftsanteil von 3.207,00 Euro hinzu. Zugleich wurden die in Ziffer 8.6 geregelten Vetorechte zu ihren Gunsten erweitert.
33Mit Gesellschafterbeschluss vom 10.6.2011 wurde eine weitere Kapitalerhöhung um 5.126,00 Euro auf 47.497,00 Euro beschlossen. Die weiteren Geschäftsanteile wurden von der N GmbH (212,00 Euro), der F GmbH (889,00 Euro), der E GmbH (1.271,00 Euro) sowie der E Holding GmbH & Co. KG (2.754,00 Euro) übernommen.
34Mit einem im Juli 2011 getroffenen Gesellschafterbeschluss wurde der Kläger zu 2) von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreit.
35Unter dem 21.7.2011 wurde der zwischen den Klägern geschlossene Geschäftsführervertrag - unter Aufhebung seiner Fassung vom 10.9.2008 - neu gefasst. Nach einer in Ziffer 1.2 des Geschäftsführervertrages aufgenommenen Konkretisierung der Tätigkeitsfelder war der Kläger zu 2) fortan für die Bereiche "Projektplanung, Konzeption, Personalmanagement, Mobile App Konzeption und Entwicklung" zuständig. Wegen der weiteren Einzelheiten wird den Inhalt des Geschäftsführervertrages vom 21.7.2011 Bezug genommen.
36Mit Beschluss der Gesellschafterversammlung der Klägerin zu 1) vom 28.9.2011 wurde dem Kläger zu 2) Einzelvertretungsberechtigung eingeräumt.
37Am 1.11.2011 beantragten die Kläger bei der Beklagten schriftlich die Feststellung, dass der Kläger zu 2) im Rahmen seiner Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer für die Klägerin zu 1) zu dieser nicht in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stehe. Zur Begründung führten sie aus: Neben ihm und dem weiteren Gründungsgesellschafter, Herrn E L, seien an der Klägerin zu 1) gesellschaftsrechtlich ausschließlich Kapitalgeber beteiligt, die sich durch eine Beteiligung ein rentables Investment versprächen. Keiner der Investoren wirke im operativen Geschäft mit und verfüge über die notwendigen Fach- und Branchenkenntnisse zur Führung des Unternehmens. Schon aus diesem Grund verließen sich die Investoren auf die Entscheidungen der Geschäftsführer, die als Gründungsgesellschafter "Kopf und Seele" des Unternehmens bildeten. Obwohl der Kläger zu 2) nur Minderheitsgesellschafter sei, bestimme er maßgeblich die Geschäfte der Gesellschaft, insbesondere in den Bereichen Konzeption und Entwicklung der mobilen Applikationen sowie der Projektplanung. In diesen Bereichen verfüge er als einziger im Unternehmen über fundiertes Fachwissen und die notwendige Branchenkenntnis. Die Mobile App sei von ihm konzipiert, programmiert und von ihm ständig weiterentwickelt worden. Er allein verfüge über das hierfür notwendige Know-how. Diese Branchenkenntnis habe er u.a. als "Konzepter" für die E-Werk GmbH in F erworben. Zudem habe er mobile Applikationen für Nokia konzipiert. Vor der Gründung der Klägerin zu 1) habe er schließlich Veranstaltungsreihen unter dem Namen "Nachtfieber (G, L und L GbR)" organisiert und sei mehrere Jahre für das Unternehmen W ltd. tätig geworden, das Events für große Unternehmen geplant und durchgeführt habe.
38Er werde weder in zeitlicher noch in örtlicher oder fachlicher Hinsicht in irgendeiner Form weisungsgebunden tätig. Zudem müsse er sich nicht seinen Urlaub genehmigen lassen. Er sei auch über die Gesellschaftsbeteiligung hinausgehend ein wirtschaftliches Risiko eingegangen. So habe er der Klägerin zu 1) aus seinem Privatvermögen ein Darlehen i.H.v. 2.669,88 EUR gewährt. Schließlich sei er ein erhebliches wirtschaftliches Risiko eingegangen, indem er eine selbstschuldnerische, unwiderrufliche und befristete Bürgschaft auf "erstes Anfordern" unter Verzicht auf das Hinterlegungsrecht für die monatliche Miete der Gesellschaft in Höhe von 2.155,51 EUR eingegangen sei.
39Schließlich sei er einzelvertretungsberechtigt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Wegen des weiteren Vortrags wird auf den Inhalt des Formularfragebogens Bezug genommen.
40Der mit Schreiben der Beklagten vom 21.2.2012 in Aussicht gestellten Feststellung eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses hielten die Kläger entgegen, es überwögen bei der gebotenen Gesamtabwägung die für eine selbständige Tätigkeit des Klägers zu 2) sprechenden Merkmale deutlich. Überdies habe die Beklagte in einem ähnlich gelagerten Sachverhalt bei einem Minderheitsgesellschafter, der - wie der Kläger zu 2) - über die alleinige Branchenkenntnis verfügt habe, das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit bejaht.
41Es sei - entgegen der Annahme der Beklagten - auch kein "gesonderter Arbeitsvertrag" geschlossen worden, sondern ein Geschäftsführeranstellungsvertrag, der rechtlich als Dienstvertrag im Sinne des § 611 BGB einzuordnen sei. Die Rechtsprechung habe bisher nicht entschieden, dass allein das Bestehen eines Geschäftsführervertrages für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung entscheidend sei. Insoweit sei vielmehr zu berücksichtigen, dass ein Geschäftsführervertrag in der Regel auch geschlossen werde, wenn der Geschäftsführer über mehr als 50% des Stammkapitals der Gesellschaft verfüge und damit - auch nach Annahme der Beklagten - selbständig tätig werde. Ein Bedürfnis zum Abschluss eines Geschäftsführeranstellungsvertrages ergebe sich aus dem berechtigten Interesse der anderen Gesellschafter, die Rechte und Pflichten des Geschäftsführers einer klaren Regelung zu unterwerfen. Zudem erfolge die Auszahlung der Geschäftsführervergütung aus steuerlichen Erwägungen stets auf Grundlage eines Geschäftsführeranstellungsvertrages.
42Soweit die Beklagte der Berücksichtigung des der Klägerin zu 1) gewährten Darlehens dessen Verzinsung entgegenhalte, handele es sich um eine unrichtige Rechtsansicht, jedenfalls aber um eine systematisch unzutreffende Einordnung als Merkmal einer abhängigen Beschäftigung. Systematisch sei die Bereitstellung dieser Sicherheit als Merkmal zu Gunsten einer selbständigen Tätigkeit zu erfassen und im Rahmen der Gesamtabwägung zu würdigen. Die Indizwirkung der Gewährung eines Darlehens zugunsten einer selbständige Tätigkeit werde nicht durch die vereinbarte Verzinsung entkräftet, da das mit der Bereitstellung der Sicherheit begründete unternehmerische Risiko unabhängig davon bestehe, ob die Darlehenssumme verzinst werde oder nicht. Bei einer Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft verwirkliche sich auch im Fall einer vereinbarten Verzinsung das Risiko des Darlehensgebers.
43Die Beklagte habe überdies unberücksichtigt gelassen, dass der Kläger zu 2) tatsächlich keinerlei Weisungen unterworfen werde und aufgrund der bei ihm monopolisierten Branchenkenntnisse trotz seiner Stellung als Minderheitsgesellschafter bestimmend für die Führung des Unternehmens in den Bereichen Konzeption und Entwicklung der mobilen Applikationen sowie der Projektplanung sei.
44Mit zwei im Wesentlichen gleich lautenden Bescheiden vom 27.3.2012 traf die Beklagte Feststellungen zum sozialversicherungsrechtlichen Status des Klägers zu 2). Der Verfügungssatz des an die Klägerin zu 1) gerichteten Bescheides enthält folgenden Wortlaut:
45"Die Prüfung des versicherungsrechtlichen Status hat ergeben, dass die Tätigkeit von Herrn Q G als Gesellschafter-Geschäftsführer der Q GmbH seit dem 10.9.2008 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses durchgeführt wird. In dem Beschäftigungsverhältnis besteht Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Die Versicherungspflicht beginnt am 10.9.2008."
46Zugunsten eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses spreche der Abschluss eines gesonderten Dienstvertrages, der die Mitarbeit des Klägers zu 2) in der Gesellschaft regle. Dieser enthalte arbeitsvertragstypische Regelungen zum Urlaubsanspruch, über die Fortzahlung des Arbeitsentgeltes bei Arbeitsunfähigkeit und einen umfangreichen Katalog zustimmungspflichtiger Maßnahmen der Geschäftsführung. Zudem bestünden ein vertragliches Wettbewerbsverbot und die Verpflichtung, sich jederzeit, wenn und soweit es das Wohl der Gesellschaft erfordere, zur Dienstleistung zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus sprächen für ein Beschäftigungsverhältnis die Vereinbarung einer regelmäßigen Vergütung i.H.v. 3.500 EUR monatlich, die Aufteilung der Geschäftsführungsbefugnisse zwischen zwei Geschäftsführern sowie der Umstand, dass der Kläger zu 2) bis zum August 2011 nicht berechtigt gewesen sei, die Klägerin zu 1) allein zu vertreten. Schließlich könne der Kläger zu 2) kraft seines Anteils am Stammkapital keinen maßgebenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft ausüben. Allein die Investoren seien gem. Ziffer 8.6 des Gesellschaftsvertrages in der Gesellschafterversammlung mit umfassenden Sonderrechten ausgestattet.
47Im Rahmen der Gesamtabwägung komme den zugunsten einer selbständigen Tätigkeit sprechenden Merkmalen, namentlich der Beteiligung des Klägers zu 2) am Stammkapital der Gesellschaft, die angeblich bestehende Weisungsfreiheit hinsichtlich Zeit, Ort und Art der Tätigkeit und der von dem Geschäftserfolg abhängigen Tantieme keine überwiegende Bedeutung zu. Entsprechendes gelte für das von dem Kläger zu 2) gewährte Darlehen von 2.669,88 EUR und die Bürgschaft für die Mietforderung des Vermieters. Aufgrund seines Anteils am Gesamtkapital und des daraus resultierenden Stimmrechtsanteils sei der Kläger zu 2) nicht in der Lage, die Geschicke der Klägerin zu 1) maßgeblich zu beeinflussen. Ebenso wenig könne er aufgrund von Vetorechten bzw. Sperrminoritäten Entscheidungen der Gesellschafterversammlung verhindern.
48Die Versicherungspflicht beginne mit dem Tag der Aufnahme des Beschäftigungsverhältnisses am 10.9.2008. Ein späterer Eintritt der Versicherungspflicht komme nicht in Betracht, da der Antrag auf Statusfeststellung für die am 10.9.2008 aufgenommene Beschäftigung erst am 1.11.2011 gestellt worden sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Bescheides Bezug genommen.
49Gegen den Bescheid vom 27.3.2012 erhoben die Kläger am 16.4.2012 Widerspruch. Die Beklagte gehe zu Unrecht davon aus, dass die Investoren über die für die Führung des Unternehmens erforderlichen Branchenkenntnisse verfügten. Gemäß den Regelungen des Gesellschaftsvertrages der Klägerin zu 1) erbringe sie Dienstleistungen zu veranstaltungsfördernden Maßnahmen und der Planung von Freizeitaktivitäten, insbesondere durch den Betrieb einer Suchmaschine und eines Contentnetzwerkes im Internet sowie die Vermarktung von Veranstaltungen in Online- und Offline-Medien. Bei dem Kerngeschäft der Klägerin zu 1), der online verfügbaren Veranstaltungssuchmaschine nebst mobilen Applikationen, handele es sich um eine onlinebezogene Geschäftstätigkeit, die sehr eng umrissen und im Besonderen von der Weiterentwicklung der Suchmaschine und den damit verknüpften Datenbanksystemen sowie der Weiterentwicklung dazugehöriger Multiplikation mobiler Applikationen abhängig sei. Die Investoren hätten ausdrücklich schriftlich bestätigt, dass sie sich bei den zu treffenden Entscheidungen auf die beiden Gesellschafter-Geschäftsführer verließen und selbst über keinerlei einschlägige Branchenkenntnisse und Erfahrungen im Bereich der Veranstaltungssuchmaschine verfügten.
50Mit zwei - nach den aktenkundigen Absendevermerken am 21.8.2012 von der Beklagten zur Post gegebenen - Widerspruchsbescheiden vom 26.7.2012 wies diese die Widersprüche der Kläger unter Vertiefung der Ausführungen der Ausgangsbescheide zurück.
51Mit den am 31.8.2012 zum Sozialgericht (SG) Berlin erhobenen Klagen haben die Kläger ihr Klagebegehren weiterverfolgt (Az. S 166 KR 1556/12 [betreffend die Klägerin zu 1]; Az. S 182 KR 1550/12 [betreffend den Kläger zu 2]). Mit Beschlüssen vom 30.10.2012 bzw. 26.9.2012 hat sich das SG Berlin für örtlich unzuständig erklärt und die Verfahren an das SG Köln verwiesen. Mit Beschluss vom 6.12.2012 hat das SG Köln die zunächst unter den Az. S 33 R 1740/12 (betreffend die Klägerin zu 1]) und S 6 R 1561/12 (betreffend den Kläger zu 2]) getrennt geführten Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Az. S 33 R 1740/12 verbunden.
52Zur Begründung ihres Begehrens haben die Kläger ihr Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft. Die Beklagte berücksichtige im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung wesentliche für eine selbständige Tätigkeit des Klägers zu 2) streitende Merkmale nicht hinreichend. So gehe sie nicht auf dessen besonderes Know-how und seine Branchenkenntnis ein. Das verwundere umso mehr, als gerade diese Gesichtspunkte die Beklagte in einem vergleichbar gelagerten Sachverhalt zu einer statusrechtlichen Beurteilung zugunsten einer selbständigen Tätigkeit veranlasst habe. Soweit die Beklagte aus der Minderheitsbeteiligung des Klägers zu 2) dessen Weisungsgebundenheit herzuleiten versuche, verkenne sie weiterhin, dass es nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) maßgeblich auf die tatsächlichen Umstände ankomme. Insofern sei hinsichtlich der Weisungsgebundenheit "nicht so sehr auf den Wortlaut der einschlägigen Regelungen im Gesellschafts- und/oder im Anstellungsvertrag, sondern vor allem auf die praktische Durchführung dieser Regelungen im Leben der Gesellschaft" abzustellen. Nach den insoweit (auch) maßgeblichen tatsächlichen Verhältnissen könne der Kläger zu 2) frei über seine Arbeitskraft, den Arbeitsort und die Arbeitszeit verfügen und werde keinerlei Weisungen der Gesellschaft unterworfen. Dem entsprechend bestimme Ziffer 10 des Anstellungsvertrages, dass der Kläger zu 2) an bestimmte Arbeitszeiten nicht gebunden sei.
53Der Kläger zu 2) und der weitere (frühere) Geschäftsführer unterlägen u.a. deshalb keinerlei Weisungsrechten, da es sich letztlich um "ihre Gesellschaft" handele. Dieses werde auch durch die schriftliche Bestätigung der kapitalgebenden Gesellschafter dokumentiert, aus der sich ergebe, dass die Gesellschaft ohne den Kläger zu 2) nicht fortgeführt werden könne.
54Dass eine theoretische Möglichkeit bestehe, den Geschäftsführeranstellungsvertrag zu kündigen und dem Kläger zu 2) dadurch neue Arbeitsbedingungen aufzuzwingen, sei gleichfalls unbeachtlich. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung folge aus dem Umstand, dass die Gesellschaft rechtlich die Möglichkeit habe, auf die vertragliche Grundlage seiner Tätigkeit einzuwirken, ihn sogar zu entlassen, nicht ohne weiteres das Vorliegen einer Beschäftigung. Eine entsprechende Möglichkeit habe auch der Dienstherr eines nicht abhängig Beschäftigten. Darüber hinaus enthalte der Geschäftsführervertrag arbeitnehmeruntypische Regelungen zum Urlaubsanspruch und zur Fortzahlung des Arbeitsentgelts bei Arbeitsunfähigkeit und Urlaub. So regele dessen § 8, dass der Geschäftsführer bei der zeitlichen Festlegung des Zeitpunkts und der Dauer des Urlaubs die geschäftlichen Belange der Gesellschaft zu berücksichtigen habe. Hierbei handele es sich gerade nicht um eine arbeitsvertragstypische Regelung, da ein Arbeitnehmer seinen Urlaub nicht einseitig und lediglich unter Berücksichtigung der Belange der Gesellschaft selbst festlegen könne, sondern einen entsprechenden Urlaubsantrag stellen und sich den Urlaub von seinem Vorgesetzten genehmigen lassen müsse. Da dem Kläger zu 2) gemäß Ziffer 9.1 des Geschäftsführervertrages ein Entgeltfortzahlungsanspruch für die Dauer von sechs Monaten eingeräumt werde, ein Arbeitnehmer jedoch nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) die Fortzahlung für lediglich sechs Wochen beanspruchen könne, sei auch insoweit nicht von arbeitnehmertypischen Regelungen auszugehen.
55Die Kläger haben beantragt,
56die Bescheide vom 27.3.2012 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 26.7.2012 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger zu 2) ab dem 1.9.2008 bis zum 31.7.2012 nicht versicherungspflichtig in der Renten-, Kranken-, und Pflege-und Arbeitslosenversicherung tätig ist.
57Die Beklagte hat beantragt,
58die Klagen abzuweisen.
59Sie hat zur Begründung auf den Inhalt ihrer Bescheide verwiesen. Die erwähnten "Parallelfälle" beträfen andere Vertragsverhältnisse und seien schon deshalb nicht vergleichbar. Sofern die in diesen Verfahren getroffenen Feststellungen unrichtig seien, bestehe ohnehin kein Anspruch auf Gleichbehandlung.
60Der Kläger zu 2) werde auch weisungsgebunden tätig, zumal die jüngere Rechtsprechung des BSG insoweit die abstrakte Rechtsmacht der Gesamtheit der Gesellschafter betone. Hiernach sei die bloße Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich, solange es nicht auch wirksam abbedungen sei. Die tatsächlichen Verhältnisse gäben im Zweifel den Ausschlag, allerdings nur im Rahmen des rechtlich Zulässigen. Eine "Schönwetter-Selbständigkeit" mit Blick auf zwar bestehende, jedenfalls bis zu einem ungewissen Konfliktfall tatsächlich aber nicht ausgeübte Kontrollrechte sei nicht der Maßstab der sozialversicherungsrechtlichen Statusbeurteilung. Ein Vorrang der tatsächlichen Verhältnisse gegenüber formellen Vereinbarungen bestehe nur, soweit sie rechtlich zulässig abbedungen werden könnten. Eine Abänderung des Gesellschaftsvertrages könne jedoch nur durch Beschluss der Gesellschafter erfolgen, müsse notariell beurkundet werden und sei zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden.
61Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
62Mit Urteil vom 7.6.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
63Gegen das den Klägern am 12.6.2013 zugestellte Urteil haben diese am 1.7.2013 Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholen und vertiefen sie ihr erstinstanzliches Vorbringen.
64Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Beklagte die Feststellung, die Tätigkeit des Klägers zu 2) sei im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt worden, aufgehoben.
65Die Kläger beantragen daraufhin noch,
66das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 7.6.2013 zu ändern und unter Aufhebung der Bescheide vom 27.3.2012 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 26.7.2012 festzustellen, dass der Kläger zu 2) im Rahmen seiner Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin zu 1) in der Zeit vom 10.9.2008 bis zum 31.07.2012 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.
67Die Beklagte beantragt,
68die Berufung zurückzuweisen.
69Sie tritt dem Berufungsvorbringen entgegen und verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.
70Im Termin zur mündlichen Verhandlung, in dem Vertreter der Beigeladenen trotz ordnungsgemäßer Terminsmitteilungen nicht erschienen sind, hat der Senat den Kläger zu 2) persönlich angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen L. Wegen des Ergebnisses wird auf die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
71Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
72Entscheidungsgründe:
73Der Senat hat in Abwesenheit der Beigeladenen verhandeln und entscheiden können, da er sie mit ordnungsgemäßen Terminsmitteilungen auf diese Möglichkeit hingewiesen hat.
74Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 Abs. 1, Abs. 3 SGG) Berufung der Kläger gegen das Urteil des SG Köln vom 7.6.2013 ist nicht begründet, nachdem die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung die in den streitbefangenen Bescheiden unzulässig getroffene isolierte Feststellung, die Tätigkeit des Klägers zu 2) als Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin zu 1) sei im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt worden, aufgehoben hat (hierzu BSG, Urteil v. 11.3.6.2009, B 12 R 6/08 R; Senat, Urteil v. 18.12.2013, L 8 R 683/13).
75In der nunmehr gültigen Fassung beschweren die angefochtenen Bescheide die Kläger nicht i.S.d. § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, weil sie nicht rechtswidrig sind. Die Beklagte hat zu Recht nach § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV festgestellt, dass der Kläger zu 2) in der Zeit vom 10.9.2008 bis zum 31.7.2012 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.
76Gem. § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Für ein derartiges anderes Verfahren bestehen hier keine Anhaltspunkte.
77Personen die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung der Versicherungspflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch [SGB V], § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI], § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch [SGB XI] bzw. § 25 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch [SGB III]).
78Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rspr. des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr.; vgl. zum Ganzen, z.B. BSG, Urteil v. 29.8.2012, B 12 R 14/10 R, USK 2012-82; BSG, Urteil v. 25.4.2012, B 12 KR 24/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 15; BSG, Urteil v. 11.3.2009, B 12 KR 21/07 R, USK 2009-25; BSG, Urteil v. 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 20; Senat, Urteil v. 17.10.2012, L 8 R 545/11 [juris]; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung: BVerfG, Beschluss v. 20.5.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr. 11).
79Bei der Feststellung des Gesamtbildes kommt den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zu (vgl. BSG, Urteil v. 29.8.2012, B 12 KR 14/10 R [juris]; BSG SozR 4-2400, § 7 Nr. 7 Rn. 17; ebenso Urteil v. 25.1.2006, B 12 KR 30/04 R, USK 2006-8; Urteil v. 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R, Die Beiträge, Beilage 2008, 333, 341 f.): Nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen sind die das Gesamtbild der bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von Ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist.
80Nach diesen Grundsätzen ist auch zu beurteilen, ob der Geschäftsführer einer GmbH zu dieser in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht. Der Geschäftsführer einer GmbH ist weder wegen seiner Organstellung noch deshalb von einer abhängigen Beschäftigung ausgeschlossen, weil er gegenüber Arbeitnehmern der GmbH Arbeitgeberfunktionen ausübt. Denn auch wer Arbeitgeberfunktionen ausübt, kann seinerseits zu einem Dritten persönlich abhängig beschäftigt sein. Maßgebend ist vor allem die Bindung des Geschäftsführers an das willensbildende Organ, in der Regel die Gesamtheit der Gesellschafter (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 1 m.w.N.). Insoweit ist von besonderer Bedeutung, ob ein Geschäftsführer gleichzeitig Gesellschafter ist und aufgrund seiner Gesellschafterstellung maßgeblichen Einfluss auf die Willensbildung der GmbH hat und damit Beschlüsse und Einzelweisungen an sich jederzeit verhindern kann (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 4). Ist dies der Fall, ist ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu verneinen, weil der Geschäftsführer mithilfe seiner Gesellschafterrechte die für das Beschäftigungsverhältnis typische Abhängigkeit vermeiden kann (BSG SozR 3-4100 § 104 Nr. 8). Darüber hinaus ist von Bedeutung, ob der Einfluss des Geschäftsführers auf die Willensbildung der GmbH aufgrund besonderer Einzelumstände unabhängig von seiner Gesellschafterstellung so erheblich ist, dass ihm nicht genehme Beschlüsse und jede Weisung ausgeschlossen sind und er die Geschäfte nach eigenem Gutdünken führen, d.h. frei schalten und walten kann. Dann ist eine persönliche Abhängigkeit auch bei Diensten höherer Art zu verneinen, weil die Gesellschafter tatsächlich keinerlei Einfluss hat die Geschicke der Gesellschaft nehmen und sich der Geschäftsführer nur in einer von ihm selbst gegebenen Ordnung des Betriebs einfügt (BSG, Urteil v. 14.12.1999, B 2 U 48/98 R, USK 9975; BSG, Urteil v. 11.2.1993, 7 RAr 48/92, USK 9347).
81Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze hat der Senat nach Auswertung und Abwägung sämtlicher für die Abgrenzung zwischen selbständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung relevanter Indizien die Überzeugung gewonnen, dass die Tätigkeit des Klägers zu 2) als Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin zu 1) in dem Zeitraum vom 10.9.2008 bis zum 31.7.2012 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt worden.
82Ausgangspunkt der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit sind die zwischen den Klägern geschlossenen Geschäftsführerverträge in ihrer Fassung vom 10.9.2008 bzw. 21.7.2011. Diese tragen ihrem Inhalt nach arbeitsvertragliche Züge. So kann der Kläger zu 2) gemäß Ziffer 6.1 ein jährliches Grundgehalt in Höhe von 42.000,00 EUR, zahlbar in zwölf Monatsbeträgen, sowie die Erstattung seiner dienstlich veranlassten Auslagen beanspruchen (Ziffer 7). Auch der in Ziffer 8.1 geregelte Anspruch auf Gewährung von Jahresurlaub im Umfang von 20 Arbeitstagen spiegelt einschließlich der anstellungsvertraglichen Regelungen zur Abgeltung des Urlaubsanspruchs im Fall der Nichtinanspruchnahme ein arbeitsvertragstypisches Regelungselement wider. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Kläger zu 2) in der Praxis der Vertragsparteien offenbar seinen Urlaub nicht formal beantragen und durch einen Vorgesetzten genehmigen lassen muss. Auch bei Arbeitnehmern sind die Urlaubswünsche, lediglich vorbehaltlich dringender betrieblicher Belange oder der Urlaubswünsche sozial in höherem Maße schutzwürdiger anderer Arbeitnehmer, zu berücksichtigen (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Bundesurlaubsgesetz). Diesen Regelungen entspricht es qualitativ, dass auch der Kläger zu 2) vertraglich verpflichtet ist, den Zeitpunkt seines Urlaubs mit den weiteren Geschäftsführern abzustimmen.
83Zudem statuiert Ziffer 9.1 der Geschäftsführerverträge - gleichfalls arbeitsvertragstypisch- einen Anspruch auf Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall für die Dauer von sechs Monaten.
84Soweit Ziffer 10 Satz 1 des Geschäftsführervertrages in seiner Fassung vom 21.7.2011 festlegt, dass der Kläger zu 2) an bestimmte Arbeitszeiten nicht gebunden ist, stellt dieser Umstand die rechtliche Einordnung zugunsten eines Beschäftigungsverhältnisses i.S.d. § 7 SGB IV nicht in Frage. Die in dieser vertraglichen Bestimmung zum Ausdruck kommende gelockerte Weisungsdichte ist bei Personen, die Dienste höherer Art ausüben, in der Lebenswirklichkeit keineswegs unüblich. Ohnehin ist die aus Sicht des Klägers zu 2) fehlende Weisungsgebundenheit in zeitlicher Hinsicht weniger weitreichend, als er meint. So unterliegt er gemäß Ziffer 10 Satz 2 der Verpflichtung, jederzeit, wenn und soweit es das Wohl der Gesellschaft erfordert, zur Dienstleistung zur Verfügung zu stehen hat. Was die von dem Kläger zu 2) für sich reklamierte Weisungsfreiheit in inhaltlicher Hinsicht betrifft, bestimmt Ziffer 1.2 des Geschäftsführeranstellungsvertrages vom 10.9.2008 ausdrücklich, dass die Gesellschafterversammlung sich das Recht vorbehält, die Zuständigkeitsbereiche der Geschäftsführer neu zu regeln.
85Auf dieser vertraglichen Grundlage ist der Kläger zu 2) in dem streitbefangenen Zeitraum in einem fremden Betrieb, nämlich dem der Klägerin zu 1) tatsächlich tätig geworden. Bei dieser Tätigkeit war er umfassend in den Betrieb und damit in eine ihm vorgegebene Ordnung eingegliedert (vgl. BSG, Urteil v. 4.6.1998, B 12 KR 5/97 R, SozR 3-2400 § 7 Rn. 17 m.w.N.). Die tatsächliche Eingliederung des Klägers zu 2) in den Betrieb der Gesellschaft ergibt sich anstellungsvertraglich schon aus Ziffer 1.2 des Geschäftsführervertrages in seiner Fassung vom 21.7.2011. Hiernach besteht die Tätigkeit des Klägers zu 2) insbesondere in der verantwortlichen Führung und Überwachung des gesamten Tätigkeitsbereiches der Gesellschaft einschließlich der Veranlassung, Abstimmung und Durchführung aller Maßnahmen, soweit nach Gesetz, Satzung, Gesellschafter- und Beiratsbeschlüssen sowie der Geschäftsordnung zulässig. Zudem weist Ziffer 1.2 Absatz 2 dem Kläger zu 2) die Verantwortung für die Bereiche Projektplanung, Konzeption, Personalmanagement, Mobile App Konzeption und Entwicklung zu. Bei dieser Sachlage hat der Senat keinerlei Zweifel, dass der Kläger zu 2) im Rahmen der ihm obliegenden Zuständigkeiten in den betrieblichen Wertschöpfungsprozess der Gesellschaft integriert gewesen ist. Entsprechendes gilt auch für den Zeitraum vor Inkrafttreten des Geschäftsführervertrages vom 21.7.2011. Wenngleich der Geschäftsführeranstellungsvertrag in seiner Fassung vom 10.9.2008 konkretisierende Regelungen hinsichtlich der Verantwortungsbereiche des Klägers zu 2) nicht enthielt, folgte aus dem Investor Agreement vom 19.2.2008 dessen Verpflichtung, den Aufbau der Klägerin zu 2) mit seiner Arbeitskraft als Geschäftsführer sicherzustellen. Gleichzeitig bestimmte Ziffer I dieses Beteiligungsvertrages eine Ressortzuständigkeit für die Bereiche "Marketing & Sales, Strategie & Konzeption". Bei der Wahrnehmung seiner Tätigkeit ist der Kläger zu 2) im Wesentlichen ausgehend von den Betriebsräumen der Klägerin zu 1) und unter Inanspruchnahme der dort vorgehaltenen betrieblichen Infrastruktur tätig geworden.
86Hierbei unterlag er einem Weisungsrecht der Klägerin zu 1) bezüglich Ort, Zeit sowie Art und Weise der Tätigkeit, da allein Letzterer die insoweit maßgebliche abstrakte Rechtsmacht zustand.
87Nach Ziffer 8.3 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages in seiner Fassung vom 10.9.2008 werden sämtliche Gesellschafterbeschlüsse mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst, soweit nicht das Gesetz oder der Gesellschaftsvertrag ein höheres Mehrheitserfordernis vorsieht. Hierbei gewährten bis zur Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung vom 24.9.2009 zunächst je 50,00 Euro eines Geschäftsanteils; sodann je 1,00 Euro eines Geschäftsanteils eine Stimme. Während des streitbefangenen Zeitraums vom 10.9.2008 bis zum 31.7.2012 verfügte der Kläger zu 2) - unstreitig - über einen Geschäftsanteil von stets weniger als 50%, so dass er über seine Gesellschafterstellung keinen maßgeblichen Einfluss auf die Willensbildung der GmbH ausüben konnte. Ein maßgeblicher Einfluss liegt regelmäßig erst dann vor, wenn der Geschäftsführer einen Anteil von mindestens 50% des Stammkapitals innehat und damit Einzelweisungen an sich als Geschäftsführer im Bedarfsfall jederzeit verhindern kann (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 4 m.w.N.).
88Der Kläger zu 2) verfügte auch nicht über eine umfassende Sperrminorität, um ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschaft zu verhindern, was die Annahme einer abhängigen Beschäftigung ausschließen würde (BSG SozR 3-4100 § 104 Nr. 8). Im Gegenteil bestimmte der Gesellschaftsvertrag in seiner Fassung vom 10.9.2008 gerade, dass abweichend von dem in Ziffer 8.3 vereinbarten grundsätzlich einfachen Mehrheitserfordernis Gesellschafterbeschlüsse betreffend im Einzelnen geregelte wesentliche Gegenstände nicht ohne die Zustimmung der Gesellschafter E Capital GmbH & Co. KG sowie E GmbH gefasst werden konnten. Dieses gesellschaftsvertraglich vereinbarte Vetorecht ist anschließend mit Gesellschafterbeschluss vom 24.9.2009 zugunsten der neu hinzugetretenen Gesellschafterin Kernpunkte Software GmbH sowie am 27.5.2010 zugunsten der weiteren Gesellschafter N GmbH und F GmbH erweitert worden. Derart weitreichende gesellschaftsvertragliche Befugnisse sind dagegen insbesondere dem Kläger zu 2), aber auch dem weiteren Geschäftsführer, Herrn L, in den gesellschaftsvertraglichen Neuregelungen stets vorenthalten geblieben.
89Schließlich sind auch keine besonderen einzelfallbezogenen Umstände gegeben, die abweichend vom Regelfall die Bindung des Klägers zu 2) an das willensbildende Organ der Klägerin zu 1), d.h. die Gesamtheit der Gesellschafter ausschließen und damit einer für ein Beschäftigungsverhältnis typischen Abhängigkeit entgegenstehen könnten. Bei Geschäftsführern, die - wie der Kläger zu 2) - weder über die Mehrheit der Gesellschaftsanteile noch über eine Sperrminorität verfügen, ist im Regelfall von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen. Eine hiervon abweichende Beurteilung kommt nur in Betracht, wenn besondere Umstände des Einzelfalles den Schluss zulassen, es liege keine Weisungsgebundenheit vor (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 8).
90Solche besonderen Umstände sind nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung angenommen worden, wenn die übrigen Gesellschafter tatsächlich ihre Gesellschafterrechte nicht wahrgenommen und in keiner Weise in die Betriebsführung eingegriffen haben und der Geschäftsführer wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken geführt hat, d.h. schalten und walten konnte, wie er wollte.
91Ein derart beherrschender Einfluss ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung teilweise bei Geschäftsführern in Familiengesellschaften erwogen worden, wenn der Geschäftsführer mit den Gesellschaftern familiär verbunden war, die Geschäftsführertätigkeit durch familienhafte Rücksichtnahme geprägt war und es an der Ausübung der Gesellschafterrechte durch die Gesellschafter völlig mangelte (BSG, Urteil v. 14.12.1999 - B 2 U 48/98 R; BSG, Urteil v. 29.10.1986 - 7 RAr 43/85; zurückhaltend hingegen BSG, Urteil v. 29.8.2012, B 12 R 14/10 R). Unter diesem Gesichtspunkt liegt im vorliegenden Verfahren eine faktische Weisungsfreiheit des Klägers zu 2) schon deshalb fern, weil eine familiäre Verbundenheit zwischen den Gesellschaftern weder ersichtlich noch vorgetragen ist.
92Entgegen der Auffassung der Kläger ergibt sich eine faktische Weisungsfreiheit auch aus dem (behaupteten) besonderen know-how des Klägers zu 2) sowie seiner individuellen Branchenkenntnisse.
93Gegen die Annahme einer faktischen Weisungsfreiheit des Klägers zu 2) innerhalb der Gesellschaft spricht bereits im Ansatz, dass er seine Geschäftsführerfunktion nicht allein, sondern - jedenfalls im streitbefangenen Zeitraum - in arbeitsteiligem Zusammenwirken mit dem weiteren Geschäftsführer L ausgeübt hat. Zwischen beiden Geschäftsführern existierte auf anstellungsvertraglicher Grundlage bzw. nach Maßgabe des Investor Agreements vom 19.2.2008 eine verbindliche Ressortverteilung, kraft derer den Kläger zu 2) die Verantwortung in den ihm obliegenden Zuständigkeitsbereichen traf. Einer solchen Geschäftsverteilungsregelung entspricht es, dass ein weiterer Geschäftsführer, vorliegend in Person des Herrn L, den ihm obliegenden Zuständigkeitsbereich weitgehend selbst regeln kann. Schon wegen des im Umfang der Ressortkompetenz des Herrn L dem Kläger zu 2) insoweit entzogenen Verantwortungsbereichs kann nicht angenommen werden, der Kläger zu 2) führe das Unternehmen faktisch frei und könne dessen Geschicke in Gänze nach freiem Belieben steuern. Dem entspricht es, dass der Kläger zu 2) nach seinem eigenen Vorbringen die Geschäfte der Gesellschaft, insbesondere in den Bereichen Konzeption und Entwicklung der mobilen Applikationen sowie der Projektplanung, führt.
94Soweit die Kläger behaupten, der Kläger zu 2) verfüge in diesen Bereichen als einziger im Unternehmen über fundiertes Fachwissen und die notwendige Branchenkenntnis, während es den kapitalgebenden Gesellschaftern insoweit an fachlicher Kompetenz fehle, ergibt sich hieraus - anders als die Kläger meinen - keine besondere Konstellation, die zu einer sozialversicherungsrechtlich abweichenden Beurteilung führen könnte. Die von den Klägern damit skizzierte Gesellschaftsstruktur der Klägerin zu 1) ist keine besondere. Es ist - im Gegenteil - bei einer GmbH als juristische Person des Privatrechts in Form einer Kapitalgesellschaft geradezu typisch, dass deren Gesellschafter zwar Gesellschaftsanteile bereitstellen, die Führung der Gesellschaft jedoch solchen Personen überlassen, die - etwa als Geschäftsführer - die notwendige Branchenkenntnis in das Unternehmen einbringen.
95Für eine selbständige Tätigkeit des Klägers zu 2) sprechende Gesichtspunkte sind nicht in einem Maße gegeben, dass diese im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung die für ein Beschäftigungsverhältnis sprechenden Merkmale überwögen.
96Das - dem Kläger zu 2) ohnehin erst mit Gesellschafterbeschluss vom 28.9.2011 eingeräumte - Alleinvertretungsrecht und die - ebenfalls erst im Juli 2011 erfolgte - Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB sind bei einer kleineren GmbH wie der Klägerin zu 1) nicht untypisch und deuten deshalb nicht zwingend auf eine selbständige Tätigkeit hin (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 1; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 8; Senat, Urteil v. 17.10.2012, L 8 R 545/11).
97Ein die selbständige Tätigkeit kennzeichnendes unternehmerisches Risiko des Klägers zu 2) liegt gleichfalls nicht in einem wesentlichen Umfang vor. Nach den von dem BSG entwickelten Grundsätzen (BSG, Urteil v. 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R m.w.N.) ist maßgebliches Kriterium für ein solches Risiko, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Dies ist jedoch nur dann ein Hinweis auf eine Selbständigkeit, wenn dem unternehmerischen Risiko größere Freiheiten in der Gestaltung und Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen.
98Die eigene Arbeitskraft setzt der Kläger zu 2) nicht mit ungewissem Erfolg ein. Er erhält nach Ziffer 6 des Geschäftsführervertrages eine monatlich gleichbleibende und von der Ertragslage der Gesellschaft unabhängige Vergütung in Höhe von 3.500,00 Euro. Soweit die Klägerin zu 1) in erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten mit der Gefahr einer Insolvenz fällt, trifft den Kläger zu 2) das damit einhergehende Arbeitgeberinsolvenzrisiko wie jeden Arbeitnehmer auch.
99Hinsichtlich des Einsatzes eigenen Kapitals ist ein wesentliches Risiko des Klägers zu 2) gleichfalls nicht ersichtlich. Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Klägerin zu 1) nach Ziffer 7 der Geschäftsführerverträge verpflichtet ist, dem Kläger zu 2) dessen notwendige und angemessene dienstlich veranlassten Auslagen zu ersetzen. Dadurch wird ein etwaiger Vermögenseinsatz des Klägers zu 2) bereits nach den anstellungsvertraglichen Bestimmungen kompensiert.
100Der Senat erkennt im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung aller für die Abgrenzung zwischen selbständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung relevanten Umstände an, dass der Kläger zu 2) der Gesellschaft ein Darlehen von 2.669,88 Euro sowie eine Bürgschaft für die sich aus dem bis zum 31.7.2014 befristeten Mietvertrag ergebenden Verpflichtungen der Klägerin zu 1) zur Verfügung gestellt hat. Das durch die Bereitstellung dieser Sicherungsmittel vermittelte finanzielle Wagnis reicht gleichwohl nicht aus, ein unternehmerisches Risiko des Klägers zu 2) in einem Maße zu begründen, das im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung aller abgrenzungsrelevanten Indizien die für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Merkmale überwiegen könnte.
101Zwar kann die Gewährung eines Darlehens außerhalb von Zeiten einer gesellschaftlichen Krise ein Indiz für eine Selbständigkeit darstellen (BSG, Urteil v. 17.5.2001, B 12 KR 34/00 R, SozR 3-2400 §7 Nr. 17). Entscheidend kommt es aber immer auf die Umstände des Einzelfalles, insbesondere auf die Höhe und die Umstände der Darlehensgewährung an (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 10.12.2009, L 5 R 124/09; Senat, Urteil v. 4.7.2012, L 8 R 670/11).
102Durch die Bereitstellung des Darlehens von 2.669,88 EUR sind die unternehmerischen Chancen des Klägers zu 2) nur insoweit indirekt erweitert worden, als er aufgrund der aus ihr folgenden Liquiditätssteigerung der Gesellschaft auf die Ausweitung ökonomischer Spielräume mit gestiegenen Möglichkeiten zur Umsetzung geschäftlicher Konzepte letztlich auf eine Gewinnerhöhung hoffen konnte (hierzu auch Senat, Urteil v. 4.7.2012, L 8 R 670/12 unter Hinweis auf LSG Schleswig-Holstein, Urteil v. 24.2.2010, L 5 KR 3/09). Bei der Gewichtung der Darlehensgewährung hat der Senat auch nicht unberücksichtigt lassen können, dass das bereitgestellte Sicherungsmittel seiner Höhe nach von vornherein beschränkt war und einen Betrag von weniger als einer monatlichen Bruttovergütung umfasste.
103Auch die von ihm übernommene Bürgschaft für die sich aus dem Mietvertrag ergebenden Zahlungsverpflichtungen der Klägerin zu 1) berechtigt nicht zur Annahme einer selbständigen Tätigkeit. Eine Bürgschaft begründet typischerweise keine unternehmerische Position im eigentlichen Sinne, denn durch sie erhöhen sich nicht die rechtlichen Einflussmöglichkeiten auf die Gesellschaft. Wirtschaftlich betrachtet hat der Kläger zu 2) aufgrund der Übernahme der Bürgschaftsverpflichtung ein erhebliches Interesse an dem Fortbestand und dem wirtschaftlichen Erfolg der Klägerin zu 1). Ein solches Interesse besteht jedoch auch bei einem "normalen" Arbeitgeber, weil davon der Fortbestand seines Arbeitsplatzes abhängig ist. Es geht zudem nicht über das Interesse eines jeden dritten Darlehensgebers oder Bürgen hinaus, der keine Gesellschaftsanteile hält.
104Soweit die Kläger im Berufungsverfahren zunächst behauptet haben, das wirtschaftliche Eigeninteresse des Klägers zu 2) werde auch durch eine vom Geschäftserfolg abhängige Tantiemezahlung dokumentiert, ist die Zahlung eines solchen Vergütungselements nicht nachgewiesen worden. Vielmehr hat der Kläger zu 2) anlässlich der Befragung durch den Senat erklärt, die in den aktenkundigen Lohnsteuerbescheinigungen im Kalenderjahr 2012 gegenüber dem Kalenderjahr 2011 höher ausgewiesene Bruttovergütung habe nicht auf der Zahlung einer Tantieme beruht, sondern auf einer Gehaltserhöhung.
105Die Beklagte hat den Beginn der Versicherungspflicht zutreffend auf den 10.9.2008 festgestellt. Ein späterer Beginn der Versicherungspflicht in Anwendung des § 7a Abs. 6 SGB IV kommt nicht in Betracht. Der Kläger zu 2) hat das Beschäftigungsverhältnis am 10.9.2008 aufgenommen. Der Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Klägers zu 2) ist am 1.11.2011 und mithin nicht binnen eines Monats nach Aufnahme der Beschäftigung gestellt worden.
106Bei dem Klageverfahren handelt es sich um ein nach den §§ 183, 193 SGG kostenprivilegiertes Verfahren. Die für den Kläger zu 2) bestehende Gerichtskostenfreiheit erstreckt sich wegen der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung auch auf die - bei fehlender subjektiver Klagehäufung - kostenpflichtige Klägerin zu 1) (vgl. Senat, Beschluss v. 24.3.2011, L 8 R 1107/10 B [juris]).
107Gründe, gem. § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben.
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 16.10.2012 wird zurückgewiesen. Die Klagen gegen den Bescheid vom 1.11.2013 werden abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsrechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Streitig ist im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens, ob die von dem Kläger zu 2) bei der Klägerin zu 1) ausgeübte Tätigkeit als Dachdeckermeister vom 1.3.2004 bis zum 31.12.2010 Versicherungspflicht in den Zweigen der Sozialversicherung begründet hat.
3Der Kläger zu 2) ist der Sohn der Klägerin zu 1). Er ist Dachdeckermeister und hat sein bisheriges Berufsleben vollständig im Familienbetrieb verbracht. Er begann seine Ausbildung im Jahre 1984, als der Betrieb noch seinem Vater, Herrn Q, gehörte. Anschließend arbeitete er dort als angestellter Arbeitnehmer. Nach dem Tod des Vaters am 7.12.1998 führte die Klägerin zu 1) als Erbin den Betrieb fort und wurde als Inhaberin in die Handwerksrolle eingetragen.
4Der Kläger zu 2) legte im Juni 1999 die Meisterprüfung ab. Zum 1.7.1999 schlossen die Kläger einen unbefristeten Arbeitsvertrag, wonach der Kläger zu 2) als "fachlich-technischer Leiter" auf unbestimmte Dauer als Angestellter zu einem monatlichen Gehalt in Höhe von 5.900,00 DM brutto tätig werden sollte. Das Gehalt entspreche dem Tariflohn in der Gruppe "T4". Für das Arbeitsverhältnis sollten "die für das Dachdecker-Handwerk jeweils gültigen tariflichen Bestimmungen (Lohn-, Gehalts-, Rahmen- bzw. Manteltarifvertrag etc.)" gelten. Auf die Vertragsbestimmungen im Übrigen wird Bezug genommen.
5Am 27.11.2000 wurde der Kläger zu 2) als Betriebsleiter des Dachdeckerbetriebs in die Handwerksrolle eingetragen worden.
6Mit Wirkung zum 1.3.2004 vereinbarten die Beteiligten einen "Nachtrag zum Arbeitsvertrag vom 1.7.1999". Danach wurde der "Arbeitnehmer als Dachdeckermeister beschäftigt". Er erhielt eine monatliche Bruttovergütung von 3.427,00 EUR. Im Übrigen heißt es wörtlich: "Die übrigen Regelungen des Vertrages bleiben unverändert bestehen". Mit weiterem "Nachtrag zum Arbeitsvertrag vom 1.7.1999" erhielt "der Arbeitnehmer" ein Kraftfahrzeug der Marke Citroën C5 von der Klägerin zu 1) zur Verfügung gestellt, welches auch für private Fahrten genutzt werden konnte. Daraus sich ergebende geldwerte Vorteile hatte er als Arbeitnehmer zu versteuern. Erneut heißt es wörtlich: "Die übrigen Regelungen des Vertrages bleiben unverändert bestehen."
7Während der gesamten Zeit seiner Tätigkeit wurden für den Kläger zu 2) Lohnsteuer sowie Abgaben zu allen Zweigen der Sozialversicherung abgeführt. Sein Gehalt und die sozialversicherungsrechtlichen Abgaben wurden steuerlich als Betriebsausgaben geltend gemacht.
8Mit Schreiben vom 18.7.2007 wandten sich die Kläger an die Einzugsstelle, die Beigeladene zu 3), und baten um Auszahlung zu Unrecht gezahlter Beiträge. Es bestehe für den Kläger zu 2) keine Versicherungspflicht. Er sei seit dem 1.3.2004 als (einziger) Dachdeckermeister im Betrieb der Klägerin zu 1) beschäftigt. Dem Schreiben lag ein Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen bei. Dort gab der Kläger zu 2) an, dass er zwischen 60 bis 70 Stunden wöchentlich arbeite, wobei sich die Arbeitszeit unregelmäßig gestalte. Er übe die Tätigkeit aufgrund einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung aus. Er sei nicht wie eine fremde Arbeitskraft in den Betrieb eingegliedert und nicht an Weisungen des Betriebsinhabers gebunden. Die Mitarbeit sei aufgrund familiärer Rücksichtnahmen durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander zum Betriebsinhaber geprägt. Urlaubsanspruch sowie Kündigungsfrist seien vereinbart. Er habe einen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen. Dieser richte sich nach dem Tarifvertrag. Arbeitsentgelt werde bei Arbeitsunfähigkeit für sechs Wochen fortgezahlt.
9Die Beigeladene zu 3) leitete den Antrag am 26.9.2007 an die Beklagte weiter. Am 23.10.2007 übermittelten die Kläger dieser den Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status nach § 7a Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Der Kläger zu 2) sei unternehmerisch tätig. Er besitze als einziger im Betrieb die notwendige fachliche Kompetenz. Er führe die erforderlichen Kalkulationen und Preisgestaltungen durch. Er erstelle Ausschreibungsangebote. Ihm stehe das alleinige Weisungsrecht gegenüber den Arbeitnehmern zu. Er entscheide über Werbemaßnahmen und betreibe Kundenpflege. Die Klägerin zu 1) sei zwar die Inhaberin des Betriebes. Sie sei jedoch nur für die Buchhaltung und allgemeine Bürotätigkeiten zuständig.
10Mit Schreiben vom 9.11.2007 hörte die Beklagte beide Kläger zu der Absicht an, einen Bescheid über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV ab dem 1.3.2004 zu erlassen. Der Tätigkeitsort werde durch ein einseitiges Direktionsrecht zugewiesen. Der Kläger zu 2) arbeite am Betriebssitz der Klägerin zu 1). Zur Durchführung des Auftrages habe er sich an zeitliche Vorgaben zu halten. Als Vergütung werde eine erfolgsunabhängige Pauschalvergütung gezahlt. Er setze kein eigenes Kapital ein.
11Dem traten die Kläger entgegen. Der Kläger zu 2) erhalte weder nach Ort noch Zeit Weisungen durch die Klägerin zu 1). Dafür fehle ihr die notwendige Qualifikation. Sie trete nur formal als Inhaberin des Betriebes auf. Zu ihrem Aufgabenbereich zählten allgemeine Bürotätigkeiten, insbesondere die Vorbereitung der Finanz- und Lohnbuchhaltung sowie die Büroablage. Der Kläger zu 2) habe die Funktion des Betriebsinhabers faktisch übernommen. Seine Aufgaben lägen in der Annahme und Kalkulation der Aufträge, der Erstellung der Ausgangsrechnungen, der Bearbeitung von Ausschreibungen, dem Eingehen und Beenden von Arbeitsverhältnissen und in der Ausübung des Weisungsrechts gegenüber den Angestellten im Hinblick auf deren Arbeitszeit und -ort. Er sei zudem allein in der Handwerksrolle eingetragen. Eine Eingliederung in den Betrieb sei nicht erkennbar. Er arbeite regelmäßig mehr als die vertraglich vereinbarte wöchentliche Stundenzahl. Auch den vertraglich vereinbarten, für einen Arbeitnehmer typischen, festen Jahresurlaub schöpfe er grundsätzlich nicht aus. Er habe in finanziell angespannten Zeiten zudem auf die fristgerechte Gehaltszahlung verzichtet. Man habe lediglich aus steuerlichen Gründen nach dem Tod des Vaters des Klägers zu 2) von einer Umschreibung des Betriebes abgesehen.
12Mit Bescheiden vom 11.1.2008 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger zu 2) als Dachdeckermeister bei der Klägerin zu 1) ab dem 1.3.2004 im Rahmen eines abhängigen und damit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigem Beschäftigungsverhältnisses tätig sei.
13Dagegen legten die Kläger am 13.2.2008 Widerspruch ein. Sie wiederholten und vertieften ihren Vortrag aus dem bisherigen Verwaltungsverfahren. Ergänzend führten sie aus, dass sich der Kläger zu 2) krankheitsbedingte Ausfälle nicht erlauben könne. Da zudem nur aus steuerlichen Gründen nach dem Tod des ursprünglichen Inhabers von einer Umschreibung des Betriebs auf ihn abgesehen worden sei, müsse er schon mit Eintritt in den Betrieb als Mitunternehmer verstanden werden.
14Mit Widerspruchsbescheiden vom 22.4.2008 wies die Beklagte die Widersprüche als unbegründet zurück.
15Dagegen haben die Kläger am 23.5.2008 vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgt haben. Es liege eine selbständige Tätigkeit des Klägers zu 2) vor. Neben den bereits genannten Aufgaben oblägen ihm die Beratung der Kunden sowie die Gespräche mit Kreditinstituten. Er sei fachlich-technischer Leiter des Betriebes. Der Arbeitsvertrag datiere auf das Jahr 1999 und stamme damit aus einer Zeit, als der Kläger zu 2) noch nicht Dachdeckermeister gewesen sei. Die vertraglichen Regelungen, insbesondere zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses und zur Arbeitszeit, würden in der Praxis nicht umgesetzt. Der Kläger zu 2) arbeite vielmehr regelmäßig mehr als die vertraglich vereinbarte wöchentliche Stundenzahl, ohne hierfür Freizeitausgleich oder Entgelt für Mehrarbeit in Anspruch zu nehmen. Den Jahresurlaub schöpfe er nicht aus. Arbeitszeit und Urlaubszeit gestalte er abhängig von den betrieblichen Bedürfnissen. Im Rahmen der Gesamtabwägung sei zudem zu berücksichtigen, dass die Gehaltszahlungen (auch) in bar erfolgten. Zwar habe der Kläger zu 2) im Jahr 2007 insgesamt 43.995,00 EUR und im Jahr 2008 insgesamt 44.652,00 EUR verdient. Die Zahlungen seien allerdings nicht pünktlich, sondern vielmehr mit erheblicher Verzögerung erfolgt. Der Kläger zu 2) trage auch ein unternehmerisches Risiko. Er habe einen Bausparvertrag (Nr. 000) bei der D Bausparkasse in Höhe von 16.725,00 EUR auf die Klägerin zu 1) übertragen. Dieser sei für Investitionen auf dem Betriebsgrundstück verwendet worden. Einen Ausgleich habe er nicht erhalten.
16Die Kläger haben beantragt,
17die Bescheide vom 11.1.2008 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 22.4.2008 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger zu 2) mit seiner Tätigkeit als Dachdeckermeister für die Firma Q Bedachung und Klempnerei, Inhaber Klägerin zu 1), vom 1.3.2004 bis zum 31.12.2010 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.
18Die Beklagte hat beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ihre Ausführungen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt.
21Das SG hat am 16.10.2009 einen Termin zur Erörterung des Sachverhaltes mit den Beteiligten durchgeführt und die Kläger angehört. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
22Das SG hat sodann die Klage mit Urteil vom 16.10.2012 nach erneuter Anhörung der Kläger abgewiesen. Dort hat der Kläger zu 2) u.a. mitgeteilt, dass er ab dem 1.1.2011 den Betrieb von der Klägerin zu 1) übernommen habe. Auf die Sitzungsniederschrift sowie die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
23Die Kläger haben gegen das ihnen am 19.11.2012 zugestellte Urteil am 18.12.2012 Berufung eingelegt, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgen. Das SG habe den Aspekt der fehlenden Weisungsgebundenheit nicht ausreichend gewürdigt. Die Klägerin zu 1) habe bereits aufgrund mangelnder Kenntnisse keine Weisungen erteilen können. Ein Vergleich zu einem angestellten Dritten sei nicht statthaft. Die Einstellung eines fremden Betriebsleiters sei zum einen bei inhabergeführten Familienbetrieben nicht üblich und zum anderen hätte die Klägerin zu 1) keinen Fremden mit den Aufgaben des Klägers zu 2) betraut. Das Bestehen eines Arbeitsvertrags und die Abführung von Lohnnebenkosten reichten nicht aus, um eine abhängige Beschäftigung zu begründen. Der Kläger zu 2) habe nur deshalb den Betrieb nicht direkt nach dem Tod seines Vaters übernommen, weil damals erhebliche Schulden in Höhe von ca. 700.000,00 DM bestanden hätten, die durch das Betriebsgrundstück, welches im Eigentum der Klägerin zu 1) stehe, gesichert gewesen seien.
24Mit Bescheiden vom 1.11.2013 hat die Beklagte die angefochtenen Bescheide dahingehend abgeändert, dass sie die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung des Klägers zu 2) vom 1.3.2004 bis zum 31.12.2010 in seiner ausgeübten Beschäftigung als Dachdeckermeister festgestellt hat.
25Die Kläger beantragen,
26das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 16.10.2012 zu ändern und unter Aufhebung der Bescheide vom 11.1.2008 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 22.4.2008 und der Änderungsbescheide vom 1.11.2013 festzustellen, dass für die Tätigkeit des Klägers zu 2) als Dachdeckermeister bei der Klägerin zu 1) vom 1.3.2004 bis zum 31.12.2010 keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestanden hat.
27Die Vertreterin der Beklagten beantragt,
28die Berufung zurückzuweisen und die Klagen gegen die Bescheide vom 1.11.2013 abzuweisen.
29Die Beklagte hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
30Auf Nachfrage des Senates haben die Kläger die Gehaltsabrechnungen des Klägers zu 2) für den streitgegenständlichen Zeitraum, Auszüge aus der Handwerksrolle sowie ein Schreiben der D Bausparkasse zum Bausparkonto 000 vom 17.1.1996 vorgelegt, wonach der Bausparvertrag des Klägers zu 2) auf die Klägerin zu 1) überschrieben worden ist.
31Mit Beschluss vom 4.12.2013 hat der Senat die Beigeladenen zu 1) bis 4) beigeladen.
32Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Senat die Kläger angehört und Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen Josef H und H1. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
33Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
34Entscheidungsgründe:
35Der Senat hat in Abwesenheit der Beigeladenen zu 1) bis 4) verhandeln und entscheiden können, da er sie mit den ordnungsgemäßen Terminsnachrichten auf diese Möglichkeit hingewiesen hat.
36Streitgegenständlich sind vorliegend die Bescheide der Beklagten vom 11.1.2008 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 22.4.2008 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 1.11.2013. Die Änderungsbescheide vom 1.11.2013 sind erstmalig im Berufungsverfahren nach §§ 153, 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Gegenstand des Verfahrens geworden, sodass der Senat diesbezüglich erstinstanzlich auf Klage entscheidet.
37Die zulässige Berufung der Kläger gegen das Urteil des SG Düsseldorf vom 16.10.2012 ist unbegründet. Hinsichtlich der Änderungsbescheide ist die Klage zwar zulässig, aber unbegründet.
38Die Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht nach § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG in ihren Rechten. Zu Recht hat die Beklagte nach § 7a Abs. 1 Satz 2 SGB IV bezüglich der von dem Kläger zu 2) vom 1.3.2004 bis zum 31.12.2010 ausgeübten Beschäftigung als Dachdeckermeister im Betrieb der Klägerin zu 1) Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung angenommen.
39Die Versicherungspflicht ergibt sich in der Rentenversicherung aus § 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI), in der Kranken- und Pflegeversicherung aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) bzw. § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit Satz 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) und nach dem Recht der Arbeitsförderung aus § 25 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III), da der Kläger zu 2) bei der Klägerin zu 1) gegen Arbeitsentgelt abhängig beschäftigt gewesen ist.
40Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.
41Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (st. Rspr.; vgl. zum Ganzen z.B. BSG, Urteil v. 29.8.2012, B 12 R 14/10 R, USK 2012-82; BSG, Urteil v. 25.4.2012, B 12 KR 24/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 15; BSG, Urteil v.11.3.2009, B 12 KR 21/07 R, USK 2009-25; BSG, Urteil v. 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 20; Senat, Beschluss vom 7.1.2011, L 8 R 864/10 B ER, NZS 2011, 906; Senat, Urteil v. 17.10.2012, L 8 R 545/11, juris; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung: Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluss v. 20.5.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr. 11).
42Nach diesen Grundsätzen richtet sich auch, ob ein Beschäftigungsverhältnis zwischen Angehörigen besteht (BSG, Urteil v. 5.4.1956, 3 RK 65/55, SozR Nr. 18 § 164 SGG; BSG, Urteil v. 17.12.2002, B 7 AL 34/02 R, USK 2002-42; BSG, Urteil v. 10.5.2007, B 7a AL 8/06 R, USK 2007-53), wobei es jeweils auf die Umstände des Einzelfalles ankommt (Senat, Urteil v. 29.2.2012, L 8 R 166/10, juris). Größere Freiheiten des als Arbeitnehmer tätigen Familienangehörigen im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern sind dabei unschädlich (BSG, Urteil v. 31.7.1963, 3 RK 46/59, SozR Nr. 39 zu § 165 RVO). Entscheidend für die Beurteilung der Eingliederung und der Weisungsgebundenheit ist insbesondere, ob die Arbeitskraft im Dienst des Unternehmens eingesetzt und dabei Aufgaben erfüllt werden, die sich aus der Organisation oder der direkten Anweisung des Arbeitgebers ergeben (Segebrecht in: jurisPK-SGB IV, 2. Aufl., 2011, § 7 Rdnr. 146; Senat, Urteil v. 29.2.2012, a.a.O.; jeweils m.w.N.).
43Bei der Feststellung des Gesamtbilds kommt dabei den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zu (vgl. BSG, Urteil v. 29.8.2012, a.a.O., juris; ebenso Urteil v. 25.1.2006, B 12 KR 30/04 R, USK 2006-8; Urteil v. 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R, Die Beiträge, Beilage 2008, 333, 341 f.): Nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen sind die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zur ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urteil v. 28.9.2011, B 12 R 17/09 R, juris; Senat, Urteil v. 29.6.2011, L 8 (16) R 55/08, juris).
44Ausgehend von diesen Grundsätzen ist das SG zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger zu 2) im Streitzeitraum von der Klägerin zu 1) abhängig beschäftigt war. Die Bewertung und Gewichtung der relevanten Abgrenzungsmerkmale zeigt, dass das vertraglich vereinbarte und tatsächlich praktizierte Vertragsverhältnis im Wesentlichen dem eines abhängig Beschäftigten entspricht, wogegen Aspekte, die für eine Qualifikation als selbstständige Tätigkeit sprechen, nicht in relevantem Umfang vorhanden sind.
45Ausgangspunkt der Prüfung ist der bereits am 1.7.1999 geschlossene Arbeitsvertrag in der Gestalt der vertraglichen Ergänzungen vom 1.3.2004 und zuletzt vom 1.3.2007, der das Vertragsverhältnis der Beteiligten bestimmte.
46Dieser hat sowohl nach seiner Bezeichnung als "Arbeitsvertrag", der Bezugnahme auf die tariflichen Bestimmungen als auch nach seinem Inhalt - über den Tarifvertrag eine wöchentliche Arbeitszeit (vgl. Rahmentarifvertrag für kaufmännische und technische Angestellte im Dachdeckerhandwerk v. 19.12.1990), monatliches festes Gehalt i.S.d. Tariflohns der Gruppe T4, Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sowie den tarifvertraglichen Anspruch auf bezahlten jährlichen Erholungsurlaub und ab dem 1.3.2007 Anspruch auf Nutzung eines Dienstwagens - ein Arbeitsverhältnis zum Gegenstand.
47Unerheblich ist die klägerische Einwendung, dass der Arbeitsvertrag bereits im Jahr 1999 geschlossen worden sei und in der Praxis ab dem 1.3.2004 nicht habe fortgelten sollen. Das Gegenteil ergibt sich bereits aus den Vereinbarungen der Kläger. Der Vertrag ist durch diese zweifach geändert worden, ohne dass sie sich grundsätzlich vom ihm lösen wollten. Vielmehr ist dem Wortlaut dieser sog. Nachträge zum Arbeitsvertrag eindeutig zu entnehmen, dass die Kläger an den ursprünglichen Bestimmungen im Übrigen festhalten wollten und als Folge davon auch an einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis. So haben sie mit Wirkung zum 1.3.2004 unter Berücksichtigung einer Erhöhung der monatlichen Bruttovergütung ausdrücklich vereinbart, dass nunmehr der "Arbeitnehmer als Dachdeckermeister beschäftigt" werde. Mit weiterem Nachtrag und Wirkung zum 1.3.2007 hat der erneut als Arbeitnehmer bezeichnete Kläger zu 2) ein Kraftfahrzeug der Marke Citroën C5 von der Klägerin zu 1) zur Verfügung gestellt bekommen, welches auch für private Fahrten genutzt werden durfte. Daraus sich ergebende geldwerte Vorteile sollte er erneut "als Arbeitnehmer" versteuern. In beiden Fällen waren sich die Kläger einig, dass die übrigen Regelungen des Vertrages unverändert bestehen bleiben sollten.
48Der Vortrag der Kläger, dass die Vereinbarung in der Praxis keinen Bestand gehabt habe, überzeugt zudem nicht vor dem Hintergrund, dass sämtliche Merkmale der "äußeren Abwicklung" der Erwerbstätigkeit des Klägers zu 2) (wie festes monatliches Arbeitsentgelt, Verbuchung der Personalkosten als Betriebsausgaben, Entrichtung von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen) im Wesentlichen über den streitigen Zeitraum unverändert geblieben sind (vgl. dazu auch BSG, Urteil v. 30.4.2013, B 12 KR 19/11 R, USK 2013-39). Das galt insbesondere auch noch, nachdem der Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status gestellt worden ist. Zudem hat der Kläger zu 2) insbesondere vor dem Hintergrund der bestehenden Absicherung darauf verzichtet, sich anderweitig gegen das Risiko der Krankheit abzusichern und für sein Alter vorzusorgen.
49Unerheblich ist ferner, dass es sich bei dem Kläger zu 2) ab dem 1.3.2004 um den einzigen Meister des Handwerksbetriebs gehandelt hat. Der durch die Kläger gewählten vertraglichen Gestaltung steht das nicht entgegen. Denn für die Eintragung in die Handwerksrolle ist die Selbstständigkeit des Meisters keine Voraussetzung.
50Bei dem ererbten Betrieb der Klägerin zu 1) handelt es sich um ein nach Ziff. 4 Anlage A der Handwerksordnung (HwO) zulassungspflichtiges Handwerk i.S.d. § 1 Abs. 1, 2 HwO. Vorliegend führte die Klägerin zu 1) diesen nach § 4 Abs. 1 Satz 1 HwO als Ehegatte nach dem Tod des Inhabers fort, ohne die Voraussetzungen für die Eintragung in die Handwerksrolle selbst erfüllen zu müssen. Sie war allerdings nach § 4 Abs. 1 Satz 2 HwO verpflichtet dafür Sorge zu tragen, dass unverzüglich ein Betriebsleiter i.S.d. § 7 Abs. 1 HwO bestellt wird. Das ist, nachdem der weitere Handwerksmeister den Betrieb zum 31.3.2004 verlassen hatte, durch den Einsatz und die spätere Eintragung des Klägers zu 2) geschehen, der als Betriebsleiter damit in dem Handwerksbetrieb für die fachliche Ausgestaltung und den technischen Ablauf die Verantwortung trug (vgl. Bundesverwaltungsgericht - BVerwG, Urteil v. 16.4.1991, 1 C 50/88, NVwZ 1991, 1189 zum alten Recht).
51Soweit sich die Kläger - glaubhaft bestätigt durch den Zeugen H - darauf berufen, dass die vertragliche Ausgestaltung lediglich aus steuer- und haftungsrechtlichen Gründen gewählt worden sei, gehen sie unzutreffend davon aus, es unterliege ihrer Disposition, die Wirkungen eines wirksamen Vertrages nach Maßgabe ihrer Individualnützigkeit auf bestimmte Rechtsgebiete zu beschränken (vgl. dazu bereits: BSG, Urteil v. 24.1.2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 7).
52Auf der beschriebenen vertraglichen Grundlage ist der Kläger zu 2) im streitigen Zeitraum demzufolge auch in einem fremden Betrieb, nämlich dem der Klägerin zu 1), tatsächlich tätig geworden. Die Klägerin zu 1) hat den Dachdeckerbetrieb als Einzelunternehmen geführt. Damit ist auch ausschließlich sie unmittelbar aus den sich aus dem Auftreten des Unternehmens im Geschäftsverkehr ergebenden Ansprüche berechtigt und verpflichtet gewesen, wobei sie für die über das Unternehmen eingegangenen Verbindlichkeiten als mit ihrem gesamten Vermögen gehaftet hat. Damit muss - auch unter dem Blickwinkel des Sozialversicherungsrechts - ohne weitere und besonders dokumentierte Umstände die Annahme einer sich auf seinen Status als Erwerbstätiger auswirkenden Beteiligung des Klägers zu 2) an der Führung des Einzelunternehmens ausscheiden (BSG, Urteil v. 30.4.2013, a.a.O.). So fehlen im Vortrag der Kläger auch jegliche Hinweise, dass die geschäftlichen Beziehungen zwischen ihnen wenigstens im Innenverhältnis als gesellschaftsrechtlich bedeutsame und hier zu beachtende Vereinbarung aufgefasst werden könnten. Die Kläger haben bereits im Ansatz nicht das das Bestehen einer - rechtlich wirksamen - sog. Innengesellschaft dargetan (vgl. dazu BSG, Urteil v. 26.8.1975, 1 RA 93/73 BSGE 40, 161, 163 m.w.N, BSG, Urteil v. 24.1.2007, a.a.O., BSG, Urteil v. 30.4.2013, a.a.O.). Im Übrigen ist es auch mit der Annahme einer Innengesellschaft zwischen Eheleuten unvereinbar, wenn diese in einem schriftlichen Anstellungsvertrag ausdrücklich die Funktion des Ehemannes in dem Unternehmen der Ehefrau geregelt haben, wonach der Ehemann nicht als Mitgesellschafter behandelt, sondern als Arbeitnehmer eingestellt wird, dessen Gehalt im Einzelnen festgelegt ist (BGH, Urteil v. 26.4.1995, XII ZR 132/93, NJW 1995, 3383).
53Während dieser Tätigkeit war der Kläger zu 2) damit vollständig in den fremden Betrieb und folglich in eine ihm einseitig vorgegebene Organisation eingegliedert (vgl. BSG, Urteil v. 4.6.1998, B 12 KR 5/97 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 17 m.w.N.). Er ist ausschließlich ausgehend von den Betriebsräumen der Klägerin zu 1) und mit den dortigen Betriebsmitteln tätig geworden. Dass der Kläger zu 2) zudem außerhalb der Betriebsstätte auf Baustellen tätig wurde, ist in diesem Zusammenhang nicht erheblich. Denn eine tatsächlich bestehende Eingliederung in den Betrieb des Dienstherrn tritt in ihrer Bedeutung für die vorzunehmende Abgrenzung nicht deshalb zurück, weil sie (auch) in der Eigenart der zu erbringenden Leistung begründet ist (vgl. BSG, Urteil v. 11.3.2009, a.a.O.).
54Der Kläger zu 2) unterlag daran anknüpfend einem umfassenden Weisungsrecht der Klägerin zu 1) bezüglich Ort, Zeit sowie Art und Weise der Tätigkeit, denn allein ihr oblag die abstrakte Rechtsmacht.
55Er verfügte bereits nicht über die (abgeleitete) Vollmacht, Änderungen in der konkreten Ausgestaltung der betrieblichen Organisation auf der Leitungsebene durchzusetzen. Dem Kläger zu 2) verblieb auch keine rechtliche Möglichkeit, ihm unangenehme Weisungen zu verhindern.
56Dabei ist unerheblich, ob die Klägerin zu 1) von ihrer Rolle als Betriebsinhaberin und ihrem Weisungsrecht in der täglichen Arbeitsroutine tatsächlich Gebrauch gemacht und der Kläger zu 2) seinen Zuständigkeitsbereich alleinverantwortlich und regelmäßig ohne Weisungen ausgeführt hat. Zunächst ist der Gebrauch bestehender Rechtsmacht unbeachtlich, weil die versicherungsrechtliche Beurteilung sonst wesentlich davon abhinge, ob die Tätigkeit aus Sicht des Rechtsmachtinhabers beanstandungsfrei ausgeübt wurde (vgl. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - LSG NRW -, Urteil v. 25.03.2010, L 16 (5) KR 190/08, juris). Entscheidend ist jedoch, dass aufgrund familiärer Rücksichtnahme eine zurückhaltende Betätigung des Weisungsrechts solange der Fall sein mag, wie das Einvernehmen der Familienmitglieder gewahrt bleibt. Im Fall eines familiären Zerwürfnisses zwischen den Beteiligten käme jedoch allein die den einzelnen Familienmitgliedern zustehende Rechtsmacht zum Tragen, so dass dann auch nach den gelebten tatsächlichen Verhältnissen eine Weisungsunterworfenheit besteht (BSG, Urteil v. 29.8.2012, B 12 KR 25/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 17; Senat, Urteil v. 29.2.2012, L 8 R 166/10, juris).
57Der Senat kann zudem offen lassen, ob die Klägerin zu 2) bereits mangels Kenntnissen ihr Weisungsrecht gar nicht ausüben konnte. Selbst wenn dem so wäre, geht dieser Einwand fehl. Denn vielfach werden Beschäftigte aufgrund ihrer besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten eingestellt. In solchen Fällen ist ein stark abgeschwächtes Weisungsrecht für die ausgeübte Tätigkeit ebenso wie z.B. bei der Wahrnehmung von Tätigkeiten für leitende Angestellte, die in einem Betrieb höhere Dienste leisten, geradezu charakteristisch. Dennoch werden auch Tätigkeiten für leitende Angestellte im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung geleistet, wenn sie fremdbestimmt bleiben, weil sie in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen (st. Rspr. seit BSGE 16, 289, 294 = SozR Nr. 30 zu § 165 RVO und BSGE 21, 57, 58 f = SozR Nr. 2 zu § 2 AVG S. 4; in jüngerer Zeit z.B. BSG SozR 3-2940 § 3 Nr. 2 m.w.N.; BSGE 66, 168 = SozR 3-2400 § 7 Nr. 1 und SozR 3-2400 § 7 Nr. 20). Wie weit die Lockerung des Weisungsrechts in der Vorstellung des Gesetzgebers gehen kann, ohne dass deswegen die Stellung als Beschäftigter entfällt, zeigen beispielhaft die gesetzlichen Sonderregelungen zur Versicherungsfreiheit von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft in der Renten- und Arbeitslosenversicherung (§ 1 Satz 4 SGB VI sowie § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III), die regelmäßig abhängig beschäftigt sind, auch wenn sie die Gesellschaft in eigener Verantwortung zu leiten haben und gegenüber der Belegschaft Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen (st. Rspr. BSGE 65, 113, 116 f = SozR 2200 § 1248 Nr. 48; SozR 3-2400 § 7 Nr. 18; BSGE 100, 62 = SozR 4-2600 § 1 Nr. 3, Rdnr. 16; BSGE 107, 185 = SozR 4-2600 § 1 Nr. 6 Rdnr. 14). Allein weit reichende Entscheidungsbefugnisse eines "leitenden Angestellten", der in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem gemilderten Weisungsrecht unterliegt, machen diesen nicht schon zu einem Selbstständigen (BSG, Urteil v. 18.12.2001, a.a.O.; Senat, Urteil v. 17.10.2012, a.a.O., juris).
58Nichts anderes gilt im vorliegenden Fall. Die Klägerin zu 1) hatte es allein in der Hand, etwa im Fall eines Zerwürfnisses den Kläger zu 2) zu entlassen und an seiner Stelle eine andere Arbeitskraft mit entsprechendem Fachwissen einzustellen, ohne dass er die Rechtsmacht besaß, dem mit Erfolgsaussicht entgegenzutreten. Anhaltspunkte dafür, dass allein der Kläger zu 2) über ein derart hohes Fachwissen verfügte, dass nur er in der Lage war, die konkrete Tätigkeit zu verrichten, sind dem Senat nicht ersichtlich (vgl. dazu BSG, Urteil v. 30.4.2013, a.a.O.). Auch kann insoweit nicht eingewandt werden, dass eine fremde Arbeitskraft mit entsprechendem Fachwissen möglicherweise nicht bereit gewesen wäre, zu denselben Konditionen tätig zu werden; insoweit handelt es sich lediglich um wirtschaftliche Überlegungen, die am grundsätzlichen Bestehen einer entsprechenden rechtlichen Möglichkeit nichts ändern (BSG, Urteil v. 30.4.2013, a.a.O.).
59Wesentliche Merkmale, die für eine selbstständige Tätigkeit sprechen, und im Rahmen der Gesamtabwägung dermaßen überwiegen, dass nicht von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen ist, liegen nicht vor.
60Zunächst verfügte der Kläger zu 2) nicht über eine eigene, unabhängig von dem Betrieb der Klägerin zu 1), bestehende Betriebsstätte und er hatte auch kein für eine selbstständige Tätigkeit maßgeblich sprechendes Unternehmerrisiko zu tragen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. z.B. BSG, Urteil v. 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R, USK 2008-45) ist maßgebliches Kriterium dafür, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist.
61Eine solche Ungewissheit ist nicht festzustellen, soweit es um den Einsatz der Arbeitskraft des Klägers zu 2) geht. Denn er erhielt ein monatliches Festgehalt, bei dem nicht einmal geringe Anteile erfolgsabhängig waren. Zwar verringerte dieses sich ab Januar 2009 von monatlich 3.427,00 EUR (zzgl. 294,00 EUR geldwerten Vorteil) auf monatlich 1.427,00 EUR (zzgl. 294,00 EUR geldwerten Vorteil). Allerdings handelt es sich hierbei nicht um eine (mit-)unternehmerische Entscheidung des Klägers zu 2). Denn nach eigenem Bekunden des Klägers zu 2) stand dem reduzierten Entgelt auch eine verminderte Arbeitsleistung gegenüber. Die Verringerung von Arbeitszeit und Lohn beruhte wiederum nur teilweise auf der reduzierten Auftragslage und war nach seinen Angaben zumindest (auch) privaten Gründen geschuldet. Für den Senat bestehen gerade vor dem Hintergrund der verringerten Arbeitszeit auch keine Anhaltspunkte dafür, dass dieses verringerte Arbeitsentgelt alsdann keinen adäquaten Gegenwert mehr für die geleistete Arbeit darstellte und der Kläger zu 2) aus diesem Grunde ab Januar 2009 lediglich im Rahmen der familienhaften Mithilfe für die Klägerin zu 2) tätig geworden ist (zur Abgrenzung der familiären Mitarbeit: BSG, Urteil v. 23.6.1994, 12 RK 50/93, BSGE 74, 275; Senat, Beschluss v. 7.1.2011, a.a.O., juris).
62Auch hinsichtlich der durch den glaubwürdigen Zeugen H, den Steuerberater der Kläger zu 1), glaubhaft bestätigten Tatsache, dass sich die Entgeltzahlungen für den Kläger zu 2) aus Gründen mangelnder Liquidität teilweise bis zu acht Monate verzögerten, kann der Senat kein wesentliches unternehmerisches Risiko erkennen. Zunächst verzögerten sich auch die Gehaltszahlungen des Zeugen H1, wenn auch nicht in dem zeitlichen und finanziellen Umfang wie bei dem Kläger zu 2). Zudem ist durch die Entscheidung des Klägers zu 2), der Klägerin zu 1) diesbezüglich zinslose Darlehen zu gewähren, keine Erweiterung seines unternehmerischen Handlungsspielraums entstanden.
63Mangels Mitunternehmerschaft war der Kläger zu 2) weder am Gewinn noch am Verlust des Einzelunternehmens beteiligt. Er genoss zudem den üblichen sozialen Schutz einer Entgeltfortzahlung im Urlaubs- und Krankheitsfall. Unerheblich ist, ob er diesen tatsächlich in Anspruch genommen hat, denn es ist erneut nicht ersichtlich, inwieweit damit eine Erweiterung der unternehmerischen Handlungsspielräume verbunden gewesen sein sollte.
64Ein Kapitalrisiko ist auch deshalb nicht anzunehmen, weil der Kläger zu 2) im Jahr 1996 einen Bausparvertrag auf die Klägerin zu 1) übertragen hat. Dabei handelt sich lediglich um eine finanzielle Entscheidung, mit der ebenfalls keine Erweiterung der unternehmerischen Handlungsspielräume im Sinne der Eröffnung unternehmerischer Chancen verbunden war. Die Entscheidung, Kapital zur Verfügung zu stellen, resultierte auch nicht aus der Stellung des Klägers zu 2) im Unternehmen. Entsprechende Anknüpfungen sind nicht vorhanden. Zum einen erfolgte die Übertragung an die Klägerin zu 1) bereits im Jahr 1996 und damit zu einem Zeitpunkt, als diese noch nicht Inhaberin des Betriebs gewesen ist und der Kläger zu 2) auch nach der Auffassung der Beteiligten in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stand. Zum anderen stand die Auskehr allenfalls mittelbar mit dem Betrieb in Verbindung, da der Betrag für das der Klägerin zu 1) gehörende Betriebsgrundstück verwandt werden sollte, welches sie an ihren Ehemann, den damaligen Betriebsinhaber, verpachtet hatte. Der Ursprung dieser Entscheidung lag damit vielmehr in der privaten Verbundenheit des Klägers zu 2) zu der Klägerin zu 1) als deren Sohn.
65Weitere in die Gesamtabwägung einzustellende Gesichtspunkte sind nicht ersichtlich.
66Die Beklagte hat zu Recht ab dem 1.3.2004 (bis zum 31.12.2010) die Beitragspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung, in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung festgestellt, da die Voraussetzungen für einen späteren Beginn gemäß § 7a Abs. 6 SGB IV nicht vorliegen. Die Antragstellung gemäß § 7a Abs. 1 SGB IV ist bereits nicht innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit erfolgt.
67Da es sich um einen Rechtsstreit u.a. des Versicherten handelt, ist dieser gerichtskostenfrei (Senat, Beschluss v. 24.3.2011, L 8 R 1107/10 B, juris). Die Entscheidung über die Kosten beruht demnach auf §§ 183, 193 SGG.
68Gründe gemäß § 160 Abs. 2 SGG für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Entscheidung orientiert sich an der ständigen Rechtsprechung des BSG.
Ein Vertreter kann, soweit nicht ein anderes ihm gestattet ist, im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten ein Rechtsgeschäft nicht vornehmen, es sei denn, dass das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 26.11.2012 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Streitig ist im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens gem. § 7a Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV), ob für den Kläger in seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) als Gesellschafter-Geschäftsführer seit dem 1.10.2009 Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht.
3Die Beigeladene zu 1) unterhält Einrichtungen zum von ihr durchgeführten Betrieb ambulanter und stationärer Physiotherapien nach §§ 39, 125, 109 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) und gesetzlichen Regelungen, die diesen Gesetzen nachfolgen, und erbringt darüber hinaus Leistungen im Sinne des Heilmittelkataloges an Selbstzahler (§ 2 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages).
4Nach dem Gründungsprotokoll der Beigeladenen zu 1) vom 10.6.2009 ist der Kläger Gesellschafter der Beigeladenen zu 1) und mit 19,5 % am Stammkapital beteiligt. Neben ihm halten drei weitere Gesellschafter Anteile, wobei auf Herrn N ein Anteil von 19,5 % und Herrn N1 10 % des Stammkapitals entfallen. Die Klinikum M gGmbH ist mit 51 % an der Beigeladenen zu 1) beteiligt. Die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung werden gemäß dem Gesellschaftsvertrag vom 10.6.2009 mit einfacher Mehrheit gefasst. Einzelne Maßnahmen und Rechtsgeschäfte werden mit einer Mehrheit von 75 Prozent beschlossen. Hierzu gehören insbesondere die Änderung des Gesellschaftsvertrags, Kapitalerhöhungen oder Kapitalherabsetzungen. Auf den Inhalt des Gesellschaftsvertrages wird im Übrigen verwiesen.
5Seit dem 1.10.2009 ist der Kläger auf Grund eines Anstellungsvertrags vom 10.6.2009 für die Beigeladene zu 1) tätig. Im Geschäftsführeranstellungsvertrag heißt es in Auszügen:
6"Präambel
7Herr I wurde durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 10.6.2009 zum Geschäftsführer der Gesellschaft bestellt. Herr I ist ebenfalls Geschäftsführer der S GmbH und der I & N Grundstücksgesellschaft GmbH & Co. KG und wird vor Aufnahme weiterer Funktionen dies mit der Gesellschaft abstimmen.
8§ 1 Aufgabe und Funktion
9Der Geschäftsführer ist berechtigt und verpflichtet, die Gesellschaft nach Maßgabe der Gesetze und des Gesellschaftsvertrages, den Beschlüssen der Gesellschafterversammlung sowie nach diesem Anstellungsvertrag zu vertreten und zu führen. Der Geschäftsführer ist für die fachliche und physiotherapeutische Geschäftsführung der Gesellschaft (Physiotherapeutische Versorgung der Patienten, Praxisorganisation, Ablauforganisation und fachliche Aufsicht, Terminierung des Patiententransports, Abrechnungen, Auswahl und Steuerung des fachlichen und des sonstigen in die Betriebsabläufe (Leistungsabrechnung, Terminierung und Rezeption) eingegliederten Personals einschließlich der Festlegung und Durchführung von Fortbildungsmaßnahmen) einzelvertretungsberechtigt und stellt bei Abwesenheit seine Vertretung sicher. Er ist von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.
10§ 2 Tätigkeit und Wettbewerbsverbot
111. Der Geschäftsführer hat der Gesellschaft neben seiner Tätigkeit für die S GmbH und der I & N Grundstücksgesellschaft GmbH & Co. KG seine ganze Arbeitskraft, Erfahrungen und Kenntnisse zur Verfügung zu stellen. ( ...)
122. Nebentätigkeiten, auch unentgeltliche sowie die Wahrnehmung von Ehrenämtern, bedürfen der Einwilligung der Gesellschaft. ( ...)
133. Für den Geschäftsführer gilt das Wettbewerbsverbot sinngemäß, das gemäß § 15 des Gesellschaftsvertrages der Gesellschaft für deren Gesellschafter vereinbart wurde.
14...
15§ 3 Verschwiegenheit
16...
17§ 4 Vergütung
181. Für seine Tätigkeit bei der Gesellschaft erhält der Geschäftsführer von der Gesellschaft eine Vergütung nach folgender Maßgabe:
19a) ein festes Monatsgehalt in Höhe von 2.777,77 Euro, das jeweils am Monatsende zu zahlen ist;
20b) eine Gewinntantieme in Höhe von 10 Prozent des Jahresüberschusses der Gesellschaft gemäß handelsrechtlicher Gewinn- und Verlustrechnung, der sich vor Abzug der Tantieme für die Geschäftsführer und vor den nicht abzugsfähigen Steuern ergibt, jedoch höchstens 30 Prozent des Festgehalts gemäß Buchstabe a) ...
212 ...
22§ 5 Urlaub
231. Der Geschäftsführer hat Anspruch auf einen Jahresurlaub von 30 Arbeitstagen. Der Urlaub ist mit Rücksicht auf die betrieblichen Belange der Gesellschaft und in Abstimmung mit den anderen Geschäftsführern zu nehmen ...
242. Zusätzlich hat der Geschäftsführer Anspruch auf Fortbildungsurlaub, der sich ausschließlich nach den betrieblichen und fachlichen Erfordernissen der Gesellschaft richtet.
25§ 6 Fortzahlung der Bezüge
261. Bei einer vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit des Geschäftsführers, die durch Krankheit oder einen von ihm nicht zu vertretenden Grund eintritt, werden ihm die Bezüge nach § 4 Abs. 1 Buchstabe a) sechs Monate, längstens aber bis zum Ende des Dienstverhältnisses weiter gezahlt.
272 ...
283 ...
29§ 7 Vertragslaufzeit
301. Der Vertrag tritt mit Wirkung vom 01.10.2009 in Kraft und wird bis zum 31.01.2015 fest abgeschlossen. Eine ordentliche Kündigung durch die Gesellschaft ist ausgeschlossen.
312. Der Vertrag ist jederzeit aus wichtigem Grund fristlos kündbar. Ein wichtiger Grund liegt für die Gesellschaft insbesondere vor, wenn
32a) der Geschäftsführer wegen Vorliegen eines wichtigen Grundes abberufen wird; b) der Geschäftsführer gegen das Wettbewerbsverbot (§ 2) verstößt; c) der Geschäftsführer trotz Abmahnung wiederholt gegen die ihm im Innenverhältnis auferlegten Beschränkungen hinsichtlich der Geschäftsführung verstößt und der Gesellschaft dadurch ein Schaden entsteht; d) der Geschäftsführer schwere Verstöße gegen besondere Anweisungen der Gesellschafterversammlung begeht, es sei denn, dass diese ein gesetzwidriges Handeln fordert.
33§ 8 Schlussbestimmungen
34... "
35Der Tätigkeit des Klägers bei der Beigeladenen zu 1) liegt weiter die Geschäftsführungsordnung vom 10.6.2009 zu Grunde. Danach obliegt dem Kläger gemeinsam mit Herrn N die fachliche und physiotherapeutische Geschäftsführung. Im Rahmen der Geschäftsführerkonferenz treffen die Geschäftsführer Beschlüsse mit der einfachen Mehrheit ihrer Stimmen. Der kaufmännische Geschäftsführer, welcher von der Klinikum M gGmbH bestimmt wird, einzeln und die fachlich und physiotherapeutischen Geschäftsführer zusammen verfügen über je eine Stimme. Bei Stimmengleichheit entscheidet der kaufmännische Geschäftsführer als Sprecher der Gesellschaft. Auf den weiteren Inhalt der vorgenannten Geschäftsführungsordnung wird verwiesen.
36Im Rahmen einer Gesellschafterversammlung am 28.9.2009 beschlossen die Gesellschafter der Beigeladenen zu 1) eine Erhöhung des Stammkapitals von bisher 50.000,00 Euro um weitere 200.000,00 Euro. Hierzu wurden vier neue Geschäftsanteile ausgegeben, wobei der Kläger einen weiteren Geschäftsanteil durch Einbringung einer Sacheinlage und ein zusätzlich in bar zu zahlendes Aufgeld in Höhe von 147.006,77 Euro erwarb.
37Am 15.4.2010 stellte der Kläger einen Antrag bei der Beklagten auf Feststellung, ob ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bei der Beigeladenen zu 1) vorliege. Im Antragsverfahren verwies er auf die ihm zustehenden gesellschaftsrechtlichen Sonderrechte. Er teilte mit, dass Herr N und er das Recht hätten, zwei weitere Geschäftsführer vorzuschlagen. Solange er und Herr N Geschäftsführer seien, stehe jedem das Geschäftsführungsrecht als gesellschaftsrechtliches Sonderrecht zu. Sie seien stets einzelvertretungsberechtigt und von der Beschränkung des § 181 BGB befreit. Ferner könnten sie nur aus wichtigem Grund abberufen werden. Zu seinen Aufgaben gehöre die fachliche Geschäftsführung, so dass die Versorgung der Patienten sowie die Ablauforganisation der Beigeladenen zu 1) wesentlich in des Geschäftsführers N und seinen Händen lägen. Er sei an wöchentliche Arbeitszeiten nicht gebunden. Weiterhin hätten er und Herr N das Recht, fachliches Personal auszuwählen und zu steuern.
38Mit Schreiben vom 6.8.2010 teilte die Beklagte mit, dass beabsichtigt sei, das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung festzustellen. Im Anhörungsverfahren erklärte der Kläger weiter, dass allein aus dem Vorliegen eines schriftlichen Anstellungsvertrages nicht auf eine abhängige Beschäftigung geschlossen werden könne. Ähnliches gelte im Hinblick auf das ausgezahlte Festgehalt. Der Kläger habe maßgeblichen Einfluss auf die Beigeladene zu 1), da er Mitglied einer Gesellschaftergruppe sei, ohne die gesellschaftstragende Beschlüsse nicht gefasst werden könnten.
39Mit Bescheid vom 14.12.2010 stellte die Beklagte fest, dass die Tätigkeit des Klägers bei der Beigeladenen zu 1) seit 1.10.2009 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses erfolge. Es bestehe Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass bei einer Würdigung des Gesamtbildes der Tätigkeit des Klägers die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis überwögen. Hierfür spreche insbesondere das Vorliegen eines gesonderten Arbeitsvertrags, welcher die Mitarbeit in der Gesellschaft regle. Ferner erhalte der Kläger für seine Tätigkeit ein festes Gehalt. Ergänzend wies die Beklagte darauf hin, dass der Kläger auf Grund der Minderheitsbeteiligung an der Beigeladenen zu 1) keinen maßgeblichen Einfluss auf deren Geschicke nehmen könne. Somit trage er kein wesentliches eigenes unternehmerisches Risiko. Zwar sprächen die Berechtigung zur Einzelvertretung, die Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot nach § 181 BGB und die indirekte Beteiligung am Gewinn über die Zahlung von Tantiemen für eine selbständige Tätigkeit. Diese Aspekte träten in der Gesamtabwägung jedoch zurück, da es dem Kläger auf Grund der Minderheitsbeteiligung an der Beigelanden zu 1) nicht möglich sei, deren Geschicke maßgeblich zu beeinflussen. Weder aus der Satzung noch aus den weiteren eingereichten Unterlagen sei erkennbar, dass ohne eine bestimmte Gesellschaftergruppe gesellschaftstragende Beschlüsse nicht gefasst werden könnten.
40Mit Schreiben vom 14.1.2011, bei der Beklagten eingegangen am 17.1.2011, erhob der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 14.12.2010. Er vertrat die Auffassung, nicht abhängig beschäftigt zu sein. Dies folge daraus, dass er über alle erforderlichen Sperrminoritäten verfüge. Er verwies weiter auf sein gesellschaftsrechtliches Sonderrecht zur Geschäftsführung und führte hierzu aus, dass dies die höchste Form des abgesicherten Dienstverhältnisses sei und diese Absicherung zur Folge habe, dass keine Beschlüsse zu Lasten des Geschäftsführers gefasst werden könnten. Die Gesellschaftergruppe bestehend aus ihm und Herrn N verfüge über 39 Prozent der Stimmanteile, so dass sie bei einer qualifizierten Quorumsanforderung nicht überstimmt werden könne. Weiterhin trage er ein erhebliches wirtschaftliches Risiko, da er das in bar zu zahlende Aufgeld in Höhe von 147.006,77 Euro als Kapitalrücklage der Beigeladenen zu 1) aufgebracht habe.
41Mit Widerspruchsbescheid vom 31.5.2011 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass auch unter Berücksichtigung der weiteren, im Widerspruchsverfahren eingereichten Unterlagen bei einer Gesamtbetrachtung die Merkmale eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses überwögen. Dies ergebe sich zum einen aus der gesellschaftsrechtlichen Stellung des Klägers, welcher mit 19,5 % eine Minderheitsbeteiligung an der Beigeladenen zu 1) halte. Ausweislich des Gesellschaftsvertrages würden Gesellschafterbeschlüsse jedoch mit einfacher Mehrheit gefasst, so dass der Kläger überstimmt werden könnte. Einen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft habe der Kläger auch nicht auf Grund der Geschäftsführungsordnung, da diese durch die Gesellschafterversammlung geändert oder aufgehoben werden könnte. Vielmehr sprächen die Regelungen im Geschäftsführeranstellungsvertrag für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis.
42Der Kläger hat am 28.6.2011 Klage zum Sozialgericht (SG) Köln erhoben. Zur Begründung hat er die bereits im Verwaltungs- und im Widerspruchsverfahren vorgetragenen Argumente wiederholt. Ergänzend hat er ausgeführt, dass seine Interessen mit denen des Herrn N stets gleichlaufend wären und von einer gemeinsamen Zielsetzung geprägt seien, so dass ihr Abstimmungsverhalten stets identisch sei. Faktisch verfügten Herr N und er über 39 Prozent des Stammkapitals und könnten damit einen wesentlichen Einfluss auf die Gesellschaft ausüben.
43Der Kläger hat beantragt,
44den Bescheid vom 14.12.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.5.2011 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1) als fachlich physiotherapeutischer Geschäftsführer ab 1.10.2009 nicht der Sozialversicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.
45Die Beklagte hat beantragt,
46die Klage abzuweisen.
47Sie ist der Ansicht gewesen, dass der Kläger in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur Beigeladenen zu 1) stehe. Zur Begründung hat sie auf die Ausführungen in dem Ausgangs- und in dem Widerspruchsbescheid Bezug genommen. Ergänzend hat sie erklärt, dass der Kläger ausweislich der vorliegenden Verträge keinen wesentlichen Einfluss auf die Gesellschaft ausüben könne. Ihm fehle die Rechtsmacht, nicht genehme Weisungen zu verhindern. Ein wirksamer Verzicht auf die dem Mehrheitsgesellschafter zustehende Rechtsmacht sei nicht erfolgt. Eine etwaige abweichend gelebte Praxis überlagere die formellen Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag nicht.
48Die Beigeladenen zu 1) bis 3) haben keinen Antrag gestellt und von einer eigenen rechtlichen Würdigung des Sachverhalts abgesehen.
49Mit Urteil vom 26.11.2012 hat das SG Köln die Klage abgewiesen. Auf dessen Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
50Gegen das ihm am 4.12.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 3.1.2013 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, er habe unstreitig seine Arbeitszeit sowie den Umfang und Ort der Tätigkeit vollkommen frei gestalten können und dies auch getan. Er sei schon nach dem Geschäftsführer-Vertrag an regelmäßige wöchentliche Arbeitszeiten nicht gebunden. Auch für die S GmbH müsse er täglich verfügbar sein. Er sei dort täglich tätig. Bei der Beigeladenen zu 1) sei er, bis auf Behandlungsbeobachtungen und Durchführung komplizierter Behandlungen im Einzelfall, nicht in die täglichen Behandlungsabläufe und die sonstigen therapeutischen Maßnahmen selbst eingegliedert, da er Geschäftsführungsaufgaben - wie dargelegt und im Geschäftsführungsvertrag und der Satzung geregelt - ausführe. Er verfüge auch vollends über seine eigene Arbeitskraft. Die Regelungen des Geschäftsführer-Vertrages zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, zum Urlaubsanspruch und zum Festgehalt mit einer auf 30 % dieses Festgehaltes beschränkten Tantiemenregelung sprächen nicht per se für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Aus steuerlichen Gründen müssten selbst in den Anstellungsverträgen bei Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführern derartige Vereinbarungen vorhanden sein, damit die Leistungen zwischen Gesellschaft an ihn als Gesellschafter-Geschäftsführer nicht als verdeckte Gewinnausschüttungen behandelt werden könnten. Die Vereinbarung der bloßen Abstimmung von Urlaub mit Mitgeschäftsführern oder die Rücksichtnahme auf betriebliche Belange (§ 5 des Geschäftsführer-Anstellungsvertrages) sei kein Indiz für eine abhängige Beschäftigung. Sie würden bestimmt durch die Erfordernisse des Betriebsablaufs, denen jeder Geschäftsführer - auch der Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer - unterworfen sei. In der Befreiung von § 181 BGB und der Alleinvertretungsberechtigung seien starke Indizien für eine selbständige Tätigkeit zu sehen, zumal ihm - dem Kläger - diese Rechte unentziehbar als gesellschaftsrechtliche Sonderrechte zustünden. Nur er und der weitere fachliche Geschäftsführer, Herr N, könnten die Beigeladene zu 1) fachlich führen. Herr A als kaufmännischer Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1) habe fachlich keinerlei Kompetenz. Die beherrschende Gesellschafterstellung der Stadt M beruhe auf umsatzsteuerrechtlichen Gründen, ohne welche die Stadt M nur eine 50%-Beteiligung erhalten hätte. Deshalb seien seine besondere Stellung und diejenige von Herrn N in der Satzung der Beigeladenen zu 1) so ausdrücklich und unentziehbar festgelegt worden. Er könne als Geschäftsführer mit seinen Fachkenntnissen frei schalten und walten. Dies werde nicht nur tatsächlich so gehandhabt, sondern sei für ihn auch gesellschaftsrechtlich abgesichert. Satzungsänderungen wie z.B. die Auflösung der Gesellschaft oder die Änderung des Unternehmensgegenstandes könnten nur mit einer 75%-Mehrheit beschlossen werden. Er und Herr N verfügten zusammen über 39% der Stimmen. Über die Gesellschaftergruppe mit Herrn N verfüge er über eine gesellschaftsrechtliche Sperrminorität. Unabhängig von dieser Sperrminorität gehe ohne ihn bei der Beigeladenen zu 1) rechtlich und faktisch gar nichts, zumal sie angesichts ihrer gemeinsamen Interessen immer gemeinsam gleich abstimmten. Der mit Herrn N abgeschlossene Stimmbindungsvertrag sei nochmals schriftlich fixiert worden. Es sei nicht möglich, ihn, den Kläger, als Gesellschafter auszuschließen oder als Geschäftsführer abzuberufen. Er sei besser abgesichert als typischerweise ein Mehrheitsgesellschafter in einer GmbH. Durch die Kataloggeschäfte in § 6 Ziff. 2 der Satzung könne er in der Ausgestaltung seines Geschäftsführungsrechts auch nicht beschränkt werden. Die Gesellschafterversammlung könne ihn also weder abberufen noch über die Kataloggeschäfte gängeln noch Weisungen erteilen, die ihn in seiner fachlichen Geschäftsführertätigkeit behinderten. Ein Unternehmer trage nicht erst dann ein unternehmerisches Risiko, wenn er für ausstehende Gehälter und Investitionen des Betriebes einstehen müsse und seine Arbeitskraft mit ungewissem Resultat einsetze. Nicht nur in Deutschland, sondern in Rechtsstaaten aller Nationen, bedienten sich Unternehmer beschränkt haftender Gesellschaften, um im Fall des Falles nicht für ausstehende Gehälter und Investitionen des Betriebes persönlich einstehen zu müssen. Das von ihm geleistete Aufgeld, das fremdfinanziert worden sei und bei einer Insolvenz in der Insolvenzmasse untergehe und nicht heraus verlangt werden könne, spreche für ein zusätzliches unternehmerisches Risiko.
51Der am 1.2.2013 schriftlich fixierte "Stimmbindungsvertrag", der vom Kläger und dem Gesellschafter N abgeschlossen und unterzeichnet wurde, bestimmt unter I., dass die Vertragsparteien wie in der Vergangenheit auch in der Zukunft bei allen Gesellschafterbeschlüssen übereinstimmend mit Ja oder Nein abstimmen oder sich übereinstimmend der Stimme enthalten werden. Auf den weiteren Inhalt dieses Vertrages wird Bezug genommen.
52Der Kläger beantragt,
53das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 26.11.2012 aufzuheben und unter Aufhebung des Bescheides vom 14.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.5.2011 festzustellen, dass der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1) als Geschäftsführer ab dem 1.10.2009 nicht der Sozialversicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.
54Die Beklagte beantragt,
55die Berufung zurückzuweisen.
56Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
57Die Beigeladene zu 1) trägt durch ihren Geschäftsführer A vor, die Argumentation des Klägers, er habe als Geschäftsführer mit seinen Fachkenntnissen frei schalten und walten können, was tatsächlich so gehandhabt worden und für ihn gesellschaftsrechtlich abgesichert sei, entspreche mehr seinem Wunschdenken des fachlichen Geschäftsführers, sei aber Fiktion. Tatsache sei, dass die Beigeladene zu 1) in den Organkreis der Klinikum M gGmbH eingebettet sei und mit dieser eine umsatzsteuerliche Organschaft bilde. Alle Gesellschafter (auch der Kläger) hätten als Basis mit der Geschäftsgründung die umsatzsteuerfreie Inanspruchnahme von Personal- und Dienstleistungen aus dem Konzern Klinikum M vereinbart. Die für die umsatzsteuerliche Besserstellung - 150.000 bis 200.000 Euro jährlich - erforderliche personelle, finanzielle und organisatorische Beherrschung der Beigeladenen zu 1) als Tochterunternehmen durch die Klinikum M gGmbH sei obligatorisch und werde entgegen der Einlassungen des Klägers auch so praktiziert.
58Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Beklagte den Bescheid vom 14.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.5.2011 insoweit aufgehoben, als dort im Tenor das Bestehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses isoliert festgestellt worden ist.
59Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
60Entscheidungsgründe:
61Der Senat hat in Abwesenheit der Beigeladenen verhandeln und entscheiden können, da er sie mit den ordnungsgemäßen Terminnachrichten auf diese Möglichkeit hingewiesen hat.
62Die Berufung des Klägers ist zulässig. Richtige Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54 Abs. 1 1. Alt., 55 Abs. 1 Nr. 1, 56 SGG). Denn über die Aufhebung des angefochtenen Bescheides hinaus begehrt der Kläger die Feststellung des Nichtbestehens seiner Versicherungspflicht zur gesetzlichen Krankenversicherung, sozialen Pflegeversicherung, gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung.
63Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Köln vom 26.11.2012 ist jedoch unbegründet, nachdem die Beklagte im Verhandlungstermin den Bescheid vom 14.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.5.2011 insoweit aufgehoben hat, als dort im Tenor das Bestehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses isoliert festgestellt worden ist. Mangels Ermächtigungsgrundlage war dieser Verfügungssatz rechtswidrig gewesen (vgl. BSG, Urteil v. 11.3.2009, B 12 R 11/07 R, USK 2009-72 und Urteil v. 4.6.2009, B 12 R 6/08 R, SozR 4-2400 § 7a Nr. 2).
64In der nunmehrigen Fassung erweist sich der streitgegenständliche Bescheid als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht nach § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG in seinen Rechten. Denn die Beklagte hat zu Recht bezüglich der vom Kläger ab dem 1.10.2009 für die Beigeladene zu 1) ausgeübten Beschäftigung als Gesellschafter-Geschäftsführer seine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung, der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung festgestellt.
65Rechtsgrundlage für den angefochtenen Feststellungsbescheid ist § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach können Beteiligte schriftlich eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn - was hier nicht ersichtlich ist -, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hätte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet.
66Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch, § 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch und § 25 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch).
67Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil v. 30.12.2013, B 12 KR 17/11 R, SozR 4-2600 § 6 Nr. 11; Urteil v. 30.4.2013, B 12 KR 19/11 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 21; Urteil v. 29.8.2012, B 12 KR 25/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 17; Urteil v. 25.4.2012, B 12 KR 24/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 15; BSG, Urteil v.11.3.2009, B 12 KR 21/07 R, a.a.O.; BSG, Urteil v. 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 20; jeweils m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung: BVerfG, Beschluss v. 20.5.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr. 11).
68Bei der Feststellung des Gesamtbilds kommt dabei den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zu (vgl. BSG, Urteil v. 29.8.2012, a.a.O., juris; ebenso Urteil v. 25.1.2006, B 12 KR 30/04 R, USK 2006-8; Urteil v. 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R, Die Beiträge, Beilage 2008, 333, 341 f.): Nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen sind die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urteil v. 28.9.2011, B 12 R 17/09 R, juris; Senat, Urteil v. 29.6.2011, L 8 (16) R 55/08, juris).
69Nach diesen Grundsätzen ist auch zu beurteilen, ob der Geschäftsführer einer GmbH zu dieser in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht (BSG, Urteil v. 4.7.2007, B 11a AL 5/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 8 m.w.N.). Der Geschäftsführer einer GmbH ist weder wegen seiner Organstellung noch deshalb von einer abhängigen Beschäftigung ausgeschlossen, weil er gegenüber Arbeitnehmern der GmbH Arbeitgeberfunktionen ausübt. Denn auch wer Arbeitgeberfunktionen ausübt, kann seinerseits bei einem Dritten persönlich abhängig beschäftigt sein. Maßgebend ist vor allem die Bindung des Geschäftsführers an das willensbildende Organ, in der Regel die Gesamtheit der Gesellschafter (BSG, Urteil v. 6.3.2003, B 11 AL 25/02 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 1 m.w.N.). Insoweit ist von besonderer Bedeutung, ob ein Geschäftsführer gleichzeitig Gesellschafter ist und aufgrund seiner Gesellschafterstellung maßgeblichen Einfluss auf die Willensbildung der GmbH hat und damit Beschlüsse und Einzelweisungen an sich jederzeit verhindern kann (BSG, Urteil v. 8.8.1990, 11 RAr 77/89, SozR 3-2400 § 7 Nr. 4; BSG, Urt. v. 25.1.2006, B 12 KR 30/04 R, juris, Rn. 23). Ist dies der Fall, ist ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu verneinen, weil der Geschäftsführer mit Hilfe seiner Gesellschafterrechte die für das Beschäftigungsverhältnis typische Abhängigkeit vermeiden kann (BSG, Urteil v. 6.2.1992, 7 RAr 134/90, SozR 3-4100 § 104 Nr. 8). Darüber hinaus ist von Bedeutung, ob der Einfluss des Geschäftsführers auf die Willensbildung der GmbH aufgrund besonderer Einzelfallumstände unabhängig von seiner Gesellschafterstellung so erheblich ist, dass ihm gegenüber nicht genehme Beschlüsse und jede Weisung ausgeschlossen sind und er die Geschäfte nach eigenem Gutdünken führen, d.h. frei schalten und walten kann. Dann ist eine persönliche Abhängigkeit auch bei Diensten höherer Art zu verneinen, weil die Gesellschafter tatsächlich keinerlei Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft nehmen und sich der Geschäftsführer nur in der von ihm selbst gegebenen Ordnung des Betriebes einfügt (BSG, Urteil v. 14.12.1999, B 2 U 48/98 R, USK 9975; BSG, Urteil v. 11.2.1993, 7 RAr 48/92, USK 9347; vgl. insgesamt: Senat, Urteil v. 17.10.2012, L 8 R 545/11, juris).
70Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sprechen nach Überzeugung des Senates unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls sowohl in vertraglicher als auch in tatsächlicher Hinsicht die überwiegenden Gesichtspunkte dafür, dass der Kläger seit dem 1.10.2009 bei der Beigeladenen zu 1) im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses tätig ist.
71Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung, ob die Tätigkeit des Klägers als Gesellschafter-Geschäftsführer für die Beigeladene zu 1) im Rahmen einer Beschäftigung oder einer selbständigen Tätigkeit ausgeübt wird, ist der Anstellungsvertrag. Dieser Vertrag hat nach den darin verwendeten Begriffen "Anstellungsvertrag", "Anstellungsverhältnis", "Arbeitskraft" und "Arbeitsunfähigkeit" sowie seinem Inhalt nach maßgebliche Elemente eines Arbeitsverhältnisses zum Gegenstand.
72Inhaltlich regelt der Geschäftsführer-Anstellungsvertrag die Bindung an Entscheidungen der Gesellschafterversammlung (§ 1), die Ressortzuteilung (§ 1), Pflichten des Geschäftsführers und ein Wettbewerbsverbot (§ 2), die Verpflichtung zur Verschwiegenheit (§ 3), die Zahlung einer festen Vergütung nebst gewinnabhängiger Tantiemen (§ 4), den Urlaubsanspruch (§ 5), die Fortzahlung der Bezüge bei Arbeitsunfähigkeit (§ 6) sowie die Vertragslaufzeit (§ 7). Er entspricht damit, auch wenn einzelne Vertragsbestimmungen nicht zwingend für eine abhängige Beschäftigung sprechen, dem typischen Geschäftsführervertrag eines abhängig beschäftigten Gesellschafter-Geschäftsführers.
73Maßgebliche Elemente eines Arbeitsverhältnisses sind die Bestimmungen zum Anspruch auf ein festes monatliches Gehalt - neben einer auf 30 % des Festgehaltes beschränkten Tantieme - (§ 4), die Regelungen zum bezahlten jährlichen Erholungsurlaub (§ 5) und zur Fortzahlung der Bezüge bei Arbeitsunfähigkeit (§ 6). Soweit die vorgenannten Regelungen des Geschäftsführer-Anstellungsvertrages Ausdruck der Inanspruchnahme steuerrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten sind, unterliegt es entgegen der Auffassung des Klägers nicht der Disposition der Vertragsparteien, die Rechtswirkungen auf das Steuerrecht zu beschränken. Dass diese Regelungen typischerweise für abhängige Beschäftigung sprechen, gilt selbst dann, wenn sie üblicherweise auch in Dienstverträgen von Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführern enthalten sind. Denn ausschlaggebendes Kriterium für die Selbständigkeit des Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführers ist dessen gesellschaftsrechtliche Rechtsmacht. Hinter dieses maßgebliche Kriterium für eine abhängige Beschäftigung sprechende Gesichtspunkte bei der vorzunehmenden Gesamtabwägung zurück.
74Soweit der Geschäftsführervertrag in § 2 keine Regelungen zur Arbeitszeit und nur eingeschränkt zum Einsatz der Arbeitskraft enthält, ist dies Ausfluss des Umstandes, dass es sich um eine Tätigkeit höherer Art handelt, bei der das Weisungsrecht des Arbeitgebers von vornherein eingeschränkt und zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert ist (vgl. BSG, Urteil v. 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R; Senat, Urteil vom 17.10.2012, L 8 R 545/11, jeweils a.a.O.). Die Freiheiten des Klägers hinsichtlich des Einsatzes seiner Arbeitskraft sind allerdings dadurch eingeschränkt, dass er neben seiner Tätigkeit für die S GmbH und der I & N Grundstücksgesellschaft mbh & Co. KG seine ganze Arbeitskraft, Erfahrungen und Kenntnisse der Beigeladenen zu 1) zur Verfügung zu stellen hat und einem weitgehenden Wettbewerbsverbot (§ 2 des Geschäftsführervertrages) unterliegt sowie Urlaub nur mit Rücksicht auf die betrieblichen Belange und in Abstimmung mit den anderen Geschäftsführern nehmen darf (§ 5 des Gesellschaftsvertrages).
75Auf der beschriebenen vertraglichen Grundlage ist der Kläger in einem fremden Betrieb, nämlich dem der Beigeladenen zu 1), eingegliedert und weisungsgebunden tätig.
76Der Kläger unterlag bzw. unterliegt nach §§ 37 Abs. 1, 46 GmbHG dem Weisungsrecht der Beigeladenen zu 1) bzw. deren Gesellschafterversammlung. Die rechtliche Bindung an die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung kommt ergänzend in § 1 des Geschäftsführeranstellungsvertrages zum Ausdruck. Der Kläger verfügt nicht über die Rechtsmacht, ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung jederzeit zu verhindern. Nach § 6 Ziff. 1. a) des Gesellschaftsvertrages werden die Beschlüsse der Gesellschaft mit einfacher Mehrheit der in der Gesellschafterversammlung abgegebenen Stimmen gefasst, wobei je 50 % eines Geschäftsanteils eine Stimme gewähren (§ 6 Ziff. 4). Nur in einigen Angelegenheiten, z. B. bei Änderungen des Gesellschaftsvertrages, Kapitalerhöhungen und Kapitalherabsetzungen (§ 7), der Übertragung von Geschäftsanteilen (§ 11), ist eine qualifizierte Stimmenmehrheit von mindestens 75 % aller Stimmen erforderlich. Der Kläger verfügt über einen Geschäftsanteil von 19,5 % und somit nicht einmal über eine partielle und schon gar nicht über eine umfassende Sperrminorität, sodass er allein keine einzige ihm nicht genehme Weisung der Gesellschafterversammlung verhindern kann. Soweit der Kläger geltend macht, allein aus umsatzsteuerlichen Gründen sei der Klinikum M gGmbH die Mehrheitsbeteiligung von 51 % eingeräumt worden, fehlt diesem Einwand jegliche Relevanz. Wie bereits ausgeführt, unterliegt es nicht der Disposition des Klägers, die Wirkungen rechtlicher Gestaltungen nach Maßgabe ihrer Individualnützlichkeit auf bestimmte Rechtsgebiete zu beschränken.
77Der am 1.2.2013 schriftlich fixierte Stimmbindungsvertrag führt nicht zu einer Rechtsmachtverschiebung zu Gunsten des Klägers, da er ihm keine umfassende Sperrminorität verleiht. Selbst wenn der Kläger und der Gesellschafter-Geschäftsführer N ihre Stimmen einheitlich bei der Beschlussfassung der Gesellschafter abgeben, verfügen sie zusammen nur über 39 % der Geschäftsanteile. Die mit einfacher Mehrheit zu fassenden Gesellschafterbeschlüsse können sie damit nicht verhindern, sodass der Kläger damit nicht jede ihm nicht genehme Weisung der Gesellschafterversammlung jederzeit verhindern kann. Schon aus diesem Grund hat der Stimmbindungsvertrag keine rechtliche Relevanz.
78Darüber hinaus würde selbst ein vertragswidriges Abstimmungsverhalten des Gesellschafters N dem Kläger kein Recht zur Anfechtung des Gesellschafterbeschlusses verschaffen. Der Beschluss wäre wirksam und für den Kläger rechtsverbindlich. Denn die Anfechtbarkeit eines Mehrheitsbeschlusses besteht nur dann, wenn gegen eine rechtsverbindliche Abrede aller Gesellschafter verstoßen würde (vgl. BGH, Urt. v. 20.1.1983, II ZR 243/81, NJW 1983, 1910 f, juris). Der am 1.2.2013 schriftlich fixierte Stimmbindungsvertrag wurde nicht von allen Gesellschaftern, sondern nur vom Kläger und dem Gesellschafter N geschlossen.
79Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass die Geschäftsführungsbefugnis dem Kläger als gesellschaftsrechtliches Sonderrecht zusteht (§ 4 Abs. 3 Satz 2 des Gesellschaftsvertrages). Denn mit dieser Regelung kann das Recht der Gesellschafterversammlung, den Kläger aus wichtigem Grund als Geschäftsführer abzuberufen, nicht abbedungen werden (OLG Nürnberg, Urteil v. 10.11.1999, 12 U 813/99, GmbHR 2000, 561 f.; Seibt in Scholz, GmbHG, 11. Aufl. 2012, § 14 Rdnr. 21; Schneider/Schneider in Scholz, a.a.O., § 38 Rdnr. 41). Bei einem solchen Beschluss, der z.B. auch auf das Argument gestützt werden könnte, der Kläger habe als Gesellschafter-Geschäftsführer mit Minderheitsbeteiligung das Vertrauen des Mehrheitsgesellschafters verloren (Schneider/Schneider, a.a.O., Rdnr. 52 m.w.N.), dürfte der Kläger wegen des Stimmverbotes nach § 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG nicht einmal mit abstimmen (K. Schmidt in Scholz, a.a.O., § 46 Rdnr. 76 m.w.N.).
80Die Weisungsgebundenheit des Klägers ergibt sich zusätzlich auch aus den Regelungen der Geschäftsführungsordnung. In dem Gesellschafterbeschluss vom 10.6.2009 heißt es wörtlich: "Die Geschäftsführer werden angewiesen, entsprechend dieser Geschäftsführungsordnung zu verfahren". Die Geschäftsführungsordnung enthält detaillierte Regelungen zur Bindung der Geschäftsführer an die Geschäftsführungsordnung (§ 1), zu den Zuständigkeitsbereichen der Geschäftsführer (§ 2), dem Verfahren innerhalb der Geschäftsführung (§ 3) und den Entscheidungsbefugnissen und -regularien der Geschäftsführerkonferenz (§ 4). Die Abstimmung von Urlaub mit Mitgeschäftsführern und die Rücksichtnahme dabei auf betriebliche Belange sind ebenfalls deutliche Ausprägungen der Eingliederung in eine fremde Betriebsorganisation. Im Rahmen der Geschäftsführerkonferenz treffen die Geschäftsführer Beschlüsse mit der einfachen Mehrheit ihrer Stimmen. Der kaufmännische Geschäftsführer, welcher von der Klinikum M gGmbH bestimmt wird, einzeln und die fachlichen und physiotherapeutischen Geschäftsführer, der Kläger und der Herr N, zusammen verfügen über je eine Stimme. Bei Stimmengleichheit entscheidet der kaufmännische Geschäftsführer als Sprecher der Gesellschaft (§ 4 Abs. 5 Satz 3 Geschäftsführungsordnung). Zudem kann die Mehrheitsgesellschafterin der Beigeladenen zu 1) durch den Geschäftsführer A jede Maßnahme durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Kläger und dem Geschäftsführer N zu einer Beschlusssache der Geschäftsführerkonferenz machen, in der der kaufmännische Geschäftsführer A, der auch Geschäftsführer der Mehrheitsgesellschafterin der Beigeladenen zu 1) ist, über die Mehrheit der Stimmen verfügt.
81Der vom Kläger hiergegen vorgebrachte Einwand, ein Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer sei denselben Erfordernissen unterworfen, rechtfertigt keine andere Beurteilung, sondern zeigt lediglich auf, dass auch der Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer in eine fremde Arbeitsorganisation eingegliedert ist, wobei dieser für eine abhängige Beschäftigung sprechende Gesichtspunkt bei dem Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer im Hinblick auf den maßgeblichen Gesichtspunkt der diesem zustehenden Rechtsmacht, jederzeit ihm nicht genehme Gesellschafterbeschlüsse verhindern zu können, nicht entscheidend zu Tragen kommt.
82Soweit der Kläger sich darauf berufen hat, er habe aufgrund der nur bei ihm und dem Gesellschafter-Geschäftsführer N bestehenden fachlichen physiotherapeutischen Fachkenntnisse eine faktisch beherrschende Stellung in der Gesellschaft inne gehabt und deshalb quasi nach seinem Willen schalten und walten können, trifft dies schon deshalb nicht zu, weil diese Befugnisse sich nicht auf das gesamte Unternehmen beziehen. Hiervon ausgeschlossen war und ist in jedem Fall der kaufmännische Bereich, der von dem kaufmännischen Geschäftsführer zu verantworten war bzw. ist.
83Vielfach werden zudem Beschäftigte gerade aufgrund ihrer besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten eingestellt. In solchen Fällen ist ein stark abgeschwächtes Weisungsrecht für die ausgeübte Tätigkeit ebenso wie z. B. bei der Wahrnehmung von Tätigkeiten für leitende Angestellte, die in einem Betrieb höhere Dienste leisten, geradezu charakteristisch. Dennoch werden auch Tätigkeiten für leitende Angestellte im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung geleistet, wenn sie fremdbestimmt bleiben, weil sie in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes. Wie weit die Lockerung des Weisungsrechts in der Vorstellung des Gesetzgebers gehen kann, ohne dass deswegen die Stellung als Beschäftigter entfällt, zeigen beispielhaft die gesetzlichen Sonderregelungen zur Versicherungsfreiheit von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft in der Renten- und Arbeitslosenversicherung (§ 1 Satz 4 SGB VI sowie § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III), die regelmäßig abhängig beschäftigt sind, auch wenn sie die Gesellschaft in eigener Verantwortung zu leiten haben und gegenüber der Belegschaft Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen (BSG, Urteil v. 30.4.2013, B 12 KR 19/11 R, a.a.O.; Urteil v. 29.8.2012, B 12 KR 25/10 R, a.a.O.; jeweils m.w.N.). Allein weitreichende Entscheidungsbefugnisse eines "leitenden Angestellten", der in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem gemilderten Weisungsrecht unterliegt, machen diesen nicht schon zu einem Selbständigen (vgl. BSG, Urteil v. 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R; Senat, Urteil vom 17.10.2012, L 8 R 545/11, jeweils a.a.O.). Die arbeitsteilige Geschäftsführung ist vielmehr ein Indiz für eine abhängige Beschäftigung (vgl. BSG, Urteil v. 29.08.2012, B 12 R 14/10 R, USK 2012-182), denn sie ist Ausdruck der Eingliederung in eine fremde betriebliche Organisation. Die Einräumung von Freiräumen lediglich in Teilbereichen reicht zur Annahme eines beherrschenden Einflusses nicht aus.
84Zudem verfügte der Kläger nicht über eine eigene, unabhängig von dem Betrieb der Beigeladenen zu 1) bestehende Betriebsstätte, und er hat auch kein für eine selbstständige Tätigkeit sprechendes wesentliches Unternehmerrisiko zu tragen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. z.B. BSG, Urteil v. 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R, a.a.O.) ist maßgebliches Kriterium dafür, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist, wobei dem Risiko unternehmerische Chancen in Form von Verdienstmöglichkeiten oder Gestaltungsspielräumen gegenüber stehen müssen (vgl. BSG, Urteil vom 4.6.1998, B 12 KR 5/97 R, juris).
85Eine solche Ungewissheit ist nicht festzustellen, soweit es um den Einsatz der Arbeitskraft des Klägers geht. Denn er erhält ein monatliches Festgehalt in Höhe von 2.777,77 Euro. Zusätzlich kann er bis zur Höhe von 30 % des Festgehaltes eine gewinnabhängige Tantieme erzielen. Ihr kommt jedoch nur Bedeutung für die Abgrenzung von Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit als (ein) Anknüpfungspunkt für ein mögliches wirtschaftliches Eigeninteresse des für ein Unternehmen Tätigen zu, das im Rahmen der Gesamtwürdigung Gewicht gewinnen kann, jedoch nicht allein entscheidend ist (vgl. BSG, Urteil v. 29.8.2012, B 12 KR 25/10 R, m.w.N.; Senat, Urteil v. 17.10.2012; jeweils a.a.O.). Vor dem Hintergrund, dass die Gewährung einer Tantieme an Arbeitnehmer nicht ungewöhnlich ist, ist deren Gewicht für die Abgrenzung der Beschäftigung gegenüber einer selbständigen Tätigkeit nicht allein erheblich. Diese ergebnisabhängige Verdienstmöglichkeit führt vorliegend zwar zu einem wirtschaftlichen Eigeninteresse des Klägers. Da aber schon das Festgehalt in Höhe von 33.333,24 Euro jährlich die ergebnisabhängigen Tantiemen in Höhe von maximal 9.999,97 Euro deutlich überschreitet, kann der Tantiemengewährung nach den vorgenannten Grundsätzen keine ausschlaggebende Bedeutung bei der Gesamtabwägung zukommen.
86Ein Unternehmerrisiko, dem auch unternehmerische Chancen und Freiheiten gegenüberstünden, ist nicht vorhanden. Die Sach- und Kapitalaufwendungen für den Erwerb des weiteren Gesellschaftsanteils gewähren dem Kläger keine höheren Einflussmöglichkeiten auf die Willensbildung der Gesellschafterversammlung, da sein Anteil weiter bei 19,5 % liegt, und erhöhen nicht seine Verdienstmöglichkeiten als Geschäftsführer.
87Soweit der Kläger nach § 4 des Gesellschaftsvertrages von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit und alleinvertretungsberechtigt ist, ist das für einen abhängig beschäftigten Gesellschafter-Geschäftsführer nicht untypisch und deutet deshalb nicht zwingend auf eine selbständige Tätigkeit hin (vgl. BSG, Urteil v. 6.3.2003, B 11 AL 25/02 R; BSG, Urteil vom 4.7.2007, B 11a AL 5/06 R, a.a.O.; Senat, Urteil v. 17.10.2012, L 8 R 545/11, a.a.O.).
88Für Selbständigkeit sprechende Gesichtspunkte (Befreiung vom Verbot des § 181 BGB, Alleinvertretungsbefugnis, Tantiemenregelung) sind somit nur in derartig geringem Maße vorhanden, dass die maßgeblich für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Merkmale der Weisungsgebundenheit und Eingliederung in einen fremden Betrieb den Ausschlag geben für das Ergebnis der Gesamtabwägung.
89Die Versicherungspflicht besteht seit der Aufnahme der Beschäftigung zum 1.10.2009. Ein späterer Eintritt der Versicherungspflicht gem. § 7a Abs. 6 Satz 1 SGB IV ist nicht gegeben, da der Antrag auf Statusfeststellung erst am 15.4.2010 und somit nicht binnen eines Monats nach Aufnahme des Beschäftigungsverhältnisses zum 1.10.2009 gestellt wurde.
90Eine Versicherungsfreiheit in der Krankenversicherung gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V und dem folgend in der sozialen Pflegeversicherung besteht nicht, da die regelmäßigen Jahresarbeitsentgelte (JAE) des Klägers in Höhe von höchstens 43.333,21 Euro, die jeweils geltenden JAE-Grenzen in Höhe von 48.600,00 Euro für 2009, 49.950,00 für 2010, 49.500,00 Euro für 2011, 50.850,00 Euro für 2012, 52.200,00 für 2013 und 53.500,00 Euro für 2014 nicht überstiegen bzw. übersteigen. Da die JAE-Grenzen selbst unter Hinzurechnung etwaiger Tantiemenzahlungen nicht überschritten wurden bzw. werden, kann dahinstehen, ob diese Zahlungen überhaupt dem regelmäßigen JAE hinzuzurechnen sind (vgl. zu den insoweit maßgeblichen Rechtsfragen Senat, Urteil vom 20.2.2013, L 8 R 920/10, juris).
91Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG. Im Rahmen seines Ermessens hat der Senat von einer Kostenquotelung trotz der teilweisen Aufhebung des Bescheides im Termin zur mündlichen Verhandlung aufgrund der Geringfügigkeit des diesbezüglichen Obsiegens des Klägers abgesehen.
92Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Die Entscheidung orientiert sich an der ständigen Rechtsprechung des BSG.
Tenor
Auf die Berufungen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) wird das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 27.3.2012 geändert. Unter entsprechender Teilaufhebung der Bescheide vom 1.3.2010 und 18.5.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.8.2010 wird festgestellt, dass die Klägerin für die Zeit vom 1.10.2009 bis zum 31.10.2009 nicht wegen einer Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1) der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlegen hat. Im Übrigen werden die Berufungen zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsrechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Streitig ist im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens, ob für die von der Klägerin bei der Beigeladenen zu 1) ausgeübte Tätigkeit als Hygieneauditorin Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht.
3Die 1976 geborene Klägerin ist Diplom-Ökotrophologin. Seit dem 1.4.2007 ist sie als solche freiberuflich in der Ernährungswirtschaft sowie im Rahmen der Ernährungsberatung für eine hausärztliche Praxis in N und als Dozentin in der Erwachsenenbildung tätig. Bei der Beigeladenen zu 1) handelt es sich um ein Prüf-, Testier- und Zertifizierungsunternehmen, welches sich u.a. mit der Prüfung der Einhaltung von Hygienestandards der Lebensmittelbranche im Bereich der gesamten Nahrungsmittelkette, angefangen vom Tierfutter über die Tierhaltung bis zur Produktion und zum Verkauf in Lebensmittelmärkten beschäftigt. Im letztgenannten Bereich bietet die Beigeladene zu 1) ihren Endkunden u.a. in vertraglich vereinbarten Zeitabständen visuelle Hygienekontrollen einschließlich mikrobiologischer Probenentnahmen und Etikettierungskontrollen für Filialen selbständiger Einzelhändler oder Regiebetriebe entsprechender Einzelhandelsketten an. Sind die Voraussetzungen erfüllt, wird ein Hygienezertifikat vergeben. Die Hygienekontrollen werden dabei auf der Grundlage sog. "T-Checklisten" (nachfolgend: Checklisten) durchgeführt, die die Beigeladene zu 1) gemäß den Kundenwünschen, den Zertifizierungsvoraussetzungen und den gesetzlichen Vorgaben zusammenstellt. Nach Kontrolle und Probenentnahme wird ein Abschlussgespräch mit dem jeweiligen Verantwortlichen vor Ort geführt und ein (vorläufiger) (Mängel-)Bericht überlassen. Die gewonnenen Ergebnisse erfasst die Beigeladene zu 1) in einer Datenbank, zu welcher der Endkunde Zugriffsrechte erhält. Für die Ausführung der angebotenen Leistungen setzt die Beigeladene zu 1) sog. Auditoren ein, von denen sie acht im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses und 33 als sog. freie Mitarbeiter beschäftigt. Die letztgenannten Auditoren - unter ihnen die Klägerin - sind regional verteilt; für Nordrhein-Westfalen sind neun freie Mitarbeiter tätig.
4Die Klägerin schloss mit der Beigeladenen zu 1) am 1. bzw. 16.10.2009 eine Rahmenvereinbarung, in der es auszugsweise wie folgt heißt:
5"1. Vereinbarungsgegenstand
61.1 Der Auftragnehmer übernimmt mit Wirkung zum 1.10.2009 für den Auftragsgeber die Durchführung von Kontrolltätigkeiten gemäß Anlage 1.
71.2 Die einzelnen Spezifikationen der Aufgabenstellung gem. Punkt 1.1 nach Art, Ziel und Umfang ergeben sich aus den jeweiligen Einzelaufträgen.
81.3 Der Auftraggeber ist nicht verpflichtet, den Auftragnehmer gem. Punkt 1.1 zu beauftragen; gleichfalls ist der Auftragnehmer nicht verpflichtet, ihm vom Auftraggeber angetragene Aufgaben zu übernehmen.
91.4 Der Auftragnehmer hat das Recht, einzelne Aufträge ohne Angabe von Gründen abzulehnen.
102. Weisungsrecht
112.1 Der Auftragnehmer unterliegt bei der Durchführung der von ihm übernommenen Aufgaben gem. Punkt 1 keinen Weisungen des Auftraggebers. Er ist vielmehr hinsichtlich der Durchführung der Rahmenvereinbarung frei.
122.2. Nicht als Weisungen im vorstehenden Sinne gelten jedoch allgemein von dem Auftraggeber erlassene Regelungen, die auf dem Betriebsgelände für jeden Dritten (z.B. Sicherheitsanforderungen, Verkehrsregelungen, etc.) gelten sowie sonstige Vorgaben, die für die Durchführung der Tätigkeit dem Auftragnehmer in allgemeiner Form gegeben werden.
132.3 Im Gegenzug ist der Auftragnehmer nicht befugt, gegenüber Mitarbeitern des Auftraggebers irgendwelche Weisungen auszusprechen.
143. Durchführung der Rahmenvereinbarung
153.1. [ ]
163.2 Der Auftragnehmer hat bei einer evtl. Unterbeauftragung bzw. Einschaltung von Dritten mit Ausnahme evtl. eigener Arbeitskräfte die vorherige schriftliche Zustimmung des Auftraggebers einzuholen, die dieser nur aus wichtigem Grund verweigern darf.
173.3 Der Auftraggeber wird den Auftraggeber - sofern erforderlich - rechtzeitig über die für seine Tätigkeiten relevanten betrieblichen Gegebenheiten informieren, Hintergrundinformationen mitteilen und gegebenenfalls erforderliche Unterlagen übergeben.
183.4 Sofern zwischen den Parteien ein Terminplan/Fristen vereinbart wurde, kommt der Auftragnehmer bei Nichterfüllung einer fälligen Leistung ohne gesonderte Mahnung in Verzug.
193.5 Beabsichtigt der Auftragnehmer, einen Auftrag für den Auftraggeber gemäß Punkt 1.3 nicht zu übernehmen, so hat er dies dem Auftraggeber unverzüglich nach Auftragsübermittlung mündlich oder schriftlich mitzuteilen.
203.6 Der Auftragnehmer ist verpflichtet, sich auf dem vertragsgegenständlichen Gebiet fortzubilden und insofern im Rahmen der Durchführung der Vereinbarung den jeweils neuesten Stand der Entwicklung und Erkenntnisse zu berücksichtigen und einfließen zu lassen.
213.7 Der Auftragnehmer stellt sicher, dass er die nötigen Qualifikationen, Zulassung etc. für die ordnungsgemäße Durchführung der Kontrollen hat.
224. Erfüllungsort
23Der Auftragnehmer ist in der Bestimmung seines Arbeitsortes frei, sofern sich nicht aus der Besonderheit der übernommenen Tätigkeit etwas anderes notwendigerweise ergibt.
245. Arbeitszeit
255.1 Der Auftragnehmer unterliegt hinsichtlich seiner Arbeitszeit keinen Beschränkungen oder Auflagen des Auftraggebers. Der Auftraggeber erstellt für den Auftraggeber jeweils monatlich eine Liste der zu erfüllenden Aufträge. In der Einteilung seiner Zeit zur Erfüllung seiner Aufgaben ist der Auftragnehmer frei und vereinbart selbstständig die Termine. Sollte der jeweilige Zeitplan vom Auftragnehmer nicht eingehalten werden können, wird er den Auftraggeber hierüber rechtzeitig und unverzüglich unterrichten unter Angabe eines nächstmöglichen Nachholtermins.
265.2 Generell wird der Auftragnehmer dem Auftraggeber eine länger andauernde Verhinderung an der Ausübung seiner Tätigkeit jeweils schnellstmöglich anzeigen. [ ].
277. Honorar
287.1 Der Auftragnehmer erhält für die von ihm übernommene und erledigte Tätigkeit eine entsprechend vereinbarte Vergütung gemäß Anlage 1. Der Auftragnehmer wird die Aufstellung der geleisteten Tätigkeiten der Rechnung gemäß Punkt 8.1 als Anlage beifügen.
297.2. Die Regelung des § 616 BGB (Vergütungspflicht bei vorübergehender Dienstverhinderung) wird ausdrücklich ausgeschlossen.
308. Rechnungsstellung/Zahlung
318.1 Der Auftragnehmer wird dem Auftraggeber jeweils bis zum 25. eines Monats für den vorhergehenden Monat eine Rechnung übermitteln unter offenem Ausweis der gesetzlichen Umsatzsteuer.
328.2 Der entsprechende Rechnungsbetrag ist vom Auftraggeber innerhalb von 14 Tagen nach Rechnungseingang ohne Abzüge mit schuldbefreiender Wirkung auf ein vom Auftragnehmer noch zu benennendes Konto dort eingehend zu überweisen.
338.3 Mit der Zahlung der Vergütung und der eventuell zu erstattenden Reisekosten sowie sonstigen Aufwendungen sind die Leistungen des Auftragnehmers gemäß Punkt 1.1 abgegolten.
349. Reisekosten und sonstige Aufwendungen
35Die Erstattung von Reisekosten und sonstigen Auslagen ist in der Anlage 1 geregelt.
3610. Haftung
3710.1 Gewährleistungsansprüche des Auftraggebers beschränken sich zunächst auf Nachbesserung. Sollte dies nicht möglich sein, mindert sich das Honorar des Auftragnehmers entsprechend.
3810.2 Im Übrigen haftet der Auftragnehmer nach den gesetzlichen Bestimmungen nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit.
3911. Sozialversicherung/Steuern/Abgaben
4011.1 Nach Aussage des Auftragnehmers gegenüber dem Auftraggeber hat er den Status eines selbständigen Unternehmers und ist damit nicht sozialversicherungspflichtig. Der Auftragnehmer wird kurzfristig mit der BfA eine Klärung seines Status herbeiführen. Der Auftraggeber ist unverzüglich darüber zu unterrichten. Sollte ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis festgestellt werden, so hat der Auftraggeber in Abweichung von Punkt 16 im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten ein Recht zur sofortigen Kündigung dieser Rahmenvereinbarung. Der Auftragnehmer ermächtigt den Auftraggeber, das Ergebnis der Prüfung selbst bei der zuständigen Stelle zu erfragen und weitere sachdienliche Hinweise geben zu dürfen. Der Auftraggeber wird im Übrigen - soweit möglich - den Auftragnehmer im Rahmen der versicherungsrechtlichen Klärung unterstützen.
4111.2 Der Auftragnehmer verpflichtet sich, dem Auftraggeber Kenntnis von allen weiteren Beschäftigungen und Aufträgen zu verschaffen und ihm hierüber im Falle der Durchführung eines Prüfverfahrens durch die BfA Unterlagen und Belege zur Verfügung zu stellen. Änderungen der Verhältnisse des Auftragnehmers sind dem Auftraggeber unverzüglich und unaufgefordert schriftlich anzuzeigen. Verstößt der Auftraggeber gegen seine Verpflichtung gemäß Punkt 11.2 kann der Auftraggeber die Auftragnehmer-Anteile zur Sozialversicherung rückerstattet und künftig erstattet verlangen, falls die BfA nach der Vermutungswirkung des § 7 Abs. 4 SGB IV ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis feststellt. [ ]."
42Im Übrigen wird auf den Inhalt des Vertrags und seine Anlagen Bezug genommen.
43Am 28.10.2009 stellte die Klägerin einen Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status nach § 7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Sie übe für die Beigeladene zu 1) die Tätigkeit eines Auditors Lebensmittel/Hygiene aus. Sie führe selbständig sog. Hygiene-Audits (Hygienekontrollen) und Probennahmen (z.B. bei Fleischwaren) vor Ort im Lebensmitteleinzelhandel durch. Anhand einer Checkliste würden verschiedene Kriterien überprüft wie z.B. Personalhygiene, Ordnung und Sauberkeit der Räume und Kühlhäuser, Temperaturkontrolle der Produkte, Rohstoffe und Kühlgeräte und Kennzeichnungskontrollen (Überprüfung der Etiketten bzw. Preisschilder) an Lebensmitteln. Sie habe keine regelmäßigen Arbeits- oder Anwesenheitszeiten einzuhalten. Sie könne entscheiden, wann, wo und wie viel sie arbeite. Dies seien durchschnittlich 15 bis 20 Stunden pro Woche. Im Fall der Verhinderung müsse sie niemanden informieren. Sie könne die Aufträge ohne Grund jederzeit stornieren. Eine Vertretung müsse von ihr nicht gestellt werden. Die Aufträge erhalte sie per Mail bzw. über ein SAP-Programm. Bei den Kunden trete sie im Namen des Auftraggebers auf. Weisungen hinsichtlich der Ausführung der Tätigkeit würden nicht erteilt. Eine Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern finde nicht statt. Es gebe aber telefonische Rücksprachen zum Erfahrungsaustausch. Übergaben, Kontrollen und Abnahmen ihrer Arbeit gebe es nicht. Für die Tätigkeit würden bestimmte Arbeitsmitteln benötigt, von denen die Beigeladene zu 1) ihr lediglich Styroporkartons und Kühlakkus zur Versendung der Proben, Stomacherbeutel, Rodacplatten und Frachtbriefe zur Verfügung stelle.
44Die Beklagte hörte sie mit Schreiben vom 7.1.2010 zum Erlass eines Bescheides an, mit welchem sie beabsichtigte, das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1) ab dem 1.10.2009 festzustellen. Für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis spreche, dass die Klägerin nach Auftragsannahme vorgeschriebene Arbeitstage und -zeiten einzuhalten habe. Sie werde bei den Kunden des Auftraggebers tätig und somit eingesetzt, um dessen vertragliche Verpflichtungen zu erfüllen. Sie sei dadurch in seine Arbeitsorganisation eingegliedert. Es würden Fahrtkosten erstattet. Zudem trete sie als Mitarbeiterin des Auftraggebers auf und habe entsprechende Arbeitskleidung tragen. Demgegenüber seien Merkmale für eine selbständige Tätigkeit nicht ersichtlich.
45Die Klägerin teilte daraufhin mit, dass die Beklagte den Sachverhalt teilweise falsch wiedergegeben habe. Arbeitstage und Arbeitszeiten würden ihr nicht vorgeschrieben. Das Tragen einer weißen Oberbekleidung sei in der Lebensmittelbranche durch den Gesetzgeber vorgeschrieben. Sie stelle für ihre Leistung ordnungsgemäß eine Rechnung an die Beigeladene zu 1), die die gesetzliche Mehrwertsteuer ausweise. Fahrtkosten seien bereits im Pauschalbetrag enthalten. Sie zahle Umsatz- und Einkommensteuer anstelle von Lohnsteuer. Sie führe Geschäftsbücher und habe eine eigene Buchhaltung.
46Die Beigeladene zu 1) teilte auf die Anhörung mit, dass ein unternehmerisches Risiko der Klägerin darin liege, keine weiteren Aufträge akquirieren zu können. Zudem hafte sie auf Schadensersatz. Sie habe keinen Anspruch auf Urlaub. Es bestehe keine Eingliederung in die Arbeitsorganisation. Die Arbeitszeit werde frei gestaltet.
47Mit Bescheid vom 1.3.2010 stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin bei der Beigeladenen zu 1) seit dem 1.10.2009 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses tätig sei. Die Versicherungspflicht dem Grunde nach beginne mit dem Tag der Aufnahme der Beschäftigung. Ein späterer Beginn der Versicherungspflicht nach § 7a Abs. 6 SGB IV komme nicht in Betracht, da die Klägerin ihm nicht zugestimmt habe.
48Am 22.3.2010 legte die Klägerin dagegen Widerspruch ein. Sie wiederholte und vertiefte ihr Vorbringen aus dem Anhörungsverfahren. Sie kontrolliere vorwiegend Edeka-Märkte. Es gebe dafür eine Checkliste mit ca. 200 Punkten, die in dem jeweiligen Einzelhandelsgeschäft überprüft werde. Sie ziehe zudem Proben in den Geschäften und überprüfe die Dokumente. Die Proben würden nach I in das Labor der Beigeladenen zu 1) verschickt, wo sie ausgewertet würden. Am Ende der Dokumentenprüfung und Probenentnahmen schreibe sie einen (vorläufigen) Bericht für das jeweilige Einzelhandelsgeschäft, welcher der Beigeladenen zu 1) in digitaler Form zur Verfügung gestellt werde. Von der Beigeladenen zu 1) werde ihr nur vorgegeben, wo die Kontrollen durchzuführen seien. Sie erhalte ein Pauschalhonorar, welches unabhängig davon sei, wie viel Zeit sie in einem Markt tatsächlich verbringe. Sie trete nicht als Mitarbeiterin der Beigeladenen zu 1) auf. Sie nutze ihren eigenen Pkw.
49Mit Datum vom 18.5.2010 änderte die Beklagte zunächst den Bescheid vom 1.3.2010 dahingehend ab, dass in der seit dem 1.10.2009 ausgeübten Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1) Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.8.2010 wies sie den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Der Widerspruchsbescheid ging der Klägerin am 25.8.2010 zu.
50Dagegen hat die Klägerin am 27.9.2010 vor dem Sozialgericht (SG) Münster Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt hat. Sie hat ihr Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft. Zu berücksichtigen sei zudem, dass sie die Pauschalpreise einzeln mit dem Zeugen X ausgehandelt habe.
51Die Klägerin hat beantragt,
52die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 1.3.2010 und 18.5.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.8.2010 zu verurteilen festzustellen, dass ihre Tätigkeit bei der Beigeladenen selbständig ausgeübt wird.
53Die Beklagte hat beantragt,
54die Klage abzuweisen.
55Sie hat zunächst auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen. Es sei von einer Eingliederung in die Arbeitsorganisation der Beigeladenen zu 1) auszugehen. Die Endkunden würden die Beigeladene zu 1) mit der Prüfung der Einhaltung der Hygienestandards beauftragen, welche diese weiterleite. Sofern die Klägerin diese Aufträge annehme, sei die Erledigung fristgebunden. Zwar stehe es ihr frei, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen. Jedoch werde damit lediglich die Entschließungsfreiheit begründet, nach Ende einer Vertragsbeziehung eine neue zu begründen oder abzulehnen. Bestehende Freiheiten hinsichtlich der Terminierung der einzelnen Prüfungen würden dagegen nicht über die Freiheit einer abhängig Beschäftigten hinausgehen. Die Klägerin habe zudem unter Verwendung der durch die Beigeladene zu 1) zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel Proben entnommen, die dann auf Kosten der Beigeladenen zu 1) in deren Labor untersucht würden. Sie habe die Leistungen zwar nicht persönlich erbringen müssen. Allerdings wäre beim Einsatz dritter Arbeitskräfte zunächst die schriftliche Zustimmung des Auftraggebers erforderlich gewesen, der diese erst nach Prüfung der fachspezifischen Eignung der Person erteile. Dies spreche eindeutig gegen eine Selbständigkeit der Klägerin, die als Selbständige die fachliche Eignung des von ihr eingesetzten Personals selbst prüfen müsste.
56Die Beigeladene zu 1) hat sich dem Antrag der Klägerin angeschlossen. Ihren bisherigen Vortrag vertiefend hat sie ausgeführt, dass die Klägerin ihre Aufträge per E-Mail bzw. über ein SAP-Programm erhalte. Der Zeitraum, der für die Aufträge angesetzt werde, werde vermerkt. Innerhalb dieses Zeitrahmens könne sie ihre Tätigkeit frei einteilen. Sie sei nicht in den Betriebsablauf eingegliedert. Sie plane die Routen für die von ihr übernommenen Aufträge selbst und könne die für sie optimale Gestaltung im Hinblick auf einen möglichst geringen Zeitaufwand und Fahrweg frei wählen. Sie trage auch ein unternehmerisches Risiko, denn bei mangelnden Aufträgen erziele sie kein Einkommen. Die Klägerin verfüge über eigene Büroräume und damit über eine eigene Betriebsstätte.
57Mit Beschluss vom 7.12.2010 hat das SG die Beigeladene zu 1) beigeladen und mit Urteil vom 27.3.2012 die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
58Die Klägerin hat gegen das ihr am 13.4.2012 zugestellte Urteil am 9.5.2012 und die Beigeladene zu 1) hat gegen das ihr ebenfalls am 13.4.2012 zugestellte Urteil am 4.5.2012 Berufung eingelegt. Klägerin und Beigeladene zu 1) wiederholen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Ergänzend tragen sie vor, dass das SG zu Unrecht den Willen der vertragsschließenden Parteien nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt habe. Ferner schließe die auszuübende Tätigkeit aufgrund ihrer Art und Komplexität Weisungen der Beigeladenen zu 1) aus. Die Klägerin habe ein unternehmerisches Risiko. Sie habe einen Dienstwagen im Wert von 15.000 Euro, eine Kühlbox für ca. 50 Euro, mobile Drucker für etwa 300 Euro und Arbeitskleidung für 200 bis 300 Euro angeschafft. Hinzu kämen Verbrauchsutensilien sowie weitere Gegenstände, wie etwa ein Thermometer, das alleine etwa 200 bis 300 Euro koste. In ihrem Betriebsvermögen befänden sich zwei Laptops, wobei sie extra für die Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) zwei mobile Drucker sowie einen Laptop angeschafft habe, auf dem sie eine spezielle Software habe installieren müssen. Ergänzend verweisen sie insbesondere auf ein Urteil des BSG v. 28.9.2011 (B 12 R 17/09 R, USK 2011-125).
59Die Klägerin und die Beigeladene zu 1) beantragen,
60das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 27.3.2012 zu ändern und unter Aufhebung der Bescheide vom 1.3.2010 und 18.5.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.8.2010 festzustellen, dass für die Tätigkeit der Klägerin bei der Beigeladenen zu 1) ab dem 1.10.2009 keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht.
61Die Beklagte beantragt,
62die Berufung zurückzuweisen.
63Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
64Mit Beschluss vom 14.11.2012 hat der Senat die Beigeladenen zu 2) bis 4) beigeladen. Auf Anforderung hat die Klägerin einige Einzelaufträge, Rechnungen, exemplarische Audit-Berichte und ihre Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 2009 bis 2011 sowie die Beigeladene zu 1) ihren Integritäts- und Berufskodex eingereicht.
65Der Senat hat am 29.10.2013 ein Termin zur Erörterung des Sachverhaltes mit den Beteiligten durchgeführt, in diesem die Klägerin angehört und den präsenten Zeugen X, der als Divisionsmanager für den Außendienst der Beigeladenen zu 1) zuständig ist, uneidlich vernommen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme am 5.3.2014 hat der Senat die Klägerin und den Vertreter der Beigeladenen zu 1) angehört sowie die Zeugen X und X1, den Disponenten der Beigeladenen zu 1), uneidlich vorgenommen. Auf die jeweiligen Sitzungsniederschriften wird Bezug genommen.
66Im Nachgang hat die Beigeladene zu 1) auf Nachfrage des Senats mitgeteilt, dass die angestellten Auditoren ausgehend von ihrem Wohnort in einem sog. Home Office regional im Umkreis von ca. 150 Kilometern (km) und auch überregional in Deutschland eingesetzt würden. Dies setze der zuständige Einsatzplaner (Disponent) anhand der Qualifikation und Auftragslage in Abstimmung mit dem disziplinarischen Vorgesetzten fest. Sie verfügten überwiegend über ein abgeschlossenes Studium, mehrjährige Berufserfahrung und müssten ihre Qualifikation über Seminare und Trainings erhalten. Ihnen würden Dienstfahrzeug (einschließlich der Verbrauchskosten), EDV (Hard-/Software), Mobilfunkgerät und Büromaterialien zur Verfügung gestellt. Exemplarische Anstellungsverträge hat die Beigeladene zu 1) vorgelegt. Die Planung der zu prüfenden Märkte erfolge durch die angestellten Auditoren wöchentlich, wobei dies in Absprache mit dem Disponenten erfolge. Ihnen werde die Route vorgeplant. Sie müssten die Wochenplanung abarbeiten. Alle Prüfaufträge hätten einen Endtermin, der bei der Wochenplanung zu berücksichtigen sei. Ad hoc-Aufträge könnten zu einer kurzfristigen Änderung der Wochenplanung führen. Die festangestellten Mitarbeiter seien verpflichtet, ihre Prüfberichte und Checklisten täglich in die EDV der Beigeladenen zu 1) hochzuladen. Die Disposition überprüfe, ob die Wochenplanung abgearbeitet werde. Die festangestellten Auditoren seien verpflichtet, die Beigeladene zu 1) zu kontaktieren, wenn ein Markt nicht entsprechend der Vorplanung besucht werden könne und einen täglichen Stundennachweis/Tagesbericht auszufüllen, der wöchentlich zum disziplinarischen Vorgesetzten gesandt werde. Die Audits fänden bei angestellten Mitarbeitern vorwiegend montags bis donnerstags statt. Freitags werde die Wochenplanung für die nächste Woche erstellt. Ein freier Auditor erhalte hingegen Angebote für Aufträge gemäß Rahmenvereinbarung und Qualifikation unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben. Er könne diese ablehnen oder annehmen. Freien Mitarbeitern würden die Aufträge Anfang Januar eines jeden Jahres mitgeteilt und es stehe hinsichtlich der daraus gewählten Aufträge zur Durchführung ein Zeitraum von mehreren Monaten zur Verfügung. Eine Überprüfung bzgl. des Fortschritts der übernommenen Aufträge finde hinsichtlich der freien Mitarbeiter nicht statt. Es werde lediglich am Enddatum geprüft, ob durch den freien Mitarbeiter übernommene Aufträge noch offen seien. Der Disponent könne jedoch den Auftragsstand der freien Auditoren über das SAP-System abrufen. Folgender Status sei ersichtlich "angenommen, in Planung, abgelehnt, erledigt". Über das Hochladen der Prüfberichte nach Erledigung des Auftrages sei es für die Beigeladene zu 1) erkennbar, dass dieser Prüfauftrag durch den freien Mitarbeiter bereits erledigt worden sei.
67Im weiteren Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 23.4.2014 hat der Senat den Beigeladenen zu 1) angehört und Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen X und des präsenten Zeugen T, Teamleiter des Customer Services der Beigeladenen zu 1). Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
68Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
69Entscheidungsgründe:
70Der Senat hat in Abwesenheit der Beigeladenen zu 2) bis 4) verhandeln und entscheiden können, da er sie mit den ordnungsgemäßen Terminsnachrichten auf diese Möglichkeit hingewiesen hat.
71Die nach §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässigen Berufungen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) gegen das Urteil des SG Münster vom 27.3.2012 sind hinsichtlich des bereits für den Monat Oktober 2009 festgestellten Beginns der Versicherungspflicht begründet, für die Zeit fortlaufend ab November 2009 allerdings unbegründet.
72Das SG hat die Klage dabei zunächst zu Recht für zulässig erachtet. Sie ist insbesondere fristgerecht durch die Klägerin eingelegt worden. Ihrer Prozessbevollmächtigten ist der Widerspruchsbescheid vom 20.8.2010 am 25.8.2010 zugegangen. Damit endete die Klagefrist grundsätzlich am 25.9.2010. Da es sich dabei jedoch um einen Sonnabend gehandelt hat, lief sie erst am ersten darauffolgenden Werktag und somit am 27.9.2010 ab. Damit ist die Frist von einem Monat durch Einreichung der Klage am 27.9.2010 gewahrt worden, §§ 87 Abs. 1, 2, 85 Abs. 3, 64 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 SGG.
73Für die Zeit ab November 2009 hat das SG die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Die streitgegenständlichen Bescheide vom 1.3.2010 und 18.5.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.8.2010 verletzen die Klägerin nur hinsichtlich der Feststellung der Versicherungspflicht im Oktober 2009 nach § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG in ihren Rechten. Im Übrigen sind die streitgegenständlichen Bescheide jedoch rechtmäßig. Die Beklagte hat insofern nach § 7a Abs. 1 SGB IV bezüglich der von der Klägerin ab November 2009 ausgeübten Beschäftigung als Hygiene-Auditorin bei der Beigeladenen zu 1) rechtmäßig die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung angenommen. Die Versicherungspflicht ergibt sich in der Rentenversicherung aus § 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI), in der Kranken- und Pflegeversicherung aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) bzw. § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 in Verbindung mit Satz 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) und nach dem Recht der Arbeitsförderung aus § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III, da die Klägerin bei der Beigeladenen zu 1) gegen Arbeitsentgelt abhängig beschäftigt ist.
74Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.
75Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (st. Rspr.; vgl. zum Ganzen z.B. BSG, Urteil v. 29.8.2012, B 12 R 14/10 R, USK 2012-82; BSG, Urteil v. 25.4.2012, B 12 KR 24/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 15; BSG, Urteil v.11.3.2009, B 12 KR 21/07 R, USK 2009-25; BSG, Urteil v. 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 20; Senat, Beschluss vom 7.1.2011, L 8 R 864/10 B ER, NZS 2011, 906; Senat, Urteil v. 17.10.2012, L 8 R 545/11, juris; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung: Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluss v. 20.5.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr. 11).
76Bei der Feststellung des Gesamtbilds kommt dabei den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zu (vgl. BSG, Urteil v. 29.8.2012, a.a.O., juris; ebenso Urteil v. 25.1.2006, B 12 KR 30/04 R, USK 2006-8; Urteil v. 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R, Die Beiträge, Beilage 2008, 333, 341 f.): Nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen sind die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urteil v. 28.9.2011, a.a.O., juris; Senat, Urteil v. 29.6.2011, L 8 (16) R 55/08, juris).
77Ausgehend von diesen Grundsätzen ist das SG zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin seit November 2009 fortlaufend bei der Beigeladenen zu 1) abhängig beschäftigt ist. Der Senat geht dabei nach der Beweisaufnahme für die Bewertung der vertraglichen wie der tatsächlichen Ausgestaltung der Tätigkeit der Klägerin bei der Beigeladenen zu 1) von den insoweit übereinstimmenden Angaben der Klägerin, der Beigeladenen zu 1) und den glaubhaften Bekundungen der glaubwürdigen Zeugen X, X1 und T sowie den von den Beteiligten eingereichten Unterlagen aus.
78Danach stellt sich das gelebte Vertragsverhältnis so dar, dass der Customer Service der Beigeladenen zu 1) nach den glaubhaften Bekundungen des Zeugen T zunächst mit dem Endkunden den Inhalt der jeweiligen Projekte aushandelt. Es werden dort u.a. die Zahl der Kontrollen, ihr Inhalt und die anzuwendenden Systeme festgelegt. Auf Grundlage der mit dem Endkunden getroffenen Vereinbarungen und der gesetzlichen Vorgaben erstellt der Customer Service die von den Auditoren abzuarbeitenden Checklisten. Die Aufträge werden dann unter Angabe der im Einzelfall zur Durchführung der Aufträge bei dem jeweiligen Auditor benötigten Qualifikationen an den zur Verteilung zuständigen Außendienst weitergeleitet.
79Im Außendienst sind u.a. der Zeuge X als Divisionmanager und damit disziplinarischer Vorgesetzter der Teamleiter, die wiederum ihrerseits disziplinarische Vorgesetzte der festangestellten Auditoren sind, und der Zeuge X1 als Disponent tätig und für die Verteilung zuständig. Die Auswahl des jeweils einzusetzenden Auditors erfolgt durch den Disponenten zum einen nach der erforderlichen Qualifikation und zum anderen nach der Ortsnähe des Auditors zum Prüfbetrieb, denn die Aufträge werden grundsätzlich nach Postleitzahlen vergeben. Dabei werden Aufträge zunächst an festangestellte Mitarbeiter verteilt. Danach werden die Aufträge den sog. freien Mitarbeitern per E-Mail angeboten. Zu Beginn eines Jahres bietet die Beigeladene zu 1) dabei üblicherweise Auftragspakete an, in denen sie die Prüfungen diverser Lebensmitteleinzelhandelsgeschäfte auflistet, für deren Bearbeitung jeweils mehrere Monate bzw. teilweise ein Zeitraum bis Ende November eines Jahres zur Verfügung stehen. Diese Form des Paketangebots erfolgt ausschließlich individuell. Darüber hinaus ergeben sich Angebote im laufenden Jahr, die sich ebenso an mehrere Auditoren wenden können und für die bei Annahme ebenfalls teils mehrere Wochen und teils mehrere Monate Bearbeitungsdauer gewährt werden. Die Klägerin hat teilweise Angebote der Beigeladenen zu 1) im Paket, einzelne Aufträge daraus sowie einzeln angebotene Aufträge nicht angenommen bzw. zurückgegeben.
80Die Beigeladene zu 1) unterhält ein Internetportal, zu welchem die einzelnen Auditoren einen geschützten Zugang erhalten. Einblick in Aufträge anderer Auditoren wird ihnen nicht gewährt; der Disponent der Beigeladenen zu 1) hat umfassenden Zugriff. Die Auditoren können dort die ihnen angebotenen Aufträge und den Auftragsstatus ersehen, der mit "angenommen", "in Planung", "abgelehnt" und "erledigt" bezeichnet wird. Sie fragen zudem die benötigten Zusatzinformationen ab und erhalten die durch den Customer Service erstellten Checklisten. Der Projektleiter bzw. Projektmanager im Customer Service ist zudem Ansprechpartner für die Auditoren bei Rückfragen. Diese fachliche Leitung ist für freie wie für festangestellte Auditoren identisch. Bei den Auditoren, die auf Grund einer Rahmenvereinbarung für die Beigeladene zu 1) tätig sind, wird zur Prüfung des Auftragsfortschritts nach Aussage des Zeugen X ein regelmäßiges Monitoring durchgeführt. Erscheint die Auftragserfüllung bis zum Endzeitpunkt nicht mehr realistisch, hält die Beigeladene zu 1) mit dem betroffenen Auditor Rücksprache.
81Vor Ort führt die Klägerin namens der Beigeladenen zu 1) unangemeldet die Kontrolle durch, wobei sie die zur Verfügung gestellte Checkliste abarbeitet. Sie fertigt einen vorläufigen Bericht, der mit dem Marktleiter besprochen wird. Diesen Bericht lädt sie in die Datenbank der Beigeladenen zu 1) hoch, welche ihr die dafür benötigte Software zur Verfügung stellt. Die entnommenen Proben leitet sie an das Labor der Beigeladenen zu 1) weiter, wo sie analysiert werden. Ihre Leistungen enden grundsätzlich zu diesem Zeitpunkt und werden von ihr sodann in Rechnung gestellt.
82In der Regel wird die Probenanalyse nach Eingabe der Ergebnisse durch die EDV der Beigeladenen zu 1) automatisch generiert und ggf. in den vorläufigen Bericht integriert. Die hochgeladenen Berichte der Auditoren durchlaufen einen sog. Technical Review nach dem Vier-Augen-Prinzip durch den Customer Service, der die Plausibilität des Audits überprüft. Im Anschluss an den beanstandungslosen Technical Review wird im Customer Service entschieden, ob dem Endkunden eine Zertifizierung erteilt wird. Diese wird dann ggf. mit dem Bericht an den Kunden geleitet. Werden hingegen Mängel des Berichtes festgestellt, kommt es zu einer Rücksprache. Diese wird zum Teil über den Teamleiter und zum Teil unmittelbar mit dem betroffenen Auditor selbst durchgeführt. Dabei hat der Zeuge T glaubhaft bekundet, dass er diesbezüglich im Prozedere keinen Unterschied zwischen festangestellten und sog. freien Auditoren macht. Nach den weiteren Erläuterungen des Zeugen T führt der Customer Service zudem Jahresgespräche mit den Endkunden. Dort kommt es vor, dass Bitten oder Beschwerden geäußert werden, die er sodann für die Einsatzplanung an den Zeugen X weitergibt. Es gibt im Customer Service jedoch kein System, mit dem Fehlerhäufungen einzelner Auditoren festgehalten werden. Sog. freie Auditoren erhalten nach den glaubhaften Angaben des Zeugen X zwar keine Leistungsbeurteilungen und es wird für sie auch keine dokumentierte Evaluation durchgeführt, allerdings werden Erfahrungswerte über die Zusammenarbeit mit ihnen gesammelt.
83Diese Grundlage in Verbindung mit den von den Beteiligten vorgelegten Unterlagen sind Ausgangspunkt der Prüfung zunächst die vertraglichen Grundlagen der zu prüfenden Rechtsbeziehung. Dabei ist die Klägerin zur Überzeugung des Senats im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses mit daraus erwachsenden Leistungspflichten ihrerseits für die Beigeladene zu 1) tätig geworden. Dieses Dauerschuldverhältnis haben die Klägerin und die Beigeladene zu 1) allerdings nicht bereits durch ihre Vereinbarung vom 1. bzw. 16.10.2009 begründet. Hierbei handelt es sich aus Sicht des Senats vielmehr um einen Rahmenvertrag. Ein solcher eröffnet eine auf Dauer angelegte Geschäftsverbindung, legt jedoch (im Voraus) nur bestimmte Einzelheiten künftig noch abzuschließender Verträge fest [BSG, Urteil v. 30.10.2013, B 12 KR 17/11 R, juris; Bundesgerichtshof (BGH), Urteil v. 30.4.1992, VII ZR 159/91, NJW-RR 1992, 977, 978]. Das ist vorliegend der Fall. Die Vertragsparteien haben sich nach dem Wortlaut der Vereinbarung in dieser gerade noch nicht auf eine Leistungspflicht der Klägerin und damit korrespondierend auf ein allgemeines Heranziehungsrecht der Beigeladenen zu 1) geeinigt. Nach Ziff. 1.3 der Vereinbarung war weder die Beigeladene zu 1) verpflichtet, die Klägerin zu beauftragen, noch die Klägerin verpflichtet, angetragene Aufträge anzunehmen. Dafür spricht auch, dass der jeweilige tatsächliche Vertragsgegenstand erst noch konkretisiert werden musste (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 14.2.2012, L 11 KR 3007/11, juris). Es standen nach dem Vertrag weder Dauer, Ort noch die konkrete Anzahl der "Einzelaufträge" fest, die abgewickelt werden sollten. Daher vereinbarten die Vertragsparteien in Ziff. 1.2 der Vereinbarung zudem, dass sich die einzelnen Spezifikationen der Aufgabenstellung nach Art, Ziel und Umfang aus den jeweiligen Einzelaufträgen ergeben werden.
84Werden jedoch "unter dem Dach" eines Rahmenvertrags einzelne, gesonderte, (nur) kurze Vertragsverhältnisse begründet, sind grundsätzlich jeweils nur diese einzelnen "Einsatzaufträge" am Maßstab der von der Rechtsprechung für die Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und Beschäftigung entwickelten Grundsätze zu bewerten (BSG, Urteil v. 28.5.2008, a.a.O.; BSG, Urteil v. 28.9.2011, a.a.O.; BSG, Urteil v. 30.10.2013, a.a.O.). Der Rahmenvertrag tritt daher - trotz der sich vorliegend daraus ergebenden Anhaltspunkte für eine selbstständige Tätigkeit (z.B. Weisungsfreiheit in inhaltlicher, zeitlicher und örtlicher Hinsicht, kein Anspruch auf Urlaubsgeld, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Weihnachtsgratifikation, Firmenwagen und Überstundenvergütung, keine feste Arbeitszeit, kein festes monatliches Gehalt, Rechnungsstellung mit USt.) - in den Hintergrund und übt damit keinen maßgeblichen Einfluss mehr auf die Beurteilung der konkreten Beauftragung aus.
85Die vorliegend zu beurteilende Ausgestaltung von tatsächlicher Beauftragung und Durchführung dieser "Einzelaufträge" stellt sich allerdings nicht als "kurzes" Vertragsverhältnis im o.g. Sinne dar. Denn bei den durch die Beigeladene zu 1) erteilten Paketaufträgen und den üblicherweise vorgegebenen monatelangen Laufzeiten kann der Senat diese nur als sich "überschneidende" und damit jährliche Auftragsverhältnisse werten, die bei wertender Betrachtung zu einem einheitlichem Dauerschuldverhältnis zusammenzufassen sind. Dass sich darunter zusätzlich sog. Ad hoc-Aufträge befinden, die von der Klägerin kurzfristig abzuarbeiten sind, hindert diese Einschätzung nicht. Die bereits begründete dauerhafte Leistungspflicht der Klägerin wird dadurch lediglich überlagert, ist aber nicht anders zu beurteilen. Ebenso wenig kommt es darauf an, dass grundsätzlich Auftragslaufzeiten maximal bis Ende November eines jeden Jahres angesetzt werden. Nach übereinstimmender Auskunft der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) sowie nach Einsicht in das Fahrtenbuch der Klägerin für das Jahr 2012 steht für den Senat fest, dass üblicherweise im Dezember eines Jahres die noch offenen Kontrollen abgearbeitet werden, so dass diesbezüglich keine Beauftragungslücke entsteht und eine durchgängige Leistung der Klägerin erfolgt. Da nach Angaben der Klägerin, denen die übrigen Beteiligten nicht entgegengetreten sind und an deren Richtigkeit keine Zweifel bestehen, die erste Beauftragung erst im November 2009 stattgefunden hat, besteht für den Oktober 2009 keine Versicherungspflicht.
86Im Rahmen des festgestellten Sachverhaltes und des o.g. Prüfungsmaßstabs zeigt die Bewertung und Gewichtung der relevanten Abgrenzungsmerkmale, dass das vertraglich vereinbarte und tatsächlich praktizierte Vertragsverhältnis im Wesentlichen dem eines abhängig Beschäftigten entspricht, wogegen Aspekte, die für eine selbständige Tätigkeit sprechen, nicht in einem im Rahmen der Gesamtabwägung überwiegendem Umfang vorhanden sind.
87Nach dem festgestellten Sachverhalt ist der Senat vielmehr davon überzeugt, dass die Klägerin in die betriebliche Organisation der Beigeladenen zu 1) eingegliedert ist und dabei deren Weisungsrecht unterliegt.
88Für die Beurteilung, ob jemand in einer von anderer Seite vorgegebenen Arbeitsorganisation eingegliedert ist, muss auf die Verhältnisse abgestellt werden, die nach Annahme des Vertragsverhältnisses im Hinblick hierauf bestanden (BSG, Urteil v. 12.2.2004, B 12 KR 26/02 R, juris; BSG, Urteil v. 28.5.2008, a.a.O.; BSG, Urteil v. 28.9.2011, a.a.O.). Die Klägerin ist zunächst in einen fremden Betrieb, nämlich in den der Beigeladenen zu 1) und folglich in eine ihr einseitig durch diese vorgegebene Organisation eingegliedert (vgl. BSG, Urteil v. 4.6.1998, B 12 KR 5/97 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 17 m.w.N.). Dagegen spricht zunächst nicht, dass sie nicht am Sitz der Beigeladenen zu 1) tätig ist, sondern maßgeblich bei deren Endkunden und in einem sog. Home-Office. Denn insoweit besteht kein Unterschied zu den unstreitig abhängig beschäftigten Auditoren der Beigeladenen zu 1).
89Der Klägerin ist allerdings zuzugeben, dass sie nicht wie die angestellten Auditoren einer mit dem Disponenten abgestimmten Wochen- und vorgegebenen Routenplanung unterliegt. Sie erhält auch keine schriftliche Leistungsbeurteilung und hat keinen sog. disziplinarischen Vorgesetzten. Ihr werden weder Dienstwagen, Dienstausweis bzw. Visitenkarten zur Verfügung gestellt noch das Home-Office ausgestattet und sie unterliegt auch nicht der Schulungspflicht wie festangestellte Auditoren.
90Diese Umstände stehen der Annahme einer Eingliederung der Klägerin in den Betrieb der Beigeladenen zu 1) jedoch nicht durchgreifend entgegen. Zunächst kann die Klägerin ihre Tätigkeit nur über die Beigeladene zu 1) ausüben, da diese über die dafür nötigen Zertifizierungen verfügt, sie aber nicht. Ihr allein wäre es daher nicht möglich, auf dem Markt erfolgreich entsprechende Leistungen anzubieten. Sie bedarf dafür zudem des Rückgriffs auf Kundenstamm, Know-how (Checklisten) und Infrastruktur (Labor) der Beigeladenen zu 1). Dies bestätigend hat die Klägerin vorgetragen, dass ihr das Material für die Probenentnahmen von der Beigeladenen zu 1) gestellt werden müsse, da diese ihr nicht zugänglich seien.
91Die Klägerin ist ferner in die elektronische Infrastruktur der Beigeladenen zu 1) eingebunden. Über das Internetportal der Beigeladenen zu 1), zu welchem ihr Zugriffsrechte erteilt wurden, muss sich die Klägerin zunächst die auszuführenden Checklisten herunterladen, die sie dann bei dem Endkunden der Beigeladenen zu 1) abarbeitet. Zudem lädt sie mit Hilfe der zur Verfügung gestellten Software ihre Berichte in die Datenbank der Beigeladenen zu 1) hoch.
92Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass die Klägerin lediglich ein von der Beigeladenen zu 1) vorgehaltenes System ohne Vorliegen weiterer, für eine Einbindung in die organisatorische Einheit des "Systemgebers" sprechende Umstände, nutze (vgl. hierzu BSG, Urteil v. 30.10.2013, a.a.O., m.V.a BSG, SozR 4-2600 § 2 Nr. 15; Franchise-System: BSG, SozR 4-2600 § 2 Nr. 12; Charterflug-Netz: BSG, Urteil v. 28.5.2008, a.a.O.; Dienste einer privaten Pflege-Agentur: BSG, Urteil v. 28.9.2011, a.a.O.). Denn dieser Annahme steht die tatsächliche Ausgestaltung des zu beurteilenden Rechtsverhältnisses entgegen.
93Zunächst nutzt die Beigeladene zu 1) die von der Klägerin und die über sie erhaltenden Daten zur Auftragsüberwachung. Sie registriert in ihrer Datenbank die jedem Auditor angebotenen Aufträge und damit auch die der Klägerin. Der Status der Aufträge wird mit "angenommen", "in Planung", "abgelehnt" und "erledigt" gekennzeichnet. Aus den von der Klägerin hochgeladenen Auditberichten kann zudem teilweise Beginn und Ende des Audits vor Ort ersehen werden (vorgelegter Auditbericht vom 19.4.2010). Es erfolgt über diese Datenbank eine ständige und für die Beigeladene zu 1) verfolgbare Rückkopplung. Sie kann dort ersehen, ob und wie oft die Klägerin ihr angebotene Aufträge en bloc oder einzeln annimmt, sie ablehnt oder durch Hochladen ihrer Auditberichte Erledigung anzeigt. Der Klägerin gewährt die Beigeladene zu 1) einen geschützten Zugriff und stellt ihr die benötigte Software zur Verfügung. Diese Rückkopplung nutzt die Beigeladene zu 1) nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme gerade dazu, den Fortschritt der Auftragsabwicklung der sog. freien Auditoren und damit auch den der Klägerin zu überwachen. Der Zeuge X hat von einem sog. regelmäßigen Monitoring zur Prüfung des Auftragsfortschritts und Rücksprachen für den Fall gesprochen, dass eine rechtzeitige Auftragsabwicklung nicht mehr realistisch erscheint. Zudem werden Erfahrungswerte bezüglich der sog. freien Auditoren durchaus registriert, auch wenn dies nicht durch eine dokumentierte Evaluation erfolgt. Ergänzend hat der Zeuge T bekundet, dass im Rahmen der Jahresgespräche mit den Endkunden deren Wünsche oder Beschwerden über die Auditoren an den Zeugen X weitergeleitet werden. Daraus zeigt sich, dass auch die sog. freien Auditoren und damit auch die Klägerin Bestandteil eines umfangreichen Qualitätssicherungsmanagement der Beigeladenen zu 1) sind.
94Die Klägerin ist ferner in die Arbeitsabläufe der Beigeladenen zu 1) eingebunden und wird darin im Wege arbeitsteiligen Zusammenwirkens eingesetzt. Sie erhält die seitens des Customer Service der Beigeladenen zu 1) nach Maßgabe der Kundenwünsche, Zertifizierungsnotwendigkeiten und gesetzlichen Vorgaben erstellten Checklisten und führt diese vor Ort aus. Dabei fertigt sie lediglich einen vorläufigen Bericht, da in diesen die Analyse der entnommenen Proben noch nicht eingeflossen ist. Mit dem Hochladen dieser Berichtsversion ist grundsätzlich ihre (Teil-)Leistung erfüllt. Bei der Beigeladenen zu 1) werden anschließend die Probenentnahmen analysiert, dem Bericht zugeführt und sodann die Ergebnisse im Rahmen des Technical Review überprüft. Bei Mängeln erfolgt eine Rücksprache. Ferner stehen Qualifizierungsmaßnahmen der Beigeladenen zu 1) auch der Klägerin, mit Ausnahme des sog. Career Centers, (unentgeltlich) offen.
95Der Einwand, dass die Umstände der klägerischen Leistung als nicht für eine abhängige Beschäftigung sprechende Merkmale anzusehen seien, weil die Einbindung der Klägerin über das sich allein aus der Art der zu leistenden Tätigkeit ergebende Maß nicht hinausgegangen sei, kann gleichfalls nicht überzeugen. Dabei wird nicht berücksichtigt, dass eine tatsächlich bestehende Eingliederung in den Betrieb des Dienstherrn nicht deshalb in ihrer Bedeutung zurücktritt, weil sie (auch) in der Eigenart der zu erbringenden Leistung begründet ist (BSG, Urteil v. 11.3.2009, a.a.O., juris).
96Die Klägerin unterliegt daran anknüpfend einem Weisungsrecht der Beigeladenen zu 1) bezüglich Ort, Zeit sowie Art und Weise der Tätigkeit.
97Die Art der Tätigkeit bestimmt sich jeweils aus den von der Beigeladenen zu 1) zu den jeweiligen Prüfmärkten erstellten Checklisten und den fachlichen Weisungen der Projektmanager. Bei den durch den Customer Service erstellten Checklisten handelt es sich um Einzelweisungen an den jeweiligen Auditor. Da die Auftragsvergabe an die einzelnen Auditoren jedoch erst nach Checklistenerstellung und Auftragsweiterleitung erfolgt, ist im Zeitpunkt der Erstellung noch unbekannt, ob die Checklisten einem festangestellten oder einem sog. freien Auditor zur Verfügung gestellt werden, d.h. sie weisen in beiden Konstellationen eine identische Weisungsdichte auf. Da diese Checklisten zudem das genaue Prüfprogramm darstellen, welches die Beigeladene zu 1) mit ihrem Endkunden vereinbart hat, ist jeder Auditor und damit auch die Klägerin verpflichtet, sie genauestens abzuarbeiten. Gestaltungsfreiheiten obliegen ihr diesbezüglich gerade nicht. Entsprechendes ist auch nicht vorgetragen worden. Würde die Beigeladene zu 1) diese zulassen, wäre die von ihr auf die Klägerin ausgelagerte Leistung nicht mehr im Rahmen des dem Endkunden geschuldeten Gesamtergebnisses nutzbar. Vor dem Hintergrund des umfangreichen Prüfprogramms, welches die zusammengestellten Checklisten enthalten, können sie aus Sicht des Senats auch nicht mehr als lediglich den groben Inhalt der Tätigkeit vorgebende "Eckpunkte" qualifiziert werden, die zwar eine geminderte Autonomie hervorrufen, von denen aber gerade nicht auf eine Weisungsgebundenheit geschlossen werden kann (dazu: BSG, Urteil v. 28.9.2011, a.a.O.; BSG, Urteil v. 28.5.2008, a.a.O.; BSG, Urteil v. 30.10.2013, a.a.O.).
98Der Ort der auszuführenden Tätigkeit ergibt sich aus dem angenommenen Auftrag. Das gilt sowohl für die Klägerin als auch für die bei der Beigeladenen zu 1) festangestellten Auditoren. Zudem schränkt die Beigeladene zu 1) durch die regionale Aufteilung der freien Auditoren und die entsprechende Steuerung der Auftragsangebote nach Postleitzahlen den Ort der Tätigkeit ein.
99In zeitlicher Hinsicht mag die Weisungsdichte gegenüber der Klägerin geringer sein als diejenige gegenüber den festangestellten Auditoren der Beigeladenen zu 1). Insbesondere ist sie nicht einer stringenten Wochen- und Routenplanung durch die Beigeladene zu 1) unterworfen. Die Klägerin ist damit nur verpflichtet, die Aufträge binnen eines oftmals großzügig vorgegebenen Zeitfensters abzuarbeiten. Allerdings verfolgt die Beigeladene zu 1) den Fortschritt der Auftragsabarbeitung im Wege eines Monitorings und schreitet bei Gefährdung der Zeitvorgabe ein. Im Hinblick darauf gebietet die gelockerte Weisungsdichte (lediglich) im Bereich der Weisungsgebundenheit hinsichtlich der Arbeitszeit nicht die Beurteilung, die Klägerin sei selbstständig. Denn es ist unbedenklich möglich, innerhalb eines Unternehmens verschiedene Gruppen von abhängig Beschäftigten auch bei ähnlicher Tätigkeit unterschiedlich dichten Weisungen zu unterwerfen, ohne dass dies sozialversicherungsrechtlich statusrelevant wird.
100Die Klägerin beziffert zudem den Umfang ihrer Tätigkeit auf bis zu 20 Wochenstunden, was einer Teilzeittätigkeit entspricht. Es sind gerade auch in abhängigen Beschäftigungen häufig flexible Arbeitszeiten anzutreffen, da Arbeitgeber zunehmend durch flexible Arbeitszeitsysteme wie Gleitzeitsystem etc. den persönlichen Bedürfnissen ihrer Arbeitnehmer entgegenkommen, aber solche Systeme auch zu ihrem Vorteil nutzen, um zum Beispiel zum Teil schwankenden Arbeitsanfall abzufedern und teure Arbeitskraft effektiver einzusetzen (Senat, Urteil v. 20.7.2011, L 8 R 534/10, juris).
101Soweit die Klägerin einwendet, dass ihr bislang keine Weisungen erteilt worden seien, ergibt sich daraus nichts anderes. Denn der Gebrauch bestehender Rechtsmacht ist unbeachtlich, weil die versicherungsrechtliche Beurteilung sonst wesentlich davon abhinge, ob die Tätigkeit aus Sicht des Rechtsmachtinhabers beanstandungsfrei ausgeübt wurde (vgl. LSG NRW, Urteil v. 25.3.2010, L 16 (5) KR 190/08, juris; Senat, Urteil v. 12.2.2014, L 8 R 1108/12).
102Letztlich ist ein stark abgeschwächtes Weisungsrecht für die ausgeübte Tätigkeit ebenso wie z.B. bei der Wahrnehmung von Tätigkeiten für leitende Angestellte, die in einem Betrieb höhere Dienste leisten, geradezu charakteristisch. Dennoch werden auch Tätigkeiten für leitende Angestellte im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung geleistet, wenn sie fremdbestimmt bleiben, weil sie in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen (st. Rspr. seit BSGE 16, 289, 294 = SozR Nr. 30 zu § 165 RVO und BSGE 21, 57, 58 f = SozR Nr. 2 zu § 2 AVG S. 4; in jüngerer Zeit z.B. BSG SozR 3-2940 § 3 Nr. 2 S. 9 m.w.N.; BSGE 66, 168 = SozR 3-2400 § 7 Nr. 1 und SozR 3-2400 § 7 Nr. 20 S. 80; vgl. - zum Fehlen einer Eingliederung einer hauswirtschaftlichen Familienbetreuerin - BSG, Urteil v. 28.9.2011, a.a.O., juris). Wie weit die Lockerung des Weisungsrechts in der Vorstellung des Gesetzgebers gehen kann, ohne dass deswegen die Stellung als Beschäftigter entfällt, zeigen beispielhaft die gesetzlichen Sonderregelungen zur Versicherungsfreiheit von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft in der Renten- und Arbeitslosenversicherung (§ 1 Satz 4 SGB VI sowie § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III), die regelmäßig abhängig beschäftigt sind, auch wenn sie die Gesellschaft in eigener Verantwortung zu leiten haben und gegenüber der Belegschaft Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen (st. Rspr. BSGE 65, 113, 116 f = SozR 2200 § 1248 Nr. 48 S. 125; SozR 3-2400 § 7 Nr. 18 S. 65; BSGE 100, 62 = SozR 4-2600 § 1 Nr. 3, Rdnr. 16; BSGE 107, 185 = SozR 4-2600 § 1 Nr. 6 Rdnr. 14). Allein weit reichende Entscheidungsbefugnisse eines "leitenden Angestellten", der in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem gemilderten Weisungsrecht unterliegt, machen diesen nicht schon zu einem Selbstständigen (BSG, Urteil v. 18.12.2001, a.a.O.; Senat, Urteil v. 17.10.2012, a.a.O, juris). Nichts anderes kann im vorliegenden Fall gelten.
103Wesentliche Merkmale, die für eine selbstständige Tätigkeit sprechen, und im Rahmen der Gesamtabwägung dermaßen überwiegen, dass nicht von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen ist, liegen nicht vor.
104Die Tätigkeit wird von allen Auditoren vor Ort beim Endkunden bzw. im Home-Office durchgeführt. Vor diesem Hintergrund ist der Tatsache, dass die Klägerin über eine eigene Betriebsstätte, nämlich ein Büro mit Lagermöglichkeiten für die entnommenen Proben, verfügt, kein maßgebliches Gewicht zuzubilligen. Auch die weiteren Indizien für eine selbständige Tätigkeit, nämlich die steuerliche Erfassung als Einkünfte aus selbstständiger Arbeit, die Rechnungsstellung mit Mehrwertsteuer und das Vorhalten einer Buchhaltung, weisen kein überwiegendes Gewicht in der Gesamtabwägung auf.
105Alsdann ist zur Überzeugung des Senats ein Unternehmerrisiko der Klägerin nicht in erheblichem Umfang festzustellen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. u.a. BSG, Urteil v. 28.5.2008, a.a.O.) ist maßgebliches Kriterium hierfür, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der tatsächlichen und persönlichen Mittel also ungewiss ist (Senat, Beschluss v. 9.1.2013, a.a.O., juris). Erforderlich ist ein Risiko, das über das Risiko hinausgeht, für den Arbeitseinsatz kein Entgelt zu erzielen (Segebrecht in: jurisPK-SGB IV, 2. Auflage, § 7 Rdnr. 117). Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (vgl. BSG, Urteil v. 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R, BSG, Urteil v. 28.9.2011, a.a.O.).
106Die Klägerin erhält eine pauschale Vergütung nach Rechnungsstellung. Über den praktizierten Abrechnungsmodus wird ein regelmäßiger Zahlungsfluss sichergestellt. Aufgrund der stetigen Auftragslage setzt die Klägerin ihre Arbeitskraft damit nicht mit der Gefahr des Verlustes ein. Das Risiko, dass die Beigeladene zu 1) nicht oder verspätet die Rechnungen begleicht, entspricht dem Risiko eines abhängigen Beschäftigten, dessen Arbeitgeber mit der Lohnzahlung in Verzug gerät.
107Das weitere Fehlen von Regelungen zu Ansprüchen auf Urlaubsentgelt bzw. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall rechtfertigt für sich genommen nicht die Annahme eines unternehmerischen Risikos. Die Überbürdung sozialer Risiken abweichend von der das Arbeitsrecht prägenden Risikoverteilung ist nur dann ein gewichtiges Indiz für unternehmerisches Handeln, wenn damit auch tatsächliche Chancen einer Einkommenserzielung verbunden sind, also eine Erweiterung der unternehmerischen Möglichkeiten stattfindet (BSG, Urteil v. 11.3.2009, a.a.O.; Senat, Urteil v. 20.7.2011, L 8 R 534/10, jeweils juris). Hierfür ist im vorliegenden Fall jedoch nichts ersichtlich.
108Zwar hat die Klägerin eigenes Kapital aufgewandt. Sie hat zunächst Betriebsmittel angeschafft, die sie steuerlich als Betriebsausgaben geltend macht. Dazu gehören ein Pkw im Wert von 15.000,00 Euro sowie PC, Drucker, Arbeitskleidung sowie weitere benötigte Verbrauchsutensilien und Büromaterialien. Zudem hat sie sich ein Arbeitszimmer eingerichtet. Sie hat ferner in ihre Fortbildung insoweit investiert, als sie zur Teilnahme an den von der Beigeladenen zu 1) - im Übrigen kostenfrei - angebotenen Schulungen Fahrt- und Übernachtungskosten selbst tragen musste.
109Dem Einsatz des eigenen Fahrzeugs ist allerdings kein maßgebliches Gewicht beizumessen. Denn auch viele Arbeitnehmer nutzen zumindest den eigenen Pkw, um den Weg zur Arbeit anzutreten (vgl. Senat, Urteil v. 20.7.2011, L 8 R 532/10, juris; BSG, Urteil v. 22.6.2005, B 12 KR 28/03 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 5).
110Eine Steigerung der unternehmerischen Chancen kann die Klägerin im Rahmen dieser Investitionen ferner kaum generieren. Denn mangels eigener Zertifizierung ist sie zunächst auf die Aufträge der Beigeladenen zu 1) angewiesen und kann sich keinen eigenen Kundenstamm aufbauen. Die angebotenen Aufträge beschränken sich grundsätzlich auf ortsnahe Prüfobjekte, so dass eine Vergrößerung des Prüfradius nicht in Betracht kommt. Auftragspakete werden grundsätzlich nicht mehreren Auditoren gleichzeitig angeboten, sondern durch die Beigeladene zu 1) zugeteilt. Damit ist es der Klägerin auch nicht möglich, durch schnellen und geschickten Zugriff auf die gesamten Angebote ihren Verdienst zu steigern. Die Klägerin selbst hat die Frage des Senates, ob sie von sich aus freie Kapazitäten mitgeteilt habe, verneint.
111Verdienststeigerungen sind ihr damit nur in äußerst geringem Maße möglich, so z.B. mit einer verbrauchssparenden Routenplanung. Dabei zeigt eine Einsicht in das Fahrtenbuch der Klägerin für das Jahre 2012 allerdings exemplarisch, dass sie an vielen Tagen lediglich einen Markt, mehrfach zwei und selten drei Märkte an einem Tag geprüft hat, was die entsprechenden Gestaltungsmöglichkeiten als eher gering erscheinen lässt.
112In beschränktem Maße bieten sich unternehmerische Chancen über den Besuch von Schulungen, denn über den Erwerb zusätzlicher Qualifikationen kann die Klägerin sich weitere Auftragsgebiete erschließen. Allerdings haben auch abhängig beschäftigte Auditoren die Möglichkeit, durch Verbesserung ihrer Qualifikation Gehaltssteigerungen zu erzielen. Da sich die auf die Schulungen entfallenden Fahrt- und Unterbringungskosten zudem nach der vorgelegten BWA-Jahresübersicht der Jahre 2009 bis 2012 auf Beträge zwischen 0,00 Euro bis 220,99 Euro jährlich belaufen, fällt das Investitionsvolumen nicht so maßgeblich ins Gewicht, dass vor diesem Hintergrund zwingend von einer selbstständigen Tätigkeit auszugehen wäre.
113Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der vereinbarten Haftung auf Schadensersatz bei Schlechtleistung (BSG, Urteil v. 28.9.2011, a.a.O.). Die Haftung für Pflichtverletzungen ist für Arbeitnehmer nicht untypisch. So haftet der Arbeitnehmer nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) im Rahmen eines dreistufigen Haftungsmodells nicht für leichte Fahrlässigkeit und anteilig für mittlere Fahrlässigkeit. Die volle Haftung muss er für grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz übernehmen (BAG GS, Beschluss v. 27.9.1994, GS 1/89 (A), AP Nr. 103 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers, BAG, Urteil v. 25.9.1997, 8 AZR 288/96, AP N r. 111 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers; Griese in: Küttner, Personalbuch 2012, Arbeitnehmerhaftung, Rdnr. 12f.). Demgegenüber ist vorliegend die Haftung sogar noch eingeschränkt, da die Klägerin nur auf Schadenersatz für grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz haften sollte.
114Eine andere Beurteilung folgt auch nicht daraus, dass die Klägerin zur Ablehnung und Rückgabe von Aufträgen an die Beigeladene zu 1) berechtigt ist und entsprechendes auch mehrfach getan hat. Die Ablehnung bzw. Rückgabe der Aufträge erfolgen nach Angaben der Klägerin zunächst, wenn sie die entsprechenden Berechtigungen und Erfahrungen für die durchzuführenden Prüfungen nicht hat. Ihre Ablehnung beruht damit nicht auf ihrem Status, sondern aufgrund der Tatsache, dass die Beigeladene zu 1) sie zur Erfüllung einer subjektiv unmöglichen Leistung auffordert. In einem solchen Fall steht auch einem abhängig Beschäftigten ein Ablehnungsrecht zu. Darüber hinaus hat die Klägerin von diesem Recht Gebrauch gemacht, wenn sie aus Überlastungsgründen nicht in der Lage gewesen ist, die angebotenen Aufträge anzunehmen bzw. bereits übernommene Aufträge fristgerecht durchzuführen. Überlastungsanzeigen kommen jedoch ebenfalls im Rahmen von abhängigen Beschäftigungen vor [vgl. Arbeitsgericht (ArbG) Köln, Urteil v. 17.2.2009, 14 Ca 5366/08, juris]. Sie sind daher kein zwingendes Indiz für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit.
115Der Einwand, dass die Klägerin berechtigt gewesen ist, mit Zustimmung der Beigeladenen zu 1) einen Dritten zur Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen einzusetzen, spricht gleichfalls nicht für eine selbständige Tätigkeit. Tatsächlich hat sie die Arbeiten ausschließlich selbst erledigt. Die Möglichkeit, Arbeiten laufend durch eigenes Personal (also nicht höchstpersönlich) durchführen lassen zu können, ist zwar grundsätzlich ein Anhaltspunkt für eine selbständige Tätigkeit. Mit der Einstellung von Personal sind nämlich unabhängig von der Auftragslage laufende Ausgaben und die wirtschaftliche Verpflichtungen verbunden, die das Risiko in sich bergen, Kapital mit dem Risiko eines Verlustes einzusetzen und damit letztlich ein Unternehmerrisiko darstellen. Davon zu unterscheiden ist aber die bloß formale vertragliche Berechtigung, die Arbeiten auch durch andere durchführen zu lassen, wenn von dieser tatsächlich nie Gebrauch gemacht wird und die persönliche Leistungserbringung die Regel ist (BSG, Urteil v. 19.8.2003, B 2 U 38/02 R, SozR 4-2700 § 2 Nr. 1). Derartige formale Berechtigungen können, wenn sie tatsächlich nicht zum Tragen kommen, nicht als Indiz für eine selbständige Tätigkeit, sondern allenfalls als Ausdruck des Wunsches, dass eine selbständige Tätigkeit vorliegen soll, gewertet werden (vgl. insgesamt: Segebrecht in: a.a.O., § 7 Rdnr. 117).
116Weitere in die Gesamtabwägung einzustellende Gesichtspunkte sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Angesichts des eindeutigen Überwiegens der Gesichtspunkte für eine abhängige Beschäftigung kommt dem in der Rahmenvereinbarung geäußerten Wunsch, eine selbständige Tätigkeit zu begründen, keine entscheidende Bedeutung zu.
117Die Beklagte hat die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung, in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung zu Recht ab dem 1.11.2009 festgestellt. Die Voraussetzungen für einen späteren Beginn gemäß § 7a Abs. 6 SGB IV liegen bereits mangels Zustimmung der Klägerin nicht vor.
118Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 183, 193 SGG. Im Rahmen seines Ermessens hat der Senat von einer Kostenquotelung aufgrund der Geringfügigkeit des Obsiegens abgesehen.
119Gründe gemäß § 160 Abs. 2 SGG für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Entscheidung orientiert sich an der ständigen Rechtsprechung des BSG.
Tenor
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Auf die Revision der Beigeladenen zu 2. wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. September 2010 aufgehoben, soweit es die Feststellung der Rentenversicherungspflicht des Klägers in seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. vom 30. April 1996 bis 30. November 1999 betrifft.
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In diesem Umfang wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 26. November 2008 zurückgewiesen.
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Die Beklagte hat dem Kläger ein Viertel der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klage- und Berufungsverfahrens zu erstatten. Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
- 1
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Die Beteiligten streiten (noch) darüber, ob der Kläger in der Zeit vom 30.4.1996 bis 30.11.1999 als Beschäftigter in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV) versicherungspflichtig war.
- 2
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Der am 1961 geborene Kläger arbeitete aufgrund eines Anstellungsvertrags vom 11.2.1986 zunächst als Schlosser und nach Ablegen der Meisterprüfung noch im selben Jahr als Betriebsleiter bei der Beigeladenen zu 1., einer GmbH mit dem Unternehmensgegenstand "Rührwerksbau". Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer war bis zu seinem Tod am 11.5.2001 der Vater des Klägers. Die Geschäftsanteile erbte dessen Ehefrau; der Kläger wurde mit Dienstvertrag vom 31.8.2001 zum Geschäftsführer bestellt. Bereits am 30.4.1996 hatte der Vater des Klägers "gemäß § 48 Abs 2 GmbHG" folgende Niederschrift verfasst:
"… Aus gesundheitlichen Gründen werden meine Kinder S. und M. die Leitung des Unternehmens übernehmen. Mein Sohn wird aufgrund seiner beruflichen Fähigkeiten den technischen und gewerblichen Teil des Unternehmens übernehmen, meine Tochter den kaufmännischen Teil, aufgrund ihrer Ausbildung beim Steuerberater. Die entsprechenden Vollmachten werden beiden Kindern umgehend erteilt. Ab sofort nehmen die Kinder am betrieblichen Erfolg mit einer Gewinntantieme teil und sind vom Selbstkontrahierungsverbot befreit. Auf das Weisungsrecht meinerseits verzichte ich. Arbeits- und Urlaubszeit kann nach Lage der Gesellschaft frei bestimmt und gestaltet werden."
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Der Kläger war bis 30.11.1999 Mitglied der beklagten Krankenkasse, seit 1.1.1996 aufgrund freiwilliger Versicherung. Nachdem eine neu gewählte Krankenkasse festgestellt hatte, dass der Kläger in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. für spätere Zeiträume nicht versicherungspflichtig in der RV und nach dem Recht der Arbeitsförderung gewesen sei, beantragte der Kläger mit Schreiben vom 14.9.2005 eine entsprechende Beurteilung auch für den (nun streitigen) Zeitraum 30.4.1996 bis 30.11.1999 durch die Beklagte als Einzugsstelle. Diese stellte mit Bescheid vom 23.9.2005 und Widerspruchsbescheid vom 20.4.2006 fest, dass der Kläger in diesem Zeitraum bei der Beigeladenen zu 1. beschäftigt gewesen sei und der Versicherungspflicht in der RV und Arbeitslosenversicherung unterlegen habe. Das SG hat die auf Feststellung des Nichtbestehens von Versicherungspflicht in der RV und Arbeitslosenversicherung gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 26.11.2008).
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Auf die Berufung des Klägers hat das LSG unter Aufhebung des Urteils des SG und der Bescheide der Beklagten festgestellt, dass der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. im streitigen Zeitraum nicht der Versicherungspflicht in der RV und Arbeitslosenversicherung unterlegen habe (Urteil vom 22.9.2010): Für eine Beschäftigung sprächen ua die fehlende Geschäftsführer- und Gesellschafterstellung des Klägers, die Vereinbarungen des Anstellungsvertrags und die begrenzte Befugnis des Klägers, die Geschicke "der Firma" rechtsverbindlich zu gestalten. Demgegenüber sprächen die tatsächlichen Verhältnisse gegen eine Beschäftigung. So habe sein Vater dem Kläger mit der Niederschrift vom 30.4.1996 unter Verzicht auf sein Weisungsrecht die Unternehmensleitung übertragen. Dadurch habe der Kläger zusammen mit seiner Schwester nach eigenem Gutdünken frei "schalten und walten" können. Durch Übernahme einer Bürgschaft über 100 000 DM habe er ein wirtschaftliches Risiko getragen und sei am Gewinn der Firma beteiligt gewesen. Er habe die alleinigen Branchenkenntnisse in dem von ihm geleiteten Teilbereich der Geschäfte gehabt, sei vom Selbstkontrahierungsverbot befreit gewesen und habe Kundengespräche geführt, Angebote eingeholt sowie Kalkulationen erstellt, ohne sich im Einzelnen mit seinem Vater abzusprechen. Diesen tatsächlichen Verhältnissen komme bei der rechtlichen Beurteilung Vorrang gegenüber den vertraglichen Regelungen zu.
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Mit der allein vom ihm eingelegten Revision rügt der Rentenversicherungsträger (Beigeladene zu 2.) eine Divergenz zur Rechtsprechung des BSG seit dem Jahr 2006 (BSG Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R - USK 2006-8 = Die Beiträge, Beilage 2006, 149; BSG Urteil vom 24.1.2007 - B 12 KR 31/06 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 7), da das LSG sinngemäß den Rechtssatz aufgestellt habe, "dass eine im Widerspruch zu getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung der formellen Vereinbarung unabhängig von der rechtlichen Möglichkeit einer formlosen Abbedingung vorgehen bzw. auch dann, wenn eine formlose Abbedingung rechtlich nicht möglich ist". Das LSG habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass der Kläger am Stammkapital der zu 1. beigeladenen GmbH nicht beteiligt gewesen sei und bezogen auf die Gesellschaft keinerlei "Rechtsmacht" besessen habe. Diese Rechtsmacht habe trotz des Verzichts auf ein Weisungsrecht bei dessen Vater, dem Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1., gelegen. Zudem habe der Kläger die Beigeladene zu 1. nicht wie ein Alleininhaber, sondern nur zusammen mit seiner Schwester geleitet.
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Die Beigeladene zu 2. beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. September 2010 aufzuheben, soweit dieses unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Oldenburg vom 26. November 2008 sowie des Bescheides der Beklagten vom 23. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. April 2006 festgestellt hat, der Kläger habe in seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. vom 30. April 1996 bis 30. November 1999 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlegen,
ferner, insoweit die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 26. November 2008 zurückzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
die Revision der Beigeladenen zu 2. zurückzuweisen.
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Er verteidigt das angegriffene Urteil. Insbesondere sei mit der Niederschrift vom 30.4.1996 bereits die Bevollmächtigung beider Kinder durch ihren Vater erfolgt, der zugleich auf sein Weisungsrecht sowohl als Geschäftsführer wie auch als Gesellschafter verzichtet habe. Darauf, dass die Unternehmensleitung gemeinsam mit der - im Übrigen als nicht rentenversicherungspflichtig eingestuften - Schwester erfolgte, komme es nicht an.
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Die Beklagte und die zu 3. beigeladene Bundesagentur für Arbeit schließen sich der Rechtsansicht der Beigeladenen zu 2. an, die Beigeladene zu 3. ohne einen Antrag zu stellen.
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Die Beigeladene zu 1. äußert sich nicht.
Entscheidungsgründe
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Die auf die angefochtene Feststellung von Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen RV im Zeitraum 30.4.1996 bis 30.11.1999 beschränkte Revision der Beigeladenen zu 2. ist zulässig und begründet. Bescheid und Widerspruchsbescheid der Beklagten sind bezogen darauf rechtmäßig. Daher ist das Urteil des LSG in diesem Umfang aufzuheben und die Berufung des Klägers insoweit zurückzuweisen.
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1. Obwohl die Beigeladene zu 2. in der Revisionsbegründung entgegen § 164 Abs 2 S 3 SGG keine Rechtsnorm ausdrücklich bezeichnet hat, die sie durch das Urteil des LSG als verletzt ansieht, ist die Revision noch zulässig. Denn es reicht aus, wenn sich aus dem Inhalt der Darlegungen des Revisionsklägers ergibt, dass er sich mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung rechtlich auseinandergesetzt hat und inwieweit er bei der Auslegung der angewandten Rechtsvorschriften anderer Auffassung ist (vgl BSG SozR 3-5555 § 15 Nr 1 S 2 mwN; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 164 RdNr 9c, 11 mwN). Vorliegend lässt das Revisionsvorbringen noch hinreichend deutlich erkennen, dass die Beigeladene zu 2. die Auffassung des LSG angreift, bei der Abgrenzung von Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit komme den tatsächlichen Verhältnissen generell Vorrang gegenüber den gesellschafts- und arbeitsvertraglichen Regelungen zu, und dass sie dadurch § 7 Abs 1 SGB IV als verletzt ansieht.
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2. Die Revision der Beigeladenen zu 2. ist auch begründet.
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Zu Unrecht hat das LSG hier die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen RV verneint und die Bescheide der Beklagten sowie das SG-Urteil insoweit aufgehoben. Dabei ist das LSG zunächst zutreffend von den in der Rechtsprechung des BSG zum Tatbestand der Beschäftigung aufgestellten Rechtssätzen ausgegangen; es hat jedoch die jüngere Rechtsprechung zum Vorrang der tatsächlichen Verhältnisse gegenüber den vertraglichen Vereinbarungen nicht hinreichend berücksichtigt (hierzu a). Wiederum zutreffend hat das LSG eine Tätigkeit in einem fremden Betrieb vorausgesetzt und den "Anstellungsvertrag" des Klägers zum Ausgangspunkt der weiteren Prüfung und seiner Tatsachenfeststellungen gemacht (hierzu b). Im Ergebnis keinen Bestand haben indes die hierauf aufbauende rechtliche Würdigung des LSG sowie seine davon ausgehende Bewertung des Gesamtbildes der Erwerbstätigkeit (hierzu c). Dabei steht der Einordnung der Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 1. als (abhängige) Beschäftigung die Rechtsprechung des BSG zur Tätigkeit in Familiengesellschaften nicht entgegen (hierzu d).
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a) In den Jahren 1996 bis 1999, die hier in Streit stehen, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der RV der Versicherungspflicht (vgl § 1 S 1 Nr 1 SGB VI; ab 1.1.1998 idF durch Gesetz vom 24.3.1997, BGBl I 594). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; siehe insbesondere auch BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11).
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Zutreffend weist die Beigeladene zu 2. in ihrer Revisionsbegründung darauf hin, dass zur Feststellung des Gesamtbilds den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zukommt. Zwar hat der Senat noch im Urteil vom 22.6.2005 (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 5 RdNr 7) ausgeführt, dass beim Abweichen der Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen letztere den Ausschlag geben. Jedoch hat er diese Aussage in Zusammenfassung älterer Entscheidungen nachfolgend präzisiert (insbesondere BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 17; ebenso Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R - USK 2006-8 = Die Beiträge, Beilage 2006, 149, und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Die Beiträge, Beilage 2008, 333, 341 f): Danach sind die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist. Hieran hat der Senat seither festgehalten (vgl BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - USK 2009-25; BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-25).
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Der vorliegende Fall bietet keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzurücken: Die tatsächlichen Verhältnisse weichen hier zwar von den Regelungen des zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1. geschlossenen Anstellungsvertrags ab, jedoch führt dies mit Blick auf die Frage des Vorliegens einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit zu keinem anderen Ergebnis (hierzu unten c). Daher kommt es auch nicht darauf an, dass das LSG keine Feststellungen dazu getroffen hat, unter welchen Voraussetzungen die Bestimmungen des Anstellungsvertrags überhaupt abdingbar waren.
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b) Die dargestellten Grundsätze sind auch im vorliegenden Fall anzuwenden, denn der Kläger war im streitigen Zeitraum nicht in seinem eigenen, sondern in einem fremden Betrieb tätig. Die alleinige Betriebs- bzw Unternehmensinhaberin war die Beigeladene zu 1., die als GmbH juristische Person mit eigener Rechtspersönlichkeit ist und deshalb unabhängig von den als Gesellschafter dahinterstehenden juristischen oder natürlichen Personen (hierzu vgl nur BSGE 95, 275 = SozR 4-2600 § 2 Nr 7, RdNr 21 mwN)und deren verwandtschaftlichen oder wirtschaftlichen Beziehungen betrachtet werden muss.
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Ausgangspunkt der Prüfung, ob die Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 1. im Rahmen einer Beschäftigung oder selbstständig ausgeübt wurde, ist der "Anstellungsvertrag" vom 11.2.1986, der deren Vertragsverhältnis zunächst ausschließlich bestimmte. Dieser Vertrag hatte sowohl nach der Bezeichnung als auch nach seinem vom LSG - lückenhaft - festgestellten Inhalt - regelmäßiges Entgelt, feste wöchentliche Arbeitszeit, Urlaubsansprüche nach dem Bundesurlaubsgesetz und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall - ein Arbeitsverhältnis zum Gegenstand. Nach abgelegter Meisterprüfung wurde der Kläger sodann als Betriebsleiter eingesetzt; hiermit evtl verbundene rechtlich relevante Änderungen des schriftlichen "Anstellungsvertrags" hat das LSG aber ebenso wenig festgestellt, wie es Feststellungen zur Frage dafür einzuhaltender möglicher Formerfordernisse bei Vertragsänderungen getroffen hat.
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Eine weitere Änderung der Stellung des Klägers erfolgte aufgrund der als Gesellschafterbeschluss (§ 48 GmbHG) auszulegenden Niederschrift seines Vaters vom 30.4.1996 mit der Übertragung der "Leitung" des technischen und gewerblichen Bereichs der GmbH an ihn. Dieser Beschluss enthielt gleichzeitig eine Befreiung des Klägers vom Selbstkontrahierungsverbot und einen Verzicht seines Vater - des Allein-Gesellschafter-Geschäftsführers der Beigeladenen zu 1. - auf ein Weisungsrecht gegenüber dem Kläger. Zudem wurde dem Kläger eine Gewinntantieme zugesagt und das Recht eingeräumt, über seine eigene Arbeits- und Urlaubszeit "nach Lage der Gesellschaft" frei zu bestimmen. Den insoweit nicht mit Revisionsrügen angegriffenen und daher für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG ist zu entnehmen, dass dies auch der betrieblichen Praxis entsprach. So führte der Kläger fortan die Kundengespräche, holte Angebote ein und stellte Kalkulationen auf, ohne im Einzelnen Rücksprache mit seinem Vater zu nehmen. Der Kläger war Ansprechpartner für Kunden und für Mitarbeiter. Zumindest einen Mitarbeiter stellte er ein, wenn auch der Arbeitsvertrag auf Seiten der Beigeladenen zu 1. vom Vater des Klägers unterschrieben wurde. Der Vater hatte sich - obwohl täglich im Betrieb anwesend - nach den Feststellungen des LSG "nicht mehr eingemischt" und nahm auch auf die Einstellung von Personal keinen Einfluss mehr.
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Offenbleiben kann vorliegend, ob die in der Niederschrift des Gesellschafterbeschlusses vom 30.4.1996 erwähnten Vollmachten für den Kläger zu diesem Zeitpunkt oder später tatsächlich erteilt wurden und ob die Beigeladene zu 2. insoweit eine zulässige Sachrüge erhoben hat. Denn auch für den Fall, dass dem Kläger die zur Leitung des technischen und gewerblichen Teils der Beigeladenen zu 1. erforderlichen Vollmachten erteilt wurden, tragen die vom LSG festgestellten Umstände nicht dessen rechtlichen Schluss, dass sich mit der Niederschrift vom 30.4.1996 der Charakter der vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1. dahingehend wandelte, dass der Kläger nunmehr selbstständig tätig sein sollte.
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c) Der Kläger erbrachte seine Dienste für die Beigeladene zu 1. auch in der Zeit vom 30.4.1996 bis 30.11.1999 im Rahmen einer (abhängigen) Beschäftigung.
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Eine Selbstständigkeit des Klägers in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. - etwa in Form eines freien Dienstverhältnisses - ergibt sich nicht daraus, dass der Vater des Klägers in seiner Funktion als Alleingesellschafter der Beigeladenen zu 1. durch Gesellschafterbeschluss vom 30.4.1996 auf "das Weisungsrecht" gegenüber dem Kläger verzichtete und diesem das Recht einräumte, seine Arbeits- und Urlaubszeit "nach Lage der Gesellschaft" frei zu bestimmen. Zwar unterlag der Kläger dadurch nicht mehr umfassend einem Weisungsrecht seines Arbeitgebers - handelnd durch den weiterhin allein als Geschäftsführer und Gesellschafter der GmbH im Handelsregister eingetragenen Vater - hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung seiner Tätigkeit. Jedoch werden gerade höhere Dienste dennoch im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung geleistet, wenn sie - wie hier - fremdbestimmt bleiben, weil sie in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen (stRspr seit BSGE 16, 289, 294 = SozR Nr 30 zu § 165 RVO und BSGE 21, 57, 58 f = SozR Nr 2 zu § 2 AVG; in jüngerer Zeit zB BSG SozR 3-2940 § 3 Nr 2 S 9 mwN; BSGE 66, 168 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1 und SozR 3-2400 § 7 Nr 20 S 80; vgl - zum Fehlen einer Eingliederung einer hauswirtschaftlichen Familienbetreuerin - BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125, Juris RdNr 22; vgl zum Begriff des "Betriebes" BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 33 ff). Wie weit die Lockerung des Weisungsrechts in der Vorstellung des Gesetzgebers gehen kann, ohne dass deswegen die Stellung als Beschäftigter entfällt, zeigen beispielhaft die gesetzlichen Sonderregelungen zur Versicherungsfreiheit von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft in der RV und Arbeitslosenversicherung (§ 1 S 4 SGB VI sowie § 27 Abs 1 Nr 5 SGB III), die regelmäßig abhängig beschäftigt sind, auch wenn sie die Gesellschaft in eigener Verantwortung zu leiten haben und gegenüber der Belegschaft Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen (stRspr BSGE 65, 113, 116 f = SozR 2200 § 1248 Nr 48 S 125; SozR 3-2400 § 7 Nr 18 S 66 f; BSGE 100, 62 = SozR 4-2600 § 1 Nr 3, RdNr 16; BSGE 107, 185 = SozR 4-2600 § 1 Nr 6, RdNr 14). Allein weit reichende Entscheidungsbefugnisse eines "leitenden Angestellten", der in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem verfeinerten Weisungsrecht unterliegt, machen diesen nämlich nicht schon zu einem Selbstständigen, selbst wenn andere Betriebsangehörige den Betroffenen bisweilen als "Chef" betrachten mögen (wie das LSG im vorliegenden Fall anhand der Aussage des Zeugen R. festgestellt hat).
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Eine solche noch dem Typus der Beschäftigung zuzuordnende Eingliederung in eine vorgegebene Ordnung des Betriebes bestand bei dem Kläger auch nach dem 30.4.1996. Durch den Gesellschafterbeschluss erlangte er die Stellung eines Angestellten, der nach den Feststellungen des LSG auch in der betrieblichen Praxis den technischen und gewerblichen Teil der Beigeladenen zu 1. mit "entsprechenden Vollmachten" eigenverantwortlich zu leiten hatte. Dennoch blieb der Kläger weiterhin in die durch die Beigeladene zu 1. bzw ihren gesellschaftsrechtlich maßgebenden Geschäftsführer (= Vater des Klägers) vorgegebene Organisation eingebunden, da seine Leitungsmacht nur auf einen bestimmten Unternehmensteil beschränkt war, während die Leitung des kaufmännischen Teils der Beigeladenen zu 1. ausschließlich seiner Schwester oblag. Die Vollmacht, diese Entscheidung zur konkreten Ausgestaltung der betrieblichen Organisation auf der Leitungsebene zu ändern, besaß der Kläger nicht. Selbst innerhalb des ihm zugewiesenen Zuständigkeitsbereichs war seine Vertretungsbefugnis rechtlich zwingend auf den Umfang einer rechtsgeschäftlichen Handlungsvollmacht iS von § 54 Handelsgesetzbuch (HGB) begrenzt, die sich zwar auf sämtliche Geschäfte erstreckt, die in einem Geschäftsbetrieb üblich sind, die jedoch nicht auf eine unmittelbare Vertretung der Gesellschaft, sondern lediglich auf ein (rechtlich nachgeordnetes) Handeln in Vollmacht des Geschäftsführers gerichtet war(BGH Urteil vom 20.10.2008 - II ZR 107/07 - NJW 2009, 293, 294 mwN). Schon von Gesetzes wegen (§ 54 Abs 2 HGB) waren jedenfalls die Veräußerung oder Belastung von Grundstücken, die Eingehung von Wechselverbindlichkeiten, die Aufnahme von Darlehen und die Prozessführung von der Bevollmächtigung ausgenommen. Die anderenfalls notwendige besondere Erteilung der Vollmacht auch für diese Befugnisse hat das LSG nicht festgestellt. Darüber hinaus unterlag der Kläger selbst in dem ihm danach zugewiesenen eingeschränkten Vollmachtsrahmen zwingend der Kontrolle des GmbH-Geschäftsführers (vgl zu dessen Stellung allgemein zB Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 19. Aufl 2010, § 35 RdNr 76 mwN). Soweit der Vater des Klägers in seiner Funktion als Alleingeschäftsführer der Beigeladenen zu 1. diese Kontrolle tatsächlich nicht oder nur sehr eingeschränkt ausübte, etwa weil - wie das LSG herausstellt - er sich darauf verließ, dass der Kläger die einzelnen Aufträge ordnungsgemäß einholte und durchführte, ist dies für die hier vorzunehmende Abgrenzung ebenso unbeachtlich, wie ein auch die zur Ausübung dieser Kontrolle notwendigen Weisungen umfassender Verzicht auf das Weisungsrecht, denn insoweit wären die Grenzen des rechtlich Zulässigen überschritten (hierzu bereits oben a). Im Übrigen deutet sogar die Feststellung des LSG, der Zeuge R. sei "von dem Kläger eingestellt worden", den Arbeitsvertrag habe jedoch der Vater unterschrieben, darauf hin, dass die dem Kläger erteilten Vollmachten auch in der betrieblichen Praxis nicht umfassend, sondern begrenzt waren.
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Der Kläger hatte auch weder rechtlich noch tatsächlich die Möglichkeit, wie ein beherrschender oder zumindest mit einer Sperrminorität ausgestatteter Gesellschafter-Geschäftsführer ihm nicht genehme Weisungen jederzeit abzuwenden (vgl hierzu allgemein zB BSGE 66, 69 = SozR 4100 § 104 Nr 19; SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 13 f; aus jüngerer Zeit BSG <12. Senat> SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 28 und<11a. Senat> SozR 4-2400 § 7 Nr 8 RdNr 15, jeweils mwN). Hierzu fehlte es bereits an einer Beteiligung des Klägers am Stammkapital der Beigeladenen zu 1. Gleichzeitig blieb seine Position innerhalb des Unternehmens ohnehin deutlich hinter der organschaftlich begründeten Stellung eines Geschäftsführers - als solcher wurde er trotz der vorgenommenen Änderungen (weiterhin) nicht bestellt, sondern erst nach dem Tod des Vaters Ende August 2001 - zurück. Bereits aufgrund einer solchen Unterordnung unter den Geschäftsführer ist regelmäßig von einer Beschäftigung auszugehen (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 17 S 57; BSG Urteil vom 23.6.1994 - 12 RK 72/92 - USK 9448 S 253).
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Eine Vergleichbarkeit des Klägers mit einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt tatsächlicher wirtschaftlicher Einflussmöglichkeiten. Zwar sind nach der Rechtsprechung des BSG auch solche Einflussmöglichkeiten zu beachten, soweit sie einem Geschäftsführer selbst gegenüber der Gesellschaft zur Verfügung stehen (zu einem - im Ergebnis nicht ausreichenden - der Gesellschaft gewährten Darlehen: BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 17 f), doch bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die am 5.2.1994 für die Beigeladene zu 1. übernommene Bürgschaft des Klägers über 100 000 DM ihm eine solche Einflussnahme ermöglichte. Aus diesem Grunde war der durch den Gesellschafterbeschluss vom 30.4.1996 erfolgte, in seinem Umfang ohnehin begrenzte Verzicht auf das Weisungsrecht nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich im Konfliktfall jederzeit widerrufbar, ohne dass der Kläger dieses hätte verhindern können.
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Für eine fortbestehende Eingliederung in eine vorgegebene betriebliche Ordnung trotz des - wie aufgezeigt - begrenzten Verzichts auf ein Weisungsrecht spricht auch die im Gesellschafterbeschluss vom 30.4.1996 festgelegte Bindung der vom Kläger im Übrigen frei selbst zu bestimmenden Arbeits- und Urlaubszeit an die "Lage der Gesellschaft" (in diesem Sinne zur Bindung der Urlaubsplanung an die Bedürfnisse der Geschäftsführung BSG SozR 3-2200 § 723 Nr 4 S 17). Dass der Kläger im Rahmen der ihm erteilten begrenzten Vollmachten vom Selbstkontrahierungsverbot befreit war, spricht - wie das BSG bezogen auf Geschäftsführer einer kleineren GmbH bereits entschieden hat (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 1, RdNr 11 und Nr 8 RdNr 17)- nicht zwingend für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit.
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Ebenso hat das BSG bereits entschieden, dass die Gewährung einer Tantieme als solche nicht genügt, um eine Beschäftigung auszuschließen (vgl BSG Urteil vom 10.5.2007 - B 7a AL 8/06 R - USK 2007-53). Bedeutung für die Abgrenzung von Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit kommt Tantiemen nur als (ein) Anknüpfungspunkt für ein mögliches wirtschaftliches Eigeninteresse des für ein Unternehmen Tätigen zu, das im Rahmen der Gesamtwürdigung Gewicht gewinnen kann, jedoch nicht allein entscheidend ist (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 18 mwN). Vor dem Hintergrund, dass die Gewährung einer Tantieme an Arbeitnehmer nicht ungewöhnlich ist (vgl zB BSG SozR 2100 § 17 Nr 3; BSG Urteil vom 28.4.1982 - 12 RK 12/80 - Die Beiträge 1982, 382 = USK 8244), ist deren Gewicht für die hier im Vordergrund stehende Abgrenzung der Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis gegenüber einem selbstständigen Dienstverhältnis eher gering. Wie die Gewichtung beispielsweise bei einer Tätigkeit in einem Einzelunternehmen zu beurteilen ist, wenn die Tätigkeit im fremden oder im (auch) eigenen Betrieb in Frage steht, braucht hier nicht entschieden zu werden. Eine Tätigkeit im (auch) eigenen Betrieb scheidet hier bereits aufgrund der Rechtsform der Beigeladenen zu 1., einer GmbH, an deren Stammkapital der Kläger nicht beteiligt war, aus (vgl oben unter b). Daher ist es auch unschädlich, dass das LSG die konkrete Höhe der Tantieme und Anlass, zu sicherndes Risiko sowie Fortbestand der Bürgschaft während des streitigen Zeitraums nicht festgestellt hat und somit das Ausmaß des wirtschaftlichen Eigeninteresses des Klägers am Erfolg der Beigeladenen zu 1. nicht einmal genau feststeht.
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Soweit das LSG im Hinblick auf die Bürgschaft über ein wirtschaftliches Eigeninteresse hinaus auch ein "typisches Unternehmerrisiko" des Klägers angenommen und als Indiz für eine Selbstständigkeit gewertet hat, erfasst es die Bedeutung dieses Merkmals im vorliegenden Kontext nicht zutreffend. So kann eine Bürgschaft wie die des Klägers für die Beigeladene zu 1., bei der er die hier streitige Tätigkeit ausübt, in erster Linie für die Abgrenzung einer Beschäftigung gegenüber einer durch "Mitunternehmerschaft" begründeten Tätigkeit im (auch) eigenen Betrieb von Bedeutung sein. Für die vorliegend vorzunehmende Zuordnung einer Tätigkeit in einem - wie oben dargelegt zweifellos - fremden Betrieb ist ihre Bedeutung jedoch gering. Denn diese Bürgschaft begründete kein mit der Tätigkeit - sei es als Beschäftigter oder selbstständiger Dienstverpflichteter - des Klägers bei der Beigeladenen zu 1. verbundenes Risiko. Es handelt sich nämlich nicht um einen mit den geschuldeten Diensten verbundenen Aufwand, weil die Bürgschaft für die Erfüllung der diesbezüglichen Pflichten nicht erforderlich war. Die Gründe für ihre Bestellung sind vielmehr außerhalb der Beschäftigung bzw des Dienstverhältnisses zu suchen (vgl hierzu allgemein Segebrecht in jurisPK-SGB IV, 2. Aufl 2011, § 7 RdNr 153). Bezogen auf seine Tätigkeit hatte der Kläger gerade kein Unternehmerrisiko zu tragen; denn als Gegenleistung für seine Tätigkeit stand ihm nach den Feststellungen des LSG auch nach dem 30.4.1996 unabhängig vom wirtschaftlichen Ergebnis der Beigeladenen zu 1. ein Anspruch auf "die Zahlung eines regelmäßigen Entgeltes" zu, wie dies für Beschäftigte typisch ist. Bezogen auf die geschuldeten Dienste hatte der Kläger - wie jeder andere Beschäftigte auch - allein das Risiko des Entgeltausfalls in der Insolvenz des Arbeitgebers zu tragen.
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d) Die Annahme von Selbstständigkeit des Klägers in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. kann schließlich auch nicht mit Erfolg auf die Rechtsprechung des BSG zur Versicherungspflicht von in Familiengesellschaften verrichteten Tätigkeiten gestützt werden.
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Das BSG hat in der Vergangenheit in seiner Rechtsprechung - überwiegend zu Leistungsansprüchen des Arbeitsförderungs- und Unfallversicherungsrechts - auch für den Fall, dass der Geschäftsführer einer Gesellschaft nicht zumindest über eine Sperrminorität verfügte, eine selbstständige Tätigkeit des Betroffenen für möglich erachtet, wenn dessen Tätigwerden innerhalb einer Gesellschaft durch eine besondere Rücksichtnahme aufgrund familiärer Bindungen geprägt war (BSG Urteil vom 29.10.1986 - 7 RAr 43/85 - USK 86145; BSG Urteil vom 8.12.1987 - 7 RAr 25/86 - USK 87170; BSG Urteil vom 14.12.1999 - B 2 U 48/98 R - USK 9975; BSG SozR 2100 § 7 Nr 7 S 6; BSG Urteil vom 28.1.1992 - 11 RAr 133/90 - USK 9201; BSG Urteil vom 11.2.1993 - 7 RAr 48/92 - USK 9347; im konkreten Fall abgelehnt: BSG Urteil vom 10.5.2007 - B 7a AL 8/06 R - USK 2007-53; umgekehrt allerdings
: BSG SozR 3-4100 § 104 Nr 8 S 37) . Ohne Geschäftsführerstellung hat der 12. Senat eine - nach den allgemeinen Grundsätzen eigentlich ausgeschlossene - selbstständige Tätigkeit für den Fall als gegeben erachtet, dass der in einer GmbH Tätige neben seinem Ehegatten alleiniger oder gleichberechtigter Gesellschafter der GmbH ist (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 17). Dabei hat der Senat jedoch nicht auf eine familiäre Verbundenheit, sondern maßgebend auf die mit der Gesellschafterstellung verbundene Rechtsmacht abgestellt (BSG, aaO, S 58, 60). Weitergehend hatte allerdings der 3. Senat bereits 1971 die Selbstständigkeit eines nicht zum (ggf weiteren) Geschäftsführer bestellten Minderheitsgesellschafters angenommen, weil dieser in der betrieblichen Praxis der mit ihm verheirateten Geschäftsführerin und Mehrheitsgesellschafterin vollständig gleichgestellt gewesen sei sowie sich faktisch als zweiter Geschäftsführer betätigt und neben der hauptamtlichen Geschäftsführerin die GmbH nach außen vertreten habe (BSG SozR Nr 68 zu § 165 RVO; vgl auch BSG Urteil vom 23.6.1994 - 12 RK 72/92 - USK 9448). Noch darüber hinausgehend hat der 11. Senat des BSG eine selbstständige Tätigkeit sogar im Fall des - nicht an der GmbH beteiligten und nicht zum Geschäftsführer bestellten - Sohnes eines Allein-Gesellschafter-Geschäftsführers für möglich gehalten (BSGE 66, 168 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1; in Abgrenzung zur familienhaften Mithilfe vgl aber BSG SozR Nr 22 zu § 165 RVO). Dabei ist der 11. Senat davon ausgegangen, dass für einen Fremdgeschäftsführer einer Familiengesellschaft, der mit den Gesellschaftern familiär verbunden ist, eine Ausnahme von der Beschäftigtenstellung in Betracht komme, wenn er faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führen konnte und geführt hat, ohne dass ihn der oder die Gesellschafter daran hinderten (BSG Urteil vom 8.12.1987 - 7 RAr 25/86 - USK 87170). Diese Ausnahme solle - so der 11. Senat - auch gelten, wenn der Alleingesellschafter zugleich Alleingeschäftsführer ist und die Tätigkeit der faktischen Leitung des Betriebes formal auf der Ebene unter dem Geschäftsführer ausgeübt werde. Indessen lasse eine bloß "probeweise" Leitung des Betriebs durch den als Unternehmensnachfolger uU vorgesehenen Sohn eine (abhängige) Beschäftigung nicht entfallen. Wollten die Eltern, dass der Sohn den Betrieb in der bisherigen Art fortführe, und erlaube es ihre Mitarbeit im Betrieb verbunden mit ihrer Rechtsstellung als Gesellschafter und Geschäftsführer, diesen Willen durchzusetzen, so habe für den Sohn die fremdbestimmte betriebliche Ordnung im Sinne einer Beschäftigung fortbestanden, auch wenn er sich innerhalb des durch die bisherige Betriebsführung vorgegebenen Rahmens frei bewegen durfte (BSGE 66, 168, 170 ff = SozR 3-2400 § 7 Nr 1 S 4 f; zu einer solchen Konstellation vgl auch LSG Baden-Württemberg Urteil vom 18.5.2010 - L 11 KR 1423/08).
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Der Senat kann vorliegend offenlassen, ob der vom 11. Senat des BSG formulierten Rechtsauffassung (ggf modifiziert bzw auf gänzlich atypische Sonderfälle beschränkt) bezogen auf das Versicherungs- und Beitragsrecht gefolgt werden kann oder ob - wofür Einiges spricht - der aus gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben entspringenden Rechtsmacht als Teil der tatsächlichen Verhältnisse, auf die auch der 11. Senat ausdrücklich hingewiesen hat, größere Bedeutung beizumessen ist. Für Letzteres spricht, dass entscheidender Gesichtspunkt für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit anstelle einer formal vorliegenden (abhängigen) Beschäftigung auch im Zusammenhang mit Familiengesellschaften die Möglichkeit ist, unliebsame Weisungen des Arbeitgebers bzw Dienstberechtigten abzuwenden. Dies mag aufgrund familiärer Rücksichtnahme solange der Fall sein, wie das Einvernehmen der Familienmitglieder gewahrt bleibt. Im Falle eines familiären Zerwürfnisses zwischen den Beteiligten käme jedoch allein die den einzelnen Familienmitgliedern zustehende Rechtsmacht zum Tragen, sodass auch nach den gelebten tatsächlichen Verhältnissen eine Weisungsunterworfenheit bestünde (kritisch aus diesem Grunde auch Segebrecht in jurisPK-SGB IV, aaO, § 7 RdNr 124). Eine solche "SchönwetterSelbstständigkeit" ist mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände schwerlich hinnehmbar. So hat das BSG in der Vergangenheit wiederholt darauf hingewiesen, dass es im Interesse aller Beteiligten, der Versicherten und der Versicherungsträger, liegt, die Frage der Versicherungspflicht und der Versicherungsfreiheit schon zu Beginn der Tätigkeit zu klären, weil diese nicht nur für die Entrichtung der Beiträge, sondern auch für die Leistungspflichten des Sozialleistungsträgers und die Leistungsansprüche des Betroffenen von entscheidender Bedeutung sein kann (vgl SozR Nr 6 zu § 168 RVO; SozR 2200 § 1228 Nr 1 S 2; SozR 2200 § 205 Nr 41 S 103; zuletzt Urteil des Senats vom 27.7.2011 - B 12 R 15/09 R - SozR 4-2600 § 5 Nr 6 RdNr 16).
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Auf die dargestellte Frage kommt es vorliegend nicht an, da die vom LSG festgestellten Tatsachen dessen Schlussfolgerung, der Kläger habe seit April 1996 die Geschäfte der Beigeladenen zu 1. "nach eigenem Gutdünken führen und frei schalten und walten" können (vgl dazu BSG <11. Senat> BSGE 66, 168, 171 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1 S 4), nicht tragen. So hat das LSG seine Schlussfolgerung bereits selbst dahin eingeschränkt, dass der Kläger die Beigeladene zu 1. "mit seiner Schwester allein" geführt habe (Seite 15 des Urteils) bzw nur zusammen mit ihr habe führen können. In diesem Zusammenhang ist auch unerheblich, dass das LSG keine Feststellungen zum Umfang des Einvernehmens zwischen dem Kläger und seiner Schwester getroffen hat. Denn auch bei großzügiger Auslegung des Gesellschafterbeschlusses vom 30.4.1996 war die Leitungsmacht des Klägers ausschließlich auf "den technischen und gewerblichen Teil des Unternehmens" beschränkt. Nur die darauf bezogenen "entsprechenden Vollmachten" wurden erteilt oder sollten noch erteilt werden. Die Leitung der Beigeladenen zu 1. insgesamt war dem Kläger damit nicht übertragen worden. Auf Grundlage der Feststellungen des LSG kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger seine Schwester und den - wenn auch zunehmend nur noch der Form halber - weiterhin an der Unternehmensleitung mitwirkenden Vater derart dominiert hätte, dass nach den tatsächlichen Verhältnissen eine Gesamtleitung der Beigeladenen zu 1. allein durch den Kläger vorgelegen hätte. Vielmehr hat auch das LSG alleinige Branchenkenntnisse des Klägers nicht in allumfassender Weise, sondern nur in dem von ihm geleiteten Teilbereich der Geschäfte festgestellt. Die Leitung des kaufmännischen Teils des Unternehmens hatte der Vater des Klägers gerade mit Rücksicht auf deren durch eine Ausbildung bei einem Steuerberater erworbenen Kenntnisse der Schwester des Klägers übertragen. Zudem verfügte der Vater des Klägers über langjährige Erfahrung in der Leitung des Gesamtunternehmens, die er als Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer bereits zu einem Zeitpunkt innehatte, bevor der Kläger die Meisterprüfung ablegte und zum Betriebsleiter bestellt wurde. Zugleich spricht der Umstand, dass der Kläger und seine Schwester trotz Übertragung bereichsbezogener Leitungsfunktionen und eines Verzichts des Vaters auf "das Weisungsrecht" nicht zu Geschäftsführern berufen wurden, dafür, dass sich der Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer eine Kontrolle und Letztentscheidungsbefugnis zumindest bezüglich grundlegender unternehmerischer Entscheidungen vorbehalten wollte. Nicht zuletzt spricht auch der Umstand, dass die Beigeladene zu 1. im Erbgang an die Mutter und nicht den Kläger und seine Schwester fiel, dafür, dass ihr Vater das Unternehmen trotz seiner fortschreitenden Krankheit jedenfalls während des hier zu beurteilenden Zeitraums noch nicht vollständig an seine Kinder übergeben hatte.
Tenor
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Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19. Februar 2013 aufgehoben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. März 2011 zurückgewiesen.
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Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte den Kläger für seine Tätigkeit als Vorstandsreferent und Compliance-Beauftragter bei der Beigeladenen zu 2., einem Reiseversicherungsunternehmen, ab dem 1.1.2010 bis zum 30.6.2012 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreien muss.
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Der 1980 geborene Kläger ist seit Februar 2008 Pflichtmitglied der Rechtsanwaltskammer (RAK) K. und der Beigeladenen zu 1. Im Oktober 2008 nahm er eine zeitlich befristete Tätigkeit als Volljurist/Mitarbeiter bei der Beigeladenen zu 2. auf (Anstellungsvertrag vom 5.9.2008), für die ihn die Beklagte von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreite (Bescheid vom 25.11.2008, mit Wirkung ab 1.8.2009 aufgehoben durch Bescheid vom 10.12.2010). Ab Juni 2009 wechselte er firmenintern in die Funktion des "Vorstandsreferenten", wofür nach der Stellenausschreibung "ein erfolgreich abgeschlossenes Studium und mehrere Jahre Berufserfahrung" erforderlich waren. Nach Aussage des Vorstandsvorsitzenden der Beigeladenen zu 2. habe der Kläger jedoch das Zweite Juristische Staatsexamen benötigt, weil er für die Gestaltung und Verhandlung von übergeordneten Unternehmensverträgen verantwortlich gewesen sei. Dies habe die Fähigkeit erfordert, selbständig Verhandlungen zu führen und unabhängig Entscheidungen zu treffen (schriftliche Zeugenaussage vom 28.10.2010). In der Stellenausschreibung hieß es weiter: "Das Aufgabengebiet umfasst die Beratung, Unterstützung und Entlastung des Vorstandsvorsitzenden bei seinen Aufgaben im Konzern, in Verbänden, Gremien und im politischen Umfeld. Sie erstellen Referate, Präsentationen, Publikationen sowie Berichte und Analysen. Zu Ihren weiteren Aufgaben gehört das eigenverantwortliche Vor- und Nachbereiten von Aufsichtsratssitzungen und Besprechungen. Außerdem erledigen Sie die Korrespondenz und unterstützen den Vorstandsvorsitzenden bei der Budgeterstellung." Daneben übernahm der Kläger die Funktion des "Compliance-Beauftragten", die nach Angaben des Vorstandsvorsitzenden der Beigeladenen zu 2. das Zweite Juristische Staatsexamen voraussetzte, weil die Tätigkeit weit über eine lediglich gutachterliche Stellungnahme oder Beurteilung durch einen Diplom-Juristen hinausgehe. Die Aufgabe des "Compliance-Beauftragten" bestehe ua darin, persönliche Strafbarkeitsrisiken für Mitarbeiter und Organmitglieder sowie Haftungsrisiken für das Unternehmen und den Vorstand zu vermeiden (Schreiben der Beigeladenen zu 2. vom 2.9.2009 und schriftliche Zeugenaussage des Vorstandsvorsitzenden vom 28.10.2010). Ab dem 1.8.2009 wurde der Anstellungsvertrag vom 5.9.2008 entfristet und die monatlichen Bruttobezüge angehoben (Nachtrag vom 9.3.2009 zum Anstellungsvertrag). Seit dem 1.7.2012 ist der Kläger für "International Business Compliance" bei der Beigeladenen zu 2. zuständig.
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Am 25.5.2009 beantragte der Kläger, ihn weiterhin von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien. Er wies darauf hin, nach wie vor als Volljurist bei der Beigeladenen zu 2. angestellt zu sein und eine rechtsanwaltstypische Tätigkeit auszuüben. Der Schwerpunkt seiner rechtlichen Arbeit liege nunmehr ua bei Vorstandsangelegenheiten. Die Beigeladene zu 2. bestätigte, dass der Kläger mit eigenen Entscheidungskompetenzen ausgestattet und wesentlich an Abstimmungs- und Entscheidungsprozessen beteiligt sei. Viele Aufgaben könne nur ein Volljurist/Rechtsanwalt umfassend erledigen. Die Ernennung zum Compliance-Beauftragten setze den Abschluss zweier juristischer Staatsexamina voraus; die Zulassung als Rechtsanwalt sei wünschenswert (Schreiben der Beigeladenen zu 2. vom 9.11.2009). Die Beklagte lehnte den Befreiungsantrag ab, weil die Beschäftigung als Vorstandsreferent keine Befähigung zum Richteramt erfordere und die Beschäftigung als Jurist/Compliance-Beauftragter nicht zwingend von einem Rechtsanwalt ausgeübt werden müsse (Bescheid vom 21.10.2009 und Widerspruchsbescheid vom 10.3.2010).
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Das SG Karlsruhe hat die Klage abgewiesen, ohne die Entscheidung der Beklagten im Bescheid vom 10.12.2010, die Befreiung im Bescheid vom 25.11.2008 aufzuheben, gemäß § 96 SGG in das Klageverfahren einzubeziehen(Urteil vom 23.3.2011). Auf die Berufung des Klägers hat das LSG das erstinstanzliche Urteil vom 23.3.2011 sowie den Bescheid vom 21.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.3.2010 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Kläger für die Zeit vom 1.1.2010 bis zum 30.6.2012 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien (Urteil vom 19.2.2013): Der gegen Entgelt abhängig beschäftige und rentenversicherungspflichtige Kläger sei Pflichtmitglied der RAK und der Beigeladenen zu 1. Diese Pflichtmitgliedschaften bestünden auch "wegen der" Beschäftigung als Vorstandsreferent und Compliance-Beauftragter. Eine kausale Beziehung sei indes nicht erforderlich, weil § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI ansonsten - jedenfalls für Rechtsanwälte - weitgehend leer laufe. Die Auffassung, dass bei einer abhängigen Beschäftigung von Juristen mit der Befähigung zum Richteramt bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber (Unternehmensjuristen oder Syndikusanwälte) eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für die abhängige versicherungspflichtige Beschäftigung nur dann in Betracht komme, wenn es sich dabei um eine anwaltliche Tätigkeit handele, dh um die Ausübung einer dem Kammerberuf entsprechenden berufsspezifischen Tätigkeit, finde im Gesetz keine Stütze. Auch die sog "Vier-Kriterien-Theorie", wonach Syndikusanwälte nur befreit werden könnten, wenn ihre Tätigkeit die Rechtsberatung, -entscheidung, -gestaltung und -vermittlung umfasse, sei als Abgrenzungsformel ungeeignet. Vielmehr sei ein Befreiungsanspruch bereits dann gegeben, wenn die jeweilige Beschäftigung weder die Versagung oder Rücknahme der Rechtsanwaltszulassung noch ihren Widerruf rechtfertige (§ 7 Nr 8, § 14 Abs 1 und Abs 2 Nr 8 BRAO). Insoweit komme der Zulassungsentscheidung der RAK Tatbestandswirkung gegenüber dem Rentenversicherungsträger (und den Gerichten) zu.
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Dagegen hat die Beklagte die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts (§ 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI): Das LSG habe durch seinen personenbezogenen Ansatz weder den Wortlaut der Norm noch die Intention des Gesetzgebers rechtlich zutreffend gewürdigt. Nach dem Berufungsurteil seien alle Tätigkeiten eines Rechtsanwalts, die mit seiner Zulassung vereinbar seien, von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien, und zwar unabhängig davon, ob es sich überhaupt um juristisch-anwaltliche Tätigkeiten handele. Der erstmalige Befreiungsbescheid habe dann faktisch Dauerwirkung, die erst mit der Rücknahme oder dem Widerruf der Rechtsanwaltszulassung ende, sodass die Bescheidung weiterer Befreiungsanträge nutzlose Verwaltungsarbeit sei. Im Ergebnis würden der Solidargemeinschaft - in Abhängigkeit von der Zulassungspraxis der RAK - Rentenversicherungsbeiträge in erheblicher Höhe entzogen. Um dies zu verhindern, müsse der Rentenversicherungsträger den Zusammenhang zwischen der konkret ausgeübten anwaltlichen Beschäftigung bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber und den Pflichtmitgliedschaften in RAK und Versorgungswerk positiv feststellen. Dies sei der Fall, wenn die jeweilige Beschäftigung inhaltlich durch Merkmale einer anwaltlichen Tätigkeit gekennzeichnet sei und nur von Personen ausgeübt werden könne, die zum Richteramt befähigt seien. Darüber hinaus müsse die jeweilige Beschäftigung alle Merkmale der "Vier-Kriterien-Theorie" kumulativ erfüllen. Die Stellenausschreibung, auf die sich der Kläger beworben habe, spreche Absolventen der verschiedensten Fachrichtungen an, wobei weder ein juristisches Studium noch die Ablegung der zweiten juristischen Staatsprüfung Einstellungsvoraussetzung gewesen sei. Schon deshalb könne keine anwaltliche Tätigkeit vorliegen. Auch bei der Betätigung als Compliance-Beauftragter stünden rechtliche Fragen nicht im Mittelpunkt.
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Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19. Februar 2013 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. März 2011 zurückzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Als Vorstandsreferent und Compliance-Beauftragter habe er eine berufsspezifisch-anwaltliche Tätigkeit im Rahmen seiner Rechtsanwaltszulassung ausgeübt. Zur Vermeidung einer doppelten Beitragspflicht sei er daher gemäß § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht zu befreien. Die Doppelberufstheorie des BGH, die die Beklagte erwähne, und die Vier-Kriterien-Theorie, die sie heranziehe, seien rechts- bzw verfassungswidrig.
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Die Beigeladene zu 1., die keinen Antrag stellt, trägt vor, das Tatbestandsmerkmal "wegen" solle zum Ausdruck bringen, dass die ins Auge gefasste Beschäftigung in einem sachlichen Zusammenhang mit einer berufsspezifischen Anwaltstätigkeit stehen müsse, die durch Kammermitgliedschaft der besonderen berufsrechtlichen Überwachung und Qualitätssicherung unterliege. Es sei daher nach einer Kriterienformel zu suchen, mit deren Hilfe zwischen anwaltsspezifischer und -unspezifischer, anwaltlicher und nichtanwaltlicher Tätigkeit unterschieden werden könne. Dies leiste die sog "Vier-Kriterien-Theorie", die die Friedensgrenze zwischen gesetzlicher Rentenversicherung und berufsständischer Versorgung ziehe, sich in langjähriger Verwaltungspraxis bewährt habe und inhaltlich beschreibe, was das Berufsbild des Anwalts iS der §§ 1 bis 3 BRAO ausmache. Selbst die Beklagte wende die "Vier-Kriterien-Formel" an; sie sei weder durch eine zwischenzeitliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen überholt noch sei der "Syndikusanwalt" ein neuer Berufsstand. Ob die Tätigkeit des Klägers als anwaltliche Tätigkeit zu klassifizieren sei, könne nach den bisherigen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden. Die im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen wiesen stark in die Richtung, dass die vier Kriterien für eine Rechtsanwaltstätigkeit erfüllt seien. Am besten sei es jedoch, wenn die RAK - wie es das LSG befürworte - mit Bindungswirkung für das Befreiungsverfahren darüber entscheide, ob das Kammermitglied berufsspezifisch tätig sei.
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Die Beigeladene zu 2. beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Wie aus ihrer Stellen- und Funktionsbeschreibung sowie der Zeugenaussage ihres Vorstandsvorsitzenden hervorgehe, sei der Kläger bei ihr als Rechtsanwalt tätig, dem sie mit der unwiderruflichen Freistellungserklärung ihr besonderes Vertrauen ausgesprochen habe. Zudem habe sie im Befreiungsverfahren ausdrücklich bestätigt, dass eine anwaltliche Tätigkeit ausgeübt werde, wobei diese Einschätzung gemäß Art 12 GG in ihrem Ermessen stehe. § 6 SGB VI sei keine Ausnahmevorschrift, sondern eine Kollisions- bzw Konfliktlösungsnorm, für die es auf die konkrete berufsspezifische Tätigkeit ankomme, die den jeweiligen Antragsteller kammerpflichtig mache, was anhand der BRAO zu prüfen sei. Diese definiere aber keine Beschäftigung, "wegen der" eine Mitgliedschaft in einer RAK bestehe. Sozialversicherungsrechtlich sei die Doppelberufstheorie ebenso unbeachtlich wie die Frage, ob sich die Berufshaftpflicht auch auf die angestellte Tätigkeit beziehe. Stattdessen habe sich in der Rechtspraxis die "Vier-Kriterien-Theorie" durchgesetzt, wie aus der Liste entsprechender erstinstanzlicher Entscheidungen hervorgehe. Syndikusanwälte seien seit über 125 Jahren integraler Bestandteil der deutschen Anwaltschaft und deshalb keine "neue Berufsgruppe". Der Beklagten sei schließlich entgegenzuhalten, dass sie selbst die Tätigkeiten als Vorstandsreferent und auch im Compliancebereich in aller Regel als befreiungsfähig ansehe.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Beklagten ist begründet.
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Zu Unrecht hat das LSG auf die Berufung des Klägers das klageabweisende Urteil des SG vom 23.3.2011 sowie den Bescheid vom 21.10.2009 und den Widerspruchsbescheid vom 10.3.2010 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, ihn für seine Tätigkeit als Vorstandsreferent und Compliance-Beauftragter bei der Beigeladenen zu 2. im Zeitraum vom 1.1.2010 bis 30.6.2012 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien. Das Urteil des Berufungsgerichts vom 19.2.2013 verletzt Bundesrecht (§ 162 SGG). Dem Kläger steht kein Befreiungsrecht zu.
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Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI in der Neufassung von Art 1 Nr 3 Buchst a des Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (SGB6uaÄndG) vom 15.12.1995 (BGBl I 1824) in Betracht, der am 1.1.1996 in Kraft getreten und durch Art 1 Nr 2 des Gesetzes zur Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung (RVOrgG) vom 9.12.2004 (BGBl I 3242) ab dem 1.1.2005 (Art 86 Abs 1 aaO) geringfügig modifiziert worden ist. Danach werden von der Versicherungspflicht befreit Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn
a)
am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1.1.1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat,
b)
für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und
c)
aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist.
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1. Der Kläger war im streitbefangenen Zeitraum abhängig beschäftigt, weil die konstituierenden Merkmale des entsprechenden sozialrechtlichen Anknüpfungssachverhalts (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV) nach den unangefochtenen und damit bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) vorliegen. Hiernach erbrachte der Kläger bei der Beigeladenen zu 2. als Vorstandsreferent und Compliance-Beauftragter nichtselbständige Arbeit in einem Arbeitsverhältnis (§§ 611 ff BGB). Aufgrund der Bruttovergütung iH von monatlich 3681,00 Euro, die deutlich über der Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB VI iVm § 8 Abs 1 SGB IV) lag, war er auch (renten-)versicherungspflichtig (§ 1 S 1 Nr 1 Halbs 1 Alt 1 SGB VI).
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2. Der Kläger ist nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts ab dem 22.2.2008 durch die RAK K. zur Rechtsanwaltschaft zugelassen worden. Noch hinreichend deutlich ist damit vor dem Hintergrund von § 12 Abs 1, § 34 BRAO gleichzeitig festgestellt, dass am selben Tag der entsprechende (begünstigende) Verwaltungsakt(§ 35 S 1 VwVfG iVm § 32 Abs 1 S 1 BRAO), verkörpert in einer von der RAK ausgestellten Urkunde, durch Aushändigung wirksam geworden ist (§ 12 Abs 1 BRAO). Gemäß § 12 Abs 3 BRAO wurde der Kläger damit kraft gesetzlicher Verpflichtung (eo ipso) obligatorisches Pflichtmitglied der zulassenden RAK K. (§ 60 Abs 1 S 2 BRAO). Fehler im Zulassungsverfahren oder etwaige Verstöße gegen berufsrechtliche Pflichten lassen diese Pflichtmitgliedschaft unberührt. Der ua für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft als Handlungsform vorgeschriebene Verwaltungsakt (vgl BGH - Senat für Anwaltssachen - Beschluss vom 15.10.2012 - AnwZ (BrfG) 45/12 - NJW-RR 2013, 303, 304 RdNr 7) bleibt nach den damit einschlägigen allgemeinen Vorschriften des jeweiligen Verwaltungsverfahrensgesetzes (§§ 35 ff VwVfG) wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist (§ 43 Abs 2 VwVfG iVm § 32 Abs 1 S 1 BRAO). Das LSG hat derartige Aufhebungs- oder Erledigungstatbestände nicht festgestellt. Die rechtsgestaltenden Wirkungen des Zulassungsverwaltungsakts sind damit auch von den mit der Durchführung der Sozialversicherung betrauten Behörden und den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit in der Weise zu beachten, dass die dort getroffenen Regelungen auch ihnen gegenüber als verbindlich anzusehen sind (sog Tatbestandswirkung). Hiervon geht auch das Berufungsgericht aus.
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3. Das LSG hat zudem festgestellt, dass der Kläger zugleich "aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung seiner Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung)" geworden ist. Die Beigeladene zu 1. ist als Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg eine berufsständische Versorgungseinrichtung. Mit der Zulassung durch die RAK wurde der Kläger, der damals das 45. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, auf der Grundlage der einschlägigen versorgungs- und kammerrechtlichen Normen des nichtrevisiblen Landesrechts in § 5 Abs 2 des Gesetzes über das Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg (Rechtsanwaltsversorgungsgesetz - RAVG) vom 10.12.1984 iVm § 10 Abs 1 S 1, § 5 Abs 2 der Satzung der Beigeladenen zu 1. ipso iure (ohne Erlass eines weiteren Verwaltungs- oder eines anderen konstitutiven Rechtsakts) zeitgleich obligatorisches Pflichtmitglied der Beigeladenen zu 1. und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied der RAK K.
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4. § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI gibt indessen versicherungspflichtig Beschäftigten, die gleichzeitig verkammerte Mitglieder einer berufsständischen Versorgungseinrichtung sind, einen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht nur für die "Beschäftigung, wegen der" sie auf Grund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind. Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft erfolgt allerdings weder im Blick auf eine "Beschäftigung" noch auf einen bestimmten Kreis anwaltlicher Betätigungen. Vielmehr ist mit der statusbegründenden Zulassung stets der volle Umfang anwaltlicher Berufsausübung eröffnet, der damit auch zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung führt. Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wird nämlich unter den tatbestandlichen Voraussetzungen insbesondere der §§ 4 ff BRAO unabhängig von einer bestimmten Tätigkeit im Wesentlichen personenbezogen und ohne zusätzliche Beschränkung für alle Betätigungen erteilt, die mit dem Beruf des Rechtsanwalts als unabhängiges Organ der Rechtspflege(§ 1 BRAO) und als berufener unabhängiger Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten (§ 3 Abs 1 BRAO) verbunden sind. Im Blick hierauf könnten bei einem strikt Wortlaut getreuen Normverständnis die tatbestandlichen Befreiungsvoraussetzungen bei Rechtsanwälten zumindest grundsätzlich nicht erfüllt werden, worauf auch das LSG hinweist. Die rentenrechtliche Funktion des § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI erlaubt und fordert deshalb zwingend ein den Gegebenheiten des anwaltlichen Berufs- und Versorgungsrechts angepasstes Verständnis des Tatbestandselements derselben Beschäftigung ("… für die Beschäftigung, wegen der …"), wenn und soweit es gerade in diesem Kontext Anwendung findet. Diese auch in der Literatur erörterten Schwierigkeiten schließen indessen die Anwendbarkeit nicht grundsätzlich aus. Im vorliegenden Zusammenhang kann unter "derselben Beschäftigung" iS der Norm die "von der Beschäftigung erfasste Erwerbstätigkeit" verstanden werden.
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§ 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI betrifft die Koexistenz von jeweils aufgrund öffentlich-rechtlichen Zwangs angeordneten Versorgungen für die Fälle von verminderter Erwerbsfähigkeit, Alter und Tod(sog "doppelte Pflichtmitgliedschaft", Prossliner, NZA 2013, 1384, 1389). Er überlässt es dem hiernach gesetzlich Ermächtigten, es nach jeweils eigener Willensentscheidung entweder durch Untätigkeit bei der Parallelität als gesetzlich stillschweigend angelegtem Regelfall zu belassen oder unter den gesetzlich im Einzelnen bestimmten Voraussetzungen durch einen hierauf gerichteten materiell-rechtlichen Antrag (§ 6 Abs 2 SGB VI) sein Recht auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unter Verbleib in der berufsständischen Versorgungseinrichtung geltend zu machen. Mit einem Gebrauchmachen von der gesetzlich eröffneten positiven Gestaltungsmöglichkeit kann im Ergebnis eine Doppelbelastung mit Beiträgen und eine mehrfache Absicherung vergleichbarer Risiken vermieden werden. Das Verständnis von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI hat sich an dieser systemübergreifenden Koordinierungsfunktion zu orientieren und darf daher nicht bereits die Schnittmenge beider Bereiche allein nach Kriterien der gesetzlichen Rentenversicherung ("Beschäftigung") bestimmen, die für die Zugehörigkeit zu den berufsständischen Versorgungseinrichtungen grundsätzlich ohne Bedeutung sind.
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Maßgeblich für die Einbeziehung in die berufsständische Versorgung ist grundsätzlich nämlich weder die inhaltliche Beschränkung auf einzelne Verrichtungen innerhalb eines Berufsbildes noch die Form von deren Erbringung in persönlicher Abhängigkeit von einem Arbeitgeber, sondern der durch Zulassungsakt eröffnete Zugang zu einer Berufstätigkeit in ihrer Gesamtheit. Beide Sicherungsformen (gesetzliche Rentenversicherung und berufsständische Versorgung) stimmen jedoch - als Minus gegenüber der "Beschäftigung", die § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI auf beide Sicherungssysteme anzuwenden scheint - jedenfalls darin überein, dass sie inhaltlich jeweils an die Ausübung einer Erwerbstätigkeit anknüpfen und Schutz gegen die wirtschaftlichen Folgen gerade hiermit verbundener Risiken gewährleisten. Kommt daher in Betracht, dass ein und dieselbe Erwerbstätigkeit zur Versicherungspflicht in beiden Sicherungssystemen führt, ist bereits damit der Anwendungsbereich von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI eröffnet und eine weitergehende Prüfung veranlasst.
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5. Der Kläger erfüllt indessen auch die Voraussetzungen der in dieser Weise modifiziert verstandenen Norm nicht. Seine Erwerbstätigkeit bei der Beigeladenen zu 2. kann dem Berufsfeld der Rechtsanwältin/des Rechtsanwalts von vornherein nicht zugeordnet werden. Denn die anwaltliche Berufsausübung ist in der äußeren Form der Beschäftigung nicht möglich. Umgekehrt bedarf es mangels Tätigkeit in einer konkreten fremden Angelegenheit für die Erbringung von Rechtsdienstleistungen gegenüber einem Arbeitgeber keiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft (§ 2 Abs 1, § 3 des Gesetzes über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen - RDG). Die im Rahmen der Beschäftigung erbrachte Erwerbstätigkeit ist damit für seine Mitgliedschaft bei der Beigeladenen zu 1. und die hierdurch parallel zur gesetzlichen Rentenversicherung begründete öffentlich-rechtliche Sicherung ohne Bedeutung, sodass es bereits deshalb an der Grundvoraussetzung von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI fehlt und sich eine weitergehende inhaltliche Prüfung erübrigt. Der erkennende Senat kann dies ungeachtet der Tatbestandswirkung der Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts nach dem einschlägigen Bundesrecht selbst abschließend beurteilen. Entsprechende statusbegründende Verwaltungsakte umfassen ihrem Regelungsgehalt nach nicht die Zuordnung einzelner Tätigkeiten und sind insofern im konkreten Zusammenhang notwendig der eigenständigen Auslegung und Anwendung bedürftig.
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Die angegriffenen Verwaltungsakte sind bereits deshalb rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Auf das Fehlen von Feststellungen des LSG zu den Voraussetzungen von § 6 Abs 3 Nr 1 SGB VI und auf die rechtliche Bedeutung der dort als Voraussetzung einer Entscheidung der Beklagten über die Befreiung geforderten Bestätigung des "Vorliegens der Voraussetzungen" kommt es unter diesen Umständen vorliegend nicht an(vgl hierzu BSG vom 31.10.2012 - B 12 R 3/11 R - BSGE 112, 108 = SozR 4-2600 § 6 Nr 9, RdNr 36).
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Die scheinbare Unvereinbarkeit von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI mit "kammerrechtlichen Normen" erlaubt es nicht, seinen Wortlaut weitergehend hintanzustellen. Eines systemübergreifenden Verständnisses der Vorschrift bedarf es allein, wenn und soweit das Gesetz notwendig einen identischen Ausgangssachverhalt ("dieselbe Beschäftigung" im Sinne einer potenziell doppelrelevanten Erwerbstätigkeit) erfordert. Kommt es dagegen auf die Voraussetzungen der sich aus dieser Erwerbstätigkeit ergebenden Versicherungspflicht nach dem spezifischen Binnenrecht der jeweiligen Sicherungsform an, beruht die Anwendbarkeit von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI nicht etwa auf der Erfüllung eines einzigen, sondern auf dem kumulativen Vorliegen mehrerer einschlägiger und gesondert zu prüfender Tatbestände. Aus der Sicht der gesetzlichen Rentenversicherung kann daher ua nicht darauf verzichtet werden, dass die konkret in Frage stehende Erwerbstätigkeit gerade in der äußeren Form einer Beschäftigung (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV) ausgeübt werden kann und andererseits gleichzeitig zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung führt. Eine lediglich inhaltliche Überschneidung der in den zu koordinierenden Systemen erfassten Erwerbstätigkeit genügt daher nicht. Sie ist zwar stets notwendig, doch ist sie ggf rechtlich - wie in Fällen der vorliegenden Art - nicht hinreichend. Andernfalls würde im Wege der "Auslegung" das funktionell unverzichtbare Erfordernis der Doppelrelevanz einer Erwerbstätigkeit aufgegeben und damit der tatbestandliche Anwendungsbereich von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI überhaupt verlassen. Prüfungstechnisch erübrigt sich jedes Eingehen auf inhaltliche Aspekte einer in Frage stehenden Erwerbstätigkeit, wenn bereits aufgrund ihrer äußeren Form ausscheidet, dass sie mehrfach Versicherungspflicht begründen könnte.
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Der Senat legt seiner Beurteilung der sozialrechtlichen (Vor-)Frage, ob eine Erwerbstätigkeit dem Bereich anwaltlicher Berufstätigkeit zugeordnet werden kann, obwohl sie im Rahmen einer Beschäftigung einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber geschuldet ist, die ständige übereinstimmende Rechtsprechung des für das Berufsrecht der Rechtsanwälte zuständigen BGH, des BVerfG und des EuGH zugrunde. Er sieht auch nach eigener Prüfung keinen Rechtsgrund, hiervon abzuweichen, was grundsätzlich ohnehin erst nach Vorlage an den EuGH (Art 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV), das BVerfG (Art 100 Abs 1 GG) und/oder durch Vorlage an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes (§ 11 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes - RsprEinhG) möglich gewesen wäre. Es fällt auf, dass sich die Revisionserwiderung des anwaltlich vertretenen und seinerseits zur Rechtsanwaltschaft zugelassenen Klägers mit diesem überkommenen und gefestigten Bestand des anwaltlichen Berufsrechts allenfalls am Rande befasst und lediglich behauptet, die sog Doppelberufstheorie sei verfassungswidrig, ohne dies jedoch unter Benennung einer angeblich verletzten Verfassungsnorm auch nur ansatzweise zu begründen. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Rechtsprechung des BGH, dessen Senat für Anwaltssachen neben dem Präsidenten des BGH sowie zwei Mitgliedern des BGH gerade aus Gründen der berufsspezifischen Sachkunde mit zwei Rechtsanwälten als Beisitzern besetzt ist (§ 106 Abs 2 S 1 BRAO).
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Ungeachtet des Fehlens einer ausdrücklichen gesetzlichen Umschreibung ist zunächst der rechtliche Sprachgebrauch in der ständigen Rechtsprechung insbesondere des Senats für Anwaltssachen des BGH, dem sich der erkennende Senat auch insofern anschließt, geklärt. Hiernach ist unter einem "Syndikus" derjenige zu verstehen, der als ständiger Rechtsberater in einem festen Dienst- oder Anstellungsverhältnis bei einem bestimmten Arbeitgeber steht. Der "Syndikusanwalt" ist gleichzeitig als Rechtsanwalt zugelassen (vgl exemplarisch BGH Urteil vom 25.2.1999 - IX ZR 384/97 - BGHZ 141, 69, 71 mit Hinweis auf BT-Drucks III/120 S 77 und Beschluss vom 7.2.2011 - AnwZ (B) 20/10 - NJW 2011, 1517, 1518 RdNr 6).
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Inhaltlich entnimmt der BGH dem in §§ 1 bis 3 BRAO normierten Tätigkeitsbild des Rechtsanwalts in "gefestigter Rechtsprechung" und unter Berufung auf die Gesetzesmaterialien, dass der Syndikus in dieser Eigenschaft nicht als Rechtsanwalt tätig ist. Bereits in der Entscheidung vom 7.11.1960 (AnwZ (B) 4/60 - BGHZ 33, 276, 279 f) heißt es insofern:
"Der Syndikusanwalt hat eine Doppelstellung inne: Er ist einerseits Angestellter und andererseits Rechtsanwalt. Soweit es um das Anstellungsverhältnis geht, kann er allerdings seine Eigenschaft als Rechtsanwalt nicht abstreifen, aber diese Eigenschaft ändert nichts daran, daß das Arbeitsverhältnis von dem Prinzip der Über- und Unterordnung beherrscht wird. Die Bundesrechtsanwaltsordnung vermochte nicht in bestehende Arbeitsverträge einzugreifen und schreibt auch für nach ihrem Erlaß abgeschlossene Verträge keinen neuen Arbeitsvertragstypus vor, der den Syndikusanwalt und seinen Dienstherrn etwa gleichgeordnet stellt. Wenn man, wie das die Bundesrechtsanwaltsordnung getan hat, die Institution des Syndikusanwalts bejaht, muß man auch dem gerecht werden, daß der Syndikusanwalt zwei Arbeitsbereiche hat, nämlich einen arbeitsvertraglich gebundenen und einen als freier Anwalt. Die Amtliche Begründung (zu § 59 S. 77) sagt ganz mit Recht: `Der Syndikusanwalt entspricht bei seiner Tätigkeit als Syndikus für seinen Dienstherrn nicht dem allgemeinen anwaltlichen Berufsbild, wie es in der Vorstellung der Allgemeinheit besteht. In das Berufsbild des Anwalts, das sich von ihm als einem unabhängigen Organ der Rechtspflege geformt hat, läßt sich nur die Tätigkeit einfügen, die der Syndikus als Anwalt außerhalb seines Dienstverhältnisses ausübt. Dagegen sind bei der Tätigkeit, die er als Syndikus für seinen Dienstherrn leistet, die typischen Wesensmerkmale der freien Berufsausübung, die das Bild des Anwalts bestimmen, nicht gegeben´."
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Hieran wird im Rahmen einer kontinuierlichen Verweisungskette bis heute festgehalten (vgl exemplarisch BGH Beschluss vom 25.4.1988 - AnwZ (B) 2/88 - BRAK-Mitt 1988, 271 f; Urteil vom 25.2.1999 - IX ZR 384/97 - BGHZ 141, 69, 71; Beschluss vom 13.3.2000 - AnwZ (B) 25/99 - NJW 2000, 1645; Beschluss vom 18.6.2001 - AnwZ (B) 41/00 - NJW 2001, 3130; Beschluss vom 4.11.2009 - AnwZ (B) 16/09 - NJW 2010, 377, 379 RdNr 17, insofern in BGHZ 183, 73 ff nicht abgedruckt; Beschluss vom 7.2.2011 - AnwZ (B) 20/10 - NJW 2011, 1517, 1518 RdNr 6; ebenso BAG Beschluss vom 19.3.1996 - 2 AZB 36/95 - BAGE 82, 239, 241). Im genannten Beschluss vom 7.2.2011 formuliert der BGH - unter ausdrücklicher Erweiterung dieser Rechtsprechung auf das Berufsbild des europäischen Rechtsanwalts (§ 2 Abs 1 EuRAG) - aktuell wie folgt:
"Nach gefestigter Rechtsprechung zu dem Tätigkeitsbild des Rechtsanwalts nach der Bundesrechtsanwaltsordnung wird derjenige, der als ständiger Rechtsberater in einem festen Dienst- oder Anstellungsverhältnis zu einem bestimmten Arbeitgeber steht (Syndikus), in dieser Eigenschaft nicht als Rechtsanwalt tätig (BVerfGE 87, 287; BGH, Beschluss vom 18. Juni 2001 - AnwZ (B) 41/00, NJW 2001, 3130; Beschluss vom 4. November 2009 - AnwZ (B) 16/09, NJW 2010, 377 Rn. 17). Die mit dem Dienst- oder Anstellungsverhältnis verbundenen Bindungen und Abhängigkeiten stehen nicht im Einklang mit dem in §§ 1 bis 3 BRAO normierten Berufsbild des Rechtsanwalts als freiem und unabhängigem Berater und Vertreter aller Rechtsuchenden. …"
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In Übereinstimmung hiermit zitiert das BVerfG (Beschluss vom 4.11.1992 - 1 BvR 79/85 ua - BVerfGE 87, 287, 294 f) aus der BT-Drucks III/120, S 56 f:
"Bei der Prüfung im Einzelfall wird der Maßstab anzulegen sein, der sich aus dem allgemeinen Berufsbild des Rechtsanwalts ergibt. Der Rechtsanwalt muß als solcher in der Beratung und Vertretung unabhängig und objektiv sein. Will der Bewerber z.B. eine Tätigkeit beibehalten, die seine ganze Arbeitskraft in Anspruch nimmt und in der er streng an fremde Weisungen gebunden ist, so bleibt für eine Ausübung des Berufes als Anwalt, an den sich jeder Rechtsuchende wenden könnte, kein Raum mehr. Die Berufsbezeichnung Rechtsanwalt würde in einem solchem Fall zu einem inhaltsleeren Titel werden. - Unter ähnlichen Gesichtspunkten lassen sich die Grenzen für den sogen. Syndikusanwalt bestimmen, der in einem Dienst- oder Anstellungsverhältnis zu einem bestimmten Arbeitgeber steht. Zwar wird ein Bewerber, der Syndikus und Rechtsanwalt zugleich sein will, in seiner Eigenschaft als S y n d i k u s eine juristische Tätigkeit ausüben, wenn er seinem Arbeitgeber in Rechtsangelegenheiten Rat und Beistand gewährt; diese Tätigkeit kann, rein fachlich betrachtet, der beratenden Tätigkeit eines Rechtsanwalts durchaus entsprechen; seine Stellung als Syndikus mag auch so bedeutend sein, daß er seinem Arbeitgeber gegenüber selbständig und eigenverantwortlich zu handeln vermag. Jedoch würde eine ausschließliche Tätigkeit für ein Unternehmen nicht dem Bild entsprechen, das bei dem Beruf des Rechtsanwalts, von der Allgemeinheit der Rechtsuchenden her gesehen, in seiner Stellung innerhalb der Rechtspflege gegeben sein muß. Das Berufsbild des Rechtsanwalts kann nur dann vorhanden sein, wenn der Syndikus rechtlich und tatsächlich in der Lage ist, neben seiner Tätigkeit in dem Unternehmen Rechtsuchende als freier Anwalt zu beraten und zu vertreten. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, so wäre einem Bewerber die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu versagen. … "
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Damit ist insbesondere geklärt, dass ungeachtet im Einzelfall arbeitsrechtlich eröffneter Möglichkeiten, auch gegenüber dem Arbeitgeber sachlich selbständig und eigenverantwortlich zu handeln, allein die Eingliederung in die von diesem vorgegebene Arbeitsorganisation mit dem Berufsbild des Rechtsanwalts unvereinbar ist. Das für die Zulassung unverzichtbare Berufsbild des Rechtsanwalts kann sich damit nur daraus ergeben, dass der Syndikus rechtlich und tatsächlich in der Lage ist, neben (!) seiner Tätigkeit im Unternehmen Rechtsuchende als freier Anwalt zu beraten und zu vertreten. Der Syndikusanwalt ist Rechtsanwalt, nicht weil er Syndikus ist, sondern weil er sich aufgrund einer nur deshalb zu erteilenden Zulassung unabhängig hiervon und daneben gesondert als Rechtsanwalt betätigt. Beide Tätigkeiten sind grundsätzlich getrennt zu betrachten (vgl BGH Beschluss vom 22.3.1999 - PatAnwZ 10/98 - EBE/BGH 1999, 150 f, zum Erfordernis einer mindestens halbjährigen Tätigkeit "bei einem Patentanwalt", das nur dann erfüllt ist, wenn der Antragsteller auf dem Gebiet eines Patentanwalts tätig geworden ist und nicht lediglich im Rahmen eines "Beschäftigungsverhältnisses in einem Unternehmen" bei einem dort ebenfalls angestellten Syndikusanwalt). Soweit der BGH hinsichtlich der Voraussetzungen für den Erwerb von Fachanwaltsbezeichnungen in begrenztem Umfang Ausnahmen zulässt (vgl BGH Beschluss vom 4.11.2009 - AnwZ (B) 16/09 - NJW 2010, 377, 379 RdNr 17 mwN, insofern in BGHZ 183, 73 nicht abgedruckt; vgl zur Verfassungsmäßigkeit des Vorgehens der Fachgerichte, wenn sie Nachweise des Bewerbers über die in seiner Eigenschaft als Syndikusanwalt betreuten Fälle als nicht ausreichend bewerten, BVerfG Beschluss vom 20.3.2007 - 1 BvR 142/07 - NJW 2007, 1945), ist dies für den vorliegenden Zusammenhang erkennbar ohne Bedeutung; im Übrigen sieht der BGH hierdurch seine sonstige Rechtsprechung ausdrücklich als nicht betroffen an.
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Die Rechtsprechung des BGH wird durch die Materialien zum Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte (BT-Drucks 12/4993) bestätigt. Der Rechtsausschuss (6. Ausschuss) vermerkt in der Drucks 12/7656 (Beschlussempfehlung und Bericht) auf S 49 zu Nummer 18a (§ 46 BRAO):
"… Nicht aufgegriffen hat der Ausschuß den in der Anhörung am 1. Dezember 1993 von Vertretern der Syndikusanwälte im Deutschen Anwaltverein vorgebrachten Vorschlag, durch eine Änderung des § 46 BRAO dem Syndikusanwalt einzuräumen, daß er auch im Angestelltenverhältnis als Anwalt tätig wird.
Eine solche Änderung hätte zur Folge gehabt, daß der Syndikusanwalt, der jetzt im Nebenberuf Rechtsanwalt ist und im Hauptberuf als Angestellter seinen Arbeitgeber in rechtlichen Angelegenheiten berät, auch in seiner Eigenschaft als rechtlicher Berater seines Arbeitgebers Rechtsanwalt mit allen Rechten und Pflichten ist. Der Ausschuß ist in seinen Beratungen zu dem Ergebnis gekommen, daß das in den §§ 1 bis 3 BRAO normierte Berufsbild des Rechtsanwalts, wie es sich auch in der Allgemeinheit von ihm als unabhängigem Organ der Rechtspflege gebildet hat, mit der Tätigkeit unvereinbar ist, wenn der Syndikus im Rahmen seines Dienstverhältnisses als Anwalt auftritt. Bei der Tätigkeit, die der Syndikus für seinen Dienstherrn leistet, sind dann, wenn der Syndikus persönlich mit der Materie des Einzelfalls befaßt gewesen ist, die durch das Gesetz der freien Advokatur gekennzeichneten typischen Wesensmerkmale der freien Berufsausübung, die das Bild des Rechtsanwalts bestimmen, nicht gegeben. Seine freie und unreglementierte Selbstbestimmung wäre im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses, in dem er grundsätzlich dem Prinzip der Über- und Unterordnung unterliegt, nicht gewährleistet. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. November 1992 zum anwaltlichen Zweitberuf (1 BvR 79/85 u. a.) spricht zwar einerseits für eine weitgehende Öffnung zum Zweitberuf, wenn durch Berufsausübungsregelungen die Gefahr von Interessenkollisionen vermieden wird. Das Gericht hat in diesem Zusammenhang aber auch erneut die Gemeinschaftsgüter der Stellung des Rechtsanwalts als unabhängiges Rechtspflegeorgan und der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege anerkannt. Beides steht nach der einhelligen Auffassung des Ausschusses einer Änderung des § 46 BRAO in dem gewünschten Sinn entgegen."
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Ebenso hat schließlich der EuGH (Urteil vom 14.9.2010 - C-550/07 P - NJW 2010, 3557) entschieden, dass die Kommunikation zwischen Mandant und Rechtsanwalt einer gemeinsamen Tradition der Mitgliedsstaaten entsprechend nur für Schriftwechsel gilt, der von "unabhängigen Rechtsanwälten" ausgeht, dh von Anwälten, die nicht durch einen Dienstvertrag an den Mandanten gebunden sind.
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6. Die gegen dieses Ergebnis vorgebrachten Einwände greifen nicht durch.
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a) Ungeachtet möglicher inhaltlicher Übereinstimmungen kommt für das Deckungsverhältnis der gesetzlichen Rentenversicherung nicht in Betracht, abhängige Beschäftigung und eine daneben ausgeübte selbständige Tätigkeit als Rechtsanwalt im Sinne einer einheitlichen Betrachtung "zusammenzuziehen". Die isolierte Fragestellung, ob eine anwaltliche Tätigkeit in Gestalt einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt werden kann und damit grundsätzlich eine Befreiungsmöglichkeit eröffnet ist, würde damit gerade verlassen. Die beiden (einzigen) Formen der Ausübung einer Erwerbstätigkeit, die selbständige Tätigkeit und die abhängige Beschäftigung, schließen sich im Übrigen wechselseitig aus. Wo - wie vorliegend - die Befreiung von der Versicherungspflicht aufgrund einer abhängigen Beschäftigung in Frage steht, können Gesichtspunkte der selbständigen Erwerbstätigkeit keine Rolle spielen. Es entspricht daher ständiger Rechtsprechung des BSG im Rentenversicherungsrecht, dass, wenn nebeneinander verschiedene rentenversicherungsrechtlich bedeutsame Sachverhalte vorliegen, das Bestehen von Versicherungspflicht (oder Versicherungsfreiheit bzw Versicherungsbefreiung) hinsichtlich des einen Sachverhalts grundsätzlich keine Wirkung für den anderen Sachverhalt hat, jeder Sachverhalt mithin, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, selbständig zu beurteilen ist und es deshalb zulässigerweise zu Mehrfachversicherungen und mehrfacher Beitragspflicht kommen kann (vgl BSG Urteile vom 4.11.2009 - B 12 R 7/08 R - SozR 4-2600 § 2 Nr 13 RdNr 19 mit Hinweis auf die Rechtslage bereits vor Inkrafttreten des SGB VI, vom 13.9.1979 - 12 RK 26/77 - BSGE 49, 38, 39 f = SozR 2200 § 1227 Nr 29 S 67, 68 f, mwN und vom 2.6.1982 - 12 RK 66/80 - SozR 5800 § 2 Nr 3; s auch - hieran anknüpfend - die Begründung zum Entwurf eines Rentenreformgesetzes 1992, BT-Drucks 11/4124 S 148).
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b) Rechtlich ist auch unerheblich, ob die in Frage stehende Beschäftigung inhaltlich "Elemente" der anwaltlichen Berufstätigkeit aufweist. § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI fordert - wie dargelegt - nach Normwortlaut und Funktion stets zusätzlich, dass die Tätigkeit, die zur Versicherungspflicht bei der berufsständischen Versorgungseinrichtung führt, gleichzeitig in der Form der Beschäftigung ausgeübt wird und Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet. Ist dies - wie vorliegend für eine Tätigkeit als Rechtsanwalt bei einem nicht dem Standesrecht unterworfenen Arbeitgeber - von vornherein ausgeschlossen, sind mögliche Sachbezüge der ausgeübten Erwerbstätigkeit zum Berufsbild des Rechtsanwalts ohne rechtliche Bedeutung. Ihr Vorliegen könnte nicht mehr zu einem Lebenssachverhalt führen, der die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI in vollem Umfang erfüllt.
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Die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI können auch nicht dadurch umgangen werden, dass ein innerer (sachlicher) Zusammenhang der behaupteten Art "theorie-"gestützt begründet wird. Was für den inneren Zusammenhang als solchen gilt, betrifft notwendig auch alle zum Beleg seines Vorliegens benannten Einzelkriterien und "Kriterienformeln", damit auch die sog Vier-Kriterien-Theorie ("rechtsberatend, rechtsvermittelnd, rechtsentscheidend, rechtsgestaltend") und jedes ihrer Elemente. Erst recht fehlt es an jeder Rechtsgrundlage, die "Vier-Kriterien-Theorie" an Stelle des gesetzlichen Tatbestands der Rechtsanwendung zugrunde zu legen und damit die Rechtsfolge des § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI mit der vorliegend in Frage stehenden Fallgruppe zu verbinden, für die sie der hierzu einzig berufene Gesetzgeber gerade nicht vorgesehen hat. Unterschiedliche Absicherungen in unterschiedlichen Systemen sind Konsequenz des Umstandes, dass synchron und diachron eine Vielzahl von Erwerbstätigkeiten betrieben werden kann, und deren hieran anknüpfende Absicherung nicht ihrerseits im Sinne eines einheitlichen Gesamtkonzepts durch zwingendes Recht koordiniert ist. Es gibt deshalb auch keinen Rechtssatz des Inhalts, dass stets nur die Zugehörigkeit zu einem einzigen Sicherungssystem in Betracht kommen könnte oder es ungeachtet einer Änderung der hierfür rechtlich maßgeblichen Umstände stets bei der einmal begründeten Zuständigkeit eines Systems zu verbleiben habe. Nur soweit der Gesetzgeber hierfür im Einzelfall Anlass gesehen hat und im Anwendungsbereich der jeweiligen Koordinierungsregelung, kann hiervon ausnahmsweise abgesehen werden. Auch insofern bedarf es schließlich keines näheren Eingehens auf den Theorie-Charakter der "Vier-Kriterien-Theorie" im Sinne der Wissenschaftstheorie bzw einer wissenschaftlich betriebenen Jurisprudenz.
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c) Die gesetzlich geforderte positive Feststellung, dass dieselbe Erwerbstätigkeit, die die Mitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung begründet hat, wegen ihrer Ausübung in der Form der Beschäftigung zugleich Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet, kann entgegen der Ansicht des LSG nicht durch diejenige ersetzt werden, dass die in der Form der Beschäftigung ausgeübte Erwerbstätigkeit der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nicht ursprünglich oder nachträglich entgegensteht. Zwar stellt sich aus der Sicht der allein auf einer arbeitsrechtlichen Nebentätigkeit gründenden Zulassung zur Rechtsanwaltschaft umgekehrt die Frage, ob eine daneben ausgeübte Tätigkeit mit dem Anwaltsberuf vereinbar ist und daher ihrer Erteilung nicht entgegensteht (§ 7 Nr 8 BRAO)bzw ihren Widerruf nicht fordert (§ 14 Abs 2 Nr 8 BRAO). Indessen ist die hierzu vorliegend umfangreiche - und seit dem Beschluss des BVerfG vom 4.11.1992 (1 BvR 79/85 ua - BVerfGE 87, 287) im Sinne der Liberalisierung nachhaltig geänderte - Rechtsprechung soweit ersichtlich zu keinem Zeitpunkt - selbstwidersprüchlich - auf den Gedanken gekommen, dass eine Unvereinbarkeit schon deshalb nicht vorliegen könnte, weil es sich bei der im Rahmen einer Beschäftigung ausgeübten Tätigkeit um einen genuinen Teil des anwaltlichen Berufsbildes handeln könnte. Die oft zitierte Beschäftigung als Taxi-Fahrer steht der anwaltlichen Berufsausübung nicht entgegen, gehört ihr aber evident nicht zu. Dasselbe gilt insbesondere für den Inhalt solcher Beschäftigungen, die Rechtsberatung gegenüber dritten Personen (vgl BGH Beschlüsse vom 3.3.1986 - AnwZ (B) 1/86 - BGHZ 97, 204, 206 und vom 19.6.1995 - AnwZ (B) 4/95 - NJW-RR 1995, 1083, 1084 und die Nachweise bei BGH Beschluss vom 27.5.1991 - AnwZ (B) 4/91 - NJW 1991, 2289) oder die juristische Sachbearbeitung bei einer Rechtsschutzversicherung (BGH Beschluss vom 21.11.1994 - AnwZ (B) 44/94 - NJW 1995, 1031) zum Inhalt haben. Die Vereinbarkeit von Anwaltsberuf und daneben ausgeübter Tätigkeit ist damit zwar notwendig, weil andernfalls eine Zulassung zur Anwaltschaft nicht erfolgen könnte, zur Begründung der für die Anwendung von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI notwendig erforderlichen Doppelrelevanz aber nicht hinreichend. Auch alle sonst von § 7 Nr 8, § 14 Abs 1, Abs 2 Nr 8 BRAO erfassten Tätigkeiten sind gerade solche außerhalb des anwaltlichen Berufsfelds in einem Zweitberuf(vgl exemplarisch BGH vom 19.6.1995 - AnwZ (B) 4/95 - NJW-RR 1995, 1083, 1084).
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d) Hinweise für eine fehlende Anwendbarkeit von § 46 BRAO auf Fälle der vorliegenden Art fehlen vollständig. Die Vorschrift gehört zu den Berufsausübungsregelungen, die als gegenüber Berufszugangsregelungen (Art 12 Abs 1 GG) der vorstehend erörterten Art weniger schwer wiegender Eingriff das Verhältnis der durch Zulassung eröffneten anwaltlichen Berufstätigkeit zu einer daneben ausgeübten Beschäftigung betreffen. Insofern begründet § 46 BRAO besondere Berufspflichten der Syndikusanwälte und bestätigt im Rückschluss gleichzeitig, dass die Ausübung einer abhängigen Beschäftigung der Rechtsstellung eines unabhängigen Organs der Rechtspflege selbst dann nicht von vornherein entgegensteht, wenn sie anwaltlichen Standespflichten nicht unterworfen und die Arbeitszeit und Arbeitskraft überwiegend in Anspruch nimmt(vgl BVerfG Beschluss vom 4.11.1992 - 1 BvR 79/85 ua - BVerfGE 87, 287, 297; zur fehlenden Anwendbarkeit von § 46 BRAO bei einem angestellten Rechtsanwalt, der unabhängig und weisungsfrei Mandate bearbeitet, die sein Arbeitgeber oder Dienstherr übernommen hat s im Übrigen BGH Beschluss vom 6.3.2006 - AnwZ (B) 37/05 - BGHZ 166, 299 und BGH Beschluss vom 4.11.2009 - AnwZ (B) 16/09 - NJW 2010, 377, 379 RdNr 17 insofern in BGHZ 183, 73 nicht abgedruckt). Auch insofern geht es jedoch stets um die Abgrenzung verschiedener rechtsberatender und -besorgender Tätigkeiten (vgl BGH Beschluss vom 19.6.1995 - AnwZ (B) 4/95 - NJW-RR 1995, 1083, 1084) und insbesondere um die Unterscheidung zwischen dem weisungsfreien, unabhängigen Rechtsanwalt und dem Syndikusanwalt, der im Rahmen eines ständigen Dienst- oder ähnlichen Beschäftigungsverhältnisses seine Arbeitszeit und Arbeitskraft zur Verfügung stellen muss (BGH Urteil vom 25.2.1999 - IX ZR 384/97 - BGHZ 141, 69; BGH Beschlüsse vom 18.6.2001 - AnwZ (B) 41/00 - NJW 2001, 3130 und vom 7.2.2011 - AnwZ (B) 20/10 - NJW 2011, 1517, 1520 RdNr 27; Anwaltsgerichtshof Hamburg Beschluss vom 3.9.2002 - II ZU 11/01 - BRAK-Mitt 2002, 283).
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e) Der mit der verbreiteten Bezeichnung "Doppelberufstheorie" bezeichnete rechtliche Umstand gibt unter diesen Umständen der Sache nach die von BGH, BAG, BVerfG und EuGH übereinstimmend gegebene und fortlaufend bestätigte negative Antwort auf die Rechtsfrage wieder, ob der Syndikusanwalt auch in seiner abhängigen Beschäftigung als Rechtsanwalt anzusehen ist. Soweit mit der Wortwahl eine geringere Verbindlichkeit im Sinne einer interpretativen "Kleintheorie" (vgl zur Klassifikation in Anlehnung an Ralf Dreier Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Aufl, Köln/München 2008, S 163, 165) behauptet werden soll, steht dem "die fundamentale objektive Bedeutung der seit einem Jahrhundert durchgesetzten freien Advokatur" (BVerfG Beschluss vom 8.3.1983 - 1 BvR 1078/80 - BVerfGE 63, 266, 282) und das Gewicht einer über Jahrzehnte fortgeführten einhelligen Auffassung der Rechtsprechung und von deren Bindungswirkung entgegen, die ein formloses Abweichen zugunsten eines anderen gedanklichen Konstrukts zumindest nicht ohne Weiteres erlauben. Weder wird mit einem derartigen Verständnis der BRAO ein "einheitlicher Beruf künstlich aufgespalten" noch existieren nachvollziehbare Hinweise auf eine "Aufweichung" oder "Aufhebung" des mit der Bezeichnung "Doppelberufs- oder Zweitberufstheorie" benannten rechtlichen Sachverhalts.
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f) § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI ist als abschließende Ausnahmeregelung einer weiten, erweiternden oder analogen Anwendung weder bedürftig noch fähig. Der Kläger gehört als abhängig Beschäftigter iS von § 7 Abs 1 S 1 SGB IV zum Kernbereich der typisiert Schutzbedürftigen und deshalb grundsätzlich in allen Zweigen der Sozialversicherung(vgl § 2 Abs 2 Nr 1 SGB IV) und insbesondere in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 1 S 1 Nr 1 Halbs 1 SGB VI) Zwangsversicherten. Diese einfachgesetzliche Leitentscheidung wird für den Personenkreis, dem der Kläger zugehört, auch nicht unmittelbar spezialgesetzlich modifiziert oder revoziert. Umstände, die - ihrerseits typisierend - trotz Ausübung einer Beschäftigung der Annahme der Schutzbedürftigkeit entgegenstehen und daher Anlass zu einer Tatbestandsreduktion geben könnten, sind gesetzlich nicht umschrieben. Die gesetzlichen Voraussetzungen einer Tatbestandsreduktion, die Anlass gegeben hätten, von vornherein von der Anordnung der Rechtsfolge Versicherungspflicht abzusehen (zB § 1 S 3 SGB VI) oder trotz Eröffnung des Anwendungsbereichs der Beschäftigtenversicherung ausnahmsweise unmittelbar kraft Gesetzes Versicherungsfreiheit anzuordnen (§ 5 Abs 1 S 1 Nr 1 - Nr 3 SGB VI), sind erkennbar nicht erfüllt. Die vorliegend allein in Frage stehende Regelung des § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI gehört zu einem Kreis von Bestimmungen, die den betroffenen Pflichtversicherten unter den im Gesetz jeweils im Einzelnen umschriebenen Voraussetzungen nach eigenem "Entschließungsermessen" einen Anspruch auf eine konstitutive Befreiung von der Rentenversicherungspflicht durch einen gebundenen Verwaltungsakt des Rentenversicherungsträgers mit grundsätzlich auf die in Frage stehende Beschäftigung begrenzter Wirkung(§ 6 Abs 5 SGB VI) gewähren, um nachfolgend allein im berufsständischen Versorgungswerk mit günstigeren Bedingungen zu verbleiben. Eine vollständige Entlassung aus der öffentlichen Sozialversicherung ist dagegen nicht möglich (vgl BVerfG Beschluss vom 5.5.2008 - 1 BvR 1060/05 ua - SozR 4-2600 § 6 Nr 7 RdNr 16).
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Nur ausnahmsweise gewinnen daher die von beiden Systemen Erfassten ihre Vorsorgefreiheit (Art 2 Abs 1 GG) durch Befreiungsregelungen begrenzt zurück. Bei § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI handelt es sich dem Konzept der abgestuften Schutzbedürftigkeit folgend bereits innerhalb der Beschäftigtenversicherung um eine abschließende Ausnahmeregelung, die einer erweiternden oder entsprechenden Anwendung nicht zugänglich ist(vgl BSG Urteil vom 30.4.1997 - 12 RK 20/96 - USK 9733). Sein Ausnahmecharakter wird zudem dadurch weiter bestätigt, dass er auch innerhalb seines Anwendungsbereichs ein Befreiungsrecht keineswegs für alle Fälle der Doppelzugehörigkeit vorsieht. Etwas anderes ergibt sich auch nicht etwa deshalb, weil es sich bei ihm um eine "Kollisionsnorm" handele, deren Aufgabe darin liege, zugunsten der berufsständischen Versorgungseinrichtungen die Anwendbarkeit jeweils nur einer (einzigen) Rechtsmasse sicherzustellen.
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Kollisionsnormen betreffen die Frage, welches Recht als sog Sachnorm zur Anwendung kommt, wenn der Regelungsgegenstand gleichzeitig von mehreren Rechtsmassen erfasst ist. Sie bestimmen entweder beschränkt auf die Binnensicht nur einer Menge von Rechtssätzen, ob diese Anwendbarkeit beanspruchen, obwohl gleichzeitig andere Normbestände als einschlägig in Betracht kommen (einseitige Kollisionsnorm) oder legen für die Gesamtheit der einschlägigen Rechtsmassen umfassend fest, nach welcher von ihnen sich die rechtliche Beurteilung des Regelungsgegenstandes richtet (mehrseitige Kollisionsnorm). Nur soweit umfassend für alle Fälle des Zusammentreffens einschlägiger Rechtssätze die Anwendbarkeit wenigstens einer der in Frage stehenden Rechtsmassen abschließend abstrakt-generell bestimmt wird, kann ohne Weiteres von einer Kollisionsnorm in diesem Sinne gesprochen werden. Im Blick hierauf handelt es sich bei § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI im umfassenden Sinne um eine Koordinationsregelung und allenfalls in einem sehr beschränkten Sinne um den Sonderfall einer Koordinierung von Systemen durch eine Kollisionsnorm mit Ausschlusswirkung zugunsten der berufsständischen Versorgung. Beides schließt sich nicht aus. Nur wenn nämlich kumulativ alle objektiven Elemente des umfangreichen mehrgliedrigen Tatbestandes erfüllt sind, insbesondere allen Anforderungen an die Art der berufsständischen Versorgungseinrichtungen, an die Gleichartigkeit der Beitragserhebung sowie an die Gleichwertigkeit des Versicherungsschutzes genügt ist, und die hiernach Berechtigten positiv von dem ihnen eingeräumten "Entschließungsermessen" Gebrauch gemacht haben, kommt es (mittelbar) zum Ausschluss der Rentenversicherungspflicht. Das Gesetz beschränkt sich insofern typisierend auf Fallkonstellationen, bei denen insbesondere gleichermaßen das Bestandsinteresse und die Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung wie der Gesichtspunkt der Gewährleistung eines ausreichenden Schutzes der Betroffenen durch die berufsständische Versorgungseinrichtung berücksichtigt und gegeneinander abgewogen sind. Handelt es sich demgegenüber um Sachverhalte außerhalb des objektiven Anwendungsbereichs oder betätigt ein Berechtigter sein "Entschließungsermessen" nicht, fehlt es vollständig an einer kollisionsrechtlichen Rechtsfolgenanordnung und belässt es das Gesetz mit der Folge der Doppelversicherung bei der parallelen Anwendbarkeit der jeweils einschlägigen Rechtssätze. Keineswegs besteht damit nach dem zugrunde liegenden Regelungskonzept für jeden Kollisionsfall auch Bedarf nach einer eindeutigen (Nicht-)Anwendungsregelung und damit ggf einem weiten Verständnis des gesetzlichen Tatbestands.
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g) Darüber hinaus ist § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI weder bevorzugt dazu bestimmt, den Interessen von Freiberuflern zu dienen, noch bezweckt er in besonderer Weise den Bestandsschutz berufsständischer Versorgungswerke. Im Rahmen seines positiven Anwendungsbereichs bestimmt § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI aus der Binnenperspektive der gesetzlichen Rentenversicherung einseitig, ob es bei der normativen Anordnung von Versicherungspflicht aus § 1 S 1 Nr 1 SGB VI verbleibt oder ob hiervon ausnahmsweise wegen einer aus ihrer Sicht ausreichenden anderweitigen Absicherung abgesehen werden kann(vgl BT-Drucks 13/2590, S 18; Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 6 RdNr 22; Horn/Jung, AnwBl 2013, 420, 421; Horn, NJW 2012, 966, 971; Gürtner in Kasseler Kommentar, SGB VI, § 6 RdNr 4; Kilger/Prossliner, NJW 2004, 821, 823; Offermann-Burckart, MDR 2013, 1197; Rid, BB-Special 3/2008, 10, 14). Er kann schon deshalb keine "magna charta" der berufsständischen Versorgungseinrichtungen repräsentieren, die allenfalls im Sinne eines Rechtsreflexes betroffen sind.
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Die Entstehungsgeschichte bestätigt dieses Ergebnis. § 6 Abs 1 Nr 1 SGB VI hatte bis zum 31.12.1995 folgenden Wortlaut:
"(1) Von der Versicherungspflicht werden befreit
1.
Angestellte und selbständig Tätige, die aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglieder einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) sind, wenn für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zu entrichten sind und aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepaßt werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist, …"
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Soweit die Materialien zum Gesetz zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch vom 15.12.1995 (BGBl I 1824) in ihrem "Allgemeinen Teil" metaphorisch von einer "Friedensgrenze" (BT-Drucks 13/2590 S 1) unter "Berücksichtigung der berechtigten Interessen beider Systeme" (BT-Drucks 13/2590 S 18) sprechen, geschieht dies allein im Kontext der beabsichtigten Verschärfung der rentenversicherungsrechtlichen Befreiungsregelung und zur Vermeidung der befürchteten Erosion der gesetzlichen Rentenversicherung. Belange der Versorgungsträger finden demgegenüber nur insofern Erwähnung, als mit der vorgesehenen Beschränkung des Befreiungsrechts "im Ergebnis die seit langem akzeptierte Abgrenzung zwischen berufsständischer Versorgung und gesetzlicher Rentenversicherung in ihrer bisherigen Ausprägung gefestigt wird." Insbesondere ergibt sich aus den in BT-Drucks 13/2590 niedergelegten Erwägungen nicht andeutungsweise, dass mit der Schaffung der derzeit geltenden Fassung von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI für bestimmte Personengruppen von der Doppelrelevanz einer im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung als Beschäftigung ausgeübten Erwerbstätigkeit abgesehen bzw die Alterssicherung für eine lediglich parallel hierzu ausgeübte freiberufliche Tätigkeit als eigenständiger Befreiungsgrund ausgestaltet werden sollte. Vielmehr hat der Gesetzgeber nach neuem (insofern seit 1.1.1996 geltendem) Recht erfolgende Befreiungen für alle erfassten Berufsgruppen in gleicher Weise ausgestaltet. Die "Klarstellung", auf welche Tätigkeit oder Beschäftigung sich das Befreiungsrecht beschränkt (BT-Drucks 13/2590 S 22), erfasst daher die Gesamtheit der Normbetroffenen und damit selbstverständlich auch den vom Kläger repräsentierten Personenkreis. Ob das bis dahin geltende Recht möglicherweise anders verstanden werden konnte und daher die seit dem 1.1.1996 geltende Neufassung über eine bloße Klarstellung hinaus die Setzung neuen Rechts verkörpert, ist für die vorliegende Entscheidung ohne Bedeutung (vgl zur Bedeutung einer gesetzgeberischen "Klarstellung" für die Vergangenheit zuletzt BVerfG Beschluss vom 17.12.2013 - 1 BvL 5/08 - DB 2014, 634 = NVwZ 2014, 577).
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h) Das gefundene Ergebnis verstößt auch nicht gegen Verfassungsrecht. Die einschlägigen Fragen sind durch die Rechtsprechung des BVerfG geklärt. Der Gesetzgeber darf zur Bestimmung der Schutzbedürftigen typisierend an den Sachverhalt der Beschäftigung anknüpfen und in Verbindung hiermit Versicherungszwang anordnen. Hiergegen bestehen nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG keine verfassungsrechtlichen Bedenken (BVerfG Beschlüsse vom 20.5.1996 - 1 BvR 21/96 - SozR 3-2400 § 7 Nr 11 S 27 f und vom 14.10.1970 - 1 BvR 753/68 ua - SozR Nr 8 zu Art 2 GG; vgl im Übrigen die Nachweise bei BSG Urteil vom 5.7.2006 - B 12 KR 20/04 R - SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 29). Die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung verletzt die Betroffenen insbesondere nicht in ihrem Grundrecht aus Art 14 Abs 1 GG (vgl BVerfG Beschluss vom 26.6.2007 - 1 BvR 2204/00, 1 BvR 11 BvR 1355/03 - SozR 4-2600 § 2 Nr 10 RdNr 25) und berührt mangels eines unmittelbar berufsregelnden Charakters nicht den Schutzbereich des Art 12 Abs 1 GG (BVerfG vom 26.6.2007 aaO RdNr 27). Ein - vom Kläger im Übrigen auch nicht gerügter - Eingriff in sein Grundrecht aus Art 2 Abs 1 GG scheidet schon deshalb aus, weil der Gesetzgeber insbesondere mit der Einführung einer grundsätzlichen Versicherungspflicht für Beschäftigte von seinem weiten Gestaltungsspielraum im Spannungsverhältnis zwischen der individuellen Freiheit und den Anforderungen einer sozialstaatlichen Ordnung (BVerfG vom 26.6.2007 aaO RdNr 28) in verfassungsgemäßer Weise Gebrauch gemacht hat. Insbesondere verletzen die Pflichtmitgliedschaft und die damit ggf einhergehende Pflicht zur Beitragstragung in der gesetzlichen Rentenversicherung grundsätzlich auch bei Höherverdienenden, die anderweitig für ihre Alterssicherung Sorge tragen könnten, nicht Art 2 Abs 1 GG. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht die individuelle soziale Schutzbedürftigkeit eines Versicherungspflichtigen, sondern lediglich den Tatbestand der Beschäftigung voraussetzt. Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass diejenigen Personen, die ihre Arbeitskraft in den Dienst anderer stellen, im Allgemeinen auf diese Beschäftigung zur Erlangung ihres Lebensunterhalts angewiesen und daher - auch im Hinblick auf die Alterssicherung - sozial schutzbedürftig sind (vgl BVerfG Beschluss vom 31.8.2004 - 1 BvR 945/95 - SozR 4-2600 § 7 Nr 2 RdNr 13 mwN).
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Bei der ausnahmsweisen Eröffnung von Befreiungsmöglichkeiten zur Beseitigung eines unmittelbar gesetzlich angeordneten Versicherungszwangs darf der Gesetzgeber, der die Vorsorgefreiheit Beschäftigter aus Art 2 Abs 1 GG verfassungsrechtlich bedenkenfrei begrenzt hat, erst recht die Leistungsfähigkeit der verbleibenden Versichertengemeinschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigen und insbesondere dem Anliegen, Versicherte mit typischerweise günstigen Risiken in der gesetzlichen Rentenversicherung zu halten, vor dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) erhebliche Bedeutung beimessen; insofern kommt es auf die möglicherweise geringe Zahl der Betroffenen nicht an (vgl BVerfG Beschluss vom 5.5.2008 - 1 BvR 1060/05 ua - SozR 4-2600 § 6 Nr 7 RdNr 16 ff, 19). Die gesetzliche Rentenversicherung kennt unter Berücksichtigung dieser Vorgaben weder ein allgemeines Befreiungsrecht noch im Blick auf die gleichzeitige Absicherung in anderen Systemen einen allgemeinen Grundsatz der Vermeidung von "Doppelversicherungen". Auch gibt es von Verfassung wegen kein Wahlrecht zugunsten der jeweils günstigsten Versorgungsmöglichkeit (vgl insgesamt die Nachweise bei BSG Urteil vom 9.3.2005 - B 12 RA 8/03 R - SozR 4-2600 § 6 Nr 3 RdNr 6). Umgekehrt ist für das berufsständische Versorgungsrecht geklärt, dass es nicht gegen höherrangiges Recht verstößt, wenn sich die Mitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk auch auf in der gesetzlichen Angestelltenversicherung pflichtversicherte Berufsangehörige erstreckt (vgl BVerwG Beschluss vom 23.3.2000 - 1 B 15/00 - Buchholz 430.4 Versorgungsrecht Nr 42 und die dortigen Nachweise).
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Der verfassungsrechtlich damit unbedenkliche öffentlich-rechtliche Eingriff in die Vorsorgefreiheit der betroffenen Versicherten steht umgekehrt für seinen Anwendungsbereich eigenen individuellen Gestaltungen durch privatrechtlichen Vertragsschluss entgegen. Der besondere Schutzzweck der Sozialversicherung und ihre Natur als eine Einrichtung des öffentlichen Rechts schließen es grundsätzlich aus, über die rechtliche Einordnung allein nach dem Willen der Vertragsparteien, ihren Vereinbarungen oder ihren Vorstellungen hierüber zu entscheiden (BSG Urteil vom 18.12.2001 - B 12 KR 8/01 R - SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 73 und die dortigen Nachweise). Das gilt ohne Weiteres auch für die Wahl unter mehreren öffentlich-rechtlich ausgestalteten Sicherungssystemen nach Maßgabe individueller Günstigkeitserwägungen des Beschäftigten bzw der Arbeitsvertragsparteien. Diesen bleibt es im Übrigen zwar grundsätzlich unbenommen, Anknüpfungssachverhalte des Privatrechts, auf die das Gesetz öffentlich-rechtliche Normbefehle tatbestandlich stützt, selbst zu gestalten (vgl exemplarisch BSG Urteil vom 27.1.1994 - 2 RU 17/93 - SozR 3-2200 § 539 Nr 27 S 95 ff: Ausgestaltung der Übungsleitertätigkeit wahlweise als Beschäftigung oder als Ausdruck der Mitgliedschaftspflicht). Auch derartige Möglichkeiten der autonomen Gestaltung von Anknüpfungssachverhalten sind indessen versperrt, wo der Gesetzgeber die öffentlich-rechtliche Anordnung von Versicherungspflicht auch tatbestandlich auf zwingendes öffentliches Recht stützt. Soweit er daher in Ausübung seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz aus Art 74 Abs 1 Nr 1 GG die "Rechtsanwaltschaft" ausgestaltet hat, ist weder für einzelne Normbetroffene - ggf im Zusammenwirken mit ihren Arbeitgebern - noch für berufsständische Organisationen die Möglichkeit eröffnet, selbst über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu disponieren oder das Berufsrecht "fortzuentwickeln". Mangels privatrechtlicher Gestaltungsmöglichkeit scheidet insofern auch eine mikroökonomische Betrachtung unter dem Gesichtspunkt der "win-win-Situation" von vornherein aus. Hiervon unabhängig können die Arbeitsvertragsparteien indessen - wenn auch ohne versorgungsrechtliche Auswirkungen - die Grundlagen für eine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft neben dem Arbeitsverhältnis schaffen, dem Arbeitnehmer auf diese Weise ein zusätzliches Betätigungsfeld eröffnen und den Arbeitgeber am Sozialprestige der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft teilhaben lassen.
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i) Auf eine vom Gesetz abweichende rechtswidrige Verwaltungspraxis der Beklagten kann sich der vom Kläger repräsentierte Personenkreis nicht berufen (vgl BVerfG Beschluss vom 17.6.2004 - 2 BvR 383/03 - BVerfGE 111, 54). Außerhalb der vorliegend zur Entscheidung stehenden Fälle, bei denen es jeweils um die erstmalige Befreiung für einen bestimmten Zeitraum geht, weist der Senat hinsichtlich der derzeitigen Inhaber einer begünstigenden Befreiungsentscheidung auf Folgendes hin: Sie haben - bezogen auf die jeweilige Beschäftigung, für die die Befreiung ausgesprochen wurde - ein rechtlich geschütztes Vertrauen in den Bestand dieser Entscheidungen, das über den Schutz durch die §§ 44 ff SGB X hinausgehen dürfte. Insbesondere haben die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung (wenn auch ohne gesetzliche Grundlage) die "Vier-Kriterien-Theorie" selbst mit befördert und angewandt. Schon weil damit bei der gebotenen typisierenden Betrachtung Lebensentscheidungen über die persönliche Vorsorge nachhaltig mit beeinflusst wurden, kann einer Änderung der Rechtsauffassung hinsichtlich ergangener Befreiungsentscheidungen grundsätzlich keine Bedeutung zukommen. Demgegenüber ist vorliegend nicht näher darauf einzugehen, dass der 12. Senat des BSG bereits in seiner Sitzung vom 9.3.2005 eine der vorliegenden Entscheidung entsprechende Rechtsauffassung angedeutet hatte. Damals war es in den Verfahren B 12 RA 3/04 R, B 12 RA 4/04 R und B 12 RA 11/04 R (Presse-Vorbericht Nr 12/05 vom 23.2.2005) jeweils um die Frage gegangen, ob die Kläger, die jeweils als Rechtsanwälte in Schleswig-Holstein zugelassen waren und bei unterschiedlichen in Hamburg residierenden Unternehmen beschäftigt waren, für ihre Beschäftigung von der Versicherungspflicht zu befreien waren. Die Revisionen wurden damals in allen drei Verfahren zurückgenommen (vgl Presse-Mitteilung Nr 12/05 vom 10.3.2005).
(1) Die Beteiligten können bei der Deutschen Rentenversicherung Bund schriftlich oder elektronisch eine Entscheidung beantragen, ob bei einem Auftragsverhältnis eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung von Versicherungspflicht auf Grund einer Beschäftigung eingeleitet. Die Einzugsstelle hat einen Antrag nach Satz 1 zu stellen, wenn sich aus der Meldung des Arbeitgebers (§ 28a) ergibt, dass der Beschäftigte Ehegatte, Lebenspartner oder Abkömmling des Arbeitgebers oder geschäftsführender Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist.
(2) Die Deutsche Rentenversicherung Bund entscheidet auf Grund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles, ob eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt. Wird die vereinbarte Tätigkeit für einen Dritten erbracht und liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass der Auftragnehmer in dessen Arbeitsorganisation eingegliedert ist und dessen Weisungen unterliegt, stellt sie bei Vorliegen einer Beschäftigung auch fest, ob das Beschäftigungsverhältnis zu dem Dritten besteht. Der Dritte kann bei Vorliegen von Anhaltspunkten im Sinne des Satzes 2 ebenfalls eine Entscheidung nach Absatz 1 Satz 1 beantragen. Bei der Beurteilung von Versicherungspflicht auf Grund des Auftragsverhältnisses sind andere Versicherungsträger an die Entscheidungen der Deutschen Rentenversicherung Bund gebunden.
(3) Die Deutsche Rentenversicherung Bund teilt den Beteiligten schriftlich oder elektronisch mit, welche Angaben und Unterlagen sie für ihre Entscheidung benötigt. Sie setzt den Beteiligten eine angemessene Frist, innerhalb der diese die Angaben zu machen und die Unterlagen vorzulegen haben.
(4) Die Deutsche Rentenversicherung Bund teilt den Beteiligten mit, welche Entscheidung sie zu treffen beabsichtigt, bezeichnet die Tatsachen, auf die sie ihre Entscheidung stützen will, und gibt den Beteiligten Gelegenheit, sich zu der beabsichtigten Entscheidung zu äußern. Satz 1 gilt nicht, wenn die Deutsche Rentenversicherung Bund einem übereinstimmenden Antrag der Beteiligten entspricht.
(4a) Auf Antrag der Beteiligten entscheidet die Deutsche Rentenversicherung Bund bereits vor Aufnahme der Tätigkeit nach Absatz 2. Neben den schriftlichen Vereinbarungen sind die beabsichtigten Umstände der Vertragsdurchführung zu Grunde zu legen. Ändern sich die schriftlichen Vereinbarungen oder die Umstände der Vertragsdurchführung bis zu einem Monat nach der Aufnahme der Tätigkeit, haben die Beteiligten dies unverzüglich mitzuteilen. Ergibt sich eine wesentliche Änderung, hebt die Deutsche Rentenversicherung Bund die Entscheidung nach Maßgabe des § 48 des Zehnten Buches auf. Die Aufnahme der Tätigkeit gilt als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse.
(4b) Entscheidet die Deutsche Rentenversicherung Bund in einem Einzelfall über den Erwerbsstatus, äußert sie sich auf Antrag des Auftraggebers gutachterlich zu dem Erwerbsstatus von Auftragnehmern in gleichen Auftragsverhältnissen. Auftragsverhältnisse sind gleich, wenn die vereinbarten Tätigkeiten ihrer Art und den Umständen der Ausübung nach übereinstimmen und ihnen einheitliche vertragliche Vereinbarungen zu Grunde liegen. In der gutachterlichen Äußerung sind die Art der Tätigkeit, die zu Grunde gelegten vertraglichen Vereinbarungen und die Umstände der Ausübung sowie ihre Rechtswirkungen anzugeben. Bei Abschluss eines gleichen Auftragsverhältnisses hat der Auftraggeber dem Auftragnehmer eine Kopie der gutachterlichen Äußerung auszuhändigen. Der Auftragnehmer kann für gleiche Auftragsverhältnisse mit demselben Auftraggeber ebenfalls eine gutachterliche Äußerung beantragen.
(4c) Hat die Deutsche Rentenversicherung Bund in einer gutachterlichen Äußerung nach Absatz 4b das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit angenommen und stellt sie in einem Verfahren nach Absatz 1 oder ein anderer Versicherungsträger in einem Verfahren auf Feststellung von Versicherungspflicht für ein gleiches Auftragsverhältnis eine Beschäftigung fest, so tritt eine Versicherungspflicht auf Grund dieser Beschäftigung erst mit dem Tag der Bekanntgabe dieser Entscheidung ein, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 5 Satz 1 Nummer 2 erfüllt sind. Im Übrigen findet Absatz 5 Satz 1 keine Anwendung. Satz 1 gilt nur für Auftragsverhältnisse, die innerhalb von zwei Jahren seit Zugang der gutachterlichen Äußerung geschlossen werden. Stellt die Deutsche Rentenversicherung Bund die Beschäftigung in einem Verfahren nach Absatz 1 fest, so entscheidet sie auch darüber, ob die Voraussetzungen des Absatzes 5 Satz 1 Nummer 2 erfüllt sind.
(5) Wird der Antrag auf Feststellung des Erwerbsstatus innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit gestellt und stellt die Deutsche Rentenversicherung Bund eine Beschäftigung fest, gilt der Tag der Bekanntgabe der Entscheidung als Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis, wenn der Beschäftigte
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zustimmt und - 2.
er für den Zeitraum zwischen Aufnahme der Beschäftigung und der Entscheidung eine Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit und zur Altersvorsorge vorgenommen hat, die der Art nach den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht.
(6) Widerspruch und Klage gegen Entscheidungen nach den Absätzen 2 und 4a haben aufschiebende Wirkung. Im Widerspruchsverfahren können die Beteiligten nach Begründung des Widerspruchs eine mündliche Anhörung beantragen, die gemeinsam mit den anderen Beteiligten erfolgen soll. Eine Klage auf Erlass der Entscheidung ist abweichend von § 88 Absatz 1 des Sozialgerichtsgesetzes nach Ablauf von drei Monaten zulässig.
(7) Absatz 2 Satz 2 und 3, Absätze 4a bis 4c und Absatz 6 Satz 2 treten mit Ablauf des 30. Juni 2027 außer Kraft. Die Deutsche Rentenversicherung Bund legt dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales bis zum 31. Dezember 2025 einen Bericht über die Erfahrungen bei der Anwendung des Absatzes 2 Satz 2 und 3, der Absätze 4a bis 4c und des Absatzes 6 Satz 2 vor.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.
(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.